1891 / 64 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 14 Mar 1891 18:00:01 GMT) scan diff

*

2 88

.

so wollen wir froh sein. Es setzt eine große Thätigkeit des Kreuzer⸗ geschwaders, Geschick und auch viel Glück voraus. Zur Zeit befindet sich nun das Kreuzergeschwader nicht in unseren Kolonien, sondern in den chinesischen und japanischen Gewässern. In diese Ge⸗ wässer ist es dadurch berufen worden, daß sowohl unser Gesandter in Peking als der in Tokio dringend befür⸗ wortet haben, daß einmal außer den zwei Kononenbooten, die in diesen Gewässern stationirt sind, ein größeres Geschwader hinkomme, und jwar hatten sie ganz wesentliche Interessen dafür. Es dürfte dem Herrn Abgeordneten nicht unbekannt sein, daß für die Entwickelung unseres überseeischen Handels und unserer überseeischen Rhederei Japan und China die erste Stelle einnehmen. Es ist mir bekannt, daß unsere Ausfuhr nach Chile zur Zeit erheblich größer ist als die nach Japan und China. Aber die Entwickelung unserer Zukunft liegt nicht in Chile. Chile ist für uns satt. Wir haben nach Chile einen Export und von da einen Import, so groß wie wir ihn haben können. Unsere Zukunft liegt auf der anderen Seite des Stillen Oceans. Außer diesem allgemeinen Grund kamen für die beiden Herren noch andere Gründe hinzu. Wir haben ein Interesse zur Hebung unseres Schiff baues, Bestellungen auf Schiffe für die chinesische oder japanische Regierung in deutschen Werften zu bekommen, und zwar werden sich solche Bestellungen wesentlich auf Kriegsschiffe beschränken, wie das auch schon früher geschehen ist. Wollen wir aber unseren Kriegsschiffbau in diesen Staaten im An⸗ sehen erhalten und unserer Industrie Bestellungen zuwenden, so ist das wohl nicht anders zu machen, als daß wir von Zeit zu Zeit zeigen, was unser Schiffbau leisten kann, und dieses Motiv wurde von den Gesandten als ein dringendes betont. Die Regierung hat das Interesse, diesem Motive nachzugehen, um Handel und Industrie in jenen Gegenden zu fördern.

Es kam noch ein zweites ähnliches Motiv hinzu. Die japanische Regierung hat bei einer deutschen Fabrik sich eine Anzahl von Tor⸗ pedobooten bestellt, die dahin geführt worden sind. Diese Torpedo⸗ boote kommen dort in einem Zustande an, welcher der Montage be— darf. Diese Montage durch Ingenieure und Mannschaften deutscher Schiffe übernehmen zu lassen, war wiederum ein dringendes Interesse unseres Handels insofern, als, wenn etwa fremdlãndische Ingenieure aus den Staaten, die mit uns in einer dauernden und harten Konkurrenz in jenen Gebieten leben, die Montage übernahmen, die Wahrscheinlichkeit war, daß, wenn die Torpedoboote ins Wasser kamen, sie nicht liefen. (Heiter · keit) Also wiederum ein Interesse des deutschen Handels und der deutschen Industrie. Die Reichsregierung war demnach der Meinung, daß dieses Kreuzergeschwader aus diesem Grunde in Japan und in China erferderlich war. Seine Segelordre ist so abgefaßt, daß es bis zum 7. April in China bleibt, dann nach Japan geht und dann wieder beruntergehen wird, um sich unseren Kolonien zu nähern.

Erschien dieser zweite Weg, Schiffe nach Chile zu bringen, der Regierung auch bedenklich, so blieb der dritte übrig, Schiffe aus der Heimath nach Chile zu schicken. Diese Schiffe würden erst haben in Dienst gestellt werden müssen; denn die Schiffe, die wir hier im Dienst haben, waren dazu nicht brauchbar, es muß eine andere Kategorie sein. Das würde 14 Tage, auch vielleicht drei, vier Wochen gedauert haben. Dann mußten die Schiffe die lange Reise antreten, und auch diese Schiffe würden nicht vor Ablauf von drei Monaten baben an Ort und Stelle sein können. Dazu kam das Bedenken, daß damit eine Ueberschreitung des Etats verbunden war. Nun lese ich jetzt in den Zeitungen, daß man die Gelder für solche Etatsüberschreitungen gern geben würde. Ich habe aus den Verhandlungen dieses Hauses einen Eindruck nach der— selben Richtung nicht stark genug entnommen, um das ohne Weiteres auf meine Verantwortung zu nehmen. (Heiterkeit) Aber es handelt sich dabei, wie bei allen solchen Sachen, gar nicht um Geld, sondern es handelt sich auch um Menschen. (Sehr richtig! links) Wenn Schiffe dahin gehen sollen, müssen sie besetzt sein; es müssen Offiziere und Mannschaften auf den Schiffen sein. Wo her nehmen? Der Mannschaftsstand unserer Marine ist ein so beschränkter, daß es jedes Jahr ein Kunststück ist, die Menschen zusammen zu bringen, welche die Schiffe besetzen sollen, die in Dienst gestellt werden. (Hört, bört! Wenn wir eine Anzahl von Kreuzern hätten in Dienst stellen sollen, um sie nach Chile zu schicken, so würde erstens die militärische Ausbildung unserer Marine für diesen Sommer gefährdet worden sein, und wir würden zweitens die Mannschaften, die wir an Bord nehmen, entweder über den Ab⸗ lauf ihrer gesetzlichen Dienstpflichten haben im Dienst zurückhalten müssen oder Reserven einziehen. Beides schien der Reichsregierung nicht angängig. Auf den Weg also, aus der Heimath Schiffe dahin zu nebmen, mußte unter allen Umständen verzichtet werden.

