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das ein wesentlicher Unterschied gegenüber allen anderen Berufẽsständen. Dieser Uebelstand, der Besitz relativ reichlicher Mittel vor erlangter körperlicher und sittlicher Reife, verlange ernsthafte Bekämpfung. Die Regierungen verhehlten sich nicht und hätten es in den Motiren der Vorlage ausdrücklich ausgesprochen, daß die Gesetz- gebung auf diesem Gebiet überhaupt nur wenig leisten könne. Es fei ausdrücklich gesagt, daß es dazu der Mitwirkung von Kirche, Gemeinde, Familie uns Arbeitgebern bedürfe. Die vorgeschlagene und von der Kommission angenommene Verschärfung schreibe bei Arbeitern unter sechzehn Jahren unbedingt die Aushändigung des Arbeits— buches an den Vater oder Vormund vor und übherlasse es bei den 16 —=21jaͤhrigen dem Verlangen derfelben, als eine Waffe, welche ihnen zur Stärkung ihrer Autorität übergeben werde, und der Miß— brauch, der damit gemacht werde, hänge wesentlich von den Eltern ab. Die Gefetzgchung müffe es aber für ihre Pflicht halten, was an ihr liege, zur Stärkung der elterlichen Autorität, beizutragen. Die Gefahr zu früher wirthschaftlicher Selbständigkeit liege weniger vor bei dem 14 —– 16jährigen — das fei meistens die Lehrzeit — als bei dem 16— 21jährigen. Das sei die kritische Zeit. Die verbündeten Regierungen erkennten den Eintritt voller wirthschaftlicher Reife mit 16 oder 18 Jahren nicht an, hielten daher an der Führung des Arbeitsbuchs für alle minderjährigen Arbeiter fest, und er bitte, die Anträge Auer und Gutfleisch abzulehnen und es bei dem bestehenden Gesetz zu
belassen. —
ö Dr. Hartmann: Es wäre vielleicht hier die rechte Ge⸗ legenheik gewesen, die alten Anträge zu erneuern. Seine Partei der= zichte darauf, weil sie. Alles vermeiden wolle, was diesem Gesetze feinen Charakter des Friedens und der Versöhnung rauben oder ver bunkeln könnte. Selbst die Sozialdemokraten wollten doch das Ärbeitsbuch nicht abschaffen, sie hielten es sogar bis zum 16. Lebens⸗ jahre für einen Segen, warum denn nicht bis zum 21. Jahre? Es sei auch nicht einmal der Beweis versucht worden, daß das Arbeits buch bis zum 21. Jahre geschadet habe. Junge Arbeiter und die Söhne wohlhabender Eltern könne man doch nicht miteinander ver⸗ gleichen. Die Letzteren seien bis zum 21. Jahre im höchsten Grade unselbständig, sie erwürben nichts und erhielten jeden Pfennig von ihrem Vater. Hier sei also ein Gegengewicht gegen eine allzufrũhe Selbständigkeit unnöthizg. Die Freiheit der Bewegung werde aber dem jungen Arbeiter micht allein ju seinem Vortheil genommen, sie werde auch Übertragen auf denjenigen, der ihm für sein ganzes Leben sein bester Freund und der selbst Arbeiter sei, seinen Vater. Erst mit 21 Jabren erreiche auch der jugendliche Arbeiter seine volle Reife des Verstandes und des Charakters. Deshalb bitte er, die reaktionären Anträge Hirsch und Auer abzulehnen.
Abg. Wöllmer: Gewiß sei in Arbeiterkreisen das Familien- leben zerrüttet, aber auch in den jugendlichen Kreisen der Vor⸗ nehmen heiße es: genießen und Carrière machen. Der Regierungs⸗ vertreter habe geglaubt, daß die bisherigen Bestimmungen nickt ausgereicht hätten und nach der alten Methode eine Verschärfung für nothwendig ge⸗ funden: es werde immer mehr gestohlen, also müßten die Gesetze gegen den Diebstahl verschärft werden, anstatt den Quellen des Uebels nach zuforschen! Das sei dieselbe Beweisführung wie bei der Verlängerung des Sozialistengesetzes. Wenn seine Partei nicht schon jetzt die Be—= feitigung der Arbeitsbücher beantragt habe, so sei dies geschehen, weil sie gehofft habe, durch ibren Antrag den Weg ju ebnen, um die rückfchrittlichen Bestimmungen der Gewerbeordnung nach und nach abzuschaffen. Bürgerliche Großjäbrigkeit und Mündigkeit, d. h. die Möglichkeit, über Vermögensobjekte zu verfügen, und gewerbliche Selbständigkeit und Mündigkeit lei zweierlei. Diese gewerbli! e Mündigkeit sei glaube er, mit 18 Jahren in Arbeiterkreisen erreicht. Bei dem gde ums Dasein dürse man dem Arbeiter nicht mehr Fesffeln der Bevormundung anlegen, als unbedingt nothwendig fei. Der Abg. Winterer habe selbst schon darauf hingewiesen, daß kas Ärbeitsbuch allein, nach seiner Meinung, nicht viel nütze.
üiebrigens bemerke er dem Abg. Wurm, daß seine (äs Redners) Partei im Prinzip zwar nicht Gegner der Strikes sei, sie aber
Fur als ultima ratio billige. Die Freiheit der Bewegung der minderjährigen Arbeiter zu beeinträchtigen, wäre aus ökonomischen Gründen unbillig. Wo günstige Arbeitsbedingungen vorhanden, sei die Seßbaftigkeit gewiß befördernswerth; wo aber die Industrie ver⸗ altet, nicht mehr konkurrenzfähig sei, düefe man nicht hemmend in die Bewegungsfreibeit der Arbeiter eingreifen. Oder wolle man etwa die an fich schkon trägen Weber des Eulengebirges in ihrer Abneigung bestärken, aus ibrem Distrikt herauszugeben, in dankbareren Partien des Vaterlandes Beschäftigung zu suchen, um xvielleicht später neue Artikel, neue Industriezweige in der Heimath einzuführen? .
Abg. Grillenberger: Auch die hier vorgeschlagenen Bestim mungen liefen lediglich darauf hinaus, den Arbeiter darin ju be— schränken, sich beffere Lebens bedingungen zu verschaffen. Auch seine Partei billige Strikes nur im äußersten Nothfall. Aber selbst für diefen äußersten Nothfall dürften solche Beschränkungen nicht ange nommen werden. An der allzufrühen Selbständigkeit der Arbeiter sei die jetzige Produktionzweise schuld. Allerdings lebten die Studenten von ihren Eltern, aber was sie da bezögen, rerräsentire meistens ganze Ver⸗ mögen, fie verfügten vollständig selbständig über den Wechsel, und er hätte einmal das Gesicht des Abg. Hartmann sehen wollen, als er noch junger Stndent gewesen sei, wenn ihm der Herr Para kein Taschengeld oder keinen Wechsel geschickt hätte. Ver Abg Hartmann habe damals auch noch nicht die sittliche und wirthschaftliche Reife gehabt, die er bei den jugendlichen Arbeitern für nötbig halte. Ferner bie Lieutenants verfügten schon mit 17 — 18 Jahren über ein Einkommen. Charakteristisch sei, daß der Abg. Dr. Hartmann es schon als eine große Zurückhaltung betrachte, wenn seine Freunde ibren Antrag wegen der obligatorischen Arbeitsbücher für alle Arbeiter nicht erneuert hätten. Der Vater könne nicht immer der beste Freund feines Sohnes sein. Man denke nur an den Fall, wo Vater und Sohn in zwei verfchiedenen Fabriken arbeiteten. In der einen Fabrit᷑ breche wegen unerhörter Herabdrückung der Löbne ein Strike aus, an dem der Sohn theilnehmen möchte. Beide Fabrikanten seien gute Freunde. Werde man nicht den Vater dazu bewegen, seinen Sohn von jenem Strike fernzuhalten?
