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sondern die Beamten des aufrechtzuerhaltenden Gesetzes wegen. Jetzt aber sei die Verantwortlichkeit so unerheblich, daß, wenn ein Richter einen Angeklagten vier oder sieben Monate habe unschuldig verhaftet sein lassen, er sich noch nicht einmal entschuldige. Er erinnere sich überdies nicht gesagt zu haben, daß die Vermeidung von ungerechtfertigten Verhaftungen eine Forderung nur der Sozial—⸗ demokraten sei. Er wolle nicht sagen, daß die Abgeordneten anderer Parteien nicht derselben Ansicht seien. Der Abg. Gröber sage, er (Redner) möchte einen anderen Vorsch lag machen, als jetzt im Gesetz stehe. Er fürchte aber, einen solchen würde man im Hause nicht an— nehmen, und außerdem, wenn man sch on einmal an der Strasprozeß⸗ ordnung rüttle, dann würde seine Partei sie von Grund aus ändern, sie würde mit der gesammten Staatzanwaltschaft aufräumen und statt der gelehrten Richter und der jetzt vorhandenen Schwurgerichte wirk⸗ liche Volksgerichte einführen.
Abg. Gröber: Wenn man jeden Richter, der eine ungerecht⸗ fertigte Verhaftung verfüge, ohne Dolus oder Culpa zu untersuchen, mit seinem Vermögen haftbar machen wolle, därfte man bald. Niemand mehr finden, der Richter werden wollte. Andere zhatsächliche Fest⸗ stellungen, als jetzt beständen, ließen sich in den 5. 112 nicht auf⸗ nehmen. Er bitte den Abg. Stadthagen, die Strafprozeßordnung, wie er sie sich denke, hier vorzulegen, das könnte ganz amüsant werden. Wolle er wirkliche Volksgerichte statt der jetzigen Schwurgerichte ein⸗ führen, so bitte er (Redner) ihn, für solche zu sorgen, die einen Ge⸗ nossen nicht verurtheilten, ö ö. verbotenermaßen in die Phil
armonie gegangen sei. (Heiterkeit. ö. -
- Abg. * . von Stauffenberg: Die wichtigste Hülfe bei ungerechtfertigten Verhaftungen liege in der von seiner Partei schon verlangten Entschädigungspflicht für unschuldig Verhaftete, aber Richter, Staatsanwalte oder Polizisten, die eine solche Verhaftung anordneten, könne er ohne nachgewiesenes Verschulden nicht haftbar machen. Die Fassung des Verhaftung sparagraphen sei um so schwieriger, als dabei Mißbräuche oder Mißgriffe nicht ausgeschlossen seien. Aus langer Erfahrung aber wisse er, daß die große Mehr zahl von ungerechtfertigten Verhaftungen daher rühre, daß der „Verdacht auf Kollusion“ vielfach zu leicht genommen werde; hier sollte man genauere thatsächliche Festsetzungen machen. Er habe in jüngster Zeit zu seiner Freude gelesen, daß die württembergische Staatsregierung hier die Anregung zu Abänderungen geben wolle, und er hoffe, daß die anderen Regierungen sich der württembergischen anschließen würden.
Der Etat des Reichs-Justizamts wird nach den Be— schlüssen zweiter Lesung unverändert genehmigt.
Bei dem Etat des Reichs-Schatzamts bemerkt ;
Abg. Graf Mirbach: In einem Augenblick, wo die meisten Mitglieder des Hauses ihre Koffer gepackt hätten, könne es nicht seine Absicht sein, eine Währungsdiskussion zu provoziren. Nur zwei Fakta wolle er registriren. Früher sei von den Freunden der Goldwährung, insbesondere von dem früheren Abg. Woermann behauptet worden, daß der Silberpreis durchaus keine Wirkung auf den Preis der Weltmarktwaaren habe. Als dann im vorigen Herbst der Preis des Silbers erheblich gestiegen sei, habe die liberale Presse auf die kolossale Vertheuerung aller Preise hingewiesen und gemeint, die Agrarier möchten nun ihre Versprechungen einlösen und in eine Ermäßigung der Zölle willigen. Er konstatire also, daß allseitig anerkannt worden sei, daß der Silberpreis allerdings im direkten Zusammenhang zu der Werthsteigerung der Waaren, zu dem Welt— marktpreise stehe. Der zweite Punkt betreffe die Goldvorräthe der Reichsbank. Es sei früher von gegnerischer Seite bestritten worden, daß die Goldvorräthe der Reichsbank geringer seien als die der franjzösischen Bank. Er registrire nun ein Wort des Reichs⸗ bank⸗Präsidenten, welcher hier ausgeführt habe, es sei richtig, daß die Goldvorräthe der französischen Bank größer seien als die der deutschen. Er habe allerdings daran einige Einschränkungen ge⸗ knäpft, die aber an jenem Satz nichts Wesentliches änderten.
Abg. Dr. Bam berger: Die Herren von der Doppelwährung fühlten das Bedürfniß, in Erinnerung zu bringen, daß sie noch am Leben seien. Er begreife das, denn sonst könnte man glauben, sie wären todt und begraben. Wenn der Abg. Graf Mirbach keine Währungsdebatte wolle, so sei er (Redner) ganz mit ihm einver— standen. Er konstatire nur das Gegentheil von dem, was der Abg. Graf Mirbach habe als unanfechtbar hinstellen wollen. Er habe zunächst Hrn. Woermann oder einem anderen beliebigen Herrn, der seiner (des Redners) Ansicht gewesen sei, die Meinung zugeschrieben, daß anerkannt wäre, mit der Aenderung des Silberpreises würde auch der Waarenpreis sich ändern. Das sei theils richtig, theils unrichtig. Es sei damals nur Folgendes hehauptet worden: So lange es sich um die Hinauf⸗ oder Herabsetzung der Kornzölle gehandelt habe, hätten vie Anhänger der Doppelwährung sich immer darauf berufen, daß der niedrige Silberpreis die Ursache wäre, daß der Kornpreiz so niedrig wäre und daß schon deshalb die Kornzölle bestehen müßten. Dagegen sei ihnen nun gesagt worden, jetzt, wo der Silberpreis in die Höhe gegangen sei, hätten sie diesen Grund nicht mehr. Was die Goldvorräthe betreffe, so habe Niemand bei irgend einer Dis. kussion bestritten, daß, absolut genommen, die Vorräthe der franzö—2 sischen Bank höher wären als die der Reichsbank. Es sei nur in Erinnerung gebracht worden, daß Jemand, der von dem Bankwesen etwas verstehe, nicht bloß die Goldvorräthe, sondern auch die sich für die Bank ergebenden Verpflichtungen in die Berechnung zöge und daß, wenn man beides vergliche, die deutsche Bank besser stände als die französische, und das habe auch der Reichsbank Präsident hier gesagt. Im Herbst v. J. habe der Abg. Graf Mirbach in der Zeitung ertlärt, er könne eigentlich sein Mandat niederlegen, nachdem das Silber wieder in der Parität von 153: 1 zum Golde stehe, er wolle aber doch, obwohl seine Silbersache siegreich aus dem Kampfe hervorgegangen sei, nicht aus dem Reichstage scheiden. Er (Redner) bedauere das nicht, denn der Abg. Graf Mirbach sei ihm (dem Redner) wegen der vorzüglichen Eigenschaften, die ihn auszeichneten, besonders angenehm, und er streite mit ihm gern, weil er immer ein galanter und zuvorkommender Gegner sei, aber er (Redner) sei sehr beruhigt über den Ausgang dieser Streitfrage. Bis die Parität von 155 zu 1 wieder erreicht werde, könne er (Redner) ruhig in die Grube fahren. Der Abg. Graf Mirbach werde es nicht erleben.
