1891 / 91 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 17 Apr 1891 18:00:01 GMT) scan diff

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richt der Reichs schulden⸗Kommission über die Verwaltung des g e e. des Reichs. Endlich erklärte sich die Versamm⸗ lung damit einverstanden, daß die durch den Bundesraths⸗ beschluß vom J. Dezember 1871 angeordnete Veröffent⸗ lichung statistischer Jahresübersichten über die Einnahmen an Wechselstempelsteuer vom laufenden Jahre ab unterbleibe.

In der Reichstagssitzung vom 3. Februar d. J. wurde von einem Mitglied des Reichstages die Frage angeregt, ob es kein Mittel gebe, die Auslieferung des zu Leipzig straf⸗ rechtlich verfolgten, nach Argentinien geflüchteten und dort bereit? verhaftet gewesenen, aher wieder freigelassenen ehe— maligen Bankdirektors Adolf Winkelmann herbeizuführen. In Beantwortung dieser Anfrage wurde damals vom Bundes⸗ rathstisch aus mitgetheilt, daß das argentinische Gericht den deutscherseits gestellten Auslieferungzantrag abgelehnt habe, weil nach Auffassung des Gerichts den Formworschriften des argen⸗ tinischen Gesetzes nicht vollständig entsprochen, ins besondere ein Schriftstück, in welchem das Leipziger Gericht die Aus⸗ lieferung nachsuche, nicht beigebracht worden sei, daß dieser Auffassung des argentinischen Gerichts aber inzwischen, obwohl dieselbe deutscherseits nicht getheilt werde, durch nachträgliche Beibringung eines solchen Schriftstücks Rechnung getragen worden und daher zu hoffen sei, daß der Auzlieferungsantrag noch von Erfolg sein werde. ö .

h Das , Schriftstück ist der argentinischen Re— gierung mittels einer Note des Kaiserlichen Gesandten zu Buenos-Airetz vom 23. Dezember v. J. unter Erneuerung des Auslieferungsantrages ühermittelt worden. Der argentinische Staatsanwalt, welcher sich zunächst zur Sache zu äußern hatte, sprach sich unter dem 9. Januar d. J. für die aber⸗ malige Ablehnung des Auslieferungsbegehrens aus. Seine Aeußerung lautet in Uebersetzung wie folgt:

Herr Richter! . 2

Der vorliegende Antrag enthält das Verlangen einer Wieder aufnahme des Auslieferungsverfahrens, welches mit dem Urtheilsspruch auf Seite 44 geschlossen worden ist. ; .

Es handelt sich um eine Auslieferungssache, die schon abgeurtheilt und entschieden worden ist, die das Siegel rechtskräftiger Aburtheilung trägt und in Folge dessen ein neuetz Urtheil oder die Wiederaufnahme des endgültig abgeschlossenen Verfahrens nicht rechtfertigen kann.

Diese Erwägung würde allein schon genügen, um dem Verlangen nicht Folge zu geben. Es ist aher außerdem zu bemerken, daß selbst, wenn es sich nicht so verhielte, Euer Hochwohlgeboren sich doch nicht in anderem Sinne aussprechen könnten, weil die Anlage die Ab⸗ schrift des Haftbefehls ist und nicht des die Stellung des Aus⸗ lieferungsgesuches verfügenden Gerichtsbeschlusses, zweier ganz ver— schiedener Dinge, wie sich aus Seite 64 und dem ersten Absatze der Seite 76 . ö

. Unar 1891.

ö (gez) Jossé A. Viale.“

Wenn in diesem Gutachten ein die Stellung des Aus⸗ lieferungsgesuches verfügender Gerichts beschluß wiederum ver⸗

mißt wird, fo ist dieses nicht verständlich, da es in dem Ein⸗ gange des der argentinischen Regierung unter dem 235. De⸗ zember v. J. mitgetheilten gerichtlichen Schriftstücks J. d. Leipzig, den 3. November v. J, ausdrücklich heißt:

„In der gegen den vormaligen Bankdirektor Adolf Winkelmann, jetzt in Buenos Aires in der Revublik Argentinien aufhältlich, bei dein unterzeichneten Königlichen Landgerichte anbängigen Vorunter⸗ fuchung wird hiermit beschlossen, ĩ .

die Herbeiführung der Auglieferung des Angeschuldigten Adolf Winkelmann, jetzt in Buenos Aires aufhältlich, an zuständiger Stelle nachzusuchen, und es wird hiermit an den Herrn Federalrichter der Argentinischen Republik oder an das sonst zuständige argentinische Gericht das Ersuchen gerichtet, sich für die Bewilligung eines dem gemäß bei der argentinischen Regierung gestellten Antrags auf Aus- lieferung des genannten Winkelmann autsprechen zu wollen.“

Der Bundesrichter Ugarriza, welcher den Auslieferungs⸗ antrag schon zum ersten Mal abgelehnt hatte, sprach sich unter dem 5. Februar d. J. wiederum für die Ablehnung aus, indem er sich dem Gutachten des Staatsanwalts lediglich anschloß. Die Entscheidung desselben lautet in Uebersetzung wie folgt:

„Buenos Aires, den 5. Februar 1891.

Aus den von dem Staattanwalt in seinem vorstehenden Gut— achten dargelegten Erwägungen ist die nachgesuchte Auslieferung des Adolf Winkelmann nicht statthaft und ist, in Folge dessen dieses Äktenstück dem Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten im Hinblick auf Artikel 69 der Prozeßordnung zurückzustellen.

(gez) Andres Ugarriza“.