Damit schließt die Diskussion. ö
Der Antrag Auer und der Antrag Gutfleisch werden abgelehnt, §. 107 unverändert angenommen; desgleichen ohne Debatte die 8§. 108 bis 112, die über Ausnellung, In⸗ halt und Behandlung des Arbeitsbuches Vorschriften geben und gegen die bestehende Gewerbeordnung nur unwesentlich (namentlich in Folge, der Ergänzung des. 107) ver⸗ ändert sind. . . ᷣ
Nach 5. 113 können die Arbeiter beim Abgang ein Zeugniß Über die Art und Dauer ihrer Beschäftigung for— dern, welches auf Verlangen der Arbeiter auf Führung und Leistungen' ausgedehnt werden kann. Den Arbeitgebern ist untersagt, die Zeugnisse mit Merkmalen zu versehen, welche den Zweck haben, den Arbeiter in einer aus dem Wortlaut des Jeugnisses nicht ersichtlichen Weise zu kennzeichnen. (Der letzte Satz ist Zusatz der Kommission.) Ist der Arbeiter minderjährig, so kann das Zeugniß von dem Vater oder Vor⸗ mund gefordert werden; auf ihr Verlangen muß es ihnen selbst ausgehändigt werden.
Dem von der Kommission beschlossenen . beantragen die Abgg. Auer und Genossen folgende Fassung zu geben;
„Ben Arbeitgebern ist untersagt, das Zeugniß mit einem Merkmale zu versehen, welches den Zweck hat o der geeignet ist, den Krbeiter in einer aus dem Wortlaut des Zeugnisses nicht ersichtlichen Weise zu kennzeichnen.“ .
Abg. Molkenbuhr: Die Arbeitszeugnisse böten gar keine Ge⸗ währ dafür, daß ihr Besitzer in seinem Fache auch wirklich etwas leisten könne, sondern nur dafür, daß er in dieser Branche be⸗ schäftigt gewesen fei; in Amerika z. B. werde kein Arbeitgeber auf Zeugnisse Werth legen, aber in Deutschland habe man sich daran gewöhnt, und jeder Gendarm verlange ja heute von einem Arbeiter,
den er wandernd treffe, zuerst die Vorzeigung der Arbeitszeugnisse. Wenn nun die Zeugnisse nur unnütz waren, so würde seine Partei gegen diesen Paragraphen nichts einzuwenden haben, aber sie seien schädlich, denn sie würden zu geheimen Merkmalen gebraucht. Dadurch würden die Arbeiter zu Transporteuren ihrer eigenen Verrufserklärungen. Nun seien ja Bemerkungen im Zeugniß, die solche Kennzeichnung bezweckten, bei Strafe verboten, aber es gebe noch genug Mittel, Bemerkungen hineinzubringen, die, in dem sie andere Zwecke erfüllten, doch geeignet seien, zu Ver— rufserklärungen zu dienen, z. B. eigenartige Färbung des Papiers, die Art des Abstempelns, das Unterstreichen gewisser Worte gälten nach Vereinbarungen der Arbeitgeber als solche Mittel. Um dem zu steuern, bitte seine Partei ibren Antrag anzunehmen. Einem Drechsler aus der Altmark, welcher Vorsitzender eines Strikeausschusses gewesen sei, sei es weder in der Altmark, noch sonstwo in Deutschland ge⸗ lungen, Arbeit zu bekommen — auf diese Weise machten die Arbeitgeber vermöge ibrer immer weiter sich ausdehnenden Verbindungen die Arbeiter zu willenlosen Maschinen. Er habe eine solche schwarze Liste, auf denen die Namen von solchen in Verruf erklärten Arbeitern gestanden hätten, selbst in der Hand gehabt. Hamburger Arbeitgeber hätten in einem Vertrag die Bestimmung, daß Arbeiter, die gestrikt hätten oder die ausgeschlossen seien, nicht beschäftigt werden dürften. Nun seien auch in diesem Paragraphen wieder Bestimmungen über jugendliche Arbeiter vorhanden, und sie würden mit dem Streben motivirt, bessere Zucht unter den jugendlichen Arbeiter zu verbreiten; die Motive fübrten an, daß gerade jugendliche Arbeiter sich durch unmäßigen Besuch ron Wirthschaften und frühzeitige Heirathen her vorthäten, ohne daß sie andere Einnahmeguellen hätten, als ihren Arbeits⸗ lohn; aber die Regierung habe es versäumt, statistische Angaben über die Zahl der Heirathen jugendlicher Arbeiter zu machen, wozu sie doch in der Lage gewesen sei; übrigens habe auch der ältere Arbeiter keine anderen Einnahmequellen, als seinen Arbeitslohn, und wenn der Arbeiter nicht früher heirathen solle, als wenn er noch andere Einnahmequellen besitze, so verbiete man damit den Lohnarbeitern überhaupt das Heirathen. In den Motiven werde auch auf die Zahl der jugendlichen Arbeiter hingewiesen, die sich an der Strikebewegung der Bergarbeiter betheiligt hätten, und bemerkt, daß 11 0 aller strikenden Bergarbeiter jugendliche gewesen seien; aber nach einer anderen Statistik habe die Zahl der jugendlichen Bergarbeiter 25 C aller Bergleute betragen. Das Verhältniß der Strikenden sei alfo gar nicht so ungünstig. Wolle man die Minder jäbrigen vom Sirike ganz ausschließen, so bringe man sie in eine Lage, welche für ihre weitere Entwickelung die schädlichsten Folgen haben könne; durch den letzten Absatz des Kommissionsantrages bringe man den minderjährigen Arbeiter, dessen Vater ihn nicht an einem Strike teilnehmen lassen wolle, der aber selbst den Strike für un— erläßlich halte, in eine Lage, die den Familienfrieden nicht fördere, sondern die noch mehr Unfrieden in den Familien schaffe und Ver: bitterung und Haß hervorrufe. Man könne doch schließlich nicht mehr von der Ansicht ausgehen, daß jeder Strike ungerecht und unbegründet sei. Mit solchen Vorschriften, wie sie der letzte Pafsus des Kommissionsantrages enthalte, treibe man eine große Zahl der jugendlichen Arbeiter ins Ausland, man möge diese Wirkung des Gesetzes bedenken, und um diese schädlichen Wirkungen zu vermeiden, bitte er den letzten Satz zu streichen und den von seiner Partei be antragten Zusatz anzunehmen.
Äbg. Freiherr von Stumm: Er halte den sozialdemokratischen Antrag mindestens für überflüssig. Es handle sich hier vorzugsweise um die Frage: sollen wir die elterliche Gewalt stärken oder schwächen. Ueberdies decke sich die jetzige Kommissionsfassung genau mit dem Beschluß der ersten Kommissionslesung, der gerade durch die sozialdemokratischen Mitglieder veranlaßt worden sei.
