Wir können heute garnicht wissen, welche Einkommen? beträge bei einer richtig veranlagten Einkommensteuer aus den verschiedenen Quellen flicßen, wir wissen nicht das Verhältniß des fundirten und unfundirten Einkommens. Wir wissen nicht, was aus den Kapital renten, was aus dem Gewerbebetrieb, was aus dem Grund und Boden an Netto ⸗Einkommen resultirt, wir können also, da wir diese Voraus setzungen unbedingt brauchen für den zweiten Schritt, den selben gegenwärtig noch nicht thun. Darüber kann nicht der mindeste Zweifel sein. Man müßte sich daher entschließen, die ersten Maß nahmen für sich zu behandeln, die auch in sich ihren selbständigen Werth haben, selbst wenn die zweite Phase garnicht folgen würde. Aber ich habe es doch für meine Pflicht gehalten, namentlich bei dem gegenwärtigen Stadium, einige all gemeine Gesichtspunkte auszusprechen, wie ich mir den vollen Abschluß einer planmäßig durch⸗ geführten Steuerreform im Staate und in der Kommune denke. Im Abgeordnetenhause bin ich vielfach auch von Gegnern der Steuerreform und von diesen vorzugsweise gedrängt worden, in dieser Beziehung noch mehr Detail zu geben. Ich habe das immer abge— lehnt, indem ich sagte: Die Schwierigkeiten, die wir bei dem ersten Schritte haben, sind schon groß genug, als daß ich noch Veranlassung hätte, sie zu vermehren durch Aufstellung von Fragen, die heute Doktorfragen sind. Wenn ich nun in der Kommission des Herren⸗ hauses etwas weiter gegangen bin, well wir nach und nach an den Abschluß der Reform in der ersten Phase gelangen, so muß ich nach den Ausführungen und Erörterungen des Herrn Ober ⸗Bürgermeisters Struckmann fast bereuen, das gethan zu haben; denn ich sehe gleich die üblen Folgen, die es hat, wenn man solche Aeußerungen macht. Die Darlegung desselben beruht wesentlich auf einem vollkommenen Mißverständnisse, einem Mißverständnisse, welches allerdings leicht entstehen kann, wenn man keine konkreten, realen Fragen vor sich hat, sondern nur allgemeine Gesichtspunkte ausspricht. Meine Herren, wenn das Ergebniß dieser Steuerreform sein sollte, daß der Staat im Wesentlichen auf die Objektsteuern ver⸗ zichtet, also in der direkten Besteuerung vorzugsweise und vielleicht ausschließlich auf eine Einkommensteuer angewiesen wird, welche, auf der Basis der Deklaration veranlagt, zwischen fundirtem und nicht fundirtem Einkommen unterscheidet, so ist völlig klar, daß der Staat, wenn er bierzu übergeht, die allerschärfsten Garantien haben muß. Zu den Garantien, daß seine Einkommensteuer nicht gefährdet wird, ich möchte den Ausdruck gebrauchen, nicht demoralisirt wird, gehört auch, daß die Kommunalbesteuerung nicht wesentlich sich vollzieht in der Form der Zuschläge zu der Einkommensteuer. Wir mögen noch so gute Bestimmungen machen in den Para—⸗ graphen des Gesetzes; wenn in ungemessener Höhe die kommunalen Zuschläge zu der Einkommensteuer stattfinden, so wird ihre richtige Veranlagung immer gefährdet sein. (Sehr richtig) Wenn die Kommunen ibre Interessen vertreten, — und ich gehöre gewiß zu Denen, die die bohe Bedeutung unseres kommunalen Wesens und der kommunalen Besteuerung für die Wohlfahrt des Volkes anerkennen, — so hat auch der Staat seine Rechte, und wir dürfen die Rechte des Staats in dieser Beziebung, die Sicherbeit des Staats, auf einer festen, direkten Steuerbasis zu ruhen, unter keinen Umständen preisgeben. Wenn nun der Staat im Wesentlichen ver⸗ zichtet auf die Objektsteuern und diese der Kommunalbesteuerung in irgend welcher Form überläßt, so refultirt von selbst, daß er bean spruchen muß, daß die Zuschläge zur Einkommensteuer in der Kom⸗ munalbesteuerung einen mehr sekundären Charakter annehmen. (Sehr richtig) Mehr babe ich auch garnicht gesagt. Ich denke gar— nicht daran, wie ich die Ausgaben unserer Kommunen und ihre Verhält⸗ nisse kenne, daß die Zuschläge zur Einkommensteuer gänzlich entbehrt werden könnten. Das wird sich ohnehin in den einzelnen Kommunen verschieden gestalten, da nach Schablone zu verfahren, wäre unmöglich; das wird sich nicht bloß in Stadt und Land verschieden gestalten, sondern auch in den einzelnen Städten je nach ihrer Größe und Wohlhabenheit, je nach ihren Ausgaben, den Zweckbestimmungen, zu welchen die Einnahmen verwendet werden. Aber das Prinzip muß sein: wenn die Objektsteuer aus der Staatssteuer verschwindet, der Staat wesentlich auf die Personalsteuer angewiesen ist, daß in der Kommune mehr die Objektsteuern in den Vordergrund treten und die Einkommensteuer einen sekundären, wie ich immer gesagt habe, ergänzenden Charakter annehme. Meine Herren, wer von uns wollte heute übersehen, wie weit wir mit diesem allgemeinen Gesichtspunkte gelangen können. Das wird erst dann entschieden werden können, wenn wir mit benannten Zahlen rechnen, wenn wir erst wissen, wie viel das Mehr aus der Einkommensteuer beträgt, welches wir hier erwarten. Dann werden wir erst sagen können, welche Prozent sätze der Grund⸗ und Gebäudesteuer wir überweisen können; dann werden wir auch entscheiden können, ob dieselbe Art der Ueber⸗ weisung an die Kreise aus den agrarischen Zöllen angezeigt ist, ob wir hier ebenso verfahren, wie wir verfahren werden bei der Ueber⸗ weisung von Grund ⸗ und Gebäudesteuer nach meinen Ideen. Da werden wir uns noch über eine Menge schwieriger Fragen einigen müssen, ehe wir uns darüber entscheiden, und ich möchte dringend warnen, hier vorzugreifen. Fast jeden Satz, den Herr Ober⸗Bürger⸗ meister Struckmann gesprochen hat, hat er mit den Anfangsworten begonnen: wenn ich mir nun denke, daß das und das eintrete“, (Heiterkeit), da, meine Herren, ergiebt sich eben das Bedenkliche dieses ganzen Vorausgreifens. (Heiterkeit) Man soll sich in der Gesetz⸗ gebung nur mit Dingen beschäftigen, die man unmittelbar entscheiden kann, und es genügt zur Zeit, wenn man über die allgemeinen Gesichts⸗ punkte einig ist.