Die vollziehende Gewalt der Argentinischen Republik hat die von den bezeichneten Justizbehörden vertretene Auffassung nicht getheilt und, durch Verfügung vom 11. Februar d. 8. einen Staatsanwalt bestellt, um Berufung einzulegen. Die erwähnte, vom Präsidenten der Republik unter Gegenzeichnung des Ministers der auswärtigen Angelegenheiten erlassene Ver— fügung besagt:

„Ministerium der Auswärtigen Angelegenheiten. Buenos ⸗Aires, den 11. Februar 1891.

Da die von dem Staattanwalt vertretene, in dem Utbeils spruch des Bundesrichters Dr. Ugarriza zugelassene Rechtsauffassung nicht angenommen werden kann, und da jener Beamte verhindert ist, Schritte zu der Berufung zu thun, welche die vollziehende Gewalt in diefem Falle einzulegen für angezeigt hält, wird zum Staatsanwait ad hoe der Fiskal⸗Anwalt Dr. Eduardo French ernannt, welchem die vorliegenden Akten zuzustellen sind.

(gez) Pellegrini. (gez Eduardo Costa.“

Es ist zu hoffen, daß es dem ernsten Bemühen der argen⸗ tinischen Regierung noch gelingen wird, die Angelegenheit zu einer befriedigenden Lösung zu bringen, wie solche den beider⸗ seitigen Interessen und der Solidarität, welche alle Länder gemeinen Verbrechern gegenüber verbindet, entsprechen würde.

Das „Deutsche Kolonialblatt“ veröffentlicht die von Seiner Majestät dem Kaiser unter dem 9. April genehmigten „Orga⸗ nisatorischen Bestimmungen für die Kaiserliche Schutztruppe in Deutsch-Ost-Afrika“.

Der General⸗Inspecteur der 4. Armee⸗Inspektion, General⸗ . Graf von Blumenthal, Chef des Reitenden eldjäger⸗Corps und des Magdeburgischen Füsilier⸗Regiments,

hat sich mit Urlaub nach Krampfer begeben.

Dem Regierungs⸗Assessor Teß mar zu Schleswig ist die kommissarische Verwaltung des Landrathsamts im Kreise Jork, Regierungabezirk Stade, übertragen worden.

Das Uebungs-OGeschwader, bestehend aus S. M. Panzerschiffen; „Kaiser“, „Deutschl and“, „Friedrich Earl“ und „Preußen“ sowie aus S. M. Aviso „Pfeil“, Geschwader⸗ Ehef Contre⸗ Admiral Schröder, ist am 15. d. M. von Plymouth nach Wilhelmshaven bezw. Kiel in See ge⸗ gangen. S. M. Kanonenboot „Iltis“, Kommandant Rorvetten⸗-Kapitän Ascher, ist am 16. d. M. in Chinkiang eingetroffen und beabsichtigt, heute (Freitag nach Hankau (China) in See zu gehen.

Posen, 16. April. Der Minister der geistlichen 2c. An⸗ gelegenheiten Graf, von Zedlitz⸗ Trütz schler hat dem „Pof. Tgbl.“ zufolge das ihm verliehene Ehrenbürger⸗ recht der Stadt Posen angenommen.

Württemberg.

Stuttgart, 16. April., Der General à la Suite, General⸗Lieutenant Graf von Zeppelin ist, wie der „St. A. f. W.“ meldet, heute von hier abgereist, um sich als Vertreter des Königs zu der Beisetzung Ihrer Kaiserlichen Hoheit der Großfürstin Olga Feodorowna von Rußland nach St. Peters⸗ burg zu begeben und der Kaiserlichen Familie die Theil⸗ nahmebezeugung Ihrer Majestäten zu überbringen. Baden. Karlsruhe, 16. April. Seine Großherzogliche Hoheit der Prinz Karl hatte, der „Karlsr. Ztg.“ zufolge, eben⸗ falls die Absicht, zur Beisetzung Höchstseiner Schwester sich nach St. Petersburg zu begeben, hat aber, bem dringenden ärztlichen Rath folgend, darauf ver⸗ zichten müssen. Die schwere Erkrankung, von welcher Seine Großherzogliche Hoheit diesen Winter heimgesucht ward, ließ es dringend wünschenswerth erscheinen, daß der Prinz seine wieder erlangte Gesundheit einer so anstrengenden Reife und den damit verbundenen klimatischen Einflüssen nicht aussetzen möge. Sachsen⸗Weimar⸗Eisenach. Weimar, 16. April. Der „Th. C.“ zufolge bestätigt sich, daß Seine Majestät der Kaiser, einer Einladung Seiner Königlichen Hoheit des Großherzogs Folge leistend, am 23. d. M, Abends, auf der Wartburg eintrifft und von dort aus Jagdausflüge unternehmen wird. Am 25. April stattet Ihre Majestät die Kai serin Ihren Königlichen Hoheiten dem Großherzog und der Großherzogin hier in Weimar einen Besuch ab und begiebt sich am 26. mit der Groß⸗ herzogin nach der Wartburg. In der Kapelle der Burg findet an diesem Tage Gottesdienst statt. Elsaß⸗Lothringen.

Straßburg, 16. April. Der Landes aus schuß er⸗ ledigte gestern in zwei Sitz ungen die zweite Lesung des Gesetz⸗ entwurfs über die Einrichtung von Grundbüchern und das Gesetz über Kosten in Grund buchsachen.

Oesterreich⸗ Ungarn.