Geheimer Regierungs- Rath Dr. König s: Er könne sich der Ansicht des Abg. Freiherrn von Stumm nur anschließen und halte den Antrag auch fuͤr überflüssig.
Abg. Biehl verwahrt sich dagegen, daß die Arbeitgeber ohne Veranlaffung zu Maßregeln gegen die Arbeiter schritten. Nur die maßlosen Aueschreitungen der Arbeiter, die ungerechtfertigten Strikes und die üherttjebenen Lohnforderungen müßten nach wie vor die Arbeitgeber zu Gegenmitteln veranlassen.
Abg. Molkenbuhr: Man habe schon seit Langem eine ganze Reihe von gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Arbeiter, nur wurden diese nicht in dem Maße angewendet, als die Bestimmungen zum Schutze der Arbeitgeber. In Preußen sei es nicht gestattet, daß politische Zwecke verfelgende Vereine mit einander in Verbindung träten. Ber Hamburger Arbeitgeberverband nun, der einen aus— gefprochen polikischen Zweck verfolge, babe in seinen Statuten die Bestimmung, daß die Ärbeiter nar nach sechsmonatlicher Kündigung und nur am 1. Januar austreten dürften. Die Gewerbeordnung besage ausdrücklich, daß der Austritt jederzeit erfolgen könne. Trotzdem nun dem Hamburger Arbeitgeberverband auch Vereine in Altona und anderen preußischen Ortschaften angebörten, finde sich kein Staats— anwalt, der dagegen einschreite. Gegen Arbeitervereinigungen werde eingeschritten, auch wenn sie den Nachweis erbracht hätten, daß sie nicht volitische Vereine seien. Von „maßlosen“ Strikes könne in Hamburg nickt die Rede ein. Sine g e von Arbeiterklassen
so ges ens mittelpreisen ihren ie Arbeiter einmal fein, nicht aber,
.
seien dort so gestellt, das fie bei der Unterhalt nicht Ddestreiten 3er die günstige Konjunkiur auzrezten, wenn Baumaterialienlie ezanter, J — ie Konjunktur so ausnutzten, daß sie bis 25 ο und mehrt T Der Ham burger Arbeitgeberverband nutze die Korjarktur so aus, daß er Arbeiter geradezu dem Hungertode überliefere und sie jwinge, aut ibre Rechte, wie das Koalitionsrecht, zu verzichten. — ͤ
Geheimer Ober⸗Regierungsrath Lob mans: Der Abg. Molken— buhr habe den großen Satz ausgesprochen, daß die Arbeiter bei Anwendung der Gesetze schlechter behandelt würden, als die Arbeit- geber. Als Beispiel haͤbe er angeführt, daß der Hamburger Arbeitgeber⸗ verband nicht angeklagt worden sei, weil er einmal eine politische Ver⸗ bindung fei und fodann gegen den 8. 152 der Gewerbeordnung verstoßen habe. Ob der Verband ein politischer Verein sei, könne er (Redner) zur Zeit nicht entscheiden. Soviel er aber wisse, verfolge er nur den Zweck, Stellung zu nehmen gegen die Arbeiterverbände, und da könne nicht gegen ihn eingeschritten werden. Der § 152 der Gewerbe— ordnung aber sei, was dem Abg. Molkenbuhr entgangen sei, mit einer Strafandrohung nicht versehen. Nach dieser Bestimmung seien Verträge zwischen Arbeitgebern nur unverbindlich, aber nicht strafbar.
Abg. Biehl fragt, ob es nicht maßlose Ausschreitungen seien, wenn die Arbeiter in Hamburg verlangten, daß die Arbeitgeber in Zukunft nicht mehr Innungen angehörten, Roch innerhalb der Fruühstücks und Mittagszeit in die eigene Werkstaͤtte kommen dürften.
Abg. v. Schalscha erzählt, wie ihm vor einigen Wochen ein schlesischer Arbeiter, der in Hamburg beschäftigt gewesen, nicht über die Maßlosigkeit der Forderungen der Arbeitgeber und die Knappheit der Löhne, sondern über die Maßlosigkeit der Ansprüche der Arbeiter geklagt habe, die dahin führten, daß sie strikten und brotlos wärden.
Hanfeatischer Bundesbevollmächtigter, Senator Dr. Burchard: Die Hamburger Arbeitgeberverbände seien nicht gegründet worden, weil man gegen Lohnforderungen der Arbeiter, besonders im Baugewerbe, hätte Front machen wollen. Die Strikes des vorigen Frübjahrs seien nicht inscenirt worden, um eine günstige Konjunktur auszunutzen, sondern weil, wie er keinen Anstand nehme zu erklären, die Ar— beiter die Arbeitgeber, namentlich die Baumeister, dafür hätten strafen wollen, daß sie sich der Feier des 1. Mai, die im großen Stil in Auksicht genommen worden sei, widersetzt hätten. Die Löhne der Bauarbeiter seien nach der eigenen Statistik der Sozialdemokraten höher als irgendwo in Deutschland. (Hört, hört)
Abg. Grillenberger: Die jetzige Fassung des Paragraphen sei eine Verschlechterung des in der ersten Lesung angenommenen Beschlusses. Der Antrag seiner Partei wolle sie wieder ausgleichen Geheimer Ober⸗ Regierungs⸗Rath Lehmann sei auf die Verhältnisse der Hamburger Arbeitgeberverbände nicht eingegangen, weil er darüber nicht unter— richtet sei. Bei allen Anschuldigungen über Lässigkeit der Staats⸗
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ann padlilen
behörden sei die Regierung regelmäßig nicht unterrichtet; gegen⸗ über angeblichen Ausschreitungen der Arbeiter dagegen hätten die
Herren ihr Portefeuille immer voll Material. Die Arbeit⸗ geber, die nach ihrem Statut ausdrücklich eine Abänderung der Gesetzgebung bezweckten, dürften mit einander in Verbin⸗ dung treten; thäten dies die Fachvereine, so werde sofort eingeschritten. Er verweise auf die Maurerprozeffe in Berlin, die Gewerkschaftsprozesse in Magdeburg; in Königsberg sei sogar jüngst eine Anzahl von Vereinsvorständen bestraft worden, weil sie sich zu einer Fahnenweihe zusammengethan hätten. Wenn man das be⸗ strafe, müsse man auch gegen die Arbeitgeberverbände vorgehen. Die Vereinbarung der Arbeitgeber zu dem Zwecke, der ebenfalls im Statut angegeben sei, am Strike betheiligte Arbeiter nicht mehr in Arbeit zu nehmen, sei ein direkter Verstoß gegen die Gewerbeordaung, welche die Koalitionsfreiheit gewähre. Der erste Strike in Ham⸗ burg sei ausgebrochen, weil die Unternebmer erklärt hätten, jeder am 1. Mai Feiernde werde bis zum 5. Mai nicht in Arbeit genommen werden. Im Regierungsbezirk Oppeln betrüge die große Mehrheit der Löhne unter 500 6. Wenn dort eine Arbeiterkorporation sich bemühe, das Arbeitereinkommen auf 600 Æ zu normiren, werde das gleich für eine maßlose Ausschreitung erklärt. Was der Abg. Biehl über die Forderung der Hamburger Arbeiter sage, daß die Arbeitgeber nicht mehr Innungen angehörten und die Werkstätten während der Frühstücks, und Mittagspausen nicht betreten dürften, sei unwahr und hier im Hause schon oft widerlegt worden. Was jüngst in bayerischen Blättern über die eigene Geschäftsführung des Abg. Biehl verbreitet worden sei, könne auch nur als maßlose Her— abdrückung der Löhne und Verkürzung vertragsmäßig ausgemachter Löhne bejeichnet werden. (Präsident von Levetzow rügt diesen Auẽdruck.)