Wenn ich glaube, hiermit nachgewiesen zu haben, daß die drei Wege, die technisch der Regierung sich als gangbar erweisen konnten, ihre Bedenken katten und daß sich Nachtheile aus ihnen boten, so kommt die weitere Frage: Was nützt es denn nun, wenn wir Schiffe nach Cbile schickten? (Seb richtig! links.) Nun gebe ich dem Herrn Abgeordneten bereitwilligst zu, daß für das Gefühl der Deutschen, die im Auslande leben, es von hohem Werthe sein mag, wenn die deutsche Flagge gejeigt wird, und von um so höherem Werthe, in je wehr Bedrängnis die Menschen sich zu befinden glauben. Aber ein solges Zeigen der Flagge ist mehr von imaginärem, als von realem

Ich lese in einer Zeitung: Die Lage ist drüben eine so gespannte, daß die Anwesenheit ire? dentschen Kriegsschiffes auch jetzt noch dringend erforderlich ist. etzt f ich, um was wird die Lage weniger gespannt, wenn Erieg? in Chile erscheint? (Sehr richtig! links.) t ein Aafstand ausgebrochen, die Welt erlebt das seltene ie Aucfftãndischen sich auf das Wasser begeben haben; rigen befindet sich auf dem Lande. Diese bekämpfen und schädigen sich, so gut das eine Küstenentwickelung von eines schmalen Landstreifens , zum großen Theil in Küstenstädte iese Küstenstädtꝛ haben gute Häfen und nd Fast überall sind bei dem Handel age ich, wenn ein Kriegsschiff dahingeht, f einer so langen Küstenstrecke? ützen? Kann es an zwanzig Orten auf das Kreuzergeschwader, wenn es hingegangen sein würde, und wenn es sich darauf eingelassen kätte, sich zu theilen würde in der unangenehmen Lage gewesen sein, immer den bei Weitem

größten Theil dieser Häfen nicht besuchen zu können; und kein Mensch kann die Garantie übernehmen dafür, daß dann nicht gerade da, wo das Kreuzergeschwader nicht war, irgend ein Unglück einem Deutschen passirte. Wie will man aber nun weiter in einem solchen Kriegs⸗ zustande, in einem solchen Aufruhr, in dem ein Land wie Chile sich befindet, vom Wasser aus einwirken? Die Einen fangen an oder drohen vom Wasser, das Land zu beschießen; die Anderen schießen vom Lande auf das, was vom Wasser kommt. Nun frage ich, was soll wohl ein deutsches Kriegsschiff dabei für eine Rolle spielen, wie soll es denn den Deutschen nützen? Es sind ja eine Reihe mir sind drei Fälle bekannt von Fallen vorgekommen, wo Schiffe Schaden gelitten haben oder Ersatzansprüche gemacht haben. Aber nach meiner Ueberzeugung, so⸗ weit mir Kenntniß von diesen Fällen geworden ist, würde in nicht einem einzigen die Anwesenheit eines deutschen Kriegsschiffes etwas geändert haben. Der flagranteste Fall ist der eines Schiffes „Pots⸗ dam“ ich glaube, es ist ein Hamburger Barkschiff —, das hatte denn vor einer der chilenischen Städte gelegen, die die Aufrührerischen sich anschickten zu bombardiren. Sie fordern ganz höflich die Handels⸗ schiffe, die da liegen, auf, das Lokal zu verlassen, weil es gefährlich würde (Heiterkeit); die sind auch sehr geneigt, dieser Weisung nachzukommen; sie nehmen sich gleich Schlepper, sie geben los. Die Schlepper fangen an, die Schiffe herauszubringen. Dem, der das deutsche Schiff schleppt, wird die Sache etwas ängstlich, und er läßt das geschleppte Schiff vielleicht etwas zu früh vom Tau los; das ist noch nicht be⸗ wegungsfähig, läuft auf den Felsen und verliert unglücklicher Weise Schiff und Ladung, eine Sachlage, in der die ganze deutsche Flotte vor demselben Hafen hätte liegen können, ohne Etwas daran zu ändern, denn wir haben nicht die mindeste Berechtigung, uns in den Kampf dieser Leute einzumischen. Selbst wenn das Kreuzer geschwader die Kraft dazu hätte, so0 würde es kein Recht dazu haben. Was die Kraft angeht, so hat die chilenische Flotte einige gepanzerte Schiffe, wenn ich recht unterrichtet bin, zwei Panzer, ein Panzerfahrzeug und einige gepanzerte Kreuzer; sie haben auch ein Torpedoboot oder ein paar. Unser Kreuzergeschwader besteht, wie alle solche Geschwader, aus ungepanzerten Schiffen; also würde es ein un⸗ gleicher Kampf gewesen sein, wenn man, um das Schiff „Potsdam“ zu retten und herauszubriagen, sich etwa in ein Gefecht mit der chilenischen Flotte hätte einlassen wollen. Es wäre auch nach meiner Ueberzeugung geradezu ein Unglück gewesen, wenn etwa seine Kampfeslust den Kommandanten eines solchen Geschwaders dahin geführt hätte, sich einzumischen. Wir haben in den 70er Jahren ein Beispiel gehabt, wo ein braver Admiral sich einmal veranlaßt sab, sich in die spanischen Verhältnisse einzumischen. Er ist nachber desavouirt worden, und es konnte nicht anders ab⸗ laufen. Dasselbe Schicksal würde im günstigsten Falle das des deut⸗ schen Befehlshabers gewesen sein, und ob wir dem deutschen Handel genützt hätten, wenn wir anfingen, mit Chile Krieg zu führen, ist mir sehr zweifelhaft; denn dann würden unsere Beziehungen ju Chile wahrscheinlich weit über die Dauer dieses Aufstandes hinaus unter⸗ brochen sein. Die Engländer haben zur Zeit acht Schiffe da. Haben diese acht Schiffe verhindern können, daß englisches Eigenthum zu Schaden gekommen ist?

Nein, es ist da genau so gegangen wie mit dem deutschen! Also, ich meine, so lange der Aufstand besteht, würde ja die Anwesenheit von Schiffen zur Beruhigung deutscher Gemüther haben beitragen können; einen realen Nutzen würde das schwerlich gehabt haben.

Nun sagt man: Ja, wenn das auch jetzt nichts nützt, dann doch hinterher, wenn es sich darum handelt, die Schadensersatzansprüůche festzustellen; dann ist es wünschenswerth, deutsche Schiffe da zu haben! Ich habe den Gedanken auch erwogen: aber ich bin zu der Ansicht gekommen, daß das nicht wünschenswerth ist; es ist auch dann nicht wünschenswerth, zu den äußersten Mitteln zu schreiten. Wir würden ja, wenn wir unsere Flotte mobil machten, den Krieg gegen Chile durchführen können, wir würden aber dann vielleicht auf Jahr und Tag unsere Flotte für andere Aufgaben entbehren müssen. Man kann nicht wissen, was in Jahr und Tag geschieht. Können wir also auf friedlichem, diplomatischem Wege uns mit Chile aus⸗ einandersetzen, so ist das nach meiner Ansicht vorzuziehen.

