1891 / 62 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 12 Mar 1891 18:00:01 GMT) scan diff

Zeit erschreckend viel Geld auszugeben aber mit Lokalen solcher Art dürfe man eben die soliden Gast⸗ und Schankwirtbschaften nicht verwechseln, die würden durch Beseitigung derartiger Lokale selbst am meisten befriedigt werden. Wolle man also Gerechtigkeit üben, so dürfe man nicht die so verschiedenartigen Gastwirthschaften so unterschiedslos behandeln. Der Antrag von Christen sei so wenig vorbereitet und so debnsam, ö. er schon deswegen abgelebnt werden müsse. Er bitte also, unter Ablehnung aller anderen Anträge den seinen anzunehmen. .

Abg. von Tiedemann (Bomst) beantragt, die Betriebssteuer für Gastwirthe mit weniger als 1500 M Jahreseinnahme auf 10 46 festzusetzen und die Steuer bei allen dauernd im Betriebe hefind, lichen Gewerben vierteljährlich, bei vorübergehend, wie z. B. bei Schützenfesten, Manövern u. s. w., etablirten bei der Konzessions⸗ ertheilung zu erheben. .

General ⸗Steuerdirektor Burghart: Mit diesem Antrage von Tiedemann erkläre sich die Regierung einverstanden. Der Abg. Broemel habe auf das Gewerbe der Gast, und. Schankwirthe und kleinen Branntweinhändler einen solchen Panegyrikus gesungen, daß auch das verwöhnteste Ohr davon befriedigt sein werde. e, ,. streiche davon nichis ab; ja, er wolle sogar noch ein spezielles Lo binzufügen, nämlich das Lob, daß das Gewerbe der Gast⸗ und Schank wirthe und kleinen Branntweinhändler noch keine Steuererleichterung verlangt habe, während die Kleinindustrie, das kleine Handwerk, dies im ausgiebigsten Maße gethan babe. Denke man sich, die Steuer reformvorlage wäre stückweise vorgelegt worden, und in diesem Jahre käme ein Abschnitt zur Verhandlung, in welchem stehe, daß das Gewerbe der Gast« und Schankwirthe und kleinen Branntwein händler er wiederhole dies noch einmal und recht laut um 2— 3 Millionen in der Steuer erleichtert werden sollten, was wäre da wohl gesagt worden. Wenn nun aber dieser Erlaß in dem Rahmen der übrigen Gewerbesteuervorschläge angenommen werde, s werde doch dadurch an dem Erlasse nichts geändert. Wenn 404 000 Gewerbetreibende einen Steuererlaß von 3 Millionen, 12 900 Handwerker einen solchen von mehr als 1 Millien erhielten, dann gehe es nicht an, dem Gast⸗ und Schankgewerbe auch noch 2 Millionen zu schenken, das würde das Land einfach gar nicht verstehen, zumal man doch nicht verkennen dürfe, daß die Gewerbesteuerreform immerhin schwere Lasten auflege und namentlich die Großindustrie bedeutend belaste. Daraus sehe man, was es mit den so oft gebrauchten Worten ungerecht fertigte Belastung, Extrasteuer und dergl. auf sich habe. Das möge ja in den Kreisen der kleinen Branntweinhändler ganz gut klingen, für die Gesetzgebung aber habe es keinen Werth. Die Regierung frage nur, wie könne die Gewerbesteuer möglichst gerecht vertbeilt werden, wer sei einer Erleichterung bedürftig? Für die Gast- und Schankwirthe und kleinen Branntweinbhändler habe kein Anlaß dazu vorgelegen. .

Abg. von Evnern: Nachdem in der Kommission der Regie⸗ rungskommissar zugesagt babe, daß die etwaigen Ueberschüsse aus der Betriebssteuer den Kommunen zugewiesen werden sollten, stimme er derselben zu. Der Abg. Broemel scheine die Darlegung der Kom⸗ mission nicht genau verfolgt zu haben, sonst würde er nicht sagen, daß eine Steuer, welche 48 000 ½ο mehr geben solle und welche auf 166 000 Betriebe vertbeilt werde, welche also die einzelnen Betriebe nur mit 40 3 treffe, das ganze Gastwirtbschafts gewerbe unterdrücken könne. Solche Uebertreibungen würden boffentlich nicht das Ohr des Hauses finden. Man höre ja, daß die Leute sich so eifrig um Konzessionen bewürben das beweise doch, daß es mit dem Gast— und Schankwirthschaftsgewerbe nicht so arg bestellt sein könne. Bei den Ausführungen des Abg. Broemel merke man eben die Absicht und werde verstimmt. Er werde also, trotzdem er zuerst dagegen gewesen sei, und wenn auch Einzelne seiner Parteifreunde auch heute noch dagegen stimmten, nach den Erklärungen der Regierung in der Kommission für die Betriebssteuer stimmen. . .

Unter Ablehnung des Antrags Christen werden die S5. 59 69 mit den von dem Abg. von Tiedemann bean⸗ tragten Modisikationen nach dem Vorschlage der Kommission angenommen. ö

Die 8§. I0— 73 handeln von den Strafbestimmungen.

Zu §. 2 liegt ein Antrag Burghardt (Lauban) vor, für die Strafgelder en Minimum von 50 (6 festzusetzen.

Abg. Dasbach beantragt, daß die Strafverfolgung nur auf Antrag der Staatsbehörde des betroffenen Steuerpflichti⸗ gen erfolgen soll. JJ .

§. I3 bestimmt, daß auf die nicht beizutreibenden und in Haft umgewandelten Geldstrafen die Bestimmungen, betr. das Hausirgewerbe, Anwendung finden sollen. ;

Abg. Eberhard beantragt, daß auf diese Fälle das Reichs⸗Straf⸗ gesetzbuch Anwendung finden solle. . ö.

Geh. Ober⸗Finanz Rath Fuisting bält diesen Antrag für über⸗ flüssig. Der Richter werde schon das Richtige treffen.

Die Abgg. Eberhard und v. Tie demann erklären sich gegen den Antrag Burghardt. .

Die 8§. I0— 713 werden unter Ablehnung der Anträge Burghardt und Dasbach mit der vom Abg. Eberhard bean—

Bei S8.

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Kunft und Wißssenschaft.

