1891 / 92 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 18 Apr 1891 18:00:01 GMT) scan diff

abgeholfen werden. Mit Gottes Hülfe werden sich in wenigen Jahren rechts und links von ihr die beiden schönen Gedächtnißkirchen erheben. Der Name des alten Gotteshaufes ruft es uns zu: Eins ist noth und treibt uns in Luther's Gebet: Erbalt' uns, Gott, bei Deinem Wort. Die neuen Kirchen aber sollen zugleich durch ihren Namen an die beiden Männer erinnern, die wir mit Stolz die Größten und Besten unseres Volks nennen, in denen seine Eigenart am Völligsten verkörpert, in denen der deutsche und der evangelische Geist in Eins zusammen · gewachsen sind, von denen Ströme von Heil und Segen sich über unser Volk und die ganze Menschbeit ergießen. Die Steine jener Kirche dort im Westen werden (6 bezeugen: Fromm und wahrhaftig sein behütet den König. Dieses Gotteshaus aber soll an der Stirne tragen Tas „Sola fides', das unserm Martin Luther und ebenso iedem rechten evangelischen Christen in das innerste Herz geĩichrieben steht. Wir nennen diese Kirche Luther⸗Kirche: sicher nicht, um irgend Heiligendienst oder gar Menschenvergötterung zu treiben. Das würde“ den Gebeinen des Reformators im Grabe die Ruhe stören. Wir thun es,; um dankbar den Mann zu ehren, der es zu seinen lieben Deutschen sagen konnte: Ihr habt euere Propheten gehört“, der aber auch wie kein Zweiter von sich ab und auf seinen Herrn bingewiesen hat: Nicht uns, Herr, nicht uns, sondern Deinem Namen gieb die Ehre. Und so ist es in dieser Stunde unser Uller Wunsch und Gebet, daß in den Mauern, die sich hier erheben follen, stets nur Eins geschehe, daß da gepriesen werde des großen Gottes großes Thun, der Herr, der eine ewige Erlösung erfunden hat, das Lamm Gottes, das der Welt Sünde trägt, daß hier die Seelen immer neu in dieses Bekenntniß der Liebe und Dansbarkeit getrieben werden des Herzens Lust steht zu Deinem Namen und Deinem Gedächtniß.“ Amen.

Nachdem der Geistliche seine Ansprache geendet und der Chor den 1009. Psalm gesungen hatte, verlas Archidiakonus Kramm die Urkunde, die, wie folgt, lautet:

Im Namen Gottes, des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geist⸗s. Amen. Zur Ehre Gottes, zur Förderung des christlichken Glaubens in unserer Stadt, zum ehrenden Angedenken an den Re— formator der Kirche Dr. Martin Luther wird dieses Gottes baus er⸗ richtet, zu dem wir heute den Grundstein legen. Einem Theil der gegenwärtigen Zwölfapostel Gemeinde als Pfarrkirche zu dienen, sist seine Bestimmung. Diese Gemeinde wurde im Jahre 1862 gegründet und ist bis beute in unserem Theil der Stadt, südlich vom Schiffahrtskanal und westlich von den Geleisen der Potsdamer Eisen⸗ bahn die einzige geblieben Rasch wachsend zählte sie bereits 1880 460 000 Seelen und ist beute auf über 72 000 angewachsen, sodaß die Zwölfapostel⸗Kirche, im Jahre 1874 mit 8900 Sitzplätzen dem Gebrauch Äbergeben, von Anfang an für den Bestand der Gemeinde zu klein war.“ Der Gedanke, solchem Nothstand durch den Bau einer Kirche auf dem Bennewitz / Platz abzuhelfen, ist zuerst vom Kirchenbauverein im Jahre 1880 angeregt worden. Seither aber und namentlich seit 1383, als dem Gedächtniß von Luther's Geburt, haben die Gemeinde—⸗ kollegien von Zwölfapostel den Bau einer Luther -⸗Kirche auf diesem Platz erstrebt und endlich erreicht, daß derselbe in diesem Jahre 1891 hat begonnen werden können. Durch die Beschlüsse der Stadt: verordneten Versammlung vom 8. Dezember 1887 und 10. April 1890 ist Seitens der Stadt Berlin der erforderliche Bau grund unentgeltlich hergegeben worden. Den Grundstock der Baufumme bilden die Sammlungen, welche, theils von den Gemeindekörperschaften innerhalb der Gemeinde, theils vom Kirchenbauperein und von Major Westphal, in weiteren Kreisen für diesen Zweck veranstaltet wurden. Ihr Ertrag ist im Ganzen 84 000 S6 Dazu kommen die Bewilligungen aus dem Allerhöchsten Dispositionsfonds (200 00) „S), wie auch Seitens der vereinigten Kreissynoden von Berlin (5 000 „M) und die Geschenke, des Kirch⸗ bauvereins (30 000 46), der St. Matthäus Gemeinde (75 900 A) und der Gemeinde Friedrichs⸗Werder (10 000 ½Æ). Dies ergiebt zu⸗ sammen 74 000 ƽ Für diese Summe soll die Kirche mit 1588 Sitzplätzen errichtet werden. Durch Königliche Kabinets-Ordre vom 10. Juli 1890 ist angeordnet, daß die neue Kirche den Namen Luther⸗ Kirchegtragen soll. Als Baumeister ist Johannes Otzen erwählt, ein auf diesem Gebiete bewährter Meister. Am 12. März 1891 wurde der erste Spatenstich zum Bau gethan, am 17. März der erste Stein in die Fundamente gelegt. Und heute, am 18. April 1891, ist im Beisein Ihrer Majestäten des Kaisers und Königs Wilhelm II. und Seiner Erlauchten Gemahlin Auguste Victoria der Grundstein gelegt. Wir aber befehlen diesen Bau dem gnädigen Schutz un—

eres Gottegß. Möge diese Kirche dauern in die Jahrhunderte hinein, eine Stätte deß Segens für viele Geschlechter, ein Ort, da allezeit Jesus Christus gepredigt wird als der Eine rechte Grund und Cckstein, eine Luther⸗Kirche, dieses Namens werth durch das Evangelium, das in ihr verkündigt wird, die frohe Botschaft vom Heil aus Gnade allein. Berlin, den 18. April 1891.