Mir hat vorgelegen eine Zusammenstellung derjenigen Fälle, wo in fremden Staaten Aufruhr ausgebrochen ist und deutsches Eigen⸗ thum geschädigt hat, seit dem nordamerikanischen Kriege, und ich habe aus dieser Zusammenstellung ersehen, daß, abgesehen von dem nord⸗ amerikanischen Kriege, wo die Vereinigten Staaten sich weigerten, irgend einen Ersatz zu geben, es in fast allen Fällen möglich gewesen ist, im gütlichen, diplomatischen Wege einen Ersatz herbeizuführen. Mit Chile gerade haben wir früher schon einen ähn⸗ lichen Fall gehabt, und wenn die Entschädigung auch nicht die Höhe der Forderung erreicht hat, so ist das eben natürlich; viel⸗ leicht war die Forderung etwas hoch, vielleicht hatte auch der Chilene geringere Neigung, etwas zu geben; jedenfalls ist der friedliche Weg der Auseinandersetzung immer vorzuziehen, und ich gebe mich auch jetzt der Hoffnung hin, daß, wie das Schicksal von Chile sich gestalten mag, wer auch nach Abschluß dieses Aufruhrs an der Regierung sein mag, es uns so gut wie früher gelingen wird, billigen Ansprüchen Gehör und Befriedigung zu verschaffen.

Nun hat man nicht in diesem Hause, aber, da ich einmal das Wort habe, so erlaube ich mir auch auf die Ergüsse der Presse in dieser Sache zurückzukommen, die zum Theil etwas giftig gewürzt waren gesagt: Warum macht ihr nicht mehr Stationen, ihr habt ja früher mehr Stationen gehabt, ihr hattet ja eine west amerikanische Station, wo ist die geblieben? Ja das ist eine indirekte Folge der Erweiterung unserer Kolonien. Wir brauchen jetzt einen großen Theil der⸗ jenigen Flotte, die im Frieden verwendbar ist, in den Kolonien; und nicht Alles, was wir haben, ist im Frieden in außerheimischken Gewässern verwendbar. Denn der wesentliche Theil der militärischen Aus⸗ bildung kann nur in den heimischen Gewässern erfolgen, und wir können nicht mobil machen, wenn wir unser ganzes Personal den heimischen Gewässern entziehen. Zur Zeit, als ich noch engere Beziehungen zur Marine hatte, wurde angenommen und ich glaube, das daß auch noch heute ist daß nicht über ein Drittel der Friedenspräsenz— stärke in außerheimischen Gewässern sein darf, wenn die Mobilmachung nicht gefährdet sein soll. Es liegt also schon in diesen Verhältnissen eine Grenze für die Marine. Wir können auch nicht das Bestreben haben, vorhersehen zu wollen, da kann mal ein Aufstand ausbrechen, da können mal deutsche Interessen gefährdet werden, um überall da Stationen an— zulegen und dauernd Schiffe da zu haben. Wir lönnen die Stationen

nur da anlegen, wo der deutsche Handel eine gewisse Aus dehnung er⸗ langt hat, wo deutsche Interessen in stärkerem Maße engagirt sind und das würde für Chile zutreffen, denn die deutschen Interessen in

Chile sind stark. Es kommt aber ein zweites Motiv hinzu. Wir werden Stationen

anzulegen nur Grund da haben, wo die staatlichen Verhältnisse noch nicht so weit ausgebildet sind, daß in ihnen eine Garantie für den Schutz des Eigenthums gefunden werden kann und wo die Regierungen sich noch in einem Zustande von so wenig entwickelten europäischen Anschauungen befinden, daß durch Verhandlungen mit den Regierungen hernach nichts zu erreichen ist. Dieses Motiv trifft für Chile nicht zu, und als man in der Lage war, eine Reihe von Stationen aufgeben zu müssen, hat man sich dazu entschlossen, Chile auch aufzu⸗ geben. Tritt der Wunsch in diesem Hause wieder auf, eine west⸗ amerikanische Station von Neuem in's Leben zu rufen, so wird die Reichsregierung das in Erwägung ziehen. Ich glaube aber, vorher sagen zu können, daß das ohne Kosten, sowohl was Material, als was die Menschen angeht, nicht möglich ist.

Wenn es mir nun gelungen wäre, dem Herrn Abgeordneten zu zeigen, daß es doch nicht bloß an dem Mangel von Interesse und etwas gutem Willen auf Seiten der Regierung gelegen hat, so würde es mir lieb sein. (Bravo)

Abg. Jebsen: Er danke dem Reichskanzler für seine Aut⸗ einanderfetzungen, von denen er sehr viel profitirt habe. Wenn die Kreuzerflolte wirklich an Japan und Ching gebunden sei, dann könne sie allerdings nicht nach Chile hinübergeschickt werden. Er meine aber, daß gerade, weil Chile eine langgestreckte Küste habe, eine Flotte den Schutz viel leichter übernehmen könne, als bei einem Lande, das sich Tausende von Meilen ins Innere erstrecke. Warum habe denn England feine Landsleute unter den Schutz einer Flotte gestellt? Er wolle gewiß keinen Krieg mit Chile. Aber ein oder mehrere Kriegs⸗ schiffe könnten dort sehr nützlich und beschwichtigend wirken, nament- lich da, wo der Vöbel regiere. Die Errichtung einer südamerikanischen Station wäre allerdings sehr erwünscht, und er sei überzeugt, daß eine Etatsüberfchreitung für diefen Zweck im Interesse des deutschen Handels und der Schiffabrk vom Reichstage gern gutgeheißen werden würde.

