1891 / 44 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 19 Feb 1891 18:00:01 GMT) scan diff

ganzen Liebe und Sorgfalt des Reichstages bedurft, um dieselben allmäblich zur Reife zu bringen.

Staats⸗-Minister Freiherr von Berlepsch:

Meine Herren! Die Frage, ob es sich hier um ein wesentliches konstitutionelles Recht des Reichstages handelt oder vielmehr nur um eine Zweckmäßigkeitsmaßnahme, hat meines Erachtens das hohe Haus bereits in einem früheren Stadium seiner Berathungen entschieden, und ich glaube nicht nöthig zu haben, noch einmal auf diesen Punkt eingebend zurückzukommen. Ich glaube auch dem Wunsche des Herrn Präsidenten, der uns vorhin mitgetheilt worden ist, zu entsprechen, wenn ich nicht auf die Geschichte des Bundesraths, wie sie sich in dem Auge des Hrn. Abg. Payer darstellt, eingehe und nicht versuche, darzustellen, daß doch rielleicht der Bundesrath ein etwas sesterer Punkt in der Flucht der Erscheinungen ist, als der Hr. Abg. Payer ihn uns geschildert bat. Immerhin gebe ich ihm zu, daß man auf momentanes Vertrauen zu den Behörden keine an sich bedenkliche Gesetzesbestimmung stützen darf, und es handelt sich darum, ob wirklich die in 5. 105g des Gesetzes aufgenommene Bestimmung als so bedenklich anzusehen ist, wie sie ibm erscheint. Nun ist es richtig, daß nach dem Wortlaut dieses Paragraphen ihm eine weite Ausdehnung gegeben werden kann, und daß mit Zustimmung des Bundesraths eine Kaiserliche Verordnung auch andere Gewerbe betriebe, wie diejenigen, die unter 5. 105 und folgende an und für sich fallen, unter den Sonntagẽschutz stellen kann. Zur Interpretation des Paragraphen und der Meinung, die vorgelegen hat, als man ihn abfaßte, dienen die Erklärungen, die Seitens der Kommissarien der verbündeten Regierungen in der Kommissionssigung abgegeben sind. Sie sind von Hrn. Payer auch zitirt und lauten:

das auch hier eine Beeinträchtigung der Rechte des Reichs tages durchaus fern liege, auch zunächst an eine solch weitgehende Anwendung der Befugnisse, daß ganz neue Gebiete einbezogen werden sollten, nicht gedacht sei; vielmehr sei zunächst nur die praktische Er⸗ wägung maßgebend gewesen: für den Fall, daß die Durchführung des Gesetzes Unklarheiten und Inkonsequenzen bezüglich der Ausdehnung ergebe, durch ergänzende Verordnungen eingreifen zu können. Das wesentlichste Bedenken, was seinen Ausführungen zu Grunde liegt, wurzelt in dem Wort ‚zunächst“, und ich muß zugeben, daß dieses Bedenken begründet ist, und stehe durchaus nicht an, zu erklären, daß es richtiger gewesen wäre, dieses Wort hier nicht einzuführen, und daß es der Anschauung der verbündeten Regierungen entspricht, wenn das Wort zunächst“ hier gestrichen wird. (Hört, hört!) Es ist nicht unsere Meinung gewesen, daß neue, von der Gewerbeordnung nicht berührte Gebiete nunmehr durch eine Kaiserliche Verordnung unter die Bestimmung der sozialpolitischen resp. der Arbeiterschutzgesetzgebung gejogen werden sollen, sondern die Absicht der verbündeten Regierungen ist die, die in den weiteren Worten der Erklärungen des Kommissars in der Kommission ausgefübrt ist, nämlich, daß in einzelnen Fällen, wo ein Zweifel über die Auslegung des Begriffs hier ist z. B. das Handels— gewerbe genannt nicht ausgeschlossen erscheint, die Regelung durch die Kaiserliche Verordnung eintreten soll. Meine Herren, solche Zweifel können noch in sehr vielen anderen Fällen entstehen. Es ist nicht immer klar, was eine Werkstatt, was

eine Fabrik ist. Die Begriffsbestimmung ist namentlich beim Handels

gewerbe außerordentlich flüssig. Kurzum, es ist vorauszusehen, daß eine ganze Menge Schwierigkeiten und Zweifel entstehen, und um diese Lücke auszufüllen, ist 5. 105g in den Gesetzentwurf aufgenommen. Hr. Abg. Payer ist der Meinung gewesen, daß eines schönen Tages die Verkehrsgewerbe und Gast« und Schankgewerbe durch Kaiserliche Verordnung regulirt werden können. Das ist meiner Ansicht nach durch das Gesetz ausgeschlossen. In §. 1051 ist bestimmt, daß §. 105a Absatz 1 bis §. 105f auf das Gast⸗ und Schankwirthschaftsgewerbe sowie auf das Verkehrsgewerbe keine Anwendung finden. Daraus ergiebt sich, daß auch §. 1059 auf diese Gewerbe keine Anwendung findet und das Verbot der Sonntags arbeit in ihnen nicht durch Kaiserliche Verordnung regulirt werden könne. Diese Aufgabe muß vielmehr einer besonderen Gesetzgebung vorbehalten bleiben wie es z. B. auch meiner Auffassung entspricht, daß, wenn wir die gesammten Verhältnisse der Gesellen und Gehülfen im Handelsgewerbe bezüglich des Arbeiterschutzes regeln wollen, das nicht im Wege der Kaiserlichen Verordnung, sondern im Wege der Gesetzgebung zu geschehen haben wird. Ich glaube, daß dieser Stand— punkt um so richtiger ist, je dringender das Bedürfniß der verbündeten Regierungen ist, mit dem Reichstage Hand in Hand die großen Fragen der sozialpolitischen Gesetzgebung zu regeln.

Ich glaube deshalb, daß die Befürchtungen, die der Hr. Abg. Payer an diesen Paragraphen geknüpft hat, nicht begründet sind, und bitte Sie mit Rücksicht auf die Zweckmäßigkeitsgründe, die, wie gesagt, früher schon eingehende Erwägung gefunden haben, denselben anzunehmen.