Verein für die Geschichte Berlins. Ja der lezten Sitzung am Sonnabend führte Mejor Straehler Vortrag über das wehrhafte Berlin zu Ende. er, welcher in der ersten Hälfte seines Vortrages die beiden ersten ricden der Berliner Wehrgeschichte, die Zeit von den ersten An— ingen einer Stadtvertbeidigung bis zur Aufnahme der ersten Kurfürst—⸗ Landsknechte, d. b. bis zu Kurfürst Friedrich II. und die Zeit iesem bis zur Einrichtung eines stehenden Heeres unter dem g Kurfürsten dargestellt und in Bezug auf die letztere eine ein⸗ Beschreibung der Bewaffnung der Bürgerwehren, der und Fechtschulen der Bürgerschaft, der Festlichkeiten und ier frobliegenbeiten derselben gegeben hatte, wandte sich einer Schilderung der Wehrgeschichte Berlins es Großen Kurfürsten. Die Ansprüche, welche da⸗ die Wehrbaftigkeit und kriegerische Leiftungs⸗ der Sürgerwehr gestellt werden konnten, waren noch äußerst er Natz, dern ron militärischem Geiste war in der Bürger rr, Srur dorbanden, und jedem Versuche, hier Wandel zum e eaffer, widersetzten fich regelmäßig die Stände. Be⸗ elwaßtige Exerciren den Mannschaften der im nur ungern

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urde der Vorschlag gemacht, i en beranzunseben, allein das Gxerciren, von welchem auch er Meinung war, daß es sich mit demselben nicht thun int kald überkaupt eingestellt worden zu sein, sodaß den Bürgern nan mehr nur die Arsübung des Wachtdienstes oblag. Der für letzteren Zreect vorgesebene Bürgerausschuß in Stärke von 270 Mann ar in fünf Korporalschaften eingetbeilt; die eine Hälfte der Bürger webrmannschasten war mit Musqueten, die andere mit Spießen be⸗ waffnet. Es existirten vortreffliche Dienstvorschriften, allein sie wurden überaus nachlässig gebandhabt, und bei inneren Unruben zeigte es sich,

daß auf einen wirksamen Schutz der Ordnung Seitens des Bürger ⸗— ausschusses nicht zu rechnen war. Im Jahre 1616 wurden für Berlin zwölf und für Cölln sechs neue Nachtwächter angestellt, und zwei Jahre darauf erschien eine neue Tumultordnung. Diese Maßnahmen waren indessen nicht im Stande, das Uebel, welches im Grunde in der gewaltigen, durch den langwierigen Krieg erzeugten Demoralisation bestand, aus der Welt zu schaffen. Die Disziplinlosigkeit, die nach einem drastischen Berichte des Kanzlers Bockmann im Jahre 1629 noch die Bürgerschaft beherrschte, war grenzenlos. Während die Engländer, die sich merkwürdiger Weise nicht weniger vor den Berliner Bürgern gefürchtet haben sollen, als diese vor jenen, die Dörfer Schöneberg und Tempelhof besetzt hielten, betranken sich die Bürgerwehr ⸗annschaften derartig, daß sie unfähig zum Gebrauch der Schießwaffen waren, und ein großer Theil derselben verließ nach Belieben die Posten, ohne an eine Rück⸗ kehr zu denken, bis es sich schließlich herausstellte, daß die Engländer gar nicht beabsichtigten, in Berlin einzurücken. Je geringer nun die Wehrtüchtigkeit war, desto mehr wurde zu jener Zeit in Bezug auf Unfug und Ausschreitungen aller Art geleistet; so kam es vor, daß die Wache mit Musik vor das Rathhaus zog und dasselbe zum Ziel punkt ibrer Schüsse machte. Als der Kurfürst Georg Wilhelm im Jahre 1625 zum Schutze der bedrohten Stadt Brandenburg von Cölln die Stellung von 50 und von Berlin diejenige von 100 Mann ö. verlangte und die Mittheilung des betreffenden Befehls durch den Rath erfolgt war, erhob sich ein unbeschreib—⸗ licher Lärm, und die Abneigung gegen jede kriegerische Thätigkeit gab sich in dem stets erneuten und unehrerbietigen Rufe der Bürger kund, sie hätten ihre Frauen und Kinder ebenso lieb, wie Seine Durchlaucht und wollten nicht in den Krieg ziehen. Als es dann zum Ausmarsch kommen sollte, verweigerten die Berliner Bürger den Geborsam und die statt ibrer ausrückenden Stellvertreter machten noch vor Spandau Rast und bewiesen durch Trinkgelage und demselben folgende Exzesse ver- schiedenster Art ihre vollständige Untauglichkeit zu einem geordneten Waffen dienste. Die Bersuche, einen Theil der Bürgerschaft soldatisch zu bilden, wurden unter dem Großen Kurfürsten weiter fortgesetzt; allein auch diese Versuche scheiterten an dem Mangel an Disziplin und mili⸗ tärischem Geist, der in der Bürgerschaft noch die Herrschaft führte, stets von Neuem. Wie lange diese fühlbare Disnplinlosigkeit ihre Nachwirkung übte, geht aus einem aus dem Jahre 1705 stammenden Edikt hervor, welches eine Reihe von Strafbestimmungen aufführt, deren Nothwendigkeit an sich ebenso charakteristisch ist, wie die Art der Strafe, die sich lediglich als Geld buße darstellte. Da gab es nicht allein Strafen für Zuspätkommen und für Fehlen beim Dienst, es war auch eine Strafe für Denjenigen vorgesehen, der mit brennender Pfeife auf der Wache oder zu der Parade erschien; Widersetzlichkeit gegen den Vorgesetzten wurde mit 6 bis 9 Groschen gebüßt, und wer sich thätlich an einem Offizier vergriff, wurde mit boben Geldstrafen belegt. Die auf diese Weise eingehenden Strafgelder wurden aber zum Besten der Compagnie ver⸗ wendet, indem für dieselben den Tambours etwas „ge reicht! wurde. In der darauf folgenden Schilderung der Wehrbaftigkeit der Bürgervereine verweilte der Vortragende längere Zeit bei den Schützengilden, die sich im 16. und 17. Jahrhundert mancher Privilegien erfreuten und bei einem Theil der Landesherren, namentlich auch bei dem Großen Kurfürsten, welcher den Schützen festen häufig beiwohnte, in großem Ansehen standen. Dieser Fürst war es auch, welcher dem durch die Einwirkungen des dreißig jährigen Krieges dem Verfall nahe gebrachten Schützenwesen seine kräftige Unterstützung lieh, sodaß es sich nachmals zu neuer Blüthe erheben konnte. Außer den Schützengilden trieben auch minder angesehene Vereine Waffenübungen und veranstalteten Freischießen und Wettkämpfe im Laufen, Stechen und Schlagen. Während das Waffentragen bis zum 17. Jahrhundert allen Bürgern freistand, gingen dieses Rechts zunächst einzelne Berufsklassen ver— lustig, bis dasselbe im Jahre 1709 allen Bürgern mit Ausnahme

des ide der Beamten, der Gelehrten und der Großkaufleute ent—

zogen wurde. Die bis dahin herrschende Sitte des allgemeinen Waffentragens war durch das Unwesen des Landsknechtsthums nicht minder, als durch die in den Städten herrschende Zügellosigkeit ge⸗ boten. Nachdem Redner nach letzterer Richtung noch eine anschauliche Schilderung der gewohnheitsmäßigen Ausschreitungen gegeben, welche in Berlin die Rotten der „Schnarcher und „Wetzer“ ausübten, indem sie friedliche Passanten anfielen, mißhandelten und in zahl— reichen Fällen auch tödtlich verletzten, wies er darauf hin, daß diese Mißstände, über welche der Rath der Stadt fortwährende Klagen bei dem Landesherrn führte, eine wirksame Abhülfe erst zu finden ver mochten, nachdem Seitens eines disziplinirten Heeresverbandes ein energischer und konsequenter Wachtdienst durchgeführt worden war.