Abg. Liebermann von Sonnenberg: In einer großen in Chicago erfcheinenden Zeitung, der „Freien Presse“, habe juͤngst ein Artikel über den deutschen Konsulardienst gestanden, der Beachtung verdiene. Den früheren kaufmännischen Konsuln werde nachgerühmt, daß sie vermöge ibres langen Aufenthalts in den Vereinigten Staaten im Stande gewefen wären, der Regierung gute und sachgemäße Aus künfte zu geben. Dem gegenüber werde dann als Nachtheil hervor · gehoben, daß diese kaufmännischen Konsuln in erster Linie Geschäfts feute gewefen seien, und daß sie, wenn die Interessen des Konsulats⸗ dienstes mit ihren Geschäͤftsinteressen in Kollision gekommen seien, den letzteren den Vorzug gegeben hätten. Mitunter seien recht zweifel hafte Gefchäfte mit dem Wappenschild des Konsulats gedeckt und der Konfultitesf zur offenbaren Bauernfängerei benutzt worden. Er wider⸗ stehe der naheliegenden Versuchung, an dieser Stelle der Besorgniß Ausdruck zu geben, die viele Eingeweihte darüber empfänden, daß in den Üübersecischen auswärtigen Dienst immer mehr Leute jüdischer Ab⸗ kunft eindrängen. In der Allgemeinen Zeitung des Judenthums werde zum Eintritt in diesen Dienst aufgefordert. Wer das lese, könne sich in der That nicht der Besorgniß entziehen, daß daraus irgend eine Berührung sich herausbilden könnte zwischen den deutschen Staats angelegenheiten und den Interessen der internationalen Börse, die er ebenso wie der Abg. Richler für sehr verderblich halte. Er komme hierauf bei späterer Gelegenheit zurück. Die Berufskonsulate, heit es dann in jenem Ärtskel weiter, hätten sich nicht so bewährt, wie sie fich batten bewähren können. Den Beamten selbst werde kein Vor⸗ wurf gemacht, aber es werde getadelt, daß sie zu sehr mit Bureau⸗ arbeiten belastet seien und zu oft ihre Stellung wechselten, um große Erfahrungen über Land und Leute sammeln zu können. Es werde vorgeschlagen, daß die Berufskonsuln mindestens sechs Jahre im Dienst blieben und daß ihnen ein Vije⸗Konsul zur Seite gestellt werde. In Chicago selbst sollten die deutschen Konsuln dem amerikanischen Schwein ihre liebevolle Aufmerksamkeit widmen, die Schlachthöfe befuchen und sich vergewissern, wie die braven amerikanischen Ge⸗ fundheits beamten darüber wachten, daß nur gesundes Vieh in die Schlachthäuser gelange, und in den Schmalzsiedereien sehen, was dort Alles zur Erzeugung von prima Schweineschmalz benutzt werde.

Bei der Forderung für den Gouverneur in Kamerun

bemerkt

Abg. Richter: Er bitte die Regierung, eine Nachricht klar zu stellen, welche wiederholt in der kolonialfreundlichen Prefse mit großer Bestimmtheit verbreitet werde, daß zum Vortheil von Kamerun eine Anleihe von 13 Millionen Mark demnächst an die Börse gebracht werden solle, unter Verpfändung der Zölle, welche das Reich dort er⸗ bebe, zur Sicherstellung der Zinsen und der Rückzahlung dieser An⸗ leihe. Diese Nachricht könne unmöglich richtig sein. Eine Anleihe diefer Art könne nur mit Zustimmung des Reichstages aufgenommen werden, während man in jenen Blättern zu glauben scheine, daß eine solche Finanzoperation ohne Zustimmung des Reichstages vorgenommen werden könnte.

Geheimer Legations⸗Rath Dr. Kayser: Auf die Anfrage des Abg. Richter könne er erwidern, daß in der That Verhandlungen wegen Aufnahme einer Anleihe für das Schutzgebiet von Kamerun schwebten, und zwar solle für diese Anleibe, nämlich zur Verzinsung und Tilgung derselben, ein Theil der Einkünfte des deutschen Schutzgebiets von Kamerun verwendet werden. Nach dem Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Schutzgebiete sei im 5§. 1 ausgesprochen, daß dem Kaifer in den Schutzgebieten die Schutzsewalt. zu⸗ stehe. Dieser Paragraph verdanke seine Entstehung der Initiative der damaligen Reichstags kommission, nach einem Antrage der Abgg Dr. Haenel und Dr, Meyer; und nach den Erklärungen in der Kommission selbst, wie nach dem Kommissionsbericht und nach den Berathungen in diesem hohen Hause müsse man es als ganz zweifellos ansehen, daß die oberste Finanzhoheit in den Kolonien dem Kaiser zustehe, und daß in dieser Beziehung in dem Gesetz selbst keine Beschränkung vor⸗ banden sei. Sei das aber der Fall, so könne auch der Kaiser oder mit seiner Ermächtigung die Kaiserliche Regierung in den Schutz⸗ gebieten eine Anleihe aufnehmen, und zwar ohne daß es hierzu, wie er glaube, der Mitwirkung des Reichstages bedürfe. Nun sei es ja ganz selbstverständlich, daß, wenn zu dieser Anleihe Einnahmen des Schutzgebiels verwendet würden, die nachher zur Deckung der Kosten für die Verwaltung des Schutzgebiets nicht ausreichten, dann die verbündeten Regierungen sich an den Reichstag wenden müßten, um den Reichstag um einen Zuschuß für die Verwaltung des Schutzgebiets zu ersuchen. Es wäre sogar angemessen, daß, wenn eine folche Eventualität erwartet werden sollte, schon vorher bei Aufnahme der Anleihe die verbündeten Regierungen an eine Bethei⸗ ligung des Reichktages dächten. Er sage aber, so liege die Sache nicht. Im Einvernehmen mit den betheiligten Häusern sei eine außer⸗ ordentliche Vermehrung der Einkünfte des Schutzgebiets in Kamerun in Äussicht genommen dergestalt, daß die Regierung in der Lage sein werde, mindesteng die doppelte Summe zu erhalten, welche zur Ver⸗ zinfung und Tilgung diefer kleinen Anleihe es seien im Großen und Ganzen etwa 1 Millionen in Aussicht genommen ausreichen würde. Er könne alfo nach menschlicher Vorautsicht den Fall als gar nicht gegeben ansehen, daß die verbündeten Regierungen in der Lage wären, zur Deckung der Kosten für die Verwaltung des Schutz gebiets den Reichstag angehen zu müssen; sondern er glaube vielmehr, daß noch eine erhebliche Summe übrig bleiben werde, die zu weiteren laufenden Ausgaben in dem Schutzgebiet von Kamerun werde ver—⸗ wendet werden können. Diese Anleihe, die aufgenommen werden selle und eben weil die Verhandlungen schwebten, vermöge er nähere Details hier nicht anzugeben —, solle eine durchaus produktive sein. Jeder gute Hausvater und jeder gute Kaufmann würde unter ähnlichen

Umständen gar keine Bedenken tragen, ein solche Anleihe aufzunehmen. Er sei gam fest überzeugt, daß, wenn sie zu Stande kommen sollte und wenn die Regierung bei der Berathung des nächsten Etats vor den Reichstag trete, dieser damit ganz zufrieden sein werde. Denn man könne eine ganze Reihe von Ausgaben, die zur Hebung der Kultur im Schutzgebiete, zur Förderung von Handel, Verkehr und Schiffahrt nothwendig seien, aus den laufenden Einnahmen nicht be⸗ streiten, weil diese eben nur ausreichten, um die Ausgaben zu decken. Man bedürfe einer größeren Summe zur einmaligen Verwendung, und diese Summe solle die Anleihe verschaffen; da die Wirkungen dieser Anleihe den zukünftigen Geschlechtern vor allem zu Gute kommen würden, so zieme es sich auch, daß man einen Theil der Lasten auf sie abwälze. Das sei der ganze Zweck, den die Regierung mit der Anleihe verfolge. Sie glaube, daß hierzu formell eine Genehmigung des Reichstages nicht erforderlich sei, ebenso wenig, was ja auch Seitens des Abg. Richter anerkannt sei, wie bei der Aufnahme der Anleihe für das ostafrikanische Schutzgebiet eine Genehmigung des Reichstages verfassungs mäßig gebeten gewesen sei.

