mache das für ihn viel aus. Die Arbeiter seien ferner verpflichtet), nach Anordnung des Direktors auch an Sonn- und Feiertagen zu arbeiten. Auch die Strafen seien sehr merkwürdig. Bei zweistündiger Verspätung würden für jede Viertelstunde 19 , im Wiederholung falle 20 * abgefordert. Bei Brand⸗, Wasser⸗ und anderen Schäden seien die Arbeiter verpflichtet, für die Bewachung und Erhaltung des Königlichen Cigenthums nach besten Kräften zu sorgen, ohne dafür entschädigt zu werden. Das sei doch mehr als stark. Ferner müsse jeder Arbeiter vor seiner Aufnahme die Erklärung abgeben, daß er keinem Vereine oder keiner Verbindung angehöre, die sozialdemo⸗ kratische Tendenzen verfolge, auch als Gast d. Versammlungen nicht beiwohnen wolle bei Vermeidung der Strafe sofortiger Ent- laffung. In Amberg sei ein alter Arbeiter entlassen worden und habe dadurch nach dem Statut der Pensionskasse alle seine Ansprüche an diefselbe verloren. Cine folche Benachtheiligung der Arbeiter dürfe man unter keinen Umständen ruhig durchgeben laffen. Als der Abg. Molkenbuhr neulich auf die verschiedenartigen Entlassungszeugnisse aufmerksam gemacht habe, sei eine FIntrüstung durch die Reihen der Gegner gegangen, daß solche Dinge zur Sprache gebracht würden, die garnicht möglich sein könnten. Aber in Amberg würden auch zwei Arten von Zeugnissen ausgestellt, große und kleine, und der Besitzer der letzteren Art bekomme sehr schwer anderswo Arbeit. Die Kantinen. wirthschaft sei auch in der Fabrik von Amberg eingerissen. Das dort für gutes Geld verabreichte Bier solle ganz ungenießbar sein. Abzüge vom Lohn seien auch in dieser Anstalt an der Tag esordnung, und die Arbeitszeit dauere dafelbst von 6 Uhr Morgens bis 7 Uhr Abends mit einer einstündigen Pause, also zwölf Stunden. Beim Ein ⸗ streichen ihres Lohnes müßten die Arbeiter wöchentlich 27 9 Stempel gebühr zahlen. Er wisse nicht, was das für eine Stempelgebühr fei. Die Luft in der Fabrik sei so schlecht, daß die Direktion erst auf die Klage der Arbeiter sich veranlaßt gesehen habe, eine bessere Ventilation einzurichten. Merkwürdigerweise würden in Am⸗ berg sehr viel junge Leute unter sechzehn Jahren beschäftigt, und zwar ebenso lange wie die Erwachsenen. Nach der Gewerbeordnung fei das nicht zulässig. Auch die Strafen dort seien geradezu groß⸗ artig. Was die Pensionskasse der Fabrik in Amberg betreffe, so habe die Regierung in der bayerischen Kammer versprochen, dahin wirken zu wollen, daß die Arbeiter, welche Jus der Fabrik austräten, die in die Pensionskasse eingezahlten Gelder zurückerhielten. Der eigentliche Stamm der Arbeiter betrage in Amberg. 3 — 00 in manchen Zeiten würden aber 1009) — 16500 beschäftigt, und alle die wieder Austretenden verlören ihre Ansprüche, hätten alss in fremde Taschen gezahlt. Er hoffe, daß man an diesen wenigen Beispielen genug habe nnd auf Aenderung dringen werde.
Bundeskommissar Oberst Weizel: Er wisse nicht, ob der Vorredner alle die Einzelheiten über die Fabrik in Spandau aus eigener Einsichtnahme in die Fabrik oder aus den paar Zeitungsausschnitten, die er verlefen, oder aus ein paar Briefen, die er von einzelnen Ar⸗ beitern bekommen, gewonnen habe. Er (Redner) nehme das. letztere an, denn seine Kenntniß von den Einrichtungen der Fabrik in Spandau fei doch eine wesentlich andere als die des Vorredners. Die Ver— sicherung könne und müsse er im Namen der Heeresvmerwaltung geben, daß, wenn in den Fabriken in Spandau, die eine große Anzahl von Arbeitern in den letzten Jahren beschäftigt hätten, Mißstände vorhanden seien, die Heeresverwaltung eifrigst bestrebt sein werde, diese Mißstãnde abzustellen. An die Heeresverwaltung trete aber die Frage heran, ob das, was der Vorredner Mißstände genannt habe, auch wirklich Mißstände seien. Erkenne die Heeresverwaltung an, daß Mißstände vorhanden seien, so werde sie nicht versäumen, sie abzustellen. Aus den vielen Einzel- heiten wolle er nur einen Fall herausgreifen und als unrichtig zurück- weisen. Es sei nicht richtig, daß die Arbeiter an den vom Vor redner als „‚sogenannten“ bezeichneten patriotischen Festen je 3 aus den Kantinenmitteln erbielten. Die Bezahlung von 3 (66 an den Tagen, an welchen die Arbeiter nicht arbeiteten, beruhe auf einer Ver⸗ fügung des Kriegs Ministers, wonach sämmtlichen Arbeitern für solche Tage auß den vom hohen Hause bewilligten Fonds 3 „ ausgezahlt würden, alfo nicht aus dem Kantinenfonds. Außerdem werde ihnen aus den vom Reichstage bewilligten Mitteln noch ein nambafter Zuschuß geleistet, so daß die 3 ( freies Eigenthum des Arbeiters seien und blieben. Wenn gemeinschaftliche Feste gefeiert würden, so würden dazu Seitens des Ministeriums besondere Mittel bewilligt. Der Vorredner behaupte noch, daß die Arbeiter bis Morgens ö Uhr bei dem Feste zurückgehalten worden seien. Zurückgehalten werde offiziell Niemand; jedem Arbeiter stehe frei, sich an dem Feste zu be⸗ theiligen oder nicht, und wer nicht bis Morgens 15 Uhr bleiben könne, könne vorher weggehen. Der Vorredner habe ferner über zie Mangelhaftigkeit der Räume in der Gewehrfabrik gesprochen. Er (Redner) gebe das in gewissem Sinne zu; denn in den letzten Jahren sei bekanntlich ein derartiger Betrieb in den technischen Instituten in Spandau gewesen, daß eben alle Räume ausgenutzt worden seien. Während eines vielleicht auf nur kurze Zeit erhöhten Betriebes könne die Heeresverwaltung absolut nicht größere Räumlich— keiten herstellen. Im Uebrigen habe er und auch noch Andere, die in die Fabrilen gekommen seien. überall die Ueberzeugung gewonnen, daß für das Wohl und die Gesundheit der Arbeiter ausreichend ge— sorgt sei. (Beifall rechts.) .