Abg. Möller weist auf einen gegenwärtig stattfindenden Strike der Heizer und Kohlenzieher hin, die 75 M monatliche Heuer forderten, während in Bremen und anderen Hafenplätzen nur 65 bis 60 bis 55 6 gezahlt würden. Das heiße doch einem Gewerbe Daumschrauben an— setzen, die es geradezu konkurrenzunfähig machten,
Abg. Dr. Gutfleisch: Dem Abg. Grillenberger bemerke er, daß die Redaktionskommission nichts Sachliches zu ändern, sondern nur eine bessere deutlichere Form zu finden hätte. Es sei darin so gewissen⸗ haft gearbeitet, daß die Kommission keine Veranlassung gehabt habe, an ihren Beschlüssen Aenderungen vorzunehmen. Von einer Verschlechterung der Beschlüsse erster Lesung könne also keine Rede sein. Alle Parteien des Hauses seien darin einig, dem Unfug mit der Kennzeichnung der Arbeitsbücher ein Ende zu machen. Die Fassung der Kommiffion glaube dafür den richtigen Ausdruck gefunden zu haben, der sozialdemokratische Antrag würde nur eine Verdunkelung herbeiführen.
Abg. Molkenbuhr: Der Abg. Möller halte es für eine maß⸗ lose Forderung, daß Kohlenzieber für große Fahrt 75 6 haben wollten; 23 — 25 M brauchten sie selbst auf den Schiffen, es blieben also 50 S nur für die Ernährung der Familie. Als maßlos werde die Forderung nur deshalb bezeichnet, weil der Bremer Lloyd seine Leute noch schlechter bezahle. Es sei aber bekannt, daß der Llovd zu seinen Preisen keine Arbeiter finden könne.
Abg. Schwartz: Er spreche dem Abg. Möller vollkommen das Recht ab, über die Verhältnisse der Hamburger Heizer und Trimmer zu sprechen. Erst müffe er die Sache selbst durchgemacht haben (Heiterkeit), ehe er darüber urtheile. Die Hamburger Heizer und Trimmer hätten die Heuersätze von 85 bezw. 75 „S nur für die über den Atlantischen Ocean gebenden Fahrten normirt, für die Dampf⸗ schiffe auf der Nord. und Ostsee galten diese Heuersätze nicht. Die Hamburger Heizer und Trimmer hätten durchaus keine maßlosen Forderungen gestellt, die Sätze seien für die transatlantischen Dampfer sogar noch viel zu niedrig. Die Heizer brauchten auf diesen Fahrten viel größere Auslagen, selbst die Seife liefere ibnen die ame Direk tion nicht. Die Arbeiter anderer Industrien würden für diesen Satz nicht einmal arbeiteen.
Damit schließt die Diskussion.
Darauf wird 5§. 113, unter Ablehnung des Antrags Auer, nach dem Kommiffinsantrage angenommen, desgleichen 5. 114
ohne Debatte. . . . Um 4½ Uhr wird die Fortsetzung der Berathung auf Montag 1 Uhr vertagt.
Haus der Abgeordneten. 38. Sitzung vom 20. Februar 1891.
Der Sitzung wohnt der Finanz-Minister Dr. Miquel bei.
Die zweite Berathung des Einkommensteuer⸗ gesetzes wird fortgesetzt und zwar beim Abschnitt UI, Theil 5: Rechtsmittel.
Die 858. 40 —42, welche von der Gestaltung der Be⸗ rufungskommission handeln, werden ohne Debatte genehmigt.
A3 lautet:
* Berufungskommission entscheidet über alle gegen das Ver fahren und die Entscheidungen der Veranlagungskommissionen an⸗ gebrachten Beschwerden und Berufungen.
Bebufs Prüfung der Berufungen können die Beru— fungskommission und deren Vorsitzender eine genaue, Fest⸗= stellung der Vermögens! und Einkom mensverhältnisse der Steuer = pflichti en veranlassen. Dabei sind sie befugt, von den zu diesem Zweck den Veranlagung kommissionen und deren Vorsitzenden in ftehenden Hülfsmitteln (5. 35 Abfatz 4, 5 und 6, §. 38 Gebrauch u machen.
Die Berufungékommission und deren Vorsitzender können ferner die eidliche Bekräftigung des Zeugnisses oder Gutachtens der ver⸗ nommenen Zeugen bezw. Sachrerständigen vor dem zuständigen Amte gericht erfordern. ; ;
Abg. Schlabitz beantragt, nach dem dritten Absatz die von der Kommission gestrichenen Absätze 4 und 5 der Regie⸗ rungs vorlage, welche lauten:
Endlich ist die Berufungskommission in Ermangelung anderer Mittel zur Eraründung der Wabrheit berecktigt, den Steuerpflich⸗ figen oder dessen gesetzlichen Vertreter zur Bekräftigung der von ihm selbst gemachten Angaben durch Versicherung an Eidesstatt innerhalb ejner zu bestimmenden Frist aufzufordern,. ᷣ
In diesem Falle ist die der Kommission schriftlich einzureichende oder vor ihr mündlich abzugebende eidesstattliche Versicherung wörtlich vorjuschreiben, mit der Verwgꝗrnung, daß, falls dieselbe nicht rechtieitig abgegeben werde, die Berufung als unbegründet werde zurüͤckgewiesen werden, ;
wiederherzustellen und als sechsten Absatz einzuschalten:
Wenn die Berufung von dem Vorsitzenden der Veranla aungs= kommiffion eingelegt ist und dabei die tharsächlichen Angaben der Steuereiklärung angezweifelt sind, ist der Steuerpflichtige auf seinen Antrag zur eidesstattlichen Bekraͤftigung der in Zweifel gezogenen thatfäͤchlichen Angaben nach Maßgabe der vorstehenden Bestimmun gen zuzulassen.“
Abg. Schlabitz: Er bitte die Regierung vorlage wieder herzu⸗ stellen und seinen Antrag anzunehmen Der Eid oder die eidesstatt⸗ liche Versicherung fei das einzige Mittel für den Censiten, die Wabr⸗ beit feiner Steuererklärung zu beweisen, falls seinen Angaben nicht Glauben geschenkt werde. Der von ibm beantragte Zusatz solle ledig⸗ lich dem Censiten, dessen Angaben von dem Vorsitzenden der Ver⸗ anlagungskommission in Zweifel geiogen seien, die Möglichkeit geben, 83. eldesftattliche Versicherung die Wahrheit seiner Angaben ju erhärten.