Abg. Graf Mirbach verzichtet aufs Wort.
Abg. von Kardorff: Der Abg. Dr. Bamberger werde mit dieser Prophezeiung dasselbe Glück haben, wie mit seinen früheren Prophezeiungen. Er (Redner) habe übrigens die feste Zuversicht, daß das Silber mit elementarer Gewalt seine Stellung wieder erobern werde, ganz gleichgültig, wie es in Amerika zugehe. Man köane nicht ein Verkehrsmittel entbehren, welches so und soviel tausend Jahre den Verkehr vermittelt hahe, Die Vertheidiger der Gold, währung seien lebendiger als je. Die Differenzen in der Zollpolitik ließen sich nur durch eine anderweitige Regulirung der Währungs; politik aus der Welt schaffen. Herr Woermann habe gesagt, es sei sehr charakteristisch, daß der Waarenpreis gleichzeitig mit dem Silber⸗ preis in die Höhe gegangen sei. Diese richtige Anschauung, die jetzt auch in der Goldwährungspartei immer mehr durchdringe, werde endlich zu einer Remonetisirung des Silbers führen. .
Ueber die in zweiter Lesung zu diesem Etat eingereichte Resolution Richter, betreffend die Höhe der Reisekosten— Entschädigungen, berichtet Namens der Budgetkommission Abg. Hahn. Die Kommission beantragt die Annahme des Antrags in folgender Fassung: „Die verbündeten Regierungen zu ersuchen, das Reglement in Betreff der Vergütungen für Reisekosten der Beamten und Offiziere den veränderten Ver— hältnissen entsprechend einer Revision zu unterziehen und hier— bei für Dienstreifen, welche auf Eisenbahnen oder Dampf— schiffen zurückgelegt werden, an Stelle der Kilometer, gelder die Beträge für die Fahrkarten zu vergüten.
Ohne Debatte wird dieser Antrag einstimmig angenommen, und der Etat des Reichs-Schatzamts genehmigt.
Beim Etat des Reichs-Eisenbahnamts bemerkt
Abg. Graf Moltke: Man möge ihm wenige Worte über die Frage der Einheitszeit gestatten. Er werde nicht lange aufhalten, um⸗
somehr als für den inneren Betrieb der Eisenbahnen eine einheitliche Zeit wünschenswerth sei. Das sei allgemein anerlannt und werde nicht bestritten. Aber man habe in Deutschland fünf verschiedene Einheitszeiten: man rechne in Norddeutschland einschließlich Sachsen mit Berliner Zeit, in Bayern mit Münchener, in Württemberg mit Stuttgarter, in Baden mit Karlsruher und in der Rheinpfal; mit Ludwigshafener Zeit. Man habe also in Deutschland fünf Zonen; alle die Unzuträglichkeiten und Nachtheile, denen man befürchte an der französischen und russischen Grenze zu begegnen, wenn man für ganz Deutschland eine Eisenbahneinheitszeit einführe, habe man heute in einem fort. Das sei, er möchte sagen, eine Ruine, die stehen ge— blieben sei aus der Zeit der deutschen Zersplitterung, die aber, nach—⸗ dem Deutschland ein Reich geworden sei, billig wegzuräumen wäre. Es sei anerkannt, der Umstand, daß der Eisenbahnreisende bei jeder neuen Station eine neue Zeitangabe finde, die mit seiner Zeit nicht übereinstimme, sei nicht irgendwie von Belang, aber von großer Wichtigkeit sei, daß alle diese verschiedenen Eisenbahn⸗ einheitszeiten, wozu nun noch alle Ortszeiten hinzukämen, eine wesentliche Erschwerung für den Betrieb der Eisenbahnen seien, ganz besonders in den Leistungen, welche für mili—— tärische Zwecke von den Eisenbahnen gefordert werden müßten. Im Fall der Mobilmachung müßten alle Fahrtlisten, die an die Truppen gingen, in Ortszeiten und in den in Süddeutschland geltenden Ein⸗ heitszeiten berechnet werden. Das sei natürlich, die Truppen könnten sich nur nach der Uhr in ihren Standquartieren oder ihrer Heimath richten. Ebenso verhalte es sich mit den an die Eisenbahnverwal— tungen abzusendenden Fahrplänen; auch diefe müßten ähnlich berechnet sein. Die norddeutsche Eisenbahnverwaltung rechne nur mit Berliner Zeit, es müßten also die Tableaux und Listen umgearbeitet werden in Berliner Zeit. Diese wiederholte Umarbeitung könne leicht eine Fehlerquelle werden, die Fehler herbeiführe, die von sehr großer Bedeutung sein könnten. Es erschwere das ungemein, plötzlich die Dispositionen zu treffen wie sie bei Stockung oder Unfällen auf der Eisenbahn augenblicklich gefaßt werden müßten. Es würde ein großer Vortheil sein, wenn man wenigstens für die Eisenbahnen eine allgemeine deutsche Einheitszeit erlangen könnte. Dafür geeignet sei vor Allem der 15. Meridian. Derselbe schneide durch Norwegen, Schweden, Deutschland, Oesterreich und Italien. Er würde also even⸗ tuell geeignet sein, um später vielleicht eine mitteleuroräische Zeit herbeizuführen. Bei dieser Zugrundelegung des 15. Meridians, des sogenannten Stargarder Meridians, entständen an den äußersten Grenzen Zeitverschiedenheiten im Osten von 31 Minuten, im Westen von 36 Minuten. In viel größeren Differenzen habe man in Amerika kein Hinderniß gesehen, und ebenso wenig in kleinen Differenzen in Süddeutschland. Aber selbst wenn man eine Einheitszeit nur für die Eisenbahnen erlangte, so seien damit nicht alle die Uebelstände gehoben, welche er in Kürze erwähnt habe. Das sei nur möglich, wenn man für ganz Deutschland eine rinheitliche Zeitrechnung erlange, d. h. wenn alle Ortszeiten abgeschafft würden. Dagegen beständen noch im Publikum allerlei Bedenken, er glaube mit Unrecht. Allerdings habe sich die schwerwiegende Autorität der Gelehrten der Sternwarten in diesem Kampf in entgegengesetztem Sinne ausgesprochen. Die Wissen2 schaft verlange viel mehr als er. Die sei nicht zufrieden mit einer deutschen Einheitszeit, auch nicht mit einer mitteleuropäischen, sondern sie wolle eine Weltzeit, und das gewiß mit vollem Recht von ihrem Standvunkt und für ihre Zwecke. Aber diese Weltzeit, welche auf dem Meridian von Greenwich basire, könne unmöglich ins praktische Leben eingeführt werden. Man müßte dann alle Octszeiten beibehal“ ten; auch was die Eisenbahnen betreffe, so hätten sich alle Fach—⸗ männer dagegen ausgesprochen. Die