Unterlassen möchte ich zum Schlusse aber doch nicht, meine Freude darüber aussprechen, daß auch Herr Struckmann mit den ganzen Grundgedanken dieser Reform sich einverstanden erklärt hat. Und das ist das Erfreuliche, was sich ergeben hat bei den Berathungen im Abgeordnetenhause und hier. Trotz der Bedeutung der Interessen⸗ gegensätze, die hier auf dem Spiele stehen, ist doch im Großen und Ganzen über die Grundgedanken der Reform zwischen den in Betracht kommenden Parteien und den ver— schiedenen Anschauungen eine völlige Uebereinstimmung erzielt. Das ist ein Resultat, welches man festhalten und sich nicht verkümmern lassen soll dadurch, daß man einzelne Spezialfragen in den Vorder⸗ grund schiebt. Wir sind einig, meine Herren, darüber, daß die heutige Einkommensteuer eine mangelhaft veranlagte ist, daß wir sie zur Wahrheit machen müssen, daß das eine soziale Verpflichtung erst recht der besitzenden Klassen ist. Wir sind einig darüber, daß diese Er⸗ trägnisse verwendet werden sollen, um die bisherige Ungleichheit der
zwischen Personal⸗ und Objektsteuer auszugleichen, soweit die Finanzen es irgendwie gestatten. Wir sind einig darüber, daß wir demnächst versuchen wollen, in zweckmäßiger und durchführbarer Weise das fun⸗ dirte Einkommen von dem nicht fundirten zu unterscheiden. Wir sind einig darüber, daß in diesem Verfolg ein neues Kommunalsteuergesetz gegeben werden muß. Wir sind einig darüber, daß die Ueberweisung der Grund⸗ und Gebäudesteuer nicht als einfache mechanische Maß⸗ regel zu treffen ist, sondern als integrirender Theil des ganzen Kommunalsteuerwesens. Ich für meinen Theil bin mir auch klar darüber, daß die Kommunen in Zukunft durch das Gesetz nicht zu binden sind, daß dieselben die Form der Besteuerung in Bezug auf die Objekte beibehalten, die heute der Staat hat, nämlich die Gebäudesteuer und die Grundsteuer. Ich kann mir sehr wohl denken, und es ist wohl zweifellos, daß die Gebäudesteuer für große Städte sich nicht überall eignet, daß eine Steuer, die auf 15 Jahre unverändert veranlagt wird, in einer Stadt, wo sich von heute auf morgen fast die Werthe ändern, sich nicht empfiehlt. In dieser Beziehung werden wir den Kommunen in dem Kommunal⸗ steuergesetz die möglichst freie Bewegung gewiß nicht beschneiden, und ich glaube, damit könnte auch Herr Struckmann sich trösten. Meine Herren, gehen wir an das Kommunalsteuergesetz, so werden wir auch andere Fragen zu lösen haben, als die bloße Frage der Kommunal⸗ besteuerung; da wird die Gebührenfrage in den Vordergrund treten, wir werden Maßregeln treffen müssen, daß nicht allzu früh auf all⸗ gemeine Kosten für Unterne mungen, die nur Einzelnen zu Gute kommen, die allgemeine Steuerschraube in Anwendung gebracht wird, und auch dadurch wird es gelingen, die ungemessenen Zuschläge zur Einkommensteuer einigermaßen zu beschränken. (Bravo!)
Ober ⸗Bürgermeister Struckmann: Er habe diese Frage nur zur Sprache gebracht, damit nicht die Erklärung der Regierung un⸗ widersprochen in die Welt hinausgehe und man später vielleicht darauf hin eine neue Vorlage aufbaue.
Finanz⸗Minister Dr. Miquel: Meine Herren! Ich habe den Bericht auch genehmigt, und daher möchte ich noch beinerken, daß ich den Wortlaut des Berichts in jeder Weise aufrecht erhalte. Wenn ich bier sage, es ergebe sich aus der Art und Weise, wie man die Schwankungen der Einnahmen aus den Forsten bei der Einkommensteuer zu behandeln hätte für eine Kommunalsteuer, daß die Einkommensteuer nicht als die eigentliche Grundlage für die Kommunalbesteuerung aufgefaßt werden dürfe, so erhalte ich das aufrecht. Ich babe mich nicht gegen das Zuschlags— system überhaupt ausgesprochen, sondern es heißt hier:
„Deshalb müsse vor Allem mit dem gegenwärtigen ganz überwiegenden Zuschlagssystem gebrochen werden.“
Auch das halte ich in jeder Weise aufrecht und kann nicht zugeben, daß der Bericht Veranlassung gegeben hätte zu so weit gehenden Befürchtungen, wie sie der Herr Ober⸗Bürgermeister Struckmann aus⸗ gesprochen hat.
§. 7 wird angenommen.
Zu §. 10 beantragt Freiberr von Durant, statt der drei⸗ jährigen Durchschnitte sechsjäbrige der Veranlagung zu Grunde zu legen; namentlich sei dies bei den Einnahmen aus Forsten und bei Handels⸗ und Gewerbeunternehmungen mit schwankendem Ertrage
nothwendig. . General⸗Steuer Direktor Burghart widerspricht diesem Antrage,
weil sechs Jahre für Forsten auch noch zu gering bemessen sein würden, während sie für Handel und Gewerbe zu lang seien. Jedenfalls werde dadurch die Veranlagung erschwert.
Der Antrag wird abgelehnt.
