1891 / 58 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 07 Mar 1891 18:00:01 GMT) scan diff

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babe sich in der freisinnigen Partei nicht geändert. Wenn letztere aber diese beiden im Flottengründungeplan von 1887/58 vorgesehbenen Schiffe nicht bewilligen wolle, so habe sich doch die Wärme ibres Gefühls für die Marine icht unerbeblich herabgemindert. Daß diese Bewilligung weitere rach sich zieben sollte, konne er nicht anerkennen. Die Äblebrung würde uns aber in die Lage bringen, unsere Küften und den Nord. Oftfee⸗ Kanal nicht genügend schüßen zu können. Sr bitte desbalb, feinen Antrag anzunehmen, event. Tie beiden Pofitionen in die Fommission zu verweisen. Die Kommission werde bei ein⸗ gehender Prüfung zur Empfeblung der Annabme kommen.

Abg. Dr. Windthorst: Er mässe im Namen seiner Partei zu seinem Bedauern erklären, daß sie dem Antrag Manteuffel nicht bei · trete. Die Ausgaben für das Militär und die Marine bingen zu⸗ fam ren, und Fei der Prüfung der Frage, welche Forderungen fär Armee und Marine in diesem Jabre zu bewilligen seien müässe man nicht eine einzelne Position, sondern das Ganze, was für Heer und Marine verlangt werde, vor Augen nehmen. Die für das Militär bewilligten Sammen seien fehr erbeblich. Das Centrum sei felbft für folk. Positionen eingetreten, die anderweitig sehr bestritten gewesen, und es sei die Einmüthigkeit der Fraktion nur dann zu erreichen, wenn man das Ganze der gestellten Forderungen in Betracht nehme. Diese Einigung sei erfolgt und das Refultat sei die Abstimmung gewesen, wie sie beim Militär ⸗Etat gescheben. Man müsse nun selbstvernändlich die innerhalb der Fraktion gemachten Ausgleichungen aufrecht erhalten, weil sonst der Eine oder Andere sagen könnte, er sei getäuscht, So würde das getroffene Abkommen voll und ganz aufrecht erbalten. Hr. von Manteuffel meine, diese beiden Positionen seien bereits zur Vertheidigung des Nord⸗ Dftfec⸗Kanals in Aussicht genommen und es handle sich nur um die Realisirung jener Bewilligungen. Es sei ja richtig, daß Aeußerungen gemacht worden, welche annehmen ließen, daß, nachdem vier Schiffe bewilligt seien, der Reichstag auch diese beiden bewilligen werde.

Schwierigkeiten würden aach nicht entsteben, wenn die Lage dieselbe wäre wie zur Zeit der Berathung über die sechs Sciffe. Die Lage fei aber nicht dieselbe geblieben. Es sei ein neuer Flottengründungs plan im Jahre 1888 gemacht worden, und die dann angeordneten er⸗ keblichen Schiffsbauten seien noch nicht alle vollendet. Die neuen Schiff? wärden auch gar nicht im Rabmen des Zweckes, der im Flottengründungs plan von 1887 83 angegeben sei, gefordert, sondern ünfer Signalifirung eines anderen Zwecks, der Vermebrung der Flotte im Allgemeinen. Bei allem seinem warmen Interesse für die Marine, müffe er doch fragen; sei es denn denkbar, daß man diese enormen Märtel arfwende? Sn dem Plan ron 1857 babe man es vor Augzn gehabt, daß, wenn alljährlich acht Millionen zur Verfügung gestellt würden, Alles geleistet werden könne. Jetzt babe der Reichstag bereits 25 Millionen bewilligt. Das scheinẽ ibm eine Steigerung der Ausgaben, für welche die Mintel entweder nicht vorhanden seien oder fer? forsfältig vertkeilt werden müßten auf längere Zeit, damit das Budget nicht zu sehr belastet werde. Die Darlegung des neuen Flottenplans von Seiten des Staatssekretärs babe in der Kommission Inen febr tiefen, beinahe erschreckenden Eindruck gemacht, ähnlich wie die Darlegung des früheren Kriegs Ministers von Berdy über die der Nilitärverwaltung. Wenn unsere finanziellen und

würde Niemand glücklicher sein als

welche der besten,

das Heer habe. geben hätte, wäre könnte. Wir hätte

ges nd lein nicht ciffe hir zugebaut, und wenn diese aben. Daruber und * ll Unterftützung der im ũ̃ so ha er die Ueberzeugung, die den ron unserem Landheer entschieden siegreich. Wir sollten unsere Kraft Diese Cor centration leide, wenn man so r Die Mutheilungen des Berichterstatters ür Admirals Hollmann i ten den Inhalt derselben nicht erschöpft. Er (Redner) hätte geho daß ei Lage 1 22en 3

7 1 die Aeuß

werde, den nenen Flottenplan des Admir zule den. wäre angezeigt gewesen, weng die Kommission es verlangt hätte, daß ein f ndrnge vlan die anderen seien