. Abg. Dr. Freiherr von Stauffenberg: Aus diesen Aus⸗ führungen sei ihm manches klar geworden, aber nicht die Hauptsache. Er frage: wer nehme die Anleihe auf und wer werde der Schuldner dieser Anleihe?

Geheimer Legations⸗Rath Dr. Kavyser: Die Anleihe werde nicht von dem Reich in der Weise aufgenommen, daß das Reich der Schuldner werde. Die Sache verhalte sich folgendermaßen. Die Regierung stelle für die Verzinsung und Tilgung der Anleihe aus den Einkünften des Schutzgebietes von Kamerun eine bestimmte Summe bei einer Bank zur Verfügung. ohne daß jedoch das Reich eine Haftung über nehme, wenn diese Summen nicht eingingen.

Vom Abg. Richter ist der Antrag eingegangen, zu erklären, daß die verbündeten Regierungen verfassungmäßig nicht berechtigt seien, Anleihen ohne Zustimmung des Reichtags aufzunehmen im Interesse der Schutzgebiete und unter Verpfändung dortiger Einnahmen.

Abg. Richter: Er sei in hohem Maße erstaunt über die Ant⸗ wort des Regierungs vertreterg Er habe geglaubt, die Phantasie gewisser Kolonialschwärmer hätte irrige Nachrichten verbreitet Was habe es für einen Zweck, wenn überhaupt außerordentliche Aufwen⸗ dungen von 14 Millionen Mark angemessen seien, den Reichstag zu umgehen? Das Reich könne viel billiger Geld aufnehmen, als es mittels solcher Manipulationen möglich sei. Das Reich bekomme eine Anleihe gegen 30so für 8c. 40, während ein Konsortium, das eine solche Anleihe begebe; mindestens 5 oo mehr bezahlen müßte für eine ãhnliche Summe Der Standpunkt überhaupt, einzelne Einnahme⸗ quellen des Staats zu verpfänden, um eine Anleihe aufzunehmen, sei ein solch veralteter, barbarischer, in der ganzen Finanzwirthschaft ein wahr⸗ haft afrikanischer, daß man sich wundern müsse, wie man auf solchen Gedanken kommen könne. Sobald die Regierung eine Zolleinnahme ver⸗ pfände, beschränke sie sich die Disposition, uͤber diese Zölle ander weitige Bestimmungen zu treffen. Die Haupteinnahme aus diesen Zöllen entstehe aus der von allen Seiten, so mißbilligten Schnaxs einfuhr. Durch Verpfändung dieser Zolleinnahme mache die Regie⸗ rung irgend welche Kulturmaßregel gegen die Schnapßeinfuhr unmög⸗ lich. Auf den Gedanken einer solchen Anleihe könne nur Hr. Wör mann gekommen sein, der auch in den Kolonialblättern als der bezeichnet werde, der sich in Berlin darum verwendet habe. Entweder habe die Sache die Zustimmung des Reichstages, dann liege kein Grund vor, diese Sache auf künstlichem Wege zu machen, oder sie habe nicht die Zustimmung des Reichstages, dann sollte man diese Hinterthüren nicht betreten, um Gelder zu erlangen, von denen man annehme, daß man sie auf geradem Wege nicht erlangen könne. Er könne nicht annehmen, daß irgend Jemand bei dem Gesetz über die Schutzgebiete daran gedacht habe, allgemeine Bestimmungen der Ver fassungsurkunde und die Finanzgesetze für einzelne Gebiete außer Kraft zu setzen. Das Geldbepwilligungsrecht des Reichstages werde hie geradezu in Frage gestellt. Was in Kamerun geschehe, könnte in viel größerem Umfange in Ost⸗Afrika vorkommen. Man könnte in Ost Afrika unter weiterer Verwendung der Zölle größere Anlehen für Eisenbahnprojekte, etwa im Betrage von 26 bis 30 Millionen aufnehmen. Er habe den Eindruck, daß die Regierung selbst nicht ganz die Tragweite der Maßregel in rechtlicher, finanz- politischer und kolonialpolitischer Beziehung erwogen habe, er stelle daher den Antrag, weil er nicht annehmen könne, daß man diese Frage vollständig in ihrer vollen Tragweite im Reichstage gegenwärtig zu erfassen vermöge, den Titel des Gouverneurs im Kolonial Etat mit seinem Antrage an die Budgetkommission zurückzuverweifen.

Abg. Dr. von Bennigsen: Materiell könne er sich ohne nähere Prüfung für den Antrag Richter nicht aussprechen. Im Interesse des früheren Kollegen Woermann erkläre er, daß er nicht wisse, wober der Abg. Richter die Berechtigung zu dem heftigen Angriff gegen den— selben genommen habe. Allerdings habe diese Frage eine weitgehende Bedeutung, nicht nur für die Verwaltung in Kamerun. Durch den Vertreter der Regierung sei die Angelegenheit weder thatsächlich noch rechtlich genügend dargestellt und unter diesen Umständen sei eine nähere Prüfung in der Budgetkommission angezeigt. Er beantrage, den Antrag Richter in die Budgetkommission zu überwessen, sehe aber keinen Grund, weshalb auch der Titel überwiesen werden solle. (Sehr ei n ö . d

g. Richter; Hrn. Woermann zu nennen, sei er dadurch ver⸗ anlaßt, daß in den Blättern, die Hrn Woermann . fort⸗ gesetzt bemerkt worden sei, daß eine Deputation, unter Führung des Hrn. Woermann, in Berlin gewesen sei, um die Sache zu ketreiben und daß die Regierung endlich dem Wunsch des Hrn. Woermann nachgekommen sei, Auf die Ueberweisung des Etats ntels könnte er verzichten, wenn Sicherheit bestände, daß ohne die Verknüpfung mit dem Etat die Sache so rechtzeitig zur Aussprache komme, daß, bevor die Sache perfekt werde, ein Urtheil des Reichs tages möglich sei. Aber man beabsichtige schon in den nächsten Tagen mit der Anleihe an der Börse vorzugehen. Würde von der Re— gierung erklärt, daß dies nicht der Fall sei, und man jedenfalls die Entscheidung des Reichstages, wozu er die Regierung verpflichtet halte, abwarten wolle, so hätte er keinen Anlaß, die Fertigstellung des Etats n . .