Zu §. 16, „Besteuerung der Aktiengesellschaften u. s. w.“ beantragt:
Ober ⸗Bürgermeister Zweigert zur Vermeidung der Doppel- besteuerung, den von dem Abg. Freiherrn von Zedlitz in dritter Lesung im Abgeordnetenhause vorgeschlagenen, aber vom anderen Haufe nicht angenommenen S. 66a in das Gesetz aufzunehmen. Bei der jetzigen Fassung des 6 ei eine Doppelbesteuerung unvermeidlich, die namentlich für die Berg⸗ werksgesellschaften eine große Ungerechtigkeit in sich schließe, Daß die Gemeinden jetzt scon die Aktiengesellschaften besteuerten, sei kein Grund dafür, daß der Staat auch eine solche Steuer einführen müsse. Nur der Ümstand, daß Aktien von Ausländern besessen würden, recht ⸗ fertige eine Heranziehung der Aktiengesellschaften. Aber nach der Vor⸗ lage blieben auch von diesem Aktienkapital 33 0 steuerfrei, was nach dem Antrage des Redners nicht der Fall sei. Wenn es Ungerech⸗ tigkeiten auszugleichen gebe, dann sei dazu das Herrenhaus berufen a nt Ih, möge das nun den Grundbesitz oder das mobile Kapital betreffen.
Staats⸗Minister Camphausen: Er könne es verstehen, daß man der Bequemlichkeit wegen die Steuer von der Aktiengesellschaft direkt nehme und nicht erst warte, bis die Einnahmen von den Aktionären deklarirt würden. Aber die juristische Person der Aktien . werde nicht besteuert, sondern immer nur die Aktionäre. Wenn der Tarif des Abgeordnetenhauses, den er nicht so sehr loben könne, wie vielfach geschehen sei (hört), angenommen werde, so
würden die Aktiengefellschaften und die Aktionäre besteuert werden. Deswegen müsse man Mittel und Wege suchen, um die Doppel⸗ besteuerung zu vermeiden.
Finanz⸗Minister Dr. Miquel:
Die Herren Vorredner haben, wenn ich recht verstanden habe, die Besteuerung des Einkommens der Aktiengesellschaften selbst nicht bestritten. Auch Excellenz Camphausen hat es gebilligt, daß das Einkommen bei den Aktiengesellschaften selbst besteuert wird aus praktischen Gründen. Sie haben sich nur zur Unterstützung des Antrages Zweigert, wenn ich recht verstanden habe, dafür ausgesprochen, daß Mittel und Wege gesucht werden müssen, um die Doppelbesteuerung zu beseitigen und nicht auf dem halben Wege stehen zu bleiben, den die Staatsregierung vorgeschlagen hat. Meine Herren, über diese Frage ist das Für und Wider — und man muß unbefangener Weise anerkennen, daß beides vorhanden ist — so aus⸗ giebig in den Vorverhandlungen in den Kommissionen sowohl wie im Abgeordnetenhause erörtert, daß ich mich hier wohl darauf beschränken kann, einige Bemerkungen der Herren Vorredner zu berichtigen, die ich nicht für zutreffend halte. Herr Zweigert hat mehrfach den Aus druck gebraucht, als wenn die Aktiengesellschaften einer besonderen Besteuerung im Gewerbebetriebe unterlägen; das ist aber gar nicht zutreffend. Die Aktiengesellschaften zahlen eine Gewerbesteuer ebenso wie jeder einzelne Gewerbetreibende, sie können dadurch also sich in keiner Weise benachtheiligt finden, und die Aktiengesellschaften können nicht behaupten, daß, weil sie eine Gewerbesteuer zahlten, sie nun anders behandelt werden müßten in der Einkommensteuer, und daß dies namentlich ein Grund sei gegen die direkte Besteuerung der Aktien⸗ gesellschaften. Diese Frage der Besteuerung der Aktiengesellschaften mittels der Gewerbesteuer hat deshalb nach meiner Meinung hier
.
Camphausen sagen; die juristische Person hat kein Fleisch und Blut. Ja, meine Herren, bezüglich des Steuerfiskus kommt es darauf nicht an, ob die Person Fleisch und Blut bat (Heiterkeit), sondern nur darauf, ob sie Einkommen hat. (Heiterkeit) Wenn man sagt: es ist doch etwas ganz Juristisch ⸗Formallstisches, daß man bier zwei Personen fingirt; denn die juristische Person, Aktiengesellschaft, hat ja nur Einkommen zu dem Zweck, um es ihren Aktionären zu über- lassen, sie kann es selbst nicht genießen, so ist das ebensowenig ein entscheidender Grund. Sehr viele Menschen erwerben Einkommen in der Absicht, es nicht selbst zu verbrauchen, sendern dritten Personen zuzuwenden, namentlich ihren Nachkommen. Darauf kann also kein entscheidendes Gewicht gelegt werden. Ganz zutreffend ist es auch nicht, wenn behauptet wird, daß die Aktiengesellschaften durchaus nicht disponiren könnten über die Art der Verwendung ihres Einkommens. Sie haben zwar nach dem Statut, das sie sich selbst gegeben, zu verfahren; das Statut läßt aber der Aktiengesellschaft in vielen Beziehungen sehr weitgehende Dispositions⸗ freiheit: die Höhe der Abschreibung, die Höhe der Ueberweisungen an den Reservefonds, die Bildung des Erneuerungsfonds und darnach die Bemessung der Tantiè me und derjenigen Beträge, die den Aktionären zufließen sollen, liegt innerhalb der verfassungsmäßigen Beschluß⸗ fassung der Organe der Aktiengesellschaften. Sie können sich am Besten vergegenwärtigen, daß es richt ganz zutreffend ist, daß man es hier mit einer bloß formalen juristischen Unterscheidung von Persõn⸗ lichkeiten, die eine wirthschaftliche Einheit haben, zu thun habe, wenn Se sich einmal die Lage eines auswärtigen Altionärs vorstellen und die Verhältnisse seiner Besteuerung ins Auge fassen. Der auswärtige Aktionär betheiligt sich hier an einem gewerblichen Unternehmen, geführt in Form einer Aktiengesellschaft. Er ist aber selbst Gewerbe⸗ treibender, er führt in Preußen keinen Gewerbebetrieb und kann also auch zur Gewerbesteuer nicht herangezogen werden. Hat die Aktiengesellschaft Grundbesitz, ist der auswärtige Aktionär kein GSrundbesitzer, kann also auch nicht zur Grundsteuer herangezogen werden. Daraus ergiebt sich schon der wesentliche Unterschied, daß wenn die Aktionäre selbst Grundbesitzer wären oder selbst einen Gewerbebetrieb führten, sie als solche auch als Ausländer in der Steuer erscheinen würden. Also es handelt sich hier nicht bloß um formale juristische Unterschiede, sondern um eine erhebliche wirthschaftliche Differenz. Meine Herren, diese Entwickelung ist neueren Datums. Daß sie daher unter die Steuer⸗ gesetzgebung noch nicht richtig subsumirt ist, ist ganz natürlich, weil wir es hier mit einer neueren Entwickelung zu thun haben, die aber eine immer größere, gewaltigere wirthschaftliche Bedeutung bekommt und gegen welche sich die Steuergesetzgebung nicht gleichgültig ver⸗ halten kann. Wenn nun, dieser wirthschaftlichen Entwickelung folgend, alle übrigen deutschen Staaten, die ihre direkte Steuergesetzgebung
