1891 / 63 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 13 Mar 1891 18:00:01 GMT) scan diff

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der Meinung der Marineverwaltung vollzogen. Die Kreuzer ⸗Korvetten sollten früher je 5 Millionen kosten, jetzt aber schon 6 Millionen Mark. Man habe noch fünf Kreuzer ⸗Korvetten zu bauen; es handele sich aber um eine kostspielige Sache. Seine Partei werde dann die Frage der Kaper überhaupt nochmals erwägen. Dieser Ausgleich der Kommission sei in hohem Grade vortheilhaft für den Reichstag. Er liege nicht in dem von der Marine aufgestellten und 1889,30 acceptirten Schiffsbauprogramm; er empfehle die Annahme desselben.

Abg. Richter: Die Gründe, aus denen er zu einem ablehnenden Votum komme, seien wesentlich von ibm schon am Sonnabend dar⸗ gelegt worden. Bei der Werthschätzung der Kompensation komme nicht die Ziffer der Forderungen in Betracht, welche neu bewilligt und weiche gelöscht würden, sondern der Werth der gesammten Verbindlichkeit, die man eingehe, und jener Verbindlichkeit, die gelöscht werde. Mit der Bewilligung von zwei neuen Panzerfahrzeugen einschließlich Armi⸗ rung gehe man eine Verbindlichkeit von 10 Millionen ein. wahrend diese bei der Kreuzer⸗Korvette nur 73 Millionen Mark betrage. Der Ab⸗= strich der Kreuzer -Korvette sei keine Reduktion des letzten Flotten programms; denn der Bau der vier großen Panzerschiffe werde durch diefe Frage nicht berührt. Ob er im nächsten Jahre dazu kommen werde, diefe neuen Panzerfahrzeuge zu bewilligen, könne er nicht sagen, das hänge nicht bloß vom Nord ⸗Ostseekanal, sondern auch von der Bedeutung ab, die man Helgoland beimesse, worüber ja noch mili⸗ tärische Unterfuchungen schwebten. Möge das Modell fest beschlossen sein, jedenfalls seien gegenwärtig die Unterfuchungen über das Verhältniß von Panzer und Armirung noch nicht abgeschlossen. Allerdings sei durch die Löschung der Verbindlichkeit für eine Kreuzer Korvette für die Bewilligung dieser Kreuzer -Korvette im nächsten Jahre freie Hand gegeben. Es bleibe immer noch eine solche erste Rate für eine Kreuzer⸗-Korvette bestehen, deren Bau sofort in Angriff genommen werden könne. Dadurch werde die spätere parlamentarische Kritik erheblich erschwert. Was die Beschästigung der Arbeiter auf den Werften betreffe, so vermehre allerdings die Bewilligung dieser Panzer⸗ fahrzeuge die Nachfrage nach Arbeitern, aber die Löschung der Kreuzer ⸗Korvette vermindere andererseits die Nachfrage. Eine größere Beschränkung im Bau von Schiffen werde am Besten dazu beitragen, in die Arbeiten auf den Werften eine gewisse Stetig= keit zu bringen. Die Ablehnung aller ersten Raten für Panzerfabr— zeuge, wie sie die Kommission zuerst vorgeschlagen, habe eine Be— deutung gehabt, welche der jetzige Beschluß in seiner Beschrãnkung nicht habe. In dem ersten Beschluß würde man die Erklärung gesehen haben, daß es mit der Erweiterung der Marine, wie sie im vorigen Jahre eingeleitet worden sei, nicht weiter gehen solle. Die Regierung würde dadurch aufgefordert werden, das Tempo zu verlangsamen, und diese Aufforderung babe besonders nach der Rede des Staatssekretärs Hollmann nicht zweifelhaft sein können. Nun trete an die Stelle eines solchen generellen Beschlusses ein Tauschgeschäft über einzelne Schiffe. Er Redner) zweifle, daß dieser veränderte Kommissionsbeschluß denselben Eindruck hervorrufen werde, wie jene Beschlüsse. Er erkenne an, daß die jetzigen Beschlüsse jedenfalls die Gegensätze für den Augenblick ausglichen, aber die Lösung für die Zukunft werde umsomehr erschwert; deshalb stimme er gegen die Beschlüsse der Kommission. ;

Übg. Rickert: Er wolle nur dem Abg. Richter eine Bemerkung gegenüberstellen. Er sei der Ansicht und man könne ja darüber verschiedener Meinung sein —, daß die grundsätzliche Be— deutung der Beschlüsse der Kommission darin gelegen habe, daß man ein langsameres Tempo im Schiffsbau wünsche. Genau dieselbe grundsätzliche Bedeutung habe der Beschluß des Reichstages, wenn er den neueren Beschlässen der Kommission zustimme. Man sei damit auch nicht einen einzigen Schritt von jener Erklärung abge— wichen. Die Herren der anderen Parteien, die diesen Vergleich mit⸗ gemacht hätten, würden dieser Interpretation beitreten.

Darauf wird der Antrag der Budgetkommission an⸗ genommen. Die Anleihe und die Matrikularbeiträge werden entsprechend diesen Beschlüssen anderweitig berechnet.

Darauf wird das Anleihegesetz und, Etats gesetz ohne weitere Debatte genehmigt. Damit ist die zweite Lesung des Reichshaushalts⸗Etats erledigt.

Es folgt die zweite Berathung der Patentgesetznovelle.

Referent Ab Goldschmidt: Wenn der Entwurf nicht allen Wünschen der Industriekreise entspreche, müsse man doch anerkennen, daß derselbe wesentliche Verbesserungen gegenüber dem bisherigen Zustand mit sich bringe. Das Bedeutsamste sei die Ausgestaltung des mündlichen Verfahrens bei Ertheilung von Patenten, ein Wunsch, der allgemein gehegt werde. Auch die Organisation des Patent- amts sei wesentlich verbessert. Wenn es nicht möglich gewesen sei, den Begriff von Erfindung und Verfahren zu definiren, so habe das nicht am guten Willen der Kommission gelegen, dieser Begriff lasse sich gesetzlich nicht festlegen. Er bitte um Annahme der Kom missionsbeschlüsse.

Abg. Graf von Ballestrem: Einer Anregung folgend, die von vielen Seiten des Hauses an ihn ergangen sei, stelle er den An⸗ trag, in Anbetracht der höchst gründlichen Durchberathung dieses Gefetzentwurfs in der Kommission und in Anbetracht der Geschäfts⸗ lage des Hauses den Gesetzentwurf, wie er aus den Berathungen der Kommission hervorgegangen sei, en blos anzunehmen. (Leb bafter Beifall.) .