Unterzeichnet ist die auf, festem Pergament geschriebene Urkunde von den vier Geistlichen und den zwölf Laien-Mit⸗ gliedern des Gemeinde⸗-Kirchenraths. Das Original der Ukunde war bereits vorher in den mit Glas ausgelegten Kupferkasten gelegt worden. Der Kasten wurde nunmehr in den Grund⸗ stein gesenkt. Maurermeister Held trat mit dem Mörtel, Baumeister Scherler mit dem silbernen Hammer an den Stein heran; nach der Einfügung des Schlußsteines erfolgte die feierliche Abgabe der Hammerschläge durch die Allerhöchsten Herrschaften und die Spitzen der Behörden. Währenddessen sang der Kirchenchor Bach's Motette „Jesu meine Freude“. Dann hielt General-Superintendent Brückner das Schlußgebet. Mit dem Vaterunser und dem Segen des Geistlichen und mit dem Gesang „Lob, Ehr und Preis sei Gott“ schloß die Feier.

Der Vertrag zwischen dem Deutschen Reich und dem Congo⸗Staat über die Auslieferung der Verbrecher und die Gewährung sonstiger Rechtshülfe in Strafsachen zwischen den deutschen Schutzgebieten in Afrika und dem Ge— biet des Congo-Staats, vom 25. Juli 1890, wird, nachdem er ratifizirt worden, heute im Reichs⸗-Gesetzblatt veröffentlicht. Der Austausch der Ratifikations⸗Urkunden hat am 21. März 1891 zu Brüssel stattgefunden.

Wilhelmshaven, 17. April. Die neue Kreuzer⸗ Korvette Prinzeß Wilhelm“ wurde nach der „Köln. Ztg.“ gestern hier mit Flaggenparade in Dienst gestellt.

Württemberg.

Stuttgart, 17. April. Heute, als am Tage der Bei⸗ setzung Ihrer Kaiserlichen Hoheit der Großfürstin Olga Feodsrowna von Rußland fand, wie auch am Todestage, in der russischen Kapelle des Königlichen Residenzschlosses ein Trauergottesdienst statt, an welchem, wie der „St. Ji. . W.“ meldet, Ihre Majestät die Königin mit Ihrer Kaiserlichen Hoheit der Herzogin Wera, die Mitglieder der Kaiserlich russischen Gesandtschaft dahier und die Angehörigen der Hof⸗ staaten Ihrer Majestät und Ihrer Kaiserlichen Hoheit theil⸗

nahmen. Hessen.

Darmstadt, 17. April. Seine Königliche Hoheit der Großherzog traf, wie die „Darmst. Ztg.“ berichtet, gestern in Gießen mit Seiner Königlichen Hoheit dem Prinzen Heinrich von Preußen zusammen, worauf beide , die Fahrt nach Romrod zur Auerhahnbalz fortsetzten.

Braunschweig.

Braunschweig, 17. April. Die Zeitungsmeldung, daß die Burg Dankwarderode in Braunschweig unter In⸗ anspruchnahme des Welfenfonds neu erbaut worden sei, bezeichnet das „Braunschweiger Tageblatt“ auf Grund genauer Kenntniß der Sachlage als völlig erfunden. Jener Bau sei lediglich aus Mitteln der Hofstaatskasse be⸗ stritten worden.

Lippe.

(WV) Detmold, 17. April. Zur Feier des Geburtstages Seiner Durchlaucht des Fürsten finden morgen überall in den Städten und Ortschaften Festlichkeiten statt. Bei Hofe findet nur kleines Familiendiner statt, an welchem außer dem regierenden Paare und der Fürstin⸗Wittwe Elisabeth nur der leitende Minister und die Hofkavaliere theilnehmen. Ende des Monats wird sich der Fürst zu Jagden nach Steiermark und die Fürstin für diese Zeit nach Karlsruhe begeben.

Elsaßz⸗Lothringen.

Straßburg, 17. April. Der Landesausschuß nahm gestern den Antrag des Abg. Back, betreffend die Vertiefung der Kanäle und darauf das Fischereigesetz in zweiter Lesung an.

Oesterreich⸗Ungarn.

Wien, 18. April. Ueber den gegenwärtigen Stand der von Oesterreich⸗ Ungarn in Aussicht genommenen Handels— verträge schreibt das „Fremdenblatt“:

Die Redaktion des Vertragsinstruments mit dem Deutschen Reich nimmt ihren Fortgang. In spätestens einer Woche dürfte dieselbe vollendet fein und der Handelspertrag unterzeichnet werden. Wie schon berichtet, wird beabsichtigt, in der Herbstsession des Abgeordneten hauses zugleich mit dem deutschen Handelsvertrage auch die mit anderen Staaten abzuschließenden Verträge der legislatorischen Behandlung zu unterbreiten, zu denen wohl auch solche mit Serbien und Italien ge hören dürften. Wie wir nämlich bören, sind bereits Unterhandlungen im Zuge, welche die Aussicht eröffnen, daß nach den Unterhandlungen mit der Schweiz die mit Serbien beginnen können. Die Ver—⸗ tragszerhandlungen mit Italien werden wohl erst im Monat Juli oder August stattfinden können, nackdem, heutigen Berichten zufolge, eine vom römischen Parlament mit dem Studium der handelspolitischen Verhältnisse betraute Kommission den Auftrag erkalten hat, ihren Bericht dem Parlament bis Ende Juni vorzutragen und erst die Ergebnisse der damit zusammenhän— genden parlamentarischen Beschlußfassung die italienische Re⸗ gierung veranlassen können, ihre handelspolttische Aktion einzuleiten Alle diese Vertragsverhandlungen werden in Wien gemeigsam mit den Vertretern Deutschlands und Oesterreich⸗Ungarn; stattfinden und gleichzeitig zur parlamentarischen Behandlung vorgelegt werden. Bei dem Umstande, daß Frankreich die seinerseits geschlossenen Han—= delsverträge auf Ende Februar 1832 gekündigt bat, diese also an diesem Tage ablaufen, sst es selbstverständlich, daß die im Zuge be— findlichen Vertragsverhandlungen und Abschlüsse bis zu jenem Tage beendet sein und mit dem 1. März 1892 Gesetzeskraft erlangen und in Kraft gesetzt sein müssen. .

