§. 22. .
Ist durch die Anmeldung den vorgeschriebenen An⸗ forderungen (56. 20) nicht genügt oder ergiebt sich, daß eine nach 8§. 1, 2, 3 Absatz 1 patentfähige Erfindung nicht vor—⸗ liegt, so wird die Anmeldung von der Abtheilung zurück⸗ gewiesen. An der Beschlußfassung darf das Mitglied, welches den Vorbescheid erlassen hat, nicht theilnehmen. ö
Soll die Zurückweisung auf Grund von Umständen er⸗ folgen, welche nicht bereits durch den Vorbescheid dem Patent⸗ sucher mitgetheilt waren, so ist demselben vorher Gelegenheit u geben, sich über diese Umstände binnen einer bestimmten
rist zu äußern. Frist: 3. 23.
Erachtet das Patentamt die Anmeldung für gehörig erfolgt und die Ertheilung eines Patents nicht für aus⸗ geschlossen, so beschließt es die Bekanntmachung der An⸗ meldung. Mit der Bekanntmachung treten für den Gegen⸗ stand der Anmeldung zu Gunsten des Patentsuchers einstweilen die gesetzlichen Wirkungen des Patents ein (63 4 und 5.
Die Bekanntmachung geschieht in der Weise, daß der Name des Patentsuchers und der wesentliche Inhalt des in seiner Anmeldung enthaltenen Antrages durch den „Reichs⸗ Anzeiger“ einmal veröffentlicht wird. Mit der Veröffent— lichung ist die Anzeige zu verbinden, daß der Gegenstand der Anmeldung einstweilen gegen unbefugte Benutzung geschützt sei.
Gleichzeitig ist die Anmeldung mit sämmtlichen Beilagen
bei dem Patentamt zur Einsicht für Jedermann auszulegen. Auf dem durch §. 17 des Gesetzes bestimmten Wege kann an⸗ geordnet werden, daß die Auslegung auch außerhalb Berlins u erfolgen habe. J 3 , kann auf Antrag des Patentsuchers auf die Dauer von höchstens sechs Monaten, vom Tage des Beschlusses über die Bekanntmachung an gerechnet, ausgesetzt werden. Bis zur Dauer von drei Monaten darf die Aus— setzung nicht versagt werden. . .
Handelt es sich um ein im Namen der Reichsverwaltung für die Zwecke des Heeres oder der Flotte nachgesuchtes Patent, so erfolgt auf Antrag die Patentertheilung ohne jede Bekannt⸗ machung. In diesem Falle unterbleibt auch die Eintragung in die Patentrolle.
§. 24.
Innerhalb, der Frist, von zwei Monaten nach der Ver⸗ öffentlichung (3. 23) ist die erste Jahresgebühr (8. 8 Absatz ) einzuzahlen. Erfolgt die Einzahlung nicht binnen dieser Frist, so gilt die Anmeldung als zurückgenommen. t
Innerhalb der gleichen Frist kann gegen die Ertheilung des Patents Einspruch erhohen werden. Der Einspruch muß schriftlich erfolgen und mit Gründen versehen sein. Er kann nur auf die Behauptung gestützt werden, daß der Gegenstand nach S5. 1 und 2 nicht patentfähig sei, oder daß dem Patent⸗ sucher ein Anspruch auf das Patent nach 5 3 nicht zustehe. Im Falle des §. 3 Absatz 2 ist nur der Verletzte zum Ein— spruch berechtigt. . .
Nach Ablauf der Frist hat das Patentamt über die Er— theilung des Patents Beschluß zu fassen. An der Beschluß— fassung darf das Mitglied, welches den Vorbescheid (8. 21) erlassen hat, nicht theilnehmen.
8 75.
Bei der Vorprüfung und in dem Verfahren vor der An— meldeabtheilung kann jederzeit die Ladung und Anhörung der Betheiligten, die Vernehmung von Zeugen und Sach— verständigen, sowie die Vornahme sonstiger zur Aufklärung
der Sache erforderlicher Ermittelungen angeordnet werden. 26
S. 30 . ö
Gegen den Beschluß, durch welchen die Anmeldung zurück— gewiesen wird, kann der Patentsucher, und gegen den Beschluß, durch welchen über die Ertheilung des Patents entschieden wird, der Patentsucher oder der Einsprechende innerhalb eines Monats nach der Zustellung Beschwerde einlegen. Mit der Einlegung der Beschwerde sind für die Kosten des Beschwerde— verfahrens zwanzig Mark zu zahlen; erfolgt die Zahlung nicht, so gilt die Beschwerde als nicht erhoben. .
Ist die Beschwerde an sich nicht statthaft oder ist dieselbe verspatet eingelegt, so wird sie als unzulässig verworfen.
Wird die Beschwerde für zulässig befunden, so richtet sich das weitere Verfahren nach 5§. 25. Die Ladung und An— brung der Betheiligten muß auf Antrag eines derselben er— , Dieser Antrag kann nur abgelehnt werden, wenn die Ladung des Antragstellers in dem Verfahren vor der An— meldeabtheilung bereits erfolgt war. .
Soll die Entscheidung über die Beschwerde auf Grund anderer als der in dem angegriffenen Beschlusse berücksichtigten Umstände erfolgen, so ist den Betheiligten zuvor Gelegenheit zu geben, sich hierüber zu äußern.
Das Patentamt kann nach freiem Ermessen bestimmen, inwieweit einem Betheiligten im Falle des Unterliegens die Kosten des Beschwerdeverfahrens zur Last fallen, sowie an⸗ ordnen, daß dem Betheiligten, dessen Beschwerde für gerecht⸗ fertigt befunden ist, die Gebühr, (Absatz 1) zurückgezahlt wird.
(
Ist die Ertheilung des Patents endgültig beschlossen, so erläßt das Patentamt darüber durch den „Reichs-Anzeiger“ eine Bekanntmachung und fertigt demnächst für den Patentinhaber eine Urkunde aus. ;
Wird die Anmeldung nach der Veröffentlichung (§. 23) zurückgenommen oder wird das Patent versagt, so ist dies ebenfalls bekannt zu machen. Die eingezahlte Jahresgebühr wird in diesen Fällen erstattet. Mit der Versagung des Patents gelten die Wirkungen des einstweiligen Schutzes als nicht eingetreten. ö
§. 28.