Abg. Dr. von Bennigsen: Er könne sich diesem Antrage um so mebr anschließen, als die wichtigsten Bestimmungen des Gesetz entwurfs in der Kommission mit großer Mehrheit angenommen worden seien. . .

Der Gesetzentwurf wird hierauf en blee angenommen.

Abg. Goldschmidt referirt dann über die Petitionen, welche zu diesem Gesetz in großer Zahl eingegangen und bei den einzelnen Punkten besprochen worden seien.

Ueber die Petitionen wird in dritter Lesung Beschluß gefaßt werden. 2 ; .

Der weitere Antrag der Kommission: „Die verbündeten Regierungen zu ersuchen, die Patentgebühren herabzusetzen, wenn die Einnahmen aus denselben die unmittelbaren und mittelbaren Ausgaben der Verwaltung dauernd und erheblich übersteigen“, wird zur Diskussion gestellt; es nimmt aber Niemand das Wort dazu. Die Abstimmung darüber wird ebenfalls in dritter Lesung erfolgen.

Damit ist die Tagesordnung erledigt.

Präsident von Levetzow: Unsere Landsleute in Bayern feiern beute den Tag, an welchem Se. Königliche Hoheit der Prinz⸗Regent don Bavern sein siebzigstes Lebensjahr vollendet, als ein Landes und Volkefest. Der Reichstag nimmt an dieser Feier selbstverständlich regen Antbeil und begt die besten Wünsche für das fernere Wohl Seiner Königlichen Hobeit des Prinz⸗Regenten, des treuen Bundes- genossen unseres Kaisers. Ich glaube, es wird den Gefühlen des Reichstages enisprecken, wenn ich in einem telegraphischen Glück— wan Seiner Königlichen Hobeit dem Prinz ⸗Regenten von Bayern die Thbeilnabme des Reicetages jum Ausdruck bringe (lebhafte Zu⸗ stimmung), und ich erkenne in dem Umstande, daß Sie sich von Ihren Plätzen erkoben baben, Ihre Zustimmung zu meinem Vor—

aben. (Erneute Zustimmung.)

Schluß R/ Uhr.

Haus der Abgeordneten. 55. Sitzung vom Donnerstag, 12. März 1891.

Der Sitzung wohnt der Finanz-Minister Dr. Miquel bei. Auf der Tagesordnung steht zunächst die Fortsetzung der zweiten Berathung des Gewerbesteuergesetzes.

In 5§. 81 wird die Gewerbesteuer kontingentirt: Ueber— steigt das Veranlagungssoll für 1893 den Betrag von 193811359 S6 um mehr als 5. Proz., so soll in dem Verhält⸗ niß des ganzen Mehrbetrages zu der genannten Summe eine Herhbsetzung des Prozentsatzes für Klasse J, als auch der Mittelsätze für die Klassen Il, III und T, sowie der höchsten und niedrigsten Steuersätze, letzterer mit Ausnahme der Klasse IV, stattfinden. Im Falle des . soll eine entsprechende Erhöhung erfolgen. Nach einem von der Kommission beschlossenen Zusatz soll die Erhöhung durch Königliche Verordnung außer Kraft gesetzt werden, sobald das Veranlagungssoll einschließlich der Betriebssteuer den Betrag von 19811 359 66 zuzüglich einer Steigerung von zwei Pro⸗ zent für jedes auf 1893,94 folgende Steuerjahr erreicht.

Abg. Dr. Bachem beantragt, den die Summe von 20 Mil— lionen Mark bezüglich 20, für jedes folgende Jahr überschreitenden Betrag zum Erlaß eines entsprechenden Betrages an Gewerbesteuer nach Monatsraten, zunächst für die Klasse IV bis zur Höhe von s Monatsraten, darüber hinaus zum gleichmäßigen Erlaß von Monatsraten aller übrigen Gewerbesteuerpflichtigen zu verwenden.

Abg. Stengel: Wenn er den bisherigen Bestimmungen des Gesetzes insofern zustimmen könne, als sie eine Entlastung der kleineren Einkommen enthielten, so glaube er, man dürfe doch schließlich in der Belastung der großen Einkommen nicht so weit gehen, wie es F 81 thue. Die großen Gewerbetreibenden seien doch schließlich auch Menschen, ja sogar Staatsbürger, und er sehe nicht ein, wie man ihnen die Verantwortung dafür auferlegen wolle, wenn die Steuer nicht den erwarteten Ertrag gebe. Die Probe— veranlagungen in Breslau und Berlin ließen durchaus keinen Schluß auf die wirklichen Resultate der Gewerbesteuerreform zu, es sei leicht möglich, daß die größeren Gewerbetreibenden zu sehr in Anspruch ge nommen würden, und das halte er für durchaus schädlich. Er möchte desbalb den ganzen 5§. 81 beseitigt sehen, der jedenfalls das Gesetz nicht verbessere.

Abg. von Rauchbhaupt: Die Furcht, daß die Gewerbesteuer Mindererträge ergeben könne, sei unbegründet. Eine Ungerechtigkeit finde er darin nicht, daß Steuerzabler, die an jeder Verminderung des Stenersolls theilnehmen wollten, in schwierigen Zeiten mit einem höberen Betrage zu den Staatslasten herangezogen werden sollten. Dem Abg. Stengel erwidere er, wenn man eine Erleichterung der unteren Klassen wolle, müsse man es auch in den Kauf nehmen, daß die Deckung eines etwa entstehenden Ausfalls den höheren Klassen auferlegt werde. Der Antrag Bachem babe das Ueble, daß die jetzt festgesetzten Mittelsätze bei jeder Ermäßigung sich sebr erheblich verändern würden. Der festen Besteuerung des Grundbesitzes mit 49 stehe eine äußerst ermäßigte Gewerbesteuer gegenüber, die bei den böchsten Vermögen 10/9 betrage und bis auf J Yο heruntergehe. Dazu komme, daß die Gewerbe—⸗ steuer die kleinsten Betriebe freilasse, während mit der Grundsteuer auch der kleinste Grundbesitzer belastet sei. Eins verstehe er nicht und er frage die Regierung, warum dieses Gesetz erst 1834 in Kraft treten solle. Er könne nicht aner kennen, daß es so schwierig sei, Gewerbe. und Einkommensteuer gleichzeitig einzuschätzen. Bis 1894 polle das Kommunalsteuergesetz vorgelegt werden, es werde aber verzögert, wenn die Gewerbesteuer erst spaͤter als die Ginkommensteuer eingeschätzt werde; denn man könne das Kommunalsteuergesetz doch nicht machen, wenn man nicht wisse, was die Gewerbesteuer bringe. Seine Partei werde die Kommissionsfassung annehmen und den Antrag Bachem ablehnen.