Abg. Dr. K raue: Durch die Erklärungen des Staats⸗Ministers Freiherrn von Berlepsch würden die Bedenken seiner Partei allerdings wesentlich gemildert. Sollte aber 5. 105g angenommen werden, so würde sein Wortlaut, nicht die eben gegebene Interpretation, Geltung haben, der Bundesrath würde unzweifelhaft befugt sein, die Be⸗ ftimmungen über die Sonntagsruhe auch auf andere Gewerbe auszu⸗ dehnen Die Meinung des Abg. Payer über den Wechsel der Ansichten im Bundesrath könne er sich nicht aneignen. Der Bundes⸗ rath babe mit dem Parlament keine Aehnlichkeit. Er sei nichts Anderes als ein anderer Name für die Landesregierungen. Man könne dem Bundesrath keinen Vorwurf machen, wenn er, d. b. abhängige Beamte mit bestimmten Weisungen, seine Meinung ändere. Aber gerade deshalb wünsche seine (des Redners) Partei in der Ent- wickelung der Arbeiterschutzgesetzgebung die lebendige Betheiligung der Volksvertretung und nicht ein einseitiges Vorgehen des Bundes ratb3z. Er wünsche die Arbeiterschutzgefetzgebung auch auf Diejenigen auszudehnen, welche bisher noch nickt der Woblthat derselben tbeil˖ haftig geworden seien. Das größte Vertrauen zum Bundesrath könne nicht hindern, die staatsrechtliche Stellung nach allen Richtungen hin zu betonen. Er müsse bitten, den ganzen Paragraphen abzulehnen.

Staats-Minister Freiherr von Berlepsch: .

Meine Herren! Ich habe einen Irthum zu korrigiren, der mir in meiner Ausführung untergelaufen ist. Ich habe nämlich aus der Thatsache, daß die §§. 1652 Absatz 1 bis 1065f in dem 5. 1065 aufgeführt sind, den etwas tühnen Schluß gezogen, daß auch der 5. 105g hier ausgenommen sei. Das ist selbstverständlich ein Irrthum, der aber dadurch begreiflich wird, daß in der ursprünglichen Regierungsvorlage die Gast⸗ und Schankgewerbe sowie die Verkebrsgewerbe einen anderen Platz hatten, näm⸗ lich: 5. 105 . In Folge der Fassung des 5. 105g, letzter Satz, wäre es nach der Vorlage nicht möglich gewesen, durch kaiserliche Ver⸗ ordnung den Sonntagsschutz auf die hier in Frage stehenden Gewerbe

bändeten Regierungen entsprechender Ausdruck gegeben werden, so ist das unschwer dadurch zu erreichen, daß zu dem 5. 105 e ein Amende⸗ ment gestellt wird, wonach der Buchstabe f auf der ersten Zeile in g umgewandelt wird. . Abg. Dr. Hirsch: Es sei bezeichnend für die Stellung der soꝛial⸗ demokratischen Partei, daß sie, um den Arbeitern Vortheile zuzu⸗ wenden, die wichtigsten Rechte des Reichstages preisgeben wolle; nachdem kürzlich über den sozialistischen Theil ihres Parteiprogramms so merkwürdige Dinge bekannt geworden seien, zeige sie nun, daß auch der politische Theil desselben durchlöchert sei. Nachdem sie bisher immer gegen die Kommissionsbeschlüsse sich gewandt habe, die den Arbeitern größere Vortheile zuwenden, als die Regierungsvorlage, baben sie jetzt auf einmal solches Vertrauen zum Bundesrath! Ein solcher Einbruch in die Rechte des Reichstages, wie er hier vorgeschla⸗ gen werde, sei durchaus unbegründet, und seine Partei werde deshalb gegen den Paragraphen stimmen. . .

Abg. Br. Lon Bar: Die Tragweite des vorliegenden Paragrapben erscheine auch nach der vom Handels⸗Minister vorgeschlagenen redak- tionellen Aenderung böchst zweifelhaft; schon deshalb müsse seine Partei davon absehen, daß Erweiterungen der in den früheren Paragraphen gefaßten Beschlüsse vom Bundesrath allein bestimmt würden. Er (Redner) sei deshalb für die Streichung des Paragraohen.

Abg. v. Vollmar: Es handele sich nicht um die Aufgebung wichtiger konstitutioneller Rechte, sondern um den Schutz der Arbeiter, für welche seine Partei stets eingetreten sei und eintreten werde. Daß seine Partei zu der Regierung mehr Vertrauen habe, als zum Reichstage, sei nicht so sonderbar nach den Vorgängen des letzten Jahres. In den Wahlerlafsen sei eine Gesinnung vorhanden gewesen, die wesentlich durch die Schuld des Reichstages in der jetzigen Gesetzgebung sich nicht zum Ausdruck bringe. Von einer Freudigkeit, mit der der Reiche tag diese Vorlage behandele, babe er nichts finden können. Er Lehe statt der Freudigkeit nur Flauheit. Sollte später einmal die Regierung weniger Vertrauen verdienen in Bezug auf den Arbeiterschutz als der Reichstag, so werde seine Partei dann schon die nöthigen Maßnahmen treffen. Er bedauere, daß der Staats⸗Minister Freiherr von Berlepsch die Ausdehnung des Paragraphen in der Uebergangszeit beschränken nolle. Er (Redner) meine, daß vielmehr die Bestimmungen des Ge⸗ setzes auch auf solche Gewerbe ausgedehnt werden sollten, auf die sich die bisherigen Beschlüsse nicht bezögen, z. B. auf das Gast und Schankgewerbe. . .

Abg. Dr, Hartmann: Es handele sich nicht um eine ver fassungsrechtliche Frage, sondern um Zweckmäßigkeitsfragen, und diese empföhlen die Annahme des Paragraphen aus denjelben Gründen, aus denen §. 1956 schon genehmigt sei. Die vom Staats ⸗Minister Freiherrn von Berlepsch in Anregung gebrachte redaktionelle Aende⸗ rung empfehle sich schon deswegen, weil sie die Annahme des S§. 103 i erleichtern werde . . . Darauf wird der 5. 1058 gegen die Stimmen der Deutsch— freisinnigen angenommen. . . ; Nach 5. 1059 sollen die Bestimmungen dieses Gesetzes weitergehenden landesgesetzlichen Beschränkungen der Sonn⸗ tagsarbeit nicht entgegenstehen. Den Landes-Centralbehörden bleibt vorbehalten, für einzelne nicht auf einen Sonntag fal— lende Festtage Ausnahmen von den Bestimmungen über die Sonntagsruhe zu gestatten. Diese Bestimmung soll aber auf das Weihnachts-, Oster-⸗, Himmelfahrts⸗- und Pfingstfest keine Anwendung finden. . .