Baverischer Bundegbevollmächtigter Oberst Ritter von Hagg; Bezüglich der Klagen des Abg. Ulrich über Mißstände in der Gewehrfabrik Amberg sei ihm irgend eine amtliche Darstellung nicht bekannt, er könne alfo eine Richtizstellung oder Aufklärung nicht geben. Die bayerische Kriegsverwaltung trage jedoch mit voller Wärme für die Arbeiter in den Etablissements Sorge, und er müsse deshalb den Folgerungen des Abg. Ulrich aus dem Reglement der Gewehrfabrik mit voller Entschiedenheit entgegentreten. Er versichere, daß Seitens der bayerischen Kriegsverwaltung jeder Mißstand, der zur Kenntniß derselben gelange, untersucht und abgestellt werde. .
Abg. Ulrich: Seine Mittheilungen beruhten zum Theil auf Zeitungsnachrichten, hauptsächlich aber auf Zuschriften von Arbeitern selbst; seien diese thatfaͤchlich unrichtig, so könne er nicht dafür, er habe das Interesse der Arbeiter nach besten Kräften vertreten; wenn aber seine Anregungen eine Beseitigung der Uebelstände zur Folge haben sollten, so werde er sich doxpelt freuen und sehr geehrt fühlen.
Auf eine Anfrage des Abg. Szmu la bemerkt 5
Geheimer Kriegsrath Koch, daß die Reglements der Militär- wittwenkaffe allerdings zu gewissen Härten insofern führten, als erstens die älteren pensionirten Offiziere an Stelle des früheren Beitrags immer noch einen Wechsel dexoniren und verzinsen müßten, und als zweitens bei Zahlung von Wittwenpensionen ein Karenzjahr bestehe. Wo diese Härten gar zu schwer würden und Abhülfe nöthig werde, könne diefelbe aber nicht aus den Fonds der Wittwenkasse erfolgen, sondern nur aas Unterstätzungsfonds, denn die Wittwenkasse werde nach bestimmten gesetzlichen, der Abänderung durch die Verwaltungs⸗ beßörden nicht zugänglichen Normen verwaltet. [.
Der Rest des Etats der Militärverwaltung wird
genehmigt. K Zum Etat der Marinever waltung, Kapitel „Werft⸗ betr eb“, bemerkt . . Abg. Bruhns: Entgegen den dem Reichstage in der zweiten Lesung gemachten Mittheilungen müsse er konstatiren, daß die von der kalserlichen Werftverwaltung in Wilhelmshaven gezahlten Löhne niedriger seien, als die bei privaten Arbeitgebern; die von der Werft gezahlten Löhne genügten nicht zum Lebensunterhalt, zumal die klimatifchen Verhältniste eine besonders gute Nahrung und Lleidang nöthig machten. Ferner beklagten sich die Arbeiter über die geringen Sätze der für Akkordarbeit gezahlten Lohne. Ganz besonders unangenehm fei den Arbeitern aber die Arbeitsordnung der Werften, in weicher z. B. stehe, daß Arbeiter, die zu sozialdemokratischen, nihilistifchen oder sonstigen die Staatsordnung bekämpfenden Vereinen gehörten, entlaffen werden sollten. Er sehe nicht ein, was die Werftverwaltung sich um die politische Meinung, der Arbeiter zu kammern habe. In der Gewerbeordnungsnovelle, die die Regterung vorgelegt habe, bekämpfe sie solche Tendenzen bei Privatarbeit⸗ gebern, also sollte sie selbst solche Tendenzen nicht verfolgen; die
dadurch nicht. Die Fabrikordnung verpflichte die Arbeiter ferner, wenn der Vorgesetzte es für nöthig erachte, auch nach Feierabend und an Sonn. und Feiertagen zu arbeiten; das widerstreite der Gewerbe⸗ ordnung ebenfalls, wenn die Arbeiten sich häuften, müsse man eben mehr Arbeiter einstellen. Einige oldenburgische Gemeinden, die Wil⸗ helmshaven benachbart seien, hätten gewünscht die Werftwasserleitung auf ihre Kosten mitbenutzen zu dürfen. Die Werftverwaltung habe dies abgelehnt, weil die Brunnen dazu nicht ausreichten; daß dies unrichtig sei, folge schon daraus, daß die Leute Wasser aus der Wasserleitung heimlich entnähmen. Zwischen der Werftverwaltung und der Wilhelmshavener Gemeindeverwaltung bestehe ein richtiger Wasserkrieg, da die Werftverwaltung für die Wasserentnahme einen Tarif festgesetzt habe, den die Gemeindeverwaltung habe zurückweisen müssen, weil durch denselben gerade die ärmeren Gemeindemitglieder außerordentlich hart betroffen worden wären. Er würde sich freuen, wenn seine Anregungen die Folge hätten, daß den Beschwerden Ab—⸗ hülfe gegeben würde.
Staatssekretär Hollmann:
Auf die Beschwerden, die der Herr Vorredner vorgebracht hat gegen die Marineverwaltung, habe ich einiges zu erwidern. Hinsichtlich der Löhnungsverhältnisse bin ich mir wohlbewußt, daß die Arbeiter von Wilhelmshaven, die der Werft angehören, mit den Löhnen, welche sie erhalten, nicht voll zufrieden sind, daß sie auf eine Erhöhung hindrängen. Nun ist ja die Marineverwaltung nicht in der Lage, einem solchen Drängen ohne Weiteres entsprechen zu können, sondern wir müssen haushalten mit dem, was wir haben. Die Löhne in Wilhelmshaven und überhaupt auf allen Werften sind den lokalen Verhältnissen entsprechend festgesetzt worden. Wir dürfen im Allgemeinen weder unter noch über die Löhne gehen, welche von privaten Gesellschaften gewährt werden, wir müssen uns sehr strikte daran halten. Wir haben aber auf den Werften ver— schiedene Lohnklassen, und diese Lohnklassen, welche sich unterscheiden in der entsprechenden Höhe der Löhnung, werden den Arbeitern gewährt je nach ihrer Geschicklichkeit und ie nach der Dauer des Dienstverhältnisses auf der Werft. Ich kann also nicht ohne Weiteres dem Herrn Vorredner zusagen und versprechen, daß diese Löhnungsverhältnisse genau nach den Wünschen der Arbeiter geregelt werden. Wir sind in der Lage, sie regeln zu müssen nach den Mitteln, die wir haben, und nach den jeweiligen Verhältnissen. Es werden diese Löhnungen periodisch festgestellt, und ich werde besonders darauf achten, daß die Löhne in Wilhelmshaven der besonderen Kritik der Marineverwaltung noch unterzogen werden, um konstatiren zu können, daß diese Klage keine Berechtigung hat.