Die Einleitung des Verfahrens wegen Erklärung der Nichtigkeit oder wegen Zurücknahme des Patents erfolgt nur auf Antrag.
Im Falle des §. 10 Nr. 3 ist nur der Verletzte zu dem Antrage berechtigt. .
Im Falle des §. 10 Nr. 1 ist nach Ablauf von fünf Jahren, von dem Tage der über die Ertheilung der Patents erfolgten Bekanntmachung (5. 27 Absatz 1) gerechnet, der Antrag unstatthaft.
Der Antrag ist schriftlich an das Patentamt zu richten und hat die Thatsachen anzugeben, auf welche er gestützt wird. Mit dem Antrage ist eine Gebühr von fünfzig Mark zu zahlen. Erfolgt die Zahlung nicht, so gilt der Antrag, als nicht gestellt. Die Gebühr wird erstattet, wenn das Ver— fahren ohne Anhörung der Betheiligten beendet wird.
Wohnt der Antragsteller im Auslande, so hat er dem Gegner auf dessen Verlangen Sicherheit wegen der Kosten des Verfahrens zu leisten. Die Höhe der Sicherheit wird von
tragsteller wird bei Anordnung der Sicherheitsleistung eine Frist bestimmt, binnen welcher die Sicherheit zu leisten ist. Erfolgt die Sicherheitsleistung nicht vor Ablauf der Frist, so gilt der Antrag als ae , , m.
Nachdem die Einleitung des Verfahrens verfügt ist, fordert das Patentamt den Patentinhaber unter Mittheilung des An⸗ trags auf, sich über denselben innerhalb eines Monats zu erklären. ö Erklärt der Patentinhaber binnen der Frist sich nicht, so kann ohne Ladung und Anhörung der Betheiligten sofort nach dem Antrage entschieden und bei dieser Entscheidung jede von dem Antragsteller behauptete Thatsache für erwiesen ange⸗ nommen werden. 3
Widerspricht der ,, rechtzeitig, oder wird im Falle des 5. 27 Absatz 2 nicht sofort nach dem Antrage ent⸗ schieden so trifft das Patentamt, und zwar im ersteren Falle unter Mittheilung des Widerspruchs an den Antragsteller, die zur Aufklärung der Sache erforderlichen Verfügungen. Es kann die Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen an— ordnen. Auf dieselben finden die Vorschriften der Civ lprozeß⸗ ordnung entsprechende Anwendung. Die Beweisverhandlungen sind unter Zuziehung eines beeidigten Protokollführers auf— zunehmen. ö Die Entscheidung erfolgt nach Ladung und Anhörung der Betheiligten. Wird die Zurücknahme des Patents auf Grund des 5.11 Nr. 2 beantragt, so muß der diesem Antrage entsprechenden Entscheidung eine Androhung der Zurücknahme unter Angabe von Gründen und unter Festsetzung einer angemessenen Frist vorausgehen.
8. 31.
In der Entscheidung G85. 29, 30) hat das Patentamt nach freiem Ermessen zu bestimmen, zu welchem Antheile die Kosten des Verfahrens den e . zur Last fallen. . Die Gerichte sind verpflichte dem Patentamt Rechtshülfe zu leisten. Die Festsetzung einer Strafe gegen Zeugen und Sachverständige, welche nicht erscheinen oder ihre Aussage oder deren Beeidigung verweigern, sowie die Vorführung eines nicht erschienenen Zeugen erfolgt auf Ersuchen durch die Gerichte. . 55.
Gegen die Entscheidung des Patentamts (G. 29, 30) ist die Berufung zulässig. Die Berufung geht an das Reichs— gericht. Sie ist binnen sechs Wochen nach der Zustellung bei dem Patentamt schriftlich anzumelden und zu begründen. Durch das Urtheil des Gerichtshofs ist nach Maßgabe des 8. 31 auch über die Kosten des Verfahrens zu bestimmen. Im Uebrigen wird das Verfahren vor dem Gerichtshof durch ein Regulativ bestimmt, welches von dem Gerichtshof zu entwerfen ist und durch Kaiserliche Verordnung unter Zu— stimmung des Bundesraths festgestellt wird.
§. 34
8D. . . In Betreff der Geschäftssprache vor dem Patentamt finden die Bestimmungen des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Gerichtssprache entsprechende Anwendung. Eingaben, welche nicht in deutscher Sprache abgefaßt sind, werden nicht berück—
sichtigt. . Vierter Abschnitt. Strafen und Entschädigung. 86. Wer wissentlich oder aus grober Fahrlässigkeit den Be⸗— stimmungen der §§. 4 und 5 zuwider eine Erfindung in Benutzung nimmt, ist dem Verletzten zur Entschädigung ver— flichtet. . ci nde es sich um eine Erfindung, welche ein Verfahren zur Herstellung eines neuen Stoffes zum Gegenstand hat, so gilt bis zum Beweise des Gegentheils jeder Stoff von gleicher Beschaffenheit als nach dem atentirten Verfahren hergestellt. D. 36. . Wer wissentlich den Bestimmungen der §§. 4 und 5 zu— wider eine Erfindung in Benutzung nimmt, wird mit Geld— strafe bis zu fünftausend Mark oder mit Gefängniß bis zu einem Jahre bestraft. ( . . Die Strafverfolgung tritt nur auf Antrag ein. Die Zu— rücknahme des Antrageszist zulässig. Wird auf Strafe erkannt, so ist zugleich dem Verletzten die Befugniß zuzusprechen, die Verurtheilung auf Kosten des Verurtheilten öffentlich bekannt zu machen. Die Art der Bekanntmachung sowie die Frist zu derselben ist im Urtheil zu bestimmen. §. 37.
Statt jeder aus diesem Gesetze entspringenden Entschädi⸗ gung kann auf Verlangen des Beschädigten neben der Strafe auf eine an ihn zu erlegende Buße bis zum Betrage von zehntausend Mark erkannt werden. Für diese Buße haften die zu derselben . als Gesammtschuldner. .
Eine erkannte Buße schließt die Geltendmachung eines weiteren e n,, aus.
In bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, in welchen durch Klage oder Widerklage ein Anspruch auf Grund der Be— stimmungen dieses Gesetzes geltend gemacht ist, wird die Ver⸗ handlung und Entscheidung letzter Instanz im Sinne des 8§. 8 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetze dem Reichsgericht zugewiesen. 8 z
Die Klagen wegen Verletzung des Patentrechts verjähren rücksichtlich jeder einzelnen dieselbe begründenden Handlung in drei Jahren.