g. Dr. von Bennigsen: Zu seinem Eintreten für Hrn. Woermann hätte er keine Veranlassung genommen, ö . Rickter nur Thatsachen habe mittheilen wollen. Aber, er (Redner) appellire an die Mitglieder des Hauses, nach dem Inhalt seiner Rede habe der Abg. Richter scheinbar Hrn. Woermann als Urheber des Vrojekts für die Verfassungsverletzung verantwortlich machen wollen. Dagegen habe er (Redner) Verwahrung einlegen müssen.

Abg. Richter: Für die Verfassungs verletzung Hrn. Woermann verantwortlich zu machen, sei ihm nicht in den Sinn gekommen. Er halte Hrn. Woermann nicht für eine solche Autorität in Bezug auf die Rechtsfrage. Er habe ihn nur als Vertreter der Interessen von Kamerun anführen wollen.

Damit schließt die Diskussion.

Abg. Richter (zur Geschäftsordnung): Da von der Regier die Erklärung, mit der Ausführung der . bis zur e fassung des Reichstages warten zu wollen, nicht ergangen sei, so könne er nicht von der Ueberweisung des Gouverneurtitels an die Kom— . . d die Reb Darauf wird die Ueberweisung des Antrages Richter be— schlossen, der Titel selbst aber bewilligt. h

Beim Etat des Reichsamts des Innern bemerkt zum Titel für das Germanische Museum in Nürnberg Abg. von Meyer Arnswalde: Die Reichsregierung gebe für Kunstzwecke unglaublich wenig aus. Was im Etat stehe, diene nur für kunstgeschichtliche und archäologische Zwecke, aber nicht zur Förderung der lebenden Runst. Nur 20 000 S zur Unterstützung der deutschen Kunst bei der Theilnahme an internationalen Kanstautstellungen, das sei der einzige Posten, den das Reich für die lebende Kunst zur Verfügung habe. Sparsamkeit an dieser Stelle sei wirklich ein Laster. Han sage, nach der Verfassung sei dag keine Aufgabe des Reich. Aber gebe man diefe 20 000 S6 für die Betheiligung an Kunst— ausstellungen, so könne man auch für andere Zwecke mehr thun. Die

Regierung sollte zur Förderung der monumentalen Plastik und Malerei im Stat Seiner Majeslät dem Kaiser einen Fonds zur Verfügung stellen zu Gnadenbewilligungen für diese Zwecke. Seine Majestãt würde das sicher nicht abweisen und er bitte die Regierung, im nächsten Etat eine solche Summe einzustellen. Das Reich bezahle für den Haushalt der Krone keinen Groschen. Die Förderung der Kunst ge⸗ höre zu den Pflichten der Krone, und es biete sich hier die Gelegen⸗ heit, den. Glanz der Kaiserkrone zu erböhen.

Beim Kapitel Reichs⸗Gesundheitsamt“ bemerkt

. Abg. Dr. Barth:; Sein Antrag auf Aufbebung des Verbots der

Einfuhr von amerikanischen Schweinen und Schweineprodukten sei in der zweiten Lesung abgelehnt worden und zwar gegen die Stimmen der ganzen Linken einschließlich der Nationalliberalen; aber der Abg. Dr. Windthorst habe sich dagegen verwahrt, als ob seine Stimme gegen den Antrag so aufzufassen wäre, daß er materiell das Ein—⸗ fuhrverbot aufrecht erhalten wissen wollte, und habe erklärt, daß die Zurückziebung des Verbotes gegebenen Falls nothwendig sei. Wenn die Regierung also Maßregeln zur Aufhebung des Verbotes treffen würde, würde Fie sich in Uebereinstimmung mit der großen Mehr⸗ heit befinden. Inzwischen hätten sich noch einige Nova ereignet. Am 2. März sei im Kongreß der Vereinigten Staaten ein neues Geseß durchgegangen, betreffend Ueberwachung von lebendem und geschlachtetem Rindvieh und Schweinen, wonach zum Export be— stimmtes Vieh einer besonderen Untersuchung unterliege und gesunde Thiere mit einem besonderen Kennzeichen versehen sein müßten. Der Senat habe das Gesetz ebenfalls angenommen. Man bemühe sich also in Amerika, alle Bedenken der Kontinentalstaaten gegen die Einfuhr amerikanischen Fleisches möglichst aus der Welt zu schaffen. Man habe es hier mit einem befreundeten Staat zu thun, und da sollte die Regierung untersuchen, ob nicht unter den veränderten Ver⸗ hältnifsen das Einfuhrverbot aufzuheben sei. Nach der Entwickelung der Dinge in der französischen Deputirtenkammer sei es wahrscheinlich, daß dort das Einfuhrverbot in Kürze aufgehoben werden würde. Deutschland würde dann mit seinem Einfuhrverbot ganz isolirt sein. Endlich sei man nach seinen Privatinformationen in den deutschen Safen der Untersuchung nähergetreten, ob sich ermöglichen ließe, in den Importhäfen das importirte Schweinefleisch einer obligatorischen Trichinenschau zu unterwerfen. Man sei in den betheiligten Kreisen davon durchdrungen, daß eine solche Trichinenschau ohne Schwierigkeit einzuführen sei. Dann würde der letzte Grund zu sanitären Bedenken fortfallen. Er frage die Regierung, ob sie nunmebr nicht dazu über gehen wolle, durch Aufhebung des Einfuhrverbots die ärmere Be— völkerung mit billigem Fleisch zu versehen.