Ein neuentdecktes Werk von Aristoteles.

Zu den bedeutendsten Geistern aller Zeiten gebört Aristoteles, der Genosse Plato's und Erzieher Alexander des Großen (geboren 384 in Stagira, gestorben 322 in Chalkis auf Euböa). Unter seinen Schriften steht die Politik‘ mit obenan, und so erschöpfend war seine Auffassung vom Zweck des Staats und dem Leben im Staat, daß sein Wissen und die Kraft seines Denkens heute noch fortwirkt. Als Vorstudie der Politik hatte Aristoteles 158 wirkliche Staatsverfassungen in und außerhalb Griechenlands gesammelt und ihr Wesen und ihre Geschichte unter— sucht. Dieses wegen seines historischen Inhalts wahrscheinlich unschätzbare Werk war verloren gegangen und verschollen, bis auf zahlreiche Citate, die ihm andere Schriftsteller des Alterthums ent nommen hatten. Jetzt nun ist ein Theil dieses Sammelwerks, und zwar der wichtigste, die Verfassung von Athen, wieder aufgefunden und der wissenschaftlichen Welt zugänglich gemacht worden.

Der Fund entstammt dem Boden Egpyptens, der schon manches Stück alter Papyrushandschriften geliefert hat und wo freilich auch die Fälschung gediehen ist. Indessen scheint der Gedanke an eine Fälschung gegenüber dem Aristotelischen Funde ganz aus—˖ geschlossen zu sein. Auf der Rückseite von vier Papyrus rollen, die auf der Vorderseite das Wirthschaftsbuch eines egyptischen Hausverwalters, datitt aus dem 11. Jahre des Kaisers Vespasian (— 79 nach Chr.) bilden. haben die Be amten des Britischen Museums den Text des Aristoteles entdeckt, welcher nun seit einigen Tagen, herausgegeben von dem Assistenten an der genannten Anstalt, F. G. Kenvon, im Buchhandel zu haben ist. Zwar ist der Anfang verloren und der Schluß verstümmelt, aber das Üebrige bildet immer noch ein stattliches Buch von 53 Kapiteln. An der Echtheit kann kein Zweifel sein, da von den 91 Citaten, die uns erhalten waren, 78 in dem neuen Buche sich vorfinden und die übrigen sich nachweislich auf den verlorenen Anfang oder Schluß beziehen oder auf Irrthum beruhen. . -

Für die Philologen und namentlich die Historiker giebt es da Neues zu thun. Nach einer Inhaltsangabe der „Köln. Ztg.“ tritt namentlich die Zeit von Solon aus dem unbestimmten Dunkel der Sage in das helle Licht der Geschichte, denn die schriftliche Ueber lieferung der Archonten (attischen Jahres beamten) gebt, wie sich hier zum ersten Mal klar zeigt, bis hinauf zu Drakon (etwa 620 vor Chr). Bekanntlich gilt Solon als Schöpfer der athenischen Verfassung. Theseus war es, so lautete die Ueberlieferung, der die Bauerndörfer der attischen Ebene vereinigte zu dem politischen Mittelpunkt, Athen. Solon, so glaubte man, schuf nun aus diesem losen Gemeindeverbande das für alle Zeit bestehende Bild des athenischen Staats, indem er die ganze Bevölkerung in ein politisches System brachte, vier Klassen sonderte, Beamte gab u. s. w. Sein Name ist für alle spätern Athener mit dem göttlichen Rimbus des Staats schöpfers umgeben, nicht minder wie ein Romulus. Drakon galt bisher als Verfasser strenger Gesetze; mit Blut seien sie geschrieben, sagte man; das ist Alles, was man von ihm wußte. Anders Aristoteles: nicht die bürgerliche, sondern die politische Gesetzgebung des Drakon tritt jetzt in den Vordergrund. Die Grundlage derselben ist diese. Nur wer sich selbst wappnen kann, ist Bürger; an der Spitze bleiben die neun Archonten; die Bürgerschaft ist vertreten durch einen Ausschuß von 401 über 30 Jahre alten Bürgern, außer⸗ dem eingetheilt in vier Besitzklassen. Bis in die Einzelheiten schildert

berren für eine versäumte Sitzung zahlen mußten, werden angeführt. Aber einen Febler hatte die Verfassung und das machte sie für die Folge unmöglich —: die sozialen Grundlagen waren übel gelegt. Schon zu Drakon's Zeit war der Gegensatz zwischen Großgrund⸗ besitzern und Kleinbürgern vorhanden, mit dem Leibe haftete der ver⸗ schuldete Bauer dem Gutsherrn.

Mit der richtigen Würdigung des Drakon ändert sich auch das Bild, das wir von Solon erhalten. Er fand die Verfassung des Drakon vor, änderte die Gesetze, behielt aber die Grundzüge der Ver⸗ fassung bei, nämlich den Rath und die Phylen⸗Eintheilung. Neu schuf Solon drei Dinge. Das erste ist die Lösung der sozialen Frage durch Mil⸗ derung der Schuldgesetze (Einführung einer neuen Währung) und Auf⸗ hebung der Schuldknechtschaft; zweitens setzte er durch, daß jeder Bürger die Schädigung des Mitbürgers wie die eigene verfolgen darf; drittens die Berufung vom Magzistratsgericht an das Bürgergericht. Aristoteles sucht diesen Dichterstaatsmann besonders von der menschlichen Seite aufzufassen und theilt deshalb größere Stücke aus seinen politischen Gedichten mit, die uns auch theilweise neu sind. (

Auch in manch anderer Beziehung wird die Geschichtslehre durch Aristoteles berichtigt, so z. B. in Bezug auf Themistokles. Ferner . wir ein genaues Bild der städtischen Verwaltung von

then ꝛe. ꝛc.

Die diesjährige Landesversammlung der Inter nationalen kriminalistischen Vereinigung findet am 24. und 25. März in Halle a. S., die dritte Jahresversammlung der Internationalen kriminalistischen Vereinigung vom 25. bis 27. August in Christiania statt.

Die Tagesordnung der letzteren umfaßt die folgenden Fragen:

1) Unter welchen Voraussetzungen und in welchen Fällen empfiehlt sich die Verwendung der Geldstrafe in der Strafgesetzgebung? Lassen sich bestimmte Grundsätze für die Bemessung der Geldstrafe im Einzel falle aufstellen? Ist es insbesondere möglich und zweck mäßig, die Höhe der Geldstrafe den Vermögensverbältnissen des Ver⸗ urthellten anzupassen? Könnte man sie etwa nach dem jährlichen Einkommen oder nach dem Steuersatze des Verurtheilten oder nach der Höhe seines täglichen Arbeitslohnes bemessen? Auf welche Weise kann die Zahlung der Geldstrafe möglichst gesichert, der Prozentsatz der uneinbringlichen Geldstrafen möglichst vermindert werden? Empfiehlt es sich, an Stelle der uneinbringlichen Geldstrafe Zwangs⸗ arbeit ohne Einsperrung treten zu lassen? Soll der Grundsatz der bedingten Verurtheilung auch auf Geldstrafen Anwendung finden?

