1891 / 66 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 17 Mar 1891 18:00:01 GMT) scan diff

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4) An sonstigen Ehrenbezeugungen steben dem Gouverneur an Bord der Kriegsschiffe S. M. zu: sechs Fallreeps gasten (Miatrosen) und Präsentiren der Sicherheits wache sowie Empfang durch den Wach⸗ offisier und den Kommandanten ; .

5s) Der Gouverneur empfängt den ersten Besuch von allen Flagg⸗ offizicren, Kemmodoren und Kommandanten. Den Besuch der Flagg⸗ offiiere und Kommodore sowie aller Kapitäne zur See erwidert er persönlich, den Besuch anderer Offiziere kann er durch den Kanzler oder einen Offizier der Schutztruppe erwidern lassen.

Nach der „Statistik des Deutschen Reichs“ neue Folge, Band 48, hat die Einfuhr in den freien Verkehr (ohne den Veredelungs- und Durchgangsverkehr) betragen.

1) aus den deutschen Schutz gebieten in. West. Afrika (Kamerun, Togo, südwestafrikanisches Schutzgebiet) 12 168 000 kg im Werthe z 363 0900 4, ö . . tz ö. den deutschen Schutzgebieten in Ost -Afrika (das Witu⸗ Gebiet ift noch mit eingerechnet) 1654 000 kg im Werthe von 256 000 , J k den deutschen Schutzgebieten der Südsee (Caiser Wilhelms⸗ land, Bismarck⸗A Archipel, der deutsche Antheil der Salomors-Inseln und die Marschall⸗Inseln) 37 000 g im Werthe von 10000 , zusammen 12 359 000 kg (4 629 090 c). -

Die Ausfuhr aus dem freien Verkehr betrug:

1) nach den deutschen Schutzgebieten in West⸗-Afrika 4530 500 kg im Werthe von 4165 0900 „, ?

ö. 5 deutschen Schutzgebieten in Ost⸗Afrika 869 600 kg i Terthe von 311 000 (6, .

ö. * . deutschen Schutzgebieten der Südsee 3 684 890 kg im Werthe von 509 000 M, zusammen 9 086 000 kg (4985 000 ).

Die Ein- und Ausfuhr zusammengenommen betrug hier— nach 21 444 000 kg im Werthe von 9614 9090 . Wie schon bemerkt, ist hierbei der Veredelungs- und Durchfuhrverkehr nicht mit in Betracht gezogen. Selbstverständlich sind auch diejenigen Waaren nicht berücksichtigt, welche nach Einlagerung in anderen Ländern von den Schutzgebieten hierher bezw. von Deutschland nach den Schutzgebieten gelangt sind. Das genaueste Bild des Verkehrs mit dem Mutterlande ergiebt daher die Statistik für diejenigen Schutzgebiete, welche in direkter Schiffsverbindung mit Deutschland stehen, wie dies bei Togo und Kamerun der Fall ist. ;

Die wichtigsten mit den Schutzgebieten ausgetauschten Waaren sind, bei der Einfuhr von Deutsch⸗-West⸗-Afrika: Palmkerne, Koprah und Butterbohnen (194311 Doppyel-Ctr. 2 138 000 S6, Elfenbein (60 Doppel Ctr. 138 O09 /), Kautschuk (20773 Doppel Ctr. 1450 900 6), Palm⸗, Palmnuß-, Kokusnuß. 2c. Oel (60663 Doppel-Ctr. 249 000 M), Rothholz (2748 Doppel-Ctr. 44900 M6. Bei der Ausfuhr nach Deutsch-West-Afrika: Schieß⸗ pulver (6377 Doppel- Ctr. 1020009 S!), grobe Eisenwaaren (3155 Doppel⸗Ctr. 300 000 46), Cement (4691 Doppel⸗Ctr. 21 000 6), Bau- und Vutzholz (1329 Doppel Ctr. 10000 6), Bbttcher⸗ und Tischlerwaaren, baumwollene Gewebe und Strumpfwagren,. Leihwäsche, Kleider und Putzwaaren; ferner Bier (2551 Doppel Etr. S4 000 υν), Branntwein (6067 Doppel Ctr. 45 000 6), Kochsal; (3477 Doppel-Ctr. 9000 6), Zink. Bei der Ein— fuhr von Deutsch-Ost⸗Afrika waren Elfenbein, Kautschuk, Gewürznelken, roher Kaffee und Harze betheiligt, bei der Aus⸗ fuhr dorthin baumwollene Gewebe, Schießpulver, grobe Eisenwaaren, Bier, Branntwein, Steinkohlen, Glasperlen, Kleider, Thonwaaren 2c. Die Einfuhr von den deutschen Schutzgebieten der Südsee erstreckte sich auf Schaffelle, Hörner, Fleisch von Vieh, die Ausfuhr dorthin auf Spreng— stoffe, Eisenwaaren, Cement, Kleider und Bier. ö

In Gemäßheit des Artikels 35 des Statuts der Kaiser Wilhelms-Land⸗Plantagen⸗-Gesellschaft in Verbindung mit 8. 10 des Gesetzes, betreffend die Rechtsverbältnisse der deutschen Schutzgebiete (R.-G- Bl. 1888, S. 75), ist der Kaiserliche Wirkliche Legations⸗Rath. Dr. Rettich zum Kommissar des Reichskanzlers für die gedachte Gesellschaft bestellt worden.

