1891 / 97 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 25 Apr 1891 18:00:01 GMT) scan diff

der Hauptzwecke dieser ganzen Gesetzgebung doch sei, die ungerechte Vertheilung der Steuerlasten zwischen Personalsteuer und Abgabe⸗ steuer auszugleichen, waren nun umsomehr der Meinung, daß es be⸗ rechtigt sei, wenigstens das Gesammtaufkommen der Einkommen⸗ steuer, wie dasselbe sich nach der Vorlage der Staats⸗ regierung gestaltet haben würde, durch die Einführung dieses prozentualen Satzes von 400 wieder herzustellen. Aber ich glaube, es kann dies doch nicht den Ausschlag geben. Allerdings ist die Degression in den unteren Stufen jetzt sehr bedeutend geworden, und ich betone das namentlich gegenüber der vielfach auftretenden Be⸗ bauptung, namentlich auch in der Presse, als wenn die Mittelklassen hier nicht wesentlich entlastet würden. Meine Herren, gegen die bis⸗ herige Gesetzgebung werden die Einkommen bis zu 9500 M um nicht weniger als 6 Millionen Mark in der Steuer entlastet, und dabei habe ich die 600 M, welche bei der Lebensversicherung abgesetzt werden dürfen, was doch auch wesentlich gerade diesen Klassen zu Gute kommt noch nicht einmal berücksichtigt. Das ist eine sehr erhebliche Entlastung; kommt dazu die sehr bedeutende Entlastung und theilweise gänzliche Befreiung gerade der gewerbetreibenden Mittelklassen, so kann ich wohl behaupten, daß der preußische Staat für den Grund⸗ satz, die mittleren und niederen Klassen ihrer Leistungsfähigkeit ent⸗ sprechend zu entlasten, in vollem Maße eingetreten ist.

Meine Herren, ich habe schließlich noch eine persönliche Be⸗ merkung zu machen gegenüber dem Herrn Grafen Mirbach, ohne daß ich darauf ein allzu großes Gewicht lege. Ich möchte aber doch nicht ein Mißverständniß bestehen lassen. Ich habe bereits bei der ersten Lesung angedeutet, daß es nicht richtig sei den Staat in seinen Finanzen ausschließlich auf schwankende Einnahmen zu weisen, also auf die indirekten Steuern, und auf die gewerblichen Betriebe, die noch schwankenderer Natur sind, daß eine gewisse Summe der Staatseinnahmen stets gleichmäßig und stabil durch die Jahre sein müsse. Wenn der Staat nun jetzt die Grund- und Gebäudesteuer aus der Hand legen soll, die sicherste und stabilste aller Steuern, so hat er umsomehr Gewicht darauf zu legen, daß ihm ein Einkommen aus einer wirksamen und die Einkommen richtig treffenden Einkommensteuer gesichert werde, daß eine Konsolidation der Staats⸗ finanzen in diesem Sinne eintritt, es wird auch speziell in kritischen Zeiten, namentlich in Zeiten des Krieges von Bedeutung sein. Ich habe nicht entfernt daran gedacht, die Kriegskosten und die Opfer, die im Kriege zu bringen sind, durch die direkten Steuern allein decken zu wollen; aber, meine Herren, wenn die Zölle versagen, wenn die Eisenbahnen nicht viel mehr ausbringen, wenn die Kohlenarbeiter unter den Waffen stehen, wenn Holz nicht mehr verkauft werden kann, wenn Anleihen schwer unterzu— bringen sind, so ist jede Million von großer Bedeutung, und daß da die direkten Steuern noch am Wenigsten versagen, darüber kann kein Zweifel beslehen. Deshalb sage ich: allein auf schwankenden Einnahmen können die Staatsfinanzen nicht basirt werden. Da wird ein Zurückgreifen auf die direkten Steuern nöthig sein. Es ist ganz richtig, daß in schweren Zeiten auch der Einzelne schwer belastet ist. Aber Noth bricht Eisen. In allen Fällen muß der Staat die festen Einnahmequellen behalten.