Abg. vom Heede: Gegen die Kontingentirung spreche haupt— sächlich der Umstand, daß in schlechten Zeiten, wo die Erträge der Industrie geringer seien, die Gewerbesteuer böher werden müsse, um den Ausfall zu decken. Die Kommissionsvorlage gehe allerdings von der Ansicht aus, daß in Zukunft sehr erhebliche Mehreinnahmen durch die Gewerbesteuer einkommen würden, aber die erwartete Ver⸗ mehrung von 2 0G werde keineswegs eintreten, und deshalb be⸗ antrage er, den ganzen Paragraphen zu streichen. Der Antrag Bachem würde zwar seine Bedenken beseitigen, aber der von ihm (Redner) vorgeschlagene Weg sei doch der sicherste.

Finanz⸗Minister Dr. Miquel:

Mehrere der Herren Vorredner sind doch, glaube ich, von un— richtigen Voraussetzungen ausgegangen. Ich möchte nochmals den Grundgedanken, der dem 5§. 81 zu Grunde liegt, aufs Neue betonen und weiter entwickeln. In beiden Gesetzen, sowohl im Einkommen steuer⸗ als im Gewerbesteuergesetz hat die Staatsregierung den Grundsatz aufgestellt und in Paragraphenform dem Hause vorgelegt, daß die Staatskasse auf diejenigen Mehrerträge verzichtet, welche durch die Reform selbst entstehen. Niemals aber hat die Staatsregierung zugestanden oder zugestehen können, daß, wie beute die nicht reformirten Gesetze nach und nach beim Fortschreiten des Wohlstandes und der Gewerbebetriebe Mehrerträgnisse bringen, das nicht auch in Zukunft der Fall sein soll.

Meine Herren, um hier bei der Gewerbesteuer dies in vollem Maße zu sichern, haben wir in dem 5§. 81 vorgesehen, daß, wenn in der ersten Veranlagung der Gewerbesteuer sich ein Mehr ergeben würde, als in dem §. 81 nach den bisherigen Erträgnissen verzeichnet ist, eine entsprechende Reduktion der Sätze stattfinden soll. Andererseits mußte die Staatsregierung dagegen bei der immerhin vorhandenen Unsicherheit des Ergebnisses sich auch dagegen sichern, daß nicht ein erheblicher Minderertrag aus der Reform zum Nachtheil der Staats— kasse erwachse.

Meine Herren, ich habe schon mehrfach den Satz ausgesprochen: eine Steuerreform kann nicht bloß rationell sein, sondern sie muß sich auch richten und findet ihre Grenzen und ihre Schranken in den Er— fordernissen der Staatsfinanzen. Wir können zur Zeit, insbesondere wo wir noch gar nicht wissen, welche Erträgnisse die Einkommensteuer bringen wird, und nachdem wir die Mehrerträge derselben voll zur Ueberweisung von Grund und Gebäudesteuer bestimmt haben, einen erheblichen Minderertrag aus der Gewerbesteuer nach Lage unserer Finanzen nicht auf uns nehmen.

Der Hr. Abg. Stengel meint nun, es sei ihm wahrscheinlich, daß ein Minderertrag herauskommen werde, denn man habe die Probeveranlagungen wesentlich in den großen Städten gemacht. Das ist doch nicht richtig; die Probeveranlagungen erstrecken sich auf Stadt und Land, auf große und kleine Städte. Ich habe allerdings mehr— fach betont, daß mit Sicherheit nicht übersehen werden kann, ob die erste definitive Veranlagung dem gegenwärtigen Steuersoll der Ge⸗ werbesteuer entsprechen wird; aber die Befürchtung, daß unbedingt ein erheblicher Ausfall gegen das bisherige Steuersoll entstehen würde durch die Reform der Gebäudesteuer selbst, ich sage: die unbe⸗ dingte Annahme, daß dies der Fall sei, ist ebensowenig zutreffend.

Meine Herren, es ist ja hervorgehoben, und es ist dies gewissermaßen natürlich, daß bei solcher Probeveranlagung die Sachen doch nicht so ernst genommen werden wie bei einer definitiven Veranlagung, auf Grund welcher die Steuer wirklich erhoben wird.

stattfinden mußten, schon ein übermäßig skrupulöses und gründliches Eindringen, namentlich konnte bei den großen Gesellschaften die Be⸗ rücksichtigung der Reservefonds, der Erneuerungefonds und aller der⸗

Außerdem verhinderte die Eile, mit der diese Probeveranlagungen

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Außerdem hat die Probeveranlagung nicht in vollem Maße vielleicht die Gesammtjahl der Gewerbetreibenden, die in Zukunft steuerpflichtig werden, bisher aber nicht steuerpflichtig waren, berücksichtigen können. Also, daß man von vornherein mit Sicherheit annehmen sollte, es würde ein erheblicher Minderbetrag sich ergeben, dafür liegt gar kein Grund vor. Ebensowohl kann die Sache sich herausstellen, daß ein Mehrbetrag herauskommt, und man sollte diesen Mehrbetrag den Gewerbetreibenden auch zu gute kommen lassen. Wenn der Herr Ab⸗ geordnete meint, es wäre doch die Möglichkeit da, daß Störungen in der Entwicklung der gewerblichen Verhältnisse durch Krieg oder Handels- krisen und dergleichen stattfinden, so ist die Gefahr nicht so groß, weil sie vollständig aufhört nach der ersten definitiven Veranlagung im Jahre 1893/94. Wenn das permanent so weiter ginge, möchte ja diese Betrachtung von Bedeutung sein, aber da wir diese Frage im Jahre 1893/94 abschließen, so sind diese Sorgen umsoweniger be⸗ gründet.