Mit dem am 19. d. M. Neapel verlassenden Reichs— Postdampfer der Ost-Afrika⸗Linie begeben sich die Chefs in der Schutztruppe Krenzler und Schmidt II. nach Ost— Afrika zurück. . G

Der Chef in der Schutztruppe für Ost-Afrika Schmidt. (s. Zt. Stellvertreter des Reichskommissars) ist in Berlin ein⸗ getroffen. ö J

Hauptmann von Gravenreuth beabsichtigt zunächst eine Erholungsreise anzutreten und nach Beendigung derselben die Ausreise nach Ost-Afrika anzutreten, woselbst er im Juni d. J. einzutreffen gedenkt, um eine Handelsexpedition nach dem Seen⸗Gebiet zu führen. VJ

Seitens ke, O g Oftafrilgnischen Gesellschaft ist kürzlich die Herstellung weiterer 100 000 Stück Silber-Rupien („Deutsches Kolonialblatt“ 1890, Seite 314) in Auftrag gegeben worden. Die Gesellschaft beabsichtigt ferner auch zur Ausprägung von und 1 Rupiestücken zu schreiten und hat zunächst die Ausprägung von 60 000 Stücken jeder Gattung in Aussicht genommen. Die Hauptseite der 1M und 1 Rupiestücke wird, wie die ganzen Rupien, das Bildniß des Kaisers mit dem Gardes du Corpz—⸗ Helm tragen, die Rückseite außer der Umschrift „Deutsch⸗ Sstafrikanische Gesellschaft“ einen Kranz, in dessen Mitte der Werth mit 1 bezw. Rupie nebst Jahreszahl erscheint.

Die Gesammtzahl der europäischen Bevölkerung des süd— westafrikanischen Schutzgebietes betrug am 4. Januar 1891 im Ganzen 539 Personen. Hiervon entfielen auf Ovamboland 6 Ehepaare und 5. Kinder, insgesammt 17 Per⸗ sonen; auf Damaraland 38 Ehepaare, 94 ledige Männer und 82 Kinder, insgesammt 257 Personen; auf Namaqualand 56 Ehepaare, 52 ledige Männer und 106 Kinder, insgesammt 270 Personen. .

In Ergänzung des gestern . mitgetheilten. Wolff schen Telegramms über die Wissmann sche Expedition erhält das „Berl. Tgbl.“ aus Bagamoyo noch nachstehende näheren

ittheilungen: . ö. . Wissmann ist mit dem größten Theil seines Expe— ditionscorps beute (15.) Vormittag in Bagamoyo angekommen; der Ge⸗ sundheilszustand aller Europäer ist gut, Wissmann hat nicht nur in Moshi, sondern auch in Masinde eine befestigte Station angelegt, so⸗ daß die beiden Häuptlinge Mandara (in Mosbi) und Simbodja (in Masinde), deren Haltung bisher in manchen Fällen eine zweideutige war, fortan unter strengster Aufsicht stehen. Die Karawanenstraßen nach dem Kilimandscharo sind gründlich gesäubert. Am Schlimmsten sind bei der Züchtigung die Massaiz weggekommen. Der Chef Johannes ist noöch mit einer Abtheilung der deutschen Schutztruppe mit der Verfolgung der geschlagenen Massais beschäftigt, Aus dem Suden des deutschen Schutzgebietes kommt die Nachricht, daß der Häuptling Machemba, gegen welchen schon verschiedene resultatlos verlaufene Expeditionen unternommen wurden, Boten nach Mikindani

eschickt und um Frieden gebeten hat; zum Zeichen seiner guten Absicht hat er seinen Sohn als Geisel in Mikindani zuückgelassen.

Oesterreich⸗ Ungarn.

Wien, 16. März. Heute hatten die österreichischen und ungarischen Delegirten zu den Jandels vertrags⸗ Unterhandlungen eine interne Besprechung. Die nächste Konferenz mit den deutschen Delegirten dürfte, dem „W. T. B.“ zufolge, wahrscheinlich erst übermorgen stattfinden.

Bei der heutigen Reichsrathswahlin den Landgemeinden Dalmatiens wurden fünf Kroaten, darunter Klaic, und ein Serbe gewählt. Bei den engeren Reichsrathswahlen in Prag und Karolinenthal sind vier Jungezechen gewählt worden; die Deutschen und die Altczechen enthielten sich der Wahl. Anläßlich der heutigen Wahlen fanden in Prag am Abend Demonstrationen czechischer Studenten statt. Die Polizei zerstreute jedoch die Demonstranten und nahm vier Verhaftungen vor. .

Die „Confederazione operaia trie stina“ ist von der Statthalterei in Triest wegen Ueberschreitung ihrer Sta— tuten aufgelöst worden. .

Die am 14. März unterzeichnete ungarisch⸗rumänische Eisenbahnkonvention bestimmt der „Pol. Corr.“ zufolge den sofortigen Bau zweier neuer Anschlußstrecken bis Gyimes, Palanka-⸗Paß und Rothenthurm-Paß. Die Eröffnung des Ver— kehrs auf der Bahn hat spätestens nach sechs Jahren statt— zufinden. Der Bahnhof Predeal verbleibe einstweilen gemein— samer internationaler Bahnhof. ; ;

Das ungarische Oberhaus hat den Gesetzentwurf, betreffend die Ergänzung des Reservevorraths der Repetir— gewehre für die Landwehr, einstimmig angenommen.

Die Gerüchte, der Corps kommandant und kommandirende General in Wien, Baron Schönfeld, trete in den Ruhestand, sowie alle hieran geknüpften Kombinationen werden vom „W. T. B.“ für unbegründet erklärt.

Großbritannien und Irland.

In beiden Häusern des Pailamentz wurde gestern die aus Durban gemeldete Affaire, betreffend den Dampfer „Counteß Carnarvon“ (s. Nr. 65 d. Bl.), zur Sprache gebracht. Im Oberhause erklärte der Premier Marquis von Salisbury: Falls der Dampfer Waffen im portugie⸗ sischen Gebiet lendete, hätten die Portugiesen ein Recht gehabt, ihn mit Beschlag zu belegen; falls jedoch das Schiff nur den Strom hinabgefahren fei, so bezweifle er, daß die Portugiesen einen Grund gehabt hätten, dasselbe anzuhalten. Im Unterhause erklärte der Unter-Staatszsekretär Fergus son: Der Regierung sei bisher nur bekannt, daß der Dampfer „Counteß Carnarvon“ im Limpopoflusse ange— gehalten, des Schmuggelns bezichtigt und nach der Delagoa— Bai gesandt worden sei.

Frankreich.