ich vorgelegt worden wäre, und zwar

so, daß man annehmen konnte, es sei nige Plan, der von der Gesammtregierung, also den verbündeten Regierungen, angenommen Herde. Dann kätte man klare, fefte Grundlazen. So habe man nur schönz Reden, die das Herz erwärmen, aber man könne doch nicht bloß aus folcken Gefüblsrücksichten handeln. Ein solcher definitiver, von allen Faktoren festgesetzier Plan müsse noch nachträglich vorgelegt werden, Taan könne man überlegen, ob es richtig sei, ibm zuzunimmen oder ihn abzulebnen. Wenn es darauf ankommen würde so wurze er im geeigneten Zeitpunkt einen solchen Antrag stellen. Bei Bewilli⸗ gung des Nord⸗Ostsee⸗Kanals sei in Aussi Tt gestellt worden, daß unfere Flotte dadurch werde vermindert werden können, daß sie die balbe Flotte erfraren würde. Der Besckluß der Kemmission sei aber nickt in dem Sinne gefaßt, daß damit die gestellte Forderung definitid aufgegeben werden solle. Zur Zeit bandele es sich nur um die für dies Jahr geforderten Summen, was in einem folgenden Jahre zu gescheben babe, bleibe voñfkommen offen und anderen Bud gets Terbebelten. Bis dahin möchte er die Sacke aber bingusgeschoben haben, Es seien schon so viel Schiffe im Bau es seien ja soeben noch drei Boote bewilligt daß man sich mit noch weiteren nicht zu übereilen Frauke. Man höre von Aatoritäten, daß seit der Inangriff nahme der neueffen Schiffe Erfabrungen gemacht worden, die, wenn sie früher bekannt gewesen wären, die Arbeiten abgeändert hätten; wir sollten urs ähnlichen schlimmen Greignissen nicht wiez er aussetzen. Mit Sorge erfülle ihn, was er jetzt bsre, daß nãmlich unsere Docks und Safenanlagen so beengt seien, daß jo schnelle Schiffe, wie man ge. wüänsckt kätte, nicht zebaut werden könnten. Da könne er doch keine neuen Schiffe bewilligen, wenn er nicht wisse, ob wic demnãchst in der Lage fein würden, dieselben zu bergen. Also, wir wollten eine schöne und achtungswerthbe Flotte besitzen, aber die Bewilligungen für bte Flotte mußten mit der finanziellen Leistungs fähigkeit des Landes in Girklang gebracht werden. Deshalb glaube feine Fraktion, für dies Jahr einstweilen diese Position ablebnen zu sollen und darauf zurũdł· Rkommen, wenn wir den Rord-Ostsec-⸗Kang! baben. Seine Partei babe ganz dieselben Tendenzen wie Hr. von Manteuffel, nur wolle sie sie in vorsichtigem Tempo ausführen, und dabei hoffe sie auf den

Beifall der Nation.

Reichskanzler von Caprivi:

Der Hert Vorredner bat Bedenken Ausdruck gegeben, von denen ich annehmen darf, daß sie in weiteren Freisen dieses Hauses und aller Parteien getheilt werden. Er bat davon gesprochen, daß man vor einem neuen Flottengründungsplan ftehe, daß man die Prämisse für die jetzt geforderten Bewilligungen nicht kenne, und daß man deshalb gut thun würde, weitere Bewilligungen bis auf das nächste Jahr zu vertagen. Ich würde ihm vollstãndig darin beiftimmen, wenn in der That die verbündeten Regierungen sich mit dem Gedanken trügen, einen neuen Flottengründungsplan ju geben, oder auch nur über da? Maß dessen, was Ihnen bisher vorgelegt ist, binauszugehen. Die verbündeten Regierungen stehen noch beute auf dem Boden der Denkschrift von 1889/90, die dem Etat angefügt ge⸗

wesen ist und die die Erweiterung der Flotte bis zum Jahre 1894/95 vorsiebt. Daß die verbündeten Regierungen oder auch nur eine Stelle der verbündeten Regierungen über diesen Plan binauszugehen die Ab⸗ sicht bätten, ist mir völlig unbekannt; ich glaube in der Lage zu sein, einer solchen Auffassung widersprechen zu können.

Ist dies nun aber ricktig, existiren so weit gehende Projekte nickt, stebt man auch heute noch auf dem Boden, eine Marine zweiten Ranges schaffen zu wollen, und das ist auch in der Deukschrift aus gesprochen worden, so möchte ich Ihrer Erwãgung nochmals ar heim geben, ob es nicht rätblich ist, für diese beiden Kanonenboote sich in diesem Jahre die Sake nochmals ju überlegen. Diese Kanonenboote das ist ja von allen Theilen anerkannt worden sind eine alte Forderung, und sie sind noch unter meiner Führung der Marine in den Etat eingestellt worden; sie sind insofern vielleicht meine Kinder, als sie das Resultat einer Denkschrift über die Vertheidigang der Nordsee sind, die von meiner Hand berrührt, Sie werden also verzeihen, wenn ich mit einiger Wärme für diese beiden Schiffe eintrete.

Der Hr. Abg. Windthorst bat vollkommen darin Recht, daß in der Begründung für den Nord-⸗ODstsee⸗Kanal gesagt ist ich weiß den Wortlaut nicht mehr er würde unsere Streitkrãfte verviel⸗ fältigen können dadurch, daß sie von dem einen Meer in das andere gebracht würden, sodaß man nicht auf der einen Seite eine Nordsee⸗ und auf der anderen Seite eine Ostserflotte zu halten brauchte, daß man einen Bau mit zwei Ausgängen bätte, aus denen man jedes mal die ganze Flotte könnte herauskommen lassen. Das ist richtig,; so bat die Sache damals gelegen. Indessen ich glaube nicht indisktet zu sein, wenn ich sage, daß damals schon Zweifel unter Fachmännern laut wurden, ob das Alles obne Bermebrang unserer Schiffe abgeben würde. Denn wenn unsere Schiffe aus der Elbe herausgeben sollen, um nach Wilhelmshaoen zu kommen, so haben sie erst eine Anzabl Seemeilen der Elbe zu passtren, nachdem sie die letzte Kanalschleuse hinter sich baben. Sind sie dann über Cuxhaven binaus, so siebt man kein Land mebr. Einmal taucht noch eine kleine Insel auf, aber, um den Ausdruck des Landbeeres zu gebrauchen, man bewegt sich noch in einem Defils, und dieses Defils in der Richtung von Cuxhaven auf Helgoland hält noch, glaube ich, 16 oder 20 Seemeilen an. Es ist nun wünschenswerth, dies Defils in uasere Hand zu hringen, und um dies zu können, kann man sich der Landbefestigung nicht bedienen; wir können da, wo dies Desils halbwegs zwischen Helgoland und Cuxhaven aufhört, keine Befestigungen bauen, wir müssen aber Kräfte dort stationirt haben, die Denen, die aus dem Kanal kommen und in die Nordsee wollen, das Deborchiren erleichtern. Das ist die Idee, die diesen Kanonen⸗ booten zum Schutz des Nord⸗Ostsee Kanals, wie sie genannt worden sind, zu Grunde liegt.