Abg. Schrader: Er beantrage, daß die Bestimmungen der §8. 1952 bis 195g nur den be stehenden weiteren Beschränkungen der Sonntagsarbeit nicht entgegenstehen sollten, weil er nicht wünsche, daß das Prinzip, Reichsrecht gehe vor Landesrecht, um eines relativ unerheblichen Punktes willen durchbrochen werde. Man möge nicht glauben, daß der vorliegende Paragraxh allein im Interesse der Ar⸗ beiter ausgelegt werden könne. Seine Partei babe keine Veranlassung, einfach der Landesgesetzgebung die Ausführung zu überlassen. Selbst die Landesbehörden allein könnten die Bestimmung in ihrem Sinn auslegen. Man möge deshalb seinen Antrag annehmen, der nur die bis jetzt bestehende Landesgesetzgebung als maßgebend betrachtet ,,,

Damit schließt die Diskussion. . .

Unter Ablehnung des Antrages Schrader wird §. 105h in der Kommissionsfassung angenommen.

Um 5 Uhr vertagt das Haus die weitere Berathung auf Donnerstag 1 Uhr.

Haus der Abgeordneten. 36. Sitzung vom 158. Februar 1891

Der Sitzung wohnt der Finanz-Minister Dr. Miquel bei.

Fortsetzung der zweiten Berathung des Ein— kommensteuergesetzes.

Der Abg. Broemel beantragt, folgenden neuen Para⸗ graphen 192 einzufügen:

Bis zur besonderen Regelung der verschiedenen Besteuerung fundirten und unfundirten Einkommens ist bei Einkommen aus gewinnbringender Beschäftigung ein Viertel des nach 5. 17 auf dieses Einkommen entfallenden Steuersatzes bei der Veranlagung in Abzug zu bringen.“ ö

Abg. Broem el weist darauf hin, daß man sonst immer von der stärkeren Heranziehung des fundirten Einkommens gesprochen habe, während in dieser Vorlage nicht mit einem Wort davon die Rede sei. Auf die beeinträchtigte Leistungsfähigkeit nehme man Rücksicht, aber auf diesen wichtigen Unterschied der Einkommensquellen lege man gar kein Gewicht. Die Wissenschaft sei sich längst darüber einig, daß das fundirte Einkommen, welches dauernd gesichert sei, höher besteuert werden müsse, als das persönliche Einkommen, welches mit der Arbeits · kraft des Steuerpflichtigen sich vermindere. Namentlich treffe dies zu bei den Männern der geistigen Arbeit. Der Finanz Minister habe eine Besteuerung des fundirten Einkommens für die spätere Zeit in Aussicht gestellt, aber er habe nicht, ge⸗ sagt, wie er diese weitere Steuerreform gestalten wolle. Er (Redner) meine, daß man die Frage der Besteuerung des fundirten und un⸗ fundirten Einkommens bei dieser Vorlage nicht bei Seite lassen könne, namentlich, da die Deklaration eingeführt würde und die Grund⸗ und Gebäudesteuer überwiesen werden solle. In Folge des neuen Ein⸗ schätzungserfabrens würden auch die Steuerzahler mit weniger als 3000 M Einkommen stärker herangezogen werden als bisher; eine Steuererböhung müsse für sie vermieden werden, umsomehr, als die Ueberweisung der Grund⸗ und Gebäudesteuer aus den Mehrerträgen der Einkommenfteuer eine Entlastung des Grundbesitzes bedeute. Die Regelung könne freilich vorläufig nur eine provisorische sein.

General · Steuerdirektor Burghart: Der Antrag gehöre zu der Reihe von Angriffen gegen den Plan der Regierung, welche die Auf— gabe, welche sie sich gestellt habe, successive löͤsen wolle. Der Abg. Broemel wie der Abg Rickert fordere die gleichzeitige Lõfung von Aufgaben, welche die Regierung nach und nach in Ängriff nehmen wolle. Wenn man eine gleichzeitige Lõsung unternommen hätte, dann hätten bis jetzt noch nicht einmal die Vorarbeiten erledigt werden können, und eine Vereinbarung in einer einzigen Session des Land tages würde überbaupt nicht erzielt worden sein. Bie Absicht des Antrags, das fundirte Einkommen stärker zu belasten, könne ja von der Re— gierung nur günstig beurtheilt werden; darin liege eine Anerkennung des Bestrebens der Regierung nach dieser Richtung hin. Der Um“ stand, daß die Einnahmen aus der Einkommensteuer zur Ueberweifung dienen sollten, neben anderen Einnahmen, welche der Staat habe, könne doch keinen Grund bieten, auf die unfundirten Einkommen schon jetzt Rücksicht zu nehmen. Ebenso wenig liege in der Deklaraflon ein Grund dafür, den Unterschied zwischen dem fundirten und unfun—

auszudehnen. Soll der von mir dargestellten Auffassung der ver⸗

dirten Einkommen im machen; die Deklaration solle nur eine

erechtere Veranlagung berbeiführen. Die Beamten, deren Ein⸗ . offen liege, würden jetzt zu hoch besteuert; von ibnen erwarte man keine Mehreinnabmen, wohl aber vom Grund- besitz, vom Gewerbe und namentlich vom Kapital. Die Männer der geistigen Arbeit seien nicht schlechter gestellt, als andere Steuerzahler, die ebenfalls ein unsicheres Einkommen hätten. Mancher Gewerbe⸗ treibende würde gern mit einem Beamten tauschen, der ein festes Einkommen und kein Risiko habe, Der Vorredner vergesse völlig die Klagen der Landwirthe über die Bruttobesteuerung, die doch auch be⸗ seitigt werden müsse. Eine solche provisorische Regelung sei leicht gemacht, aber schwer wieder zurückzunehmen; es werde dadurch die weitere Entwickelung ganz bedenklich beeinflußt. Deshalb bitte er, auf diesen Antrag nicht einzugehen. -.

Abg. Broemel beantragt nachträglich, seinen Antrag auf die Einkommen bis zu 9500 ½ zu beschränken.

Abg. Freiherr von Zedlitz spricht sich ebenfalls gegen den An⸗ trag Broemel aus, welcher vollständig außer Acht lafse, daß jetzt schon das fundirte Einkommen aus Grundbesitz und Gewerbebetrieb doppelt besteuert sei. Der Antrag würde eine neue Ungerechtigkeit schaffen. Mit der Lösung dieser Aufgabe müsse man warten, bis man die Einzelbeiten übersehen könne. .

