des Gesetzes vom 11. April 1803 nach sich ziehen soll, welcher lautet: „Die Aerzte in Flecken, Dörfern oder Gemeinden, wo es keine Apotheken mit offenem Laden giebt, dürfen einfache oder zusammengesetzte Arzneien an die Personen verabreichen, zu welchen sie gerufen werden, jedoch ohne das Recht, einen offenen Laden zu halten.“ Die zweitgenannte Vorlage enthält einen Gesetzentwurf, wonach dem außerordentlichen Etat in Ausgabe und Einnahme ein Nachtrag von ie 259 000 S bei⸗ gefügt werden soll. Die Ausgabe ist als erste Rate für eine normalspurige Bahn Mommenheim⸗ Saaralben⸗Saargemünd bestimmt und aus dem Ueberschuß des vergangenen Etats jahres zu bestreiten, der auf ungefähr A/ Millionen Mark veranschlagt
werden kann.
Oesterreich⸗ Ungarn.
Wien, 19. April. Die Regierung wird, nach einer Mel⸗ dung der „Presse“, demnächst einen Gesetzentwurf, die Betriebs übernahme der Albrechts bahn betreffend, im Reichsrath einbringen. Die Vorlage dürfte jedoch weder die sofortige Einlösung zum Gegenstande haben, noch einen bestimmten Termin für dieselbe festsetzen, vielmehr würde, wie in der ersten Vorlage, die Einlösung dem Ermeffen der Regierung anheimgegeben. — Wie aus Parla⸗ mentskreisen verlautet, dürfte die Vereinigte deutsche Linke einen felbständigen Adreßentwurf. vorlegen. Der Abg. Dr. von Plener wird, wie es heißt, in der nächsten Sitzung des Abgeordnetenhauses einen Antrag auf die Einführung direkter Wahlen in den Land⸗ gemeinden, und auf Errichtung von Arbeiter—
kammern einbringen. Großbritannien und Irland.
Die Arbeits kommission wird, der „A. C. zufolge, am nächsten Mittwoch in Westminster zu einer Präliminar⸗ versammlung zusammentreten. Der Sekretär der Kommission ist bisher noch nicht ernannt worden, dagegen der Hülfs— sekretär in der Person des Arbeitskorrespondenten des Handels⸗ amts John Burnett. .
6a einer Privatdepesche der in Capetown erscheinenden „Cape Times“ von der Delagoa⸗Bai hätten die Por tu⸗ gie fen auf den Dampfer „Agn es“, welcher Goldgräber für die Willoughby⸗Expedition nach dem Mas hona⸗Land an Bord hatte, geschossen und die der Expedition gehörigen Kanonen und Ladung weggenommen. .
Einer Meldung? des „R. B.“ aus Simla zufolge sind drei englische Kolonnen gegen die au fstãndischen Stämme der ö vorgerückt und haben diese voll—
ändig in die Flucht geschlagen. .
ö. Ber ,. Kapitän Verney erschien am Sonnabend vor dem Polizeigericht in der Bowstreet unter der An⸗ schuldigung, wegen deren er verhaftet war, Nach Vernehmung einer Zeugin, welche Verney als denjenigen bezeichnete, dem die der Anklage zu Grunde liegenden Thatsachen zur Last fielen, wurde die Verhandlung auf acht Tage vertagt und so⸗— dann Verney ohne Kaution freigelassen. .
Die Mannschaften der 34. Batterie in Ports⸗ mouth weigerten sich, wie „W. T. B.“ von dort meldet, am Sonnabend zur Parade anzutreten, indem sie sich über zu große Anstrengungen im Dienst beschwerten, Der Oberst ver⸗ mochte die Leute schließlich aber doch zum Antritt zu bewegen. Einige von den ältesten Mannschaften sind verhaftet worden und follen vor ein Kriegsgericht gestellt werden. .
In einer gestern Abend zu Frishtown (Grafschaft Mayo) abgehaltenen und von ungefähr zehntausend Personen besuchlen Versammlung erklärte Parnell, daß durch die Bodenankaufsbill eine Verminderung der Renten um 40 Proz. herbeigeführt werden würde. Redner tadelte die Partei Mac Carthy's, daß sie das Amendement Morley unterstützt habe. . - .
Die „Times“ veröffentlicht die Adresse der Neufund⸗ länder Deputirten an das britische Parlament, worin gegen die Bevormundung der, gesetzgebenden Versammlung und die Beschränkung des Schiedsgerichts auf den Hummer⸗ fang Einspruch erhoben wird. ;.
Parkes, der Premier von Neu-Südwales, und Munro, der Premier von Victoria, hielten der „Köln. Ztg.“ zufolge in Sydney und Melbourne Reden, worin sie die Beschlüsse der australischen Konföderation s-Versammlung billigten.
Die Konzessionirung der Katanga⸗Gesellschaft Seitens des Königs der Belgier dürfte noch zu mancherlei Ver— wickelungen mit der britischen südafrikanischen Ge⸗ sellschaft führen. Ein Eingesandt der „Morning Post' enthält darüber die folgenden Mittheilungen: Anfangs vorigen Jahres bot der König der Belgier der britischen Gesellschaft die Konzession an. Die Engländer aber gingen nicht auf den Vorschlag ein, ohne den König eigens von der Ablehnung zu verständigen. Erst als die Londoner Presse die Nachricht von, der . der Katanga⸗-Gesellschaft brachte, kündigte die britische Gese schaft dem Könige an, daß ihre Agenten, die Herren Thompson und Sharpe, bereits von dem Häuptling Msiri und andern Kon⸗ zessionen im Katanga⸗-Lande erworben hätten, mit denen die der Katanga Gesellschaft vom Congo-Staate gewährten entschieden unvereinbar wären. Der König gab in seiner Erwiderung seinem Befremden über die Stellung der britischen Gesellschaft Ausdruck und theilte zugleich mit, daß er entschlossen sei, die von Msini der britischen Gefellschaft gewährte Konzession nicht anzuerkennen. König Leopold hat ungesäumt bei dem briti⸗ schen Gesandten in Brüssel einen schriftlichen Protest nieder⸗ gelegt. Das englische Auswärtige Amt ist gegenwärtig mit der Pruͤfung des letzteren beschäftigt.