Dem AÄAbgeordnetenhause ist nach Meldung des

„W. T. B.“ von den deutschen Landtag s-Abgeordneten ber böhmischen Landgemeinden eine Petition zuge— gangen, worin dieselben um Wahrung der Interessen der österreichischen Landwirthe bei Abschluß des deutsch— österreichischen Handels vertrags ersuchen. Der Abg. Thurnher und Genossen interpellirten den Handels⸗Minister be— treffs des von der Schweiz erlassenen Verbots der Einfuhr von Nutzvieh aus Oesterreich. Der „Neuen Freien Presse“ zufolge wird der Handels⸗ Minister Baroß dem ung arischen Unterhause demnãchst den mit der Schiffahrtsgesellschaft „Adria; ab— geschlossenen Vertrag unterbreiten, welcher die „Adria“ verpflichtet, die von dem österreichischen Lloyd befahrenen Routen nicht aufzusuchen. Die „Adria“ wird vor⸗ wiegend Fahrten nach dem Westen unternehmen, von der Levante ausgeschlossen sein, jedoch mit, dem Schwarzen Meer von Sulina aus einen ständigen Verkehr unterhalten, darf aber auch hier den Lloyd⸗ fahrten keine Konkurrenz bereiten. Die „Adria“ wird ihre Fahrten von Fiume aus nach Glasgow, Leeds, London, Liverpool und Hull, nach Frankreich, Spanien, Holland, Deutschland, Brasilien, den La Plata-Staaten, Sizilien und Tunis unternehmen. Von deutschen Häfen wird Hamburg angelaufen. Die Gesellschaft erhält eine jährliche Subvention von 0 660 Fl. Das Kapital derselben wird auf /a Mil— lionen, wovon 3 Millionen Prioritäten, erhöht. Die Verhand⸗ lungen über die Finanzirung sind bereits im Gange.

Großzbritannien und Irland.

Im Unterhause wurde gestern nach zweitägiger Debatte ein von der Regierung bekämpfter Antrag John Morleys zum ersten Paragraphen der irischen Bod enankaufs⸗ Bill verworfen. Danach sollten keine Vorschüsse zu An— käufen von Pachtgütern ohne vorherige Zustimmung der Grafschaftsräthe bewilligt werden. Letztere sollen durch ein besonderes Gesetz in einer der nächsten Sessionen einge⸗ ührt werden. ö ahr, von der Polizei wegen Sittlichkeits vergehens ver⸗ folgte Deputirte Kapitän Verney ist, dem W. T. B. zu⸗ folge, heute früh in London eingetroffen und bei der Ankunft sofort verhaftet worden. . .

Der Arbeiter⸗Abgeordnete Fenw ick überreichte vorgestern dem Minister Smith im Namen des Gewerks⸗Kongresses einen Protest gegen die Zusammensetzung der Arbeits⸗ kommission, weil das Kapital in der Kommission bedeutend mehr Vertreter habe als die Arbeit. 9.

Der canadische Ober⸗Kommissar Sir Charles Tupper

kam am 15. d, von New⸗Hork in Liverpool an und begab

ich sofort nach London.

n gi . in Eanada meldet „R. B.“, daß der Text der letzten Depesche des britischen Gesandten in Washington Sir Julian Pauncefote an die canadische Regierung bezüglich der

canadischen Handels beziehungen zu den Vereinigten Staaten am 9 hn veröffentlicht worden ist. Er bestãtigt die frühere Mittheilung, daß es der amerikanischen Regierung genehm sein würde, wenn die Konferenz zwischen den canadischen und amerikanischen Delegirten wegen Abschluß eines Gegenseitig⸗ keitsvertrages am 12. Oktober ihren Anfang nähme.

Frankreich. Paris, 18. April. Die Königin Victoria wohnte,

wie „W. T. B.“ berichtet, gestern auf einer 8 km von Grafse belegenen Hochebene dem Manöver eines Ba⸗

taillons der ,, bei, welches mit Maulthieren und dem gesammten Gepäck ausgerückt war. Die Königin

folgte den Uebungen des Bataillons mit großem Interesse und gab schließlich ihrer Befriedigung Ausdruck.

Der russische Kreuzer „Admiral Kornilow. ist in Ajaccio eingetroffen. Die Offiziere desselben wurden bei ihrer Landung von der Bevölkerung sympathisch beg,

Zu der augenblicklich in Frankreich gegen den neuen Zolltarif gerichteten Bewegung wird der „Nat. Ztg.“ unter dem 15. d. M. aus Paris geschrieben:

Die Agitation gegen die schutzzöllnerischen Projekte der Kammer majorität nimmt ersichtlich zu. Aus zahlreichen Städten wird die Bildung von Asseziationen gemeldet, die es sich zur Aufgabe geftellt haben, mit allen Mitteln den Kampf gegen die schutz öllnerische Politik aufzunehmen, welche die Majorität der Deputirten unter der Führung des ehemaligen Handels -Ministers Mẽline der framöstschen Nation aufdrängen will. Injwischen werden die Besorgnisse noch gesteigert durch die Nachrichten äber den bevorstehenden Abschluß des HPandelsvertrages zwischen Deutschland und Oesterreich und über die beabsichtigten oder gar bereits eingelei⸗ teten Unterhandlungen dieser beiden Mächte mit gewissen anderen europäischen Staaten, durch deren Erfolg Frankreich in die Gefahr einer handelspolitischen Isolirung gerathen könnte. Der „Temps“ fordert heute die Regierung auf, unbekümmert um die in der Kammer herrschende Strömung, schleunigst zu handeln und so lange es noch Zeit ist, den gegen Frankreich gerichteten. handels politis chen Bestrebungen der deutschen und österreichisch- unggri= schen Diplomatie zuvorzukommen Angesichts der ökonomischen Be⸗= wegung, so schließt der Temps“, welche sich augenblicklich außerhalb unserer Grenze vollzieht, dürfen die Hände unserer Diplomatie nicht gebunden sein. Wir können nicht zugeben, daß dieser neue eiserne Kreis sich um uns schließt. Die Regierung besitzt verfassungsmäßige Prärogative bezüglich des Abschlusses von Handelsverträgen, weiche sie nicht außer Acht lassen darf. Sie besitzt in dieser Dinficht eine Freiheit der Aktion, welche ihr zu dem Zweck reservirt ist, damit sie stets höheren Nothwendigkeiten Rechnung tragen und unvorher⸗ gesehenen Ereignissen begegnen kann. Sie muß natürlich die Stimmung der Kammer beräcksichtigen, der stets das letzte Wort gehört. Aber wenn sie die Kammer einem nationalen Interesse und einer unbestreitbaren patriotischen Pflicht gegenüberstellt. wie sie es mit eben so viel Entschlossenheit als Erfolg in der Frage des tune⸗ sischen Tarifez gethan hat, so ist sie sicher, alles Mißtrauen und alle Vorurtheile zu besiegen. Frankreich darf sich nicht den Anschein geben, l zu ignoriren, bei denen seine Zukunft auf dem Spiel eht.

Ruszland und Polen.

Gestern Vormittag fand in der Peter-Pauls⸗Kathedrale zu St. Petersburg die feierliche Einsegnung der Leiche der Großfürstin Olga Feodorowna und die Beisetzung statt. Der Feierlichkeit, welche ungefähr drei Stunden dauerte, wohnten der Kaiser und die Kaiserin sowie die in St. Petersburg anwesenden Mitglieder des Kaiserhauses, ferner Prinz Albert von Sachsen-Ältenburg, Prinz Wilhelm von Baden, hohe militärische und Staatswürdenträger bei. Nach Beendigung der Trauerfeier reisten der Kaiser und die Kaiserin nach Gatschina ab. .

Zur Hebung des russischen Schiffsbauwesens hat, wie der Grafhd.“ berichtet, das Marine⸗Ministerium beschlossen, bei neuen Schiffsbauten alle mechanischen Apparate für die Fahr zeuge und den Rumpf derselben ausschließlich in Rußland zu bestellen, wobei der kontrahirenden Fabrik das Recht der Cession der Lieferung nicht zusteht.

Italien.

Der Senat setzte gestern die Berathung über die Ver⸗ längerung der Küͤndigungsfrist für den Handel vertrag mit Oesterreich⸗ Ungarn fort. Nachdem Senator Rossi die vorgestrigen Ausführungen des Schatz-Ministers (vgl, Nr. 91 d. Bl.) bekämpft hakte, erklärte Minister Luzzatti unter dem Beifall des Hauses, daß Italien sich an einem Zollkriege der Mächte untereinander nicht betheiligen werde. Eine Zollliga zwischen Oesterreich und Deutsch⸗ land scheine ihm schwer herzustellen. Europa wende sich mehr und mehr der Politik der Handelsverträge mit Konventionaltarifen zu. Italien wolle mit allen Staaten in wi thschaftlichem Frieden leben und billige Verträge ab⸗ schließen. Er hoffe, Frankreich werde ebenfalls seine Inter⸗ effen erkennen und sich der Politik der Handels verträge an⸗ schließen. Der Senat habe durch seine Abstimmung zu erklären, ob die Regierung, indem sie sich auf die Vertrags-Politik stütze, den Willen des Landes richtig auslege. (Allgemeine Zustimmung.) Hierauf wurde die Berathung geschlossen und die Verlängerung der Kündigungsfrist mit 99 gegen 9 Stimmen angenommen. .

Ihre Königlichen Hoheiten der Prinz und die Prinzessin Friedrich Leopohd von Preußen sind gestern von Palermo in Neapel eingetroffen.

Portugal.

Die vor einigen Tagen gemeldete Umgestaltung des MinssteriLums beschränkt sich einer neueren Nachricht des „W. T. B.“ zufolge auf die Demission des Ministers der öffentlichen Arbeiten; alle übrigen Minister behalten ihre Portefeuilles.

Schweiz.

Die Bundes versammlung hat gestern das internatio⸗ nale Uebereinkommen über den Eisenbahnfrachtverkehr einstimmig ratifizirt.

Niederlande.

Die Zweite Kammer hat, wie der „Köln. Ztg.“ be⸗ richtet wird, in ihrer Sitzung vom 14. d. M. den Beschluß gefaßt, am 21. April mit der Berathung des Militär⸗ dienstges . zu beginnen. Der Kammer liegt ferner ein Gesetzeniwurf vor, der den schon eine Reihe von Tah über die Konzession der Billiton-Gesellschaft schwebenden Streit beendigen soll. Die Konzession der Gesellschaft soll bis I927 verlängert werden; sie hat dem Staat Hi / J Proz, von dem Bruttoergebniß der Hinngewinnung auf der Insel Billiton und überdies die Hälfte des die Summe von 350 000 Gulden per Jahr übersteigenden Gewinnes zu ent⸗ richten.

Luxemburg.

Luxemburg, 11. April. In der gestrigen Sitzung der Deputirtenkammer theilte der . Brasseur mit, daß sich sämmtliche Abtheilungen für die Annahme des Gesetzent wur fs, betreffend die Bildung eines Majorats aus den luxemburgischen Privatdomänen des verstorbenen Königs von Holland, ausgesprochen hätten. Die Be— rathung der Vorlage wurde auf nächsten Dienstag festgesetzt.