Ich möchte bitten, den Bau der Kanonenboote nicht zu ver⸗ schieben, weil ich für zutreffend halte, was bier gesagt worden ist, daß drei Jahre Bauzeit, ein Jahr Probefahrt, mackt vier Jahre das Jahr 1895 berankommt, und ich bin auf Grund amtlicher Erkundigungen in der Lage auszusprechen, daß, soweit dies menschlich sich berechnen läßt, der Nord⸗Ostsee⸗Kanal im Jahre 1885 fertig sein wird, also um die Zeit, wo die beiden Kanonenboote, wenn sie jetzt bewilligt würden, etwa brauchbar sein würden. ;.

Der Herr Vorredner hat dann noch darauf hingewiesen, und mit vollem Fug und Recht, daß man bei dem Neubau von Schiffen vor⸗ sichtig vorgehen müsse. Die Aeußeruna, daß unsere Marine zu klein sei, um sich den Luxus verfeblter Experimente zu gestatten, rührt von mir her; also der Herr Abgeordnete kann überzeugt s 5 i

a gan; in Uebereinstimmung mit ihm weiß.

Nun liegt aber die Sache hier so. iese sechs den Nord⸗Ostsee⸗Kkanal werden alle nach einem Trpus ge ; war von use aus Projekt. Zwei davon schwimmen schon, Sieg⸗

ö ; zwei find im Bau, und wenn man sich hier se außerhalb der Marine beruft, so möcte ich

ied' und ) auf fachmãnnische ij in diesem Falle das Urtheil solcher Kreise provoziren; Schiffe sind sickerlich keine Fehlgeburten, und das fünfte un Fanonenboot für den Nord-⸗Oftsee⸗Kanal kann nicht werden, als wenn es nach dem Typus von Siegfried gebaut wird. Also die Besorgniß, daß wir, wenn wir zu schnell vorgehen, jetzt Febler machen könnten mit Nr. 5 und 6 noch, halte ich für ausgeschlossen.

Ich stimme auch dem Hin. Abg. Dr. Windtbotst vollkommen bei, daß wir nicht Schiffe baren sollen, die nicht in unsere Docks und Schleufen gehen, und daß, wenn wir große Schiffe bauen, die zu groß für die Docks und Schleusen wären, es richtig sein würde, am letzten Ende anzufangen und erst Docks und Scleusen zu bauen. Diese Kanonenboote aber, wie schon der Name sagt, sind ‚Fabrzeuge“, wie der Techniker sich ausdrückt, kleinere Schiffe, keine großen Schiffe, und ich glaube mit Sicherbeit sagen zu können, daß es innerhalb der Marine keine Docks und keine Schleusen giebt, die Fabrzeuge ron diesem Typus nicht fassen würden.

Endlich auch kann ich darin mit dem Herrn Vorredner über— einsätimmen, daß man die Finanzlage im Ganzen übersehen muß, und ich verstehbe sehr gut, wenn das Pflichtgefübl der Parteien dieses Hauses sie dabin bringt, sich zu sagen: wir können über eine gewisse Summe jetzt für die Marine nicht hinausgehen. Ich möchte aber glauben, daß, wenn ess dem hohen Hause gefallen sollte, diese beiden Nummern des Etats an die Budgetkommission zurückjuverweisen, es Loch vielleicht der Budgetkommission gelingen würde, mit der Marineverwaltung sich dahin zu verständigen, daß an einer anderen Stelle des Etats Aequivalente für das Plus, was für diese beiden Kanonenboote gefordert wurde (hört, hört!, durch ein Verschieben gleicher Sum men auf das nächfte Jahr gefunden werden könnten. Ich befürworte also noch ein Mal die Ueberweisung an die Kommission. (Bravo! rechts.)

Staatssekretãär Hollmann: Er wolle nur bestätigen, daß die Forderungen für die Marine, die im Etat 1391/92 aufgestellt seien, auf dem Boden der Denkschrift aus dem Jahre 1889,90 ständen; sie blieben sogar hinter dem dort angehängten Programm zurück insofern, als verschiedene Bauinangriffnahmen verschoben und die Bauperioden rerlängert seien. Er habe den Mitgliedern der Kommission eine Nebersicht der Schiffsbauten in die Hand gegeben, deren Vergleichung mit dem Programm von 1889/80 seine Worte bewahrheiten werde. Er könne also nicht darauf ausgegangen sein, zu verlangen, daß ein neuer Flottengründungsplan eingerichtet rürde; nie und nimmer babe er mit einem Wort einer solchen Annahme Ausdruck gegeben und sein Protokoll, das wahrheitsgetreu sei, werde beweisen, daß er davon kein Wort gesagt habe.

Abg. Br. Windt horst: Wenn er den Herrn Reichskanzler richtig xerstanden habe, so kabe er seine Forderung ausdrücklich auf wei Schiffe restringirt. Es wäre wünschenswerth, daß wenn diese Prä⸗