Frankreich.
Paris, 20. April. In dem am Sonnabend abgehal⸗ tenen Ministerrathe unterzeichnete der Präsident Carnot, wie das „Journal des Dehats“ mittheilt, das Dekret, durch welches der bisherige Präfekt des Rhone-Departements Jules Cambon zum Gouverneur von Algerien ernannt wird. Der Posten des General-Gouverneurs von Indochina soll dem Deputirten des Seine⸗Departements Lanessan übertragen werden, doch ist das bezügliche Dekret, da die Be⸗ fugnisse dieses Gouverneurs anders abgegrenzt werden sollen, noch nicht fertiggestellt. — Der Minister des öffentlichen Un⸗ terrichts und der schönen Künste Bourgeois theilte mit, daß er den Direktor des „Théätre des Variétss“ Bertrand und den Concert⸗-Direktor Colonne zu Direktoren der Oper ernennen werde. ;
Die dem General-Gouverneur von Hinter-Indien mittels Dekrets zu ertheilenden neuen Vollmachten sollen
sehr ausgedehnte sein, die dortigen Civil⸗ und Militärbehörden sollen demselben direkt unterstellt werden. .
Bei den gestern vorgenommenen Wahlen dreier Sena⸗ toren in den Departements Hörault, Dordogne und Maine⸗ et⸗Loire wurden, nach einer Meldung des ‚W. T. B. zwei Republikaner und ein Konservativer gewählt. Der Stand der Parteien im Senat wird dadurch nicht verändert. Bei den Wahlen zur Deputirtenkammer wurde in Morlaix ein Republikaner gewählt, in Tours und Le Blanc sind Stichwahlen erforderlich.
Der Großfürst Georg von Rußland, der zu einem Aufenthalt von drei bis vier Tagen in Ajaccio eingetroffen war, beabsichtigt seinen Aufenthalt zu verlängern, um Jagd⸗ ausflüge in die Berge zu unternehmen. Der Stadtrath von Ajaccio giebt morgen zu Ehren der Offiziere des französischen Geschwaders und des russischen Kreuzers einen Ball,
Zu Ehren des seit dem 26. März in den französischen Gewaͤssern sich aufhaltenden rumänischen Kreuzers „Elifabeth“ hat der Marine-Präfekt von Toulon angeordnet, daß sämmtliche auf der dortigen Rhede befind⸗ lichen französischen Schiffe anläßlich des heutigen Geburts⸗ tages des Königs von Rumänien Flaggenschmuck anzulegen haben. .
Der italienische Gesandte in Washington, Baron de Fava ist heute hier eingetroffen und beabsichtigt morgen Abend seine Reise nach Rom fortzusetzen. .
Einer der Testamentsexekutoren des Prinzen Napoleon Philis ersuchte den Minister des Auswärtigen Ribot um die Erlaubniß, die Leiche des Prinzen nach Corsiea überführen zu dürfen. Ribot hat ö an den Minister des
nnern Constans verwiesen. Dieser erwiderte, es handle sich in der Frage um eine allgemeine Regierungsangelegenheit, und die Bitte müsse daher beim Minister-Präsidenten angebracht werden. Obgleich das Kabinet noch nicht berathen hat, scheint ein ablehnender Bescheid doch schon sicher zu sein. Ruszland und Polen.
Gestern Vormittag statteten, wie „W. T. B.“ meldet, Prinz Albert von Sachsen-Altenburg und Prinz Wilhelm von Baden dem Kaiser und der Kaiserin in Gatschina einen Besuch ab. General von Werder reiste, nachdem er sich Vormittags von dem Kaiser und der Kaiserin verabschiedet hatte, gestern Abend 6 Uhr von St. Petersburg nach Berlin ab. . : .
In der gestrigen Sitzung des slavischen Wohlthätig⸗ keitsvereins wurde der amerikanische General⸗ Konsul Crawford in St. Petersburg zum Ehrenmitgliede ernannt. Der Präsident des Vereins Graf Iegrnatiew hoh hervor, daß man Crawford diese Auszeichnung erweise, weil er stets bestrebt gewesen sei, in seinen Aeußerungen und Mit— theilungen über russische Dinge Rußland Gerechtigkeit wider⸗ fahren zu lassen.
Belgien.
Ein am Sonnabend in Brüssel unter dem Vorsitz des Königs abgehaltener Ministerrath beschloß, der „Mgdb. Ztg.“ zufolge, das Gesetz über die Verfassungsrevision den Kammern am 15. Mai vorzulegen. Der . der beschließenden Versammlung soll dann Ende Juni erfolgen.
Türkei.
Gegenüber den Versicherungen, daß die Han del sver— tragsverhandlungen der Türkei mit Oe sterreich⸗Un⸗ garn beendet seien, und daß die türkische Kommission ihren Schlußbericht bereits dem Ministerrath überreicht habe, wird dem „W. T. B.“ aus Konstantinopel gemeldet, daß die er⸗ wähnten Verhandlungen nur insoweit zu einem vorläufigen Abschluß gekommen seien, als die österreichisch- unga⸗ rischen Delegirten ihre letzten Bedingungen fur die An⸗ nahme der vier Hauptpunkte überreicht hätten, denen gegenüber die türkischen Delegirten ihre Bedingungen aufrecht erhielten, Betreffs der außerdem noch vorhandenen sechs Fragen sei zwar in der Kommission ein Einverständniß erzielt worden, die Zustimmung des Ministerraths aber noch nicht erfolgt. Der Minister des Auswärtigen lasse gegenwärtig den dem Ministerrath über die Verhandlungen vorzulegenden Bericht ausarbeiten.