Herr von Helldorff (Bedra): Er würde der Sache anders gegen⸗ überstehen, wenn nicht das Abgeordnetenhaus die 4 649 angenommen hätte. Die Mehreinnahme daraus sei als eine Unterstützung bei der Durchführung der weiteren Reform zu betrachten. Aus diesem Gesichts—⸗ punkt bitte er die Frage zu beurtheilen und nicht von dem Stand— punkt auszugehen, daß die Mitglieder dieses Hauses die Vertreter und Vertheidiger des Besitzes seien.

Minister des Königlichen Hauses von Wedell: Es handele sich nicht um 4 0s0 und 3 ,; im Herrenhause würde Niemand widersprechen, wenn die Regierung 400 verlangt hätte und wenn nach⸗ gewiesen worden wäre, daß 4 nothwendig seien. Aber das sei nicht geschehen. (Sehr richtig) Er habe nichts dagegen, daß man die unteren Stufen entlaste, aber zu sagen, daß die Personen mit höheren Einkommen die Steuern tragen könnten, das fei keine Be⸗ gründung. (Sehr richtig Darin liege nur der Anfang einer Pro gression, und wo das Ende sein werde, sei dabei gar nicht abzusehen. Eine Frage von so großer Bedeutung, daß daran die Votlage scheitern könnte, liege hier nicht vor; würde das der Fall sein, dann würde er sich für den Beschluß des anderen Hauses entscheiden.

Damit schließt die Diskussion.

In namentlicher Abstimmung wird der Antrag der Kom— mission (3 Proz. als höchster Steuersatz mit 1060 gegen 56 Stimmen angenommen.

Schluß 5 Uhr.

Haus der Abgeordneten. I4. Sitzung vom Freitag, 24. April.

Der Sitzung wohnen der Vize⸗Präsident des Staats⸗ Ministeriums, Staats-Minister Dr. von Boetticher, der Minister der öffentlichen Arbeiten von Maybach, der Minister des Innern Herrfurth und der Minister für Landwirthschast 2c. von Heyden bei.

Zunächst wird in namentlicher Abstimmung die Lanzgemeind eordnung für die sieben östlichen Provinzen der Monarchie im Ganzen mit 327 gegen 23 Stimmen an⸗ genommen. Mit Nein stimmen die Abg. Bartels, Graf Bassewitz, von Bodenhausen, Bohtz, von Born⸗Fallois, von Bredow, von Buch, von Bülow⸗Eckernförde, Graf zu Dohna⸗ Schlobitten, von Fölkersamb, Kasch, von Kröcher, Praetorius, von der Reck, Sack, von Wackerbarth, von Werdeck, Wüsten, Dr. Gerlich, Spangenberg, von Schalscha, Graf Zieten, von Meyer (Arnswalde).

Es . die erste Berathung des Entwurfs einer Städte— ordnung für den Regierungsbezirk Wiesbaden.

Abg. Wißm ann will sich der Mitarbeit an diesem vom Pre⸗ vinziallandtag genehmigten und vom Herrenhause angenommenen Gesetz nicht entzichen in der Hoffnung, daß es zu einem für den Regizrungesbezirk Wiezbaden brauchbaren Gesetz werde, und beantragt,

die Vorlage und die dazu eingegangenen Petitionen einer Kommifsio von 14 Mitgliedern zu en feng . 3

Abg. Grimm erklärt, daß die Mehrzahl der nassauischen Ab⸗ geordneten gegen die Vorlage keine Einwendungen zu erheben habe und dem Minister dankbar sei, daß er alle früher erhobenen Be⸗ denken gegen eine solche Vorlage beseitigt habe. Einer Kommissions⸗ berathung bedürfe es bei der Einfachheit der Materie nicht.

Der Antrag auf Kommissionsberathung wird abgelehnt, die zweite Berathung wird also im Plennnt stattfinden.

Ohne Debatte wird in erster und zweiter Berathung der Hesetzentwurf, betreffend die Veränderung Y der Grenzen einiger Kreise in den Provinzen Sst— preußen, Brandenburg, Sachsen, Hannover und der Rheinprovinz angenommen.

gänzung des gesetzes, betreffend die evangelische

Kirchenverfassung in den acht älteren Provinzen

der Monarchie, vom 3. Juni 1876.