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misse richtig sei, sie vollstãndig festgelegt werde, denn die Erklärungen der Marinevertreter in der Kommission und die Erklãrungen des Oerrn w von heute deckten sich nicht, und die Stellung Des Herrn Reichskanzlers müßte vollständig llargelegt werden, ehe man weiter geben könne. Wenn die beiden Schiffe zur Deckung des Rord ⸗Ostfee / Canals dienen sollten, jo würden sie auch noch fertig · gestellt werden, wenn man sie im nãch ten Jabre in Angriff nehme. Wenn es überbaurt möglich sei, diese Schiffe bis zu dem Moment, wo sie gebraucht würden, fertigzustellen, Jo dürfte vielleicht auch ein zweisäbriger Zeitraum genügen. Außerdem werde der Kanal im Jahre 1835 nickt einmal fertig werden, davon sei er so überzeugt wie vom Tageslicht, Leider werde er dann nicht mebr am Leben sein; sollte er es doch sein, so werde er das Haus daran erinnern Seine Fraktion wäre nicht so ängftlich, wenn sie nicht fürchtete, daß man mit der erften Rate den Anfang machen würde mit der Verwirtlichung des Plans, den der Admiral entwickelt kabe. Diesen Plan müsse man aber, vor. ber genauer kennen oder wissen, daß er beseitigt sei, Das Aequi- valent, das der Kanzler anbiete, könnte dech bloß in., einer der beute schen, bewilligten Bauraten. besteben, die in einem späteren Jahre doch wieder bewilligt werden müßte, während man durch die 6 der neuen Kanonenbogte eine neue Schuld kontrabire. Der Reichskanzler meine, die neue Be⸗ bandlung in der Kommission werde neue Gesichtẽvunkte ans Tages⸗ licht fördern, er glaube das nicht. Die Sache sei ichen jo voll⸗ kommen klargelegt in der Kommission, daß Neues dort kaum mehr werde geboten werden können; sollie das aber doch zer Fall sein, so sei daram eine nochmalige Kommissiensberathung nicht nötbig, sondern man könne das bis zur dritten Lesurg thun. Es sollte ihn ja freuen, wenn er auch diesmal seinen Wunsch, den Forderungen des Herrn Reichekaatlers nachzukommen, erfüllen könng; bis zur dritten Lesung werde sich das zeigen, obwohl er fürchte, das es diesmal nicht möglich sein werde.

Reichskanzler von Caprivi:

Was zunächst den Nord-⸗Ostsee⸗Kanal angeht, so kann ich, die Ueberzeugung des Hrn. Abg. Dr. Windtborst zu erschüttern, nicht übernehmen; aber ich kann ihm nur meine Ueberjeugung entgegen⸗ stellen, das, soweit sich die Sache übersehen läßt, der Kanal bis zum Jahre 1895 fertig werden wird, und mit dieser Hoff nung verbinde ich die, dat der Hr. Abg. Dr. Windthorst diesen Termin erleben werde. (Braso!)

Was nun die Frage angebt, ob wir denn wirklich zwei neue Panzer ⸗Kanonenboote würden bauen können, so kann ich sie nur mit Ja beantworten. Die Reichs ⸗Marineverwaltung ist im Stande, sobald das Geld bewilligt ist die Pläne sind da, die Vorgänge für die früheren Bauten können benutzt werden —, die neuen Kanonenboote auf die Helling zu legen.

Wir haben auch nicht den Wunsch, diese Kanonenboote in mei Jahren ju bauen, sondern wie ihre Schwestern in drei Jahren. Ich will auf die Gründe hier nicht eingeben, die ja im Allgemeinen belannt sind, die dafür sprechen, solche Bauten theils aus Werft⸗ rücksichten, theils aus technischen Rücksichten nicht zu sehr zu be⸗ schleunigen.

Nun wünscht der verehrte Herr Vorredner noch einmal eine Erklärung darüber, ob dies auch authentisch sei. Ich kann erklären, daß er in dem, was er Eingangs seiner Rede gesagt hat, mich völlig aulbentisch interpretirt hat: die verbündeten Regierungen stehen auf dem Beden der Denkschrift vom Jahre 1889/60, und es ist in dieser Beziehung auch gar kein Dissens, auch keiner in der Verwaltung des Reichs, sofern ein solcher überhaupt möglich wäre; denn der Herr Staats ser᷑retãt des Reicks⸗Marineamts hat mir eben gesagt, er glaube, in der Kom— mission viermal die Denkschrift vom Jahre 1889 90 erwãhnt zu haben. Es muß also da ein Mißverständniß untergelaufen sein. Ich kann nur noch einmal wiederholen, ich bitte den Antrag der Kom⸗ mission zu überweisen.

Es ist nickt Sache eines Vertreters der verbündeten Regierungen,

Projekte faär Abände ron Regierungsvorlagen zu machen;

; sollte, mit einem

ich auch die Besorgniß,

an keiner anderen Stelle ein äqui-

in önnte, damit widerlegen können, daß

ich begründete Äussicht habe, die verbündeten Regierungen würden dem zustimmen, wenn bei d ier großen Panzerschiffen, die mit einer etwas größeren Forderun weil sie theurer werden, als sie in der Denkschrift vom S889 / 90 vorgeseben sind, wens an diesen

D

Bau⸗

.

raten dieser beiden Kanonenboote beanspruchen.

Abg. Richter beantragt darauf die Vertagung.

Vor der Abstimmung darüber wird auf Vorschlag des Präsidenten von Levetzow erst die nochmalige Abstimmung Über die gestern nur handschriftlich eingebrachte Resolution des Abg. Richter auf Vorlegung der für den Transport von Kohlen bestehenden Ausnahmetarife vorgenommen; die Resolution wird angenommen.

Darauf wird der Vertagungsantrag angenommen.

Schluß gegen 5 Uhr.

Nr. 3 des Archivs für Post und Telegraphie Beibeft zum „Amtsblatt des Reichs ⸗Postamts*, herausgegeben im Auftrage des Reichs Postamts), Berlin. Februar, Jahrgang 1851, hat folgenden Inhalt: J. Aktenstücke und Aufsätze: Bescädigungen an den Kon— struktiongtbeilen der Telegraphenlinien. Abweisung einer Klage auf Erfatzleiftung für den angeblich entwendeten Inhalt eines Briefes mit Werthangabe. Das österreichische Post⸗ und Telegraphenwesen im Jahre 183355. Chinesisches Papiergeld. II. Kleine Mittheilungen: Fin neuer Seetelcgraph. Beschoßvorrichtung jur Beruhigung der Meereswellen mit Oel. Eine interessante Kabel⸗ Sammlung. Fremde Ströme in oberirdischen Telegtapbenleitungen. Fernsprecher für militärische Zwecke. III. Literatur des Verkehrswesens.

Entscheidungen des Reichsgerichts.

Die muthwillige Entfernung der auf ein Grab als Grab schmuck lose niedergelegten Kränze vom Grabe enthält, nach einem Urtbeil des Reichsgerichts, JJ. Strafsenats, vom 28. No⸗ vember 1890, nicht die Verübung eines be schimpfenden Unfugs am Grabe im Sinne des 5. 168 Strafgesetzbuchs.