Die „Pol. Corr.“ veröffentlicht den Wortlaut der Antwortnote des türkischen Ministers des Aeußern, Said Pascha auf die Noten des österreichisch ungarischen Botschafters in Konstantinopel Baron von Calice, be⸗ treffend die Gleckenangelegenheit von Uesküb. Baron von Calice verlangte danach die. Suspen⸗ dirung des Valis von Kossowo, die Ertheilung einer klaren und formellen Instruktion über die gesetz⸗ liche Stellung der katholischen Kirche im Vilajet sowie hinsicht⸗ lich des Prozektorats des Kaisers von Oesterreich über die katholische Kirche in jenen Landestheilen, schließlich vollen Schadenersatz für die katholische Kirche in Uesküb. Die Ant⸗ wortnote Said Paschas enthielt die Zustimmung der türkischen Regierung zu diesen Forderungen sowie die Anzeige, daß der Vali von Kossowo seines Postens enthoben worden sei. Wie derselben Correspondenz aus Rom, gemeldet wird, hätte der Papst den pästlichen Delegaten in Konstantinopel beauftragt, dem österreichischen Botschafter Baron Calice die Befriedigung des 3 g n, Stuhls über den Ausgang des Zwischenfalls in Uesküb auszudrücken,
Die „Ag. d. Const.“ erklärt die in auswärtigen Blättern enthaltene Helbun von der Verhaftung des Marschalls
i Ssman Pascha für vollständig erfunden, Gazi . 3 53 vielmehr dem vorgestrigen Selamlik
beigewohnt. Serbien.
Belgrad, 19. April. Bei der heute Morgen erfolgten Abreise des Königs Milan nach Paris begleiteten, wie „W. T. B.“ meldet, der König Alexander, die Regenten Und Rinister den König zum Bahnhof, wo auch der Staats⸗ rath sowie die Spitzen der Civil⸗ und Militärbehörden an⸗ wesend waren. .
: Die Seitens des Finanz⸗Ministers beabsichtigte Reise ins Ausland wird mit der Konversion der Staatsschuld in Verbindung gebracht. .
Gerüchtweise verlautet, daß die Skupschtina zum 15. Juni zu einer außerordentlichen Sessron einberufen werden soll, um die Konversion der Staatsschuld und den Bau der Timokbahn zu bewilligen. ;
Bulgarien. Sofia, 19. April. Der Prinz Ferdinand und die
aus Philippopel hierher zurückgekehrt. Der Finanz-Minister Natschowitsch ist hier eingetroffen und hat 5 Geschäfte des Finanz⸗Ministeriums übernommen.
Amerika.
Vereinigte Staaten. Präsident Harrison äußerte, wie man dem „W. T. B“ aus Gal veston meldet, in einer gestern dort stattgehabten Versamm lung: er könne sich nicht damit zufrieden erklären, daß die Nationen Europas fast den gesammten Handel von Süd-Amerika sich ange⸗ eignet hätten, diesen Handel, der aus Gründen der Nachbar⸗ schaft und wegen der Sympathie, die die ganze monarchielose amerikanische Welthälfte mit einander verbinde, der Natur nach der nordamerikanischen Union gehöre. Er halte es für wahrscheinlich, daß dem Reziprozitäts-Vertrage mit Brasilien noch andere derartige Verträge mit den Ländern Central⸗ und Süd⸗Amerikas folgen würden, und verspreche sich Großes von der Fertigstellung des Kanals von Nicarag ug.
Dem Wasphingtoner Correspondenten des „Herald“ zu⸗ folge gilt die Abfahrt des Uebungsgeschwaders nach Hayti, mit dem Befehl, sich dem in einigen Tagen dort ankommenden nordatlantischen Geschwader anzuschließen, als sicheres Zeichen, daß die Regierung der Vereinigten Staaten eine energischere Politik gegen Hayti einzuschlagen gedenke. Um dem französischen Einfluß daselbst entgegen⸗ zutreten und zu verhindern, daß Frankreich die Kontrole über die Häfen erhalte, gehen, so heißt es, die Pereinigten Staaten mit der Absicht um, auf Hayti eine Kohlenstation zu er⸗ richten und zu diesem Zweck sich durch einen Vertrag der St. Nikolaus⸗Molen zu versichern. .
Dem „Herald“ wird ferner aus Washington gemeldet, daß die Verhandlungen wegen eines neuen Handels—⸗ vertrages mit Spanien jetzt beendet sind. Der Vertrag sei auf Grundlage der im Mac Kinley⸗Tarif vorgesehenen Gegen⸗ seitigkeitsbedingungen abgeschlossen. Spanien verliere durch den Vertrag einen großen Theil seiner Zolleinnahmen von Cuba, schicke sich jedoch darein, um nicht, wie der „Herald meint, die ganze Insel zu verlieren. Der frühere Gesandte Foster, welcher die Unterhandlungen geführt hat, dürfte sich bald nach den Vereinigten Staaten zurückbegeben. ö
Dem in Washington erscheinenden Journal. Critic“ zufolge wäre Macheca, einer der ermordeten Italiener, bei feinem Tode anerkannter Konsul Bolivigas in New⸗ Orleans gewesen; Macheca wäre auch im Staatshandbuch als beglaubigter Konsul eingetragen gewesen.
Argentinien. Einer Meldung des „R. B. aus Buenos Aires zufolge ist der unter dem 20. Fe—⸗
bruar d. J. verhängte Belagerungszustand durch
einen am 17. d. M. veröffentlichten Erlaß wieder aufgehoben worden. — Demselben Bureau wird aus Buenos Aires gemeldet: Präsident Pellegrini legte dem Ministerrath einen Gesetzentwurf, betreffend die Lösung der Verbindung zwischen dem Staat und den Banken in Buenos Aires vor, um es den (letzteren zu ermöglichen, als Aktiengesellschaften ihre Geschäfte fort⸗ führen zu können. Die Regierung werde Rechnungs⸗Revisoren ernennen und das Statut der Banken durch Ausschüsse der Depositäre ausarbeiten lassen. Die Letzteren sollen sich gleich⸗ zeitig entsprechend ihrer Einlage an dem Kapital als Gründer betheiligen. Die beiden Banken von Buenos Aires würden zu einem Institut vereinigt. Diese so entstandene neue Provinzial⸗ bank soll Zweigstellen in La Plata und anderen Städten haben. Wenn diese Vorschläge vom Gouverneur Costa genehmigt werden, fo wird der Entwurf dem Kongreß unterbreitet werden. Die Provinzialregierungen haben sich jedoch bereits diesem Bankreformprojekt widersetzt.