Zu Anfang der vorgestrigen Sitzung der Kammer inter⸗ pellirte der Echternacher Abgeordnete Brincour die Negierung über die Art und Weise, wie die El saß⸗-Lothringer Eisenbahnkommission ihre Berechnung der Betriebskosten

dem Lande gegenüber aufstelle. Gemäß dem 1872er Berliner

Vertrage sei die Betriebsgesellschaft allerdings ermächtigt, eine bestimmte Summe jährlich für Verschleiß und Neuanschaffung von Lokomotiven und Wagen in Rechnung zu bringen; dies selbstverständlich für den Fall, wo die Anschaffungen auch thatsächlich geschehen seien. Während aber, den offiziellen An⸗ gaben der Bahnverwaltung gemäß, im Jahre 1887/88 bloß 66 000 S auf Material im Lande verwandt worden, stelle man Letzterem 520 000 M auf Rechnung. Wenn der gleiche . meinte der Redner sich während der ver⸗ ossenen achtzehn Jahre regelmäßig erneuert haben sollte, kämen dem Lande etwa 10 Millionen Mark zu Gute; sodaß die durch den Betrieb Anfangs verursachten Mehrkosten beinahe gedeckt wären und das Land nahe vor dem Augen⸗ blicke stände, wo die Rückzahlung der der Wilhelmsbahn be⸗— willigten Subsidie von acht Millionen zu beginnen hätte. General⸗Direktor Thorn antwortete der „Luxb. Ztg.“ zu⸗ folge; die Voruntersuchung der betreffenden Fragen sei ziemlich weit fortgeschritten und werde der Verwaltung wohl bald erlauben, in der Sache sich auszusprechen; er hoffe eine . Landesinteresse befriedigende Lösung in Aussicht stellen zu önnen.

Rumänien.

Bukarest, 17. April. Das Exekutivcomits der Regierungspartei veröffentlicht laut Meldung des „W. T. B.“ eine Wahlkundgebung, in der es heißt, die vornehmste Aufgabe Rumäniens sei es, ein Element der Ruhe und des Friedens zu bilden. Weil der Friede un⸗ erläßlich für die Festigung des rumänischen Staats und weil die gemeinsame Gesinnung der Großmächte eine fried⸗ liche sei, müsse Rumänien den Frieden benutzen zur Befestigung und Fortentwickelung der moralischen und mate⸗ riellen Kräfte des Landes. In wirthschaftlicher Beziehung werde die Partei darnach trachten, der Landwirthschaft die weitesten Absatzgebiete zu verschaffen, ferner werde sie die Gleichstellung der rumänischen Armee mit denen des übrigen Europas und die Beendigung der Vertheidigungsarbeiten des Landes anstreben.

Serbien.

Belgrad, 17. April. Heute Abend fand, wie tele— graphisch gemeldet wird, ein Diner bei Hofe statt, zu welchem die Mitglieder der Regentschaft, die Minister und die Generalität Einladungen erhalten hatten. König Milan reist heute Nacht von hier ab. Wie von kompetenter Seite verlautet, beabsichtigt die Regierung vor der Hand keinerlei offizellen Schritte Behufs Abreise der Königin Natalie von hier zu unternehmen. Die Hoffnung auf eine gütliche Beilegung der vorhandenen Schwierigkeiten ist noch nicht aufgegeben. .

Der Finanz-Minister Vuitsch tritt dem Vernehmen nach in nächster Zeit eine Reise nach Wien, Berlin und St. Petersburg an.

Schweden und Norwegen.

(FE) Stockholm, 15. April. Der Reichstag ver⸗ handelte heute über mehrere Anträge, betreffend die Ver⸗ änderung des Wahlreglements für den Reichstag. Ein von dem Abg. von Burn gestellter Antrag, daß die Wahlen zur zweiten Kammer künftig nur indirekt durch Wahlmänner erfolgen sollten, wurde von beiden Kammern abgelehnt. Ein Antrag des Abg. Ersson, daß bei den Wahlen zur zweiten Kammer nur das direkte Wahlsystem zur Anwendung komme jetzt kann jeder Wahlbezirk nach Belieben das direkte oder indirekte Wahlsystem in Anwendung bringen), wurde, dem Vorschlag des Konstitutions⸗Ausschusses entsprechend, nach kurzer Debatte verworfen, dagegen von der zweiten Kammer ange— nommen. Ein Antrag des Abg. Adelsköld, durch welchen bestimmt werden sollte, daß eine Wahl zur zweiten Kammer nur gültig sei, wenn ein gewisser Theil der Wahl⸗ berechtigten an der Wahl a nnn, und der Gewählte wenigstens die Hälfte der abgegebenen Stimmen erhalten habe, wurde von beiden Kammern abgelehnt. Der Antrag des Abg. Beckman wegen Revision des Wahlgesetzes für die zweite Kammer war vom Konstitutions⸗Ausschuß abgelehnt worden; eine Minderheit des Ausschusses beantragte jedoch, den König in einem Schreiben zu ersuchen, eine Revision der Bestimmungen des Wahlgesetzes vornehmen zu lassen und dem Reichstage Vorschlage zur Aenderung dieses Gesetzes vorzulegen. Die erste Kammer folgte dem An⸗ trage des Konstitutions-Ausschusses, dagegen nahm die zweite Kammer nach längerer lebhafter Debatte den Antrag der Minderheit des Ausschusses mit 144 gegen 67 Stimmen an. Einige andere unwesentliche Anträge wurden meistens nach dem Vorschlage des Konstitutions-Ausschusses von beiden Kammern abgelehnt. Alsdann wurde ein An— trag des Staatsausschusses, der Hernösand⸗Solleftea⸗ Ei senbahn⸗ k t ein Staats⸗Dar⸗ lehen von 2359 006 Kronen zu bewilligen und dem König zu Darlehen an private Eisenbahnen 5000000 Kronen, vertheilt auf fünf Jahre, zur Verfügung zu stellen, von beiden Kammern angenommen. Eine sehr leb— hafte Verhandlung erregte in der ersten Kammer der Antrag, betreffend die Einführung der Freilager und die Errichtung eines schwedischen Freihafens am Sun de. Mit .. Stimmen beschloß schließlich die Kammer, in dieser Angelegenheit keine Schritte bei der Regierung zu thun, wie der Antrag ver⸗ langte. Der letzte Gegenstand der Tagesordnung in der , Kammer war der Antrag des Abg. Andersson-Högkil, etreffend die Einführung der namentlichen Abstimmung in beiden Kammern. Die erste Kammer hat diesen Antrag schon früher abgelehnt, von der zweiten Kammer wurde er aber nach längerer Verhandlung mit 116 gegen 94 Stimmen angenommen.