auf den Handel und Gewerbetrieb angewiesen sind, wie die Hanse⸗ städte, dennoch die Frage in eben dem Sinne entschieden hahen, wie wir sie beabsichtigen, so muß der Sache doch wohl eine erhebliche Bedeutung zu Grunde liegen. Meine Herren, wenn einer der Herren Vorredner die Höhe der Doppelbesteuerung nach Maßgabe der Stellung des einzelnen steuerpflichtigen Aktionärs in den Di⸗ gressionsstufen oder über dieselben mit 7 oder 8 oo bemessen hat, so ist dabei vergessen, daß wir den Aktionären bei der Besteuerung der Aktiengesellschaften 33 0/0 zu Gute rechnen. Das thut mit Ausnahme von Baden kein einziger anderer Staat; wir gehen in dieser Be⸗ ziehung weiter, wir haben in dieser Frage mehr Rücksicht auf die Schwierigkeiten genommen, welche gewiß hier vorliegen. Wenn ferner herausgerechnet worden, daß man bei der Besteuerung hier in dem Tarif — wir werden später darauf zurückkommen — bis zu Hool komme, so ist das ein Irrthum. Wenn wir hinaufsteigen wollen von 3 zu 40so, so müssen wir in den Zwischenstufen zwar allerdings bis zu 5 oo gehen, aber der Gesammtbetrag der Steuer, welcher der Einzelne unterworfen ist, bleibt immer nur bis zu 49e bemessen (Zuruf: darunter), bejw. auch darunter. Also auch das ist nicht zutreffend.
Meine Herren, ich habe bezüglich der Frage, die hier durch den Antrag Zweigert wieder angeregt ist, und die im Abgeordnetenhaus zu großen Debatten Veranlassung gegeben hat, die Stellung der Staatsregierung als eine mehr neutrale bezeichnet. Aber ich habe doch nicht verhehlt, daß nach unserer Auffassung — und ich kann dabei auch trotz der Ausführungen der beiden Herren Vorredner nur stehen bleiben — die Art und Weise, wie die Regie⸗ rung diese Aktienbesteuerungsfrage löst, die zutreffendere und zweck mãäßigere ist.
Ich muß ja anerkennen, daß der Antrag Zweigert gewisse Vor⸗ züge hat; er zieht auf der einen Seite den auswärtigen Aktionär ganz heran und auf der anderen Seite giebt er die Möglichkeit, jede etwa vorhandene Doppelbesteuerung ganz auszuschließen. Diese beiden Vorzüge sind zweifellos vorhanden, aber, meine Herren, an und für sich kann man doch sehr zweifelhaft sein, — und ich glaube, in dieser Beziehung wird gerade der Herr Staats⸗Minister Camphausen mir beipflichten nach seinen Aeußerungen — ob es richtig ist, das auswärtige Kapital, welches hier Belegung in Aktien sucht, schärfer in der Steuer heran⸗ zuziehen als das inländische, und das würde der Antrag Zweigert bewirken. Der auswärtige Aktionär würde sich nicht die Befrelung beschaffen können, wohl aber der inländische Aktionär. Das ist eigentlich für diejenigen, welche der Meinung sind, daß ein fruchtbar wirkendes auswärtiges Kapital uns ebenso lieb ist oder wenigstens auch lieb sein muß, kein richtiger Grundsatz.
Aber wenn ich diese beiden genannten Vorzüge auch zugebe, so ist dies eben eine komplexe Frage, wo man die Vorzüge und Nachtheile gegen einander abwägen muß, und da sage ich: die Wirkung dieses Antrages würde in allen Fällen sein eine außerordentlich verwickelte Verwaltungsaufgabe, eine sehr große Schreiberei; in manchen Fallen eine Umgehung des Gesetzes, ein nicht immer zu verhindernder Versuch, die Steuerpflichtigkeit zu umgehen; sie wird garnicht zu vergleichen sein mit der außerordentlichen Einfachheit, welche in der Regierungt⸗ vorlage durch den Abzug der 35 e vorhanden ist, und, was endlich das Bedenklichste bei der Sache ist, die großen Aktionäre, bei denen das Abrechnen zu Buche schlägt, die oft ihre Aktien auch vielfach länger behalten, werden hauptsächlich von diesem Abrechnungssystem Gebrauch machen können, während die kleinen Aktionäre, bei denen es vielfach gar nicht zu Buche schlägt, die nicht so geschäftskundig sind, die sich diese Schreiberei nicht machen können, vielfach uberhaupt von diesem Abrechnungssystem keinen Gebrauch machen werden. Wenn ich
vollständig auszuscheiden.
Besteuerung, wie sie historisch entstanden ist, in dem Verhältniß
Meine Herren, es ist ja vollständig zutreffend, wenn Excellenz
diese Vorzüge und Nachtheile gegen einander halte, so scheint mir die Regierungsvorlage noch immer das Beste und Einfachste und am
reformirt haben, und darunter gerade diejenigen, welche am Meisten
Gleichmãßigsten Wirkende. Das sind die Gründe, weshalb ich dabei bleibe, daß die Regierungsvorlage in dem vorliegenden Falle vorzuziehen ist. Ich brauche nicht zu wiederholen, daß es der Staatsregierung völlig fern gelegen hat, durch die Heranziehung der Aktiengesellschaften irgend eine Feindseligkeit gegen diese Entwickelungen auszusprechen. Wir wissen sehr wohl, daß diese Form der Kapital ⸗Assoziation für unsere heutigen wirthschaftlichen Verhältnisse bis auf eine gewisse Grenze eine Nothwendigkeit ist, aber wir glauben auch, daß die kleineren Kapital ⸗Assoziationen, die auch in ländlichen Verhältnissen, in allen wirthschaftlichen Verhältnissen des Lebens unentbehrlich sind, im Ganzen durch den Abzug der 39 o/o mehr getroffen und mehr begünstigt werden als die ganz großen Kapital ⸗Assoziationen, und ich finde das auch gerecht, denn die Rechte, welche die Gesetz⸗ gebung diesen Kapital ⸗Assoziationen gegeben hat, indem das Gesetz die persönliche Haftung der einzelnen Unternehmer aus—⸗ schloß, indem es den Aktien die Qualität des Papiers au porteur gab, indem es eine Reihe anderer Vortheile ihnen zuwies, kommen doch vor Allem den großen Aktiengesellschaften zu Gute, welche auch fast ausschließlich auf diese Form der Association angewiesen sind, während die kleineren Gesellschaften andere Formen, die genossenschaft⸗ liche Form u. s. w. zu wählen im Stande sind. Gerade auch nach dieser Richtung finde ich die vorgeschlagene modlfizirte Besteuerung der Aktiengesellschaften berechtigt.