Was das Arbeitercorps anbetrifft, welches das Verlangen aus spricht, in die Kategorie von Beamten zu gelangen, so kann ich eine Erfüllung dieses Wunsches nicht in Aussicht stellen. Das Arbeiter corps steht in demselben Verhältniß wie die übrigen Arbeiter; sie stehen in einem Vertragsverhältniß zu der Werft und erhalten eine Löhnung wie die anderen.
Nun kommt die Arbeitsordnung, und das ist wesentlich. Auch hier ist die Arbeitsordnung, wie vorhin für Spandau und Amberg bemängelt worden. Der Marineverwaltung ist gewissermaßen ein Vorwurf daraus gemacht worden, daß in dieser Arbeitsordnung ein Paragraph enthalten ist, welcher die sofortige Kündigung Seitens der Ober⸗Werftdirektion ermöglicht und gestattet, wenn ein Arbeiter einem Verein angehört oder beitritt, welcher sozialistische, nihilistische oder auf den Umsturz der gesellschaftlichen Ordnung abzielende Tendenzen verfolgt. Ja, ich kann aus meiner Erfahrung, soviel ich aus meinem Gedächtniß hier feststellen kann, behaupten, daß Entlassungen aus dieser Ursache ungeheuer selten sind. Es sind Jahre vergangen, ohne daß eine Entlassung aus diesem Grunde stattgefunden hat. Wir können uns aber dieses Mittels zum Zweck nicht ganz entkleiden. Es kann der Ober-⸗Werftdirektion nicht gleich gültig sein, ob sie unter ihren Arbeitern Leute sieht und weiß, die es sich zur Aufgabe stellen, ihre Arbeiter in agitatorischer Weise zu ihren Ueberzeugungen herüberzuführen. Also wir werden immerhin diesen Paragraphen der Arbeits ordnung nicht aufgeben können, wir machen Gebrauch davon je nach dem Bedürfniß, und ich kann wiederholen, womit ich angefangen, daß Entlassungen der Arbeiter aus diesem Grunde sehr selten sind. Ich entsinne mich — nicht aus Wilhelms— haven, sondern nur eines Falls in Kiel in letzter Zeit, aber so lange ich die Ehre habe, in meinem Amt zu fungiren, ist mir nicht mit— getheilt worden, daß eine Entlassung aus diesem Grunde in Wilhelms haven stattgefunden hat.
Hinsichtlich der Verpflichtung, am Sonntag zu arbeiten, ist die Werft auch nicht in der Lage, diese Bestimmung einfach aufzuheben. In der Marine kommt es sehr oft vor, daß die Nothwendigkeit plötzlich an die Werft herantritt, eine Arbeit auszuführen für die Instandhaltung eines Schiffes, welche gar keinen Aufschub erleidet. Wir müssen in der Lage sein, auf der Werft unter gewissen Verhält— nissen auch am Sonntag zu arbeiten und die Arbeiter zu verpflichten, diese Arbeiten aufzunehmen, soweit sie in ihr Ressort fallen. Dieses ereignet sich sehr selten; denn es würde nicht wirthschaftlich sein für die Werft, die Arbeit am Sonntag vorzunehmen, weil sie am Sonntag theuerer ist als am Werktag. Also ich kann nicht zugeben, auch nicht das Versprechen geben, daß diese Sonntagsarbeit ein für alle Mal fortfallen kann, sondern sie wird nach wie vor geübt werden müssen in den Fällen, wo Gefahr im Verzuge ist und wo eine Arbeit sofort ausgeführt werden muß.
Dann sind hier die Verhältnisse zur Sprache gebracht worden, wie sie in der Gemeinde Band und in den das Gebiet Wilhelms— haven umgebenden Gemeinden vorhanden sind; es ist in der Hauptsache auf die Wasserleitung und auf sonstige Verhältnisse Bezug genommen worden, die hinüberspielen zwischen Wilhelmshaven und Band. Da bin ich auch nicht in der Lage, eine Verbesserung zu versprechen; dies sind ganz besondere Verhältnisse. Wie dem hohen Reichstage bekannt ist, hat die Marineverwaltung in Wilhelmshaven die Befugniß nur über ein beschränktes Gebiet; ein großer Theil der Arbeiter von Wilhelmshaven lebt auf oldenburger Gebiet, und dort irgend welche Befugnisse auszuüben, ist die Marineverwaltung nicht in der Lage.
Was nun die Wasserleitung anbetrifft, so kann man ja auch der Marine durchaus nicht zumuthen, daß sie für die Wasserversorgung der Bevölkerung von Wilhelmshaven bezw. der angrenzenden Ort— schaften sorgt. Sie hat zunächst für die Wasserversorgung ihrer Eta—⸗ blissements, ihrer Werftdepots zu sorgen und muß es der Stadt und den Ortschaften überlassen, für ihre Bedürfnisse zu sorgen. Nun ist für die Stadt Wilhelmshaven eine Wasserleitung gemacht; aber die Marineverwaltung kann der Stadt das Wasser nicht schenken, sondern muß eine Gebühr dafür erbeben. Diese Gebühr ist festgestellt. Es
und Wilhelmshaven ausgebrochen sein soll, gesprochen; ein solcher Wasserkrieg hat 3 Tage gedauert und ist dann friedlich geschlichtet worden. Die Stadtverwaltung stellte das Verlangen, daß die Ge⸗ bühren für das Wasser erniedrigt würden. Dazu konnte sich die Marineverwaltung um so weniger verstehen, als das Wasser der Stadt Wilhelmshaven außerordentlich billig geliefert wird. Wir kommen lange nicht auf unsere Kosten. (Hört! hört! rechts) Um auf unsere Kosten zu kommen, müßten wir weit mehr verlangen.
Was die Verlegung der Wasserleitung nach oldenburger Ge⸗ meinden betrifft, so ist die Marineverwaltung gar nicht in der Lage, etwas zu thun. Dem könnte nur näher getreten werden, wenn in den Verhältnissen sich irgend etwas änderte. Dasselbe betrifft auch die
Kirchenumlage.
Im Uebrigen sind das wobl alle Gravamina, die der Herr Vor⸗ redner zur Sprache gebracht hat, und ich kann nur noch einmal wieder holen, daß die Marineverwaltung in Wilhelmshaven Alles thut, um das Wohlbefinden der Arbeiter zu heben. Ich kann das Zeugniß geben, daß alle Einrichtungen, welche dahin zielen, von der Ober⸗ Werftdirektion in Wilhelmshaven mit großem Eifer und Liebe auf= genommen werden, und ich hoffe, daß dies nicht allein die Arbeit auf den Werften fördert, sondern auch das Wohlbefinden der Arbeiter.