Gelehrten der Sternwarte er kennten an, daß eine Einheitszeit möglich und gut sei, wollten sie aber nicht ins öffentliche Leben überführen, denn nur ein kleiner Theil des Publikums verkehre überhaupt auf der Eisenbahn. Er könne nur erwidern, daß ein noch viel kleinerer Theil des Publikums Astronom. Geodät oder Meteorologe sei. (Heiter⸗ keit) Da die Wissenschaft die Beobachtungen anzustellen habe, so könne man ihr überlassen, die genaue Ortszeit zu bestimmen. Das sei eine Arbeit, die einmal in aller Rube im Studirzimmer ge⸗ macht werde. Die Eisenbahnbeamten sollten das wiederholentlich im Drange der Geschäfte fertig stellen. Uebrigens sei die Zahl der auf den Eisenbahnen Verkehrenden keine geringe. Man hahe ausge— rechnet, daß auf den Kopf der Bevölkerung jährlich sieben Meilen gereist würden. Die vornehmsten Reisenden seien die Truppen, die zur Vertheidigung des Vaterlandes an die Grenze ge— schafft würden, und diese verdienten die weitgehendste Berücksichtigung. (Zustimmung.) Nun habe man die Bedenken vorgetragen, daß die Einführung einer gemeinsamen Zeit in das bürgerliche Leben Störungen verursachen werde. Es seien besonders die Unzukömm⸗— lichkeiten hervorgehoben worden, welche sie für die Industrie und die Fabriken haben werde. In der Beziehung müsse er sich doch gegen den Abg. Freiherrn von Stumm wenden. Wenn die Zeitdifferenz vom 15. Meridian bis zu irgend einem anderen Ort, z. B. Neunkirchen, wo sie ungefähr 29 Minuten betrage, bekannt sei, so sei es immer möglich, den Tarif, der in der Fabrik aus— gehängt sei, danach zu modifiziren. Wenn der Fabrikherr im März seine Arbeiter bei Sonnenaufgang um 6 Uhr versammeln wolle, so werde der Tarif sie um 6,29 Uhr bestellen; wolle er sie im Februar um 6,10 Uhr versammeln, so gebe der Tarif 6,37 Uhr an u. s. w. Was dann die ländliche Bevölkerung betreffe, ja, der ländliche Ar— beiter sehe nicht viel nach der Uhr (sehr richtig! rechts), er richte sich nach der Hofuhr und werde von der Glocke zur Arbeit gerufen. Wenn die Hofuhr verkehrt gehe, was in der Regel der Fall sei, so komme er vielleicht eine viertel Stunde zu früh, aber er werde nach derselben wieder entlassen. Im praktischen Leben werde sehr selten beim täglichen Verkehr eine auf Minuten gehende Berech— nung gefordert. Es sei in vielen Orten üblich, Laß die Schuluhr zurückgestellt werde, damit die Kinder da seien, wenn der Lehrer komme. (Heiterkeit; Die Gerichtsuhr werde vielfach zurückgestellt, damit die Parteien da seien, wenn das Verfahren beginne. Umgekehrt, in den Dörfern, welche nahe an der Eisenbahn lägen, stelle man in der Regel die Uhr einige Minuten vor, damit der Zug nicht versäumt werde. Und selbst dieses hohe Haus leiste sich eine akademische Viertelstunde, welche oft noch überschritten werde. (Heiterkeit) Nun habe man noch den Unterschied zwischen der Sonnenzeit und der mittleren Zeit angeführt. Der Abg. Freihꝛiir von Stumm habe ja Recht, diese Differenz trete den bestehenden Differenzen noch hinzu. Diese Differenz betrage bis zu 16 Minuten, dieses Maximum erreiche sie aber nur an vier Tagen im Jahre. Habe aber Der, welcher sich pünktlich nach einer richtig gehenden Uhr richte, bemerkt, daß er in einem Vierteljahr einige Minuten, bis zu 16, zu früh zu Tisch gegangen sei, oder zu früh zur Ruhe sich zurückgezogen habe? Er (Redner) glaube nicht. In einem Vierteljahr zu früh, im nächsten zu spät. Gerade der Umstand, daß diese doch nicht unerhebliche Differenz zwischen der Sonnen und mittleren Zeit im großen Publikum gar nicht bekannt sei, von ihm nie empfunden werde, sei doch ein Beweis, daß die Besorgniß, welche man vor der Abschaffung der Ortkzeit hege, nicht begründet sei. Man könne ja hier nicht mit einer Ab— stimmung oder Majoritätsbeschluß Dinge feststellen, die nur auf dem Wege der Verhandlungen im Bundesrath und vielleicht später durch internationale Verhandlungen zu regeln seien, aber er glaube, daß es diese Verhandlungen erleichtern werde, wenn der Reichstag sich sympathisch für ein Prinzip ausspreche, welches in Amerika, in England, in Schweden, in Dänemark, in der Schweiz und in Süd— deutschland bereits ohne wesentliche Störungen zur Geltung gekommen sei. (Beifall auf allen Seiten des Hauses.)
Abg. Freiherr von Stumm erklärt, die Vortheile einer ein . heitlichen Zeit für ganz Deutschland nicht zu verkennen, erhalte aber im Uebrigen seine Bedenken gegen die Abschaffung der Ortszeit auf— recht und bitte den Bundesrath, sie bei den Verhandlungen über diese Frage nicht aus den Augen zu verlieren.
Der Etat des Reichs-Eisenbahnamts wird be— willigt.
Bei dem Etat des Allgemeinen Pensionsfonds ersucht
Abg. Lorenzen, nachdem der Antrag auf Gleichstellung der Invaliden vor 1870 denen aus dem Kriege von 1870571 in der Kommission Annahme gefunden, die Regierungen, zu erwägen, ob nicht auch diejenigen Offiziere mit Pensionen zu bedenken seien, welche in dem schleswig⸗holsteinschen Kampfe ron 1848 — 51 gegen Dänt⸗ mark gefochten hätten. ⸗ ; ;
Zum Etat des Reichs-Invalidenfonds hat die Kom⸗ mission aus Anlaß von Anträgen des Abg. Richter und der Abgg. Menzer, Graf Douglas ec. beantragt:
a) die rerbündeten Regierungen zu ersuchen, in Erwägung zu ziehen, inwieweit aus den Mitteln des Reichs ⸗Invalidenfonds für die Militärpersonen der Unterklassen, welche durch den Krieg invalide geworden sind, eine Erhöhung an Pensionszulagen oder eine Er⸗ höhung der Entschädigung für Einbuße an der Erwerbsfähigkeit angezeigt erscheint;
b) inwieweit die Kriegsinvaliden aus der Zeit vor 1870/71 den Kriegsinvaliden aus dem Kriege von 1870/71 gleichzustellen sind; und
e) inwieweit die Unzuträglichkeiten zu beseitigen sind, die sich bei Nichtanrechnung der militärischen Dienstzeit für den Gemeinde⸗ dienst bezüglich der Pension fühlbar gemacht haben.