Meine Herren, einige von meinen Kollegen aus dem Finanz⸗ Ministerium waren der Meinung, es sei für die Staatskasse unbe⸗ denklich, den 5. 81 zu streichen. Ich bin aber nickt der Meinung, Die Finanzverwaltung muß in dieser Beziehung sicher gehen und andererseits, wenn sehr erhebliche Mehrerträge aufkommen, so habe ich auch den ernsten Willen, diese den Gewerbetreibenden zu gute kommen zu lassen, weil es nicht darauf ankommen kann, gerade die Gewerbe⸗ steuer im Gegensatz zur Einkommensteuer in einer scharfen Weise zu entwickeln. Ich würde also dringend rathen, den §. 81 zu lassen, wie er ist. Der Zusatz der Kommission beruht gewissermaßen auf einem Kompromiß. Die Gewerbetreibenden wünschen die Garantie zu haben, daß, wenn in Zukunft, nachdem zum ersten Male ein Minder⸗ ertrag sich ergeben hat, in Folge dessen die Sätze erhöht werden, diese erhöhten Sätze wieder herabgemindert würden, für den Fall, daß eine Steigerung bis zu 2G bis dahin in dem laufenden Jahre statt⸗ gefunden bat; hieraus ergiebt sich, daß dieser Fall ja nur eintritt, wenn wirklich eine Erhöhung der Sätze stattgefunden hat. Tritt der Fall nicht ein, findet eine Erhöhung der Sätze nicht statt, vielleicht sogar eine Verminderung, dann kommt diese regelmäßige garantirte Steigerung um 29 überhaupt nicht in Betracht, und aus diesem Grunde sind die Bedenken des Herrn Abg. vom Heede nach meiner Meinung nicht zutreffend.

Wenn ich nun noch zwei Worte sagen soll über den bisher noch nicht motivirten Antrag des Hrn. Dr. Bachem, so habe ich mich schon in der Kommission dahin ausgedrückt, daß eine solche Kontingentirung weder nothwendig, noch gerecht, noch nach der Entwickelung der Aus gaben des Staats zulässig ist. Meine Herren, entweder oder: bleibt die Gewerbesteuer eine Staatssteuer, so ist die Kontingentirung ebenso⸗ wenig zulässig, als wenn sie demnächst eine Kommunalsteuer würde. Würde sie eine Kommunalsteuer, so möchte ich wohl den Hrn. Dr. Bachem in der Stadtverordnetenversammlung in Köln sehen, ob er den Antrag einbrächte; jeder neu hinzutretende große Betrieb, der neue Lasten den Kommunen bringt, Schulen und Armenlasten ver⸗ ursacht, soll doch nicht den Erfolg haben, daß die Kommune einen entsprechenden Mehrertrag bekommt. Aus diesem einen Beispiel können Sie entnehmen, daß es sich in Beziehung auf den Staat genau so verhält. Die Ausgaben des Staats sind im Wachsen, und wenn Sie die Einnahmen kontingentiren, die Ausgaben aber wachsen lassen,

wohin soll das führen? Außerdem muß ich sagen, daß doch ein innerer Grund weder bei der Einkommensteuer, noch bei der Gewerbesteuer zur Kontingentirung vorhanden ist.

Denn wenn ein neuer Fabrikbetrieb sich bildet, so können an und für sich die bestehenden Betriebe daraus keinen Anspruch herleiten, um den betreffenden Betrag, den der neue Betrieb bringen würde, in ihrer Steuer herabzumindern. Also ein innerer Grund ist nicht vor⸗ handen, und mit der gesammten Entwickelung der staatlichen Ausgaben verträgt sich eine solche Kontingentirung überhaupt nicht.

Meine Herren, ich habe schon mehrfach meine Ansicht ausge⸗ sprochen, daß wir in der Entwickelung unseres direkten Steuersystems sowohl im Verhältniß zu den Betriebsverwaltungen, als im Verhältniß zu den indirekten Steuern in Preußen zu sehr zurückgeblieben sind. Auf Grund dieser meiner Ueberzeugung sind eben die Gesetzesvorlagen gemacht. Unser direktes Steuersystem muß entwickelungsfähig sein (sehr richtig), wir haben vielleicht in zu großem Maße und in zu großem Vertrauen auf schwankende Betriebseinnahmen feste Ausgaben basirt und feste Einnahmen preisgegeben. Ich fürchte, meine Herren, wir werden alle miteinander erleben in den nächsten Jahren, daß das doch nicht so weiter gehen darf und wir vielleicht in dieser Beziehung zu weit gegangen sind, umsoweniger haben wir Veranlassung, die ganzen Staatsfinanzen auf diese Betriebs⸗ verwaltungen zu basiren, indem man die direkten Staatssteuern kontingentirt. Das wäre ein sehr gefährliches System und auch zugleich ein ungerechtes System.

Ich kann daher nur dringend bitten, die Regie rungsvorlage so, wie sie hier liegt, anzunehmen und alle übrigen Anträge ab⸗ zulehnen.

Nun kommt noch hinzu, daß wir die Erfahrung gemacht haben, als einmal eine zeitlang die Klassensteuer kontingentirt war, daß das sehr bedeutende Schwierigkeiten und Muühewaltungen in der Verwaltung machte, minimale Pfennigrechnungen verursachte, dem Staate erhebliche Einnahmen entzog und doch den betreffenden Steuerpflichtigen nur solche geringfügigen Vortheile zuwandte, daß sie es kaum bemerkten.

Ich kann daher nur dringend bitten, den Antrag des Hrn. Dr. Bachem abzulehnen. (Bravo! rechts.)

Abg. Stengel; Er habe noch nie erlebt, daß ihn Jemand so mißverstanden habe, wie der Abg. von Rauchhauxt. Wußte er, daß auch die übrigen Mitglieder ihn so mißverstanden hätten, so würde er seine erste Rede wiederholen. (Lebhafter Widerspruch.) Er sei mit dem ganzen Gesetz zufrieden mit Ausnahme dieses 5. 81, weil er die Verantwortlichkeit an eine Stelle lege, wo sie nicht hingehöre und die Oekonomie des ganzen Gesetzes störe. Er wolle auch, daß mit voller Schärfe eingeschätzt werde, er wolle nur nicht die für 1893,94 vorgeschlagene Kontingentirung. Die Gewerbesteuer solle voll und ganz zur Erhebung kommen. (

Abg. Bachem; Das Haus mache hier keine Kommunalsteuer, sondern eine Staatssteuer, und darum sei sein Antrag nicht nur zu⸗ lässig, sondern auch nothwendig. Werde die Steuer auf die Kom⸗ munen übertragen, so werde er der Erste sein, der die Außerkraft⸗ setzung dieser von ibm vorgeschlagenen Bestimmungen beantrage. Preußen habe schon viele Perigden gebabt, wo die Rentabilität der Industrie zurückgegangen sei. Dem Vorschlage der Regierung, einen etwa eintretenden Ausfall durch Erhöhung der Sätze zu decken,

könne er nicht zustimmen. Die Probeveranlagungen hätten ja nech der Meinung der Staatsregierung keinen erheblichen Werth. Er

artigen zurückgestellten Fonds nicht in vollem Maße stattfinden.

wolle der Regierung auch die Möglichkeit lassen, die natürliche Ent⸗ wickelung der Steuer im Interesse der Staatsinteressen in Anspruch

zu nehmen, wenn es nothwendig sei. So lange das nicht der Fall sei, sehe er nicht ein, warum das Plus den Staatseinnahmen hin— zutreten solle. Sein Antrag baue sich auf der Voraussetzung auf, daß die Stagtseinnahmen, speziell die Eisenbabneinnahmen, einen . mn Fortgang nehmen würden, und dies werde zweifellos eintreten.