Gebeimer FinanzRath Wallach: Er bitte, die Regierungs⸗ vorlage wieder berzustellen und den Zusatz des Abg. Schlabitʒ abzulebnen. Der 5. 43 der Regierungevorlage solle lediglich dem Intereffe der Steuerpflichtigen selbst dienen. Es werde überhaupt gar nichts Neues vorgeschlagen, da auch jetzt bereits der Eid zugelassen sei. Der Antrag Schlabitz sei aber des halb bedenklich, weil von der eidesftatt· sichen Verficherung sehr leicht in unüberlegter Weise Gebrauch ge— macht werden könne.
Abg. Fritz en tritt füt den Kommissionsbeschluß ein. Ganz ab⸗ geseben davon, daß die Bestimmung der Regierungsporlage zu Denuneiationen aller Art Anlaß geben könne, unterscheide sich dieselbe von dem bisherigen Zustand dadurch, daß bisber eine Deklarations⸗ pflicht nicht bestanden habe, während jetzt der Censit in die Zwangs— lage versezt werde, seine vorher auf Ehre und Gewissen abgegebene Steuererklärung entweder zu verleugnen und sich damit selbst so zu sagen als ehrlos zu deklariren, oder aber einen falschen Eid zu schwören. Man füge hier eine gewisse Folter in das Gesetz ein. Die Folge werde sein, daß Meinelde in zahllosen Fällen abgegeben würden, ohne daß man die Garantie habe, daß die eidesstattlichen Versicherungen irgendwie auf Wahrheit berubten. Dieser Fall habe Aehnlichkeit mit dem Strafprozeß, wo der zum Eide zugelassene Be⸗ schuldigte entweder durch Abgabe der Wahrheit eine Strafe erleide, oder einen Meiageid schwöre.
Abg. von Buch: Er könne sich nicht entschließen, für den Antrag Schlabitz zu stimmen. Er fürchte, daß mit der eidesstattlichen Ver⸗ sicherung ein Mißbrauch getrieben werden könne. Außerdem enthalte der Antrag nicht die Einschränkung der Regierungevorlage, diese lasse die eidesstattliche Versicherung in der Berafungsinstanz zu, wenn ein anderes Mittel zur Begründung der Wabrheit nicht mehr vorhanden sei. ferner nur zur Erhärtung thatsächlicher Angaben, nicht im einseitig fiskalischen Interesse, und endlich stehe dem Steuerpflichtigen gegen die Auferlegung des Eides die Beschwerde beim Sieuergerichtshofe zu. Die sächsischen, bremischen und hamburgischen Gesetze hätten in der selben Weise den Eid zugelassen. ö
Abg. Freiherr von Zedlitz: Man müsse dem redlichen Censiten ein Mittel geben, in solchen Faͤllen, wo er mit gutem Gewissen die Richtigkeit feiner Angaben beschwören oder eidesstattlich versichern könne, eine gerechte Besteuerung berbeizuführen. Der Abg. Fritzen habe übersehen, daß der §. 43 sich auch auf die überwiegende Mehr— zahl der Fälle beziehe, wo gar keine Deklaration stattfinde. In der Berufungẽinstanz könne man seine Angaben ebenso gut auf Ehre und Gewissen abgeben, wie in der Vorinstanz. Was den Zusatz anbe⸗ treffe, so wolle derselbe lediglich dem Censiten das Recht geben, sich selkst gegen einen Zweifel des Vorsitzenden der Veranlagungs— kommission durch eidesstattliche Erhärtung zu vertheidigen. Diesen Schutz sei man dem redlichen Deklaranten schuldig; der unredliche werde sich wohl hüten, sich einer richterlichen Bestrafung auszusetzen.
Abg. Dr. Enneccerus: Die Zulassung des Eides werde zur Richtigkeit der Deklaration nichts beitragen. Ein gewissenhafter Mann wisse, daß eine Erklärung unter Eid abzugeben eine recht schwere Sache sei. Wenn auch dieses Gesetz die Buchführung in erweitertem Maße einbürgern werde, so würden doch auch in Zukunft viele Personen deklariren müssen, die keine Buchfübrung hätten. Auch bei dem gegenwärtigen Gesetz ohne Deklaration sei verhältnißmäßig selten zu einem Eid gegriffen worden. Selbst wenn es sich bei der Eidesleistung um ganz sichere Thatsachen handle, müsse er den Eid für bedenklich erklären. Mancher Censit würde viel lieber eine böhere Steuer tragen, als einen solchen Reinigungseid leisten. Dieses Gefühl müsse man respektiren. Derjenige, der nach der Deklaration nicht den Eid leiste, werde in den Verdacht kommen, falsch deklarirt zu baben. Seine Fraktionsgenossen hätten sich auf das Ent— schiedenste für die Deklaration erklärt und wollten Alles aufrecht erhalten, was zu einer richtigen Deklaration beitrage. Aus ihrer Abneigung gegen die eidesstatiliche Versicherung dürfe man deshalb nicht entnehmen, daß es ihnen mit der Deklaration nicht ernst sei. Die übrigen im Gesetz gegebenen Mittel genügten vollauf. Am Bedenklichsten aber erscheine ihm der Vorschlag, daß der Censit berechtigt sein solle, sich die Eidesleistung zu erbitten. Das Haus möge also nur die Kommissionsvorschläge annehmen.
Abg. Dr. Windthorst: Man dürfe das letzte und heiligste Mittel in der Gesetzgebung nicht propagiren, müsse im Gegentheil dazu beitragen, die Cide zu vermindern. Es sei schon früher ge⸗ warnt worden in Betreff des Manifestationseides. Ein Jurist habe ihm versichert, daß von 4000 Manifestationseiden, die vor ihm abgelegt worden seien, kaum hoo richtig seien, die andern nicht. (Hört, bört!) Hier aber werde man den Eid in ganz ungewöhnlicher Weise ver— mehren. Der Abg. von Zedlitz, sonst ein so praktischer Mann, wolle zu seinem (des Redners) Erstaunen den Eid nicht allein im Sinne der Regierungsvorlage festhalten, sondern die Versuchung noch ver mehren, indem sich der Censit den Eid erbitten könne. Wenn er dieses könne und in dem Zeitpunkt, wo er es solle, sei sein Interesse so außerordentlich groß, daß er, wenn er durch einen einfachen Eid der Sache ein Ende machen könne, es in den meisten Fällen thun werde. Die Deklaration sei heute ungeheuer populär, da sie mit jener beliebten Richtung zusammenhänge, die Demjenigen, der einen neuen Rod anhabe, ihn sofort auszieben wolle. Trotzdem sei er ent⸗ schlossen, für die Deklaration zu stimmen. Jetzt sehe man, daß von Seiten, wo es am Allerwenigsten zu erwarten sei, Mittel angewendet würden, die Deklaration unleidlich zu machen. Man wolle das Heiligste, was es gebe, das Wort Gottes, in die Steuergesetzgebung hinein ziehen. Sein Bewußtsein sträube sich auf das Entschiedenste dagegen. Neben dem pekuniären Interesse komme noch ein anderes in Be— tracht: Wenn Jemand deklarirt habe und der Vorsitzende die Dekla⸗ ration beanstande, so sei der Betreffende mit feiner Ehre auf das Aeußerste engagirt. Der Mann sei dann in der offentlichen Meinung stigmatisirt. Seine Ehre durch einen Eid berstellen wollen, komme ihm so vor, als wenn ein Beschuldigter eidlich versichece, daß er unschuldig sei. Diejenigen, die das religiöse Moment im Staat verträten, sollten deshalb gerade hier einen Eid nicht zulassen. Die Regierungsvertreter hätten in der Kommission auch nichts Er— hebliches gegen den Kommissionsbeschluß eingewendet, und sie würden es hier wahrscheinlich auch nicht thun. Wenn der Eid in anderen Ländern zulässig sei, so sollten wir zeigen, daß wir mehr Respekt vor dem Eide hätten.