Abg. Richter: Die Annahme der beiden ersten Resolutionen könne er nur empfehlen, nicht aber die dritte; jene beiden befaßten sich nur mit Kriegsinvaliden und seien finanziell begrenzt, da die Mittel dafür sich aus dem Reichs ⸗Invalidenfonds ergäben; die dritte betreffe Militärpensionäre überhaupt, ihre finanziellen Konsequenzen ließen
sich nicht übersehen und das Mehr an Ausgaben würde nicht bloß
auf den Reichs⸗Inralidenfonds, sondern auch auf die gewöhnlichen Staats- mittel entfallen. Man könne zugeben, daß gewisse Unzuträglichkeiten bei der gegenwärtigen Form der Anrechnung vorhanden seien; zu ihrer Ab⸗ stellung die Initiative zu ergreifen, habe aber der Reichstag um so weniger Veranlassung, als die Regierung selbst wiederholt erklärt habe, daß sie sich mit diesen sehr schwierigen Fragen schon seit längerer Zeit beschäftige. Die Annahme einer solchen Resolution würde der künftigen Stellungnahme des Reichstages präjodiziren. Aber irgend eine Ansicht in Bezug auf Umgestaltung des Militärpensionsgesetzes im Allgemeinen jetzt festzulegen, sci um so weniger angezeigt, als mit den Unteroffiziervrämien ein neuer Faktor in die Reihe der Versorgungs⸗ mittel getreten sei. Die Erfahrungen mit solchen allgemeinen Reso⸗ lutionen mahnten auch zur Vorsicht. Er spreche dabei den Wansch aus, daß die Regierung mit der Verwirklichung der beiden erften Re⸗ solutionen nicht warten möchte bis zur allgemeinen Aenderung des Militärpensionsgesetzes. Die Aufbesserung und Gleichstellung der Invaliden sei eine an sich sehr einfache Frage, und es sei nicht zweckmäßig, sie mit jener schwierigen und zeitraubenden Frage zu verquicken.
Abg. Freiherr von Manteuffel: Er bitte auch die dritte Resolution anzunehmen. Die Unzuträglichkeiten könnten von keiner Seite bestritten werden. Wenn der Reichstag die Regierung bitte, diesen Unzuträglichkeiten abzuhelfen, so präjudizire man der Zukunft in keiner Weise.
Abg. Dr. Hammacher bittet ebenfalls um Annahme der dritten Resolution und würde sich freuen, wenn die Erwägungen der Regierung zu einem günstigen Resultate führten.
Die sämmtlichen Resolutionen werden darauf ange⸗ nommen und der Etat des Reichs⸗Invalidenfonds genehmigt, ebenso ohne Debatte die Etats der Zölle und Verbrauchssteuern und der Reichs-Stempelabgaben. . der Post- und Telegraphenverwal tung emerkt
Abg. Vollrath: Der Betrag der Zeitungs⸗-Telegrammgebühren von 330 009 S6 sei in der zweiten Lesung von verschtedenen Seiten des Hauses als vollständig falsch nachgewiesen worden. Gleichwohl sei diese Ziffer bis heute von dem Reichs Postamt noch nicht be⸗ richtigt worden. Wenn die Reichs⸗Postverwaltung es nicht für werth halte, diese Ziffer authentisch richtig zu stellen, dürften künftig An— wandlungen des Mißtrauens in Bezag auf solche statistische Angaben berechtigt sein. Auch über die Nachricht der offiziösen „Verkehrs⸗ zeitung“, daß seit Herabsetzung der Telegrammgebühren von 6 auf 5 der Telegrammertrag um ca. 7M sich gehoben habe, sei eine Aufklärung noch nicht gegeben. Ferner habe die Postverwaltung in Württemberg die Gebühren für den telephonischen Anschluß von
50 MS½ auf 10) M herabgesetzt. Wenn die Reichs⸗Post⸗ verwaltung nicht folge, so würden die Württemberger ihr kostbares Reservatrecht nur um so mehr schätzen lernen. In der zweiten Lesung habe er endlich auch die mangel⸗ hafte Briefbestellung in Breslau zur Sprache gebracht. Wenn eine Stadt wie Breslau es erlebe, daß die erste Post Morgens bis 105 Uhr noch nicht ausgetragen sei, so sei mindestens eine Erklärung darüber erwünscht, ob der Central Postverwaltung dieses Verhältniß bekannt sei, und ob Schritte gethan seien, eine Besserung herbeizu⸗ führen. Bei seiner letzten Anwesenheit in Breslau habe er aller⸗ dings eine Aenderung bereits vorgefanden. — Sehr bemerkenswerth seien die Maßnahmen, welche von einzelnen Ober- Postdirektoren und Postamtsvorstehern in Bezug auf den Verband deutscher Post« und Telegraphenassistenten getroffen seien. Ihm werde ge⸗ sagt werden: wenn Beamte sich zu Vereinen zusammenschließen, um ihre Lage zu bessern, so ist das ein überflüssiges Beginnen, da ja das Wohlwollen der Centralbehörde über allen Beamten schwebt und wacht. Das Wohlwollen möge vorhanden sein, aber die Betref⸗ fenden merkten nichts davon In den Postassistenten habe die Postverwaltung ein unglückliches Experiment geschaffen. Die Post⸗ assistenten bildeten eine ganz besondere Kategorie von Beamten; sie seien weder Unter- noch Subalternbeamte; ihre Gehaltssätze seien so normirt, daß kaum Jemand das höchste Einkommen ven 24060 S6. erreichen könne. Da Unterbeamte zu Postassistenten gemacht werden könnten, so sei damit ihre Inferiorität den übrigen Subalternbeamten gegenüber dargethan. Die Afsistenten hätten nun einen Verein gegründet, um ihre soziale Lage durch Selbsthülfe zu verbessern; der Verband verfolge auch gesellige Zwecke, er enthalte eine Kleiderkasse u. dgl. m. Diesem Verband beizutreten sei nun nicht offiziell verboten, aber doch würden die Assistenten in der offiziösen Verkehrszeitung wohlwollend vor dem Beitritt zum Verband gewarnt. Der Verband sei ein ganz privater: Schriftstücke, die sich auf ihn bezögen, dürften im amtlichen Verkehr nicht weitergegeben werden; andererseits versuche man, durch Maßregeln, die viel stärker wirkten als disziplinare, diesem Verband, dem 30090 Assistenten angehörten den man amtlich nicht bekämpfen könne, entgegenzuwirken. Die dabel vorgekommenen Thatsachen müßte man für übertrieben geschildert halten, wären sie ihm nicht von unbedingt vertrauenswürdigen Leuten mitgetheilt; er sei überzeugt, daß die Centralverwaltung diese Vorkommnisse nicht billige. Ein Postdirektor habe z. B. gesagt, ein Assistent wäre nicht zu einer Geldunterstützung vorgeschlagen worden, hätte man gewußt, daß er zum Verband gehöre; ein anderer Post⸗ rath habe den Beamten gesagt: „Ich würde dech nicht den An⸗ ordnungen eines Unteroffiziers folgen — in dem betreffenden Orte babe nämlich ein gewesener Unteroffizier besonders lebhaft für den Verband gewirkt; wie sei das damit vereinbar, daß, wie es neulich geheißen habe, aus den Unteroffizieren sich der gebildele Mittelstand re= krutire? Uebrigens sei es den Militär-Anwärtern ermöglicht, nach Ablegung eines Examens Sekretär zu werden, den aus Civil Anwärtern hervorgegangenen Assistenten aber nicht, sodaß also Jene Diesen noch übergeordnet seien, was er (Redner) nach der wissenschaftlichen Vorbildung Beider für unberechtigt halte. Das Telegraphengeheimniß habe der Wirkliche Geheime Ober Postrath Dr. Dambach noch vor wenigen Tagen für ein hohes Palladium er⸗ klärt, das durch drei Gesetzesparagraphen geschützt sei, — aber dies Geheimniß sei insofern verletzt worden, als von einer Depesche, die den Verband betreffe, der vorgesetzten Behörde Ab⸗ schrift gegeben worden sei; der betreffende Assistent habe bei der Ober-Postdirektion Beschwerde eingelegt — vergeblich, und jetzt dürfte er die Sache wohl schon der Staaktsanwaltschaft mitgetheilt haben. Anderen zum Verband gehörigen Assistenten würden ungünstig gelegene Dienststunden zugetheilt: von 10 bis 12 und von 6 bis 11 Ühr,
wobei ihnen nicht einmal der dritte Sonntag freigegeben werde. Ein Postdirektor habe den Assistenten gesagt: Tretet Ihr dem Verband bei, so werdet Ihr an die russische Grenze geschickt. Viele Assistenten, die dem Verband angehörten, würden strafversetzt, was er, abgesehen von allem Anderen, mit der sonst von der Postverwaltung geübten Spar⸗ samkeit nicht in Einklang bringen könne. Man wolle dies Alles damit entschuldigen, daß man dem Verband sezialdemoktatische Tendenzen nachsage. Davon sei aber in dem Vereinsorgan keine Spur zu finden, vielmehr seien es lauter loyale Leute. Im Vereinsprogramm werde zur Feier von Kaisers Geburtstag eingeladen und es enthalte das Lied -Deutschland, Deutschland über Alles und „Heil Dir im Sieger— kranz', keides doch gewiß keine sozialdemokratische Marseillaise, Hochs auf den Kaiser, die Kaiserin, den König von Sachsen u. dergl. Weil in dem Organ Gehaltsaufbesserungen besprochen seien, werde gesagt; es errege Unzufriedenheit, aber das könne man ebenso der offiziösen Verkehrs -Zeitung! nachsagen, wenn sie die ertheilten und noch gewünschten Gehaltszulagen der Landbriefträger bespreche. Es werde ferner gesagt, der Verband säe Klassenbaß, während ein anderer Verein, dem man dies nicht nachsage, die Assistenten vom Beitritt ausschließe; dann heiße es, die abendlichen Zufammenkünfte des Ver— bandes lockerten die Disziplin, anderen Zusammenkünften aber wohnten sogar Vorgesetzte bei, sodaß nach dieser Theorie also die Vorgesetzten selbst die Bisziplin lockern bülfen. An einem Ort seien die Assistenten, die dem Verband nicht angehörten, vor dem gesell— schaftlichen Verkehr mit den Verbandsassistenten gewarnt, Letztere also gesellschaftlich geächtet! Er glaube nicht, daß diese Vorkommnisse im Sinne der Centralverwaltung gelegen seien, und hoffe, durch seine Worte zur Abhülfe anzuregen.