Amerika.

Vereinigte Staaten. Der Präsident Harrison hat sich, dem „W. T. B.“ zufolge, bereit erklärt, während seines in nächster Woche statifindenden Besuchs in El Paso (Texas) mit dem Präsidenten von Mexiko, Diaz, zusammenzutreffen.

Ueber die strenge Ausführung der Einwanderungs⸗ gesetze wird dem „R. B.“ aus Ne w⸗-Hork berichtet:

Es vergeht fast kein Tag, an welchem nicht großen Schaaren von Einwanderern unter dem Vorwand, daß sie unsauber, krank oder Ver⸗ brecher seien, die Landung verweigert wird und sie wieder nach Europa zurückgesandt werden. Das 6 der Dampfergesellscha ten, eine Centralstelle zu errichten und in dieser für die zurückgewiesenen Ein wanderer bis zu deren Rückreise zu sorgen, wurde direkt verweigert. Die Einwanderer müssen vielmehr sofort an Bord gesandt werden und die Gesellschaften die Haff für sie übernehmen. Die Schiffe sollen. selbst wenn nach einem anderen Hafen bestimmt, sie dorthin zurückbringen, woher sie gekommen sind. Viele der Einwanderer sind

Italiener. Die Durchführung des neuen Einwanderungsgesetzes zwang die Dampfergesellschaften, Gegenmaßregeln zu ergreifen. So wurden bo0 europäische Cinwanderer, welche mit dem Dampfer Oregon“ ge⸗ kommen waren, in Halifax gelandet und von dort per Bahn nach den Vereinigten Staaten gesandt, wodurch sie der vorschriftsmäßigen Prüfung ihrer versönlichen Verbältnisse entgingen.“

Der „World“ zufolge sind ernste Unruhen zwischen Weißen und Negern in der Stadt Charlotte im Staat Nord⸗Virginien ausgebrochen. Das Blatt berichtet:

Die dort ansässigen Weißen batten versucht, einen Neger, welcher einen Italiener Namens Mecca getödtet hatte, zu lynchen, ohne jedoch ihr Vorhaben ausführen zu können. Schaaren weißer Bürger kamen ihnen darauf aus den benachbarten Städten zu Hülfe, und es wurde nötbig, das Gefängniß durch ein außerordentlich starkes Polizei⸗ aufgebot zu bewachen. Zu Beginn der Unruhen hatten sich die Neger in einer Kirche versammelt und von dort auf die zu ihrem Schutz berbeigesandte Miliz gefeuert. Dieselbe erwiderte das Feuer und ver⸗ wundete mehrere Neger. Man befürchtet, daß es noch zu weiterem Blutvergießen kommen wird.

Afsien.

Japan. Wie die letzten Postnachrichten aus Japan melden, ist der Konflikt zwischen der Regierung und dem Unterhause einstweilen durch einen Kompromiß bei— gelegt worden. Der Streit war aus dem Ver— langen des Unterhauses hervorgegangen, gegen den Willen der Regierung gewisse durch die Verfassung vorher— gesehene Summen im Budget zu reduziren. In dem Kompromiß willigt die Regierung nun in eine wesentliche Reduktion der Voranschläge des Etats ein, während das Haus sein bisher beanspruchtes Recht der Zuständigkeit über die Bewilligung der Ausgaben aufgiebt. Die von der Regierung gewährte Reduktion beträgt 6 300 000 Doll., gegen etwa S 000000 Doll, welche das Haus verlangt hatte.

Afrika.

Egypten. Generalmajor Walker, Befehlshaber der britischen Truppen in Egypten, begab sich am 16. d. auf eine Inspektionsreise von Kairo nach Suakim. Der General wird auch Tokar besuchen.

In Brüssel fand am 15. April die förmliche Bildung der Katanga⸗Gesellschaft statt. Sir John Kirk ver⸗ tritt im Verwaltungsrath der Gesellschaft das mit 800 000 Fr. an derselben betheiligte britische Kapital. Sir William Mackinnon wohnte der Versammlung bei.

Die „Times“ meldet aus Sansibar von gestern: der Sultan habe die Generalakte der Brüsseler Kon— fer enz ratifizirt.

Parlamentarische Nachrichten.

In der heutigen (103.) Sitzung des Reichstages, welcher der Minister für Handel und Gewerbe Freiherr von Berlepsch beiwohnte, theilte der Präsident den Eingang des Entwurfs eines Gesetzes, betreffend das Reichsschuld— buch, mit.

Hierauf wurde die zweite Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Abänderung der Gewerbeordnung, fort⸗ gesetzt, und zwar bei §. 137, welcher in der Fassung der Kommission lautet:

Arbeiterinnen dürfen in Fabriken nicht in der Nachtzeit von 83 Uhr Abends bis 5 Uhr Morgens und am Sonnabend sowie an Vorabenden der Festtage nicht nach 55 Uhr Nachmittags beschäftigt werden.

Die Beschäftigung von Arbeiterinnen über sechszehn Jahre darf die Dauer von elf Stunden täglich, an den Vorabenden der Sonn und Festtage von zehn Stunden, nicht überschreiten.

Zwischen den Arbeitsstunden muß den Arbeiterinnen eine mindestens einstündige Mittagspause gewährt werden.