27) Soll die Strafgesetzgebung mehr als bisher den Interessen des durch die strafbare Handlung Verletzten Rechnung tragen? Und in welcher Weise kann sie dies thun? Soll nicht insbesondere in bestimmten Fällen dem öffentlichen Ankläger die Be fugniß eingeräumt werden, von Amtswegen, auch wenn der Verletzte nicht als Nebenkläger auftritt, die Verurtheilung des Angeklagten zur Leistung des Schadenersatzes zu beantragen? Wäre es nicht möglich und zweckmäßig, in bestimmten Fällen einen Theil des Arbeits überverdienstes des Verurtheilten zur Schadloshaltung des Verletzten zu verwenden?

3) Kann durch die Erfahrung die Art derjenigen strafbaren Hand—⸗ lungen festgestellt werden, welche die sogenannten Unverbesser⸗ lichen‘ zumeist zu begehen pflegen? Besteht erfahrungsgemäß im Hinblick auf diese Gruppe von Verbrechern der Rückfall in der wieder⸗ bolten Begehung derselben oder verschiedenartiger strafbarer Hand⸗ lungen? Welche gesetzlichen Bestimmungen, und welche Gestaltung des Strafvollzuges sind dieser Gruppe von Verbrechern gegenüber zur Anwendung zu bringen? .

Prof. Ernst Herter hat, wie die N. A. 3.“ meldet, einen Entwurf für das projektirte Denkmal der hochsellgen Kaiserin Augusta fertig gestellt, der von Seiner Majestät dem Kaiser bei dem letzten Besuch in der Werkstatt des Künstlers eingehend besichtist wurde und des Herrschers volle Zustimmung, hatte. Den Mittelpunkt des Denkmals bildet ein schlichter viersckiger Granitsockel, welcher neben dem bedeutsamen, von Lorbeer gejweig umkränzten rothen Kreuz die Inschrift trägt: ‚Augusta“ Mutter der Nothleidenden'. Die Büste der Kaiserin krönt das Posta⸗ ment, ihr Haupt ist mit dem Diadem geschmückt und von dem auf der Brust geknüpften Schleiertuch umZrahmt. Zur Rechten sieht man eine Diakonissin, welche den Blick des neben ihr lehnenden Kindes auf das Bild der milden Wohlthäterin hinweist; zur Linken erzählt ein inva⸗ lider Soldat einem borchenden Knaben von den Verdiensten der Kaiserlichen Krankenpflegerin, die Hand des Kindes schmückt das Denkmal mit dem Kranz der Dantharkeit. Schlicht und Jedermann verständlich ist die Sprache dieser Gruppen; das große Verdienst, welches sich die hohe Frau erworben, wird schwerlich in einer volksthümlichen edleren Art gewürdigt werden können, als es hier geschehen ist. Ob das Denk⸗ mals Comits Professor Herter's Entwurf zur Ausführung erwählt und welchen Standort das Denkmal in der Reichshauptstadt haben wird, darüber ist dis jetzt noch nichts bestimmt worden; es stebt jedoch zu erwarten, daß die Berathungen der nächsten Zeit eine Entschei⸗ dung bringen werden.

Das Zustandekommen des Mars -la⸗-Tour⸗Denkmals in der alten Kaiserstadt Quedlinburg ist nunmehr gesichert. Dank der regen Betheiligung der Bürgerschaft und zahlreicher Patrioten besonders ehemaliger Kavalleristen im ganzen deutschen Vaterlande sind in nur fünf Monaten 40 700 Sn etwa Zweidrittel der Gesammtkosten gesammelt worden. Der namentlich durch seinen Sieg in der Konkurrenz um das Kölner Kaiser— Wilhelm Denkmal rühmlickst bekannte Bildhauer Anders zu

Berlin, ein geborener Quedlinburger, hat soeben, durch das Denkmal Comité (vertreten durch den Ober⸗Bürgermeister Dr. Brecht) angeregt, in Quedlinburg einen vorläufigen Ent- wurf zum Denkmal aufgestellt. Es stellt einen im sturmischen Galopp vorsprengenden 7. Kürassier dar, der zum wuch⸗ tigen Hiebe ausholend, sich nach rechts aus dem Sattel beugt. Damit wird eine der glorreichsten Episoden des letzten Krieges in künstlerischer Verherrlichung der Nachwelt überliefert und der deutschen Kavallerie ein stoljes Ehrenmal errichtet werden. Man hofft bei entsprechender weiterer Unterstützung im Jahre 1892 das Denkmal einweihen zu können.

Am T. d. M ist der Maodb. Ztg. zufolge in Wien Pro⸗ fessor Franz von Miklosich, Mitglied der Königlichen Atademie der Wissenschaften, eines der vier auswärtigen ordentlichen Mitglieder ihrer philosophisch⸗historischen Klasse und Ritter der Friedensklasse des Ordens pour le mérite für Wissen schaft und Kunst verstorben. Er war der hervorragendste Forscher der Gegenwart auf dem Gebiete der slawischen Sprachen und Literaturen und hat deren Kenntniß durch eine große Zahl von Schriften und Abhandlungen gefördert. Sein Hauptwerk ist seine in vier Bänden 1852 1874 erschienene ‚Ver⸗ gleichende Grammatik der slawischen Sprachen“. Im Jahre 1886 Jab er ein. Etymologisches Wörterbuch der slawischen Sprachen“ als Frucht mehr als vierzigjähriger Studien heraus. Von seinen kleinen Schriften behandeln mehrere die altslowenische Sprache und Literatur, andere das Bulgarische, Rumänische, Kroatische, Albanische. In weiteren Kreisen sind bekannt geworden seine Schriften „Ueber die Mundarten und Wendungen der Zigeuner Europas“, Die Blutrache bei den Slawen“. Miklosich war am 29. November 1513 in dem slowenischen Theile Steiermarks geboren. Er studirte die Rechte, übernahm aber 1844 das Amt eines Scriptors bei der Hof⸗ Bibliothek in Wien. Im Jahre 1849 wurde er außerordentlicher und schon 1850 ordentlicher Professor füär slawische Sprachen an der Wiener Universität. Seit 1866 war er Sekretär der philosophisch⸗ historischen Klasse der Akademie der Wissenschaften in Wien. Im Jahre 1883 mußte er nach Vollendung seines 79. Lebens⸗ jahres vom Katheder abtreten, bis in die jüngste Zeit aber war er noch schriftstellerisch thätig. Miklosich ist auch als Politiker aufgetrꝛten: im Jahre 1848 wählten ihn seine steirischen Landsleute in den konstituirenden Reichstag, und seit 1862 gehörte er dem Herrenhause an, wo er stets mit den verfassungstreuen Deutschen stimmte und trotz seiner slawi schen Herkunft die Nothwendigkeit

Aristoteles diese Verfassung, selbst die Strafgelder, welche die Rathe⸗

Desterreich seinen Charakter als deutschen Staat zu erhalten, betonte.