Die Fertigstellung des deutsch⸗österreich ischen Hand . . dürfte der „Presse“ zufolge Mitte nächster Woche erfolgen. . chi ier 17. April. Seine Königliche Hoheit der Land⸗ graf Alexander Friedrich von Hessen, welcher vor einigen Tagen hier eingetroffen ist, wurde heute von Seiner Masestät dem Kaiser und König empfangen worden. Die Erzherzoge Albrecht und, Ludwig Viktor sowie der Minister des Aeußern Graf Kälnoky und das Personal der deutschen Botschaft fuhren Nachmittag vor der Wohnung des Landgrafen im Grand Hotel vor und gaben daselbst ihre Karten ab. . . In der gestrigen Sitzung des Abgeordnetenhauses fand die Wahl des Präsidiums statt. Smol.ka, mit 31 von 366 Stimmen wiedergewählt und allseitig begrüßt, dankte für das ihm erwiesene Vertrauen und sprach die Er⸗ wartung auf eine ersprießliche, fur das Reich und alle seine Theile segensreiche Legislaturperiode aus; es sei dies bei der Geneigtheit gegenseitiger Verständigung nicht schwer zu erreichön. Smolka schloß mit einem dreifachen, begeistert erwider ten Hoch auf den Kaiser. Zum ersten Vize⸗ Prasibenten wurde Chlumecki mit 2563 von 278 Stimmen, zum zweiten Vize⸗Präsidenten Kathrein mit 218 von 246 Stimmen gewählt. Dieselben dankten ebenfalls. Die Regierung brachte unter Anderem die Erklärung der einjährigen Veridngerung der Kündigungsfrist des Handels— vertrags mit Italien sowie einen Gesetzentwurf, betreffend eine zweimonatige Verlängerung des provisorischen Budgets bis Ende Juni, ein. Im späteren Verlauf der Sitzung legte der Fin anz-Minister das bereits im Vorjahr eingebrachte Finanzgesetz und den Staats voranschlag für 1891 ohne Aenderung wieder vor, indem er er⸗ klärte, Aenderungen wären unstatthast, da bei seinem Amtsantritt mehr als ein Monat der Gebahrungs⸗ periode des neuen Budgets abgelaufen und. das Budgetprovisorium auf Grund des früher eingebrachten Budget⸗ entwurfs angenommen worden sei. Aus diesem Grunde träten alle noch erforderlichen Ausgaben als Nachtragskredite auf, die sich unter den eingebrachten Vorlagen befänden. Der Finanz-Minister bat das Haus, die Verlängerung des Budget⸗ provisoriums möglichst schnell zu erledigen und sprach die Hoffnung aus, im Laufe der udgetberathung Gelegenheit zu weiteren Ausführungen zu finden. (Lebhafter Beifall.) = Die Abgg. Jaworski und Genossen, Plener und Genossen und Engel und Genossen beantragten, die Thronrede mit einer Adresse zu beantworten und zur Autzarbeitung und Vorberathung des Adreßentwurfs einen Autzschuß von 36 Mitgliedern einzusetzen. Die Anträge wurden als dringlich behandelt und ohne Debatte angenommen. Die Abgg. ,, rfer und Genossen brachten einen Antrag ein, betreffend die Aufhebung der Ausnahmeverord⸗ nungen für die Gerichtssprengel Wien, Kornneuburg und Wienerneustadt, der Abg. Prade einen solchen auf Abstempe⸗ lung ausländischer Werthpapiere, der Abg. Kindermann einen Antrag auf Herabsetzung des Zolles auf Kaffee und Petroleum, und der Abg. Mauthner einen Antrag, betreffend die Steuerfreiheit von Arbeiterwohnungen. Unter den Nachtragskrediten befindet sich auch eine Kredit⸗ forderung von 10 000 Gulden zur korporativen Betheiligung der Genossenschaft der bildenden Künstler Wiens an der dies⸗

jährigen internationalen Kunstausstellung in Berlin.

Die Abgeordneten Sommaruga, Exner, Wrabetz interpellirten den Ministerpräsidenten Grafen Taaffe wegen der Gesetzes vorlagen, b treffend die Errichtung der Wiener Stadtbahn und die Verlegung der Kasernen,

Die meisten Wahlen wurden als gültig anerkannt, 39 derselben wurden dem Legitimationsauss usse überwiesen.

In einem von dem Eoronini-Klub gestern veröffent⸗ lichten Programm heißt es: Erfüllt von dem österreichischen Staatsgedanten, treue Änhaänger der bestehenden stagtsrecht= lichen Zustände, sind wir entschlossen, für die volle Achtung der durch die Verfassung gewährleisteten Rechte der Stagis⸗ bürger, insbesondere für gleichmäßige Berücksichtigung aller österreichijchen Volfsstamme' Behufs Förderung ihres fried⸗ lichen Zusammenlebens und gedeihlicher gemeinsamer Thätig⸗ keit einzutreten.

Zu den diesjährigen Uebungen im Brucker Lager sollen im Laufe des Monats August drei In fan⸗ terie-Bataillone aus Bosnien und der Herzegowina beigezogen werden.

Großbritannien und Irland.

Im Unterhause kam am Mittwoch die Bill über den Ausschank geistiger Getränke in Irland zur Be⸗ rathung. Die Bill hebt die Ausnahmestellung der fünf irischen Städte, deren Wirthehäuser an Sonntagen offen sein dürfen, auf und bestimmt, daß die Schenken am Sonnabend Abend“ um J Uhr geschlossen werden müssen. Der irische Sber⸗Sekretär Balfour erklärte, daß die öffentliche Meinung in ganz Irland sich mit überwältigender Mehrheit für die Maßregel ausgesprochen habe. Sexton wollte, daß ein irisches Parlament über die Sache entscheiden solle. Dafür trat auch Parnell ein. welcher behauptete, daß das Schließen der Wirthshäuser an Sonntagen nur die Un⸗ mäßigkeit befördert habe. Nach Anwendung des Debatte⸗ schlusses wurde die Bill zur zweiten Lesung zugelassen. In der gestrigen Sitzung erklärte der Staatssekretär des Innern Matthews in Beantwortung einer Anfrage: der von der Polizei wegen Sittlichkeitsvergehens verfolgte Deputirte Verney habe dem Sprecher von Paris aus telegraphisch angezeigt, daß er, als er in Italien von dem gegen ihn er⸗ lassenen Verhaftbefehl gehört, sofort die Rückreise nach England angetreten habe und morgen einzutreffen gedenke.