Staats. Minister Camphausen: Die Besteuerung der Aktien⸗ gesellschaften wolle er nicht beseitigen, aber er halte die Regierungs⸗ vorlage für nicht gerecht, namentlich sei bedenklich die Steuerfreiheit von 380 des Kapitalwerths; die Aktiengesellschaften würden die bei ihnen beschäftigten Kapitalien möglichst vermehren, um die Steuer zu vermindern. Die progressive Steuer, welche das Abgeordnetenhaus beschlossen habe, sei der erste Anfang, um dem Sozialismus die Wege zu babnen. (Zustimmung.) Wenn man sage, Jemand, der 100 000 C Einkommen habe, konne von 96 900 „ ganz gut leben, warum sage man dann nicht gleich: mit 8o 000 M könne er auch noch leben. (Sehr
richtig) Deshalb: prineipiis obsta! Gerade der Beruf des Herren⸗
hauses sei es, in solchen Fragen festzustehen und dem Sozialismus die Wege nicht zu bahnen.
Ober ⸗Bürgermeister Braesicke: Die Besteuerung der Aktiengesell⸗ schaften sei allerdings eine Doppelbesteuerung, aber eine sehr gerechte Besteuerung. Denn die Aktiengesellschaften erfreuten sich des großen Privilegiums der Kapitalkraft, durch welche sie die einzelnen Ünter— nehmer weit übertrãäfen.
Ober -Bürgermeister Zweigert: Die Besteuerung der Aktien⸗ gesellschaften wolle man gar nicht beseitigen, sondern nur dafür sorgen, daß die Doppelbesteuerung vermieden werde. Die Kapitalien, weiche fluktuirten und oft den Besßttzer wechselten, treffe sein Antrag viel schärfer, als die Vorlage, Wenn der Antrag dahin wirken würde, daß die kleinen Leute ihr Geld in Aktiengesellschaften zu stecken ver— hindert würden, dann würde das der beste Erfolg sein.
General Steuer · Direktor Burghart bleibt dabei, daß die Vor⸗ lage das Bessere sei, sie nehme namentlich auch auf die Aktionäre Ruͤcksicht in sofern, als sie 3 /o der Einnahmen freilasse.
Graf von Mirbach: Er stehe den Aktiengesellschaften nicht sehr sympathisch gegenüber, aber habe sich nicht überzeugen können, daß hier eine Doppelbesteuerung nicht vorliege, und bitte deshalb, dem Antrag Zweigert den Vorzug zu geben. Es werde sonst ein gefährliches Praejudicium konstruirt hinsichtlich der Besteuerung der fundirten Einkommen.
Graf von Zieten⸗Schwerin: Der Minister Camphausen habe sehr unberechtigt die Sozialdemokratie ins Feld geführt. Er (Redner) halte es nicht für richtig, ihr allgemein eine solche Bedeutung beizulegen. Wenn er für die 40so stimme, lehne er es ab, daß er dadurch der Soꝛialdemokratie die Wege ebne. Gerade die kleinen Leute hätten das größte Interesse daran, ihr Geld möglichst hoch verzinst zu sehen; dazu seien besonders die Aktiengesellschaften geeignet und man solle die kleinen Leute nicht zwingen, ihr Geld in den niedrig verzinsten Staatspapieren anzulegen.
Herr von H elldorff (Bedra) tritt für die Regierungsvorlage ein. Den Aktionären die Steuern zu erstatten, fei zu schwierig. Die Um— wandlung vieler großer Betriebe in Aktiengesellschaften sei recht be⸗ dauerlich und es' sei nicht unerwünscht, das durch die Besteuerung eine solche Umwandlung verhindert werde.
Stadbtrath Theune tritt für den Antrag Zweigert ein, weil die Regierungsvorlage eine offenbare Doppelbesteuerung enthalte. Nach den Abschlüssen der Aktiengesellschaften im „Reicht. Anzeiger“ habe sich ergeben, daß 1889 ein Äktienkapital von 4 866 000 606 4 vorhanden gewesen sei. Der Reingewinn habe 9, l oso betragen. Rechne man bloß 9z, so blieben nach Abzug von 33 0½ zu versteuern 6 6so, oder 292 06060 009 ½ steuervpflichtiges Einkommen, das mache bei 3 0 Stener 8 758 000 M, und mit den Kommunalsteuern alfo über 16 000 000
General Steuer⸗Direklor Burghart: Diese Zahlen bezögen sich auf Was ganze Reich, seien glso fuͤr Preußen sehr viel niedriger, und dabei sei auch nicht in Betracht gezogen, was die Aktien gesellschaften bisher schon den Gemeinden hätten bezahlen müssen.
Der Referent Graf Udo zu Stolberg Wernigerode erklärt, daß der Antrag Zweigert bereits in der Kommission gestellt, aber abgelehnt sei, namentlich mit Rücksicht darauf, daß im 8. 17 die Steuer nur bis 3 Ge erhöht werde.
Der Antrag Zweigert wird abgelehnt und 5. 16 unver—⸗ ändert angenommen. . —
5. 17 enthält den Tarif; er ist von der Kommission dahin abgeändert worden, daß die Steuererhöhung bis auf 4 Proz., welche das Abgeordnetenhaus angenommen hatte, wieder gestrichen ist.
Graf Udo zu Stolberg⸗Wernigerode erklärt, daß die Kommission sich namentlich durch die Staatsregierung habe leiten lassen. Der Finanz ⸗Minister habe es für unrichtig gehalten, im Augen blick der Einführung der Deklaration zugleich den Steuersatz zu erhöhen. Denn mit der Höhe des Prozentsatzes steige auch die Ver⸗ suchung zur Umgehung.