§. 40.
Mit Geldstrafe bis zu eintausend Mark wird bestraft;
1) wer Gegenstände oder deren Verpackung mit einer Bezeichnung versieht, welche geeignet ist, den Irrthum zu erregen, daß die Gegenstände durch ein Patent nach Maßgabe dieses Gesetzes geschützt seien; ; .
2) wer in öffentlichen Anzeigen, auf Aushängeschildern, auf Empfehlungskarten oder in ähnlichen Kundgebungen eine Bezeichnung anwendet, welche geeignet ist, den Irrthum zu erregen, daß die darin erwähnten Ge enstände durch ein Patent nach Maßgabe n 5 geschützt seien.
ikel Il.
Die Bestimmung im §. 28 Absatz 3 des Artikels J findet auf die zur Zeit bestehenden Patente mit der Maßgabe An—⸗ wendung, daß der Antrag mindestens bis zum Ablauf von drei Jahren nach dem Tage des Inkrafttretens dieses Gesetzes
dem Patentamt nach freiem Ermessen festgesetzt. Dem An⸗
statthaft ist.
Artikel III. ; Dieses Gesetz tritt mit dem 1. Oktober 1891 in Kraft. Urkundlich unter . , . Unterschrift und beigedrucktem Kaiserlichen Insiegel. Gegeben Kiel, den 7. April 1891. (L. S.) Wilhelm. von Boetticher.
Per sonalveränder ungen.
Königlich Preußische Armee.
Offiziere, Portepee⸗Fähnriche ꝛe. Ernennungen, Beförderungen und Versetzungen Im aktiven Heere. Berlin, 31. März. v. Reinbardt, Major à la suite des Königl. Württemberg. Generalstabes, von dem Kommando zur Dienst—⸗ leistung bei dem Großen Generalstabe entbunden. Loeffler, Hauptm. à la snite des Königl. Württemberg. Generalstabes, zur Dienst⸗ leistung bei dem Großen Generalstabe kommandirt.
Berlin, 9. April. Erbgroßberzog von Oldenburg, Königliche Hoheit, Oberst à la suite des Oldenburg. Drag. Regts. Nr. 19, unter Belassung à la suite des 1. Garde⸗Drag. Rents. Königin von Großbritannien und Irland, zum Commandeur des Oldenburg. Drag. Regts. Nr. 19 ernannt. Frhr. v. u. zu Egloff ste in, Oberst vt. und Commandeur des Oldenburg. Drag. Regts. Nr. 19, unter Entbindung von diesem Verhältniß, dem gedachten Regt. aggregirt.
Durch Verfügung des Kriegs ⸗Ministeriums. 3 April. Herd, See. Lt. à la suite des Feld⸗Art. Regts. Ne 15, Direkt ions. Assist. bei den technischen Instituten der Art,, der Art. Werkstatt in Spandau zugetheilt. ;
Abschiedsbewilligungen. Im aktiven Heere. Kiel“ L. April. v. Poncet, Hauptmann aggreg. dem Gren Regt König Friedrich Wilhelm IV. (. Psn8uwÿmi) Nr. 2, mit Pension nebst Aussicht auf Anstellung im Civildienst und der Regts. Uniform der Abschied bewilligt.
Berlin, 9. April. v. Pirch, Sec. Lt. vom 1. Garde⸗Regt. 3. F. v. Hey debreck, Sec. Lt. vom Gren. Regt. Prinz Karl von Preußen (2. Brandenburg) Nr. 12 v. Tettenborn, Pr. Lt. vom Rhein. Jäger ⸗Bat. Nr. 8, — Behufs Uebertritts zur Deutsch ⸗Ostafri ⸗ kanischen Schutztruppe aus dem Heere ausgeschieden.
Beamte der Militär ⸗ Verwaltung.
Durch Verfügung des Kriegs⸗Ministeriums. 9. Februar. Hammerschmidt, Ober Roßarit bei dem Re montedepot Jurgaitschen, auf seinen Antrag zum 1. Mai 1891 mit Pension in den Ruͤhestand versetzt. ö
2. April. Die Wallmeister: Noack in Straßburg, Schwerdt in Metz, Haeske in Glogau, Grober in Wesel, Klamgndt in Pillau, Wenzel in Posen, Kohlmann, Gebhardt in Metz, Preine bei der Festungsbauschule, Kramm in Straßburg, Burkardt in Köln, Kretschmer bei der Festungsbauschule, Növer in Köln, Völker in Straßburg, — zu Festungsbauwarten 2. Kl., Erfurth, charakteris. Fortifikations Sekretär in Metz, Wittzack, charakteris. Fortifikations ˖ Sekretär in Königsberg, — zu Fortifikations ⸗Sekretairen, — ernannt.
XIII. (stöniglich Wiürttembergisches) Armee⸗Corvs.
Offiziere, Port epee Fäbnricheꝛe. Ernennungen, Be⸗ förderungen und Versetzungen Im aktiven Heere. 5. April. Strack v. Weißenbach, Oberst. Lt. z. D., unter Ver- leihung des Charakters als Oberst, im aktiven Dienst wiederangestellt und mit der Uniform des 2. Feld. Art. Regts. Nr. 29 Prinz ⸗Regent Luitpold von Bavern dem Kriegs. Ministerium aggregirt. Bleicher, Unteroff, im Inf. Regt. Kaiser Wilhelm König von Preußen Nr. 120, n Unteroff. im 8. Inf. Regt. Nr. 126, — zu Port. Fähnrs.
efördert.
Im Beurlaubtenstande. 6. April. Strack, Vize⸗ Feldwm. vom Landw. Bezirk Reutlingen, zum Sec. Lt. der. Res. des Inf. Regts. Kaiser Friedrich König von Preußen Nr. 125, Haake, Vize ⸗Feldw. von demselben Landw. Bezirk, zum Sec. Lt. der Res. des Inf. Regts. Kaiser Wilbelm König von Preußen Nr. 120, Kölle, Vize- Feldw. vom Landw. Bezirk Ulm, zum See. Lt. der Res. des Inf Regts. König Wilhelm Nr. 124, — ernannt. Nübling, Pr. Lt. von der Kav. 1. Aufgebots des Landw. Bezirks Ulm, zum Rittm. befördert.