Abg. Singer: Der Staatssekretär habe erklärt, auf den Para- graphen über Entlassung wẽgen Zugehörigkeit zu einem sozialdemo⸗ kratifchen Verein nicht verzichten zu können. Gegen diese prinzipielle Auffassung müsse der Reichstag Stellung nehmen. Wenn man habe glauben dürfen, daß nach Fortfall des Sozialistengesetzes die Ein⸗ schränkung des Koalitionsrechtes aufhören werde, so hätten die Aus führungen des Staatssekretärs seine (des Redners) Partei von dem Gegentheil überzeugt. Durch jene Bestimmung der Arbeitsordnung würden die Arbeiter thatsächlich verhindert, einem Verein zur Ver⸗ tretung ihrer gewerblichen Interessen beizutreten. Diese Bestimmung gebe kein Zeugniß davon, daß man unter neuem Kurs segle und daß humanere, gerechtere und bernünftigere Anschauungen platzgegriffen hätten. Die Kaiserlichen Werften bekämen vielleicht trotz dieser Be⸗ stimmung genügend Arbeiter; wenn aber die gesammte Industrie auf den Gedanken käme, sie einzuführen, dann könnten die Herren ruhig ihre Fabriken schließen und auf tüchtige Arbeiter verzichten; denn das intelligenteste und tüchtigste Element verträten die sozialdemo⸗ kratischen Arbeiter. Es sei jüngst von hoher Stelle ausgesprochen worden, man würde der Sozialdemokratie innerhalb der jedem Staats⸗ bürger durch die Gesetze gewährleisteten Freiheit freien Spielraum lassen. Dazu gehöre aber die Vereins und Koalitionsfreiheit, welche die Staatswerften, die doch Musteranstalten sein sollten, ihren Arbeitern verweigerten. Die Arbeiter würden auf solche Weise schließlich gezwungen, gegen ihren Willen eine andere Gesinnung zu heucheln. Be⸗ züglich des Nord-Ostsee⸗‚Kanals habe der Staatssekretär Dr. von Boetticher nun ausdrücklich 1889 erklärt, daß eine Bestimmung, wonach sozialdemokratische oder anarchistische Arbeiter nicht beschäftigt werden würden, in dem Vertrage nicht enthalten sei. Das gereiche seiner politischen Einsicht zur besonderen Ehre, und er (Redner) würde wünschen, daß der Staatssekretär der Marine diesem illustren Bei⸗ spiel folg. Durch solche Bestimmungen würden die Arbeiter nur noch empörter und erbitterter, als sie schon seien. Wolle man frohe, zufriedene Arbelter, dann möge man diese Bestimmung aus der Werft ordnung entfernen, damit würde man der Sonalreform einen Dienst leisten. (Beifall bei den Sozialdemokraten.) . ö
Äbg. Rickert: Er möchte den Staatssekretär bitten, die für Wilhelmshaven in Aussicht gestellte strenge Kritik und Untersuchung auch auf die anderen Werften auszudehnen. Die angezogene Be—⸗ stimmung der Werftordnung dürfte mehr schaden als nützen. Thatsächlich seien auf den Werften, spenell in Wilhelmsbaven, Hunderte von Sozialdemokraten vorhanden, wie die Reichstagswahlen zeigten, die Bestimmung der Werftordnung stehe also bloß auf dem Papier. Sie wirke aber andererseits provokatorisch und agitatorisch. Unfrieden stiftende Arbeiter könne die Direktion auch ohne eine solche Bestimmung entfernen. Welchen Eindruck müsse es denn machen, wenn die Militär- und Marineverwaltung diese Maß- nahme aufrecht hielten, während das Reichsamt des Innern sie auf— gebe? Nach der Aufhebung des Sozialistengesetzes sei eine derartige Bestimmung der Werftordnung nicht mehr zeitgemäß.
Abg. von Schalscha: Er könne dem Vorredner doch nicht ganz beistimmen. Es sei Sache des Arbeiters, ob er die Be⸗ dingungen geceptire, unter denen er arbeiten wolle. Nicht nur die Arbeiter hätten Menschenrechte, sondern auch die Arbeitgeber, und wenn es dem Arbeitnehmer gestattet sein solle, sich zu erhalten, wie er wolle, und Prinzipien zu huldigen, wie sie ihm gefielen, so müsse es den Arbeitgebern gestattet stin, zu sagen, ich nehme in meine Arbeitsräume nur Leute, die den und den Prinzipien entsagen (Zustimmung); es sei nicht gesagt, welche Gesinnungen sie haben sollten, sondern es seien nur die Gesinnungen bezeichnet, die sie nicht haben sollten. Die Linke habe doch nichts dagegen, wenn in einer Anzeige die Bedingung gestellt würde, daß ein Inspektor evangelisch oder katholisch sei, und er glaube, es müsse jedem Arbeitgeber vor⸗ behalten sein, diejenigen Arbeiter aufzunehmen, die ihm gefielen. Wenn die Werftarbeiter nach Feierabend Nebenbeschäftigungen suchten, so schade das nichts. Es sei besser, als wenn sie ihre Zeit im Wirthshaus zubrächten. Wenn aber die Werftarbeiter sich Ürlaub nähmen, um in der Privatindustrie lohnendere Be schäftigung zu nebmen, warum blieben sie dann nicht dort, sondern kehrten zu der Werftarbeit zurück? So lange man den Arbeitern Unzufriedenheit einzuflößen suche, könne man es Anderen nicht ver— denken, wenn sie die Zufriedenheit bloß bis zu dem Grade förderten, als es ihnen recht und billig erscheine. Auf Utopien könne man sich nicht einlassen, besondetrs in den Königlichen Werkstätten nicht
Staatssekretär Hollmann:
Ich möchte nur ein Wort zur Klarstellung sagen.
Meine Herren, es steht in der Arbeitsordnung der Kaiserlichen Werft nicht, daß Arbeiter, welche sozialdemokratischen Gesinnungen huldigen, nicht angenommen werden. Es steht in der Werftordnung, daß Arbeiter, welche sozialdemokratischen, nihilistischen und derartigen Vereinen angehören, nicht angenommen werden. Ich glaube, darin liegt ein großer Unterschied; es wird kein Arbeiter, wenn er eingestellt wird, zunächst nach seiner Gesinnung befragt und nach vielen anderen Dingen, davon ist nicht die Rede. Es wird nur, sobald konstatirt ist, daß er einem sozialdemokratischen Vereine angehört, dem Manne näher getreten und nach seinen sonstigen Verhältnissen geforscht.