Durch den vorgestern Morgen erfolgten Tod des Ab⸗ geordneten für Nordwest-Suffolk ist nunmehr die Zahl der . n . Erfatzwahlen abgehalten werden müssen, au gestiegen. .

f Die Oppofitlon im Unterhause beabsichtigt, Falls das Budget keinen Vorschlag über freie oder staatlich unter⸗ stützte Schulen enthalten sollte, die erste Gelegenheit zur Stellung eines dahingehenden Antrages zu benutzen, um sich uber die Haltung des Parlaments zu dieser Frage zu vergewissern. Die Gladstonianer weisen darauf hin, daß, obwohl vor der zweiten Hälfte des laufenden n,, kein diesbezügliches Gesetz in. Kraft treten önnte, der gegenwärtige Ueberschuß vollständig zur Deckung der entstehenden Ausgaben ausreichen würde, selbst wenn die⸗ selben 2 000 000 Pfd. Sterl. pro Jahr betragen sollten.

Earl Kimberley wird nur zeitweilig die Leitung der liberalen Partei im Oberhause übernehmen. Die end- gültige Entscheidung, wer der Nachfolger Earl Granville's auf diesem Posten werden wird, soll bis nach den Parlaments⸗ wahlen verschoben werden. . ;

Mit der Zusammensetzung der Arbeits kom mission ist der Arbedterführer Tom Mann im Großen und Ganzen zufrieden. Er hat erklärt, daß dieselbe durchaus nicht die feindselige Kritik verdiene, welcher sie kürzlich auf einigen Versammlungen unterzogen worden ist. Wie Mann in der am Montag stattgefundenen Zusammenkunft der Exekutive des Londoner Dockarbeiter-⸗Gewerkvereins mittheilte, bringen die arbeitenden Klassen in Scholtland und Nordengland der Arbeltskommiffion volles Vertrauen entgegen, um so mehr, als die Arbeiter in ihr besser als in jeder früheren amtlichen Kommission vertreten seien. Die allgemeine Ueberzeugung der Arbeiter gehe dahin, daß die Kommission viel zur Aufdeckung und Abschaffung von Mißständen beitragen werde.

Lord Sakisbury hat gutem Vernehmen, nach den britischen Gesandten in Santiago ersucht, der chilenisch en Regierung mitzutheilen, daß England ihr nicht das Recht zugéstehe, Strafen über britrsche Schiffe, zu verhängen, welche zu den gewöhnlichen Handelszwecken die von den In⸗ furgenten besetzlen Häfen besucht hätten. Der Admiral des briti⸗ schen Geschwaders in den chilenischen Gewässern ist von dieser Ent⸗ scheidung in Kenntniß gesetzt worden und hat die erforder⸗ lichen Instruktionen zum Schutze britischer Interessen empfangen.

Ucber die zur Züchtigung der Manipuris ausgesandte

militärische Expedition wird dem „R. B.“ aus Calcutta

vom 15. April berichtet:

Eine vom heutigen Tage aus Kohima datirte Depesche meldet, daß am Freitag die gesammte dort versammelte Kolonne den Vor= marsch beginnen wird. Es heißt, daß die Manipuri Kartambi und Sengma befestigen. Diese Orte sind beide an der Straße zwischen Kohima und Planipur gelegen, welche die britischen Truppen zu pasfiren haben. Eige Belohnung von 4009 Rupien ist für die Ge⸗ fangennahme des Rajah und des Senaputti (Befehlshabers des Heeres) ausgeschrieben. Der Mabarajah von Kapurtala hat sich erboten, 1005 Mann zum Grenzdienst zu stellen. Im 3. Bengalischen Regiment ist die Eholera ausgebrochen. Das Regiment wird eine Zeit lang in Quarantäne bleiben, ehe es vorrückt. .

Inzwischen wird aus Rangoon gemeldet, daß die Teuppen des Kapitäns Presgrave bereits am 14. d. M. ein Gefecht mit 300 Manipuris bei Palel unweit Thobal gehabt haben. Der Feind wurde zurückgeworfen und durch berittene Infanterie verfolgt. Die Manipuris verloren fünfzig Todte, die Engländer hatten keine Verluste. Die Abpsicht der Manipuris, den Stamm der Chins zur Sperrung der Straße von Tamu nach Palel zu veranlassen, wurde durch das Gefecht vereitelt. —Das in Simla erscheinende amtliche Blatt veröffentlicht einen Nachruf für Quinton und seine Ge⸗ fährten und fügt . zur exemplarischen Züchtigung der Unthat der Manipuris seien Maßregeln getroffen.

Frankreich.

Paris, 17. April. Die Königin Vicioria stattete, wie aus Cannes gemeldet wird, gestern dem Großherzog von Mecklenburg⸗-Schwerin einen Besuch ab.

In der Festrigen Sitzung des Mini sterraths theilte, wie „W. T. B.“ meldet, der Handels-Minister Jules Roche das Resultat einer in den Departements angestellten Enquete über den Zolltarif mit und erklärte, die Mehrheit der Generalräthe habe sich in einem entschieden schutz⸗

zöllnerischen Sinne ausgesprochen. Wie es heißt,

sprach sich der Ministerrath für die Ernennung des bisherigen

Präfelten des Rhone⸗Departements Camhon zum General⸗

Gouverneur von Algier aus. Das bezügliche Dekret soll

am Sonnabend unterzeichnet werden.