Abg Dr. Sammacher erkennt an, daß der Antrag Broemel in seiner Tendenz ein berechtigter sei, bedauert aber, daß man jetzt diese Frage nicht regeln könne bei diesem Gesetz, mit dessen Zustande⸗ kommen es nicht verträglich sei, daß dieser Punkt, der nur mechanisch hiermit in Verbindung gebracht werden könne, geregelt werde. .

Abg. von Eynern; Der Antrag Broemel würde indirekt die Kapitalrentensteuer einführen. Geistige Arbeit sei nicht bloß bei der Schriftstellerei erforderlich; es erfordere ebensoviel geistige Arbeit, ein gutes Stück Tuch zu fabriziren, als einen schlechten Roman. Er bitte um Ablehnung des Antrags. . .

Abg. Broemel: Die Deklaration solle allerdings hauxtsächlich das Kapital stärker heranziehen, aber es sei eine Thatsache, daß die mittleren Einkommen aus gewinnbringender Beschäftigung jetzt nicht vollständig zur Steuer herangezogen seien; die Einschätzungs kommis⸗ sionen lietzen hier eine gewisse Milde walten. Sein Antrag treffe alle Arbeitseinkommen, nicht bloß die aus litterarischer Arbeit. Wenn die Sache nicht jetzt geregelt werde, dann werde man nachher dem fundirten Einkommen eine nene Last auferlegen, aber das Arbeits einkommen nicht im Mindesten entlasten.

Finanz-Minister Dr. Miquel:

Ich möchte doch ein Mißverständniß des Hrn. Abg. Broemel zuvörderst berichtigen, nach welchem er glaubt, daß der Herr General⸗ Steuer-Direktor die Ueberweisung der Grund und Gebäudesteuer in eine nebelhafte Ferne gerückt habe. Das war durchaus nicht seine Meinung; das kat er auch in keiner Weise gesagt. Wenn wir aber einmal untersuchen, in welchem Verhältniß die Ueberweisung der Grund⸗ und Gebändesteuer, beziehungsweise demnächst der Gewerbe⸗ steuer zu der Durchfübrung des Gedankens steht, das fundirte Rein⸗ einkommen anders zu befteuern als das Einkommen aus persönlichen Leistungen, so kann darüber ja nicht der mindeste Zweifel sein, daß die letztere Frage ungelöst bleiben wird, so lange die Grund und Gebäude und vielleicht auch Gewerbesteuer Staatssteuern sind. Ich will das hier nun nicht weiter ausführen, wir sind ja noch nicht an der Frage, ich bin aber überzeugt, Hr. Broemel, der ja in so gründ⸗ licher und eingebender Weise diese Frage studirt hat, wird mir in dieser Beziehung Recht geben.

Sodann, ich habe das auch gestern schon angedeutet, ist die Frage der Grund und Gebäudesteuerüberweisung nicht einfach die Frage des Verzichts auf eine Staatssteuer, sondern kann in verständiger und durchgreifender Weise nur an der Hand der Kommunalsteuerreform mittels eines besonderen Gesetzes geregelt werden. Und es ist daher vollkommen unmöglich, was Herr Rickert, der Fraktionsgenosse des Abg. Broemel, gestern verlangte, einfach zu sagen, wir überweisen die Hälfte der Grund⸗ und Gebäudesteuer an die Kreise. So kann diese Frage überhaupt nicht behandelt werden.

Der Antrag Broemel ist in Bezug auf seinen provisorischen Eingriff, seine mechanische Natur, die Verschiedenartigkeit seiner Wirkung von den übrigen Rednern so eingehend kritisirt, daß ich darauf nicht weiter zurückkomme; dennoch ist es mir lieb gewesen, daß ein solcher Antrag bier gestellt ist, weil die Ueberzeugung im ganzen Lande und auch in der Landesvertretung durch die Diskussion dieser Frage noch eine viel entschiedenere und lebhaftere werden wird, daß allerdings, um zu einer vollen Gerechtigkeit in Bezug auf die Steuer⸗ belastung zu kommen, die Lösung daher angestrebt werden muß.

Diejenigen, die mit mir diese Frage als einen Kardinalvunkt betrachten, müssen dann allerdings anerkennen, daß sie ohne die Frage der Stellung der jetzigen Realsteuern im Staatssteuersystem unlösbar ist, und dadurch kommen wir auf eine gemeinsame Basis der Ge⸗ rechtigkeit und Gleichheit, welche uns loslöst von den leider nur zu sehr in den Vordergrund tretenden Interessenberechnungen in Bezug auf die Steuer der einzelnen Klassen. Ich freue mich, daß die Diskussion dahin geführt hat, zu zeigen, daß diesen Grundgedanken, wie ich sie charakterisirt habe, eigentlich heute alle Parteien und das ganze Haus zustimmen. Aber ich füge hinzu, daß damit dies Frage noch nicht gelöst ist; mit dem guten Willen, solche gerechte, nach Maßgabe der Quellen verschiedene Besteuerung des Einkommens herbeiführen, ist es nicht gethan. Wenn wir der Frage näher treten, werden wir finden, daß sie in einer voll— kommen zutreffenden Weise noch in keinem Staat gelöst worden ist, namentlich auch nicht in Italien, auf welches Land Hr. Broemel schon bingewiesen hat. Und es kann nur erwünscht sein, daß, wenn die Königliche Staatsregierung an die Bearbeitung dieser Frage geht und sie in gesetzgeberischer Weise zu lösen sucht, sie dabei der Mitwirkung aller sachkundigen Männer im Lande, der Gelehrten sowohl wie der Praktiker, sich erfreuen kann. Ich möchte hier von dieser Stelle aus an alle diejenigen, welche sich berufen halten können, in dieser Beziehung gute Rathschläge zu ertheilen und mitzuwirken, den Appell richten, diese Frage der Königlichen Staatsregierung lösen zu helfen, die sich nicht einbildet, die allerweiseste zu sein und klüger zu sein, als die Männer der Wissenschaft und der Praxis, die wir das Glück haben, im Lande zu besitzen. (Lebhafter Beifall.)

Abg. von Evnern: Nachdem der Abg. Broemel seinen Zweck, die Erörterung der vorliegenden Frage, erreicht habe, möchte er ihn bitten, seinen Antrag zurückzuziehen. Würde derselbe angenommen, also das Einkommen aus geistiger Arbeit um ca. 25 , niedriger besteuert, so müsse man andererseits den bereits beschlossenen Tarif um 25 0so erhöhen.

Abg. Broemel:; Er könne den Antrag nicht zurückziehen und hoffe, falls er abgelehnt werde, bei anderen Gelegenheiten auf die Frage zurückkommen zu können.