Abschiedsbewilligung en. Im aktiven Heere. 6. April. Hilbert, Hauptmn. und Comp. Chef im 4. Inf. Regt. Nr. 122, mit Pension und mit der Regts Uniform der Abschied bewilligt.
Im Beurlaubtenstande. 6. April. Werlitz. Hauptm. von der Inf. 2. Aufgebots des Landw. Bezirks Stuttgart, mit seiner bisherigen Pension, unter Ertheilung der Erlaubniß zum Tragen der Uniform des Gren. Regts. Königin Olga Nr. 119, Cailloud, Hauptm. von der Inf. 1. Aufgebotss des Landw. Bezirks Stutt— gart, Wal ser, Rittm. von der Kav. 1. Aufgebots des Landw. Bezirks Um, Bareiß, Hauptm. von der Fuß ⸗Art. 1. Aufgebots des Landw. Bezirks Gmünd, Damcke, Rittm. der Res. des Train ⸗Bats. Nr. 13, Stettner, Pr. Lt. der Res. des Gren. Regts. Königin Olga Nr. 119, unter Verleihung des Charakters als Hauptm. GCronmüller, Pr. Lt. von der Inf. 2. Aufgebots des Landw. Bezirks Stuttgart, Heyne, Pr. Lt von der Inf. 1. Auf— gebots desselben Landw. Bezirks, — mit der Erlaubniß zum Tragen der Landw. Armee⸗Uaiform, Stänglen, Hauptm. der Res. des Gren. Regts. Königin Olga Nr. 119, Adam, Pr; Lt. von der Inf. 1. Aufgebots des Landw. Bezirks Horb; von der Landw. 2. Auf⸗
ebots: Wetzel, Hauptm. von der Inf., Voehringer, Groß,
r. Lts. von der Inf., — des Landw. Bezirks Reutlingen, Lang, Friedel, Fleischhauer, Klett. Pr. Lts. von der Inf., v. Reichenau, Sec. Lt. von der Kap., Braun, Mosthaf J., Sec. Lts. von der Inf., Merz. Sec. Lt. von der Feld⸗Art., Reichert, Sec. Lt. von der Inf.ß, — des Landw. Bezirks Stuttgart, Lauer, Pr. Lt. von der Inf. des Landw. Bezirks Ludwigsburg, Reibel, Pr. Lt. von der Kap., Groeber, Sek. Lt. von der Inf, — des Landw. Bezirks Heilbronn, Stützner, Pr. Lt. von der Inf., des Landw. Bezirks Hall, Möhler, Kraus, Pr. Lts. von der Inf. des Landw. Besirks Gmünd, pfeiffer, Hauptm. von der Inf, Bleyle, Pr. Lt. von der Inf, v. Papen“ Könis ngen, Sec, Lt. von der Kar, Breuninger, Koehler, Sec. Lts. von der Inf, Schwenk, Sec. Lt. von der Feld- Art,. — des Landm. Bezirks Ulm, Hoffmann, Pr. Lt. von der Feld-Art., Stimmler, Höpfel, Sec. Lts. von der Inf. — des Landw. Bezirks Ravensburg, Graner, Sec. Lt. von der Inf, Christ« mann, Sec, Lt, von der Feld ⸗Art, — des Landw. Besirks Biberach, — der Abschied bewilligt.
Im Sanitäts- Corps. 5. April. Dr. Essig, Stabsarzt der Res. vom Landw. Bezirk Biberach, Dr. Kern, Stabearzt der Landw. 1. Aufgebots vom Landw. Bejirk Hall, Be brlz, Stabs- art der Landw. 2. Aufgebots vom Landw. Seit ÜUim, Pr. Engelhorn, Stabsarzt der Res. vom Langw, Bezir? Gmünd, Dr. Weil, Stabsarzt der Landw. 2. Aufgebots vom Land w. Tairk Stutz. gart, Keller, Stabsarzt der Landw. 1. Aufgebots vom Lankw. Bezirk Gmünd, Dr. Loren], Assist. Arjt J. FI. Ver Tanzmw. 2. Aufgebots vom Landw. Bezirk Stuttgart, D der Abschied bewilligt.
Beamte der Militär. Verwaltung.
s. April, Heber, Zaklmstr. Aspir, beauftraudt mit Wahr⸗ nehmung der Zablmeister stelle beim 2. Bat. 4 Inf. Regts. Nr. 122. Wandel, Zahlmstr. Asvir., beauftragt mit Wahrnehmung der Zabl⸗ meisterstelle beim 3. Bat. Inf. Regis. Kasser Bilk elm König von Preußen Nr. 129, — zu Jäahlmeistern ernannt. Saller, Ober⸗ Apotheker der Landw. 2. Aufgebot vom Tanbm, Bezirk Gmünd. Krieg, Ober ⸗Apgtheter ber Landre. 2. Aufgebot vom LVanpbu. Bez ict
Leonberg, — der Abschied bewilligt
Naiserliche Marine.
Offiziere ꝛc. Ernennungen, Beförderungen und Ver— setzun gen. Königliches Schloß Kiel. 7 April. Meuß, H ell⸗ hoff, du Bois und v. Arnoldi, Kapitän Lt, zu Korp. Kapftäns, Jachmann, Stiege und Faeckel, Kapitän. Sts, zu Korv. Kapitäns, unter Vorbehalt der Patentirung, Neitz ke, Peters, van Lemmern,
chack, Boerner, Schneider, Schröder, r. Bassewitz, mn, Ludewig, Koblitz Braun, Dick, Prowe und er, Lts. zur See, zu Kapilän⸗Lts, Nordmann, Herr el, Mayer III, Trendtel, Senner, Boves, ers. Herrmann, Mever IV, v. Kalben, Frbr. k zu Lichtenfels, Petruschky, Frhr. v. Meer- Llessem, Jantzen il. Mabren boliz, v. Fach= otbkirch u. Panthen, Troje, v Holbach, e L und Blomeyer, Unter ˖ Ltg. zur See, zu Lts. zur See, Tbefördert. Rich ter, Lt. zur See, den Charakter als Kapitän Lt. erbasten. Frhr. Rgitz v Frentz. Götze, Siemen, Fielitz, Wide⸗ . n,, ,, Ewers, See obm, v. ing, ade, Hoffmann, Reiche, Dominick, Reichau, Wurm bach. Maurer, n, Bene, Zembsch, Schultze, Krohn. Foerster, Schirmacher. Lüdecke, Lessel, Rößler, Richter, Eberius, Kühne, Schönfeld. Kettner, Mei⸗ dinger, Frhr. v. Mü Rosenstock
Abschiedsbewilligungen. Paschen, Vije⸗Admiral. Chef der Marinestation der Nordsee, in Genehmigung seines Abschieds⸗ gesuches mit Pension zur Disp. gestellt.