Gegenwärtig sind in Frankreich einer der „Köln. Zig.“ ugegangenen Mittheilung . e 125 Kriegsschifse der ver⸗ r en Art im Bau gn oder nahezu fertig gestellt. Darunter befinden sich 6 Panzer⸗Schlachtschiffe, 4 gepanzerte Küsten⸗ereuzer, 2 Panzer-Kanonenboote, 5 Panzer⸗-Kreuzer, 3 Kreuzer erster und 4 zweiter Klasse, 2 Torpedo— Kreuzer, 2 Torpedo⸗ Axisos, 17 Hochsee⸗ Torpedo⸗ boote, 24 Torpedoboote erster und 56 zweiter Klasse. Von den auf den Werften liegenden Torpedobooten sind 17 Hochsee⸗Torpedoboote von 104 bis 150 t, ferner 24 Torpedoboote erster Klasse von 890 t und 29 Torpedo⸗ boote zweiter Klasse von 53 t. Außerdem sind 27 Torpedo— boote zweiter Klasse zu 35 m Länge in der Umänderung be— griffen.

Rußland und Polen.

Der Hofzug mit der Leiche der Großfürstin Ol ga Feodorowna ist, wie „W. T. B.“ meldet, gestern Nach⸗ mittag? Uhr in St. Peters burg eingetroffen. Der Kaiser war dem Zuge bis zur Station Fosna entgegengereist; am Bahnhof in St. Petersburg hatten sich die Kaiserin, die jämmtlichen dort anwesenden Großfürsten und anderen Mit⸗ glieder des Kaiserhauses, alle obersten Hof⸗ und Staalsbeamten, die Generalität und die Geistlichkeit zum Empfange aufgestellt. Der imposante Leichenzug, welchem der Kaiser zu Fuß, die Kgiserin zu Wagen folgte, fetzte sich alsbald nach der Peter-Pauls⸗ Kathedrale in Bewegung, woselbst die Leiche gegen 4 Uhr eintraf. Auf dem ganzen Wege hatten sich dichtgedrängte Menschenmassen aufgestellt, welche beim Passiren des Trauer— zuges ehrfurchtsvoll die Häupter entblößten.

Italien.

Der Senat berieth gestern die einjährige Verlängerung der Kuündigungsfrist des österreichisch-italienischen Handelsvertrages, für welche der Schatz-Minister Luzzatti lebhaft eintrat. Bei Erörterung der Ursachen der Erhöhung der Einfuhr nach Italien äußerte sich der Minister auch über das System der italienischen Stagtsschuld und wies auf das Entschiedenste die Pläne gewisser Baissefaktoren zurück, welche ihm die Absicht zuschrieben, eine Anleihe von einer halben Milliarde aufzunehmen. Unter lebhaftem Beifall des Hauses sprach sich der Minister nachdrücklich gegen die Thätig⸗ keit dieser Baissefaktoren aus. Heute sollte die Berathung fortgesetzt werden.

In der gestrigen Sitzung der Deputirtenkammer beantwortete der Minister⸗Präsident Marchese di Rudini die Anfragen der Deputirten Marinuzzi und Lucchini über die Vorgänge in New-Orleans. Der Minister-Präsident er⸗ klärte zunächst, vier der Gelynchten seien Italiener gewesen. Er habe von der Regierung der Vereinigten Staaten befriedi⸗ gende Versicherungen erhalten; dieselben seien auch von dem Gesandten der Vereinigten Staaten in Rom persönlich bestätigt worden. Rudini verlas ferner ein Telegramm des Präsidenten der Vereinigten Staaten Harrison an den Gouverneur von Louisiana, in welchem Letzterer auf— gefordert mird, die Schuldigen der Justiz zu überliefern. Neben der gerichtlichen Verfolgung der Schuldigen fuhr Rudini sort habe Italien auch eine Entschädigung für die Hinterbliebenen der Opfer verlangt. Da das Vorgehen der Vereinigten Staaten der ertheilten Zusage nicht entsprach, habe sich Italien gezwungen gesehen, die formelle Ver⸗ sicherung zu verlangen, daß die Schuldigen öffentlich an—⸗ geklagt werden sollten und daß die Entschädigung der Hinter⸗ bliebenen im Prinzip anerkannt werde. Die Regierung der Vereinigten Staaten habe jedoch erklärt, dem nicht entsprechen zu können, da die Verfassung ihr nicht gestatte, sich in die An⸗ gelegenheiten des Staates Louisiana . mischen. Die italienische Regierung habe der Regierung der Vereinigten Staaten geant⸗ wortet, sie könne nicht über die Verfassung der Vereinigten Staaten diskutiren, aber es sei ihre Pflicht, den Prinzipien des Völkerrechts Achtung zu verschaffen und Gerechtig— keit zu verlangen. Italien könne eine Ablehnung der Ver⸗ antwortung durch die Regierung der Vereinigten Staaten nicht zulassen. Da die Regierung hierauf keine genügende Antwort erhielt, habe sie den italienischen Gesandten in Washington erf as mit einem durch die Unwirksamkeit seiner diplo⸗ matischen Aktion motivirten Urlaub abzureisen und den Legations⸗ Sekretär Marchese Imperiali zur Erledigung der laufenden Geschäfte zurückzulassen. Imperiali habe den Auftrag gehabt, dem Staatssekretär Blaine zu erklären, daß der diplomatische Zwischenfall nur nach begonnenem Gerichtsverfahren gegen die Schuldigen als erledigt betrachtet werden könne. Dies alles gehe aus den im Besitz der Regierung befindlichen Do⸗ kumenten hervor. Außerdem sei noch eine Note Blaine's vorhanden, die aber noch nicht in Rom eingetroffen sei. Rudini drückte schließlich das Vertrauen auf eine günstige Lösung der Angelegenheit aus, welche zugleich dem Rechte Italiens entspreche, das auch dasjenige aller civilisirten Regierungen sei, die in diesem Falle sämmtlich mit Italien solidarisch seien. Wenn eine günstige Lösung nicht zu erhalten sein sollte, so würden sich deshalb keine Schwierigkeiten und Verwickelungen ergeben, doch müßte er (Rudini) dann die in der Civilisation so vorgeschrittenen Vereinigten Staaten tief beklagen, wenn sie den in Europa . proklamirten und sorgsam beachteten Prinzipien des Rechts und der Ge⸗ rechtigkeit gegenüber ein so abweichendes Verhalten zeigen sollten. (Lebhafte Zustimmung.) Die Fragesteller Marinuzzi und Lucchini sprachen hierauf ihre Billigung des Verhaltens der Regierung aus und erklärten sich durch die Antwort Rudini's befriedigt. ö