Bedient sich der Versicherungsnehmer bei der Auẽ⸗ füllung des Versicherungsantrags Formulars der Hülfe des die Ver⸗ sicherung vermittelnden Gesellschaftsagenten und beantwortet der Agent die im Antragsformular gestellten Fragen über die⸗ jenigen Verbältniffe, welche nach Besichtigung der Dertlichkeit von jedem Dritten richtig beantwortet werden können, fo trifft, nach einem Urtheil des Reichsgerichts, LI. Givilsenats, dom 2. Dejember 1890, regelmãßig den Versicherungs nehmer kein Ver. fchulden, wenn der Agent diese Fragen unrichtig beantwortet hat und der Bersicherungs nehmer im Vertrauen auf die Sorgfalt des Gesellschaftsagenten vor feiner Unterzeichnung des Vertrages die Nach prüfung der Antwort des Agenten unterlassen hat.

Zweite Beilage

zum Deuschen Reichs⸗-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.

2 58.

Berlin, Sonnabend, den 7. März

1891.

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Saus der Abgeordneten. 50. Sitzung vom Frei tag, 6. März 1891.

Der Sitzung wohnen der Vize⸗Präsident des Staats⸗ Ministeriums, Staats⸗Minister Dr. von Boetticher und der Minister des Janern Herrfurth bei. .

Auf der Tagezordnung steht die erste und zweite Be— rathung des Antrages von Huene und Genossen wegen Aenderung des Wahlverfahrens.

Der Antrag lautet:

§. 1. Bebufs Bildung der Urwäblerabtheilungen für die Wahlen jum Haufe der Abgeordneten, der Wäblerabtheilungen für Semeinderertreterwahlen und in sonstigen Fällen, wo auf die Wabl⸗ berechtigungen in öffentlichen Verbänden die Summe der ver⸗ arlagten Beträge der Klassen⸗ und klassifinirten Einkommensteuer einwirkt, ist für jede nicht veranlagte Person ein Steuerbetrag von 3 M an Stelle der bisberigen Klafsenfteuer zum Ansatz zu bringen.

Bis zu anderweiter, in Folge der Ueberweisung von Grund und Ssebäudesteuer an kommunale Verbände etwa erforderlich werdender Abänderung der Vorschriften über die Wahlen zum Haufe der Abgeordneten wird in Gemeinden, welche in mebrere Ürwahlbezirke getheilt sind, unter Abänderung der betreffenden Befstimmungen des § 10 der Verordnung vom 30. Mai 1849 Gesetz Samml. 1819, S. 205) für jeden Urwahlbenirk eine besondere Abtbeilungsliste gebildet.

z. 2. Bis zum Erlaß des Wablgesetzes werden die Be stimmungen der Artikel 71 und 115 der Verfassungsurkunde, soweit sie den vorstehenden Bestimmungen entgegensteben, außer Kraft gesetzt.

3. Dieses Gesetz tritt nur gleichzeitig mit dem Einkommen steuergesetz in Kraft

Abg. Francke (Tondern) beantragt: .

Den jweiten Abfatz des 8§. 1 zu streichen; für den Fall seiner Annahme aber statt der Schlußworte desselben; .

ö. jeden Urwahlbezick eine besondere Abtheilungsliste ge⸗

bildet

zu setzen: für die Zutheilung der Urwäbler zur ersten

Wählerklase derjenige Mindeststeuerfaß beibebalten.

kei der Wabl jum Abgeordnetenhause im Jahre 1888 er⸗

forderlich Tar, um dort Wähler erster beiw. zweiter Klasse zu

werden.

. Abg. Freiberr von Huene begründet den Antrag mit dem Hin⸗ weis darauf, daß derselbe wesentlich die Beschlüßse der zweiten Lefung enthalte und auf Diejenigen Rücksickt nebme, welche darin eine Ver⸗ faffungsänderung geseben hätten. Den Antrag Francke bitte er abzulebnen, weil derselbe nicht in derselben Richtung wirke, wie sein Antrag es beabsichtige. Der Antrag Francke werde in Folge der, Er⸗ mäßigung der Steuersätze einige Personen aus Ter ersten bezw. jweiten in die zweite bejzw. dritte Wählerklasse berabdrücken.

Abg. Francke Tondern) bäͤlt die Anrechnung von 3 6 Klassen · steuer fuͤr die fteuerfreien Siaatsangehörigen für keine Verfa sungs. änderung, wie das von einigen Seiten behauptet werde. Dagegen liege eine Verfassungsänderung unzweifelhaft vor bezüglich der Bildung der Abtheilungslisten in jedem Urwablbezirke. Aber diese Bildung der Abtheilung innerhalb eines jeden Urwablbezirkes führe zu den größten Ungerechtigkeiten, wie die zablreich angefuüͤbrten Beispiele bewiesen. Das kärzeste Verfahren sei, die Steuergrenze der Abtheilungen von 1858 aufrecht zu erhalten. Dabei könne allerdings der Fall vor⸗ kommen, daß ein einzelner Steuerpflichtiger durch die Ermäßigung der Sätze von einer Klasse in die andere komme. Aber das könne nur in einzelnen Fällen vorkommen, meist würden Steuerzahler in Folge der Deklaration in eine höbere Klasse kommen.

Auf Wunsch des Abg. Rickert wird die Debatte unter⸗ brochen, um zunächst die namentliche Abstimmung über das Einkommensteuergesetz im Ganzen vorzunehmen, damit die Mitglieder des Reichstages an derselben noch Theil nehmen könnfen. Die namentliche Abstimmung ergiebt die Annahme des Gesetzes mit 368 gegen 36 Stimmen. Für das Gesetz stimmen geschlossen die Konservativen und die Polen, ferner die Nationalliberalen mit Ausnahme des Abg. von Eynern, die Freikonservativen mit Ausnahme des Abg. Lohren; vom Centrum stimmt die große Mehrheit für das Gesetz. Mit Nein stimmen vom Centrum die Abgg. Dagen, Jansen, Kersting, Lieber, Pellengahr, Dr. Reichen perger, Theissing. Wenders und Bock; von den keiner Partei an— gehörenden Abgeordneten der Abg. Freiherr von Eckardstein.