Weitere Mittheilungen über die vorläufigen Ergebnisse der Volkszählung vom 1. Dezember 1896 in Preußen.
. Soeben ist vom Königlich preußischen statistischen Bureau ein besonderes, H Bogen starkes Heft herausgegeben worden, das die „vorläufigen Ergebnisse der Volkszählung vom L. Dezember 18900 im Königreich Preußen sowie in den , ,, Waldeck und Pyrmoni“ enthält. Den darauf
ezüglichen tabellarischen Zusammenstellungen ist eine Ein leitung vorangestellt, welche Auskunft über die Art der Gewinnung der als vorläufiges Ergebniß bezeichneten Zahlen giebt und für den Staat, zum Theil auch für Tie einzelnen Provinzen, Regierungsbezirke, Kreise bezw. Ober-Aemter und Städte von 16006 und mehr Be⸗ wohnern Nachrichten über die Veränderungen bringt, welche seit 1857 in Bezug auf die Volkszahl, deren Zunahme und Vertheilung auf die verschiedenen Größenklassen der Gemeinde— einheiten (auf die Städte, Landgemeinden und Gutsbezirke), sowie auf die Vertheilung der Bevölkerung nach dem Ge— schlecht im Staate, in den Städten und auf dem platten Lande eingetreten sind. Die Anordnung des Tabellentheils ist im Wesentlichen dieselb- wie bei den gleichartigen Ver— öffentlichungen früherer Jahre; nur sind in den am Schluß befindlichen Hauptübersichten die Nachweise für den Staat, die Provinzen und Regierungsbezirke sowohl im Ganzen gegeben wie für die Städte, Landgemeinden und Gutsbezirke getrennt, während bisher die Landgemeinden und Guts— bezirke in einer Tabelle zusammengefaßt waren. Der Kreis bildet wie früher die Grundlage der einzelnen Gebietsabschnitte; der Sitz des Landrathsamts ist, Falls derselbe nicht gleich⸗ namig mit dem Kreise ist oder in einem außerhalb desselben 666 Orte sich befindet, noch durch den Zusatz „Kreis—
adt“ bezw. „Kreisort“ oder am Fuße der Seine durch eine Anmerkung besonders bezeichnet. Für sämmtliche Städte und im Stande der Städte vertretene Flecken sowie für alle Land— emeinden und Gutsbezirke von 2000 oder mehr Bewohnern, ür jede einzelne von zusammen 2071 solcher Gemeinde— einheiten ist das Ergebniß der letzten Volkszählung nach der vorläufigen Feststellung in einer besonderen Zeile mitgetheilt, und zwar die Zahl der bewohnten und unbewohnten Wohnhäuser, sowie der anderen bewohnten Baulichkeiten, die Zahl der ge⸗ wöhnlichen und Einzel-Haushaltungen sowie der Anstalten für gemeinsamen Aufenthalt, die ortsanwesende Bevölkerung Überhaupt sowie getrennt nach dem Geschlecht am J. Dezember 1890 und nach der endgültigen Feststellung für 1835, die Zu⸗ bezw. Abnahme zwischen beiden Zählungen überhaupt sowie pro Mille der Bevölkerung. Der Preis des Heftes, welches von der Verlagshandlung des Königlichen Statistischen Buregus nur in einer beschränkten Anzahl von Abdrücken abgegeben werden kann, stellt sich auf 2 l Außer den für die preußischen Städte von mehr als 10000 Bewohnern am 31. Januar und für den preußischen Staat, dessen Provinzen, Regierungsbezirke und Kreise bezw. Ober— ämter sowie für die Fürstenthümer Waldeck und Pyrmont mit den zugehörigen ei am 21. Februar d. J. durch Sonder⸗ nummer der „Statistischen Correspondenz“ bekannt gegebenen ahlen) gewährt das vorläufig festgestellte Ergebniß der olkszählung vom 1. Dezember 1890 auch einen Einblick in die Verschiebungen, welche sich während des letzten Jahrfünftes in der Vertheilung der Bevölkerung auf die Städte, Landgemeinden und Gutsbezirke vollzogen haben. In dem genannten Zeitraum ist die Bewohnerzahl der 1263 preußischen Städte (einschließlich der im Stande der Städte vertretenen Landgemeinden bezw. Flecken) von 10 602 371 auf 11 83 427 oder jährlich im Durchschnitt um 21,35 pro Mille gestiegen. Bei den 37152 Landgemeinden vermehrte sich während der⸗ selben Periode die Volkszahl von 15 683 293 auf 16 154 486 oder um jährlich 5, 4 pro Mille, bei den 16591 Gutsbezirken (einschließlich der Forstbezirke) verminderte sich dieselbe dagegen von 2032 806 auf 2019 389 oder um 1532 pro Mille jährlich. Läßt man die 13 großen Gutsbezirke von mehr als 2000 Bewohnern außer Betracht, so stellt sich der Rückgang der Volkszahl, welche in diesem Falle ziemlich gleichbedeutend mit der für die landwirthschaftlichen Betriebe verfügbaren Arbeiterzahl ist, noch sehr viel höher. Auf die 165518 Gutsbezirke von unter
Mo0 Einwohnern entfielen am 1. Dezember 1835 durchschnitt⸗ lich 129,29, am 1. Dezember 1890 hingegen nur durchschnitt⸗ lich 1895 Bewohner.! Die Abnahme der Bevölkerung diefer Gutsbezirke betrug während dieses Zeitraumes jährlich 4346 Köpfe oder 219 Proz. ihres Bevölkerungsstandes.