Der Antrag Broemel wird gegen die Stimmen der Frei⸗ sinnigen abgelehnt.

Die Berathung wendet sich nunmehr dem III. Abschnitt zu: Veranlagung (85§5. 20-56).

X26 rt ders Wekamtagung), S5. 21-23 (Vorbereitung der a, werden ohne Debatte genehmigt.

Ss. 2 30 betreffen die Steuererklärung. Bei 8. 24 wonach Jeder, der bereits mit mehr als 30900 MS Einkommen en gf ist, zur Abgabe der Steuererklärung verpflichtet ist, wei

; Abg. Bie senbach darauf hin, daß die Selbfteinschätzung ein tiefes Eindringen in die Privatverhältnisse, eine Offenlegung aller Verhältnisse, die man verheimlichen möchte. herbeiführen werde. Die Selbsteinschätzung müsse aber nicht zur Tortur gemacht werden. Es sei eine genügende Strafe, wenn Derjenige, der die Deklaration unterlasse, sein Recht auf Reklamation verwirke. Die weiteren Strafen, welche die Kommission eingefübrt habe, seien überflüssig. Bedenklich sei die Einrichtung des Steuergerichtsbofes in der ersten Instanz und ferner der Umstand, daß man den Eid mit der Selbst⸗ deklaration verbunden habe. Wenn der Eid in das Gesetz komme, werde er weder den Paragraphen noch das ganze Gesetz annehmen. Die Anrufung des allmächtigen und allwissenden Gottes lediglich in Steuersachen entspreche nicht der Heiligkeit des Eides. Bei der weit⸗ verbreiteten Leichtfertigkeit in Bezug auf die Hochhaltung der Heilig⸗ keit des Eides sei es bedenklich, das Gebiet, auf welchem der Eid zugelassen sei, noch zu erweitern. .

Abg. von Eynern erklärt sein vollstãndiges Einverstãndniß mit den Ausführungen des Vorredners, der ebenso wie er aus dem prak— tischen Leben heraus die Sache beurtheile. Er habe sich nur schwer für die Deklaration entschieden und nur unter der Voraussetzung, daß alle die Sxitzen und Stacheln, die unnützerweise hinzugefügt seien, beseitigt würden. .

Auf Antrag des Abg. Rickert werden alle auf die Steuer⸗ erklärung bezüglichen Paragraphen (24-30) gemeinsam be⸗ rathen und hiermit auch verbunden die Berathung des An— trags von Hammerstein, welcher in vier neuen Paragraphen, S5. 30 a, 30 b, 300 und 35a bestimmen will, daß beim Tode eines Ein kommensteuerpflichtigen dem Vorfitzenden der Ver— anlagungskommission ein schriftliches Verzeichniß über den Nachlaß einzureichen ist. Die weiteren Paragraphen treffen die näheren Bestimmungen über die Fristen, Inhalt des Ver— zeichnisses u. s. w. ö

Abg. von Eynern spricht sich dagegen aus, daß im 5. 30 über die Regierung vorlage mit Strafe hinausgegangen fei, indem Die⸗ jenigen, welche die Steuererklärung binnen einer bestimmten Frist nicht abgäben, mit 25 0G Steuerzuschlag bestraft werden sollten. Es sei, genügende Strafe, daß die Kommiision das Recht habe, einzu⸗ schätzen, ohne daß der Steuerpflichtige reklamiren dürfe.

Abg. Höppner spricht seine Befriedigung darüber aus, daß Diejenigen, welche ihr Einkommen nicht genau üßerseben könnten, nur die Unterlage für die Schätzung im Allzemeinen nachweifen jollten. 1 die Bedenken der Landwirthe gegen die Selbsteinschätzung

eseitiat.

Abg. Dr, Fried berg: Daß die Einschãtzungskommission einen Steuerrflichtigen, welcher die Deklaration unterlasse, ihrerseits ein ˖ schätze, ohne daß er dagegen reklamiren dürfe, sei ein genügendes Mittel, um die Deklaration indirekt zu erjwingen. Tarüber Finaus solle man bei Einführung des neuen Verfahrens nicht gehen, denn der Zufchlgg von 25 ο werde überall als Strafe ein pfunden werden. Das Haus fei nicht da, um das fickasische Interesse zu wahren sondern um die Interessen der Steuerzahler zu berücksichtigen. Mit dieser Strafe werde man auch nicht schneller zum Ziele kommen, denn die Ungewißheit, wie die Kommission ein— schãßzen werde, werde ein viel stärkerer Zwang zur Deklaration sein.

n,Abg. Schmie ding: Die Gründe gegen den Strafzuschlag von 25 0io sprächen gegen die Deklaration selbst. Wer die Deklaration wolle, müsse sie auch ganz durchführen. Der Antrag von Hammer stein sei. geradezu unerträglich. Im Erbschaftssteuergefetz sei aller- dings die Darlegung des Nachlasses vorgeschrieben gewesen. Das Gesetz sei in der Kom mission abgelebnt worden. Hierher passe die Einrichtung des Nachlaßverzeichnisses durchaus nicht, denn darin liege nur eine zwangsweise Denunziation der Erben gegen den Erbnachlaffer. Wenn die Deklaration auch mit dieser Vorschrift belastet werde, dann werde sie nicht zu Stande kommen; die Aufregung im Lande sei jetzt schon groß genug. .

Abg. Fritzen spricht sich ebenfalls gegen den Antrag Hammer⸗ stein aus, aber auch gegen den Steuerzuschlag von 25 00, welchen die Kommission vorgeschlagen hat für Diejenigen, welche die Deklaration verweigerten.

Finanz⸗Minister Dr. Miquel:

Ich kann eine Aeußerung des Hrn. Abg. Dr. Friedberg nicht unbeantwortet lassen. Er sagt: warum brauchen wir fiskalischer zu sein als die Regierung? Ich hätte nicht erwartet, daß gerade aus diesem Munde eine solche Aeußerung gethan würde. Meine Herren, es handelt sich hier nicht um Fiskalismus, sondern darum, daß jeder Steuerpflichtige gleichmäßig veranlagt wird: derjenige, welcher seine staats bürgerlichen Pflichten ehrlich erfüllen will, und derjenige, welcher sie nicht erfüllen will. Das ist die Frage, die das Haus zu ent⸗ scheiden hat. Es handelt sich nicht um den Gegensatz von Fiskalismus und Nichtfiskalis mus.