Abg. Liebermann von Sonnenberg: Die Stadt Kassel bitte schon lange um eine weitere Post⸗Annahmestelle für die Ält— und Unterneustadt Kassel habe bei größerer Einwohnerzahl und größerem Postyerkehr weniger Postanstalten als Stolp und auch relatiy weniger als Frankfurt a. M. — hier freilich wisse die zahlreiche jüdische Einwohnerschaft ihre Wünsche als dringlich hinzu— stellen und deren Befriedigung durchzusetzen. In Kassel erwachse der Geschäftswelt aus dem Vorhandensein von nur zwei Postanstalten großer Zeitverlust, wogegen die in Aussicht genommene Ver—⸗ größerung des Eisenbahn Postamts keine Abhülfe schaffen könne. In Folge des Andrangs zu den wenigen Schaltern erwüchfen nicht nur dem Publikum Unbequemlichkeiten, sondern auch den Beamten Mehrarbeit. Mit 12. bis 15 000 6 könne man dort eine neue Zweig · Postanstalt gründen. Die Sache habe insofern auch eine politische Seite, als in Kassel in jüngster Zeit sich eine Unterströmung zu Gunsten des alten Kurfürstenhauses geltend mache, was sich in zahl— reich besuchten Versammlungen und in der Aufstellung des Prinzen von Hanau als Reichstagskandidaten geltend mache. Unter diesen Umständen sollte man Alles vermeiden, was Unzufriedenheit erregen könne. Ein anderer Punkt. Nach dem Städtchen Weener in Sftfriesland sei ein Postassistent Sommerburg versetzt. Er sei in den dortigen Turnverein eingetreten und sei, als der jüdische Vorsitzende Moritz Israel verhaftet worden sei, zum Vorsitzenden dieses Vereins ge— wählt. Das sei der dortigen Judenschaft als ein großes Verbrechen erschienen. Einige Zeit darauf habe in Weener eine sozialdemokratische Versammlung stattgefunden. Sommerburg habe auf derfelben die Kaiserliche Sozialpolitk vertheidigt und auf den Zusammenhang zwischen Judenthum und Sozialdemokratie hingewiesen. In der »Ostfriesischen Post“, einem unter jüdischem Einfluß stehenden Blatt, habe es nun an Artikeln gegen diesen jungen Mann gehagelt. Diese Artikel seien anonym an die Ober ⸗ Postdirektion nach Oldenburg gewandert, darauf sei Sommerburg unter Androhung einer Versetzung untersagt, fernerhin öffentlich irgendwie agitatorisch zu wirken. Er habe sich diesem Verbot gefügt. Nun sei abermals ein von Abis 3 unwahrer Artikel erschienen, in dem behauptet worden sei, daß S. durch rohes Auftreten öffentliches Aergerniß erregt habe. Diesen Artikel habe der Lederfabrikant Adolf Salomon nach Oldenburg gesandt und nun sei Folgendes gescheh n. Ohne daß eine amtliche Untersuchung angestellt worden, sei S. thatfächlich strafversetzt nach Bramsche bei Osnabrück; erst dort sei er in der Lage gewesen, den Ungrund jener Beschuldigungen nachzuweisen. Es sei ihm unter— sagt, ohne Wissen seines Postvorstehers den Ort zu verlassen, und ihm im Falle der Agitation mit Entlassung gedroht. Er (Redner) bitte um Untersuchung und eventuell um Remedur. Er halte das Verbot einer außerdienstlichen Agitation für unzulässig. Seine Majestãt beschwere sich, daß er nicht die nöthige Ünterstützung für seine Politik aus dem Volke bekomme und ein junger schneidiger Beamter, der in dem großen Kampfe der Zeit außerdienstlich seine Schuldigkeit zu thun wünsche, werde in dieser Weise gemaßregelt Hier müsse Abbülfe geschaffen werden.