Zweite Beilage

zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Stagts⸗Anzeiger.

M G2.

Rekursentscheidungen des Reichs⸗Versicherungsamts.

(942.) Ein landwirtbschaftlicher Unternehmer hatte die durch den laufenden Betrieb nöthig gewordene Ausbesserung des Ziegeldaches einer Scheune unter Lieferung der erforderlichen Materialien einem Dachdecker übertragen, ohne über die Vergütung eine ausdrückliche Abrede zu treffen, da zu erwarten war, daß der Dachdecker, wie in der Gegend üblich, für jedes auf die Arbeit verwendete Tagewerk nach Fertigstellung derselben drei Mark in Rechnung stellen werde. Bei Ausführung der Reparatur durch den Dachdecker und seinen von ihm hinzugezogenen Sohn erlitt der Eecstere einen tödtlichen Unfall. Das Reichs ⸗Versicherungsamt hat den von den Hinterbliebenen gegen die landwirthschaftliche Berufsgenossenschaft erbobenen Ent- schädigungeanspruch durch Rekursentscheidung vom 16. Dezember 1890 zurückgewiesen und die zuständige Baugewerks⸗Berufsgenoffenschaft auf Grund des Absagtzes 2 des 5 2 des Bauunfallversicherungsgesetzes für entschädigungepflichtig erachtet, indem es annahm, daß dem Geiödteten die Arbeit als Unternehmer übertragen gewesen, mithin der Absatz 4 des 5. 1 a. a. O. zu Uagunsten der beklagten landwirthschaftlichen Berufsgenossenschaft nicht anwendbar sei. Entscheidend war die That⸗ sache, daß der Dachdecker sein Handwerk im Uebrigen selbständig als Unternehmer ausübte und nach seiner ganzen Lebensstellung in der Haupt- sache Baugewerbetreibender, nicht aber Atbeitsmann war. Dem gegenüber war die Frage, ob er in den landwirthschaftlichen Betrieb des Auftrag gebers als Arbeiter eingetreten sei, zu verneinen, da im gegebenen Falle die Arbeit eine besondere Kenntniß des Dachdeckerhandwerks erforderte und unter Heranziehung weiterer Arbeitskräfte nach dem Ermessen des Handwerks meisters ausgeführt wurde. Darauf, daß die Arbeits . vergütung nach der Zabl der aufgewendeten Tagewerke berechnet worden sein würde, kommt es nicht an; denn notorisch wird diese Art der Preisberechnung vielfach, ins besondere bei kleineren Unternehmern, nur zum Zwecke der Spezifikation der Gesammtsumme geübt und hat nicht die Bedeu/ ug eines unmittelbaren Tagelohnverbältnisses zwischen den bei der Arbeit beschäftigten Personen und dem Auftraggeber. (Zu ver⸗ Cee g en 701, „Amtliche Nachrichten des R. V. A.‘ 1889

eite .

9643.) Durch Rekursentscheidung vom 18. Dejember 1890 bat das Reichs ⸗Versicherungsamt unter Billigung des in dem Bescheide Fol (Amtliche Nachrichten des R. V.. A. 1889 Seite 194) ausgesprochenen Grundsatzes eine Repargturarbeit an dem Strohdach einer Scheune in folgenden Falle für landwirthschaftlich versichert, weil unter 5§. 1 Absatz 4 des Bauunfallversicherungsgesetzes fallend, erachtet: ‚Die mit der Vornahme der Reparaturarbeit von dem Gutsherrn beauftragte Person war im Wesentlichen landwirthschaftlicher Tagelobnarbetter. Mit dem Repariren und Decken von Strohdäckern auf dem Lande verschafft er sich einen Nebenverdienst und fährt diese Arbeiten theils im Tagelohn, aber auch und so im vorliegenden Falle in Akkord aus. Das erforderliche Material liefern die Gebäudebesitzer, ebenso wie sie auch die Handlanger und Hülfskräfte stellen. Auch wenn er Arbeiten in Akkord ausführt, stellt sich sein Tages verdienst demjenigen eines landwirthschaftlichen Arbeiters ziemlich gleich; ein Unternehmer gewinn wird von ihm nicht erzielt. Er ist weder Mitglied der zuständigen Baugewerks ⸗Berufggenossenschaft, noch auch bei der Versicherungsanstalt dersel ben für seine Person versichert. Der ganzen Stellung wirthschaft⸗ licher Abhängigkeit, die er hiernach vermöge seiner Hauptbeschäftigung als landwirthschaftlicher Tagelöhner einnimmt, ebenso wie der Art der Arbeiten, welche gewerbliche oder handwerksmäßige Kenntnisse zumeist nicht erfordern, und zu denen die Gebäudebesitzer das Material liefern und die Handlanger stellen, entspricht es nicht, ihm für die Zeit, in der er die Dachdeckerarbeiten ausführt, Sie wirthschaftliche Selbst⸗ ständigkeit eines Gewerbetreibenden und „Unternehmers“ der Arbeiten dem einzelnen Gebãudebesitzer gegenüber beizulegen. Er ist vielmehr Arbeiter der Gebäudebesitzer und daher zusammen mit den Leuten, welche ihm bei den Arbeiten behülflich sind, nach 5. 1 Absatz 4 des Bauunfallversicherungsgesetzes bei der zuständigen landwirthschaftlichen Berufs genossenschaft versicͤhert, und zwar auch dann, wenn er einen Akkordlohn für sich bezieht. So wenig er Unternehmer wird, wenn er rein landwirthschaftliche Arbeiten, z. B. das Ab mähen der Felder, heute bei diesem und morgen hei jenem Landwirth in Afkord ausführt, so wenig kann dies unter den bezeichneten Verhältnissen für die Stroh dachreparaturarbeiten angenommen werden. (Zu vergleichen auch der Be⸗ scheid 876 und die Rekursentscheidung 866, „Amtliche Nachrichten des R. V. A.“ 1890 Seite 500 und 497.)