Paris, 16. März. Im Senat machte der Präsident heute Mittheilung von dem Ableben des Generals Campe— non und gab dem Schmerz und Mitgefühl des Senats Aus— druck. Der Minister-Präsident de Freycinet drückte die tiefe und schmerzliche Erschütterung aus, welche die Armee empfinden würde, wenn sie diese Nachricht vernehmen würde. Das so unerwartete Hinscheiden des Generals sei ein großes Unglück für den Senat und die Armee, welche den heim— gegangenen Führer einmüthig betrauern werde. .

Die Abtheilungen des Senats ernannten in Folge der ueulichen Interpellation Jules Ferry's eine Studien— kommisslon für Algerien. Unter den Ksmmissaren be— finden sich Challemel-Lacour und die Generale Billot und Deffis. Alle Mitglieder sind darin einig, daß Reformen in Algier nothwendig seien; es müsse Etwas für die Eingeborenen geschehen.

In der Kammer zeigte der Deputirte Vicomte de Montfort (Royalist) heute an, er beabsichtige, eine Frage an den Minister-Präsidenten de Freycinet und an den Üinter-Staatssekretär für die Kolonien Etienne Betreffs Tongking zu richten. Hr. de Freycinet erklärte, er werde die Frage am nächten Donnerstag be— antworten. Jules Roche schlug vor, die Berathung über den Zolltarif nicht vor den Ferien zu be— ginnen, sondern die Sitzungen alsbald zu vertagen, um sie so zeitig wie möglich wieder aufzunehmen. Méeline stimmte dem Antrage zu, welcher angenommen wurde. In Folge dessen wird nunmehr die Berathung des Zolltarifs erst nach den Ferien der K mmer, welche vom 21. März bis zum 21. April dauern sollen, stattfinden. Mehrere Deputirte haben einen Antrag eingebracht, wonach die in gefährlichen Industrien beschäftigten Arbeiter bei einer durch Arbeitsunfälle verursachten Arbeitsunfähigkeit eine Rente in Höhe des halben Jahres— lohns respektive eine zeitweilige Entschädigung in Höhe des halben dem Arbeiter entgehenden Lohnbetrages erhalten sollen; im Todesfalle sollen den Erbberechtigten zwei Drittel dieser Rente zufallen. ö

Die „Société des Forges-chantiers“ in Toulon ist er⸗ mächtigt worden, eines der chilenischen Kriegsschiffe, den bereits erwähnten „Presidente Errazuri“, nach Havre üher— zuführen; die anderen in Toulon für Chile gebauten Kriegs— schiffe haben daselbst bis auf weitere Ordre zu verbleiben,

Nach dem offiziellen Text des englisch-französischen

Ueberein kommens über die Neufundland-Frage wird die Schiedsgesichts-Kommission über alle von den beiden Re— gierungen aufgeworfenen Fragen und vorgebrachten Grundsätze Betreffs der Fischerei und Zubereitung der Hummern urtheilen und ihre Entscheidung treffen. Beide Regierungen verpflichten sich, die von der Schiedsgerichts-Kommission getroffenen Entscheidungen anzuwenden. Der modus vivendi bezüg— lich der Fischerei und der Zubereitung der Hummern wird einfach für die Saison 1891 erneuert. Unmittel⸗ bar nach der Regelung der Fischereifrage und derjenigen über die Zubereitung der Hummern wird die Kommission die anderen subsidiären Fragen, betreffend die Fischerei, nach einer vorgängigen Vereinbarung der Regierungen über den Text prüfen. Die Schiedsgerichts Kommission wird aus sieben Mit⸗ gliedern bestehen, und zwar aus drei Sachverständigen und zwei Delegirten eines jeden Landes. Die Kommission, welche mit Stimmenmehrheit ohne Berufung entscheidet, soll sobald als möglich zusammentreten. Unter den Schiedsrichtern be— finden sich der Professor der St. Petersburger Universität Martens, der Schweizer General-Konsul in Brüssel Rivier und der Norweger Gram.

Rußland und Polen. St. Petersburg, 14. März. Die festliche Begehung

des zehnten Jahrestages der Thronbesteigung des Kaisers Alexander III. hat heute mit einem Gottesdienst

in der Kapelle des Anitschkow⸗Pala stes begonnen, Hier⸗ auf nahm das Kaiserpaar die Glückwünsche der Mitglieder der Kaiserlichen Familie, der Hoschargen und der höchsten Staatswürdenträger entgegen. Später fand ein Festdéjeuner statt, an welchem die Botschafter und Gesandten der fremden Staaten, die Mitglieder des Reichsraths, die Minister, die Senatoren und andere hohe Funktionäre theilnahmen. Heute Abend versammeln sich sämmtliche in der Hauptstadt anwesende Mitglieder der Kaiserlichen Familie im Anitschkow Palast beim Kaiserpaar zu einem Diner, an welches sich eine Tanz⸗ unterhaltung schließen wird.

An den scheidenden General-Gouverneur von Moskau Fürsten Dolgorukow, an dessen Stelle, wie schon telegraphisch gemeldet, der Großfürst Sergius tritt, hat der Kaiser unterm 9. März folgendes Handschreiben ge⸗ richtet:

ch „Fürst Wladimir Andrejewitsch! Ihrer Bitte um Eathehung von der Stellung des Moskauer General-Gouverneurs willfahrend und einem neuen Beweis Meines beständigen Wohlwollens für die erste Residenz Ausdruck gebend, habe Ich Meinem Bruder, Seiner Kaiserlichen Hoheit dem Großfürsten Sergei Alexandrowitsch, den Befehl ertheilt, an die Spitze der Moskauer Berwaltung zu treten. Sie gleichzeitig hiermit zur unmittelbaren Theilnahme an den Arbeiten des Reichsraths heranziehend. wo Ihre ausgedehnten Kenntnisse und Erfahrungen würdige Verwertbung finden werden, danke Ich Ihnen innigst für Ihren Dienst in der hohen Stellung, zu der Sie vor mehr als einem Viertel jahrhundert durch das Ver— trauen Meines in Gott ruhenden erlauchten Vaters berufen wurden. Die dieser verantwortlichen Stellung obliegenden komplizirten Pflichten mit unermüdlicher Sorgfalt und vollem Eifer eifüllend, haben Sie durch Ihre Bemühungen für das Wohl des Mir theuren Moskau sich das Anrecht auf Mein besonderes Wohlwollen erworben. Ich bin überzeugt, daß die Bevölkerung Moskaus Sie in dankbarem Andenken begalten wird. Ich verbleibe Ihnen immerdar unabänder lich wohlgeneigt. Alexander.“ .