Direktor im Reichs-Postamt Dr. Fischer: Wer längere Zeit im Hause gewesen sei, mache die Erfahrung, daß die Herren, die neu in dieses Haus kämen, Beschwerden aus der Mitte der Beamten hier vertraten, daß aber nach reicherer Erfahrung ihr Eifer sich abkühle. Daß eine Verwaltung nicht die Mittel bestze, um Hundert— tausende von Beamten zufrieden zu stellen, sei selbstverständlich. Es sei aber gerade eins von den zahlreichen Verdiensten des Leiters der Rei bs-⸗Postverwaltung, daß er in mehr als 20jähriger Verwaltung zielbewußt und unablässig auf die Hebung des ganzen Postbeamten—⸗ standes hingearbeitet habe. Jeder Unbefangene werde zugeben, daß in der politischen, sozialen und gesellschaftlichen Haltung des Posibeamtenstandes innerhalb der letzten Jahrzehnte ein ganz erheblicher Fortschritt eingetreten sei. Das werde auch von den meisten Beamten dankbar empfunden. Was die Lokalschmerzen betreffe, so könne er dem Abg. Vollrath versichern, daß die Ver waltung sich über die Verhältnisse der Briefbestellung in Breslau eingehend informirt und danach ihre Vorkehrungen getroffen habe, wie sie dem Wachsthum der Berölkerungsziffer und den Verkehrs verhältnissen entsprächen. Sie habe in den letzten 5 Jahren 64 neue Bestellreviere eingerichtet, es seien 81 Briefträger mehr als früher angestellt und 31 neue tägliche Stadtfahrten eingerichtet worden. Sollte man in einem einzelnen Falle zurückgeblieben sein hinter den Erwartungen der Korrespondenten, so werde dafür gesorgt werden, daß berechtigte Ansprüche befriedigt würden. Was den zweiten Lokal schmerz des Abg. von Liebermann in Bezug auf Kassel betreffe, so sei er außer Stande, ihm in allen den politischen und konfessionellen Gesichtsvunkien zu folgen. Der Abg. von Liebermann wünsche eine neue Zweigpostanstalt in Kassel. Stolp könne er mit Kassel nicht ver— gleichen, denn der dortige Bahnhof liege 13 km ron der Stadt. Auf die Einzelheiten gehe er nicht ein. Uebrigens könne er versichern, daß bei der Frage, ob in einem Orte eine Zweigpoftanstalt errichtet werden solle oder nicht, weder semitische noch antisemitifche Gesichtspunkte maßgebend seien. In Folge der Herab⸗ setzung des allgemeinen Telegraphintarifs seien allerdings die Erträge der Telegramme in den darauf folgenden Monaten um 7 eG gestiegen. Diese Steigerung genüge aber nicht, um den entstehenden Ausfall zu decken. Außerdem sei zu berücksichtigen, daß der allgemeine Verkehr ebenfalls wachse. Was den Verband der Postassistenten betreffe, so bemerke er, daß der Chef der Postverwaltung dem Vereinswesen keineswegs abgeneigt sei. Die höheren Postbeamten seien sämmtlich Mitglieder gefelliger Vereinigungen zur Pflege der Kollegialität, auch der Presse ständen sie freundlich gegenüber. Es sei eine der ersten Handlungen des jetzigen Chefs gewesen, die Censur über Preßäußerungen von Be— amten aufzuheben. In diesem Falle handle es sich aber nicht um Vereine, die an einzelnen Orten zur Pflege der Geselligkeit oder für Wohlfahrtszwecke gegründet worden seien, sondern alle diese Vereine seien über das ganze Reichspostgebiet aus— gedehnt mit einer gegliederten Organisation für eine Klasse der Be= amten. Es heiße in den Statuten dieser Vereine, daß es Zweck dieses Verbandes sei, die Interessen des Postassistentenstandes zu vertreten. Ja die Vertretung der Interessen einer Klasse von Beamten über ein ganzes Gebiet könne doch die Verwaltung nicht gleichgültig ansehen. So lange diese. Gliederung sich erstrecke lediglich auf Wohlfahrtszwecke, möge es ja geschehen. Aber man wisse jr, wie es bei solchen Sachen gehe. Es drängten sich da zunächst junge Leute ohne die genügende Ein—
sicht in die Tragweite ihrer Handlungen an die Spitze solcher Ver⸗ einigungen und, ohne daß sie es wollten, würden sie dann über die Ziele, die sie sich gesetzt hätten, naturgemäß hinausgehen, und stellten sich schließlich der Verwaltung gegenüber. Man habe' in anderen Ländern erlebt, zu welchen Konsequenzen dies führe. Außerdem Rürden andere Zwecke des Verbandes, wie der, den Mitgliedern in Versicherungẽ wesen Vortheile zuzuwenden, durch bei der Postverwal- tung bestehende Einrichtungen in viel umfassenderer und zutreffenderer Weise bereits erfüllt. Eine solche Kollision führe im besten Falle zu einer Vergeudung der Kräfte. In der Telegraphenverwaltung habe man mit einer ähnlichen Schöpfung von Wohlfahrtseinrichtungen, die von den humansten Gesichtepankten hervorgegangen sei, fehr schlimme Erfahrungen gemacht. Diesem Verbande gegenüber habe die Ver— waltung eine lediglich passive Stellung eingenommen. Ein Postdirektor habe gewünscht, daß die Verwaltung diesem Verbande gegen— über eine Warnung ergehen lassen möchte. Die Verwaltung? babe zwar nicht verkannt, daß dieser Verband Unzufriedenheit und Klassen ˖ mißgunst erregen könne, aber von einer Warnung Abstand ge— nommen, im Vertrauen auf den gesunden Sinn der Beamten, die von selbst erkennen würden, daß die Bestrebungen des Verbandes ihnen leicht Enttäuschungen, Schädigungen und sonstige Nachtheile zuziehen könnten. Von einem Verbot sei nicht die Rede gewesen. Diefe Verfügung habe auch die Folge gehabt, daß der Verfuch, diefe Vereine über den größten Theil des Reichs auszudehnen, ohne Erfolg geblieben sei. Es habe ferner gerügt werden müssen, daß die Beamten ent— gegen der ihnen bekannten Stellung der Verwaltung zu der Sache Druckschriften mit Beitragslisten für den Verein an die Vorsteher von Telegraphenämtern gesendet hätten, um diese Listen unter den Beamten irkuliren zu lassen. Das sei dienstwidrig. Vie Verwaltung sei dieser Sache mit aller Ruhe entgegengetreten und habe es zunächst mit Verweisen bewenden lassen. Wenn die Leute es sich ruhig über⸗ legten, würden sie das Ungerechte ihres Vorgehens selbst einsehen. Aeußerungen von Einzelnen könne er unmöglich kontroliren, aber diese allgemeinen Darlegungen würden wohl die Besorgnisse des Abg. Vollrath zerstreuen. Was die Verletzung des Briefgeheimniffes be— treffe, so entspreche es ja wohl nicht dem Gebrauche, über eine Sache hier zu sprechen, welche Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens sei Aber der Vorwurf. der Verletzung des Brief— geheimnisses treffe nicht zu. Die Abschrift des betreffenden Tele— gramms an das vorgesetzte Amt sei nur erfolgt, weil die Adresse desselben unrichtig gewesen sei. Die vom Abg. von Liebermann er— wähnte Versetzung eines Beamten aus einem ostfriesischen Srt stehe mit den von ihm so lebhaft vorgetragenen Verhältnissen, mit Semitismus, Antisemitigmus oder wie man es nennen wolle, in gar keinem Zusammen⸗ hang. (Hört! links.) Es habe eine Untersuchung geschwebt wegen Abhandenkommens eines Briefes, und im Interesse der Dienstzuch! fei die Versetzung erfolgt, für die er sich noch dazu bei feiner Vor— gesetzten bedankt habe, weil sie ihn aus unliebfamen Verhältniffen befreite, in welche er durch sein außerordentliches Verhalten gerathen sei.
Abg; För ster bemängelt, daß die Telegraphenrerwaltung einem industriellen Etablissement in Greiz, das eine Fernsprechanlage von dort nach Zeulenroda beantragt habe, dafür einen Kostenanschlag über 559 „ aufgestellt habe, welcher aber später ohne erkennbare Gründe auf 5140 ts gewachsen sei. Das sei um so merkwürdiger, als eine andere Firma eine Fernsprechanlage füe 550 ½ thatsächlich erhalten habe, von Greiz nach Pausa, obwohl diefe Strecke 2 Kilometer länger sei und nicht wie die von Greiz nach Zeulenroda ein Tele— graphengestãnge habe.
Direktor im Reichs Postamt Dr. Fischer erklärt, daß er auf diese Anfrage nicht vorbereitet sei, daher eine Antwort auf Grund der Akten nicht geben könne. Er könne aber vermuthen, daß es sich hier um eine Verwechselung handle. Die 550 s seien wahrscheinlich die Jahresmiethe und die 5Id0 „os die Herstellungekosten.