Wirklicher Geheimer Rath von Kleist⸗Retzow: Bei aller Anerkennung der gründlichen Durcharbeitung der Vorlage und ihrer geschickten Vertheidigung durch den Finanz-Minister sei es ihm um so schmerzlicher, in einem Punkte von ihm abweichen zu müssen. Der Finanz ⸗Minister werde dem Hause vielleicht Dank wissen, wenn es den Steuertarif bis zu 4069 nach dem Beschlusse des anderen Hauses annehme gegen seinen Willen. Wenn der Grundsatz . Glei ches Recht für Alle in seiner ganzen Nacktheit besteben solle, würde dann ein Herrenhaus mit seinen verschiedenen Berechtigungen vorhanden sein? Joso sei einmal zufällig das Bedürfniß für die Steuer gewesen, und das solle nun etwas Historisches sein! Warum solle dabei Halt ge⸗ macht werden, und zwar bei Einkommen, bei denen die Höhe der Steuer eigentlich keine Rolle mehr spiele? Daß die Besteuerung mit A statt mit 3 00 die Leute vertreiben werde, sei durchaus nicht anzu⸗· nehmen. Das eine Prozent mehr werde für sie nicht so drückend sein, daß sie degwegen alle geselligen und sonstigen Beziehungen aufgäben. Wenn das Haus die 400 nicht annehme, begehe es eine große Un⸗ gerechtigkeit gegen das ganze Land, indem dadurch die Beseitigung der Voppelbesteuerung verlangfamt werde. Er könne es nicht verstehen, wie das den Finanz ⸗Minister hindern könne an der Unterscheidung zwischen fundirtem und unfundirtem Einkommen. Es mangele ihm (Redner) an dem Verständniß dafür, daß die Steuer von ¶ 0so eine sozialdemokratssche Maßregel sein folle. Die Sozialdemokratie wolle das ganze Einkommen haben, ihre Macht beruhe darauf, daß die be⸗ sitzenden Klaffen eg vergeffen hätten, daß das ihnen gegebene Ein ⸗ kommen ihnen von Gott als ein Fideikommiß gegeben worden sei, welches im Interesse der Allgemelnheit verwendet werden müsse. Deswegen sei es die Pflicht des Herrenhauses, die Bestimmung, welche
*
das Abgeordnetenhaus angenommen habe, aufrecht zu erhalten.
Es würde eine solche Beftimmung haben aufnehmen müssen, wenn 8 3 in den Beschlüssen des anderen Haufes entbalten wäre.
eifall.
SBGraf von Mirbach: Auf dem Gebiet der direkten Besteuerung könne ein sozialer Ausgleich wobl kaum gefunden werden. (Sehr richtig) Anerkennung babe die Vorlage nur gefunden in den Kreisen des Parlaments, aher nicht in der Bevölkerung; namentlich gelte dies auch vom Tarif. Wenn schon eine bessere Einschätzung eingeführt werde, so liege in der Erhöhung des Steuersatzes ein großer Fehler. Denn darin liege ein Anreiz, das Gesez zu umgehen. Daß reiche Leute dem deutschen Vaterlande den Rücken kehren würden wegen der Steuern, genire ihn nicht; die Leute könnten ruhig gehen. Aber es würde leicht möglich sein, daß Jemand aus Preußen nach anderen deutschen Staaten ginge und namentlich werde sich eine Verschiebung herausstellen von den kleinen Städten mit hohen Zuschlägen nach denen mit niedrigeren Zuschlägen, z. B. nach Berlin. Das sei aber sozial sehr bedenklich. Die 40/0 seien doch schon ein Anfang zur höheren Belastung des fundirten Einkommens. Das habe aber die . nicht erklärt und auch nicht erklären können. Dann aber solle man auch jetzt noch nicht mit dieser böheren Besteuerung hervortreten. Er halte das Odium, welches das Herrenhaus auf sich nehmen solle, wenn es die 4 0 streiche, für vollkommen bedeutungslos. Das Urtheil aller ruhig denkenden Männer werde es dabei hinter sich haben; das Urtheil aller Anderen existire für ihn nicht.
Freiherr von Durant hält die Wiederherstellung der Beschlüsse des Abgeordnetenhauses für nothwendig im sozialpolitischen Interesse. Durch die Erböhung der Steuer auf 4 9 werde eine sozial⸗ reformatorische Wirkung ausgeübt, und es werde der weitere Schritt der Steuerreform, die Ueberweisung der Grund⸗ und Gebäudesteuer, erleichtert und beschleunigt.
Fürst von Hatzfeldt⸗Trachenberg: Trotz vieler bedenklicher Bestimmungen habe der Entwurf sich der allgemeinen Zustimmung zu erfreuen und sei mit einer großen Mehrheit angenommen worden. Aber der Tarif, den das Abgeordnetenhaus angenommen habe, wider⸗ spreche den Grundsätzen der Gerechtigkeit. Denn es sei ungerecht, daß ein Tausendmarkschein nach einem anderen Grundsatze versteuert werden solle, wie der andere. Hier trete eine progressive Ein kommensteuer ein. Die Normalmenschen mit 10 0090 bis z0 000 S Einkommen sollten mit den historisch gewordenen 3 Co besteuert werden. Ueber diesen Normalmenschen ständen die bösen Reichen, die Millionäre, die vorläufig mit 4 9,υ– besteuert würden, aber die Sache werde bald weiter ausgebaut werden. Habe doch schon ein Mann, der sich sonst zur konservativen Partei halte, erklärt, daß er selbst vor 25 C Steuer nicht zurückschrecken würde. Wenn dazu Gemeindesteuern kämen, so wärde schließlich das ganze Ein— kommen konfiszirt werden. Es sei schon auffallend, daß eine aus Dreiklassenwahlen hervorgegangene Volksvertretung die progressive Einkommensteuer einführen wolle. Es würde geradezu eine Jonie sein, wenn das Herrenhaus, welches in erster Linie den Besitz schüͤtzen solle, diese progressipe Steuer unterstützte. Dadurch werde der Sozialdemokratie auf die wirksamste Weise Vorschub geleistet werden. Wenn eine Gleichheit der Vermögensverhaäͤltnisse herbei⸗ geführt werden solle, dann unterliege es für ihn keinem Zweifel, daß der Grundbesitz in erster Linie werde expropriirt werden. Die Annahme der 4 co greife der besonderen Besteuerung des fundirten Einkommens. vor. Die Annahme der 4 Ye widerspreche dem parlamentarischen Usus, denn in Preußen sei es noch niemals vor⸗ gekommen, daß die Volksvertretung der Regierung mehr gegeben habe, als diese gefordert habe. Hedrückend seien also die 4 0 gerade nicht. Aber es handele sich hier um eine Prinzipienfrage, und da sage er ebenfalls: prin cipiis obsta.