Der Großfürst Sergius, dessen Gemahlin in der nächsten Woche zur russischen Kirche übertritt, wird seinen Moskauer Posten in der darauffolgenden Woche übernehmen; die Großfürstin wird erst nach Ostern nach Moskau übersiedeln.

Der Gouverneur von Kurland hat eine Verordnung erlassen, welche die ausschließliche Anwendung der russischen internen Geschäftssprache in allen Zweigen der kommu⸗ nalen Verwaltung verfügt.

Italien.

Prinz Napoleon hat nach dem heute Morgen aus— gegebenen Bulletin eine unruhige Nacht verbracht. Heute früh 7 Uhr stellte Dre Taussig fest, daß die Kräfte noch weiter abgenommen haben.

In der Deputirtenkammer erklärte gestern in Be— antwortung einer Interpellation des Abg. Diberganze der Minister des Innern Nicotera: Die am Sonntag veranstal⸗ teten Gedächtnißfeierlichkeiten zu Ehren Mazzini's Seitens der Republikaner seien vollkommen gesetzlich gewesen. In Livorno hätten Anaxrchisten die Feier geleitet, welche die Polizei mit Revolverschüssen angegriffen hätten. Der Minister beklagte den Langmuth der Polizei, welche mit Revolverschüssen hätte erwidern sollen. Es sei ein Polizei Inspektor nach Livorno gesandt worden, um Erhebungen über die Vorgänge zu pflegen. Eine weitere Interpellation Diberganze's beantwortete der Minister-Präsident di Rudini. Er erkannte an, daß die italienischen Zollwächter bei Erla an der österreichischen Grenze eine Verhaftung vorgenommen hätten. Der Verhaftete sei den österreichischen Behörden ausgeliefert worden, da es unklar sei, ob der Verhaftete ein Deserteur und ob die Verhaftung auf italienischem Boden vorgenommen worden sei. Er behalte sich vor, genauere Jaformationen einzuziehen. Der Inter⸗ pellant gab seiner Ueberraschung über die unbestimmte Antwort des Ministers Ausdruck.

Nach einer Meldung des „Fanfulla“ sind bei dem vor— stehend erwähnten Zusammenstoß in Livorno über sechzig Personen verhaftet worden; in der Nacht wurden noch einige Verhaftungen vorgenommen. Fast alle Verhafteten führten verbotene Waffen mit sich. Der „Opinione“ zufolge wurden in Livorno auch drei Polizei⸗Agenten und drei Civilisten leicht verwundet.

Die Nachricht von den Greuelthaten in New⸗ Orleans, durch welche sechs der Ecmordung des Polizeichefs angeklagte, von der Jury aber freigesprochene Sizilianer vom Pöbel massakrirt wurden (s. „Amerika“) hat, wie man dem „H. C.“ telegraphirt, in Rom große Erregung verursacht. Der „Popolo Romano“ giebt der Hoffnung Ausdruck, daß man in Wasphington sofort volle Genugthuung gewähren werde. Andere Blätter stellen die gleiche Forderung, erkennen jedoch an, daß sich unter den italienischen Auswanderern viel licht⸗ scheues Gesindel befinde, welches, um der vaterländischen Justiz zu entgehen, in der Fremde Verbrecher⸗Genossenschaften gründe, welche die Mafia wieder aufleben ließen.

Portugal.

Die gestrigen Lissaboner Blätter bringen aus amtlicher Quelle stammende Nachrichten, welche die Londoner Meldungen aus Capetown und Durban bezüglich der Beschlagnahme des Dampfers „Counteß Carnarvon“ und bezüglich der Behandlung einer aus Engländern bestehenden Jagdgesellschaft in Beira bestätigen. Es wird hinzu— gefügt: der Dampfer „Counteß Carnarvon“ habe die Ab⸗ wesenheit eines Regierungsdampfers benutzt, um mit vollem Dampf den Limpopo hinaufzufahren, ohne auf die Signale des Zollpostens zu achten und zu stoppen. Die „Counteß Carnarvon“ sei durch den kleinen portugiesischen Dampfer Mac Mahon“ angehalten worden. Die auf dem Schiffe be⸗ findlichen Waffen sowie die Munition seien für einige Häuptlinge an den Ufern des Limpopo, welche sämmt⸗ lich, der portugiesischen Regierung unterworfen seien, bestimmt gewesen. Die erfolgte Beschlagnahme sei durch⸗ aus gerechtfertigt (vgl. „Großbritannien„). Anlangend die Angelegenheit bezüglich der englischen Jagdgesell⸗ schaft wird der Hergang von den Zeitungen wie folgt dar⸗ gestellt: Ein englischer Dampfer, welcher Beira passirte, habe dort zwei Boote mit Munition und zehn Mann Besatzung zurückgelassen. Letztere hätten sich ohne jeden amtlichen Ausweis befunden; sie hätten deshalb als Piraten angesehen und von jedem Schiff, gleichviel welche Flagge dasselbe trug, festgenommen werden müssen. In der Pairskammer bestätigte der Marine-Minister die obigen Nachrichten und verlas die bezüglichen Artikel der portugiesischen Verfügung, Durch welche die Einfuhr von Waffen und Munition über die Ostküste Afrikas verboten wird. Der Minister fügte hinzu, die Waffen seien für die Häuptlinge der unter portugiesischer . stehenden Eingeborenen von Inhambane bestimmt gewesen.

Türkei.

Agob Pascha hat, wie „W. T. B.“ aus Kon⸗ stantinopel vom heutigen Tage meldet, seinen Posten als Finanz-Minister niedergelegt, behält jedoch das Portefeuille der Civilliste bei. Der Unter⸗-Staatssekretär im Finanz— Ministerium Nazif Effendi übernimmt das Finanz— Mini sterium.