Finanz⸗Minister Dr. Miquel:

Meine Herren! Ich verlange gewiß nicht, daß der Hr. Abg. Dr. Bachem oder gar das Haus durch schöne Reden sich überzeugen läßt, sondern ich habe mich immer bemüht, mit Gründen zu kämpfen und ich werde das auch heute fortzusetzen suchen. In der Dikkussion zwischen den Hrrn. Abgg. Stengel und von Rauchbaupt ist die Gewerbe— steuer verglichen worden mit der Grundsteuer, viel richtiger wäre es, die Vergleichung anzustellen zwischen der Gewerbe⸗ und der Gebäude⸗ steuer. Wer hat denn beantragt, daß die Gebäudesteuer kontingentirt wird? Wenn neue Gebäude hinzukommen, wächst die Gebäudesteuer und mit vollem Recht, weil durch neue Gebäude sowohl für den Staat als für die Kommunen neue Lasten erwachsen. Wenn neue Gewerbe⸗ betriebe hinzukommen, sagt Dr. Bachem, so wachsen zwar die Lasten für die Kommunen, aber für den Staat überhaupt nicht. Das trifft nicht zu. Ich bin allerdings der Ansicht, daß die Gewerbesteuer sich rein rationell weit mehr eignet für eine Kommunalsteuer als für eine Staatssteuer, und ich würde keinen Augenblick anstehen, schon jetzt solche Vorschläge zu machen, wenn mir nur Jemand die Mittel in die Hand gäbe, diesen Verlust zu decken. Sowie dies Kunststück von Jemand gemacht werden kann, bin ich zu einer solchen Reform sofort bereit; aber es trifft nicht zu, daß die Staatslasten nicht auch wachsen durch das Fortschreiten der Gewerbe; noch weniger trifft es zu, daß die Ausgaben des Staats nicht gerade die Lage der Gewerbebetriebe in ähnlicher Weise verbesserten, wie die Lage des Grund und Bodens. Wenn Sie einen Fluß kanalisiren oder eine neue Eisenbahn bauen, so kommt das mindestens in dem— selben Maße dem Gewerbebetrieb als ein Vorzugsrecht zu Gute in der Form der Wertherhöhung wie dem Grund und Boden, der davon berührt wird. Es ist also nicht richtig, daß von dem Gesichtspunkt der Leistung und Gegenleistung zwischen der Wertherhöhung durch Ausgaben und der Ausgabeerzeugung durch die Gewerbebetriebe selbst ein so kardinaler Unterschied wäre, daß nur das Eine zutrifft für die Kommunen und nicht auch das Andere für den Staat.

Meine Herren, wenn die Regierung eine bestimmte Progression in der Gewerbesteuer vorgeschlagen hat von ½Yι hinauf durch die 4 Klassen bis zu 10, so thut sie das mit Recht. Denn worauf be⸗ ruht die Gewerbesteuer in ihren Grundgedanken? Daß der Werth des Betriebes, d. h. des Geschäfts besteuert werde. Je größer aber der Betrieb ist, desto bedeutungsvoller tritt dieser Werth in die Er— scheinung. Wenn ein kleiner Gewerbetreibender stirbt, so stirbt mit ihm nahezu sein Geschäft; dagegen ein großes Geschäft kann den Direktor, kann den Inhaber wechseln, es bleibt immer das Geschäft, welches den Werth für sich hat. Mit der Größe des Geschãfts⸗ betriebes wächst also der Grund der Besteuerung, und daher ist hier die progressive Steuer doch nur eine prozentuale Steuer. Meine Herren, nun sagt der Hr. Abg. Dr. Bachem, gerade beim Gewerbebetrieb wechseln die Erträge. Er glaube sagen zu können, daß die Betriebe sich zwar in Zukunft vermehren, die Erträge aber heruntergehen werden. Nun, das ist eben der Vorzug der Vorlage, daß, wenn die Erträge heruntergehen, die Steuer auch heruntergeht, und wenn die Erträge steigen, die Steuer auch steigt. Wir haben ja keine fixirten Sätze, sondern besteuern nach Maßgabe des Erträgnisses und wir machen zu Gunsten der kleineren Gewerbetreibenden davon nur eine mehr oder weniger bedeutende Ausnahme, indem wir sie nach Mittelsätzen besteuern, sodaß eine Steigerung der Betriebseinnahmen, welche noch nicht zu einer Versetzung in eine andere Klasse führt, den Gewerbetreibenden gar nicht in der Steuer erhöht, sondern sein Mittelsatz immer derselbe bleibt. Das ist ja schon ein sehr erheblicher Vorzug, der weggefallen wäre, wenn wir den Anträgen des Hrn. Abg. Broemel gefolgt wären und die Mittelsätze für diese unteren Klassen auch gestrichen hätten. Aber grundsätzlich ist das Prinzip durch— geführt, daß wechselnde Erträge auch wechselnde Steuern herauf und herunter herbeiführen. Daher ist diese Gewerbesteuer gerade an eine dauernd verschiedenartige, ob günstige oder ungünstige Entwickelung der Gewerbebetriebe angepaßt; das ist gerade der Vorzug dieser ganzen Steuer.

Der Hr. Abg. Dr. Bachem sagt: zur Zeit hat der Staat diese Einnahmen nicht nöͤthig. Ja, in dieser Beziehung differire ich von ihm, und ich werde ihn im nächsten Jahre bei der Budgetberathung an seine Meinung erinnern; er wird dann vielleicht noch viel klarer als ich heute sehen, daß der Staat sehr wohl diese Einnahme ge⸗ brauchen kann und muß, und er wird sich dann durch Zahlen über zeugen und nicht durch meine schönen Reden. (Heiterkeit)

Wenn er nun von diesem Gedanken, die Einnahme sei für den Staat eigentlich nicht in der Höhe nöthig, ausgeht, zugleich aber an— erkennt, daß, wenn die Lage der Dinge eine andere wäre, auch diese Steuern wachsen müßten und die natürliche Entwickelung unter Be— seitigung der Kontingentirung wieder einzutreten habe, so muß ich ihm offen erwidern, daß für die Staatsfinanzen eine reine Quotisirung viel günstiger ist als eine Kontingentirung, wo ein neues Staatsgesetz erst erforderlich wäre, um sie wieder wegzuschaffen. Wenn die Ein nahmen und Ausgaben des Staats schwankender Natur sind, wenn jedes Jahr sich das Bedürfniß anders gestalten kann, so ist es doch nicht rationell, dem Bedürfniß nur gerecht werden zu können, indem man jedes Jahr ein neues Gesetz macht.