Abg. Bruhns: Die von ihm erwähnten Verhältnisse in Wilhelmshaven seien nicht angezweifelt worden, auch nicht von dem Staatssekretär. Die Tischler verdienten 2,47 — 3,87, die Handlanger 2— 2,70 ιυς Das seien geringe Löhne im Verhältniß zu den dortigen Lebensmittelpreisen. Es wundere ihn sehr, daß dem Staatssekretär Wünsche auf der Werft in Wilhelmshaven auf Lohnerhöhung nicht bekannt geworden seien, denn es sei ihm versichert worden, daß Petitionen von Tischlern, Maschinenbauern und Schlossern in dieser Richtung bei der Direktion eingereicht worden seien. Die vorhandenen Mittel mögen allerdings nicht ausreichen. Seine Partei warde aber gern bereit sein, Mehrforderungen fär diesen Zweck zu bewilligen. Ueber die Ursachen des Wassertarifkrieges sei der Staatssekretär falsch berichtet. Dieser Krieg sei hervorgerufen durch die Marine verwaltung, welche verlangt habe, daß die Stadt Wilhelmshaven mehr zahlen sollte für die Benutzung der Wasserleitung, als bisher. Daß die Verwaltung auf die Sonntagsarbeit nicht verzichten wolle, stehe im grellen Widerspruch mit der Gewerbeordnung, welche einen solchen Zwang direkt verbiete. Der Abg. von Schalscha scheine die
Zahl der Angehörigen der sozialdemokratischen Partei vermindere sie
ist auch von einem Wasserkrieg, der zwischen der Marineverwaltung
einfachsten wirthschaftlichen Verbältnisse nicht übersehen zu können, er würde sonst nicht sagen, daß die Arbeiter gut thäten, nach Feier⸗
abend zu arbeiten. Die Arbeiter kehrten nur deshalb zu den Werften zurück, weil sie auf den Privatwerften nicht dauernd Beschäftigung fänden. Ueber die Lage der Arbeiter auf den Werften habe er völlige Klarheit geschaffen. Es stehe fest, daß die Löhne verbessert werden müßten, und er hoffe, dahin gewirkt zu haben.
Staats sekretär Hollmann:
Daß die Petitionen um Lohnerhöhungen eingelaufen waren, war mir sehr wohl bekannt, und ich glaube, meine Rede eingeleitet zu haben: es ist mir wohl bewußt, ich kannte diese Petitionen, ich konnte ihnen nur keine Folge geben.
Was den zweiten Punkt betrifft, so thut es mir leid, daß ich die Zeit der Herren noch in Anspruch nehmen muß. Die Wasserver⸗ sorgung von Wilhelmshaven ist auch nicht richtig dargestellt. Die Stadt Wilhelmshaven giebt an die Marineverwaltung 3000 0 für die Wasserständer, welche sich auf den Straßen befinden zur Entnahme des Wassers für die Bevölkerung. Außerdem ist das Wasser in die Häuser geleitet, und für diese Wasserleitungen wird pro Kubikmeter ein gewisser Betrag bezahlt; ich glaube, es sind 50 3. Nun handelt es sich darum, ob der Betrag der Stadt von 3000 auf 4500 . erhöht werden soll, und auf der anderen Seite ein Erlaß dieser Miethe für die Häuser auf 30 3 für das Kubikmeter, wie ich glaube einzutreten hat. Nun waren wir in Unterhandlung mit der Stadt Wilhelmshaven, und es war in der That ein Mißverständniß der Verwaltungsbehörde in Wilhelmshaven, daß sie die Sache so auf— gefaßt hat, als ob die Marineverwaltung zwangsweise 4500 S für das Wasser auf den Straßen forderte, und daß dafür die Miethe in den Häusern erlassen würde. Aus diesem Mißverständniß entstand der Wasserstreit. Ich habe dieses Mißverständniß sofort, nachdem es mir bekannt geworden war, durch den Hrn. Reichstags ⸗Abg. Hacke richtig ge⸗ stellt, und es bleibt das alte Verhältniß, wie es bis dahin war, und ich kann nur wiederholen, die Stadt Wilhelmshaven kann sich gar nicht beklagen; sie bekommt ihr Wasser sehr billig. Schenken kann
3 ö Marineverwaltung das Wasser nicht, weil es ihr selbst Geld ostet.
Abg. Hitze: Es sei schwierig, diese Arbeiterfragen zu ent— scheiden, ohne das Material zu prüfen. Er n dt ghz 2. führungen des Abg. von Schalscha doch vielleicht nicht von allen inen Fraktionsgenossen getheilt würden. Solche Bestimmungen der Arbeitsordnung, wie sie hier vorgelegt seien, halte seine Partei nicht für gerechtfertigt. (Beifall bei den Sozialdemokraten.) Gegen solche indirekten Zwangsmittel, den Arbeiter wegen feiner Gesinnung außer Brot zu fan habe seine Partei große Bedenken. Der Abg. von Schalscha habe auch nur gesagt, der Arheitgeber dürfe prüfen, ob der Charakter des Arbeiters so sei, daß er Vertrauen verdiene, aber er babe nicht gesagt, daß eine Entlassung des Arbeiters wegen seiner Mitgliedschaft in einem Fachverein gerechtfertigt sei. Die Erfahrung des Sozialistengesetzes zeige, daß durch solche Zwangsmittel nichts gebessert werde. Besonders sei es nicht gerechtfertigt, wenn ein Arbeit⸗ geber einen Arbeiter entlasse, weil er einem Gewerkverein angehöre der die Arbeite bedingungen verbessern wolle. ;
Abg. Bebel; Ez sei bezeichnend, daß heate schon zum zweiten Male ein Widerspruch zwischen Centrumsmitgliedern sich geltend gemacht habe, einmal jwischen den Abgg. Sijmula und Pr. Srterer und dann zwischen den Abgg. von Schalscha und Hitze. Früber habe bei der Wahlprüfung des Abg. Websky das Centrum einstimmig die Beanstandung der Wahl beschlossen, weil einige Arbeitgeber ihre Arbeiter gejwungen hätten, im Sinne der Arbeitgeber zu stimmen. Zur Kulturkampfszeit habe diese ö selbst unter solcher Behandlung. gelitten, als Arbeiter entlassen worden seien wegen ihres katholischen Glaubens; heute, wo der Wind umgeschlagen sei strecke das Centrum die reaktionäre Pfote hervor und schlage auf die Arbeiter los. Der Vergleich mit einer Annonce, wo ein katholischer Inspektor oder jüdischer Commis gesucht werde, passe auch nicht, denn ein Besitzer könne wohl wünschen, daß sein Vertrauensmann in politischer und religiöser Hinsicht mit ihm übereinstimme, bei Arbeitern sei das aber eine andere Sache. Jeder Private habe übrigens das Recht, nichtsozialistische Arbeiter zu suchen, er werde aber keine tüchtigen Arbeiter finden, denn die tüchtigsten Arbeiter seien immer Soꝛialdemokraten. Der Staat habe aber nicht das Recht, Arbeiter einer gewissen Politischen Richtung von der Beschãftigung auszuschließen, denn die Staatswerkstätten würden von allen Steuer— jahlern bezahlt. Der Schein von Grund dazu, der während des Be— stehens des Sozialistengesetzes vorhanden gewesen, sei jetzt hinfällig geworden, wenn nicht das Wort des Kaisers, daß die Arbeiter allen anderen Gesellschaftsklassen gleichberechtigt sein sollten, unerfüllt bleiben folle. In der Werkstatt brauche man keine politische Agitation zu dulden, außerhalb der Werkstatt könne jeder Arbeiter mit feinem Geld' und seiner Zeit machen, was er wolle.