Bezüglich der Vertheilung der Bevölkerung nach dem Geschlechte vollziehen sich in Preußen wie anzerwärts allmählich eränderungen, wie die nachstehende Uebersicht für
) Vergleiche Nr. 47 d R. u. St. A.“ vom 23. Februar d. J, Zweite Beilage. ö
den Umfang des jetzigen Staatsgebiets darlegt. Es wurden
ermittelt: ortsanwesende weibliche am männliche weibliche Personen Personen mehr 11 895 g50 12125365 229 415 12132717 12523013 390 296 12 692 370 13050 034 357 664 13 414 866 13 864 245 449 379 13 893 604 14424 866 531 262 15 251 012 544 722. den Personen befanden sich männl. weibl. weibl. mehr
als männl.
3. Dezember 1867. . 495,2 504,8 9, 6 1. ö. 1 4941 507,9 15,8 1. ö 1875. . 493, 1 506,9 13,8 1. . 1880. . 491,8 508,2 16,4 1. . 13885. . 490,6 509,4 188
1. . 1890. . 490,9 509, 1 18,2.
Bis zum Jahre 1867 war das männliche Geschlecht unter der städtischen Bevölkerung stärker vertreten als das weib— liche; von 1871 ab war der Antheil des ersteren in den Städten zwar der Zahl nach schwächer geworden, jedoch immer⸗ hin verhältnißmäßig größer als unter den Bewohnern des platten Landes, und 1885 vertheilte sich die Bevölkerung in den Städten fast ebenso nach dem Geschlecht wie auf dem letzteren. Nach dem vorläufigen Ergebniß der letzten Zählung hat indessen keine weitere Zunahme des auf das weibliche Geschlecht entfallenden Bevölkerungsantheils stattgefunden; vielmehr hat bei der gesammten? wie bei der städtischen Bevölkerung die Zahl der männlichen Personen stärker als die der weiblichen während des abgelaufenen Jahr⸗ fünftes zugenommen. Abgesehen von dem Letzteren ist noch in der auf den deutsch-französischen Krieg folgenden Zählungs⸗ periode, in welcher Knabengeburten erheblich häufiger als sonst vorkamen, ein Rückgang des auf das weibliche Geschlecht ent⸗ fallenden Bevölkerungsantheils im Staate, und zwar sowohl in den Städten wie auf dem platten Lande, zu verzeichnen gewesen. Die weitere Verminderung der Verhältnißzahl des weiblichen Geschlechts bei der ländlichen Bevölkerung in der Zählungsperiode 1875.80 beruht auf den zahlreichen Weg—⸗ zügen nach den Städten.
Denutscher Reichstag. 95. Sitzung vom Freit ag, 10. April.
Am Tische des Bundesraths der Staatssekretär Dr. von Boetticher und der Staats-Minister Freiherr von Berlepsch.
Die Berathung über §. 125 des Arbeiterschutzgesetzes (Entschädigung für Kontraktbruch) nebst den dazu gestellten Anträgen wird fortgesetzt.
Abg. Dr. Krause: Der 5§. 125 in der Fassung der Kemmission
sei von der Anschauung diktirt, der gestern auch von Seiten der Regierung und von den Abgg., von Puttkamer und Dr. Schädler Ausdruck gegeben worden sei, als wenn in Arbeiterkreisen die Neigung zum Kontraktbruch, zum Bruch des gegebenen Wortes stärker hervor⸗ getreten sei als in den anderen Bevölkerungsklassen; den Beweis dafür sei man schuldig geblieben. Aber felbst wenn er geführt worden wäre, so hätte man den bisher gültigen Rechtsgrundsatz für die Arbeiter nicht verlassen dürfen, daß eine Entschädigung ohne Nachweis eines entstandenen Schadens nicht gefordert werden dürfe. Er habe beantragt, diesen Passus, welcher lediglich auf einer juristischen Tiftelei beruhe, zu streichen, damit eine unnsthige Härte für den Arbeiter zu beseitigen, dem 5. 125 der Kommissions⸗ vorlage, welche die Buße! nur dem Namen, nicht dem Begriffe nach beseitige, die gegen die Arbeiter gerichtete Spitze zu nehmen und ihn annehmbarer zu machen. Am liebsten wäre es ibm freilich, wenn der ganje Paragraph gestrichen würde. Er sei keineswegs der Meinung, daß man jeden Vertragsbruch kriminell verfolgen sollte. Wenn man einmal den Vertragsbruch bestrafe, so müßte man wenigstens das Gebiet des Kontraktbruchs so eng wie möglich fassen. Die Gesetze hätten überhaupt nicht den Zweck, den Teuten das Leben schwer zu machen. Er theile zwar nicht die Ansicht des Abg. Singer, daß allein der §. 125 die ganze Woblthat des Ge— setzes beseitige. Gewiß sei aber, daß die organiffrte Arbeiterpartei diesen Paragraphen als Anhalt benutzen werde, um das ganze Gesetz in den Augen der Arbeiter herabzusetzen. Der Paragraph würde also mehr schaden als nützen.