In der Fortsetzung der Berathung über den Antrag Huene erhält das Wort

Abg. Sack: Er halte es für zweifellos, daß die Ansetzung der fteuerfrelen Bürger mit einem fingizten. Steuersatz von 3 4 eine Verfassungsänderung sei, denn die Verfaffung spreche nur von den zu entrichtenden Steuern, aber nicht von Kloß angerechneten.

Abg. Dr von Gneist: Als die Einkommenstener eingefũbrt worden sei, als der Grundbesitz belastet worden sei, habe Niemand eine Aenderung der Verfassung für vorliegend erachtet. Wenn man

eine Aenderung des Wablrechtes befürchte, dann müsse man das ganze Wahlgesetz reformiren, aber nicht eine einzelne Vorschrift än- dern. Wenn man jetzt nicht reridiren wolle, dann müsse man auch das Gesetz anwenden und die drei Klassen bilden nach den wirklich gezablten Steuern. Staats und Kommunalabgaben ließen sich nicht mehr trennen. Früber seien die Kommunen Genessenschaften von Ackerbauern. Hausbesitzern und Gewerbetreibenden, ibre Ken. munalabgaben SBeitrãge zum Genossenschafts vermögen gewesen. Jetzt bestimme der Staat die Grenzen der Kommunalverbände; er be= stimme, wer Mitglied des Kommunalverbandes sei. Aufgaben des Staats seien auf die Kommunen übergegangen, deshalb sei es richtig, das Wablrecht nach den Staats- und Kommounalabgaben zu bemessen. Das werde dabin fübren, die Zabl der Wäbler erster und zweiter Klasse etwas zu vermehren.

Abg. Freiherr von Huene: Auf die Dauer könnten die Ver⸗ bältnisfe nicht so bleiben wie jetzt. Augenblicklich bandele es sich aber nur um einen Notbbehelf, um eine Verschiehung, die allgemein unan— genebm empfunden werde, zu verbüten. Hoffentlich werde von diesem Sesetz niemals ein praktischer Gebrauch gemacht werden. Er halte es für selbstverstãändlich, daß die Regierung daran gehe, das Wahlrecht neu zu gestalten.

Abg. Dr. Enneccerus: Die Verschiebungen würden nach dem Antrage Huene viel größer und vor allen Dingen iel unbegrũndeter sein als nach dem Antrage Francke. Das Dreiklassenwahlrecht werde dadurch nur zur Karikatur werden. Wenn der Abg. Freiherr von

uene meine, daß diese Maßregel überbaupt nickt zur Anwendung ommen werde, dann solle man doch lieber jede Aenderung unterlassen. Sr glaube nicht recht daran, daß es sich nur um eine Uebergangs. bestimmung handele. Diejenigen, welche sie jetzt angenommen hätten, wurden sie später als ein Kompromiß aufrecht erhalten wollen.

Abg. von Buch Hält eine Debatte nicht mehr für nothwendig, weil durch die gestrige Bestimmung die moralische Verpflichtung über= nommen sei, dieses Gesez zu Stande zu bringen. (Zustimmung rechts) Das Zustandekommen des Ginkommensteuergesetzes würde ge⸗

fährdet gewesen sein, wenn diese Regelung des Wablrechtes nicht angenommen worden wäre, gegen welche er auch einige Bedenken babe. ustim mung rechts)

Abg. Dr. Enn ec cerus: Die Vorlage würde durchaus nicht ge⸗ fähbrdet gewesen sein wegen dieser Wahlrechts fragen, denn die konser⸗ vatise, freikonfervative und natiogalliberale Partei bildeten die große Mebrbeit des Hauses, sodaß es der Zustimmung des Centtums nicht bedũrfe. Die Regelung der Wahlrechts frage könne höchstens dazu dienen, die Mehrheit für das Gesetz eine recht große werden zu lassen.

Abg. Freibert von Hu ene; Er erinnere an die Vorgänge in der Kommiffion, wo die Nationalliberalen ihre Bedenken bei jedem Paragraphen geltend gemacht und stundenlang verfochten bätten, so daß man sich manchmal gefragt babe, welche Stellung die National liberalen nachher zu dem Gesetze im Ganzen einnehmen würden. (Zuftimmung rechts). .

Abg. Dr. Enneccerus: Es sei einmal dazon die Rede ge= wesen, daß die Nationalliberalen die Vorlage ablebnen könnten; das sei schon aus den Reden bei der ersten Lesung hervorgegangen.

Damit schließt die er ste Berathung; in zweiter Be⸗ rathung wird der Antrag von Huene nach Ablehnung des Antrages Francke unverändert angenommen gegen die Stimmen der Nationalliberalen und Freisinnigen.

Es folgt die zweite Berathung des Erbschaftssteuer⸗ gesetzes. =

Der Hauptpunkt der Vorlage war die Besteuerung der Erbschaften unter Ehegatten und Deszendenten mit Proz., unter Aszendenten mit 1 Proz. des Betrages. Die Kommission hat diese Vorschrift gestrichen.