Graf von Pfeil spricht seine Freude darüber aus, daß der Finanz⸗Minister in durchaus konservativer Weise eine feste Ebene gegeben habe durch die Festhaltung der 3/9. Wenn man von dieser Ebene abweiche, komme man auf eine schiefe Ebene und wisse gar nicht, wohin man geführt werde. Gewiß thue Mancher nicht genug für die Allgemeinheit, aber ihn auf dem Wege der Steuer dazu zwingen, das heiße, dem Sozialismus den kleinen Finger geben, damit er sich bald die ganze Hand nehme.
Finanz ⸗Minister Dr. Miquel:
Meine Herren, ich bin den verschiedenen Herren Rednern, welche für die Regierungsvorlage und die Kommissionsbeschlüsse gegen die Beschlüsse des Abgeordnetenhauses in diesem Punkte gesprochen haben, für diese Hülfe sehr dankbar. Aber ich möchte doch von vornherein betonen, daß ich mir keineswegs alle Gründe aneigne, welche dieselben für die Regierungsvorlage angeführt haben. Wer wie ich persönlich so lange in dem parlamentarischen Leben gestanden hat, der weiß, daß in dem Eifer des Gefechts, in dem Bestreben, die Gegner zu überzeugen, Fragen, die an und für sich durchaus die eminente Trag⸗ weite nicht haben, oft allmählich immer mehr aufgebauscht, schließlich für grundlegende Prinzipienfragen, von deren Entscheidung das Wohl und Wehe des Staats und Landes abhänge, erklärt werden. Ich habe gefunden in meiner Praxis, daß das sehr gefährlich ist, daß so an Fragen höchst wichtige Folgen geknüpft werden, die das gar nicht verdienen, und daß es sehr zweckmäßig ist in dieser Beziehung, sich zu bemühen, möglichst nüchtern zu denken. (Sehr richtig! Wenn nun im Abgeordnetenhause Hr. von Gneist und hier Hr. Staats- Minister Camphausen, Männer, vor welchen ich den größten Respekt habe, es so darstellen, daß es sich hier um einen ganz prinzipiellen Schritt handle, bei welchem wir gewissermaßen das Programm der Sozial⸗ demokratie erfüllen, um eine ausgesprochen progressive Steuer, und es nicht zu verstehen sei, wie ein Landtag, beziehungsweise das Herren—2 haus, das berufen sei, den Besitz zu vertreten, sich selbst den Ast ab—⸗ säge, auf dem es sitze, — wenn Hr. von Gneist dies vergleicht mit dem Spielen der herrschenden Klassen vor 1789 mit den revolutionären Ideen, so sind das meiner Meinung nach sehr schöne Gründe, um sie anzuhören, man muß an sie nur nicht glauben. (Heiterkeit)
Wenn es sich hier wirklich um ein so gefährliches Prinzip handelte, so müßte die Progression nicht bei 100 000 M stehen bleiben. Nach den Prinzipien und den Anschauungen der Anhänger der progressiven Einkommensteuer hätte gerade bei 100 000 M nicht stehen geblieben werden dürfen, sondern es hätte gerade da die Progression fortgeführt werden müssen. Es ist vollkommen richtig gesagt in dem vom Hrn. Fürsten von Hatzfeldt angezogenen Blatte — ich weiß nicht, welcheg er im Auge hat —, daß die äußerste Konsequenz der progressiven Einkommensteuer bis zur Be⸗ steuerung von 100000 e— führt. Wie liegt nun hier die Sache? Das Abgeordnetenhaus schließt mit 100000 M ab. Von da tritt eine gleichmäßige Besteuerung ein. Von einer eigentlichen Progression kann also in Wahrheit keine Rede sein. Ich sage das absichtlich und habe Grund es zu sagen, weil es doch höchst bedauerlich wäre, wenn über diese eine Frage in der Meinungreverschiedenheit zwischen Herrenhauß und Abgeordnetenhaus einer so großen Reform wirklich eine Schwierigkeit bereitet werden könnte, die nicht zu überwinden wäre. Wenn man derartige prinzipielle Gegensätze ohne Noth konstruirt, so muß man auch einen Weg finden, auf dem man sich wieder herausfindet. Aber auch nach der anderen Seite hin hat die Frage nicht die gewaltige Bedeutung, wie man es dargestellt hat. Ich habe schon mehrfach ausgesprochen und wiederhole, daß, wenn es gelingen sollte, wie ich hoffe, zu einer zweckmäßigen Gestaltung
der Einkommensteuer Betreffs einer verschiedenartigen Besteuerung des fundirten und nichtfundirten Einkommens zu kommen, die Steuer⸗ skala, wie sie hier in dem Gesetz steht, doch einer wesentlichen Ab⸗ änderung unterworfen werden wird. Nehmen Sie einmal die Sätze, die heute der Degression unterworfen sind, ich will rund sagen bei 100 000 M Da können schon Censiten darunter sein, die eine Kapital⸗ rente aus einem Vermögen von gegen 300 000 MS haben; solche Cen- siten besonders zu begünstigen, als in ihren Verhältnissen schwache Steuerpflichtige, ist nicht der geringste Grund vor— handen. Vergleichen Sie damit aber einen Beamten, mit einer großen Anzahl Kinder, vielleicht einen Privatbeamten, der gar kein Recht auf Pension hat und gar kein Vermögen besitzt und 10000 4A Einnahme hat, so lange er lebt, so werden Sie mir zugeben, daß zwei ganz verschiedene Verhältnisse hier gleichmäßig besteuert sind. Ebenso liegt die Sache nach oben. Es ist ganz richtig und bis zu einer gewissen Grenze wahr, und ist im Abgeordnetenhause für die Vorschläge des Abgeordnetenhauses angeführt worden, daß in den Klassen von 30 000 bis 100 000 MS Einkommen wesentlich mehr fun⸗ dirtes Einkommen vorhanden ist, als in den anderen Stufen (Sehr richtig), daß also, wenn wir hier 4 0jso nehmen, wir schon einen Schritt thun in der Richtung der schärferen Heranziehung des fundirten Ein⸗ kommens. Gewiß giebt es Fälle, wo auch das perfönliche Einkommen mehr als 30 000 „M beträgt; aber das tritt doch zurück gegen die allgemeine Regel, die ich glaube als zweifellos hinstellen zu dürfen. Hieraus ergiebt sich, von selbst glaube ich, daß, wenn wir an die Frage des fundirten und nicht fundirten Einkommens gehen, die Skala einer Revision wird unterzogen werden müssen; und daher, wird das, was wir heute beschließen, doch nicht unbedingt definitiv bleiben; umsoweniger kann man der Sache eine so gewaltige prin⸗ zipielle Bedeutung beilegen, daß man davon das Stehen und Fallen des Gesetzes abhängig macht. Meine Herren, für die Staatsregierung — ich habe das in der Kommission ausdrücklich ausgesprochen — handelt es sich hier wesentlich um Opportunitätsgründe