Abg. Bebel: Es habe Niemanden überraschen können, daß namentlich der Abg. von Puttkamer so warm für diese Ausnahme⸗ bestimmung eingetreten sei und daß er die Aufhebung des Sozialisten. gesetzes bedauert habe. Niemand habe mehr als er es verstanden, als Ninister das Sozialistengesetz so auszulegen und zu handhaben, wie es kaum die entschiedensten Anhänger des Gesetzes aus dem Jahre 1878 für möglich gefunden bätten. Der Abg. von Puttkamer gehöre zu denen, die nichts lernten, aber nahezu Alles vergäßen, denn bätte er lernen wollen, so hätte ihm das Sozialistengesetz gezeigt, daß man mit Ausnahmegesetzen große Ideen nicht unterdrücken könne. Unter seiner Amtsführung sei die Zahl der soztaldemokratischen Stim— men von 311090 im Jahre 1881 auf 760 0060 im Jahre 1887 ge— stiegen, und unter seinem Nachfolger habe sie sich sogar bis zur kolossalen Höhe von 1 427 000 gesteigert! . von Puttkamer sei aber auch ein Feind der ganzen Ärbeiterbewegung. Er (Redner) erinnere an seinen berüchtigten Strikeerlaß von 18565, wodurch jeder legitime Strike, auch ohne Kontraktbruch, unmöglich gemacht worden sei, weil der Abg. von Puttkamer in jeder derartigen Strikebewegung bereits die „Hydra der Revolution“ erblickt habe. Es mache aller dings einen wunderbaren Eindruck, wenn gerade der Abg. von Putt— lamer in der Pose sittlicher Entrüstung hier den Vertretern der Arbeiterklasse vorwerfe, daß bei ihnen ein Mangel an Sittlichkeit zu finden sei, indem sie die Lohnbewegung unterstützten. Er (Redner) komme darauf zurück. Dem Staats. Minister Freiherrn von Berlepsch bestreite er auf das Entschiedenste, . die Kontraktbrüche in be— ständiger Zunahme begriffen seien und sich in gefährlicher Weise be— merkbar machten. Er babe dabei das Jahr 1885 im Auge. Anfangs der 70er Jahre seien ähnliche Verbältnisse gewesen. Auch damals bätten die Arbeiter gesucht ihre Lohnbedingungen entsprechend dem größeren Profit der Industrie zu verbessern. Daraus hätten die ver⸗ bündeten Regierungen 1874 Veranlassung genommen, das bekannte Kontraktbruchgesetz einzubringen. Das Gesetz sei gescheitert, und seit« dem seien keine Versuche gemacht, eine Bestrafung des Kontraktbruchs in die Gesetzgebung einzuführen, weil die Depression der wirthschaftlichen Lage von 1874— 37 den Arbeitern überhaupt nicht gestattet habe, Lohnverbesserungsbestrebungen geltend zu machen. Erst 1887 habe die allmähliche Verbesserung der 5skonomischen Ver⸗ hältnisse begonnen und sich naturlich , in der Kohlenindustrie als der Grundlage der modernen Industrie bemerkbar gemacht. Die Kohlenpreise seien bereits unverhältnißmäßig gestiegen gewefen, als der Bergarbeiterstrike ausgebrochen sei. Die Arbeiter hätten nicht nur verlangt, an der günstigen Konjunktur durch höhere Löhne theilzunehmen, sondern auch die Abschaffung all der Maßnahmen, unter denen sie Jahre lang schwer geseufit hätten, wie des ab scheulichen Spstems des Wagennullens und der brutalen Be— handlung Seitens der Bergwerksbeamten. Diese Erregung sei, wie die Untersuchung der Behörden bewiesen habe, von keiner Seite, am wenigsten von sozialdemokratischer angeregt worden. Allerdings
hatten die Kohlenarbeiter ihren Kontrakt gebrochen und die Staatz
bahnen und die Industrie in gewisse Verlegenheit gesetzt; aber wer behaupte, daß die Arbeiter beabsichtigt hätken, das All. gemeinwobl zu schädigen, thue ibnen büter Unrecht, sie hätten lediglich ihre Verhältniffe verbessern wollen, Daß die Kohlenbarone durch den Strike geschädigt feien, sei einfach unwahr. Hier sei der deutlichste Beweis für die Ungebeuerlichkeit des 8. 125, daß ohne Nachweis des Schadens der Unternehmer Lohn einbebalten könne, ja sogar einen Durchschnittswochenlohn, der alfo böher sein könne, als ihn der Arbeiter gehabt habe. Die Bergarbeiter bätten bei dem Strike eine Lobnerhöhung von 10-25 960 durchgesetzt, wodurch die Förderung für die Tonne Kohle um 40-10 ' ver- tbeuert worden sei, aber die Unternehmer hätten unter der Gunst der Konjunktur in Folge des Massenstrikes sechs⸗ bis siebenmal mehr profitirt. Das sei bisher fast bei allen Strikes so gewesen. Ja, es hätten sogar schon Unternehmer Strikes veranlaßt, um den Preis ibrer Wagre erhöhen zu können. Massenstrikeö kämen nur bei günstiger Konjunktur vor, wo also der Unternehmer nicht geschãdigt werde. Und für die Unterstützung, welche die Arbeiter den Ünter⸗ nehmern durch die Strikes zur Erzielung eines Profits geliehen bätten, sollten sie nun noch büßen. Die Königin Marienhütte habe 1888, also vor dem Strike, 3 do, 1889 5 Cο und 1390 769 gezahlt. Die Königs. und Laurabütte hätten 1888 6j Gο, 1889 i oo, 1890 6 'o Dividende gejahlt. So kolossale Profite, auch bei dielen anderen Werken, seien durch den Kontraktbruch der Arbeiter veranlaßt, der den Arbeitern als Kapitalverbrechen aägerechnet werde. Die Koblenpreise entsprächen dem voll ständig. Der Preis des Waggons Kohle habe 1838 durchschnittlich 70, 1890 125 6 betragen, während die Lohnerhöhung höchstens 7 betragen habe. Auch heute noch belaufe sich die Differenz gegen 1888 auf 35 trotz der geringer gewordenen Nachfrage. In diesen Tagen hätten die preufischen Steatsbahnverwaltungen und die Eisenbahn—⸗ verwaltungen Elsaß Lothringens für den Waggon 105 bezahlt, und dabei seien die Zechen aus Angst vor der ausländischen Konkurrenz noch entgegenkommend, denn die Privatindustrie zahle 1106 2115 . Um' gekehrt bezeichne man den Kontraktbruch der Unternehmer einfach als ein naives Unrecht. Während durch das angeblich gemeingefährliche Streben der Kohlenarbeiter die Zechenbesitzer ganz kolossale Profite einbeimsten, also ihren Arbeitern für den Kontraktbruch dankbar sein müßten, beuteten dieselben Zechenbesitzer die Gunst der Konjunktur jur Schädigung der allgemeinen induftriellen Verhältniffe aus, indem sie ibren Abnehmern gegenüber vorgäben, sie könnten ihre Ver⸗ pflichtungen nicht halten, weil die Staatsbahnverwaltung nicht ge⸗ nügend Waggens stellen könne und die Kohlenförderung nachgelassen