General. Steuer Direktor Burghart: Die Regierung strebe ganz gewiß keine Profanirung des Eides an. Auch sei sie von dem Stand⸗ Punkte der Steuerleidenschaft weit entfernt. Die Vergleichung des Eides, um den es sich hier handele, mit dem Reinigungseide des Angeklagten treffe nicht zu, sondern höchstens könne man die Analogie mit dem Erfüllungseide heranziehen. Der Eid solle für die Bebörde ein Nothbehelf sein, in den Fällen, in denen auf andere Weise die Wahrheit nicht ermittelt werden könne. Versage man dies Mittel, so treffe man nicht das fiskalische Interesse, sondern die Vertheidigung des Steuerpflichtigen gegen Irr⸗ tbümer, die ihm zum Nachtheil gereichten. Es sei auch ein Irrthum, anzunehmen, daß die eidesstattliche Versiche⸗ rung in unmittelbare Beziehung jur Deklaration gebracht werden solle, sondern sie werde nur selten und in den äußersten Fällen ein⸗ treten. Wenn die Deklaration beanstandets werde, so trete die per. sönliche Vernehmung des Deklaranten ein, und dann komme es auf die Erörterung der thatsächlichen Verhältnisse an. Die eidesstattliche Versicherung komme erst in einem viel späteren Stadium heran, wenn nämlich für den Beschluß der Kommission die ganze Entscheidung abhänge von einer einzigen Thatsache, über deren Vorhandensein oder Nichtvorhandensein die Kommission selbst sich nicht habe einigen können, über die sie aber schon berathen habe. In seinen langjährigen Grfahrungen sei ibm kein Fall bekannt geworden, in dem Jemand sich darüber beklagt habe, daß ihm eine eidesstattliche Versicherung ab—⸗ verlangt worden sei, wohl aber habe er viele Klagen darüber gebört, daß die Censiten zu einer solchen nicht herangezogen worden seien. Er bitte also, den Antrag der Kommission abzulehnen und die un veränderte Regierungsvorlage anzunehmen. Gegen den jweiten Antrag Schlabitz spreche auch noch der Umstand, daß er die eidesstattliche Versicherung für relativ unerhebliche Streitfälle zulassen wolle.
Abg. Freiherr von Zedlitz; Der Abg. Dr. Windthorst habe in seinen Worten eine vollstandig irrige Auffassung der Regierungsvorlage verrathen, es sei aber jetzt nicht die Zeit dazu, ihn zu widerlegen. Es handele sich hier nicht um die Einführung einer neuen Bestim mung, sondern um ein in Preußen und anderen deutschen Staaten, auch solchen, wo die Deklaration bestehe, schon geltendes Recht. Es sei nicht zu befürchten, daß die eidesstattliche Versicherung eine zu starke Versuchung zum Meineid darstelle. Bei sehr schwachen Naturen könne dies wohl eintreten, in der großen Anzahl von Fallen aber
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würden die Leute dieser Versuchung nicht ausgesetzt sein. Die eides⸗ stattliche Versicherung solle den ehrlichen Leuten die Möglichkeit geben, ihre Bebauptungen zu rechtfertigen.
Abg. Dr. Windthorst: . die eidesstattliche Versicherung so selten vorkommen werde, wie der Regierungskommissar meine, könne vorläufig Niemand wissen. Er (Redner) behaupte wiederholt, es liege eine Versuchung vor, die auch starken Naturen gefäbrlich sein werde. Durch den Eid sich vom Zahlen zu befreien., das sei eine Versuchung, der man leicht unterliegen könne. Das Deklariren sei nicht eine so leichte und einfache Sache, wie man glaube; denn nicht Jeder beziehe ein festes Gehalt. Ihm sei von einer ganzen Reihe ehrlicher Männer und Frauen die Frage vorgelegt worden? Wie verhalten wir uns diesem oder jenem Punkt gegenüber mit der Dekla—⸗ ration? Und er babe nach genauer Ueberlegung keine erschöpfende Erklärung geben können. Die Sache sei häufig sebr schwer zu ent— scheiden, und bis man allgemeine Klarheit habe, würden Jahre ver gehen. Namentlich für die nicht Gläubigen werde die eidesstattliche Versicherung eine große Verfübrung zum Meineide darstellen. Der göttliche Name gehöre nicht in die Steuerliste! (Beifall)
S. 43 wird nach dem Kommissionsbeschlusse angenommen, die Wiederherstellung der Regierungsvorlage abgelehnt.
85. 44 - 45 lauten:
3 44. Gegen die Entscheidung der Berufungskommission steht so⸗ wobl den Steuerpflichtigen, als auch dem Vorsitzenden der Berufungs— kommission die Beschwerde an den Steuergerichtshof zu. Die Be⸗ schwerde ist innerhalb der im S. 49 bestimmten Frist Seitens des Vorsitzenden der Berufungskommission bei dem Steuergerichtshof, Seitens der Steuenpflichtigen bei dem Vorsitzenden der Berufungs— kommission anzubringen und kann nur darauf gestützt werden:
I) daß die angefochtene Entscheidung auf der Nichtanwendung oder auf der unrichtigen Anwendung des bestehenden Rechts, ins— besondere auch (in der Regierungsvorlage auf) der von den Be⸗ . innerhalb ihrer Zuständigkeit erlassenen Verordnungen be⸗ ruhe;
2) daß das Verfahren an wesentlichen Mängeln leide,
S. 45. Der Steuergerichtshof wird für das ganze Geltungs⸗ gebiet dieses Gesetzes mit dem Sitze zu Berlin errichtet und be— steht aus dem Vorsitzenden, dessen Stellvertreter und der erforder⸗ lichen Anzahl von Mitgliedern, welche vom König auf Vorschlag des Staats Ministeriums im Nebenamte auf die Dauer der Be—⸗ kleidung ihres Hauptamtes ernannt werden, und zwar die Mitglieder theils aus der Zahl der Direktoren und Räthe des Finanz Ministeriums, theils aus der Zahl der Mitglieder des Ober -⸗Ver⸗ waltungsgerichts und des Kammergerichts.
Der Steuergerichtshof kann durch Beschluß des Staats Ministeriums in AÄbtheilungen eingetheilt werden.
Der Abg. Dr. von Gneist beantragt:
I. Im J. 44 zu setzen: Zeile 3 und 4 statt den Steuergerichts⸗ hof“ „das Ober ⸗Verwaltungsgericht“, Zeile 6 statt ‚Steuergerichts⸗ hof“ „Ober ⸗Verwaltungsgericht“; sodann als letzter Absatz (gleich lautend mit 5 47) hinzuzufügen:
„In der Beschwerde ist anzugeben, worin die behauptete Nicht⸗ anwendung oder unrichtige Anwendung des bestehenden Rechts, 24. worin die behaupteten Mängel des Verfahrens gefunden werden.“
II Die 5§5. 45 — 48 sind zu streichen.