Danach wird der Rest des Marine-Etats ge— 12 uh Um 5 r vertagt das Haus die weit 9 an hr g H ere Berathung
Saus der Abgeordneten.
57. Sitzung vom Son nabend, 14. März 1891, Vormittags 10 Uhr.
Der Sitzung wohnt der Finanz-Minister Dr. Mi quel bei. Auf der Tagesordnung steht die dritte Lesung des Ge—⸗ werbesteuergesetzes. In der Generaldiskussion bemerkt =
Abg. Richter: Er könne für dieses Gesetz nicht stimmen. Er sei der Meinung, daß nach diesem Gesetz die Steuern höher steigen würden, als die Erträge auf Grund des bisherigen Gesetzes, während mit, dem sinkenden Geldwerth die Steuerbefreiungen don Jahr zu Jh an Werth einbüßten. Eine solche Entwickelung der Gewerbesteuer im Rahmen der gesammten Staatssteuer sei nicht berechtigt in einem Augenbl ck, wo die Parole ausgegeben sei, die Doppelbesteuerung im Staat abzuschaffen. Diesen Grundsätzen werde allerdings Rechnung zu tragen, gesucht durch die Klaufel im Cinkommensteuergefetz, wodurch die Ueberweisungen der Grund. und Gebäubesteuer an g. kommunalen Verbände in Aussicht genommen sei. Wenn aber einmal neben der Einkommensteuer eine andere direkte Staatssteuer erhoben werden solle, so halte er die Gewerbesteuer daneben für noch weniger ,, als die Grund⸗ und Gebäudesteuer. Denn immerhin telle die Grund und Gebäudesteuer eine Entschädigung dar für die Aufwendung, die der Staat zum Besten des Grundbesitzes mache, auf dem Gebiete des Wegebaues u. s. w. Alsdann habe man gesagt, daß die Grund⸗ und Gebäudesteuer den Reinertrag mit einem höheren Prozentsatz treffe, als die Gewerbesteuer nach diefem Gesetz. Es sei aber zu berücksichtigen, daß bei der Grund und Gebäude steuer ein Renteneinkommen getroffen werde, wäbrend das Gewerbe— einkommen zum größten Theil ein persönliches Arbeitseinkommen sei. Nun habe der Finanz ⸗Minister auf Anregung feiner Partei hin mehr oder weniger dunkle Andeutungen gemacht, daß man künftig auch eine leb erweisung der Gewerbesteuer an die Kommunalverbände in Aussicht nehmen wolle. Einen gesetzgeberischen Ausdruck hätten diefe Andeutungen aber nicht gefunden. Während man nun das Prinzip der Doppelbesteuerung angeblich aufgebe, werde sie doch im Rahmen dieses Gesetzes dadurch gebildet, daß man eine große Zahl von Be— trieben, die so lange steuerfrei gewefen seien, in Preußen nunmehr steuerpflichtis mache. Durch dieses Gesetz würden die industriellen
Abg. von Rauchhaupt: Er erkläre Namens seiner politischen Freunde, daß sie für das Gewerbesteuergesetz, wie es aus . 3 desung hervorgegangen sei, stimmen würden. Er wolle nur noch den Finanz ⸗Minister fragen, ob es nicht möglich fein werde, dieses Ge⸗ werbesteuergesetz schon am 1. April 1893 in Kraft treten zu lassen. Die Landgemeindeordnung solle am 1. April 1892 in' Kraft treten, und in dieselben seien die Klassen der neuen Gewerbesteuer bereits auf- genommen. In diesem , ,, , . stehe aber, daß es erst am l. Ayril 1894 in Kraft treten solle, es könnten also nicht die Klassen dieser Gewerbesteuer in die Landgemeindeordnung aufgenom- men werden. Die Kommunalsteuergesetztebung solle auch bis zum Jahre 1894 vollständig dem Hause möglicherweise vorgelegt wer= den. Wenn nun aber die Landgemeindesrdnung am 1. Aprik 1892 eingeführt werde, so werde das bedenkliche Kollisionen hervorrufen.
Finanz⸗Minister Dr. Mi quel:
Meine Herren! Auf die Bedenken und Einwendungen gegen das Gesetz selbst, die der Abg. Richter vorgetragen hat, glaube ich in der gegenwärtigen Lage nicht näher eingehen zu brauchen und zu sollen, weil im Laufe der Berathung dieses Gesetzes bei den verschiedensten Gelegenheiten diese Fragen bereits ausgiebig erörtert worden sind und, wie ich glaube, die geltend gemachten Bedenken schon wider— legt sind.
Was die Anfrage des Hrn. Abg. von Rauchhaupt betrifft, ob das Gesetz nicht schöon für das Jahr 1892,93 in Kraft treten könne, so theile ich die dahin gehenden, von ihm ausgesprochenen Wünsche durchaus. Ich erkenne an, daß es höchst wünschenswerth wäre aus verschiedenen Gründen, namentlich auch in Betreff der raschen Fort— führung und des demnächstigen Abschlusses der ganzen Steuerreform, das Gesetz bereits vor 1892,93 in Kraft treten zu lassen. Wir haben gerade auf Anregung des Hrn. von Rauchhaupt diese Frage noch ein⸗ mal eingehend erwogen, sind aber doch schließlich zu dem Resultat gekommen, daß das thatsächlich vielleicht ausführbar, aber jedenfalls nur sehr schwer und mangelhaft ausführbar sein würde. Meine Herren, wir haben es zu thun in diesem Jahre mit einer ganz neuen schweren Veranlagung der Einkommensteuer; alle Kräfte der Mit— wirkenden, namentlich auch der Staatsbeamten, werden hierbei schon in hohem Grade in Anspruch genommen. Wir würden es zu thun haben mit einer gleichzeitigen Veranlagung der Gewerbesteuer auf einer ganz neuen Grundlage; wir haben die Steuergesellschaften zu bilden in den unteren Klassen; wir haben eine ganz neue, durch die ganze Monarchie gehende Veranlagung der Großbetriebe zu bewirken. Wir haben uns schließlich gesagt: es ist zu befürchten, daß, wenn das Alles in Ueberstürzung geschieht, gerade die erste Veranlagung eine mangelhafte werden könnte, und ich wende mich in dieser Beziehung an die Erfahrung des Hrn. von Rauchhaupt, was es bedeutet, eine neue Steuer gerade das erste Mal mangelhaft zu veranlagen. Die Fehler, die da gemacht werden, können nur sehr schwer oder nie wieder gut gemacht werden. Da haben wir doch schließlich dahin konkludiren müssen, so sehr ich den Wunsch des Hrn. Abg. von Rauch— haupt theile, daß es bedenklich sein würde, eine solche, möchte ich sagen, in der Ueberstürzung durchzuführende neue Veranlagung auf uns zu nehmen. Ich glaube, die Früchte einer ruhigen, sicheren Ver— anlagung werden wir dauernd genießen, und wir müssen uns mit der unbequemen Uebergangsperiode, die ja nur ganz kurze Zeit dauert, hoffentlich nur ein Jahr, behelfen. Ich zweifle garnicht daran, daß es gelingen wird, für dieses ganz kurze Uebergangsjahr in die Land— gemeindeordnung die entsprechenden Korrekturen aufzunehmen, und ich sehe eigentlich kein großes Bedenken, welches daraus erwachsen könnte, daß man die Gewerbesteuer in der kommunalen Besteuerung der Land—⸗ gemeinde nach den bisherigen Grundsätzen ein Jahr beibehalten könnte; die Klasse AI. noch hineinzuziehen, wie bisher, das ist gewiß nicht an— genehm. Es ist in vielen Beziehungen unbequem; aber für eine so kurze Uebergangszeit kann das wesentlichen Bedenken nicht unterliegen. Ich muß daher doch bitten, daß das Haus bei der Bestimmung, nach welcher das Gesetz nicht 1894, wie der Hr. Abg. von Rauchhaupt anzunehmen schien, sondern bereits am 1. April 1893 in Kraft tritt, stehen bleiben möchte.