Abg. Wisser wünscht weitere Vergünstigungen für den Packet verkehr mit den Angehörigen der Armee, damit die Liebesgaben von Hause den im Heere stehenden Söhnen reichlicher zuflössen
Direktor im Reichs Postamt Dr. Fischer: Die Grenze der Portofrei⸗ beit sei 1869 nicht ohne Schwierigkeit, wie sie jetzt bestehe, gesetzlich geregelt worden. Uebrigens werde von der bisherigen Einrichtung ein sehr lebhafter und umfassender Gebrauch gemacht.
Abg. Vollrath: Der Ton des Postdirektors werde die jüngere Generation des Reichstages nicht hindern, Beschwerden vorzubringen. Es komme nicht darauf an, wer etwas sage, sondern was gesagt sei. Der Postzirektor nehme namentlich daran Anstoß, daß der Affistenten. verein sich über ganz Deutschland ausdehne. Ja, Wohlfahrttein⸗ richtungen könnten doch nichts leisten, wenn sie nur auf eine kleine Anzahl von Personen beschränkt blieben. Der Verein würde auch größere Fortschritte gemacht haben, wenn nicht die Postver⸗ waltung hemmend in, den Weg getreten wäre. Wenn der Dienst unter der Vereinsthätigkeit litte, so könnte im einzelnen Falle disziplinarisch eingeschritten werden; aber die Strafver⸗ setzungen, die so unmittelbar auf den Eintritt erfolgten, machten es zweifelhaft, daß wirklich schwere Dienst verletzungen vorlägen. Nach den Erklärungen des Postdirektors sei eine Aenderung in der Haltung der Verwaltung nicht zu erwarten, und er müsse sich bescheiden, die Sache zur Sprache gebracht zu haben.
Abg. Liebermann von Sonnenberg: Er habe den Ruf des General ⸗Postmeisters nicht mit einem Worte angegriffen, alfo auch zu dem Lobliede des Postdirektors Fischer keine Veranlassung gegeben. Er (Redner) werde sich seinerfeikz der Postbeamten, deren Zufriedenheit keineswegs so allgemein sei, als der Postdirektor anzunehmen scheine, so lange er lebe und im Reichstage sitze, nach Kräften annehmen. Von konfessionellen und semitischen Fragen habe er gelegentlich der Erwähnung der Stadt Kassel nichts gesagt. Er freue sich, daß die Versetzung der Postbeamten aus Weener mit den semitischen Bestrebungen nicht zusammenhänge; die Juden in Oft— fries land hätten es aber geglaubt. Bei der Erklärung des Poft— direktors, daß das Abhandenkommen eines Briefes die Entlassung des Beamten zur Folge gehabt, vermisse er das Ergebniß der Untersuchung. Sei der Brief an einen Juden gerichtet gewesen? Dann würde man zu Rücksichten berechtigt sein.
Direktor im Reichs ⸗Postamt Dr. Fifcher: Dem Ansinnen des Vorredners, den Adressaten des Briefes zu nennen, könne er mit Rücksicht auf die Vorschriften über das Briefgeheimniß nicht entsprechen.
Abg. Dr. Schädler: Die Abneigung der Central Postverwaltung gegen den Verband sei eine durchaus unberechtigte. Ihm seien 44 Versetzungen bekannt, welche zum größten Theil darauf zurück— gingen, daß die beireffenden Beamten sich zu Verbandevertretern oder Vorstandsheamten hätten wählen lassen. Das gehe denn doch über das erlaubte Maß. Die Postbeamten hätten ebenso wie alle übrigen Reichs -Angehörigen das freie Vereinsrecht; dieses wolle ihnen die Postverwaltung auf solche gewaltsame Weise verkümmern.
Abg. Metzger beschwert sich über die Verwendung von Negern und Kulis auf vom Reich subventionirten Postdampfern. Der Staatssekretär Dr. von Boetticher habe zwar seinerzeit diese Ver— wendung als im Interesse der Humanität liegend erklärt; mit dieser Humanltät sehe es aber eigenthümlich aus, da die Leute einfach wie Sklaven behandelt würden. Hr. Woermann allerdings verdiene dabei einen hübschen Humanitätslohn. In Wirklichkeit liege hier nichts als die reine Profitwuth vor, deren Früchte nicht bloß Hrn. Woer— mann, sondern auch anderen Rhedern zu Gute kämen.
Die Fortsetzung der Berathung des Etats wird an dieser Stelle unterbrochen und auf Antrag des Abg. Dr. von Ben— nigsen die dritte Berathung des Patentgesetzes vorweg genommen, zu welchem eine Anzahl lediglich redaktioneller Anträge Goldschmidt und Genossen vorliegt. Ohne Debatte wird auf Antrag des Abg. Dr. von Bennigsen das Gesetz en bloe angenommen; wegen der redaktionellen Ab⸗ änderungen muß aber morgen eine nochmalige Abstimmung über das ganze Gesetz stattfinden.
Um Gi / Uhr wird die Fortsetzung der Etatsberathung
auf Dienstag 2 Uhr vertagt.
Geographischer Monatsbericht. (Auf Grund von . A. Petermann's Mittheilungen“)
Europa.
Rußland. Die Tieffeeforsckungen im Meere, welche die Kaiserlich russische Geographische Unterstützung des Kaiserlichen MarineMinisteriums sind für die Kenntniß der physikalischen Verbältnisse folgenden Hauptergebnissen begleitet gewesen: Das Schwar. ist ein tiefes Becken; weit mehr als die Hälfte desfelben if als 2000 m; im Großen und Ganzen ist der Abfall n 200 - 1300 m steil. Der steilste Abfall wurde acht Gelendschik nahe der Ostküste unter ca. 440 R. bis 125, in der Nähe von Alupka, an der Südküste der Krim, 60, und bei Amastra an der Küste Kleinasiens, 409. — Seicht ist nur der nordwestliche Their des Meeres, sodaß keine Tiefe über 26 m nordwestlich von Tiner Linie vorkommt, welche von 4230 N., 277 OE bis 446 M. 3230 E geht. Neu war dabei, daß zur Erforschung der Durchsichtigkeit' des Wassers von elektrischen Lampen Gebrauch gemacht wurde, und zwar von vier von je acht Lichtstärke. Bei der Verfenkung der Lampen verschwanden erst die Lichtpunkte, und es blieb ein Kreis diffusen Lichtes; der wurde dann unsicher; jedoch die Unterbrechung des Stromes ließ die Lichtgrenze scharf bis zu 30 em erkennen. Natürlich wurd en die Beobachtungen bei Abwesenheit des Tages— ichtes gemacht. Bei Batum verschwanden nach starkem Regen die Lich tpunkte bei 1, m. das diffufe Licht be' 2. m; in der Näbe von Sin ope, über großen Tiefen, die Lichtpunkte bei 4 m, das diffuse Licht bei 43 m weiter im Norden die Lichtpunkte bei 7 m, das diffuse Licht bei 77 m. — Diese Tiefseeforschungen haben bewiesen, daß das Schwarze Meer sich von allen anderen Meeren durch den Gehalt an Sch wefelwasserstoff unterscheidet und von allen anderen tiefen Becken dadurch, daß, mit Ausnahme der obersten Schicht bis 530 Faden (55 m), die Temperatur beständig bis zum Grunde zunimmt.
ö Alien.