Der Hr. Abg. Dr. Bachem hat sich selbst schon einen Einwand gemacht und ihn offen vorgetragen, den er aber nicht wider⸗ legt hat, indem er sagt: es ist richtig, daß dann die Aufhebung der Kontingentirung, welche zu Gunsten der Gewerbetreibenden in günstigen Zeiten bestand, nun stattfinden würde zu ihrem Nachtheile in schlechten Zeiten. Wenn die Staatsregierung die Kontingentirung nun wieder aufheben wollte durch ein besonderes Gesetz nach Maßgabe des dringenden Bedürfnisses des Staats, würde nicht von allen Seiten entgegengehalten werden: Ihr habt wenig Steuern erhoben, als die Gewerbetreibenden viel verdienten, und jetzt wollt Ihr mehr Steuern erheben, wo sie in der größten Noth sich befinden?! In welche Lage würde da die Finanzverwaltung kommen?

Ich glaube, meine Herren, nach allen diesen Gesichtspunkten ist 4 . des Hrn. Dr. Bachem der allerbedenklichste. (Sehr richtig h

Wenn er nun schließlich gemeint hat, der Zusatz der Kommission sei ganz verkehrt, und dafür könne man sich gar nicht erwärmen, so kann ich auch in dieser Beziehung ihm nicht folgen. Der Gedanke,

der diesen Zusatz in das Gesetz gebracht hat, ist einfach der: wenn die erste Veranlagung vielleicht durch zufällige Umstände ein erhebliches Minderergeben hat und nun sich zeigt, daß das sehr bald wieder aus— geglichen ist, dann soll die Erhöhung, die auf Grund des ersten Minderertrages stattgefnnden hat, bis auf die eben in diesem Zusatz garantirten Beträge wieder aufgehoben werden, dann oll gewisser⸗ maßen der regelmäßige Zustand, 109 in der oberster, O, 5 0M in der zweiten, 0,50 oo und so weiter in den unteren Klassen, wieder hergestellt werden. Der Gedanke soll gerade die Befürchtungen der Hrrn. Stengel und vom Heede widerlegen, da durch zufällige Umstände bei der ersten Veranlagung ein Minderertrag zu einer dauernden Erhöhung der Prozentsätze führen könnte; das finde ich durchaus rationell, und es liegt darin eine sehr große Sicherung gegen Mißgriffe, die durch zufällige Umstände entstehen.

Wenn nun verschiedene Herren den §. 81 ganz streichen wollen, so möchte ich diesen Herren, die dabei hauptsächlich die Interessen der Industrie und Gewerbetreibenden im Auge haben, ans Herz legen, welche Gefahr sie dabei laufen. Auch der Hr. Dr. Bachem und ver⸗

schiedene Herren meinen, es kämen Mindererträge heraus. Kommt ein!

Minderertrag heraus, dana würde die Staatskasse den Verlust haben, während der Abg. Stengel ja gerade ausführt, er sei mit meinen Anschauungen, daß die Staatskasse keinen Verlust erleiden dürfe, voll⸗ ständig einverstanden. (Widerspruch rechts) Ich habe das so ver— standen. Dagegen, meine Herren, wenn ein Mehrertrag herauskommt, so würde die Staatskasse einen Zuwachs erhalten, ohne daß sie und der Finanz. Minister es gegenwärtig beanspruchen kann. Ich glaube daher: es ist viel richtiger, die Gefahren, die in der Unsicherheit der ersten Veranlagungen liegen, auszugleichen und nach beiden Seiten hin durch den 8. 81 übermäßige Sprünge abzuschneiden. Ich bin der Meinung, der 5. 81 liegt gerade vorzugsweise im Interesse der Ge⸗ werbetreibenden selbst. Der Hr. Abg. Stengel hat sich mehrfach etwa so ausgedrückt, als wenn bei einer etwaigen Erhöhung diese Er— höhung nur die Klasse J träfe. Wenn eine Erhöhung der Sätze wirklich stattfindet, so soll sie auch in den Mittelsãtzen durch die anderen Klassen stattfinden. Da wird mir der Hr. Abg. Stengel vielleicht erwidern: aber die eigentliche Wirkung liegt doch in der Klasse . Das wäre auch nicht zutreffend. Haben wir einmal ein richtiges prozentuales Verhältniß unter den einzelnen Klassen gefunden, so muß dieses prozentuale Verbältniß auch bei einer Erhöhung oder Abmindervng derselben beibehalten werden. Ich glaube, auch in dieser Beziehung sind seine Einwendungen nicht zutreffend. Ich kann den Herren nur dringend empfehlen, den §. 81 aufrecht zu erhalten.

Eins möchte ich noch zum Schluß dem Abg. von Rauch—Q haupt bemerken. Er sagt: die Staatsregierung hat durch den F. 85 des Einkommensteuergesetzes diese Anträge gewissermaßen hervor⸗ gerufen. Er übersieht doch dabei den großen Unterschied, der sich im F. 86 der Regierungsvorlage bei der Einkommensteuer befindet, und in Len Anträgen des Abg. Dr. Bachem, denn der 5. 85 der Regierungsvorlage fällt ja von dem Augenblick dauernd fort, wo die Ueberweisung der Grund und Gebäudesteuer stattfindet und das be— treffende Gesetz zu Stande kommt, während hier der Antrag Bachem die Kontingentirung verewigt. Dort handelt es sich nur um Uebergangs— maßregeln, hier handelt es sich um dauernde Einrichtungen; bei §. 81 bandelt es sich auch nur um eine Uebergangsmaßregel, die den Zweck hat, dem Lande und dem Gewerbetreibenden im vorliegenden Falle die Sicherheit zu geben, daß die Reform selbst nicht dazu benutzt werden soll, ihre Lasten zu erhöhen. Also auch in dieser Beziehung sind sehr wesentliche und erhebliche Unterschiede vorbanden.

Abg. von Rauchhaupt tritt nochmals für den §. 81 der Kom— . ö H

. g. Broemel: Die Abgg. Stengel und vom Heede wüns beide die Streichung des §. 81, weil sie den , Ausfall g den Gewerbetreibenden, sondern der Stagtskasse auferlegen wollten. Das sei ein weiterer Beweis, daß der Steuerfatz für die größeren Betriebe zu hoch gegriffen sei. Wenn auch der Zusatz der Kom— mission zum 5§. 81 der Vorlage der Regierung eine , n be deute, so sei doch der Annahme des Antrags Bachem der Vorzug zu geben. Er schlage allerdings eine Kontingentirung, aber auch eine kontingentirte Steigerung vor, deren Bedeutung der Finanz Minister doch allzu sehr unterschätze.