Der persische Botschaster Hadschi Mohsin Khan, der bisherige Doyen des diplomatischen Corps, hat seine Ent⸗ lassung gegeben, welche angenommen wurde.

Der „Ag. d. Const.“ zufolge haben die Botschafter Rußlands und Frankreichs eine Anfrage an die Pforte darüber gerichtet, welche Stellung die Pforte denjenigen Mächten gegenüber einnehmen wolle, welche keine Handels⸗ konvention mit Egypten abgeschlossen haben. Der Minister des Auswärtigen habe auf Grund eines Ministerrathabeschlusses mündlich geantwortet: die dem Khedive ertheilten Bestallungsfirmans enthielten auch in Betreff der Handelsfragen bestimmte Weisungen. Sollte der unwahrscheinliche Fall eintreten, daß diese letzteren von Seiten Egyptens verletzt würden, so würde die Pforte die Interessen der betheiligten Mächte zu wahren wissen.

Die Kommission der Pforte, welche das Verhalten des General-Gouverneurs von Albanien in Angelegenheit der Verletzung der montenegrinischen Grenze durch Malissoren Prüfen soll, ist, wie dem „W. T. B.“ aus Cettinje vom 16. d. gemeldet wird, in Skutari eingetroffen.

Bulgarien.

Sofia, 16. März. Prinz Ferdinand, sein Bruder Prinz August und dessen Sohn sind zu einer mehrtägigen Jagd nach Burgas abgereist. !

Nach einer Meldung aus Neapel ist dort der frühere Kriegs-Minister Mutkurow plötzlich verstorben; sein Tod erfolgte auf der Rückfahrt vom Theater. Der Minister⸗-Rath entsandte eine Kommission nach Neapel zur Ueberführung des 5 nach Sofia. Die Bestattung soll auf Staatskosten erfolgen.

Amerika.

Vereinigte Staaten. Der italienische Gesandte de Fava hat, wie W. T. B.“ aus Washington meldet, dem Staatssekretär Blaine einen schriftlichen Protest gegen die passive Haltung der Behörden von New— Orleans während der jüngsten Vorgänge (s. d. gestr. Nr. d. Bl.) überreicht. Gleichzeitig wird die Regierung auf— gefordert, das Leben der italienischen Staatsangehörigen, das dauernd bedroht erscheine, zu schützen und die Urheber des Blutbades wie ihre Mitschuldigen zur strengen Verantwortung zu ziehen. Aus New-Orleans wird weiter berichtet: Wie verlautet, soll Parkerson, der Führer der Volks— menge, welche an den verhafteten Italienern Lynchjustiz übte, ein mit der Unterschrift „Die Mafia“ unterzeichnetes Schrift— stück erhalten haben, in welchem angedroht wird, daß er ge— tödtet und seine Familie vergiftet werden würde. Die gegen drei andere Italiener wegen Theilnahme an der Ermordung Hennessey's erhobenen Anklagen sind zurückgezogen worden; dagegen befinden sich fünf andere Italiener noch immer in Haft und sollen gerichtlich verfolgt werden. Der Staatsanwalt ist mit Erörterung der gegen die Geschworenen erhobenen Beschuldigung der Bestechung beschäftigt.

Zu den Vorgängen in New-Orleans wird der „Köln. Ztg.“ aus London noch Folgendes gemeldet:

Die in New Orleans verübte Lynchjustiz ist unerhört in der Ge— schichte einer gesitteten Stadtgemeinde und übertrifft Alles, was in Amerika, seitdem der Wachausschuß in San Francisco unmittelbar nach der Entdeckung der Goldfelder eingesetzt worden, überhaupt auf diesem Gebiete geleistet worden ist, und wurde dennoch gar von namhaften Rechtsanwälten und Kaufleuten geleitet und von der Presse gebilligt. Die Ursache liegt in der Existenz geheimer Ge— sellschaften von Italienern, wie die Mafia, die aus Rachsucht gegenseitig Meuchelmorde begingen. In kurzer Zeit waren 40 Morde vorgekommen. Als daher im vorigen Juni wiederum sechs Morde ruchbar wurden, beschloß die Stadtbehörde die Ausrottung der Mafia. Polizei⸗ Direktor Hennessy, der sich dabei auszeichnete, brachte fünf Sizilianer auf die Anklagebank, ward aber im vorigen Oktober mitsammt den Hauptzeugen selbst ermordet. Darauf organisirte der Bürgermeister eine Spezialpolizei, verhaftete eine Menge von Italienern, die der Mafia angehören sollten, und stellte neunzehn davon unter Anklage. Neun wurden im vorigen Monat vor das Schwurgericht gebracht. Mittlerweile verbreitete sich das Gerücht, daß die Geschworenen von der Mafia bestochen seien, und als thassächlich am Freitag sechs freigesprochen und Betreffs der übrigen drei die Jurh uneins erschien, las man am Sonnabend in allen Zeitungen einen Aufruf zu einer Versammlung aller guten Bürger auf dem City Sguare, um einem Schiffbruch der Gerechtigkeit vorzu⸗ beugen; derselbe schloß mit den Worten: „Kommt aktionsbereik!“ Taufende erschienen. Drei hervorragende Advokaten, Parkerson, Wickliffe und Deneor, fachten die Entrüstung und den Blutdurst an und riefen: „Soll die Mafia unsere Bürger in den Straßen meucheln und die Geschworenen bestechen, daß die Mörder freigesprochen werden?“ Darauf allgemeiner Aufbruch zum Gefängniß, an der Spitze 200 aus— gediente Soldaten. Unterwegs hielt man am Arsenal, wo Flinten und Pistolen herausgereicht wurden Die Kerkerthür wurde mit Brecheisen bearbeitet, bis ein riesiger Neger sie mit der Art einschlug. Darcuf wurden funfzig mit der Ausführung des Lvnchurtheils beauftragt, drangen ein und erschossen sechs, die ins Weiberzimmer geflüchtet waren. Um die blutdüurstige Menge draußen zu befriedigen, wurden zwei Italiener lebendig hinausge⸗ schleppt, einer an einem Baum aufgeknüpft und mit Kugeln durch löchert, ein anderer, an einer Laterne aufgehängt, fiel hinab und wurde wieder aufgeknüpft. Der Polizei Direktor, welcher mit einem Dutzend Polizisten anlangte, wurde mit Fäusten bedroht und kehrte um. Schließlich hielt Parkerson am Kerkerfenster an die Menge eine Schlußrede: „Die Gerechtigkeit ist geschehen, die Mörder Hennesfv's sind todt, die Verantwortlichkeit dafür gebührt der bestochenen Jury. Das Volk verlangte den Tod. wir haben den Willen des Volkez er— füllt. Jetzt geht nach Hause!“ Darob jauchzte die Menge und trug Parkerson auf den Schultern im Triumphzuge fort. Die Zahl der Ge⸗ lynchten beläuft sich auf elf.