III. Hinter 5§. 44 fol zenden neuen Paragraphen als §. 144 a einzufügen:
„Der Vorsitzende der Berufungskommission überreicht die bei ihm eingegangene Beschwerde des Steuerpflichtigen mit seiner Gegenerklärung, soweit er solche für erforderlich erachtet, dem Ober Verwaltungsgericht. Die Beschwerde des Vorsitzenden der Berufungskommission wird dem Steuerpflichtigen zur schriftlichen Gegenerklärung innerhalb einer bestimmten, von einer bis ju vier Wochen zu bemessenden Frist zugefertigt.“
IV. Den §. 49 in folgender Fassung anzunehmen:
Das Ober ⸗Verwaltungsgericht erläßt seine Entscheidungen in nicht öffentlicher Sitzung, der Regel nach ohne vorherige münd— liche Anhörung der Steuerpflichtigen.
Es kann jedoch dem Steuerpflichtigen von Amtswegen oder auf Antrag Gelegenheit zur persönlichen Verhandlung über den Gegen— stand der Beschwerde gewähren.
Bei seiner Entscheidung ist es an diejenigen Gründe nicht gebunden, welche zur Rechtfertigung der gestellten Anträge geltend . e. az J . hte
m S§. 50 Zeile att „Der Steuergerichtshof“ zu setzen das Ober · Verwaltungsgericht “. ö.
VI. Hinter §. 5G folgende neue Paragraphen einzufügen:
§. 50a. Ueber Beschwerden, welche das Verfahren des Vor sitzenden der Berufungskommission aus Anlaß der nach §. 44 ein k Beschwerden betreffen, beschließt das Ober⸗Verwaltungs⸗ gericht.
§. 50b. Im Uebrigen finden auf das Verfahren zum Zweck der Entscheidung über die Beschwerden (8. 44) die über das Ver— waltungsstreitverfahren auf Klagen vor dem Ober-Verwaltungs gerichte bestehenden gesetzlichen Bestimmungen, igsbesondere die jenigen des Gesetzes über die allgemeine Landesverwaltung vom 30. Juli 1883 (GesetzSamml. S. 19), des Gesetzes, betreffend die Verfassung der Verwaltungsgerichte 1c. vom 3. Juli 1875.2. August 1880 (GesetzSamml. 1880 S. 328) und des Gesetzes zar Abände⸗ rung des 5 29 des letzteren vom 27. Mai 1888 (Gesetz-Samml. S. 226) mit der Maßgabe sinngemäße Anwendung, daß die Er⸗ hebung eines Pauschqguantums auch dann statsfindet, wenn die Ent scheidung ohne vorgängige mündliche Verhandlung erfolgt ist, und daß ein Anspruch auf Ersatz der Anwaltsgebübren nicht stattfindet.
VII. Den §. 51 zu streichen.
VIII. Den §5. 74 zu streichen.
Abg. Dr. von Gneist: Das Finanzdevartement sei bisher die höchste Bebörde zur Entscheidung ffreitiger Fragen in der Staats besteuerung gewesen und habe seinen Beruf ehrenvoll erfüllt. Die betheiligten Hauptbeamten des Departements seien geschult in allen Detailfragen. Sie betrachteten sich als die eigentlichen Sach. verständigen für die Auslegung der Steuergesetze und im Augenblick gewiß mit Recht. Das Derxartement sebe desbalb nicht obne Be—⸗ sorgniß diese Entscheidung in andere Hände übergeben. Insbesondere hege man Bedenken gegen die bestehenden Verwaltungsgerichte wegen ihrer allzu großen Umständlichkeit. Es sei bei dieser Sachlage natürlich, daß das Finanzdepartement den Wunsch habe, über den künftigen Entscheidungen gewissermaßen die Hand zu halten, indem ein Abtheilungs⸗ Direktor des Finanz- Ministeriums den Vorsitz in dem Stenergerichtshof übernähme und einige Hrs üme ,sat! ihm zur Seite träten. Diese geschulten Mitglieder des Steuergerichts⸗ bofes würden die Kontinuität der Entscheidung mit der bisherigen Praxis erhalten und durch ihre technische Schulung ein Uebergewicht uͤber die neu eintretenden Mitglieder bewahren, um so eher, da zu den Beschließungen die Theilnahme von nur drei Mitgliedern aus— reichen solle. Kurz, die Entscheidung letzter Instan; werde im Wesentlichen fortdauern in Gestalt einer selbständigen ir, = Deputation neben dem Ministerium, verstärkt durch eine Anzahl rechtsverständiger Beisitzer. Eine solche Attributivjustiz entspreche nun aber nicht der deutschnationglen Rechtsauffassung. In solchen Gerichten sehe das Volk nur Verwaltungebehörden mit dem Titel Gerichte. Der Kern der Frage beruhe nach unserer nationalen Auffassung auf drei Dingen. Das Erste sei die permanente, lebens⸗ längliche, unabhängige Stellung der Richter; einem Richterpersonal auf Zeit oder auf die Dauer eines andtren Amts fehle daher schon ein erhebliches Merkmal. Das Zweite sei die gewohnheitsmäßige Beschäftigung mit dem Rechtsprechen, durch welche die objektive Beurtheilung der Verhältnisse zur selbstverständlichen Lebensanschauung werde. Kein Mensch sei von Ratur unparteiisch; erst die Gewöhnung bilde den Richter wie den Soldaten, die Gewöhnung allein bilde den menschlichen Charakter. Dies Merkmal aber fehle den Personen, deren Lebensberuf in einem anderen Wirkungskreise liege, als in die ser
Rechtsprechung. Das Dritte sei das gewohnheitsmäßige Zusammen—⸗
leben und Zusammenwirken der Personen, welche ein Richterkollegirm bildeten, aus dem allein der kollegialische Geist und das solidarische Bewußtsein unserer Gerichtshöfe sich bilde. Dies feble den aus ver⸗ schiedenen Berufskreisen jusammengeschobenen Verwaltungsgerichten. Die ministeriellen Gesetzentwürfe sähen in der Regel die Sache von oben herab aus der bisherigen Praxis der Ministerverwaltung an. In den Landesvertretungen dagegen lebe unvertilgbar die deutsche Auffassung vom Gericht, welche solche Deputationen im Nebenamt nicht als echte Gerichte anerkennen wolle. Als 1875 eine solche Formation von beiden Häusern des Landtages an— genommen worden sei, habe es nicht viel über Jabr und Tag gedauert, bis man sich überzeugt habe, daß eine solche Formation als Spitze einer Verwaltungsrechtsprechung eine Halbheit sei. Das Fehlende sei alsbald nachgeholt und ein voller Gerichtshof mit allen Attributen selbständiger Rechtsprechung geschaffen worden. Dasselbe werde auch der Ausgang sein, wenn der Steuergerichtshof in der geplanten Weise wirklich ins Leben träte. Ja die Lage der Dinge sei einem solchen Sondergebilde noch ungünstiger als vor 15 Jahren. Zunächst seien die praktischen Gründe, welche der Kommissionsbericht heute gegen das Oberverwaltungsgericht geltend mache, in der Wirk lichkeit Gründe dafür. Dem Geschäftsandrang, der hier in Aussicht stehe, sei nur ein großer Gerichtshof gewachsen. Wenn in den näch— sten Jahren Tausende von Reklamationen sich in einem Quartal jusammendrängten, so würden die