Staatssekretär Dr. von Boetticher:

Ich kann dem von dem Herrn Vorredner ausgedrückten Wunsche gegenüber nur wiederholen, was ich bereits bei der zweiten Lesung des Etats gesagt habe, daß für die verbündeten Regierungen protektionistische Rücksichten nicht maßgebend sind, daß vielmehr der Aufhebung des Fleischeinfuhrverbots aus Amerika näher getreten werden wird, sobald eine Sicherheit dafür gegeben ist, daß wir nur der Gesundheit unschädliche Waaren von dort bekommen. Die Untersuchung und die Herren werden daraus ersehen, daß wir auch nach Ablehnung des Antrages des Herrn Vorredners uns mit der Frage beschäftigt haben, die Untersuchung, die wir angestellt haben, hat bis jetzt uns noch nicht die Ueberzeugung gewähren können, daß die Einrichtungen, welche Amerika getroffen hat, um sicher zu stellen, daß nur gesundheitsunschädliches Fleisch aus Amerika nach Deutschland importirt wird, zureichend sind. Das Gesetz, welches im vergangenen Jahre bezüglich der Fleischschau erlassen ist, läßt in Berg aaf die Benußung der Jefroff enen. Cinichtnm gen Alles in das Belieben der Exporteure Festellt, e * ist ein Zwang ür Unter- suchung nicht vorgeschrieben. Nach den Berichten, die wir nach Erlaß des Gesetzes über den Umfang der Benutzung der durch das Gesetz gegebenen Fakultäten erhalten haben, ist es außer Zweifel, daß von diesen Fakultäten zum Zwecke des Erports fast gar kein Gebrauch gemacht ist. Weiter steht fest, daß in dem Gesetz eine mikroskopische Untersuchung überhaupt nicht vor geschrieben ist, sodaß also die Untersuchung, für welche Fleischbeschauer in New · Vork, Chicago und Cansas City bestellt sind, gar nicht die Gewähr dafür giebt, daß wir trichinenfreies Fleisch von dort be— kommen. Diese Zustände haben namentlich auch in den Kreisen der amerikanischen Thierärzte lebhafte Bedenken hervor— gerufen und diese Bedenken haben die Wirkung gehabt, daß neuerdings ein Gesetzentwurf vorgelegt ist, welcher den Mãngeln des älteren Gesetzes thunlichst abzuhelfen sucht. Uns ist darüber eine offizielle Nachricht, welche Aufnahme dieser Gesetz entwurf im Repräsentantenhause und im Senat gefunden hat, bis jetzt nicht zugegangen. Jedenfalls steht soviel fest, daß dieses neuere Gesetz bis jetzt nicht publizirt, also auch noch nicht durchgeführt ist. Wir sind also heute noch nicht in der Lage, den Wünschen des Hrn. Abg. Barth näher zu treten.

Was die Einrichtung von obligatorischer Fleischschau an unseren Seeplãtzen anlangt, so ist mir allerdings bekannt geworden, daß man in den dortigen Interessentenkreisen damit umgeht, solche Ileischschau einzuführen. Ob diese Fleischschau demnächst eine Sicherung dafür geben wird, daß gesundheitsschädliches Fleisch in Deutschland nicht zum Genusse kommt, werden wir abwarten müssen, wenn diese Fleischschau eingeführt sein wird. Ich wiederhole also: wir stehen der Aufhebung des Fleischeinfuhrverbots keineswegs feindlich gegenüber; aber wir haben die Verpflichtung und auch den Willen, dafür zu sorgen, daß alles Gesundheitsschädliche von unseren Grenzen ferngehalten wird. (Bravo! rechts.)

ö Ordinarium des Reichsamts des Innern wird be— willigt.

Beim Extraordinarium beantragen die Abgg. Frei

nntt Freiherr von Huene und Graf Behr die in der zweiten Lesung nur in der Höhe von 15 Millionen Mark bewilligte Forderung . ein ö . Reichs-Versicherungsamt in der ursprüngli von der Regierung geforderten Höhe von 1,9 Millionen zu bewilligen. dh

Der Abg. Graf Behr befürwortet diesen Antrag damit, daß inzwischen die superrevidirten Pläne vorgelegt seien und in Folge dessen neben den Grunderwerbskosten auch die erste Baurate bewilligt werden könne.

Staatssekretär Dr. von Boetticher:

Meine Herren! Ich möchte diesen Antrag dringend unterstützen. Es ist Ihnen jn erinnerlich, daß die Absetzung der Summe, um welche es sich hier handelt, lediglich um deswillen beantragt und vom Hause be⸗ schlossen war, weil die Pläne und Anschläge für den Neabau des Reichs · Vvrsicherungẽamts noch nicht die vorgeschriebene Superrevision ö Königlich preußischen Ministerium der öffentlichen Arbeiten passirt

atten.

Diese Superrevision ist inzwischen beendet und nachdem Sie einmal die Kosten für den Grunderwerb bewilligt haben, wird es auch für Sie im Interesse der Sache liegen, die als erste Baurate im Etatsentwurf geforderte Samme zu bewilligen, denn sonst würden

wir lediglich den Grunderwerb bewirken können und ein Baujahr

verlieren, was Niemandem nützt, im Gegentheil schadet, wꝛil wir auch die Zinsen verlieren würden.

Also bitte ich Sie dringend, daß Sie nach dem Antrage des Hrn. von Huene und Graf Behr, denen ich fär die Einbringung des Antrages sehr dankbar bin, 1 900 000 M bewilligen.

.

Die Forderung wird nach dem Antrage von H;