Asien.
China. Der Groß fürst-Thronfolger von Ruß⸗ land ist, laut Meldung des „R. B.“ aus Shanghai vom 17. d., in Woosung eingetroffen und dann nach Hankow weitergefahren, ohne in Shanghai anzuhalten.
Parlamentarische Nachrichten.
In der heutigen (194.) Sitzung des Reichstages, welcher der Staats-Minister Freiherr von Berlepsch beiwohnte, stand auf der Tagesordung die Fortsetzung der zweiten Be⸗ rathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Abänderung der
Gewerbeordnung. . Die Berathung wurde fortgesetzt mit dem 8. 138 a. Der⸗ selbe lautet: . . Sollen Arbeiterinnen oder jugendliche Arbeiter in Fabriken beschäftigt werden, so hat der Arbeitgeber vor dem Beßinn der Beschäftigung der Ortspolizeibehörde eine schriftliche Anzeige n. ; 2 . Anzeige sind die Fabrik, die Wochentage, an welchen die Beschäftigung stattfinden soll, Beginn und Ende der Arbeitszeit und der Paufen, sowie die Art der Beschäftigung anzugeben. Eine Aenderung hierin darf, abgesehen von Verschiebungen, welche durch Ersetzung behinderter Arbeiter für einzelne Arbeitsschichten noth⸗ wendig werden, nicht erfolgen, bevor eine entsprechende weitere Anzeige der Behörde gemacht ist. In jeder Fabrik hat der Arbeitgeber dafür zu sorgen, daß in den Fabrikräumen, in welchen jugend⸗ liche Arbeiter beschäftigt werden, an einer in die Augen fallenden Stelle ein Verzeichniß der jugendlichen Arbeiter unter Angabe ihrer Ärbeitstage, sowie des Beginns und Endes ihrer Arbeitszeit und der Paufen ausgehängt ist. Ebenso bat er dafür zu sorgen, daß in den bezeichneten Räumen eine Tafel ausgehängt ist, welche in der von der Centralbehörde zu bestimmenden Fassung und in deutlicher Schrift einen Auszug aus den Bestimmungen über die Beschäftigung von Arbeiterinnen und jugendlichen Arbeitern enthält. Hierzu lagen folgende Anträge der Abgg. Auer, Payer und Dr. Gutfleisch vor: Der Antrag Gutfleisch lautet:
1) Den Absatz 1 wie folgt zu fassen: Wegen außergewöhnlicher Häufung der Arbeit kann auf Antrag des Arbeitgebers die untere Verwaltungsbehörde auf die Dauer von jwei Wochen die Beschäf⸗ tigung von Arbeiterinnen über sechzehn Jahre bis 10 Uhr Abends an den Wochentagen außer Sonnabend unter der Voraussetzung ge⸗ statten, daß die tägliche Arbeitszeit dreizehn Stunden nicht über= schreitet. Innerhalb eines Kalenderjahres darf die Erlaubniß einem Arbeitgeber für seinen Betrieb oder für eine Abtheilung seines Be⸗ triebes auf mehr als vierzig Tage nicht ertheilt werden.
2) Den Absatz 2 wie folgt zu fassen:
„Für eine zwei Wochen überschreitende Dauer kann die gleiche Erlaubniß nur von der höheren Verwaltungsbehörde und auch von diefer für mehr als vierzig Tage im Jahre nur dann ertheilt werden, wenn die Arbeitszeit für den Betrieb oder die betreffende Abtheilung des Betriebes so geregelt wird, daß ihre tägliche Vauer im Durchschnitt der Betriebstage des Jahres die regelmäßige gesetz⸗
Prinzeffin Clementine sind laut Meldung des, W. T. ö
liche Arbeitszeit nicht überschreitet.“
3) In Absatz 5 die Worte zum Besuch einer Fortbildung ⸗ schule nicht verpflichtet sind zu ersetzen durch die Worte eine Fortbildungsschule nicht besuchen“. .
Abg. Wollmer empfahl, den zweiten Absatz des 5. 138 a
als überflüssig und zu weit gehend zu streichen.
ö. Singer befürwortete den von seiner Partei 6 stellten Antrag mit dem Hinweis darauf, daß die Arbeitgeber bei Häufung der Arbeiten mehr Arbeiterinnen einstellen müßten. Er modifizirte aber den Antrag Auer dahin, daß . tägliche Arbeitszeit nicht 1l, sondern 12 Stunden dauern olle.
Abg. Moeller empfahl den Antrag Gutfleisch, worauf der 5. 38a unter Ablehnung der Anträge Auer und Payer in der von den Abg. Dr. Gutfleisch u. Gen. beantragten Fassung angenommen wurde.
§. 139, welcher lautet:
Wenn Naturereignisse oder Unglücksfälle den regelmäßigen Be—⸗ trieb einer Fabrik unterbrochen haben, so können Ausnahmen von den in §§. 135. Absatz 2 und 3, 136, 137 Absatz 1 bis 3 vor- gesehenen Beschränkungen auf die Dauer von vier Wochen durch die höhere Verwaltungsbehörde, auf längere Zeit durch den Reichs kanzler zugelassen werden. In dringenden Fällen solcher Art, sowie zur Verhütung von Unglücksfällen kann die untere Verwaltungs behörde, jedoch höchstens auf die Dauer von vierzehn Tagen, solche Ausnahmen gestatten.