Abg. von Ben da bittet um Annahme der Vorlage ohne Kom⸗ missionsberathung und betont die Nothwendigkeit neuer Kirchenbauten in Berlin. Der Kirchenbau in Berlin habe mit der Zunahme der Berölkerung nicht gleichen Schritt gehalten. Wenn man auf je 5000 Seelen eine Kirche rechne, so fehlten in Berlin noch 129 Kirchen, bei 8000 Seelen noch 64. Die Schwierigkeiten, welche die Aus⸗ führung dieses Gesetzes biete, kännten durch richtiges Zusammenwirken der kirchlichen und staatlichen Behörden überwunden werden. Alle Parteien müßten an der Förderung christlichen Lebens gemeinsam arbeiten. (Beifall rechts.) . ;

Abg. Dr. Langer hans erklärt, er wolle das Gesetz zwar nicht ablehnen, sei aber zweifelhaft, ob es auch bezüglich der Zwangsetati-⸗ sirung richtig werde angewendet werden. Es sei schon vorgekommen, daß Anträge von Kreissynoden auf Bewilligung des Anleiherechts abgelehnt worden seien. Er beantrage die Ueberweisung der Vor⸗ lage an eine Kommission von 14 Mitgliedern.

Regierungskommissar, Geheimer Regierungs⸗Rath Hegel er⸗ widert, daß der Vorredner sich bezüglich der Ablehnung solcher Anträge im Irrthum befinde, und weist darauf hin, daß in diesem Gesetz zum ersten Mal den vereinigten Kreissynoden das Anleihe⸗ 16 ö werde, daß deshalb auch das Korrelat der Umlagen nöthig sei.

Abg. von Eylnern meint, daß es mit bloßen Kirchenbauten nicht gethan sei; allerdings müßten die Parochieen getheilt werden, aber sehr wesentlich sei, daß den Gemeinden das Recht gegeben werden müsse, die Geistlichen zu wählen. Eine Kommissions⸗ berathung sei nicht erforderlich.

Abg. Dr. Langerhans sieht in der Zwangsetatisirung keine Sicherheit für die Gläubiger.

Abg. Knörcke tritt den Ausführungen des Abg. Langerhans bei, wünscht die Heranziehung der Mittel reicher Kirchengemeinden in Berlin zußgemeinsamen Zwecken und beklagt die geringe Vertretung Berlins auf der Provinzialsynode. Eine Anleiheverpflichtung dürfe das Gesetz nicht aussprechen.

Regierungs⸗Kommissar, Geheimer Regierungs- Rath Hegel er⸗ klärt, daß den vereinigten Berliner Kreissynoden durchaus keine Ver⸗ pflichtung zu Anleihen auferlegt, sondern nur das Anleiherecht gegeben werde. Mit dem Reichthum der Berliner Kirchengemeinden sei es nicht so weit her, denn ein Theil ihres Vermögens sei stiftungsgemäß zu bestimmten Zwecken festgelegt.

Abg. Dr. Brüel meint, daß die von den Abgg. Langerhans und Knörcke herangezogenen Fragen nicht vor dieses Haus gehörten. Das Gesetz sei so einfach, daß eine Kommissionsberathung nicht nöthig sei.

Abg. Francke tritt den Ausführungen des Abg. Knörcke be⸗ züglich der Verwendung der Mittel reicher Gemeinden entgegen. Redner hält eine Kommissionsberathung nicht für nöthig.

Auf eine Anfrage des Abg. von Eynern erklärt der Regierungs⸗ kommissar. Geheime Regierungs⸗Rath Hegel, daß die Regierung nicht annehme, daß den vereinigten Kreissynoden das Recht zustehe, Kirchengemeinden zu zwingen, von ihrem Kirchenvermögen etwas herzugeben.

Abg. Graf zu Limburg ⸗Stirum erklärt, daß seine Partei eine Kommissionsberathung nicht wünsche, ;

Abg. Dr. Langerhans zieht seinen Antrag auf Kom⸗ missionsberathung zurück.

In zweiter Berathung wird darauf ohne wesentliche Debatte der Gesetzentwurf angenommen.