In der Deputirten kammer gelangte ferner gestern angekündigtermaßen das Grünbuch über die Mission An⸗ tonelli's und die afrikanischen Angelegenheiten zur Vertheilung. Dasselbe enthält unter Anderen eine An ahl Briefe des Königs Menelik an den König Humbert. Aus den Berichten Salimbeni's und Antonelli's geht hervor, daß Menelik die Uebersetzung des Artikels 17 des Vertrags von Usschali für unrichtig erklärt und Schwierigkeiten bezüglich der eststellung der italienischen Grenze am Mareb gemacht habe. König Pienelit und. Antonelli seien schließlich dahin übereingekommen, daß der Artikel 17 in den beiden Texten unverändert bleiben folle, und hätten ein in diesem Sinne in amharischer Sprache abgefaßtes Schriftstück unter⸗ zeichnet. Später habe Antonelli festgestellt, daß dem Ver⸗ trag; ein Wort hinzugefügt worden fei, durch welches, der Artikel 17 annullirt wird. Antonelli habe hierauf erklärt, das Schriftstück sei von Menelik geändert, und er sei des⸗ halb mit den übrigen italienischen Vertretern abgereist. Ein

Bericht Antonelli's vom 14. November 1890 spricht von den Umtrieben französischer Agenten, die bis in die nächste Umgebung des Negus ausgedehnt worden seien. Später wurde mitgetheilt, daß Makonnen Antonelli, als er diesen von Schoa nach Harrar am 25. Februar d. J. be⸗ gleitete, davon verständigt habe, daß Frankreich dem König Menelik 40 000 Gewehre angeboten habe. Menelik habe zu wiederholten Malen von der Nützlichkeit eines Einvernehmens zwischen England, Italien und Aethiopien gegenüber den Derwischen gesprochen. Das Grünbuch ue. mit Briefen des Königs Menelik an den König Humbert und den Minister⸗Präsidenten Marchese di Rudini, welche nach der Abreise Antonelli's geschrieben sind und den Wunsch aussprechen, daß die Angelegenheiten Aethiopiens in Europa unter Mitwirkung Italiens geregelt würden.

Portugal.

Die „Times“ erfährt, der neue englisch-portu— giesische Vertrag begünstige im Punkte der Gehietsaus— dehnung Portugal, zwar nicht so sehr wie die vorjährige Uebereinkunft, aber er gewähre Portugal ein unbestreitbares Recht auf das Gebiet, welches es Kraft des neuen Vertrages behalte und schütze es gegen alle Eingriffe. Die Grenze werde nach der Gebirgskette und den zwischen den Längengraden 32 / und 33 vorhandenen natürlichen Grenzen gezogen; die Flüsse Sabi und Limpopo würden von beiden Ländern der Schiffahrt er— öffnet. Eine Veränderung des Zolltarifs sei gleichfalls vor— geschlagen; ebenso werde eine Frist für den Bau der Pungwe— Eisenbahn festgesetzt.

Schweiz.

Der Nationalrath hat in seiner gestrigen Sitzung mit 98 gegen 33 Stimmen den neuen Artikel der Bundes— verfassung angenommen, welcher bestimmt, daß dem Bunde das Banknoten monopol zustehe. Der Bund wird das Recht zur Ausgabe von Banknoten einer Bank übertragen, über deren Organisation (ob Staatsbank oder Privatbank auf Aktien) das Gesetz das Nähere bestimmen wird. Eine Rechtsverbind— lichkeit zur Annahme von Banknoten kann jedoch nur in Nothlagen und bei Kriegszeiten ausgesprochen werden. Be— züglich der Museumsfrage hielt der Nationalrath auch in der

estrigen vierten Abstimmung daran fest, daß Bern Sitz des andes-Museums werde, erklärte jedoch diesen Beschluß nicht als einen definitiven, sodaß sich der Nationalrath in der nächsten Session nochmals mit der Angelegenheit zu befassen haben wird. Luxemburg.

Luxemburg, 15. April. Wie nach der „Lrb. Ztg.“ in parlamentarischen Kreisen verlautet, ist die Rückkehr des Großherzogs für die nächste Zeit noch nicht zu erwarten. Bei der Großherzoglichen Familie auf Schloß Königstein weilt augenblicklich die Erbgroßherzogin von Baden, welche erst gegen Ende April sich nach Berlin zu ihrem Gemahl begiebt; um diese Zeit sieht man auch der Herkunft des Landesfürsten entgegen.

Die Deputirtenkammer hat gestern nach längerer Unterbrechung ihre Arbeiten wieder aufgenommen. Die Re— gie rung hat eine Gesetz esvorlage eingebracht, laut welcher die durch das Großherzogliche Haus etwa im Groß— herzogthum zu machenden Erwerbungen denselben Grund— sätzen zu unterwerfen sind, wie das zur Zeit im Auslande be— stehende Privatvermögen, also gleich letzterem im Sterbefall nicht getheilt, sondern auf den ältesten Erben übergehen sollen. Der in der Kammer verlesene Ausschußbericht über die Er— weiterung und die Verlegung der Lehrerseminarien spricht sich gegen das vierte Schuijahr und für die Verlegung beider Anstalten nach Echternach aus.