Wenn die Natur des Betriebes oder Rücksichten auf die Ar⸗ beiter in einzelnen Fabriken es erwünscht erscheinen lassen, daß die Arbeitszeit der Arbeiterinnen oder jugendlichen Arbeiter in einer anderen als der durch S§. 1386 und 157 Abfatz 1 und 3 vorgesehenen Weise geregelt wird, so kann auf besonderen Antrag eine anderweite Regelung hinsichtlich der Pausen durch die höhere Verwaltungs— behörde, im Uebrigen durch den Reichskanzler gestattet werden. Jedoch dürfen in solchen Fällen die jugendlichen Arbeiter nicht länger als sechs Stunden beschäftigt werden, wenn zwischen den Arbeitsstunden nicht Pausen von zusammen mindestens einstündiger Dauer gewährt werden.
Die auf Grund vorstehender Bestimmungen zu treffenden Ver—⸗ fügungen müssen schriftlich erlassen werden.
wurde ohne Debatte angenommen.
8. 1392 lautet:
Der Bundesrath ist ermächtigt:
1) die Verwendung von Arbeiterinnen, sowie von jugendlichen Arbeisern für gewisse Fabrikationszweige, welche mit besonderen Gefahren für Gesundhest oder Sittlichkeit verbunden sind, gänzlich zu untersagen oder von besonderen Bedingungen abhängig zu machen;
2) für Fabriken, welche mit ununterbrochenem Feuer betrieben werden, oder welche sonst durch die Art des Betriebs auf eine regelmäßige Tag⸗ und Nachtarheit angewiesen sind, sowie für solche Fabriken, deren Betrieb eine Eintheilung in regelmäßige Arbeits- schichten von gleicher Dauer nicht gestattet oder seiner Natur nach auf bestimmte Jahreszeiten beschränkt ist, Ausnahmen von den in S5. 135 Absatz 2 und 3. 136, 137 Absatz 1 bis 3 vorgesehenen Bestimmungen nachzulassen.
In den Fällen zu 2 darf die Dauer der Neue wöchentlichen Arbeitszeit für Kinder sechsunddreißig Fassung Stunden, für junge Leute sechszig, für Arbeiterinnen durch die vierundsechszig, in Ziegeleien für junge Leute und Ar« Redactions beiterinnen neunundsechszig Stunden nicht überschreiten. kommission. Die Nachtarbeit darf in zwei Wochen die Dauer von sechszig Stunden, in vierundzwanzig Stunden die Pauer von zehn Stunden nicht überschreiten und muß in jeder Schicht durch Pausen in der Gesammtdauer von mindestens einer Stunde unterbrochen sein.
Die durch Beschluß des Bundesraths getroffenen Bestimmungen sind zeitlich zu begrenzen und können auch für bestimmte Bezirke erlassen werden. Sie sind durch das Reichs Gesetzblatt zu veröffent⸗ lichen und dem Reichstage bei seinem nächsten Zusammentritt zur Kenntnißnahme vorzulegen.
Hierzu lagen folgende Anträge vor; ;
I) vom Abg. Auer: Absatz 1 Ziffer 2 zu streichen und ebenso die Absätze 2 und 3 zu streichen.
7 von den Abg. Dr. Gutfleisch, Dr. Hartmann,
Letocha, Möller und Freiherrn von Stumm:
1) Dem Absatz 1 noch weiter hinzuzufügen:
Aa für gewisse Fabrikationszweige, soweit die Natur des Be⸗ triebes oder die Rücksicht auf die Arbeiter es erwünscht erscheinen lassen, die Abkürzung oder den Wegfall der für jugendliche Arbeiter vorgeschriebenen Pausen zu gestatten;
2) Im ersten Satz des Absatz 2 statt „vierundsechszig“ „fünf⸗ undsechszig“ und statt neunundsechszig? siebzig“ setzen.
3) Dem Absatz 2 noch folgende Sätze hinzuzufügen:
In den Fällen zu 2a dürfen die jugendlichen Arbeiter nicht länger als sechs Stunden beschäftigt werden, wenn zwischen den Arbeitsstunden nicht eine oder mehrere Pausen von zusammen mindestens einstündiger Dauer gewährt werden.
t Den letzten Satz in Absatz 2 durch folgende Bestimmungen zu ersetzen:
Die Nachtarbeit darf in vierundzwanzig Stunden die Dauer von zehn
Stunden nicht überschreiten und muß in jeder Schicht durch eine oder
mehrere Pausen in der Gesammtdauer von mindestent einer Stunde
unterbrochen sein. Die Tagesschichten und Nachtschichten müssen wöchentlich wechseln. Abg. Möller befürwortete diesen letzteren Antrag, der
lediglich praktische Ziele verfolge.— .
Geh. Regierungs-Rath Br. Königs erklärte sich im
Großen und Ganzen mit diesem Antrage einverstanden und
bekämpfte den Antrag Auer. .
Abg. Bebel trat für den Antrag Auer ein. Der
Z. 1392. lasse in Ziffer 2 u. ff. eine geradezu grausame Aus⸗
enn , der Frauen und Kinder zu. ö Abg. Wöllmer bekämpfte den Antrag Gutfleisch und
die Kommissionsvorschläge als einen Rückschritt gegen das
bestehende Recht. Abg. Freiherr von Stumm bestritt, daß die hier 3 troffenen Bestimmungen zum Schaden der Arbeiter resp.
Arbeiterinnen ausschlagen würden. (Schluß des Blattes.)
— In der heutigen (71.) Sitzung des Hauses der Ab⸗ n , . welcher der Vize⸗Präsident des Staats⸗ inisteriums, Staats⸗Minister Br. von Boetticher, und der Minister des Innern Herrfurth beiwohnten, stand auf der Tagesordnung die dritte Berathung des . einer Landgemeindeordnung für die sieben öst— lichen Provinzen der Monarchie. ö In der Generaldiskussion erklärte Abg. von Kröcher, nicht im Namen der konfervativen Partei, sondern nur für seine Person, daß für das Gesetz ein Bedürfniß nicht vorliege. Es sei nicht zu leugnen, daß die bestehende Landgemeinde⸗ ardnung in einigen Punkten verbesserungsbedürftig sei; den Uebelständen hätte aber durch eine Novelle zu derselben abgeholfen werden können. Bekomme das Land Gesetze nach n rn. so schaffe man nur unzufriedene Leute. Redner wird für alle konservativen Anträge, schließlich aber gegen das ganze Gesetz
stimmen.