Ohne Debatte wird in erster und zweiter Berathung der Gesetzentwurf, betreffend die Form der schriftlichen Willenserklärungen der Presbyterien der evan— gelischen Gemeinden in der Provinz Westfalen und in der Rheinprovinz, angenommen.

Es folgte die erste Berathung des Rentengüter— gesetz e s.

Abg. Sombart erklärt sich mit der Betheiligung der General Kommissionen bei der Durchführung des Gesetzes und der Wieder— zulassung der Rentenbanken bei der Ablösung der Reallasten ein⸗ verstanden. Gegen die Sozialdemokratie gebe es kein besseres Mittel als möglichst viele Landbewohner seßhaft zu machen. Zur Anlage kleiner Rentengüter müsse der Staat Güter ankaufen. Werde das Gesetz dahin modifizirt, so könne es dem Vaterlande zum Heile gereichen. (Beifall.)

Abg. von Tzschoppe erinnert daran, daß selbst die Freunde des vorjährigen Rentengütergesetzes dieses als todten Buchstaben be⸗ zeichnet hätten, wenn nicht daneben noch die Beschaffung von Kredit möglich gemacht werde. Diesen Zweck verfolge nun die Vorlage. Die drei Hauptpunkte der Vorlage, Begründung des Rentengutes, Ge⸗ währung von Varlehen für die erste Einrichtung durch die Rentenbank und Ablösung der Rente durch die Rentenbank, entsprächen den Wünschen seiner Partei und ließen die Rentengüter als lebensfähig erscheinen. Einige Bedenken könnten in einer Kommission erörtert werden, deren Einsetzung er beantrage. (Beifall rechts.)

Abg. Biesenbach tritt dafür ein, daß unter allen Umständen die Ablösbarkeit der Rente möglich sein müsse. Nur so könne der Gesetzentwurf auf allseitige Sympathie rechnen. Ein Mittelglied zwischen Großgrundbesitz und Kleinbesitz sei wünschenswerth, aber die Intervention des Staats, der hier die Vorsehung spielen solle, gefalle ihm am allerwenigsten.

Abg. von Holtz erklärt sich für das Gesetz, bemerkt jedoch für seine Person, daß ihm die Bestimmungen des 5. 4 über die Ablös—⸗ barkeit der Rente unannehmbar seien. Auch bei einer Kolonisation mit völlig ablösbarer Rente müßten die Rentenbanken eintreten, denn solche Güter seien immer noch Rentengüter.

Abg. Rickert ist mit einer Kommissionsberathung einverstanden. Er könne den guten Zweck des Gesetzes, die Seßhaftmachung der Be⸗ völkerung, wohl anerkennen, aber dieses Mittel werde ebenso wenig nützen, wie ähnliche Mittel in der Vergangenbeit. Man habe immer eine

Parzellirung der Domänen gewünscht, aber davon stehe jetzt nichts in diesem Gesetz. Der 5. 4 breche mit dem Prinzip der ganzen bisherigen agrarischen Gesetzgebung, wenn die Ablösbarkeit der Rente von der Zustimmung beider Theile abhängen solle. Die Staatsschulden be⸗ liefen sich auf Milliarden, und hier wolle der Staat eine neue Verpflichtung übernehmen, die gh auch auf Milliarden beziehen könne. Eine genügende Sicherheit sei nicht vorhanden, besonders zu Zeiten einer Krisis, die doch auch einmal eine allgemeine europässche Krisis werden könne. Mit demselben Rechte könne man auch in den Städten zu Gunsten der Wohnungsfrage der Arbeiter Staatskredit verlangen.

Minister für Landwirthschaft ꝛc. von Heyden:

Eine eingehende und ruhige Prüfung der Vorlage in einer Kommission ist selbstverständlich der Staatsregierung nur erwünscht. Ich hoffe, sie wird nicht dahin führen, wie der Hr. Abg. Rickert uns in Aussicht gestellt hat, das ganze Gesetz zu verwerfen, sondern zur Annahme im Wesentlichen unveränderter Form.

Von vornherein will ich bemerken: Der 5§. 4 hat von allen Seiten Widerspruch gefunden; auch über diesen Paragraphen werden wir uns in der Kommission zu unterhalten haben, an ihm wird die Vorlage nicht scheitern. (Bravo!)