Abg. Broemel: Gegen die Vorlage habe er zwar Bedenken, welche es ihm schwer machten, dafür zu stimmen, , . theile auch die Bedenken des Abg. Richter gegen die Betriebssteuer durchaus. Durch dieselbe werde ein besonderet Gewerbe in einer durch die Verhältnisse nicht begründeten Weise doppelt zur Steuer heran— gezogen. Bei Der Schankwirthschaft handele es sich nicht nur um den Vertrieb von Schnaps, wie immer bei den Argumentationen für die Betriebssteuer unterlaufe, sondern vielfach auch um Speisewirthschaft, und so befriedige dieses Gewerbe ein wirkliches und anständiges Bedürfniß weiter Bevölkerungskreise, indem es diefen zu angemessenem Preise gute Nahrungsmittel darbiete. Ein Theil diefes Gewerbes werde schon durch die neue Gewerbesteuer stärker herangezogen, und dazu komme noch die Betriebssteuer als neue Steuer. Ferner bedauere ers daß die Kontingentirung der Gewerbesteuer nicht in wirksamer Weise eingeführt werde, aber immerhin beseitige die Vorlage die von allen gewerbetreibenden Kreisen lebhaft empfundenen Mängel der jetzigen Gesetzgebung, sie befreie besonders eine Menge von kleinen und kleinsten Gewerbebetrieben von der Steuer uberhaupt und ver— theile die Steuerlast unter den übrigen weit gerechter als bisher. Dagegen würden ihn die Mängel der Vorlage doch veranlassen, da— . zu stimmen, wenn nicht die Mängel der bestehenden Gesetz gebung noch viel größer wären. Die bisherigen Debatten hätten leider eine Klarheit darüber, was mit der Gewerbesteuer in Zukunft beabsichtigt sei, nicht gebracht. Die Ueberweisung derselben an die Kommunen habe der Flnanz⸗Minister erst in ferner Zukunft in Aussicht gen emmen. Die Gewerbesteuer habe in den letzten Jahren erhebliche Mehreinnahmen gebracht, und diese Entwicklung werde fort- gehen, sodaß die Gewerbesteuer eine steigende Bedeutung in unserem direkten Steuersystem habe. Nach dem neuen Gesetz könne sie nicht an der Stelle bleiben, welche sie jetzt in unserem Steuersystem einnehme. Komme man erst zur Unterscheidung zwischen fundirtem und unfundirtem Einkommen und zur Unterscheidung zwischen dem Kapitalbesitz und Gewerbebetrieb, so müsse man auch fragen, was aus der Gewerbesteuer werden solle. Ein Theil seiner Freunde erkenne die überwiegenden Fortschritte dieser Vor lage an und stimme dafür.
Abg. Pleß bittet von seinem Standpunkt als Gewerbetreibender aus um die Annahme des Gesetzes; das Haus werde dem Lande damit einen Dienst erweisen.
Damit schließt die Generaldiskussion.
In der Spezialdiskussion werden die 55. 1—3 ohne Debatte angenommen.
Bei 5. 4, welcher die Befreiungen von der Gewerbesteuer aufzählt, kommt
Abg. Graf (Elberfeld) auf die Steuerbefreiung der Aerzte zurück. Es werde damit anerkannt, daß der Aerztestand allgemeine Interessen vertrete. Wenn man aber vom Aerztestande gleichzeitig verlange, er solle die Auswüchse beseitigen, die sich bei ihm gezeigt hätten, fo müsse man den Aerzten auch die Macht dazu geben, man müsse die Bestrebungen auf Aenderung der Gewerbeordnung unterstützen, soweit diese dem Treiben der Kurpfuscher Vorschub leiste, man müsse alle
Bezirke zu Gunsten der ländlichen Bezirke benachtheiligt, und au schon deshalb sei er nicht im Stande, für das Gesetz 4 stimmen. .
Bestrebungen unterstützen, welche auf die Hebung des Standesgefühls und korporative Zusammenschließung des ärztlichen Standes hinausliefen.
4 wird genehmigt, ebenso ohne Debatte 8. 5— 25
. 26 statuirt die Befugniß der J Sach verständige und Auskunftspersonen zu vernehmen, nöthigenfalls auch dieselben zu beeidigen oder deren eidliche , ,, zu ee, , .
g. randenburg tritt auch jetzt wieder dem in zwei Lesung zum Beschluß erhobenen Zusatz 2. Kommission 263 wonach auch der Kommission selbst die Gidesabnahme zustehen foll. Wie man auch über die Wichtigkeit und Heiligkeit des Eides denke die Abnahme desselben durch den ordentlichen Richter gebe in sedem ö mehr Garantie für die Ermittelung der Wahrheit als die
idegsleistung vor irgend einer anderen Instanz. Hoffentlich werde das Herrenbaus diesem Standpunkt Rechnung tragen.