Zu der eben erwähnten Gesetzvorlage wird der „Köln. Ztg.“ noch aus Luxemburg geschrieben:

Der Großherzog beabsichtigt, die im Luxemburgischen gelegenen Privat domänen des verstorbenen Königs von Holland anzukaufen, und es schweben gegenwärtig Unterhandlungen über den Kaufpreis. Bei dieser Gelegenheit hat sich ein Widerspruch zwischen den Familienderträgen des Hauses Nassau und den luxem burgischen Civilgesttzen herausgestellt. Die erstern, namentlich der nassauische rbverein vom 30. Juni 1783, verleihen dem Privatvermögen des Hauses Nassau den Charakter eines Majorats. Die hiesige Gesetzgebung aber verbietet ausdrücklich die Bildung von Majoraten. Um die Schwierigkeit zu beseitigen, hat die Regierung gestern der Kammer einen Gesetzentwurf vorgelegt, gemäß welchem das im luxemburgischen Lande befindliche Vermögen des Großherzoglichen Hauses den nafssauischen Familienverträgen unter stellt und somit die Errichtung eines Majorats gestattet wird. Artikel 3 der Vorlage befreit die Mitglieder des Großherzoglichen i von der Mobiliar« und Personalsteuer sowie von allen

efällen bei Schenkungen und Erbschaften. Sollten die Privat domänen des verstorbenen Königs vom Großherzog Adolf erworben werden, so ist auch dieser Cigenthumt übergang von den an die Staatskasse zu entrichtenden Gesällen befreit. Die Annahme der Vorlage ist zweifellos. Es liegt im Interesse des Landes, daß der Großherzog im Lande selbst begütert und der Privatbesitz der Krone vor aller Zersplitterung geschützt sei.

Serbien.

Belgrad, 16. April. Die der russischen Armee zum Zweck der weiteren Ausbildung zugetheilten 26 Offi⸗ iere werden laut Meldung des „W. T. B.“ am 18. d. unter Führung des ehemaligen Kriegs-Ministers Gruie nach St. Petersburg abreisen.

Das amtliche Blatt meldet die Errichtung eines serbi— schen Konsulats in 36 va und die Ernennung Jovan Vasiljevic's zum Konsul daselbst.

Die Abreise des Königs Milan dürfte voraussichilich morgen erfolgen.

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Parlamentarische Nachrichten.

n der heutigen (102.) Sitzung des Reichstages, welcher der Staats-Minister Freiherr von Berlepsch beiwohnte, wurde die zweite Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Abänderung der Gewerbeordnung, fortgesetzt, und war bei dem von den Abgg. Auer und Gen. vorgeschlagenen „1362 (Normalarbeitstag), dessen Begründung Abg. Grillenberger bereits gestern am Schlusse der Sitzung vor— irn, hat. . bg. Müllensiefen erklärte, für seine Person der Tendenz des Antrages zuzustimmen, soweit es sich um Betriebe , . welche der Gefundheit schädlich sind. Bei derartiger rbeit habe er in seinem eigenen Betriebe die zwölfstündige Arbeitszeit seit längerer Zeit schon in eine achtstündige ver— wandelt, ohne dabei den Lohn herabzusetzen. Die ö. Lohnausgabe habe sich durch bessere Leistungen und dergleichen

ausgeglichen. Bei Arbeiten in frischer Luft oder luftigen Räumen

oder bei nicht schwerer Arbeit sei ein solcher Maximalarbeits⸗ tag nicht nöthig. In diese Kategorie gehöre allerdings der Bergbau nicht, und deshalb habe er iich auch in seinen Wahl⸗ reden für die achtstündige Arbeitszeit in demselben aus⸗

gem, . Abg. Leuschner sprach sich gegen den Normalarbeitsta aus; seine Einführung sei unmöglich, man müßte denn 1 überall gleiche und ausreichende Arbeit besorgen können. Was den Bergbau speziell betreffe, so beständen in den verschiedenen Revieren verschiedene Schichten, und es lasse sich nicht gleichsam vom grünen Tisch für alle eine gleichmäßige Schicht fensetzen. Aus seiner genauen Kenntniß des westfälischen Bergbaues be⸗ zeichnete Redner die achtstündige Schicht ausschließlich der Ein- und Ausfahrt für vollkommen ausreichend genug. Eine weitere Herabsetzung der Schicht würde unzweifelhaft die Förderung herabmindern.

Abg. Dr. Schädler gab Namens des Centrums die Er⸗ klärung ab, daß dasselbe früher bereits wiederholt für den elf⸗ stündigen Normalarbeitstag im Allgemeinen und für den acht⸗ stündigen Arbeitstag im Bergbau eingetreten sei. Mit Rückficht auf die Ausführungen der Vertreter der ver⸗ bündeten Regierungen nehme es aber davon Abstand, einen solchen Antrag von Neuem einzubringen. Man hoffe, daß aus der elfstündigen Arbeitszeit für weibliche Arbeiter die all⸗ gemeine elfstündige Arbeitszeit sich allmählich herausbilden werde und daß der Bundesrath von der Bestimmung des §. 120e, nach welchem er ermächtigt ist, für Betriebe, in denen lang andauernde Arbeit gesundheitsgefährlich werden kann, eine Grenze für die Arbeitsdauer festzusetzen, umfäng⸗ lichen Gebrauch machen werde. Aus diesen Gründen werde das Centrum gegen den Antrag Auer stimmen.