Nr. 4 des Archips für Post und Telegraphie (Beiheft zum „Amtsblatt des Reichs⸗Postamts*, herausgegeben im Auftrage des Reichs Postamts), Berlin. Februar, Jahrgang 1851, hat folgenden Inhalt; J. Aktenstücke und Aufsätze: Das öffentliche Fernsprechwesen in Eagland. Geschichte der dänischen Post bis zum Jahre 1711. Der Post⸗Päckereiverkehr im deutschen Reichs⸗Postgeblet während der Weihnachtszeit 1399. Das Signalwesen in den Vereinigten Staaten von Amerika. II. Kleine Mittheilungen: Verstaatlichung der Telegraphie in den Vereinigten Staaten von Amerika. Die internationale elektrotechnische Ausstellung in Frankfurt (Main). Die allgemeinen Fernsprecheinrichtungen im Dienst des Eisenbahn— Güterverkehrs. Das unterseeische Telegraphennetz. Vorschriften über die Herstellung elektrischer Anlagen in den spanischen Kolonien. Fernsprechverbindung zwischen fahrenden Eisesbahn;ügen. Bau einer Eisenbahn von Bagamoyo nach Dar⸗es⸗Salaam. Trans⸗ continentale Eisenbahnbrücke in Konstantinopel. III. Literatur des Verkehrswesens: Die völkerrechtlichen Verträge des Kaisertbums Japan in wirthschaftlicher, rechtlicher und politischer Bedeutung. Dargestellt von JYorikadzu von Matsudagira. Stuttgart, Leipzig, Berlin, Wien. Deutsche Verlags ⸗Anstalt 1890. 527 S. 80. tr. 10 der Veröffentlichungen des Katiserlichen Ge—⸗ sundheittzamts vom 106. März 1891 hat folgenden Inhalt: Ge— sundbeitsstand. Volkskrankheiten in der Berichtswoche. Volkg— krankheiten und Sterbefälle im Januar. Sterbefälle in deutschen

täten mit 40 000 und mehr Einwohnern. Desgl. in größeren Städten des Auslandes. Erkrankungen in Berliner Krankenhäusern. Desgl. in deutschen Stadt« und Landbezirken. Statistische Mittheilungen aus Breslau 1886,88. Verwaltungsbericht des Sanitäts⸗ Departements des Kantons Basel⸗Stadt 1889. Witterung. Grundwasserstand und Bodenwärme in Berlin und München, Januar. Zeitweilige Maßregeln gegen Volkskrankheiten. Thierseuchen in Jralien, 29. September bis 28 Dezember 1890. Veterinär polizeiliche Maßregeln. Mediinal⸗Gesetzgebung u. s. w. (Deutsches Reich Aerztliche, zabn⸗ thierärztliche und Apotheker⸗ Prüfungen. (Preußen.) Finniges Fleisch. (Baden.) Diphtherie und Scharlach. , , ,. Ausfährungs bestimmungen. (Frankreich Weinfabrikation und Ausführungsbestimmungen. (China. Hongkong.) Schutzrockenimpfung. Rechtsprechung. (Landgericht Koblenz) Herftellung von Wein aus Trestern und Wasser unter Beimischung von Zucker, Rosinen ꝛc. und Verkauf als Roth— wein 2c. Verhandlungen von gesetzgebenden Körperschaften. (Ver einigte Staaten von Amerika.) Schmalzbill. Vermischtes. (Oester⸗ reich Untersuchungsanstalt für Nahrunge⸗ und Genußmittel des allg. Apothekervereintz 2. 1889,90. Italien.) Staatliche Impfstoff⸗ gewinnungtzanstalt 1890, 1. Halbjahr (Schweiz.) Medizinal⸗ personal 1890. Sterbefälle in deutschen Orten mit 15 000 und

Berlin, Donnerstag, den 12. März

mehr Einwohnern, Januar. Desgl. in größeren Orten des Auslandes.

Statiftik und Volkswirthschaft.

. Der deut schen Volksbaugesellschaft,

die es sich zur Aufgabe macht, den besitz und kapitallosen Klassen ein eigenes Heim zu verschaffen und zwar durch eine eigenartige Kombination mit der Lebensversicherung gehören bereits mehr als 8000 Mitglieder an, und zwar aus allen Theilen Deutschlands, besonders auch Süddeutschlands.

Berliner Handwerker Verein.

ck. Aus dem Jahresbericht des Berliner Handwerker—⸗ Vereins über das Verwaltungsjahr 1889,90 ersehen wir, daß gelegentlich des vorjährigen Stiftungsfestes dem Verein von einem immerwährenden Mitzliede 20900 M mit der Bestimmung überwiesen wurden, diesen Betrag zur Gründung einer Stiftung für die Waisen der Vereinsmitglieder zu verwenden. Dem Wunsche des Gebers ge— mãß erhielt diese Stiftung die Benennung Kaiser Friedrich -Hülfs⸗ Fonds für Waisen?. In dankbarer Erinnerung an den Besuch, durch welchen der hochselige Kaiser Friedrich als Kronprinz den Verein ausgezeichnet, hat dieser eine Gedenk— tafel gestiftet, zu welcher ein Vereinsfreund das Bild, des verstor⸗ benen Monarchen in einem vergoldeten, mit der Kaiserkrone ge— schmückten Rahmen schenkte. Die Gedenktafel enthält außer dem Datum des Besuchs 1. April 1882 die Worte des hohen Ver blichenen, die derselbe gelegentlich seiner Anwesenbeit in Bremen an den dortigen Bürgermeister Gildemeister richtete: Die Gemein— samkeit der gewerblichen Interessen zu betonen, das ist die Aufgabe Aller, denen der Wohlstand und die Gesittung der Völker am Herzen liegt. Die Gesammt Mitgliederzahl des Handwerkervereins ist zwar gegen das Vorjahr ein wenig zurückgeblieben, jedoch ist die durchschnittliche monatliche Mitgliederzahl auf 1149 gegen 1098 im Vorjahre gestiegen.

Zur Arbeiterbewegung.

Der Rh. Westf. Ztg.“ wird aus Silschede unter dem 10. d. M. geschrieben, daß die ausste henden Arbeiter von Zeche, Ver. Trapper ihre Forderungen abermals ermäßigen wollen. Statt der 190 Lohnerhöhung, welche, wie auch die anderen Forderungen, unberücksichtigt blieb, soll nunmehr eine Erhöhung des Lohnes um bo zur Wiederaufnahme der Arbeit genügen. Von den strikenden Arbeitern haben übrigens bereits einige fünfzig die Arbeit wieder auf— genommen.