„Arabien. Zur Benutzung einer kürzlich gegründeten wissen⸗ schaftlichen Station in Tor auf der Singi-Halbinsel erläßt Prof. Dr. J. Walther in Jena (. Allg. Ztg., München, 1. Dejbr. 1539) eine warme Empfehlung. Unternehmer ist ein junger Schweijer, A. Kaiser, welcher früher am Museum in St. Gallen angestellt war und später eine Reihe von Naturforschern als Assistent begleitet hat. Derselbe erbietet sich, Reisenden gute Wohnung nebst Beköstigung zu gewähren, Sammler, Fischer, Taucher, Jäger zu besorgen, mit Rath und That zu unterstützen; eine Bibliothek, Karten, Sammlungen sind zut. Benutzung vorhanden. Nicht nur dem Geographen und Ratur— sorscher wird die wissenschaftliche Station in Tor von hervorragendem Nutzen sein, sondern auch Etbnographen und Sprachgelehrten? bietet sich hier eine treffliche Gelegenheit zum Studium der Beduinenstämme—
Iran. — Quer durch Persien auf fast völlig unbekannten Wegen hat der englische Offizler H. B. Vaughan eine Reife aus— geführt. Ausgangepunkt war der kleine Hafenort Lingeh am Persischen Golf, südwestlich von Benderabbas. In fast direkt nördlicher Richtung durchkreuzte er das Land über Niris, Jesd und Anarak bis Semnan nahe der Nordgrenze, östlich von Teheran; von bier wandte er sich nach Osten und gelangte durch die Salzsteppen des östlichen Persien, Kavir genannt, bis Jumain (Dschimin) in Chorassan. Seine Karte und Reiseschilderung giebt Mittheilungen über eine Reihe von Ort—
schaften, deren Existenz bisher gänzlich unbekannt war. Es ist der wichtigste Beitrag zur Erforschung von Persten, der in den letzten Jahren zur Veröffentlichung gelangt ist. („Proc. R Geogr. Soc.“ London 1890, S 577.) .
Central⸗Asien. Ueber die großartige Leistung der Durch— guerung von Central ⸗Asien von N. nach S. oder richtiger der Durchquerung von Europa und Asien ron Paris bis Tongking liefert G. Bonvalot, der Führer der Expedition dieser Richtung, den ersten Ueberblick. Diese Expedition war vom Herjog von Chartres ausgerüstet, von dessen Sohn, dem Prinzen Henri von Orleans, und dem belgischen Pater van der Decken begleitet und fand mitten im Winter statt. Der Elarzpunkt derselben ist der Marsch quer durch Tibet vom Lobnor bis zum Tengri⸗nor in nordsüdlicher, dann bis Batang in westöstlicher Richtung. Dieser Marsch dauerte vom .J. November bis 17. Februar und ging über den Altyn dag bis zwei Tagereisen südlich vom Namtso oder Tengricnor, dem 1867 von dem berühmten Punditen Nain Singh entdeckten See nordwestlich von Lhassa. Das in j'nen drei Monaten durchwanderle Hochplateau von Tibet liegt in einer Höhe, welche nirgends unter 4000 m herabsinkt; verschiedene Ketten des Küenlün wurden in Pässen von mehr als 6000 m über— schritten; zahlreiche Seen wurden entdeckt. Zwei Tagereisen vom Tengrienor hielten die Tibetaner die Expedition auf, und trotz fast siebenwöchentlicher Unterhandlungen konnte die Ginehmigung zur Fort⸗ setzung des Marsches nach der Hauptstadt Lhaffa nicht erhalten werden. Wenn es sonach auch nicht gelungen, die Inschrift „Eingang verboten“ von den Eingangspforten des Landes zu entfernen, so hat die kühne Expedition doch den Triumph davongetragen, die bedeutendste Lücke auf der Karte von Central-Asien beseitigt und das verschlossene Land in zwei Richtungen durchwandert za haben.
Afrika.
Aequatoriale Gebiete. Dr. Zintgraff traf am 4. Oktober 1880 in Kamerun, am 19. Oktober, nachdem er den Mungo bis Mundame befahren, in der Barombi-Station ein, von wo er Lieute⸗ nant Spangenberg zu den Bayangs sendete. Derselbe brachte einen Friedensschluß mit diesem raublustigen Volke zu Stande und ermög— lichte dadurch ein friedliches Vorrücken der Expedition. („Kolonialblatt“ 1891, S. 9 bis 10.)
Dutch J. Cbolet's Erforschung des Sangha-Flusses ist wiederum eine Lücke im Congo-⸗Becken ausgefüllt. Der Sangha ver— läuft in seinem Unterlaufe fast parallel mit dem von J. de Brazza 1885 erforschten Löikuala, nur in viel stärkeren Windungen; unter 20 10 n. Br. entsteht er aus dem Zusammenfluß des Massa und des Naoko. Die Einfahrt in denselben konnte Cholet wegen zahlreicher Sandbänke nicht erzwingen; deshalb setzte er die Untersuchung des Ngoko fort, bis er die Ostgrenze des deutschen Kamerungebiets — 150 6. L. v. Gr. — erreicht zu haben glaubte. („C. R Soc. geogr.“, Paris 1890, S. 461.)
Eine sehr erfreuliche Thätigkeit ist in letzter Zeit von den Agenten des Congo⸗Staats entfaltet worden; als Ergebniß davon stehen eine Reihe von wichtigen Berichtigungen für den Verlauf der Flußläufe, wie für die Darstellung des Landes in Autsicht. Kapitän van Gele konnte nach Ueberwindung großer Schwierigkeiten die letzte unbekannte Strecke bis zur Seriba Abdallah zurücklegen Eingehen dere Nachrichten über diese wichtige Fahrt fehlen noch. — Auch Kapitäne Roget und Becker sind bis in die Nähe von Seriba Abdallah gekommen. („Mou vem géogr.“ 1890. Nr. 23.)
Die Lösung der Lomami-Frage ist fast gleichjeitin durch A. Hodister und durch Kpt. P. Le Marinel erfolgt: der von Cameron 1874 entdeckte Lomami ist identisch mit dem vom Missionar Grenfell 1884 jüngst befahrenen Lomami oder Boloko, welcher unterhalb Stanley Falls in den Kongo mündet; der von Dr. Wolf befahrene Lomami, Nebenfluß des Sankuru, ist identisch mit dem Lubefu. Um Namensverwechselungen zu vermeiden, dütfte es sich daher fortab empfehlen, für den südlichen (Wolf'schen) Lomami diesen Namen auf den Karten zu streichen und dafür den im Oberlauf gebräuchlichen Namen Lubefu für den ganzen Lauf anzunehmen. Der dem Labefu parallel fließende Lurimbi stellt sich als Tributär des Lomamt heraus. in welchen er sich nahe Kassongo ⸗Laschia ergießt. („Moux. geogr. 1890, Nr. 29.)
Zur Untersuchung des Juba-Flusses hat die italienische Ge⸗ sellschaft für handelsgeographische Forschungen in Afrika eine Ex= pedition entsendet mit der Hauptaufgabe, zu erkunden, ob der Fluß einen brauchbaren. Verkehrsweg in die südlichen Tributärstaaten von Abessinien bietet. Mit Erfüllung dieser Aufgabe wird auch die Frage zur Lösung gelangen, ob der dort entspringende Omo den Quell fluß des Juba bildet, wie nach den Erkundigungen von zahlreichen Reisenden, zuletzn noch von Cecchi, lange angenommen warde, oder ob der DOmo in den Basso Narok (Kronprinz Rudolf ⸗See) sich ergießt und damit einem abflußlosen Gebiete angehört, was nach den Erforschungen