Meine Herren, wenn die Anträge, wie sie hier vorliegen der Herr Präsident wird mir wohl erlauben, da die ührigen Redner einen Blick auf die Deklaration geworfen haben, diefe Sache ganz kurz zu skiziiren wenn die sämmtlichen Anträge, die bier vorliegen, an⸗ genommen werden, dann würde das heutige Verfahren, welches zu dieser höchft mangelhaften Veranlagung geführt hat, mir weit lieber sein als ein so konstruirtes Gesetz. Meine Herren, wenn die Erbschaftssteuer fällt, wenn die Inventarisation fällt, wenn dieser Antrag der Kommission fällt, wenn die Deklaration gelten soll nach den Anträgen, wie sie gestellt sind, so lange dem Deklaranten die Un— richtigkeit nicht durch klare Beweismittel erhärtet ist, wenn die Kom— mission nicht höher schätzen darf als um diesen Betrag, wenn die Kommissionen zusammengesetzt werden nach den Vorschlägen wie bis— ber, wenn dieselben Vorsitzenden und Kommissionsmitglieder bleiben, so haben wir eine Scheindeklaration, die die Staatsregierung und die Kommission bindet, und wir sind viel schlimmer daran, als bis her. Scheinmaßnahmen treffen ist immer das Allergefährlichste. Wer die Deklarationepflicht will in ihren Folgen einer gleichmäßigen Besteue— rung, muß sie ernstlich wollen. .

Meine Herren, die Deklaration ist auch schon in der Regierungẽ⸗ vorlage hingestellt worden als eine st aatsbůrgerlichee Pflicht. Es ist völlig unrichtig, wenn mehrere Redner davon ausgegangen sind, daß die Staatsregierung es den Steuer⸗ pflichtigen hat überlassen wollen, ob sie deklariren wollen oder nicht. Nein, nach der Regierungsvorlage ist die Deklaration eine staatsbürgerliche Verpflichtung; sonst hätte ja die Regierungs vorlage keinerlei Nachtheil knüpfen können an die Unterlassung einer willkär⸗ lichen Sache, die in das Belieben der Steuerpflichtigen gestellt wäre. Aber die Regierungsvorlage hat schon einen sehr wesentlichen Nachtheil an die Nichtdeklaration geknüpft, daß der Steuerpflichtige die Rechts · mittel gegen die Einschätzung verliert. Die Kommission ist nun einen Schritt weitergegangen, sie hat gesagt, dieser Rechts nachtheil genügt nicht, das hat die Erfabrung anderer Länder auch bewiesen; jedenfalls würde die allgemeine Deklaration nur sebr allmählich Platz greifen, Jahre wũrde es dauern; bis dahin würde eine große Anzahl von Personen einfach nicht deklariren; sie würden denken: wir kommen doch noch immer

besser weg bei der Einschätzung, als wenn wir deklariren, und erst wenn

nach Jahren die Einschätzung so boch wird, daß sie nur in ihrem eisenen persönlichen Interesse, nicht im Staatsinteresse, es als ‚Er—⸗ füllung einer bürgerlichen Pflicht‘ ansehen, zu deklariren, dann erst würden sie dazu übergehen.

Meine Herren, gewiß ist zuzugeftehen, daß die Erfüllung dieser staatsbürgerlichen Pflicht in manchen Fällen nicht angenehm ist. Es giebt sehr viele Pflichten, die zu erfüllen nicht angenehm ist, aber es fragt sich: erfordert das allgemeine Staatsinteresse die all gemeine Durchführung dieser staatsbürgerlichen Pflichten oder nicht? Wenn man davon ausgeht, so kann man nicht mehr auf die Gefühle, auf die Anschauungen einzelner Steuerpflichtiger sich einlassen, dann muß man sagen: diese staatsbürgerliche Pflicht trifft Alle, den Einen wie den Anderen. Man muß sich die Unbequemlichkeiten, die damit ver— bunden sind, gefallen lassen.

Meine Herten, ich babe in der Kommission über den vor— liegenden Antrag, über die Verschärfung der Rechtsnachtheile mich dabin geäußert: die möglichst rasche Durchführung der that— sächlichen Deklaration Seitens aller Steuerpflichtigen kann der Staatsregierung im höchsten Grade erwünscht sein, sie entspricht dem Ziel dieses Gesetzes. Ich habe weiter gesagt, daß, wenn die Landesvertretung geneigt sei, in dieser Beziehung noch grõßhere Garantien zu geben, als bereits in der Regierungsvorlage vorhanden sind, ich nicht in der Lage wäre, ein solches Entgegenkommen der Landesvertretung zurückjuweisen. Also, beschließt der Landtag heute dem Antrage der Kommission gemäß, so wird das dem Gesetze gewiß keine Schwierigkeiten machen. (Heiterkeit) In bin vielmehr überzeugt, daß hierdurch die Durchführung der allgemeinen Deklarationspflicht eher erfolgt als ohne denselben.

Meine Herrer, ich selbst habe in der Kommission angeführt, daß mir aus einer zuverlässigen Quelle aus einem Landestheil, den ich nickt nennen will, die Mittheilung gemacht wurde, daß sich die Einkommen steuerpflichtigen verabredet hätten, vorläufig nicht zu deklariren (hört, hört!), einmal ruhig abzuwarten, was daraus wohl werden würde. Meine Herren, wenn Sie sich nun vorstellen, daß wahrscheinlich diejenigen Herren, welche bisher in der Einschätzungskommission gesessen haben, als angesehene, achtbare, das Vertrauen ihrer Mitbürger genießende Männer wieder in die Kommission gewählt werden, dort die Mehrheit vielleicht haben, und wenn vielleicht der Antrag angenommen wird, daß die Regierung keine Mitglieder ernennen darf, und ihre Standes genossen deklariren eben nicht, wird dann nicht wohl ziemlich alles beim Alten bleiben? (Sehr richtig) Dann bilden wir uns ein, etwas Wesentliches gethan zu haben für die gleiche Veranlagung der Steuern, und wir haben nur ein Scheingesetz gemacht.

Meine Herren, wer die Deklaration nicht will, wer die heutigen traurigen Zustände in dieser Beziehung konserviren will, der mag es offen sagen, aber mit Scheinmaßregeln werden wir nichts erreichen, als lediglich die Augen zu verblenden. (Bravo) J

Abg. Sraf u Lim burg. Stsrum richt sic fa den Antrag von Hammerstein aus; es liege durchaus kein Grund vor, in der Ein— reichung des Nachlaßverzeichnisses irgend etwas zu sehen, was das Gefühl verletze. Redner empfieblt ferner die Aufrechterhaltung der Strafbestimmung, welche die Kommission binzugefügt babe.