Aus Schlesien wird demselben Blatte über die Berg— arbeiterbewegung im Waldenburger Revier berichtet: In, den letzten drei Jahren sind im Waldenburger Berg— revier eine große Anzahl Knappenvereine entstanden, sodaß gegen⸗ wärtig fast jeder von Bergleuten bewohnte Ort einen Knappenverein besitzt. Neuerdings wurden auch im Kreise Reurode folche Vereine gegründet und bestehen in beiden Kreisen gegenwärtig gegen vierzig Knappen vereine. Die Vexeinethätigkeit der Knappenvereine besteht in der Abhaltung von Monatsversammlungen, in denen Vorträge aus dem Berufsgebiet und belehrenden Inhalts das Interesse für den Beruf wach halten sollen. Das Gefühl der Zusammengehörigkeit der Berg- leute soll belebt und durch Veranstaltung von Vergnügungen die Ge— selligkeit gepflegt werden. Durch gemeinsames Vorgehen in Abschlüssen mit Lieferanten wird der billigere Einkauf von Nahrungsmitteln zu er— reichen gesucht. Durch Beschlüsse und Eingaben an die Vorftände resp. Verwaltungen suchen die Knappenvereine Ucbelstände in Bezug auf das Krankenkassenwesen, die ärztliche Behandlung, Medizinlieferung, die Sterbe⸗ und Begräbnißkassen zu heben. Diefen statutengemäßen Ver⸗ handlungen der Knappenvereins⸗Versammlungen stehen in neuerer Zeit die Verhandlungen und Ergebnisse der offentlichen Bergarbeiter⸗ versammlungen schroff gegenüber. Die Leiter und Redner in den offentlichen Bergarbeiter versammlungen sind die Bergleute Hermann, Reichelt und Franz. In denselben wurde zunächst die Bildung eines Niederschlesischen Bergarbeiter Verbandes“ angestrebt. Da sich jedoch dieser Neubildung allerlei Hindernisse entgegenstellten, so ist in der Delegirtensitzung zu Weißst ein beschlossen worden, von der Bildung dieses Verbandes abzusehen, dagegen den Beitritt zum, Deutschen Bergarbeiter ⸗Verbande anzuempfehlen. Letzten Sonntag fandenöffentliche Bergarbeiterversammlungen statt in Waldenburg, Sber⸗Waldenburg, Weißstein, Seiten dorf. Ueberall stand auf der Tagesordnung: Ein— tritt in den deutschen Bergarbeiter Verband! Besonders bemerkens« werth ist, daß die Mitglieder der meisten Knappenvereine zugleich Besucher und Anhänger der Bergarbeiterversammlungen sind.

J Wie die Leiter des Ausstandes in Erfurt, so hakte sich auch der Verein der Tabackarbeiter zu Altona von den durch ihn Unterstützten für die Darlehne in Uebereinstimmung mit den Statuten Wechsel ausstellen lassen. In einem einzelnen Fall hat der Verein durch einen Vertreter gegen einen Darlehnsnehmer die Wechsel— klage erhoben, nachdem diefer den von den Altonaer Tabackfabrikanten geforderten Revers unterschrieben hatte und aus dem Verein der Tabackarbeiter ausgeschieden war. Der Kläger ist durch Urtheil des Altonaer Gerichts unter der Begründung abgewiesen worden, daß das Gericht in dem Austritt aus dem Verein nach vorgängiger Vollziehung des be— kannten Reverses eine Pflichtversäumniß des Verklagten dem Verein gegenüber nicht hat erkennen können. Der Austritt aus dem Verein steht selbstverständlich jedem Mitgliede zu, was auch der 5.7 des Sta— tuts voraussetzt; aus welchen Gründen der Austritt erfolgt ist, bleibt unwesentlich. Die entgegengesetzte Auffassung würde zu der exor— bitanten Konseqaenz führen, daß der Verein von jedem Mitgliede, welches während des Strikes oder während eines Jahres nach Be— fr igeng desselben austrat, die gewährte Unterstützung zurückverlangen önnte.

Hier in Berlin tagte am letzten Sonntag eine Konferenz der Bauhandwerker, welche, wie wir dem „Votwaͤris ent⸗ nehmen, u. A,. folgende Beschlüsse faßte: In Bezug auf die Agitation soll, da die Bauarbeiter in Berlin unter dem Zuzug aus den weniger organisirten Provinzen leiden, mit allen für Berlin ver⸗ fügbar zu machenden Mitteln eine Agitation eingeleitet werden, die sich auf die Orte und Provinzen erftreckt, aus welchen besonders der Zuzug nach Berlin kommt. Strikes in diesen Orten zur Verbesserung der dortigen Lohnverhältnisse sollen von den Berlinec Bauarbeitern in erster Linie nach Kräften unterstützt werden. Zunächst sollen die Ausstände in solchen Orten unterstützt werden, welche die niedrigsten Arbeitsbedingungen haben; die Berliner Bau- arbeiter erklären sich mit allen deutschen Arbeitern solidarisch und werden alle Ausstände wie bisher nach Kräften unterstützen, so lange und soweit die Nothwendigkeit erwiesen ist und die Mittel ausreichen. Das Sammeln auf Listen zum Zweck der Strikeunter⸗ stüßung ist un tatthaft. Jede Gewertschaft hat das Strike Marken system einzuführen und sind hieraus die erforderlichen Unterstützungen zu bewilligen. Es ist mit allen Kräften eine Einigung und ein Ein— verständniß unter allen Berliner Bauarbeitern anzubahnem, damit dieselben befähigt werden, ihnen allen gemeinsame Angelegenheiten mit dem größten Nachdruck zu vertreten.

Als solche gemeinsame Angelegenheiten gelten: a. Regelung des Ar—

1891.

beits nach weises durch Errichtung einer Arbeitsbörse aus städti—⸗ schen Mitteln; b. Abschaffung gesundheitsschädlicher Arbeitsarten; e, Regelung von Lohn und Arbeitszeit auf städtischen Bauten. Einführung des Regiebaues statt des Unternehmerbaues bel allen Arbeiten, die diese. Einrichtung irgend zulaffen; Annahme und Auslöhnung der in Tagelohn beschäftigten Bauarbeiter bei stãdtischen und staatlichen Bauten durch die Bauverwaltung selbst, nicht durch Zwischenbau⸗Unternehmer; d. - Beseitigung der Akkordarbeit in jeder Form und in allen Gewerben; e. gegenseitige Unterstützung der Bauarbeiter in Kämpfen für Abkürzung der Arbeitszeit und Er böhung des Lohnes. Als zu ersttebende Arbeitszeit für alle Bauarbeiter wird vorläufig die neunstündige Arbeitszeit festgehalten. Die Lohnforderung und die weitere Verkürzung der Arbeits⸗ zit wird den einzelnen Gewerkschaften festzustellen überlassen. Zur Ausführung dieses Beschlusses wird ein Äusführungsausschuß, Aus sieben Personen bestehend, eingesetz. Der Ausfchuß ist berechtigt: 1) öffentliche Versammlungen sämmtlicher Bauhandwerker oder einzelner Gruppen von Bauhandwerkern zu berufen; 2) die Einberufung von Versammlungen der einzelnen Gewerkschaften zu veranlassen; 3) Sammlungen von Geldern in geeigneter Form ju veranstalten; 4) über die so gesammelten Gelder zu verfügen zu den Zwecken, für die er eingesetzt ist. Wenn eine Gruppe Bauhandwerker Berlins in einen Ausstand ein treten will, so hat sie diese Absicht dem Ausführungs- ausschuß anzuzeigen. Derselbe hat seinen Rath zu ertheilen, nöthigenfalls eine öffentliche Versammlung in der Sache zu berufen und, wenn der Ausstand gebilligt wird, Alles zu thun, was in seinen Krästen steht, um das Gelingen des Ausstandes zu erreichen. Er ist zur Einleitung schiedsrichterlicher Vergleichs verhandlungen berechtigt und ,,. bercch 8

us Graz berichtet die Berliner ‚Volksztg., daß sämmtliche

Arbeiter der Schuhfabrik von Polkack gta ge 1 Graz . Arbeit eingestellt haben; sie fordern eine Lohnerhöhung um 15 25 Prozent.