Abg. Eberhard: Ein Zeugnißzwang werde durch §. 26 nicht neu eingeführt. Lägen Gründe vor, welche die Wahrhaftigkeit der Angaben des Censiten bezweifeln ließen, dann müsse an Auskunfts- personen gegangen werden, und wenn diese gezwungen würden, ihr Zeugniß zu beeiden, dann handele es sich doch eben um ein höheres Interesse, darum, daß der- Wahrheit die Ehre gegeben werde. Schon jetzt hätten viele Verwaltungsbehörden die Befugniß, zu beeidigen, und es bestehe an diesen Stätten doch gewiß auch der Respekt vor der Heiligkeit des Eides. Im Uebrigen sprächen auch in diesen Steuer veranlagungs - Angelegenhelten alle Momente für die Nachbeeidigung und gegen die vor der Aussage erfolgende Abnahme des ö
. wird unverändert angenommen, ebenso ohne Debatte die 5 27 bis 59. 5. 60 9 die Sätze für die Be⸗ triebssteuer fest. Nach den Beschlüssen zweiter Lesung soll der Satz für alle diejenigen Gast⸗ und Schankwirthschaftsbetriebe bezw. Kleinhandel mit Branntwein, welche von der Gewerbe— steuerpflicht bereit sind, 12 0 betragen.
Abg. von Tzschoppe beantragt die Wiederberstellung der Regierungsvorlage, d. h. die Herabsetzung dieses Satzes von 12 auf 10 4ƽ Er sei durchaus kein Freund der Betriebssteuer, könne sich aber der Nothwendigkeit ihrer Einführung in Folge der ganzen Reform der Gewerbesteuer nicht verschließen. Man muͤsse aber für die kleinsten Betriebe, die sogar von der Zahlung einer Gewerbe steuer überhaupt befreit seien, den Satz so niedrig wie möglich , . . . die Staatskasse liege auch
. aus brauche ni finanzi zu sein al i ig cht finanzieller zu sein als der
g. Goldschmidt: Seine Partei betrachte die Anträge des A5. von Tischoppe als eine Frucht ihrer Anregungen in ö Lesung Betreffs der Betriebssteuer und werde für dieselben stimmen. ; Abg. von Tiedemann (Bomst) bittet um Ablehnung des Antrages, da man auch an dieser Stellè der Vermehrung der Schank— staͤtten entgegenwirken müsse, und das geschehe durch die von der Kommission vorgeschlagene und von dem Hause in zweiter Lesung beschlossene Erhöhung. Der Satz von 12 606 gelte schon jetzt, und ö ö . dem bisherigen ustande bleiben. Eine Er⸗
ung au Ms werde nur der S st
i , mn Vermehrung der Schankstätten . Abg. B roemel: Da die Regierung selbst einen Satz von 10 46 für ausreichend erachte, so sei kein Grund abzusehen, warum man höher geben solle. Die Vorlage habe eine ganz klare Steigerung der Sätze von 10 auf 15, 25 50, 100 ; dieses System werde durch den Beschluß zweiter Lesung aus ganz einseitigen Rücksichten urch Cee g
Die Abstimmung über den Antrag von Tzschoppe bleibt zweifelhaft; bei der Auszählung ergeben sich 114 Stimmen für, 101 gegen den Antrag. Da zur Beschtußfähigkeit 217 Mitglieder gehören, aber nur 215 anwesend sind, muß die ö un . 9 kö werden.
Der Präsident setzt die nächste Sitzung auf 12 Uhr Mittags an. (Beifall rechts.) 6 ⸗
58. Sitzung vom Sonnabend, 14. März, 12 Uhr.
. . wohnt der Finanz-Minister Dr. Miquel bei. ; ie dritte Lesung des Gewerbesteuergesetzes wird fortge⸗ setzt mit der Wiederholung der Abstimmung ? e . n g s g uber den Antrag er Antrag wird nunmehr angenommen; die Betriebs— ö die nicht Gewerbesteuerpflichtigen ist also ö Die S§. 62 bis 69, welche die Modalitäten der Erhebu! der Betriebssteuer festsetzen, werden unverändert nach 3 ö schlüssen zweiter Lesung angenommen. Ein Antrag des Abg. von Tzschoppe, die Betriebssteuer für als Nebengewerbe be⸗ triebene Gast⸗ und Schankwirthschaften, deren Ertrag hinter 500 M, zurückbleibt, auf Antrag des Inhabers his auf 6 M,. und die Betriebssteuer für nur vorübergehende Betriebe bei , Truppenzusammenziehungen u. s. w. von 5 bis auf
b herabzusetzen, wird vom Regierungskommissar, Geheimen Ober⸗-Finanz Rath Fuist ing hinsichtlich des ersten Theils bekämpft und von der Mehrheit abgelehnt.
8 0 bis 73 umfassen die Strafbestimmungen, §§. 74 bis die Vorschriften hinsichtlich der Kosten, 88 76 bis 77 die Bestimmungen über die Oberaufsicht, 5. 8 betrifft die Vachsteuer, §s§. 19 bis 83 enthalten die Schlußbestimmungen. Die 8§. I4 bis 83 werden ohne erhebliche Debatte im Wesent— lichen unverändert nach den Beschlüssen zweiter Lesung ange— nommen. Das Gesetz im Ganzen wird darauf in der Schluß— abstimmung definitiv genehmigt.
Schluß 11½ Uhr.
Kunst und Wissenschaft.
dt Ueber den neuen großen Fund in Theben ent— nehmen wir einem uns zur Verfügung gestellten Briefe des Entdeckers, des Direktors des Kairiner Museums, Mr. Groöbaut, die folgenden Angaben: Ein endgültiges Urtheil über den Werth des Fundes läßt sich zur Zeit noch nicht geben, dazu muß erst die Oeffnung der Särge abgewartet werden. Jedenfalls handelt es sich aber wieder um einen Versteck, der dem der Königsmumien analog ist. Dieselben Hoben— priester des Amon, die die Königsmumien im Berge von Der elbahri versteckt hatten, haben in anderen Grüften im Thal auch die Mumien ihrer priesterlichen Vorgänger verborgen. Es haben sich etwa 180 Priester und Priesterinnen des Amon gefunden, außerdem noch einige Priester anderer Gottheiten, wie z. B der heiligen Königin Ah-hotep, des Gottes Mont und (was in Theben n 3 ist) auch . Gottes Set.
ie Malereien auf den Särgen bringen mancherlei Neues: Unerwartetes für die Religionsgeschichte. 6 . 5 24. ö Sarge der 21. Dynastie der Gott Anhor⸗Schu, der den Himmel n,. der r f et 5 gebildet. —— — — Solche neuen Bilder finden unzählige. Die meis ĩ sind in dreifachen prächtigen Särgen n . Der Versteck ist offenbar in Eile angelegt. Oft gehören Deckel und Untertheil ursprünglich zu zwei verschiedenen Särgen. Auf den äußeren Särgen ist der Name oft noch freigelaffsen; das sind dann vermuthlich neue Särge, die man in der Eile aus einem Magazin entnommen hat. Man barg die alten inneren Särge und die Mamüe
darin, fand aber nicht die Zeit, den Namen des neuen Sarge auszufüllen. 8 Todten auf dem
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