Wöchnerinnen dürfen während vier Wochen nach ihrer Nieder kunft überhaupt nicht und während der folgenden zwei Wochen nur beschäftigt werden, wenn das Zeugniß eines approbirten Arztes dies für zulässig erklärt

Hierzu beantragten:

Abg. Auer:

Arbeiterinnen über siebzehn Jahre dürfen in Fabriken nicht länger als 11 Stunden täglich und nicht in der Nachtzeit von 8 Uhr Abends bis 55 Uhr Morgens beschäftigt werden.

Abg. Payer:

Den Absatz 2 folgendermaßen zu fassen:

Die Beschäftigung von Arbeiterinnen über sechszehn Jahre darf die Dauer von zehn Stunden nicht überschreiten.

Abg. Gutfleisch:

nach dem dritten und vor dem letzten Absatz folgenden neuen hh. einzufügen:

rbeiterinnen über sechszehn Jahre, welche ein Hauswesen zu besorgen haben, sind auf ihren Antrag eine halbe Stunde vor der Mittagspause zu entlassen, sofern diese nicht mindestens ein und eine halbe Stunde beträgt.

Abg. Dr. Schädler:

II als Absatz 4 einzusetzen:

Verheirathete Frauen dürfen böchstens jehn Stunden täglich beschäftigt werden.

2) Für den Fall der Annahme des Antrages Nr. 254 zu einem neuen §. 133b die Worte auf ihren Antrag‘ in Zeile 3 sowie 415 zu streichen.

Außerdem lag noch ein Antrag des Abg. Freiherrn von Münch vor.

Abg. Dr, Schädler begründete seinen Antrag mit der Nothwendigkeit, die Frau, soweit als möglich, dem Hause und der Familie zurückzugeben; weitergehende Bestimmungen schon jetzt zu treffen würde aber die Industrie und die Arbeiter- familien selbst schwer schädigen.

Minister für Handel und Gewerbe Freiherr von Berlepsch bedauerte, sich sowohl gegen den Antrag Payer wie gegen den Antrag Schädler aussprechen zu müssen. Gewiß sei es die Aufgabe der Gesetzgebung, die Arbeitszeit der Frau so zu gestalten, daß fie ihren Pflichten als Haus⸗ frau, Gattin, Mutter und Erzieherin der Kinder nachkommen könne, und die verbündeten Regierungen hätten deshalb diese Frage lange und eingehend erwogen, aber zur Zeit sei es weder möglich im Allgemeinen den zehn⸗ stündigen Maximalarbeitstag für weibliche Arbeiter noch für verheirathete Frauen einzuführen. Es würde sich aus solchen Maßnahmen eine Schädigung der Industrie und ein empfindlicher Eingriff in die Ernährungsverhältnisse einer großen Zahl unserer Arbeiter ergeben. Die verbündeten Regierungen seien der Meinung, daß das Maß der Vorlage nicht überschritten werden könne, um so mehr, als der Bundesrath bevollmächtigt sei, in besonderen Fällen Ausnahmen zuzulassen. Gegen den Antrag Gutfleisch seien Einwendungen nicht zu machen.

Nachdem Abg. Dr. Hartmann sich gleichfalls gegen den Antrag Schädler ausgesprochen hatte, zog der Abg. Schädler seinen Antrag als aussichtslos zurück.

Abg. Dr. Hirsch bemerkte, daß es Angesichts der ernsten Erklärung des Ministers kaum möglich sei, für den Antrag Payer zu stimmen, der aber für die Zukunft im Auge be⸗ halten werden müsse, und bat um die Annahme des Antrags Gutfleisch. .

Abg. Ulrich vertrat die gesetzliche Fixirung der zehn⸗ stündigen Maximalarbeitszeit fuͤr Arbeiterinnen, die um so dringlicher sei, als von Jahr zu Jahr eine Zunahme der weiblichen Arbeiter zu konstatiren sei.

Abg. Payer hielt die Befürchtungen, die an die Ein⸗ führung des zehnstündigen Maximalarheitstages für weib⸗ liche Arbeiter geknüpft würden, für nicht begründet und meinte, daß nur ein allzugroßes Entgegenkommen gegen einzelne Klassen von Unternehmern davon abhalte. Man solle nur den Muth haben, diesen Maximalarbeitstag schon jetzt einzuführen; ein solcher Versuch werde beweisen, daß die Durchführung ohne Schädigung der Industrie möglich sei. (Schluß des Blattes.)

Die Reichstags ⸗Kommission zur Vorberathung des Telegraphen⸗Gesetzentwurfs nahm gestern 5. 3 mit den Anträgen der Abgg. Graf Pückler und Dr. Hammacher bis auf 3b (welcher Passus vertagt wurde) in nachstebender Fassung an: „‚Obne Genehmigung des Reichs können errichtet und betrieben werden 1) Telegraphenanlagen, welche ausschließlich dem inneren Dienst von Landes oder Kommunalbehörden und Deich korpvorationen ge⸗ widmet sind, 2) Telegraphenanlagen, welche von Transportanstalten auf ihren Linien ausschließlich zu Zwecken ihres Betriebes oder für den allgemeinen Vermittlungsverkehr innerhalb der bisherigen Grenzen benutzt werden, 3) Telegraphenanlagen a. innerhalb der Grenzen eines Grundstücks“.

Die Budgetkommission des Abgeordnetenhauses beschäftigte sich gestern weiter mit der Sekundärbahn-Vorlage. Im 5. 1 II wurden zur Anlage des zweiten bezw dritten Geleises auf 198 namentlich aufgeführte Strecken und zu den dadurch bedingten Ergänzungen und Geleisveränderungen auf den Bahnhöfen die geforderten 20 305 500 4A und in §. 11II (Bauausführungen) die geforderte Summe von 29 424 0065 M genehmigt. Bei §. 1 IV wurden nach den Ansätzen der Regierung 53 800 ögo0 n bewilligt. Im Ganzen wurden die 145 537 500 M, welche beantragt waren, genehmigt.