Aus London wird telegraphisch gemeldet, der General⸗Sekretär des Seemanns“ und Heizervereins Wilson habe ein ver— trauliches Schreiben an die Sekretäre der Zweigvereine gesandt, in welchem er den Mitgliedern erlaubt, die Bundeskarte an— zunehmen. Dieser Meldung entspricht es, wenn die Londoner Allg. Corr. berichtet: Ein Zweigverein des Seemanns⸗ und Heizer⸗ verbandes nach dem anderen beugt sich dem Rhederbunde. Die Zweigvereine von Nord- Shields wie Süd⸗Shields haben . beschlossen, daß ihre Mitglieder die Bundeskarte unterzeichnen ürfen.

; Der .‚Voss. Ztg.“ wird aus Paris über den Kongreß fran zösischer Bergleute in Commentry (Vgl. Rr. 59 d. Bl. Telegramm nach Schluß der Redaktion“) geschrieben: In der Ver sammlung waren die verschiedenen Grubenbezirke Frankreicht, wenn auch ungleichmäßig, und. der Pariser „Hauptumsturzausschuß“ vertreten, auch nahmen einige Abgeordnete, darunter der durch seine blaue Blouse zu Ruf und Ansehen gelangte Thiprier, an ihr Theil. Die Bergleute beschlossen, einen allgemeinen Verband ihrer Beruftangehorigen in Frankreich zu bilden und zu den bestehen den oder zu gründenden ähnlichen Verbänden in anderen Ländern in Beziehung zu treten. Sie sprachen sich für die Feier des 1. Mai und für einen Weltausstand der Bergleute aus. Sie be⸗— schicken den Arbeiterkongreß, der am 31. d. M. in Paris zusammen— treten soll. Sie verlangen den Arbeitstag von acht Stunden, in welche auch die An- und Auffahrt und eine einstündige Ruhezeit für das Mittagessen begriffen sein sollen, und einen Pflichtruhetag nach sechs Werttagen. Bie Stückarbeit soll abgeschafft, der gegenwärtig übliche Tagelohn sofort um mindestens 30 vom Hundert erhöht werden. Die Bergleute verlangen die Vereinigung aller Altersversorgungsgeld— laden, sodaß die Grubenarbeiter, im Genusse voller Freizügigkert, überall arbeiten können, ohne den Anspruch auf die Versorgung zu verlieren. Das Ruhegehalt soll nach 25 Jahren der Arbeit, ohne Rücksicht auf, das Alter, 3 Fr. täglich, auch an Sonn. und Feiertagen, betragen Ein Bergmann, der zuerst im Alter von 18 Jahren ange⸗ fahren ist, soll also mit 43 Jahren Rentner sein, was nicht ausschließt, daß er nebenhei noch weiter arbeiten darf, wenn es ihm Freude macht oder er sein Einkommen erhöhen will. Stirbt er, so soll seine Wittwe bis an ihr Lebensende seine Rente von drei Franken täglich weiter besiehen. Nach fünfzehnjähriger Arbeit soll er auf einen verhältniß—⸗ mäßigen Theil dieser Rente Anspruch haben. Ein Abzug am Tage— lohn für die Kranken- und Unterstuͤtzungs⸗Geldlade soll nicht mehr . letztere vielmehr von den Gꝛubenbesitzern allein genährt werden.

In Arras haben Blättermeldungen zufolge elfhundert Arbeiter in den Bergwerken von Bru ay die Arbeit niedergelegt.

Literatur.

Erziehung und Unterricht. Die Universitäten und technischen Hochschulen.“ Ihre geschichtliche Entwickelung und ihre Bedeutung in der Kultur, ihre gegenseitige Stellung und weitere Ausbildung. Von Egon Zöller, Landes⸗Bauinsp. ktor. Berlin 1891, Verlag von Wilhelm Ernst u. Sohn (Gropius'sche Buchhandlung) Bei aller Eigenheit und Selbständigkeit, welche neben den ehrwürdigen Gestalten der Universitäten deren jugendliche Genossen, die technischen Hochschulen, aufweisen, besteht doch zwischen diesen ein so lebendiger Zufammenhang, daß beide nur in diesem Zusammenhange, in ihrem gegenseitigen Verhältniß und ihrer gegenseitigen Stellung in unserer Kultur recht verstanden werden können. Das vorliegende Werk hat sich nun die Aufgabe gestellt, ein tieferes Verständniß für beide Hochschulen zu gewinnen und schlägt zur Lösung dieser Aufgabe folgenden Weg ein. Eingangs bietet es ein Bild der Entwickelung beider Wissenschaftsstätten auf bistorischem Boden, wobei bezüglich der Universitäten neben den älteren Werken von v. Savigny und Karl v. Raumer die Arbeiten von Paulsen, Specht, Denifles und Kaufmann reiches Material liefern, während hinsichtlich der technischen Hochschulen, deren Geschichte noch un geschrieben, zahlreiche Festschristen die nöthige Ausbeute gewähren. Auf, dieser Grundlage untersucht der zweite Theil der Arbeit zunächst die Bedeutung der Wissenschaften als Maßstab für die Be— deutung der Hochschulen in ihrer Gesammtheit. Demnächst wendet sich der dritte Theil dazu, die Bedeutung und die Stellung jeder Hoch⸗ schule, der Universität wie der technischen Hochschule, in unserer Kultur zu untersuchen, stellt als höchstes Gebiet der von den Universitäten ge=

pflegten humanen Wissenschaften den Menschen, als das freilich

niedrigere, doch größere Gebiet der von den technischen Hochschulen gepflegten technischen Wissenschaften die Natur bin ö 6 zu dem Schlusse, daß beide Wissenschaftsstätten zwar von eigenarti em, doch gleich hohem Werthe und einander voll ebenbürtig seien. c Schluß wird bei der Planung des weiteren Ausbaues beider die Frage der Beibehaltung der Einzel · Akademien entschieden verneint und schließlich als beide verbindende gemeinsame Leistung das Ziel aufgestellt: Heran⸗ bildung geistig reifer und starker Krafte zur Lösung der großen, vor uns liegenden sozialen Aufgaben, vor Allem zur Verwirklichung eines . , z

- Schulreden“ von Dr. Konrad Niemeyer, Gymnasial-⸗ Direktor a. D. Kiel und Leipzig, Verlag von Lipsius u. 3 g. In zinem Zeitpunkt, da die Frage der rechten Jugendbildung die

Gemüther der Nation tief ergriffen, da von höchster Stelle Wink