Generaldirektor der direkten Steuern Burghart: Die im Antrag Bachem vorgeschlagene Kontingentirung sei allerdings eine sehr abgeschwächte; aber je unbedeutender die Sache finanziell fei, desto ungeeigneter sei sie zur, Einführung in die Geseßzgebung; sie . die größten Schwierigkeiten, ohne einen besonderen Vortheil zu gewähren.

Bei der Abstimmung wird 8§. 81 unter Ablehnung des Antrages Bachem in der Kommissionsfassung angenommen, desgl. die 85. 82 und 83, Einleitung und Ueberschrift des Gesetzes. Die zu dem Entwurf eingegangenen Petitionen werden durch die gefaßten Beschlüsse für erledigt erklärt.

Die Noyelle zum Erbschaftssteuergesetz wird in dritter Lesung nach den Beschlüssen zweiter Berathung unverändert ohne Debatte definitiv angenommen.

Schluß nach 2 Uhr.

Statiftik und Volkswirthschaft.

Zur Arbeiterbewegung.

Wie dem „‚Vorwärts“ aus Gelsenkirchen mitgetheilt wird, sind im rheinisch- westfälischen Kohlenrevier bis jetzt folgende Abgesandte für den internationalen Bergarbeiter Kongreß in Paris gewählt worden: für Bochum ⸗Gickel: Joh. Meyer; für Wattenscheid: Kahn; für Gelsenkirchen-Ueckendorf: Brodam; für Mülheim: Margrafz für Dortmund: Bunte; für Marten: Schröder; für Eving: Dückershof; für Recklinghausen⸗ Steele: Schröter. Steele; ferner für Eisleben: Siegel. In Aussicht genommen sind für Weitmar: Heinrich Bauer; für Essen: Eckard.

Aus Barmen wird der „Köln. Ztg. geschrieben: Säͤmmtliche Gärtnergehülfen von Barmen und Elberfeld haben be⸗ schlossen, am 22. März d. J. nach vorheriger gesetzlicher Kündigung die Arbeit einzustel len. Sie fordern eine zehnstündige Arbeitszeit: Erböhung des Lohnes, der jetzt durch— schnittlich 13,50 bis 15 „6 betrage, und Bezahlung der lleberstunden und Sonntagsarbeit. Unter den Gärtnergehülfen herrsche große Arbeitslosigkeit, und diese könne nur durch Verkürzung der Arbeitszeit beseitigt werden. Ein großer Theil, fast der größte, würde schon im Hochsommer entlassen und habe dann während der langen Wintermonate keine Arbeit. Aus diesem Grunde müsse eine Lohnerhöhung angestrebt werden, damit die Gehülfen in den Stand gesetzt würden, im Sommer Ersparnisse machen zu können, von denen sie während ibrer Arbeitslosigkeit im Winter ihre Lebensbedürfnisse zu bestreiten in der Lage seien. Bis jetzt haben sich die Arbeit geber diesen Forderungen gegenüber ablehnend verhalten.

In Braunschweig ist, wie der ‚Magdb. Ztg. mitgetheilt wird, in der Generalkommission (Vertreterschaft der Arbeitnehmer) festgestellt worden, daß Seitens der Arbeiterschaft Braunschweigs

für auswärtige „Ausgesperrte! 3000 MS gesammelt und an die

Haupt sammelstelle der deutschen Gewerksckasten gesandt worden sind. Die Kommißsion setzte einen Ausschuß ein., um die Arbeiter und Axnb'itsverhältnisse in den Zuckerfabriken zu ermitteln; es soll dieser Beschluß auf Klagen zurückzuführen sein, die aus Arbeiter⸗ kreisen erhoben worden sind.

In Leipzig fand der Lp). Ztg.“ zufolge am Mittwoch eine von etwa 109 Personen besuchte Versammlung der Tapezierer gehülfen statt, in welcher nach einem Vortrag über den

Normalarbeitstag beschlofsen wurde, die Einführung der neunstündigen Arbeitsieit im laufenden Jahre durch;usetzen, daneben aber die Errungenschaften der vorjäbrigen Arbeits⸗

einstellung (18 M Mindestwochenlohn und ein Lohnzuschlag von 25 8 für Ueberstunden, von 50 υο für Sonntagsarbeit und von 100 für Nachtarbeit) festzuhalten. Eine Kommission von 5. Personen soll die Unterhandlungen mit der Innung führen. . Ein Pariser Telegramm des . W. T. B.“ berichtet, daß nach einer Meldung aus Arras ein Theil der strikenden Arbeiter von den Gruben bei Bruay gestern Morgen die Arbeit wieder aufgenommen habe. Die „Allg. Ztschr. f. Textil- Ind. schreibt: In den Kreisen der französisfchsn Textil⸗Industriellen macht sich eine starke Agitation gegen das der Deputirten⸗ kammer vorliegende Gesetz, nach welchem Frauen und Kinder unter achtzehn Jahren nicht länger als zehn Stunden böchstens beschäftigt werden dürfen, bemerkbar. Wie uns aus Fourmies berichtet wird, fand dort eine zablreich be—⸗ juchte Versammlung von hervorragendsten nordfran ösischen Textil⸗Industriellen statt, welche einstsmmig sich gegen eine Be— schräntung der Frauen- und Kinderarbeit aussprach. In der Dis kussion wurde die ablehnende Haltung der Interessenten gegen über einer gesetzlichen Arbeitseinschränkung bauptsächlich mit der ausgedehnten Arbeitszeit motivirt, über welche die ausländische Konkurrenz verfüge. Auch die niedrigen Arbeitslöhne in der Textil⸗ branche des Auslandeg, besonders in Deutschland, bei elf bis dreizehn⸗ stündiger Arbeitszeit, sollten vorläufig eine Herabsetzung der Arbeitszeit zu Ungunsten der französischen Textil. Industrie, welche bedeutend böhere Löhne als Deutschland zahle, verbieten, so lange wenigstens, bis eine internationale Vereinbarung bezüglich der Arbeitszeit in den verschiedenen Ländern und fuͤr verschiedene Branchen erzielt sei.