Nach Erledigung dieser Angelezenheit referirte der Abg. Con rad (Flatom) über die Denkschrift für die deutschen An— fiedelungen in Posen und Westpreußen eingebend. Die Denkschrift wurde durch Kenntnißnahme für erledigt erklärt.

Statistik und Volkswirthschaft.

Der Ausschuß des Deutschen Handelstages bat gestern bezüglich des deutsch - österreichischen Handels vertrages folgende Resolution angenommen:

Der Ausschuß des deutschen Handelstages spricht seine Befriedi⸗ gung darüber aus, daß durch die mit der Kaiserlich österreich, ungarischen Regierung angeknüpften Verhandlungen über einen neuen Handels und Zollvertrag sich Aussicht eröffnet, daß auf dem Wege der Verträge eine größere Stabilität der Handels- und Zollpolitik der verschiedenen Länder angebahnt werde, und bofft, daß es der Reichsregierung gelingen möge, in diesen und ferneren Handels und ö die wirthschaftlichen Interessen Deutschlands zeitgemäß zu fördern.

Verkehrs⸗Anftalten.

Schiffsverkehr auf dem Rhein.

Der Schiffsverkehr hat dadurch, daß der Rhein bereits im Dezember Eis mit sich führte und im Januar oberhalb der Loreley zugefroren war, lange Zeit vollständig eingestellt werden müssen. Erst feit Kurzem ist derselbe wieder etwas lebhafter geworden, obgleich das Fahrwasser noch nicht die gewünschte Tiefe wieder hat. Es werden voraussichtlich umfangreiche Stromregulirungsarbeiten noth— wendig werden, um die nach den vorgenommenen Peilungen durch den starken Eisgang bei dem niedrigen Wasserstande vielfach ver änderte Fahrrinne in ihrer früheren Beschaffenheit herzustellen.

Hamburg, 17. April. (W. T. B) Der Postdampfer India“ der Hamburg Amerikanischen Packetfahrt⸗ Aktiengesellschaft ist beute Morgen in Dover eingetroffen.

London, 17. April. (W. T. B.) Der Union⸗Dampfer „Trojan“ ist heute auf der Ausreise von Southam ton ab— gegangen.

Theater und Mufik.

Königliche Theater.

In der Vorstellung von „Tristan und Isolde? am Dienstag im Opernhause sind die Damen Sucher und Staudigl, die Hrrn. Gudehus, Betz, Mödlinger. Oberhauser und Lieban beschäftigt. Am Montag geht nach der Ober Das Nachtlager in Granada; nicht, wie bereits angekündigt, das Tanzvosm „Die Jahreszeiten‘, sondern Daz schlecht bewachte Mädchen! in Scene.

Das Schauspielhaus geht neben seinen Neuauffübrungen und Neueinstudirungen jetzt in aller Stille daran, den Bestand älterer Repertoirestücke einer aufmerksamen Durchsicht, in Bezug auf Regie und Scenerie zu unterwerfen. Nachdem mit „Maria Stuart“ hierin der Anfang gemacht wurde, wird auch die morgige Aufführung der Räuber? nicht unwesentliche Abweichungen von den bisherigen zeigen, besonders in den Scenen der Lihertiner. Den Spiegelberg spielt diesmal Hr. Arndt; Hr Berthold ist zum „alten Räuber“ ge⸗ worden, während Hr. Winter den Ratzmann spielt.

Der Spielplan der Oper für die Zeit vom 18. bis 26. April lautet; Sonntag: ‚Tannhäuser'. Montag: „Das Nacht- lager in Granada. „Das schlecht bewachte Mädchen?. Dienstag: WTristan und Isolde“'. Mittwoch; Geschlossen. Donnerstag: Das Rheingold. Freitag: „Die Walküre. Sonnabend: ‚Ein Masken⸗ ö en r, e rn,

ür das Schauspiel; Sonntag: ‚Die Räuber“. Montag: „Das Käthchen von Heilbronn‘. Dienstag! „Der neue Herr“. 56 ne e een , 4 e n Freitag: Das Käthchen von Heilbronn“. Sonnabend: „Der neue Herr“. Sonntag: „Das Käthchen von Heilbronn“. 3 .

Ihr. Rantglia aM f ge ee gr. 3 . hre Königliche Hoheit die Erbprinzessin und Ihre Durchlaucht die Prinzessin Marie von Sachsen Meiningen nebst Gefolge 6 am Freitag wiederum das Deutsche Theater und wohnten der AÄuf⸗ führung des Lustspiels Die Kinder der Excellenz“ bis zum Schlusse bei.

In der neuen Woche bringt das Deutsche Theater die Wieder aufnahme zweier Repertoirestücke, welche wegen des fortgesetzten An= drangs zu den Kindern der Excellenz! längere Zeit haben ruhen müssen, und jwar am Donnerstag, 23.: „Die Stützen der Gesellichaft und am Sonnabend, 25.: „Die Haubenleicheꝗ. Morgen, Sonntag, sowie am Dienstag, 21., und Freitag, 24, werden „Die Kinder der Excellenz' wiederholt; Montag kommen „Des Meeres und der Liebe Wellen' zur Aufführung. Am Bußtag, Mitt. woch. 22., bleiben das Theater und die Lass geschlossen. Für Sonntag, 26, ist Das Wintermärchen“ angesetzt.

m Berltner Th . Theater.

m Berliner Theater kommt am morgigen Sonntag ⸗Nachmitta das Voß sche Schauspiel Schuldig‘ zur Aufführung, k . . Donnerstag gegeben wird. Am Sonntag Abend und am Sonn abend, 26. April, wird Kean, am Dienstag und am nächsten Sonn- tag Abend das immer noch überaus zugkräftige Lustspiel Goldfische⸗ dargestent. J Zu den drei jüngsten Cinaktern Verschollen ', „Es hat so sollen sein und. Liebert probe gesellt sich jetzt Moser's lustiger Schwank, Hector“. Diese vier Stück bilden die Vorstellung am Montag