Abg. Dr. von Gneist gab Namens der Nationalliberalen seine Zustimmung zu dem Gesetz, dessen Einzelheiten freilich nicht durchweg ihre Billigung hätten.
— Abg. von Sczanieeki sprach für die polnischen Ab— geordneten gegen das Gesetz.
Abg. Barth bezeichnete die Vorlage als ein nothwendiges und geeignetes Mittel, bestehenden Mißständen abzuhelfen; die Freikonservativen würden deshalb nur für Anträge stimmen, die einer Mehrheit gewiß seien. (Siehe unten.)
Abg. Rickert stellte die Annahme des Gesetzes Seitens der Freisinnigen in Aussicht, auch wenn die freisinnigen Ab⸗— änderungsanträge keine Mehrheit auf fich vereinigen sollten. (Schluß des Blattes.)
— Die konservative, die freikonservative und die national⸗ liberale Partei des Hauses der Abgeordneten haben sich in Bezug auf die beiden meist umstrittenen Punkte der Landgemeindeordnung, über welche in der zweiten Lesung noch keine Einigung erzielt war, verständigt; es sind dies die * 14 und 48. In 5. 14 ist der Antrag der Konservativen, daß bis zum Erlaß des Kommunalsteuergesetzes den Gemeinden unter Zustim— mung des Kreizausschusses freistehen soll, die bisherigen Gemeindesteuerverfassungen beizubehalten, bestätigt, indeß den Bedenken, welche von Seiten der Regierung und der Mittel⸗ parteien erhoben sind, durch Einschaltung einer festen Frist von fünf Jahren Rechnung getragen worden. In g. 48 sollen die Normal—⸗ sätze der Steuer, nach welchen zwei, drei und vier Stimmen beizulegen sind, auf 20, 50 und 100 6 Grund⸗ und Gebäude⸗ steuer herabgesetzt, umgekehrt aber die durch Ortsstatut zulässige Erhöhung der Zahl der Stimmen von sechs auf höchstens fünf beschränkt werden. Die „Post“ bemerkt hierzu: „Die Konservativen, welche gar keine feste gesetzliche Norm für die Beilegung einer größeren Stimmenzahl wollten, und die Nationalliberalen, welche umgekehrt der ortsstatutarischen Be⸗ rücksichtigung besonderer Verhältnisse keinen Raum gewähren wollten, haben gleicher Weise nachgegeben und sich auf einer Linie vereinigt, bei welcher sowohl der Gesichtspunkt fester gesetzlicher Regelung als Norm, wie die Möglichkeit der Berücksichtigung örtlicher Verhältnisse zu ihrem Recht ge— langt. Ob das Centrum der Verständigung sich anschließen wird, steht noch nicht fest; materiell steht das Ergebniß der— selben seiner eigenen Auffassung namentlich bezüglich 5. 48 näher als dem ursprünglichen Standpunkte sowohl der Kon— servativen als der Nationalliberalen.“ Ueber die Stellung der Staatsregierung zu diesen gemeinsamen Anträgen wird vermuthlich die heutige dritte Berathung Aufschluß geben. Die obengedachten gemeinschaftlichen Anträge sind von den Abgg. Dr. von Heydebrand und der Lasa, Hobrecht, Dr. Krause, von Rauchhaupt, Dr. Ritter und Freiherr von Zedlitz und Neukirch unterzeichnet und lauten wörtlich:
1 Den S8. 14 zu streichen und in §. 148 (s. unten Antrag 30)
folgenden Absatz 2 hinzuzufügen:
Bis zum Inkrafttreten eines Kommunalsteuergesetzes, längstens aber bis zum 1. April 1397, können die bei Verkündigung dieser Landgemeindeordnung für Vertheilung der Gemeindeabgaben statu— tarisch oder observanzmäßig bestehenden Maßstäbe durch Beschluß der Gemeinde mit Genehmigung des Kreisausschusses aufrecht er— halten werden.
2) In §. 48:
a vor „Mindestens“ zu setzen 1 *
b. Folgende Nr. 2 hinzuzufügen:
Denjenigen Besitzern, welche von ihrem im Gemeindebezirk belegenen Grundeigenthum einen Jahresbetrag von 20 bis aus— schließlich 0 M an Grund⸗ und Gebäudesteuer entrichten, sind je 2, denjenigen Besitzern, welche von diesem ihrem Grundeigenthum einen Jahresbetrag von 50 bis ausschließlich 100 „ entrichten, je 3, und denjenigen Besitzern, welche 100 „ oder mehr entrichten, je 4 Stimmen beizulegen.
Durch Ortsstatut können die vorstehenden Sätze erhöht oder, höchstens jedoch um ein Drittel, ermäßigt werden.
Auch kann Grundbesitzern, welche die im 1. Absatz erwähnten Steuersätze entrichten, eine größere Zahl von Stimmen, jedoch nicht über 3, 4 und 5 Stimmen, beigelegt werden.
Den Gewerbetreibenden der dritten Gewerbesteuerklasse sind 2 Stimmen, den Gewerbetreibenden der zweiten Gewerbesteuerklasse sind 3 Stimmen und den Gewerbetreibenden der ersten Gewerbe⸗ steuerklasse sind 4 Stimmen beizulegen.
Für den Fall der Erböhung der Zahl der Stimmen der Grund— besitzer sind die im vorstehenden Absatze beigelegten Stimmen ent— sprechend dem Absatz 3 zu erhöhen.
3) a Den §. 146 auf die beiden ersten Absätze zu beschränken,
b. Absatz 3 als §. 146 a zu bestimmen,
C. Absatz 4 als §. 148 Absatz 1 zu bestimmen.
Weiter sind eine große Reihe redaktioneller Aenderungen von Vertretern der konservativen, der freikonservativen, der nationalliberalen, der Centrumspartei und der Freisinnigen gemeinsam eingebracht worden. Außerdem liegen Anttage von Richter, Barth und Cremer (Teltow) vor.
Literatur.
Sozialpolitik.