aus welchen sie die Aufrechthaltung ihrer Vorlage gegen⸗ über den Beschlüssen des Abgeordnetenhauses wünscht. Zu den Gründen, die ich angeführt habe, daß nämlich eines— theils hier der definitiven Gestaltung der Einkommensteuer vorgegriffen würde durch das Abweichen von der gleichmäßigen pro⸗ zentualen Besteuerung, und ferner, daß es nicht rathsam sei, bei der ersten Einführung der Deklaration die Sache noch zu verschärfen durch einen höheren Prozentsatz, da man doch einmal der menschlichen Natur Rechnung tragen muß lsehr richtig! namentlich in Steuersachen, — will ich noch einen besonderen Grund anführen, der vorher von einem der Herren Vorredner — ich glaube es war Herr Graf Mirbach — angedeutet ist. Er sagte: Sind denn wesentliche Beschwerden darüber bis jetzt erhoben worden, daß in den oberen Stufen nicht ein höherer Prozentsatz erhoben wird als 3 Pυ.s,? Ich muß das bestreiten, sagt Hr. Graf Mirbach, und ich kann nicht anders sagen, als daß er hierin im Wesentlichen Recht hat. Die
Staatsregierung, indem sie an die Reform der Einkommensteuer
ging, hatte wesentlich zuerst die Aufgabe, die Beschwerden in Bezug auf die verschiedene Veranlagung der Klassen⸗ und klassifizirten Ein⸗ kommenstener zu beseitigen und darin Abhülfe zu schaffen. In Folge dessen mußte sie das verschiedene Verfahren bei der Veranlagnng der Klassen⸗ und klassifizirten Einkommenstener aufheben und beide Steuern unifizicen; in Folge dessen mußte sie weiter ein wirksameres Ver⸗ anlagungsverfahren herstellen vermittelst der Deklaration und einer anderen Zusammensetzung der Kommissionen.
Weiter mußte sie in wirksamerer Weise als bisher — denn auch dahin waren die Beschwerden gerichtet — eine Degression der Steuersätze für die kleineren Einkommen eintreten lassen, und mußte endlich durch Einsetzung eines obersten Gerichtshofs für die gleichmäßige Hand- habung der Steuerveranlagung und der Steuererhebung sorgen. Das waren die Aufgaben, die die Staatsregierung vor Allem sich stellen mußte. Die Aufgabe aber, nun eine verschiedenartige Besteuerung, abgesehen von denjenigen Fällen, wo es sich um eine nothwendige bessere Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse der Steuer pflichtigen handelte, einzuführen —, diese Aufgabe konnte sich naturgemäß die Staatsregierung gegenwärtig nicht stellen. Nun, meine Herren, sind die Ansichten im Lande auch bei den objektio Denkenden und nicht durch ihre eigenen, persön⸗ lichen Interessen befangenen Steuerpflichtigen über die Gerechtigkeit einer solchen Unterscheidung, nach welchen höheren Prozentsätzen das höhere Einkommen angefaßt werden müsse, noch sehr getheilt. (Sehr richtig!)
Ich behaupte, meine Herren, daß über die Nothwendigkeit der Deklaration, über die Nothwendigkeit, der Staatsregierung die nöthigen Mittel in die Hand zu geben durch die Konstruktion der Behörden und deren Befugnisse, das Einkommen wirksam zu veranlagen, über die Nothwendigkeit einer Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse in den unteren Stufen gar kein Streit mehr ist; wenigstens die⸗ jenigen, die anderer, abweichender Meinung sein mögen, wagen es nicht mehr autzusprechen. Diese Uebereinstimmung in der Rechtsanschauung, in der Anschauung von den Pflichten gegen den Staat ist vorhanden. In dem hier behandelten Punkte ist aber allerdings noch keine Uebereinstimmung vorhanden, und daher ist es vielleicht gerathen, zur Zeit noch wenigstens diesen Punkt nicht per majora entscheiden zu wollen. Meine Herren, Sie sehen, daß ich die Sache weit weniger aus dem prinzipiellen Gesichtspunkt, als aus dem Opportunitäts⸗ und legislatorischen Gesichtspunkte behandele, und ich erkläre ganz offen — ich wiederhole das — ‚daß für die Staats—⸗ regierung dieser Punkt, um den es sich hier handelt — mag man nun die Frage mit ja oder mit nein beantworten —,, nicht von der Bedeutung ist, daß dadurch dag Gesetz in irgend einer Weise gefährdet werden kannte. Meine Herren, wir haben ausgerechnet, daß das ganze finanzielle Re⸗ sultat 2 Millionen Mark ausmachen würde; also das wird auch nicht sehr entscheidend sein. Meine Herren, es ist ganz richtig, was namentlich auch im Abgeordnetenhause betont wurde, daß, nachdem das Abgeordnetenhaus sehr erheblich die Degressionssätze verstärkt und in den 5§. 18 und 19 die Berücksichtigung der persönlichen Verhält- nisse noch erweitert hatte, nachdem im Plenum des Abgeordnetenhauses durch das Recht der Zulassung des Abzugs von 600 MS bei der Lebens⸗ versicherung noch eine weitere Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse des einzelnen Censiten zugelassen war, nun naturgemäß der Gedanke entftehen konnte: sollen wir die Verluste für den Staat in den unteren Sätzen nicht wieder durch eine schärfere Heranziehung nach oben ausgleichen? und gerade Diejenigen, die nun betonten, daß einer