Geheimer Finanz⸗Rath Wallach erklart, daß die Strafe erst dann eintreten könne, wenn außer der allgemeinen noch eine be— . e r nn zur Abgabe der Steuererklärung unbeachtet ge—

Abg. Rickert: Der Finanz⸗Minister habe den Steuer jahlern und den Einschäßungskommissionen bei der ersten Lesung ein gutes Zeugniß ausgestellt, heute aber ein schlechtes, und babe angedeutet, daß sie Diejenigen, welche die Steuererklärung verweigerten, nicht hoch genug einschätzen würden. Die Kommissionen z. B. bier in Berlin seien schon stteng genug, sodaß man den armen Cenfiten gegen Ueber⸗ griffe der Kommissionen schützen müsse. Die Volksvertretung, habe bier gerade einzutreten. Man mache hier einen ersten Verfuch mit der Deklaration, müßten denn die Mehreinnahmen sofort herauskommen? Man wisse ja noch garnicht, wofür sie verwendet werden sollen.

Finanz-Minister Dr. Miquel:

Ich bedaure, daß der Hr. Abg. Rickert durch stetiges Mißverstehen und Mißverkennen meiner Aeußerungen mich zu so vielen Reden zwingt. Meine Herren, ich halte meine Aeußerungen überall wörtlich aufrecht. Ich bin auch heute der Meinung, daß die große Mehrzahl unserer preußischen Steuerpflichtigen, wenn sie deklarirt, auf Ehre und Gemwissen beabsichtigt, die Wahrheit zu sagen; das halte ich voll— ständig aufrecht. Ich habe aber schon in der ersten Lesung gesagt: neben dieser großen Mebrheit giebt es aber doch, wenn man sich nicht die Augen verschließen will als Optimist und Phantast, eine Minder— zahl, die anders denkt und anders handelt. Das habe ich schon in der ersten Lesung hinzugefügt, und, meine Herren, die Lage der ehrlichen Mehrheit wird viel ungũnstiger, wenn neben ihr eine solche weniger gewissenhafte Minderheit steht. Sehr richtig! rechts) Das Gesetz legt jedem eine unbequeme Verpflichtung auf; sie wird viel leichter ertragen werden, wenn jeder sich sagt: da Alle diese Verpflichtung erfüllen, so muß ich sie auch erfüllen. Wenn aber ein jeder sich sagen muß: ich bin ein ehrlicher Mann und thue meine Schuldigkeit; die Andern thun ihre Schuldigkeit nicht, und es trifft sie dadurch nicht allein kein Nachtheil, sondern sie haben noch den Vortheil der geringeren Einschätzung, dann erst wird die Mißstimmung wachsen.

Der Herr Abgeordnete verkennt aber, daß meine Aeußerung sich lediglich auf die Fälle bezog, wo wirklich deklarirt wird; bier sprechen wir von denjenigen Fällen, wo der Betreffende sich der Deklaration entzieht. Ich glaube, es giebt eine große Anzahl von Steuerpflichtigen in Preußen, welche, wenn sie deklariren, die Wahrheit sagen, sich aber nichts daraus machen, nicht zu deklariren; das ist ein praktischer Gesichtspunkt, den ich Hrn. Rickert sehr ans Herz legen möchte. Es ist Thatsache, daß bisher die Steuerpflichtigen, die wir zu niedrig eingeschätzt haben nur in den allerseltensten Fällen eine Verpflichtung in sich gefühlt haben, von den zu niedrigen Einschätzungen der Einschätzungskommission Kenntniß zu geben, sie haben es ruhig über sich ergehen lassen, wenn sie zu niedrig eingeschätzt waren, was man ihnen auch garnicht verdenken konnte. Nicht anders wird das in Zukunft bei sehr vielen Steuerpflichtigen sein: sie werden sagen: das Gesetz bestraft mich ja nicht, sondern höchftens verliere ich das Recht der Reklamation, ich will es mal erst versuchen, ob ich nicht niedrig eingeschätzt werde, und sollte das der Fall sein, so nehme ich das hin, und reklamire gewiß nicht, um höher eingeschätzt zu] werden. Das ist die Lage der Dinge. Wer die Dinge praktisch kennt, muß mir in dieser Beziehung Recht geben. (Sehr richtig Daher kommt es denn auch, daß in Sachsen die Zahl der Deklarirenden im Anfang

gering, allmäblich sich vermehrt hat und daß beute in viel größerem Maße deklarirt wird, als früher. (Abg. Rickert: als nöthig isth

Meine Herren, wir haben gesagt: es giebt heute viele unter 3000 Mark veranlagte Steuerpflichtige; dieselben verpflichtet das Gesetz an sich nicht zur Deklaration; aber sie können aufgefordert werden zu deklariren, wenn man vermuthet, daß sie bisher zu niedrig eingeschätzt waren und eigentlich in höhere Stufen gehörten. Was bedeutet denn diese ganze Aufforderung, wenn keine wirksamen Folgen an die Sache geknüpft werden? Also ich glaube, irgend ein Wider— spruch in meiner ganzen Auffassung ist nicht vorhanden.

Ich wiederhole, meine Herren: es handelt sich hier keineswegs bloß um ein Mehrerträgniß, welches durch eine durchgreifendere all⸗ gemein stattfindende Deklaration der Staatskasse zugeführt werden soll, sondern in viel höherem Maße handelt es sich um die Frage einer gleichmäßigeren Besteuerung. (Sehr richtig Das ist eben die Frage. Und wenn man ein solches Ziel erreichen will, dann soll man sich doch nicht scheuen, die nöthigen Maßnahmen und Mittel, um dies Ziel zu erreichen, in die Gesetzgebung higeinzuschreiben. Man wird dadurch keine Mißstimmung, sondern vielmehr eine größere Zufrieden heit erreichen. (Bravo