In Beantwortung einer Interpellation, betreffend die Ver⸗ handlungen im Deutschen Reichstage über gesalzenes amerikanisches Schweinefleisch, erklärte der Sekretär der Landwirthschaft Rus k, dem W. T. B.“ zufolge: Das kürzlich vom Kongreß angenommene Gesetz garantire eine sorgfältigere Untersuchung des Fleisches, als solche in irgend einem Lande der Welt stattfinde. Die Vereinigten Staaten hätten lange Zeit die unwahren Angaben über ihr gesalzenes Fleisch ge—⸗ duldig ertragen; aber der Zeitpunkt sei t gekommen, wo ein ungerechtes Verbot aufhören müsse. ie Beseitigung dieses

Uebelstandes, soweit sie die Gesetze des betreffenden Landes gestatteten, müsse seiner Meinung nach verlangt werden.

Die kalifornische Legislatur hat, wie bestätigend gemeldet wird, die Anti⸗Chinesen-Bili genehmigt. Die Bill verfügt, daß alle in Kalifornien wohnhaften Chinesen

einer Legitimationskarte bedürfen, welche beweist, daß sie in Kalifornlen leben; alle übrigen Chinesen werden ausge—

schlossen. Afrika.

Egypten. Die Londoner „Times“ bringt in einer zweiten Ausgabe vom Montag Abend ein Telegramm aus Kairo vom 15. März, welches besagt, daß nach Anfsicht gut unterrichteter Kreise die Einnahme von Tokar nur ein Theil eines weiter angelegten Aktionsplans sei, welcher auch die Einnahme von Berber als Vorbereitung zur Wieder⸗ eroberung des Su dan eigbegreife. Die Maßregel sei nothwendig geworden infolge des Vordringens Italiens gegen den Nil; aber andererseits sei sie auch nothwendig zum Schutz der friedlichen Bevölkerung gegen die Grausamkeiten der Derwische.

Ueber Stadt und Insel Sansibar bringt das zweite Heft des neunzehnten Jahrganges der vom Hydrographischen Amt des Reichs⸗Marineamts herausgegebenen „Annalen der Hydrographie und maritimen Meteorologie“ einige Daten, von denen wir folgende hervorheben:

Die Stasbt Sansibar hat, da der ganze Handel des der Insel gegenüberliegenden Festlandes sich in derselben vereinigt, eine bedeutende Ausfuhr, besonders in Elfenbein, Kopal, Fellen, Färberflechten, Ge— würznelken und Gummi. Die Haupteinfuhr besteht aus Perlen, Draht, Zeug, Kanonen, Pulver, Spirituosen, Reis und Eisenwaaren, sowie aus Kohlen, Getreide, Baumwolle, Manufakturwaaren ꝛç.

Alle Sorten von Geld sind im Verkehr, aber es wird im All— gemeinen nach Dollars gerechnet. Das Goldgeld ist meistens ameri⸗ kanisch und das Silbergeld bestebt aus Rupien. Maria Theresia— Tbaler sind gleichfalls im Verkehr. Indisches Kupfergeld wird im Kleinbandel benutzt.

Den besten Theil des kultivirten Landes haben Araber im Besitz, welche auf ca. 40900 geschätzt werden. Die Banians oder Hindus (Eingeborene aus Cutsch) sind die Haupthändler in Sansibar und wohl die reichsten der Stadt. Es leben ca. 10900 Banians und ca. 3000 Hindus daselbst. Der Rest der Bevölkerung besteht aus Negern, deren Zahl sich auf ca. 200 000 belaufen dürfte, von welchen 80 bis 100009 in und bei der Stadt leben.

Bei der Spitze Schangani befinden sich einige große Tanks zum Auffangen des Regenwassers. Das Wasser aus der Stadt sollte man nicht benützen, da die Brunnen durch die Abgänge aus den Häusern meist verunreinigt sind Frischer Proviant und Kohlen sind zu baben, und man kann von letzteren in 24 Stunden ea. 250 t einnehmen.

Die Stadt Sansibar hat ungefähr 80 000 Einwohner, unter welchen sich ca. 85 Weiße befinden. Die Truppen des Sultans zer— fallen in reguläre und irreguläre; erstere verrichten gleichzeitig den Polizeidienst und sind aus Landeseingeborenen zusammengesetzt, un— gefähr 2500 Mann. Die irregulären Truppen bestehen aus frei⸗ willigen Arabern ze; diese haben keine stramme militärische Organi⸗ sation, ibre Bewaffnung und Bekleisung ist gleich bunt, da sie beides selbst beschaffen müssen. Das Artilleriematerial besteht aus sieben Jem Armstrong⸗ und einigen gezogenen Rohren anderer Sorten als Feldgeschütz und aus alten Vorderladern verschiedenen Kalibers als Festungsgeschütz. Das Marinenmaterial bestebt aus einer Korv tte, einer Jacht und sechs Da mpfern. Die Korvette wird nur als Hafen⸗ schiff benutzt. ;

Hafenabgaben sind in Sansibar außer den gewöhnlichen Konsulats gebühren nicht zu entrichten. Der Tagelohn für Arbeitsleute beträgt 20 Pesa, die Miethe für Ladungsboote einschließlich der Boots mannschaft beträgt 5 bis 6 Dollar den Tag. Der Dollar, nach welchem dort gerechnet wird, ist der österreichische Maria Theresia— Thaler im Werthe von ea 425 ; 1 Dollar hat 120 Pesa und 28 Pesa ea 1 M Eine größere Reparatur läßt sich in Sansibar nicht ausführen, da es weder Docks poch Werften giebt

Die Leichenfeierlichkeit für Dr. Windthorft.