Im Uebrigen werden die Herren mit mir einverstanden sein, daß ich auf die Milliardengespenster, wie sie in der Presse und jetzt hier vor⸗ getragen sind, nicht im Detail eingehe. Ich will wünschen, daß es sich, in einigen Jahren sagen wir, um 100 Millionen Rentenbriefe handelt. Weshalb diese Abneigung gegen die Rentenbanken? Die Staats⸗ regierung hat mit dieser Gesetzesvorlage nur dem in diesem und dem

Es folgt die erste Berathung des Gesetzentwurfs zur Er⸗

anderen Hause dringend ausgesprochenen Wunsch auf baldige Wieder ˖

eröffnung der Rentenbanken, bona fide und rasch Rechnung getragen, und dieselben für Ansiedelungszwecke nutzbar gemacht. Sie verweisen auf die Provinzen; die Provinzialverbände hindert Niemand an einer gleichen Thätigkeit. Es steht nur in Frage, einen neuen Weg zu eröffnen, um auf dem Gebiet, dessen Ausbau von allen Seiten als nothwendig anerkannt ist: in größerem Maße kleinere Grundbesitzer auf dem Lande anzusiedeln, vorwärts zu kom⸗ men. Die Rentengüter als solche sind uns nicht Selbstzweck. Wenn der Hr. Abg. Rickert sagt, der Staat müßte mit seinen Domänen anfangen, so klingt das ja ganz gut, aber so einfach geht es mit dem Zer⸗ schlagen der Domänen doch auch nicht; davon haben wir uns, wenig⸗ stens Diejenigen, die sich eingehend und gewissenhaft mit der Sache beschäftigt haben, doch schon seit längerer Zeit überzeugt. Die Staatsregierung verhält sich dem Ge⸗ danken der Schaffung kleiner bäuerlicher Stellen gegenüber keineswegs ablehnend, sie hat den Gedanken an eine eigene Thätigkeit keineswegs aufgegeben, und dies Gesetz ist gerade auch für diesen Zweck nutzbar gemacht, insofern Baukredite auch in solchen Fällen gegeben werden, in denen der Staat Land zur Ansiedelung ausgiebt. Die Hauptaufgabe aber, die zunächst in Frage stand, war die, Hand in Hand mit den Wünschen, die hier in den Häusern des Landtages zum Ausdruck gekommen waren, den Weg frei und gangbar zu machen für die Privatthätigkeit auf diesem Gebiet. Da hoffe ich allerdings, daß die Prophezeiungen des Hrn. Abg. Rickert in dieser Beziehung nicht in Erfüllung gehen werden, wenn er sagte, daß kein Mensch, kein Grundbesitzer sich finden werde, welcher seinerseits mit der Ansiedelung vorginge. Ich, wie gesagt, verzichte darauf, meinerseits zu prophezeien; aber die Staatsregierung hat ihre Schuldigkeit gethan, wenn sie den Weg frei macht.

Der Hr. Abg. von Holtz hat uns die interessanten und erfreulichen Ansiedelungsvorgänge aus seinem Heimathkreise mitgetheilt und vor⸗ geführt, was dort die freie Thätigkeit geschaffen hat. Der Or. Abg. Rickert sagt: Beantworten wir die Vorlage der Staatsregierung dahin, daß wir uns jetzt einmal zusammenthun und diese großartige Frage der innern Kolonisation durch Privat⸗ mittel zu lösen versuchen! Meine Herren, es wird der Staatsregierung nur sehr erwünscht sein, wenn Sie das thun; dann wird der Zweck auf diesem Wege erreicht werden. Was im Kolberger Kreise sich vollzieht, ist bloß ein Beleg dafür, daß ein Bedürfniß zur Ansiedelung und Erweiterung der grundbesitzenden Kreise in großem Umfange vor⸗ handen ist; aber das Gleiche läßt sich doch nicht überall machen, wenigstens geschieht es nicht. Man vergesse nicht: der Kolberg⸗ Körliner Kreis hat an der Küste vorzüglichen Boden mit kräftigen Bauernschaften, ist auch ein finanziell günstig gestellter; dort sind alle Vorbedingungen für Kolonisation gegeben, und was bei dieser Sache mehr als Gesetz ist, das ist: es haben sich ein paar energische Leute gefunden, welche die Sache in die Hand genommen und praktisch durchgeführt haben; es wird sich aber nicht überall so machen lassen.