Abg. Dr. Barth führte aus, daß die Freisinnigen, wie sie das protektionistische System zu Gunsten der Produzenten bekämpfen, es auch ablehnen, zu Gunsten der Lohnarbeiter und auf Kosten Anderer gesetzgeberisch einzugreifen. Die Gesetzgebung habe nicht das Verhältniß festzusetzen, nach welchem Arbeit und Kapital an den Produkten theilzunehmen haben. Zu einer immer kürzeren Arbeitszeit und zu einem möglichst hohen Lohne dafür zu kommen, sei ein erstrebenswerthes Ziel; man müsse aber seine Erreichung von der allgemeinen Kultur⸗ entwickelung erwarten.

Abg. Pr. Hartmann erklärte, daß die Konservativen Mann für Mann gegen den Antrag Auer stimmen werden. Wenn die Konservativen auch nicht prinzipielle Gegner des Normalarbeitstages seien, so hielten sie es doch nicht an der Zeit, daß jetzt die Regelung dieser Frage in die Hand genommen werde. Das Zweckmäßigste sei, die Ordnung der täglichen Arbeitsdauer für die einzelnen Gewerbe, nicht aber im Allgemeinen vorzunehmen.

Bei Schluß des Blattes sprach Staats⸗Minister Freiherr von Berlepsch.

Die Rechnungs-Kommission des Reichstages beantragt: Der Reichstag wolle beschließen: Der Rechnungs⸗ leger der Rechnungen der Kasse der Ober-Rechnungs⸗ kammer für die Etatsjahre 1887/88 und 1888/89 wird bezüglich desjenigen Theiles, welcher die Reichs verwaltung betrifft, entlastet.

Die Reichstags⸗Kommission zur Vorberathung des Telegraphen-Gesetzentwurfs beschäftigte sich Vonnerstag Abend mit dem §. 2. Derselbe lautet nach der Vorlage: ‚Die Aus übung des in § 1 bezeichneten Rechts kann für einzelne Strecken und Bezirke verliehen werden. Die Verleihung erfolgt durch den Reichs⸗ kanzler oder die von ihm hierzu ermächtigte Behörde. Die Be⸗ dingungen der Verleihung sind in der Verleibungsurkunde festzustellen.“ Graf Udo zu Stolberg Wernigerode stellte den Antrag, hinter dem Worte „Bezirke“ einzuschalten: und müssen Gemeinden für den. Verkehr innerhalb des Gemeindebezirks verliehen werden, wenn die nachsuchende Gemeinde die genügende Sicherheit für einen ordnungsmäßigen Betrieb bietet und das Reich eine solche Anlage weder errichtet hat noch sich zur Errichtung und zum Betriebe einer solchen bereit erklärt? Der Abg. Dr Bödiker brachte zu diesem Antrage den Zusatzantrag ein: ‚Das Reich ist berechtigt, die von den Gemeinden bergestellten Anlagen gegen Erstattung der Kosten jederzeit zu übernehmen und zu betreiben?“ S. 2 wurde mit diesen Anträgen nach längerer Debatte und nach Ablehnung anderer Anträge angenommen.

Die Gewerbesteuerkommission des Herrenhauses nahm heute den Gesetzentwurf in der Fassung des Hauses der Abge⸗— ordneten an.

Die Budgetkommission des Hauses der Abge⸗ ordneten hat sich gestern Abend mit der Sekundärbahbn⸗ vorlage beschäftigt und in 5 11. zur Herstellung von Eisenbahnen und der Vermehrung des Fuhrparks der Staatsbahnen und zur Be— schaffung von Betriebsmitteln 36 008 000 M bewilligt.

Das Ergebniß der am 15. April im 19. hannoverschen Reichstagswahlkreis vollzogenen Wahl liegt jetzt nach einer zr ann des „W. T. B.“ aus Geestemünde voll⸗ ständig vor. Es erhielten Fürst Bismarck 7557, Adloff 2619, von Plate 3343, Schmalfeld 3928 Stimmen. Sonach hat zwischen dem Fürsten Bismarck und dem sozialdemokratischen Kandidaten Schmalfeld Stichwahl stattzufinden.

Kunst und Wissenschaft.

. Lichthof des Kunstgewerbe⸗Museums hielt Dienstag Nachmittag der Direktor der Sammlung Professor Lessing vor einem geladenen Zuhörerkreis einen interessanten Vortrag über den zur Zeit im Kunstgewerbe⸗Museum aus⸗ gestellten Cronteppich der Greifswalder Universität. Die anspruchsvolle Dimensionen zeigende Gobelinwirkerei, welche der Universität von dem letzten Nachkommen des pommerschen Fürstenhauses im Jahre 1684 zum Andenken an seine Mutler nna, die Tochter Bogislaw's XIV., vermacht wurde, ist nach inschriftlichem Zeugniß 1554 in Stettin offenbar von vlämi⸗ schen Teppichwebern angefertigt worden. Der Teppich stellt die verschwägerten Fürstenhäuser Sachsens und Pommerns als Zuhbrer . in einer Schloßkapelle dar, und in dieser seiner historischen Bedeutung als Denkmal der Ausbreitung des Protestantismus im Norden unseres Vaterlandes dürfen wir wohl seinen Hauptwerth erkennen. Zugleich stellt er eine fast vollständige Bildnißgalerie des sächsischen und pommerschen Fürstenhauses dar, welche offenbar auf Cartons eines Meisters der Cranach⸗Schule . ühren ist. Leider sind die Be⸗ schädigungen, welche das Webewerk im Laufe der ö. erlitten, hat, ziemlich erheblich; zur Wiederherstellung dieser Schäden ist der Teppich nach Berlin geschafft worden, nachdem auf Veranlassung des Kultus-Ministeriums Professor Lessing sein Gutachten über den Zustand und Werth des merkwürdigen Kunstwerks abgegeben hat. Nach seiner Wiederherstellung und

photographischer Aufnahme soll der Croyteppich wieder in die