Gestern Abend hat die Aufbahrung der Leiche Dr. Windthorst's im Schiff der Hedwigskirche nach den Anordnungen des Grafen Ballestrem stattgefunden. Der schwere Metall— sarg, der mit goldenen Ornamenten und vier goldenen Engelsgestalten geschmückt ist, wurde aus der Krypta herausgehoben, um die Kirche getragen und durch den durch Lorbeerbäume flankirten Haupteingang in die Kirche hinein gebracht. Die Aufbahrung geschah auf dem großen Katafalk, der inmitten des Schiffes errichtet war. Am Fuß— ende wurde der Kranz Seiner Majestät des Kaisers, am Kopfende der des Prinz⸗Regenten von Bayern be— festigt. Unter den sonstigen Blumenspenden ist zu erwähnen ein großer Kranz, den „seinem großen in Allem treuen Windthorst“ „der ihm ergebene Wahlkreis Meppen“ gespendet hat. Auch der Reichskanzler von Caprivi und die Minister haben, wie die „N. A. 3.“ mittheilt, ihre Theilnahme in Kranzspenden bekundet. Ein kostbarer Kranz trug die Widmung „Der Verband katholischer Studentenvereine Deutschlands“. Unter den sonstigen Blumen— spenden seien noch die des Fürsten Ferdinand Radziwill, des Grafen und der Gräfin Chamars und des Geheimen Kom— merzien-⸗Raths von Bleichröder erwähnt.

Heute Vormittag um 10 Uhr fand für den Verstorbenen in der Hedwigskirche ein feierliches Requiem statt. Die Kirche war mit gruͤnem Laube reich geschmückt. Vor dem Sarge lagen auf zwei schwarzen Kissen die Orden des Verstorbenen; ein reicher Blumenflor umgab den Sarg in weiter Umgebung.

Die Pforten des Gotteshauses öffneten sich bereits um 9 Uhr, und bald war der weite Raum mit Theil nehmenden dicht gefüllt. Im Auftrage der Centrumsfraktionen machten die Abgg. von Buol und Dr. Porsch die Honneurs, die Beamten des Reichstages und des Abgeordneten— hauses sorgten mit den Mitgliedern der katholischen Vereine, deren Bannerträger gleich den Deputationen der Studenten in den Seitengängen Aufstellung ge— nommen hatten, für die Ordnung. Seine Majestät der Kaiser hatte den General à la suite General-Major Grafen von Wedel zur Feier entsandt; für den Großherzog von Baden erschien der Flügel-⸗Adjutant Freiherr von Gagern; der Prinz— Regent von Bayern und die Souveräne von Sachsen, Würt— temberg, Mecklenburg, Sachsen-⸗Weimar, Braunschweig u. s. w. wurden durch die Vertreter beim Bundesrath repräsentirt. Auch der badische Gesandte wohnte der Feier bei. Es erschienen ferner der Reichskanzler von Caprivi, der Staatssekretär des Auswärtigen Amts Freiherr von Marschall, die Staats— Minister von Boetticher, von Schelling, Freiherr von Berlepsch, Herrfurth, Miquel, von Heyden, von Goßler und von Putt⸗ kamer, der Minister des Königlichen Hauses von Wedell, der Direktor im Reichs-Schatzamt Aschenborn, der Ministerial⸗ Direktor Bartsch und viele andere hohe Be— amte, der General der Infanterie von Verdy, der General⸗ Lieutenant von Spitz und einige andere Offiziere. Die Mit— glieder der Parlamente waren nahezu vollzählig anwesend. Im Uebrigen füllte eine dichtgedrängte Menge den von Weihrauchduft erfüllten Raum. Kurz vor 10 Uhr begaben

sich der Bischof Aßmann und der Propst Dr. Jahnel mit

30 Geistlichen in feierlichem Zuge von der Sakristei nach dem Portal der Kirche, um hier den Fürstbischof Dr. Kopp zu empfangen und unter Orgelklang in den geweihten Raum zu geleiten. Unmittelbar darauf begann das feierliche Requiem, dem die Haller'sche Komposition zu Grunde gelegt war. Nach dem Requiem nahm Fürstbischof Dr. Kopp das Wort zur Trauerrede:

„Wir stehen hier“, so führte der Fürstbisckof aus, am Sarge eines Mannes, dessen Namen von den Katholiken Deutschland mit unbe—⸗ grenzter Ehrfurcht und beispielslosem Vertrauen genannt wurde und der auch über die Grenzen der deutschen Gauen hinaus ein Gegenstand bewundernder Verehrung gewesen ist. Tief bewegt über den Verlust des hochbegabten und hochverdienten Todten stehen wir jetzt an diesem Sarze, und trauernd lenkt das katholische Deutsch— land seine Augen auf diese Stätte. Der Mund des Menschen ist außer Stande, die Verehrung zu schildern, welche seine Glaubensgenossen ihm dargebracht. Aber mögen auch Manche mit ihm nicht einer Ansicht gewesen sein, Angesichts seines Todes sind Alle in dem einen Geiübl vereint, in dem Gefühl auf— richtiger Theilnahme über seinen Verlust, der uns seinen Werth erst recht empfinden läßt. Sein Lebensweg führte ihn durch sehr ver— schlungene Wege, aber wie verschlungen auch die Wege waren, das katholische Volk ist an ihm nicht irre geworden. Er war ein Mann von hoher staatsmännischer Weisheit, er war ein bedeutender Mann; darüber sind Alle einia, welcher Richtung sie auch immer sein mögen, er war ein Mann von großer Begabung. Bewundernswerth an ihm war vor Allem das Verständniß, mit dem er in den schwierigsten Fragen immer das Richtige traf; er war ein Freund und Vorkämpfer der Wahrheit und fest und unerschütterlich in seinen Grundsätzen, in seinem Handeln und in seiner Ueberzeugung. Er war von seltener Arbeitskraft und nie scheute er Mühe und Last; er war aber auch, und das darf man nicht vergessen, um ihn ganz zu würdigen, ein guter Patriot. Nie hat er etwas gethan, was mit seiner Unterthanenpflicht in Widerspruch gestanden. Wie groß auch seine Anhänglichkeit an das angestammte Fürstenhaus, dem er so lange gedient, an sein liebes Heimathland war, es binderte ihn doch nicht, seine Arbeitskraft dem neugeeinten deutschen Vaterlande und Preußen treulich zu widmen und, wenn auch mahnend und warnend, jo doch immer pflichtge—⸗ treu an der Neugestaltung der Verhältnisse mitzuwirken. Nicht war es Ruhmsucht, welche ihn bei diesem seinem Thun leitete, sondern allein das Pflichtgefühl ließ ihn freudig alle Entbehrungen und Auf— regungen des parlamentarischen Lebens auf sich nehmen. Aber nicht allein die bürgerlichen Interessen nahmen seine Thätigkeit in Anspruch, er war auch ein treuer Diener und Vorkämbfer seiner Kirche, der stets bereit war, für sie einzutreten, wenn er sie bedroht sah. Nun hat der Tod seine ruhmvollen Bahnen beendet, zu früb für die Seinen, für die Freunde, für seine Kirche. Hat aber Gott auch seinen Leib uns entrissen, sein Geist bleibt bei uns. Wir alle bezeugen ihm an seinem Sarge, daß er einen guten Kampf gekämpft. Gott gebe uns das, wofür er gekämpft, was er erhofft“

Hierauf vollzog der Fürstbischof die Einsegnung der Leiche. Inzwischen ordnete sich vor der Kirche der Trauerzug der Vereine sowie der Studentenverbindungen. Alsdann wurde der Sarg hinausgetragen und von den Versammelten entblößten Hauptes empfangen. In dem Zuge, der sich nun— mehr in Bewegung setzte, schritten dem Sarge voran die Vereine und der Klerus, dem Sarge folgten die Abgeordneten und die übrigen Leidtragenden. Die Leiche wurde nach dem Lehrter Bahnhof überführt, wo ein Extrazug nach Hannover bereit stand.

Wie die „Germania“ berichtet, ist von Rom aus folgendes Telegramm vom Kardinal-Staatssekretär Rampolla an die Centrumsfraktion eingetroffen:

Mit tiefem Schmerze hat uns die telegraphische Nach— richt von dem Tode des hochberühmten Mannes Ludwig Windthorst, des unermüdlichen Vertheidigers der Rechte der Kirche, erfüllt. Der h. Vater sendet heiße Gebete für die ewige Ruhe dieser hochbegnadeten Seele zu Gott empor. Kardinal Rampolla.“

Die „Kölnische Volkszeitung“ bespricht die ehrende Theil— nahme Seiner Majestät des Kaisers für den Abg. Dr. Windthorst und bemerkt dabei, dieselbe werde von den preußischen Katholiken dankbar vermerkt und empfunden.

Barlamentarische Nachrichten.

In der heutigen (91.) Sitzung des Reichstages, welcher die Staatssekretäre Dr. von Boetticher und Freiherr von Marschall beiwohnten, erklärte vor Eintritt in die Tages— ordnung der Abg. Dr. Böckel in Erwiderung auf die gestrigen Ausführungen des Abg. Dr. Gutfleisch, daß er seine in der zweiten Lesung gemachten Aeußerungen gegen zweiRechtsanwälte auf einen Brief gestützt habe, den er Jedermann zur Einsicht zeigen wolle und in welchem der betreffende Klient aufgefordert wurde, bis übermorgen 50 „M6 zu zahlen, sonst könnten die Rechtsanwälte die Revision nicht einlegen. Jeder denkende Leser des Briefes müsse zu denselben Folgerungen kommen wie er.

Als erster Gegenstand stand auf der Tagesordnung die Berathung des schleunigen Antrages der Abgg. Zimmer— mann und Genossen wegen Aufhebung eines Strafverfahrens gegen den Abg. Werner für die Dauer der Session.

Der Antrag lautet:

den Herrn Reichskanzler zu ersuchen, zu veranlassen, daß das gegen das Mitglied des Reichstages Werner beim Königlichen Amtsgericht zu Kassel wegen Beleidigung schwebende Strafverfahren für die Dauer der Session eingestellt werde.

Bei Schluß des Blattes begründete der Abg. Zim mer— mann diesen Antrag.

In der heutigen (60.) Sitzung des Hauses der Ab⸗ geordneten, welcher der Minister der öffentlichen Arbeiten von Maybach und der Finanz-Minister Miquel nebst Kommissarien beiwohnten, wurde die zweite Berathung des Entwurfs des Staatshaushalts⸗Etats für 1891,92 fort— gesetzt, und zwar beim Etat der Eisenbahnverwaltung. Gegenüber einer Beschwerde des Abg. Schmieding über die Schienenübergänge im Niveau der Straße in Dortmund, wies Minister von Maybach darauf hin, daß ihre Beseiti⸗ ung in der örtlichen Beschaffenheit große Schwierigkeiten nde und die Entscheidung nicht überstürzt werden dürfe.

Abg. Broemel begründete einen von ihm zu Kap. 10 Tit. J eingebrachten Antrag.

Bei Schluß des Blattes sprach Minister von Maybach.

Die Budgetkommission des Reichstages hat gestern abermals die Frage der Kameruner Anleihe be— rathen, aber die Entscheidung verschoben. Ueber die Ve hand⸗ lungen entnehmen wir der „N. A. 3.“ Folgendes:

Der Geheime Legations-ztath Kayser hatte am Sonnabend unter Darlegung der wegen der Anleihe gemachten Offerten an der Hand des Gesetzes gegen den Abg. Richter nachgewiesen, daß sich die

Regierung bei Aufnahme der Anleihe durchaus auf verfassunge—