2 n Huene a,. . 8

ei der Forderung für das Reichstagsgebä—

? U ban, z . ö bg. Dr. Freiherr von Stauffenberg: In dem bunten Bi der Debatte komme er über das Schweinefleisch und das . Versicherungsamt auf die Rede des Abg. von Meyer zurück. Der Reichs⸗Etat könne für eigentliche Kulturzwecke, für Kunst und Wiffen⸗ schaft nicht die von den Einzelstaaten dafür geleisteten Summen erreichen, aber es könnte doch viel mehr geschehen zur Unterstützung der lebenden Kunst. Dieser Titel gebe dem Reichstage für die Zukunft reiche Gelegenbeit, sein Interesse für die Kunst zu bethätigen. Was die Kunst vermöge, müsse im neuen Reichstags gebäude in würdiger Weise Verwendung finden. Aus Anlaß der Debatte in zweiter Lesung sei von der gesammten deutschen Künstlerschaft eine Petition einge⸗ gangen, bei deren Berathung seine Partei darauf zurückkommen werde. Bei der damaligen Bemängelung der Beschlüsse der Reichstagsbau— kommission hätten aber einige Mißverständnisse obgewaltet. Den Enthusias mus für die Bekleidung der Wände mit Marmor oder anderem Stein könne er nickt theilen. In vielen Prachtbauten in Deutschland, Italien und Frankreich sei stucco di lestro gerade so angewendet, wie hier geschehen solle. Es sei so dargestellt worden als ob zu dem Material der Säulen nur istrischer Stein ver⸗ wendet werden könne. Nach seiner individuellen, allerdings nicht sachverständigen Meinung könnten ebensogut auch deutsche Stein⸗ sorten genommen werden, um so mehr, da es sich hier um einen deutschen Bau handele. Ferner bestehe in künstlerischen Kreisen die Auffassung, als ob die innere Ausschmückung des Reichstagsgebäudes mit plastischen Werken und mit Bildern jetzt auch schon in Angriff genommen werden solle, so daß man im Verlauf der 90er Jahre das Gebäude gleich vollständig fertiggestellt bekomme. Bisher sei nun an keinen außerhalb Berlins wohnenden deutschen Künstler ein derartiger Auftrag gekommen, so daß in jenen Kreisen befürchtet werde, daß nicht die gesammte deutsche Künstlerschaft, sondern nur ein engerer Kreis mit der Ausführung betraut werden solle. Dies wäre allerdings sehr verfehlt und mit der Unterstützung der deutschen Kunst es handle sich hier nicht nur um eine Berliner Kunst durchaus nicht zu vereinbaren. Er höre aber zu seiner Freude unter der Hand, daß diese Bedenken nicht beständen. Die künstserische Ausschmückung des Reichstages sollte nicht übereilt werden. (Zustimmung.) Sie könnte auch bis zur Beziehbarkeit des Gebäudes nicht fertiggestellt werden. In Bezug auf die känstlerische Ausschmückung müßte aber ein bestimmter Plan in seinen Grundzügen festgelegt werden, der im Laufe der Jahre in seinen Einzelheiten ja noch verändert werden könnte. Zudem seien die Künstler ersten Ranges nur solche seien hier zu verwenden nicht aus dem Boden zu stampfen, man müsse abwarten, ob für das bestimmte Bildwerk auch der richtige Mann zu finden sei. Die künstlerische Ausschmückung des Berliner Rath hauses, welches schon über zwanzig Jahre stehe, insbefondere mit Bildwerken, sei auch noch nicht vollendet. Die Auswahl der Gegenstände für die plastische und bildnerische Darstellung sei keineswegs leicht. Das gehe eigentlich über die Kompetenz einer Reichstagsbau-Kommission hinaus. Man solle sich deshalb Zeit lassen, aber dann auch an der künstlerischen Ausschmückung nicht sparen. Diese Summen würden im besten Sinne zur Unterstuͤtzung der deutschen Kunst gegeben. (Lebhafter Beifall.)

Staatssekretär Dr. von Boetticher:

Ich bin dem Herrn Redner sehr dankbar für seine Ausführungen, um so mehr, als sie sich mit meinen eigenen Anschauungen Über die weitere Behandlung der Ausschmückung des Reichstazsgebäudes durchaus decken. Zunächst kann ich ihm die Beruhigung geben, daß, was die Betheiligung der deutschen Kunst an der Ausschmückung des Gebäudes anlangt, schon jetzt eine gleichmäßige Betheiligung von Künstlern ersten Ranges aus ver schiedenen Theilen des Reiches eingetreten ist. Es wird auch weiter so verfahren werden, und ich bin namentlich auch damit ganz einver- standen, daß man die Bestimmung darüber, wie man gewisse Räume, z. B. die große Wand im Sitzungssaale oder die Kuppel der großen dalle dekoriren will, nicht übereilt, sondern daß man sich - die Sache in aller Ruhe überlegt und sich damit begnügt, wenn bis zu dem Zeitpunkte, wo das Gebäude fertig gestellt und in Benutzung genommen wird, diese Dekorationen noch nicht fertig gestellt sind.

Was die Dekorationen im Einzelnen anlangt, namentlich die Dekorationen im Innern, so hat die Reichstags Baukom⸗ mission sich mit diesen Fragen eingehend noch nicht beschäftigt. Es läßt sich aber erwarten, daß bei dem Fortschritt, den die Pläne des leitenden Architekten in dieser Beziehung gemacht haben, wir in nicht zu ferner Zeit in Berathung darüber treten werden, welche Vorschläge uns als die annehmbarsten er— scheinen.

Die Frage des echten oder unechten Materials beantworte ich ebenso, wie der Herr Vorredner. Auch das sogenannte unechte Material, wenn es in einem guten, dauerhaften und geschmackvollen Stück besteht, wird dem Gebäude nicht zur Unzier gereichen, und es wird, wie ich jetzt auf Grund einer recht sorgfältigen Be⸗ rechnung sagen kann, dem Reich eine sehr erhebliche Summe, wahr scheinlich über 1 Million hinaus ersparen. Außerdem wird seine Verwendung dazu beitragen, daß mit Sicherheit das neue Haus im Herbst des Jahres 1894 bezogen werden kann, während andernfalls ein Hinausschieben der Bauzeit um mindestens zwei Jahre über jeden Zweifel erhaben ist, und das umsomehr, weil es von dem istrischen Stein, von dem der Herr Vorredner gesprochen hat, zur Zeit noch nicht feststeht, ob er in der erforderlichen Quantität in so karzer Zeit zu beschaffen sein wird, dergestalt, daß, wenn man die Vollendung des Baues erst für das Jahr 1896 in Aussicht nimmt, dieser Termin nicht als ein absolut feststehender wird angesehen werden können. Ich glaube, daß auch die Reichstagsbau⸗Kommission bei näherer Betrachtung der ihr zugehenden Vorlagen in dieser Beziehung meine Auffassung theilen und sich zu dem Schlusse vereinigen wird, daß es genügt, preiswürdig, solide und geschmackvoll zu bauen. Wenn wir diese drei Bedingungen erfüllen, dann haben wir Alles gethan, was wir im Jateresse des Reichs und des Gebäudes zu thun haben. (Beifall.)

Der Etat des Reichsamts des Innern wird bewilligt. Bei dem Elat de r Kapitel

1 21 * 31

von el; Vier

schlener Diese Broschů l ff erschienen. Diese Broschüre habe ein ungeheueres Aufsehen

r* Man behanwteter . 5 5.

erregt. Man h rin behaupteten Thatsachen für

unglaublich gehalten und eint, sie würden sich bei gericht⸗ n sich bei gerich