In Carl Heym ann's Verlag hier ist soeben ein Kommentar des Reichsgesetzeß vom 29. Juli 1890, betreffend die Gewerbegerichte, von Dr. S. Wilhelmi, Kaiserlichem Regierungs⸗Rath im Reichsamt des Innern, und Dr. M. Fürst, Königlichem Ober Bergrath im Ministerium für Handel und Gewerbe, erschienen, auf welchen wir hiermit die Aufmerksamkeit der betheiligten Kreise hinlenken wollen. Der Kommentar ist im Wesentlichen für die Bedürfnisse der Praxis geschrieben und beabsichtigt, die schwierige Thätigkeit, welche das Gesetz den Mitgliedern der neuen, für die Erhaltung des sozialen Friedens so überaus wichtigen Fachgerichte, insbesondere deren Vorsitzenden zuweist, zu erleichtern. Auch für die Kommunen und Behörden, welche gerade jetzt, nachdem das Reichsgesetz mit dem 1. April d. J. in vollem Umfange in Kraft getreten ist, mit der Erörterung der Bedürfnißfrage, der Aufstellung und Prüfung der Statuten u. a. m, heschäftigt sein dürften, wird der Kommentar, dessen Umfang weit über den der bis jetzt erschienenen Bearbeitungen des Gesetzes . vermuthlich ein willkommener Rathgeber sein. Insbesondere haben sich die Verfasser die Erläuterung der grund⸗ legenden Begriffe der Gewerbeordnung, die für die Auslegung wichtige Entstehungsgeschichte des Gesetzes, die Feststellung derjenigen Bestim— mungen der Civilprozeßordnung, welche zur Anwendung kommen können, sowie die Darlegung der Verhältnisse der Bergwerksindustrie, welche zu abweichenden Vorschriften binsichtlich der Berg⸗Gewerbe⸗ gerichte geführt haben, angelegen sein lafsen. Der Preis des Werks stellt sich — gebunden — auf 9 6.
Verkehrs⸗Anstalten.
Die Direktion der Aachener und Münchener Feuer⸗ Versicherungsgesellschaft zu Aachen hat den Betrag von zehn Prozent der Brutto⸗Prämieneinnahme für das Jahr 18990 aus den bei der genannten Gesellschaft bestehenden Feuer⸗ versicherungen von Beamten und Unterbeamten der Reichs⸗ Post⸗ und Telegraphenverwaltung mit Eintausend sieben—⸗ hundert und neunundachtzig Mark der Kaiser Wilhelm⸗Stiftung für die Angehörigen der Reichs— Post⸗ und Telegraphenverwaltung zur Vermehrung
der zu Unterstützungszwecken jährlich zu verwendenden Stiftungs⸗ einkünfte überwiesen.
London, 18. April. (W. T. B.) Der Union⸗Dampfer Arab“ ist heute auf der Ausreise von den Canarischen In seln abgegangen.
— 20. April. (W. T. B.) Der Union ⸗Dampfer Moor“ ist gestern auf der Heimreise in Southampton angekommen.
Theater und Musik.
Königliches Opernhaus.
Zur Feier der Verleihung neuer Fabnen und Standarten an einzelne Truppentheile fand am Sonnabend Abend im Königlichen Opernhause Théstre pars statt. Zur Aufführung gelangten der 2. Akt von Meverbeer's „Feldlager in Schlefien“ und das Ballet Militaria“ von Taglioni und Hertel. Außer Ihren Majestäten dem Kaiser und der Kaiserin wohnten der Vor stellung bei: Seine Königliche Hoheit der Erbgroßherzog von Baden, Seine Hoheit der Erbprinz und Ihre Königliche Hoheit die Erbprinzessin von Sachsen⸗Meiningen, Ihre Hoheiten der Herzog Ernst Günther und der Prinz Albert zu Schleswig Kolstein und Ihre Durchlaucht die Prinzessin Marie von Sachsen-⸗Meiningen. Das mit einer glänzenden Gesellschaft dicht besetzte Theater gewährte einen festlichen Anblick. Die Zuschauer folgten der Aufführung des „Feldlagers“ mit sichtlichem Interesse und ließen sich durch die vorzüglichen Leistungen des Frl. dell' Era und des Hrn Müller in dem Ballet „Militaria“ gegen die sonstige Gewohnheit bei dergleichen Vorstellungen zu lebhaften Beifalls⸗
äußerungen hinreißen. Deutsches Theater.
Ihre Majestäten der Kaiser und die Kaiserin und Seine Hoheit der Herzog Ernst Günther zu Schleswig ⸗Holstein beehrten gestern die Aufführung des Lustspiels „Die Kinder der Excellenz' mit Ihrem Besuch. Der Kaiser beauftragte den Direktor L'Arronge in huldvollster Weise, allen Mitwirkenden Seine Anerkennung auszu⸗ sprechen. In der Pause nahmen Ihre Majestäten in den Vorzimmern der Kaiserloge den Thee ein.
Berliner Theater.
Nachdem Ludwig Barnay seit länger als zwei Jahren, nämlich seit dem 1. April 1889, in Berlin die Rolle des „Uriel Acosta“ nicht gespielt hat, geht dieses Werk Montag, den 27. April, mit Barnay in der Titelrolle aufs Neue in Scene.