habe, während sie andererseits nach dem Ausland ganz kolossale Mengen von Kohlen verkauften. Der Staats. Minister habe ja vor einigen Monaten eine Enquete darüber veranstaltet. Freilich die Berg⸗ werksbesitzer hätten einen anderen sozialen Einfluß, als die Arbeiter. Diefe Herren schädigten das Allgemeinwohl, indem sie die Kohlenpreise durch Kartelle künstlich hoch bielten und die Indusirie auf das Schwerste schädigten, sodaß bereits große Industrien klagten, daß, wenn die Kohlenpreise so hoch blieben, fie nicht mehr auf dem Weltmarkte konkurrenzfähig blieben. Nach der Statistik über Arbeitseinstellung vom 1. Januar 18359 bis Ende April 1890 seien von den 394 440 ausständigen Arbeitern in Deutschland 264 407 oder 67 0 kontraktbrüchig gewesen. Davon seien 196 357, also gegen 180 Bergarbeiter gewesen, welche durch die geschilderten ganz erzeptionellen Verbältnisse zum Kontraktbruch gekommen seien. 2lI86 oder gegen 180 seien auf das Baugewerbe entfallen. Charakteristisch trete da zu Tage, daß Kontraktbruch immer nur unter günstigen Verhältnissen für die Industrie stattfinde und daß weitaus der allergrößte Theil derselben auf Betriebe falle, in denen die Arbeiter bisber nicht organisirt gewesen seien. Man sage, die englischen Arbeiter respektirten den Kontrakt und die Kündigungs—⸗ frist und verhandelten auf sogenanntem legalen Wege mit den Unternehmern. Hätte man in Deutschland die engiische Vereins. steibejt, so würde ein Kontraktbruch überhaupt nicht vorkommen. Die Unternehmer würden nie für gesetzwidrige Arbeiterentlaffungen haftbar gemacht. Liege darin nicht die Ungleichheit? Naives Ün— recht solle das sein, wenn die Unterneßmer zur Wahrung ihrer Inter— essen geradezu Strikes provozirten. Daß der Strike der Bergarbeiter durch die Unternehmer provolirt sei, unterliege keinem Zweifel. Jeder Richter würde die Motive des Arbeiters, auß denen er zum Kontrakt⸗ bruch gekommen sei, würdigen und ihn unter solchen Verbältnissen oft reisprechen; aber hier komme alles dies für den Arbeiter nicht in Betracht. Leute wie der Abg. Freiherr von Stumm machten den Arbeitern zur Bedingung, daß sie keinem Gewerkperein angehörten. Da spreche man nicht von einem Kontraktbruch. Die Arbeiter seien gezwungen, die Fabrikordnung anzunehmen. Das sei die Kampfes weise der Unternebmer. Die Unternehmer begingen Tag 'fuͤr Tag Kontraktbruch, ohne daß der Arbeiter dagegen etwas thun könne. So lange die Gesellschaft bestehe, sei es ein Rechtsgrundsatz, daß, wenn man einen Schadensersatzanspruch stelle, man den“ Be—¶ weis des erlittenen Schadens, führen müsse; darum werde Niemand den 5. 125 begreifen. Der Abg. Paper habe
gestern das neue Gesetz, das hier geschaffen' werde, richtig charakterisirt; es bleibe hinter den von Ällerböchster Stelle ge—= machten Zusagen und hinter den dadurch erregten Erwartungen erheblich zurück, Der Abg. Dr. Gutfleisch sage mit Unrecht, daß hinter diesem Gesetz die Arbeiterschutz⸗Gesetzgebung der ganzen Welt zurückbleibe — Desterreich Ungarn, England, die Schweiz, Nord⸗ Amerika und zum Theil auch Australien hätten bessere Arbeiterschutz⸗ Gesetze. Man sage, durch den Kontraktbruch würden gerade die kleinen Industriellen geschädigt: wenn nur die kleinen Leute in Be⸗ tracht kämen, mache man hier kein Gesetz! Nun würden die west⸗ fälischen Industriellen, die rückichtslosesten und brutalsten der Welt, natürlich von der Befugniß der Lohneinbehaltung den aug gedehntesten Gebrauch machen, und die fiskalischen Bergwerke würden ihnen bald folgen. Das zusammen mit einem eintretenden Rückgang der Arbeits löhne und den außerordentlich hohen Fleisch— preisen könne für die Ausbreitung der Sozialdemokratie nur förderlich sein, und dazu wirke das Verhalten des Centrum, das sich immer als so arbeiterfreundlich hinstelle, ganz befönderg mit. Der 5. 125 wende sich auch besonders scharf gegen die n,, , diese ärmsten, niedergedrücktesten, schlechtest bezahlten eute, die in Sachsen, wie in Schlesien, in der Rhön, wie in der Eifel in gleich schlechter Lage seien und vom Truckfystein noch aus— gebeutet würden. Die Handweber in Schlesten bekämen schlechtes Harn, daraus könnten sie natürlich keinen guten Stoff weben, aber für jeden kleinen Febler mache man ihnen Lohnabzüge, die oft den ganzen Lohn absorbirten, während den Kaufleuten und dem 1 die feblerhbafte Waare oft ohne Preitermäßigung ver— auft werde; die Abzüge würden noch von den Faktoren, die die Arbeit vermittelten, vermehrt. Wenn die Leute sich aber über diese Behandlung beschwerten, so würden sie aus der Arbeit ent⸗ lassen, auf die schwarze Liste gesetzt und könnten sich überhaupt nicht mehr ernähren, Der Abg. Dr. Gutfleisch habe ihn (den Redner) mit rabulistischer Geschicklichkeit zum Autor diefes 5. 1235 gemacht. Er sei der Autor dieser Bestimmung nur infofern, als er, um die Mißstände der Lohneinbehaltung zu befeitigen, vorgeschlagen habe, die ganze Lohneinbehaltungsbefugniß aus dem Gesetz zu streichen. Wenn aus dieser Anregung die Kommission schließlich den §. 125 aug— gebrütet habe, so sei er doch nicht für denselben verantwortlich. Nun werde in Folge der Fabrikordnungen von der Befugniß der Lobneinbehaltung sebr häufig Gebrauch gemacht werden. Gr' habe kürzlich einen Brief von einem gSieref i befnn erhalten, dem der Be- siber den Lohn einbehalten und dem er dann solche Lohnabzuge ge⸗ macht habe, daß es dem Arbeiter schließlich unerträglich geworden und, er aus der Arbeit gegangen sei, für die er bis zum Cr. der Saison verpflichtet gewesen sei — nun sei der Arbeiter rechtlos ge⸗ wesen, er hätte den Kontrakt gebrochen, und auf die Veranlassung zum Kontraktbruch, ob die schlechte Behandlung direkt dazu getrieben, darauf komme ez ja nach den Worten des Staats Ministers Freiberrn von Berlepsch nicht an! Diefes Beispiel zeige, wie in Zukunft der §. 126, wenn er Gesetz werde, angewendet werden
könne. Durch den Antrag Stumm werde natürlich dieser Pa⸗
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