sieben Herren im Nebenamt mit einer Insolvenzerklärung anfangen müssen, während der Gerichtshof nach seiner Verfasfung einen Steuersenat bis auf zehn und mehr Mitglieder verstärken könne, welche ungefähr so viel leisteten wie dreißig bis vierzig Mitglieder im Nebenamt. Nur ein ständiger Senat des Gerichtshofes in wöchentlich mehrmaligen Sitzungen sei im Stande, die Geschäfte so prompt zu erledigen, wie es hier in dem vorgeschlagenen einfachen Verfahren sich gestalte, so daß, wenn die Beschwerde mit dem Bericht des Vorsitzenden der Bezirkskommission hier eingehe, der Beschluß in der nächsten Sitzung gefaßt und eine einfache Sache binnen ächt Tagen erledigt werden könne, Am Sichersten könne gewiß das Finanz⸗Ministerium seine Gesichts punkte in jeder wichtigen Sache durch einen Migaisterial⸗ kommissar schriftlich und mündlich vertreten, wie schon jetzt in jeder wichtigen Sache beim Steuersenat eine solche Einladung ergehe. Drei oder vier neuernannte Geheime Finanz ⸗Räthe, als Mitglieder im Hauptamt, dem Gerichtshof eingefüßt, würden in jeder Beziehung genügen. Vor Allem spreche aber die Nothwendigkeit der Einheit der Rechtsprechung in Steuersachen für das ganze Land. Man habe dieser Einheit in Civil- und Strafsachen die größten Opfer gebracht. Noch nothwendiger sei doch wobl die Einheit der Ver waltungsgrundsätze und ganz besonders in der Steuererhebung. Ebenso wichtig erscheine der Gesichtspunkt der Gewinnung eines völlig un— parteiischen, von jedem Schein fiskalischer Einseitigkeit freien Gerichts hofes, der sich das Vertrauen des Landes bereits erworben habe. Vom Standpunkt der Verfassung aus endlich gebe es kaum etwas Wichtigeres, als die Gewinnung der bisher noch fehlenden Garantie für die Verfassungs.! und Gesetzmäßigkeit der Staatssteuern, welche andere Nationen als die praktisch wichtigste Garantie ihrer Ver— fassung ansäbhen. Es sei dies die letzte offene Stelle, an welcher eine Rechtskontrole der inneren Verwaltung in Preußen noch ge— fehlt habe. (Beifall.)
Finanz Minister Dr. Miquel:
Meine Herren! Ich glaube auch in diesem Falle die Diskussion im Hause zu erleichtern, wenn ich auf die Ausführungen des Hrn. Abg. von Gneist, des Herrn Antragstellers, gleich eingehen darf.
Meine Herren, ich befinde mich in der eigenthümlichen Lage, daß ich die allgemeinen Grundsätze, die der Hr. Abg. von Gneist ent— wickelt hat, vollständig unterschreibe, aber mich nur darin von ihm unterscheide, daß ich daraus für den vorliegenden Fall andere Konklusionen ziebe. Meine Herren, der Steuergerichtshof der Regie⸗ rungsvorlage sollte auch bedeuten eine unabhängige Entscheidung der bei der Steuerverwaltung entstehenden Rechtsfragen ohne Einwirkung des jeweiligen Ministers und der Staatsregierung. Es sollten durch denselben die nothwendigen Garantien der erforderlichen Sachkenntniß der Richter gegeben und das Verfahren sollte so konstruirt werden, daß es dieselbe Garantie für beide Theile gewährt, welche das Verfahren vor dem Ober Verwaltungsgerichtshof bietet. Ob dies nun in conereto der Fall ist oder nicht, das ist die Frage; eine prinzipielle Meinungs- verschiedenheit zwischen dem Herrn Antragsteller und der Staats- regierung besteht nicht. Wir haben auch die reinen Rechtsfragen, die sich aus der Steuerveranlagung bei der Einkommensteuer entwickeln, aus dem Gebiete der einen Verwaltung herausnehmen wollen. Alle die weiteren Ausfübrungen über die Nothwendigkeit der Rechts- kontrolen, über das Verhältniß eines solchen Gerichtshofes für die Rechtskontrole auf dem Gebiete des öffentlichen Rechts gegenüber den varlamentarischen Körperschaften — alle diese Fragen würden wir bier vollkommen ausscheiden können, darauf kommt es im vorliegenden Falle gar nicht an. Wenn Sie sich diesen Steuergerichtshof ansehen, so werden die Richter und der Vorsitzende ernannt auf Vorschlag des Staats-Ministeriums durch den König; eine größere Garantie bei Ernennung der Richter kann es an sich nicht geben. Sie sind allerdings theilweise im Nebenamt beschäftigt, das kommt aber auch beim Ober ⸗Verwaltungsgericht vor; ist jeden falls nicht grundsätzlich daselbst ausgeschlossen. Wir haben heute auch eine große Anzahl von Verwaltungsgerichtshöfen, welche zumeist und fast ausschließlich aus Männern zusammengesetzt sind, die im Neben amt beschäftigt sind, sei es als Laie oder als Verwaltungsbeamter, Nachtheile sind aber nach der Seite nicht erwachsen, daß man glauben könnte, es wäre dadurch die Unabhängigkeit der Entscheidungen dieser Gerichtshöfe irgendwie benachtheiligt worden. Also, wenn der Herr Antragsteller in dieser Beziehung Ausstellungen gemacht hat, so kann ich sie nicht für zutreffend halten. Meine Herren, nun sagt der Herr Antragsteller: warum sollen wir bier einen zweiten höchsten Gerichtebof in Verwaltungsstreitsachen bilden? Der bestehende bat sich ja vollkommen bewährt; er hat das allgemeine Vertrauen im Lande sich erworben, und es ist daher richtig, sich an den bestebenden Gerichtshof in dieser Beziehung anzuschließen und seine Kompetenz zu erweitern. Meine Herren, ich erkläre von vornherein, daß die Staats- regierung bei dieser Konstruktion eines besonderen Steuergerichtshoses nicht im Entferntesten von irgend einem Mißtrauen gegen das Ober⸗ Verwaltungsgericht und seine Entscheidungen ausgegangen ist. Es war kaum nöthig, das zu sagen, ich möchte es aber nochmals aus drücklich betonen: der Grund, warum wir statt des Ober ⸗Ver⸗ waltangsgerichtshofs eine besondere Konstruktion hier vorgeschlagen haben, liegt lediglich in Gründen der Zweckmäßigkeit. Meine Herren, diese Steuerfragen liegen im Allgemeinen dem Juristen fern; ja man kann noch weiter gehen, sie liegen auch einem großen Theil der Ver— waltungsbeamten fern, sie liegen weit mehr in vielen Fällen auf dem volkswirthschaftlichen Gebiet, also auf dem Gebiet der reinen Juris prudenz beziehußgsweise der reinen Verwaltung. Daher hat es doch ein erhebliches Gewicht, wenn man Männer in den Gerichtshof bringt, welche diese Vorbildung mitbringen, welche zugleich auch durch ihre sonstige praktische Thätigkeit auf die Beschäftigung mit
diesen den Jaristen an sich fernliegenden Fragen hingewiesen sind.