Lessing⸗ Theater. -
Vorgestern Abend eröffnete Hr. Friedrich Haase eine Reihe von Gastspielen als Didier von Mortemer in Victorien Sardou's Die alten Junggesellen“, einem älteren Lustspiel des Dichters, welches ein Bild aus der französischen Gesellschaft vorführt., das nichts weniger als belustigend wirkt. Das Stück ist hier in Berlin auf einer anderen Bühne vor Jahren bereits viele Male gegeben worden. Man erinnert sich der drei verlotterten alten Junggesellen aus der vornehmen französischen Gesellschaft, nach denen das Stück seinen Namen führt und von welchen Mortemer der geistvolle, feinsinnige, in allen Sätteln gerechte Kavalier ist, während der zweite einen unbedeutenden Lebe⸗ mann und der dritte, nachdem er seine Kraft in einem wüsten Leben vergeudet, nur mehr die Ruine eines Mannes, einen albernen alten Schwachkopf vorstellt. Auch Mortemer hat das Leben in vollen Zügen genossen; aber noch ist er Herr seines Willens und im Besitz eines reich veranlagten Geistes, durch den er den Frauen, deren sittlichen Werth er nach seinen Erfahrungen sehr gering schätzt, noch immer gefährlich werden kann. Im Begriff auf, neue Croberungen auszugehen, sehen wir ihn sich mit einer Lüge in ein vornehmes Haus und in einen Kreis der Gesellschaft einführen und gegen den Willen der Männer sich be— festigen und behaupten, indem er durch sein gewinnendes Wesen der Liebling aller Damen des Kreises wird. Für solche Rollen ist Friedrich Haase ganz besonders veranlagt gewesen, und bisher hat das Alter ihm noch nichts von all den bestechenden Eigenschaften, von der leichten Beweglichkeit und dem sympathischen Ton geraubt, die dem Beherrscher der Salons eigen sein müssen; ohne Vordringlichkeit kühn, ohne Schmeichelwort liebens⸗ würdig, in jeder Bewegung ron vornehmer Zurückhaltung und doch vertraulich sein, das versteht Haase wie kaum ein Anderer. Die Rolle Mortemer's verlangt aber mehr. — Im Hause des Herrn von Chavenay begegnet ihm die in jugendlicher Unschuld und Rein— heit erblühte Antoinette. Mortemer wird von ihrer Schönheit bezaubert, von ihrer kindlichen Seele gefesselt; er will den teuflischen Versuch machen, die Tugend zu besiegen. Ein Zufall gestattet ihm in Verbindung mit einem Treubruch das unschuldigg Mädchen in seine Wohnung zu locken und hier bleiben alle seine Verführungskünste der reinen Kindesseele gegenüber machtlos: wie Haase diese Scenen spielt, das Alleinsein nach der Oper, bei dem die Liebe in ihm erwacht und das téte-Aà-täte in der Junggesellenwohnung, bei dem der alte Sünder sich nicht nur überwunden sieht, sondern tiefe Reue ibn überkommt, — das ist geradezu meisterhaft. Weiterhin war zwar auch die stimmungs— volle Scene vor dem verabredeten Duell von großer Wirkung, aber jener Höhepunkt wurde nicht wieder erreicht, am Wenigsten in der Schlußscene, in welcher Mortemer sich als den natürlichen Vater Nantya's zu erkennen giebt. — Wenn man die Kunstleistung Haase's als Ganzes in Betracht zieht, so kann man nur bedauern, daß so viel feiner künstlerischer Sinn sich keinen würdigeren Gegenstand zu seiner Bethätigung gusgesucht hat; jedenfalls aber ist Haase's Mortemer eine lebensvolle, einheitlich erfaßte und verkörperte Person, die k und den Beifall verdient, der dem Künstler zu Theil wurde.
Von den übrigen mitwirkenden Kräften haben wir in erster Linie Fr. Lilli Petri zu nennen, welche das reine unschuldsvolle Mädchen im Wesen und im Ton recht gut traf und durch ihre Anmuth und Schelmerei erfreute, doch hätte manches Wort empfindungs« voller, manche Frage mehr geheimnißvoll betont werden können. Frl. Detschy, Frl. Reichenbach und Frl. Groß gaben ihre wenig bedeutenden Rollen tadellos. Von den Herren spielte Hr. Ranzenberg temperamentvoll und brachte die jugendliche Leidenschaft wirksam zum Ausdruck. Hr. Blencke war als der schwachsinnige Junggeselle Beaucourtois zuweilen recht komisch. Die übrigen Mitwirkenden thaten jeder an seinem Platz ihre Schuldigkeit, sodaß auch das Zusammenspiel zu loben ist.
Wallner ⸗· Theater.
Der Komponist von „Des Teufels Weib“, Hr. Adolf Müller, hat an Hrn, Kommissions Rath Hasemann ein Schreiben gerichtet, in welchem er ihm seinen Dank ausspricht für die glänzende Inscenirung und die vortreffliche Besetzung, die dem Werke hier zu Theil geworden.
: Kroll's Theater.
Gestern Abend wurde die sogenannte Sommer Oper sehr würdig mit Beethoven's „Fidelio eröffnet. Die Wahl gerade dieses herrlichen Tonwerks dürfte dem Umstande zu verdanken sein, daß für die Titelrolle eine hervorragende Vertreterin in Fr. Lilli Lehmann vorhanden war. Die Vorzüge, welche das Organ dieser Künstlerin besizt, die Kraft und der Wohllaut, sind ihr in all den Jahren un verändert erhalten geblieben. Selbst mitfühlend, wird ihr der Ausdruck des Schmerzes und der Freude zur anderen Natur; im Zorn ergreifend, im tiefen Seelenschmerz rührend und im Jubel der Freude hinreißend, übte die Sängerin gestern Abend tiefe Wirkungen auf die Hörer, welche ihr reichen, oft stürmischen Beifall zollten, dem sich zahlreiche Hervorrufe, Kranz. und Blumenspenden anschlofsen. Die Marzelline wurde von Frl. Clever recht erfreulich gesungen und gespielt; die Dame besitt eine angenehme Bühnenerscheinung und gewinnendes Wesen; ibre Stimm- mittel könnten an Kraft bedeutender sein, reichen aber für den Kroll⸗ schen Theaterraum soweit aus, daß sie im mehrstimmigen Gesang neben den, anderen Kräften, selbst neben einem ,, wie Fr. Lehmann, sich genügend Geltung verschaffen.
en KRorestan gab. Hr. P. Kalisch, der von feiner Thätigkeit am Königlichen Opernhaufe her in po heile st Erinnerung geblieben ist. Die kräftige Stimme dieses Sängers wirkt mehr durch die äuñßere Gewalt als durch den seelischen Ausdruck; es fehlt ihr an Wärme und Gefühl. Die Kerkerarie büßte dadurch viel
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