Meine Herren, was den Antrag des Hrn. Abg. v. Hammerstein betrifft, so muß ich ja zugeben, daß die Aufstellung eines Inventars als Theil der Erbschaftssteuer sich viel natürlicher machte. Die Erb— schaftssteuer gab eben nur eine volle Klarstellung des Inhalts der Erbschaft auch bei Descendenten und Ascendenten und Ehegatten und war ein wichtiges Mittel, zu einer richtigen Veranlagung der Ein⸗ kommensteuer zu kommen. Ich muß aber, nach der ganzen Stimmung im Hause und nach den Beschlüssen der Kommission leider befürchten, daß die Erbschaftssteuer, diesmal wenigstens, vom Hause nicht acceptirt wird. Da kann es mir nur erwünscht sein von meinem Standpunkt, wenigstens dies Mittel der Kontrole zu ge⸗ winnen, welches der Antrag v. Hammerstein uns bietet. Sört! hört! Meine Herren, ich glaube, der Gesichtspankt, der namentlich in der Kommissien und beute auch von dem Abg. Schmieding hier in den Vordergrund geschoben ist, als wenn bier gewissermaßen eine zwangäsweise Denunziation der verstorbenen Erblasfer vorliege, wenn die Erben verpflichtet wären, ein Inventar auf zustellen, kann doch nicht durchgreifend sein. Meine Herren, dieser Zwang zur all⸗ gemeinen Inventarisirung wird eben zu einer richtigeren Deklaration führen, und folglich die Zahl der Vergehen gegen dieses Gesetz vermindern. Außerdem, wenn Sie eine solche allgemeine Verpflichtung nicht einführen, werden Sie thatsäͤchlich einen Zustand der Ungleichheit im Lande beibehalten. Es ist schon angeführt, daß ja bei der Ver⸗ erbung auf minorenne Kinder, die man gewiß nicht schlechter behandeln soll als volljährige, allgemein inventarisirt werden muß. Aber man kann auch noch hinufügen, daß wir ganze Landestheile haben, wo auf Grund des ehelichen Gũterrechts das Inventar allgemein eingeführt ist. Das sind namentlich die Landestheile, wo die Errungenschaftsgemeinschaft oder die allgemeine Gütergemeinschaft besteht. Ich glaube somit, diese Gegengrũnde können doch nicht durchschlagend sein; aber andererseits muß man zugestehen, daß in einem solchen Inventar ein außerordentliches Moment liegt, um zu einer richtigen Steuererklärung zu kommen. Ich würde Ihnen daher den Antrag v. Hammerstein empfehlen. (Braro! rechts.)

Abg. Freiherr von Hamm erstein: Es werde eine mehr oder minder große Minorität im Lande geben, welche bestrebt sein werde, dieses Gesetz zu umgehen. Wenn die Deklaration eingeführt werde, dann sei es auch Pflicht der Volksvertretung, die Durchführung der Deklaration zu sichern. Kleine Geldstrafen Fülfen nicht, die Strafe müsse so groß sein, daß sie im Verhältniß stehe zu dem Steuer⸗ vortheil, den ein reicher Mann durch Nichtdeklaration erzielen könne. Ebenso liege es mit seinem Antrage wegen des Nachlaßinventars, den der Finanz ⸗Minister bereits genügend begründet habe.

Abg. Dr. Friedberg: Daß der Finanz-Minister die größeren Zwangsmittel nehme, welche ibm angeboten würden, sei sebr be⸗ greiflich, Er nehme den Steuerzuscklag als Ersatz für die wegfallende Erbschaftssteuer, aber er nehme auch noch den Antrag Hammerstein mit dem Erbschaftsinventar. ;

Abg. von Eynern: Er habe sich für die Regierungs vorlage ein⸗ schreiben lassen, aber nach den Aeußerungen des Finanz Ministers wisse er nicht mehr, welches die Regierungsvorlage fei, desbalßb verzichte er auf das Wort. (Heiterkeit)

Abg. Freiherr von Zedlitz tritt für den Antrag der Kommission und für den Antrag von Hammerstein ein, weil fonst die unehr⸗ lichen Censiten bevorzugt würden auf Kosten der ehrlichen, welche bei der Kommunalbesteuerung direkt benachtheiligt würden.

Abg. Rickert: Es sei ein Fehler, wenn die Volksvertretung der Regierung solche schärferen Mittel an die . gebe, die sie selbst nicht gefordert habe, jumal wenn solche Zwangsmittel nicht noth⸗ wendig seien; denn in Sachsen habe man die Erfahrung gemacht, daß mehr Personen deklarirt hätten, als dazu verpflichtet gewefen wären. Gegen die Darstellung möchte er Verwahrung einlegen, als ob die Grundbesitzer allein die ebrlichen Leute seien. Man werde ja später noch davon sprechen können, daß einzelne Grundbesitzer nicht einmal zur Einkommensteuer eingeschätzt seien, sondern nur zur Klassen⸗ steuer. (Zuruf rechts; Sie sind zu arm!) An ihrer Tebensweise merke man das aber nicht. ; .

Die 5§. 24 29 werden darguf unverändert angenommen. Im S§. 30 wird der Zusatz der Kommission (25 Proz. Husch ag zur Steuer bei; verweigerter Deklaration) mit 183 gegen 134 Stimmen in namentlicher Abstimmung angenommen. Dafüt stimmen die Konservativen, die Freikonservativen, mit Ausnahme der Abgg. von Eckartstein, Stüve und Schöller; ferner die Polen und der kleinere Theil der Nationalliberalen.

Der Antrag von Hammerstein wird mit 192 gegen 124 Stimmen abgelehnt; für denselben stimmt die Mehrzahl der Konservativen und Freikonservativen; gegen denselben stimmen die übrigen Parteien und die konferbativen Abgg. von Eckartstein, Krah, von Selle, Stengel, Stüve, . Christophersen, von Köller, von Kröcher und Schnatsmeier.

Um 4 Uhr wird die weitere Berathung vertagt.

Statiftik und Volkswirthschaft.

Zur Volkszäblung.

Die Bexölkerung des , Potsdam bat eine Zu⸗ nahme erfahren. Diese Zunahme trifft indessen beinabe ausschließlich die größeren Städte mit Industrie, während auf dem Lande und in kleineren Städten die Bevölkerungsziffer theilweise nicht un- erheblich zurückgegangen ist. Dieses Ergebniß bestãtigt die allgemeine Klage, daß es den landwirthschaftlichen Betrieben an Arbeitern feblt. Ein Ersatz des landwirthschaftficken Sefindes aus der jüngeren einbeimischen Bevölkerung ift kaum noch ju er⸗ reichen; die erforderlichen Arbeitskräfte mässen daher mit großen Umständen und Kosten über Berlin aus fremden Provinzen heran- gejogen werden.

Deu tsche Arbeiter kolanien. In der gestrigen Sitzung wurde auch Bericht erstattet über die

Natural⸗Verpflegun sstation en. Gs wurde bemerkt, daß bejũüglich der Verpflegungs nen erfreuliche Resultate zu derjelchneñ