Abg. Stengel tritt für die Wiederherftellung der Vorlage ein; die Bedenken gegen die Erbschafts steuer gingen dahin, daß ein lästiges Eindringen in die Familienverbältnisse im Falle eines Erbganges vermieden werden müsse. Da von konserratioer Seite bei der Ein- kommenfteuer der Antrag auf Inventarlsgung gestellt worden sei, so werde man das Eindringen in die Verhältniffe wobl nicht mebr ür so bedenklich halten; die Steuer van 12 oder 180 sei doch aber nicht so erbeblich, daß man sie beim Erbanfall besonders spären würde. Man spreche immer von der stärkeren Heranziehung des fundirten Vermögens,. und wo jei das mehr vorbanden, als da, wo ein Erk anfall stattfinde. Hauptsächlich halte er aber die Erbschaftssteuer für eine nothwendige Kontrole für die Deklaration. Ohng die Erb— schaftssteuer werde die falsche Deklaration perewigt. Man werde sich in wenigen Jahren überzeugen, das die Erbschaftssteuer eine noth⸗ wendige sei. . . ö ;

Abg Freiberr von Hamm erstein; Die Vorlage sei namentlich damit begründet worden, daß sie einen Ersatz für die Kapitalrenten⸗ steuer bilde. Diesen Gedanken hahe sich seine Partei nicht aneignen können. Die Erbschaftssteuer wirke sebr ungleich und treffe namentlich den Grundbesitz. Seine Partei babe die Kontrole gewünscht und des halb den Antrag wegen Inventarlegung eingebracht, babe aber damit kein Glück gehabt, auch bei den Freikonservativen nicht. (Wider⸗ spruch bei den Freikonservativen.) .

Abg. Dr. Enneccerus: Der gegenwärtige Zeitpunkt sei nicht geeignet, die Grbschaftssteuer, die vamentlich das fundirte Sin kemmen treffe einzuführen, besonders weil die Dopvelbesteuerung der Aktien ˖ gesellschaften und die Erhöhung der Steuer bis auf 47 eingeführt sei.

Finanz⸗Minister Dr. Miquel:

Meine Herren! Ich werde mich auch kurz faffen. Ich habe nicht die Hoffnung bei der Stimmung des hohen Hauses, daß die Regierungk⸗ vorlage in den hier vorliegenden Bestimmungen die Zustimmung der Mehrbeit finden wird. Wenn ich dennoch aber für die Regierungs— vorlage noch einmal in ihren wesentlichen Grundsätzen eintrete, so thue ich es in der Ueberzeugung, daß richtige Gedanken und in den Verhältnifsen begründete Ziele zwar in einer gegebenen Zeit wobl einmal nicht zum Siege kommen können, aber immer wiederkehren werden, bis ihnen Befriedigung geworden ist.

Meine Herren, die Gründe, welche die beiden Herren Verredner angeführt baben, sind nach meiner Meinung in keiner Weise stich⸗ haltig, nur insofern einigermaßen, wenn ich den Ausdruck gebrauchen darf, für die Königliche Staatsregierung tolerabel, weil sie doch wesentlich dilatorischer Natur sind. Namentlich der letzte Herr Vor⸗ redner hat keinen einzigen Grund gegen die Vorlage anführen können, der dauernde Bedeutung hätte. (Zuruf des Abg. Dr. Enneccerus: Wollen) Wollen? Dann acceptire ich das um so lieber, da dann also die Hoffnung begründet ist, daß Das, was beute nicht gelungen ist, morgen gelingt. Ich werde Ihnen kurz ausführen, meine Herren, warum es richtig war, in dem gegenwärtigen Augenblick diese Vorlag zu bringen.

Sämmtlicke Redner haben anerkannt, daß die Erbschaftssteuer nach der Regierungsrorlage in ihren sehr geringfügigen Sätzen wesentlich die Bedeutung einer Ergänzung des Einkommensteuergesetzes hat; ja, ein großer Theil des Hauses hat das Bedürfniß nach einer dahin gebenden Ergärzung der Einkommensteuer für so Lringend ge— halten, daß man bemüht gewesen ist, durch Einführung einer obliga torischen Inventarisirung Ersatz zu finden. Wenn der betreffende An trag im Hause nicht durchging, so ist er nicht deswegen gefallen, weil man die Inventarisirung nicht für nöthig bielt, sondern deswegen, weil man in der Vereinzelung dieser Besftimmung obne Zusammenhang mit der Erbschaftssteuer, gewissermaßen einen zu starken polizeilichen Ein griff erblickte.

Also, das gesammte Haus war einig, eine solche Feststellung der Erbschaft als Kontrole für Richtigkeit der Deklaration sei eine Noth— wendigkeit. Diese Versuche sind gescheitert, gerade weil die Erbschafts⸗ steuer nicht angenommen ist und man diese Maßregel für sich allein ju acceptiren nicht geneigt war. Ich konstatire also, daß die große Mehrheit die Kontrole für nöthig bielt, und es nicht gelungen ist, diese Kontrole zu schaffen. Meine Herren, die Erfahrung wird ja in dieser Hinsicht unsere Lehrmeisterin sein. Wir wollen hoffen, daß eine solche Kontrole für die Richtigkeit der Deklarationen sich nicht als nötbig erweisen wird, aber wenn sie sich doch als nöthig herausstellt, so boffe ich, wird es wenigstens demnächst gelingen, diese Erbschaftssteuer, wie sie hier vorgeschlagen ist, durchzuführen.

Meine Herren, ich bin überzeugt, daß eine große Zakl Personen im Lande sind, welche über ihr Einkommen keine geordnete Buchführung besitzen, welche falsch deklariren, nicht mit Absicht, sondern in der Unklarheit über ihre Einnabmeverhältnisse. Diese Personen werden wir auch mit der Deklaration nicht vollständig in ihrem Einkommen erfassen, und da bietet auch für solche Personen die Erbschaftssteuer die einige Möglichkeit, nicht bloß einen kleinen Ersatz für das nicht

deklarirte Einkommen zu finden, sondern auch dadurch für die Zukunft zu besseren Deklarationen zu kommen.

Der Hr. Abg. Stengel bat sebr richtig ausgefübrt, er hat die Fälle erwäbnt, wo thatsächlich absichtlich falsch deklarirt ist, solche Fälle sebe ich nicht einmal. Wenn eine Erbschaft inventarisirt, der Behörde sie bekannt wird, so müssen die Erben schon in Zukanft wenigstens den Betrag dieser Erbschaft und des Einkommens aus der selben richtig deklariren. Wir werden also gerade durch die Erbschafte⸗ steuer zu einer richtigen Deklaration kommen Auch in den Fällen, wo die Deklarationen falsch sind, aus Unwissenbeit und Unklarheit.