In Athen haben, wie der ‚„Hamb. Corr.“ mittheilt, einige Politiker von der Straße“, um von sich reden zu machen, eine Kom munistische Liga“ gebildet, und zwar auf Grund des Programms der Berliner Sozialdemokratie. Nach den Satzungen hat sich diese Liga die Organisation der Gesellschaft zur Aufgabe gestellt; zu diesem Behufe will sie die Grundsätze des Sojjialismus verbreiten, die bestehende Gesellschaftsordnung be— kämpfen und an die Stelle der gegenwärtigen Staaten eine Ver—⸗ bündung unabhängiger Gemeinwesen setzen.

Handel und Gewerbe.

Tägliche Wagengestellung für Kohlen und Koks an der Ruhr und in Oberschlesien. An der Ruhr sind am 12. März gestellt 10795, nicht rechtzeitig gestellt 4. Wagen. . Oberschlesien sind am 11. d. M. gestellt 4880, nicht rechtzeitig gestellt keine Wagen.

Sub hastgtions · Resultate.

Beim Königlichen Amtsgericht 1 Berlin stand das im Grundbuch von Lichtenberg Band 33 Nr. 1040 auf den Namen des Baumaterialien händlers Ludwig Wohlers zu Weißensee einge tragene, in der Thaerstraße 18 belegene Grundstück zur Verfteige . rung. Das geringste Gebot wurde auf 33 864,34 M festgesetzt. Für das Meistgebot von 1655 000 wurde der Kaufmann Jaco Moritz zu Berlin Ersteher.

= Nach einer Mittheilung des Kaiserlich deutschen Kon— sulats in Helsingfors ist in dem Konkurse des Optikers Paul Dettmann zu Helsingfors der gerichtliche Prü— sungstermin, welcher vor dem Rathhausgericht zu Helfingfors stattfindet, auf Donnerstag, den 18. Juni d. J, 11 Uhr Vor— mittags, festgesetzt worden.

Der geillcht f. Spir. Ind.“ entnehmen wir folgenden Bericht über den Handel mit Stärke nach Mittheilungen der Ver— trauensmänner in der Zeit vom 4. bis 10. März 1891: Während der verflossenen Berichtswoche sind folgende Abschlüsse in Kartoffel⸗ fabrikaten bekannt gegeben. Es wurden verkauft an: trockener Kartoffelstärke und Kartoffel mehl: 100 Sack prima zu 24, 75 6, prompte Lieferung, frei Station in Niederschlesien; 16095 Sack prima zu 25 4 netto Kasse, provisionsfrei, Lieferung Mitte März, frei Station im Braunschweigischen.

In der gestrigen Sitzung des Aufsichtsrathes der Deutschen Bank wurde die Bilanz pro 18909 geprüft. Die Vorsicht, mit welcher bei Einschätzung der argentinischen Werthe und Engagements verfahren ist, fand die volle Billigung des Aufsichtsrathes. Der Generalversammlung wird eine 10 prozentige Dividende in Vorschlag

gebracht werden. Wir erhalten über die Bilanz folgende Mittheilungen Die Hesammtum sãhe beliefen sich ; auf 28 3043 126 998 466 (1889: 28 125 250 988 A4). Es be—⸗

trugen am 31. Dezember 1890 die Hauptposten des Gesammt— geschäfts: Aktiva. Kassa, Sorten⸗, Coupons, und Wechselbestände 169 592 877 Mn (1889: 131537 760 S½ς), Reports bei der Centrale und den Filialen 32 318 282 6 (1889: 56792 453 M6), Lombards bei den Fllialen 8 399 314 M (1889: 9 340 468 S), Effekten. und Konsortialbestände 41 207 849 ½ (1889: 37 374 559 S6), Deutsche Uebersee⸗ Bank 5580 780 ½ 0 (1889: 5937 000 S), Debitoren 143 S807 738 ½ (1889: 170 916 186 6), Vorschüsse auf Waarenver⸗ schiffungen 18 392 942 ½ (1889: 21037416 6), Immobilien 4003 266 0 (1889: 4 445 003 ), wobei der gesammte Berliner Grund⸗ besitz mit 1200 000 4M eingestellt ist. Passiva. Accepte: Centrale 18580 923 M (1889: 22 477 384 M), Filialen 81 496 449 M (1889: 33 324 387 1M), Depositengelder 51 574 222 ½ (1889: 46 556 472 S), Creditoren 191 673 477 . (1889: 170766 149 S6), Delcredere 400 000 Æ (1889: 400 000 ιαι), Reserven 23 852 467 ½ (18589: 25 108 580 M), Rückstellung für Neubauten des Bankgebäudes in Berlin 553 129 A (13889: 403 025 6). Der Gesammtgewinn betrug brutto 14495 965 ½ (1889: 14 275 533 M6), wozu der vor⸗ jährige Gewinnvortrag von 491 284 M tritt. Nach Abzug der Be— träge für Handlungsunkosten 2 478 875 MS (1889: 2353 248 M), Steuern 406 9385 * (1889: 441 724 , Hausabschreibungen 788 2357 (1889; 651 357 6) u. a. verbleibt ein vertheilbarer Reingewinn von 11226 270 4A (1889: 11 188 8726. Derselbe wird nach Dotirung der ordentlichen Reserve mit 747 627 M (1889: 743 887 M6, nach Rück⸗ stellung von 400 900 M (11889 ebenfalls 400 000 M) in Rücksicht auf die auszuführenden, bereitß begonnenen Bauten so⸗— wie, nach Rückstellung der statutenmäßigen Tantiemen, Remu— nerirung des Pensions, und Unterstützungsfonds und der Gratifi— kationen für die Beamten zur Ausjaghlung der Dividende von 10 9 ver—= wendet. Es bleibt sodann ein Vortrag von 487 785 ½ (isss: 491 254,98 66). Das Gewinn- und Verlust Conto weist folgende Hauptposten auf: Wechsel 3 591 685 46 (1889: 2 552 533 M6), Zinfen 3 409 608 M (1889: 3 344133 ), Sorten und Coupons 295 254 66 (1889; 264466 6), Effekten und Konsortlalbetheiligungen 2699 886 (1889: 2943 682 A6), Provision 4 495 519 0 (1889: 4 814 846 A6). Für im Contocorrent-Geschäft entstandene Verluste wurden abgeschrieden 6522 S Die Reserven erhöhen sich gegen die Bilanz des Vorjahres um 747 627 ½ auf 24 606 054 M

Die gestrige außerordentliche Generalversammlung der Posener Provinzialbank beschloß eine Abänderung des Statuts. In der hierauf folgenden ordentlichen Generalversamm- lung wurde der Geschäftsbericht für 1890 und die Vertheilung einer Dividende von 6 Go genehmigt.

In Paris ist das große Bankinstitut „s8ociets des 46

pots et dss comptes courants“ in Zahlungsschwierigkeiten

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