Meine Herren, man bat bier den Unterschied gemacht zwischen mobilem und immobilem Kapital oder Besiß. Herr von Hammer- stein hat namentlich bervorgeboben, daß bier der immobile Besit schlechter wegkommen würde. Ich bin gerade umgekehrt der Meinung; das vor Augen liegende immobile hat gerade den Nachtheil de Steuer gegenüber, daß es vor Augen liegt. Worin liest also sein Vortheil? Einrichtungen zu schaffen, daß das leicht zu verbergende Vermögen auch vor Augen gebracht wird. Gerade umgekehrt liegt alse die Sache, gerade der Grundbesitz hat das größte Interesse, daß Maßnahmen getroffen werden, welche das bewegliche Kapital, welches sich leicht verbergen kann, vollständig zur Erscheinung

Ein solches Mittel ist nun aber die Erbschaftss Herren, wenn nun anerkannt wird, und ich babe nicht von einer Seite bestritten wird, daß die Erbschaftsst quemes und einfaches Mittel ist, gewissen Grenze, die Ungleichheit fundirten und nicht fundirten so ist die Einwendung nicht stichbaltig, die Realsteuer als Staatssteuer noch besitzen, fundirte Einkommensteuer einführen solle. Denn ; diese Art der Bestenerung dasjenige fundirte Kaxital bisher einer solchen Besteuerung nicht unterworfen heute die Erbschaftssteuer einführen, so trifft das anze gewerb⸗ liche Kapital ebensowobl wie das Rentenkarital. s Rentenkapital ist heute einer besonderen Besteuerung nickt f wir in einem Augenblick stehen, in welchem übersebbarer Zeit diese separate Besteuerung des bãudebesitzes und vielleicht demnächst des Gewerbebetri steuer abgeben wollen, so ist es gerade erst recht Beziehung Etrsatz zu schaffen. Ich gl s wand ist keineswegs stichhaltig.

Meine Herren, es bat nun Herr von Hammerstein ei nen Grund an gefuhrt, gegen welchen ich mich namentlich wenden möchte, weil er dauernde Natur ist. Alle diese dilatorischen und Opportunitãts gründe verschr mit der Zeit; die Stimmungen, die daraus bervorgegangen si in einer anderen Zeit nicht mebr vorhanden; man kommt leichter darüber hinweg. Aber wenn Hr. von Hammerstein sagt: die Be— steuerung der Deszendenten und Asjendenten und Ebegatten ist gegen das deutsche Rechtsgefühl (sehr richtig), dann ist das allerdings ei sehr dauernder Einwand. Meine Herren, ich weiß nicht, daß in diese Beziebung ein anderes Rechtsgefühl bestebt als in allen anderen Kultar— ländern. Wenn in Frankreich, in England, in Italien, in Desterreich. in Rußland, in allen großen Kulturländern diese Besteuerung eingefüh ist und bestebt, obne das Rechtsgefübl zu verletzen, so ist es an und fär sich nicht denkbar, daß es in Deutschland anders sein soll. (Widerspruch.)

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es Das Familienleben, die Innigkeit der Verbindung der Familienmi

üs. '

glieder zu einander schätze ich in Holland, England, Belgien und Fra

reich genau ebenso boch wie in Dentschland, es giebt ja auch germanisch Völker unter denen, die ich aufgezäblt habe. Meine Herren, di steuerung der Ehegatten haben wir ja obnebin bereits gebabt und weitergehend gehabt, als wir sie heute wieder einführen wollen. Und warum hat man sie aufgehoben? Nicht, weil das gegen den deutss Familiensinn oder das Rechtsgefübl im Volke verstieße, f

man damals nicht hinwegzukommen wußte über diejenigen Diffe

die entftanden aus den verschiedenen ehelichen

namentlich in Folge der Annexionen in Preußen bestanden.

ische

schaft eben aufhört, irgend eine Stener zu zahlen Familiengemeinschaft fortdauert, so lange keine th einandersetzung stattfindet, wird ja die Steuer ü fällig. Wie können Sie da diesen Einwand geg der Ehegatten machen!

In der Regel findet doch auch bei der Ausein dem Ableben eines Ehegatten unter den Descendenten des Vermögens statt, dann bört die Familiengemeinschaft auch

Nun erkenne ich vollständig an das spreche ich ganz bestir aus und ich glaube sogar, daß unbewußt der Punkt, den von Hammerstein berührt bat, dieser Reformmaßregel am Meisten ent⸗ gegenstebt daß, wenn auch nicht klar bewußt, doch ein tiefes Sefähl im Volke liegt, daß das Eigenthum eines Familienvaters seiner will⸗ kürlichen Disposition zum Nachtheil der Kinder rechtlich nit unter⸗ worfen ist, daß das Bewußtsein eines Gesammteigentbums der Familie trotz des römischen Rechts und troßz der modernen Kodifikationen noch sebr tief im Volke liegt. Ich bin sogar der Meiaung, a5 dies eine Wohlthat für uns ist (sehr richtig h, und ich würde nickts thun, um es zu bekämpfen; aber ich bestreite nur, daß eine solche kleine Erb⸗ schaftssteuer diesem Rechtsgefübl in irgend welcher Weise entgegen⸗ steben oder Abbruch thun könnte. Meine Herren, im Mittelalter war ja dieses Familieneigenthum rechtlich auf das Allerschärfste durch⸗ gebildet, und doch seben wir, wie in unserer ganzen deutschen Geschichte fast jeder Erbfall mit einer Abgabe verbunden war. Wenn das damals, wo dieses Familieneigenthum noch in viel böberem Maße im Bewußtsein der Menschen und in den Rechtsinstitutionen lag, dem⸗ selben keinen Abbruch gethan hat warum soll das beute der Fall sein? Also auch diesen Einwand kann ich nicht gelten lassen.

Meine Herren, ich habe gesagt: DiRe Erbschaftsfteuer ist eine nothwendige Kontrole. Ich behaupte: es ist eine leichte und zweck⸗ mäßige Art, das fundirte Einkommen beramzuzieben.