Wenn von einer Seite gesagt ist, daß die Thätigkeit der gewerbs⸗ mäßigen privaten Güterzerschlagung allgemein mit dem etwas an⸗— rüchigen Namen „Güterschlächterei' verunglimpft werde, so bedarf dies einer Einschränkung. Dies ist doch bloß dann geschehen, wenn diejenigen Leute, die sich mit der Zertheilung des Grundbesitzes befaßten, gerade das, was man unter Güterschlächterei“ verstand, betrieben, d. h. wenn sie Gutsbesitzer oder bäuerliche Besitzer dazu verführten, sich ihres Grundbesitzes in unüberlegter Weise zu entäußern, und zwar durch nicht immer gerade lautere Mittel. Diese Herren werden auch heute noch im schlechten Sinne des Wortes „Güterschlächter' genannt; sonst hat man wohl kaum einen Menschen einen Vorwurf daraus ge⸗ macht, wenn er in der Vermittelung neuer Ansiedelungen seinen Lebensberuf gesucht und seine Existenz gefunden hat.

Abgesehen von dem prinzipiellen Gegensatze, der von zwei Seiten gegen die Hineinziehung des Staats in die Kolonisationsangelegenheit verlautbart ist, sind gegen den Inhalt des Gesetzes abgesehen von dem diskutablen 5. 4 nur ganz verschwindende Einwendungen ge⸗ macht. Namentlich hat noch der Hr. Abg. Sombart, der diese Sache lange Jahre praktisch und sehr energisch betrieben hat, seine Bedenken dagegen erhoben, daß für die Begebung der Rentenbriefe nicht lediglich eine Spezialtaxꝭ Anwendung finde, sondern auch eine Grundsteuerreinertragstaxe zugelassen sei. Meine Herren, es wird, glaube ich, auch hier gut sein, möglichst viele Formen zuzulassen. Wer im Einzelfalle eine Spezialtaxe haben will, dem ist sie nicht verwehrt. In sehr vielen Fällen wird aber die Taxe nach dem Grundsteuerreinertrage ausreichen und rascher zum Ziel führen. Es ist doch nicht daran gedacht, daß Leute obne jeden Groschen an diese Sache herantreten, wenigstens etwas Vermögen müssen sie haben, wenn sie sich ansiedeln wollen, und sobald diese Voraussetzung gegeben ist, vielleicht ein Drittel oder ein Viertel, dann genügt die Grundsteuertaxe vollständig. Hr. Sombart hat selbst uns vorgerechnet, daß der Werth nach dem Durchschnitt der Grundsteuerveranlagung pro Morgen 44 Thaler sei. Das giebt pro Morgen 132 M, pro Hektar ungefähr 20 , die gesammten Ankäufe in Posen, die gemacht sind, betragen im Durchschnitt pro Hektar, wenn ich nicht irre, ungefähr b60 A, also die Differenz ist in keiner Weise eine so große, daß bei der Grundsteuertaxe Schwierigkeiten ent stehen müssen, wenn überhaupt angenommen wird, daß der Kolonist oder Ansiedler etwas Geld mitbringen muß, da Vorsorge getroffen ist, daß die Baukapitalien durch die Rentenbank hergegeben werden können.

Ich glaube, bei der von allen Seiten gewünschten Berathung in einer Kommission wird sich herausstellen, daß eine Verständigung über diese Vorlage, die Ihnen die Staatsregierung unterbreitet hat, keine Schwierigkeiten machen wird, wenn man nicht a limine, weil die Rentenbanken eröffnet werden und eine 6 bis 10 Milliardengefahr für den Staat vorhanden sein soll, mit der Sache nichts zu thun haben will. Ich hoffe aber, die Zahl derjenigen, die sich auf diesen rein negierenden Standpunkt stelle, wird eine geringe sein, und ohne prophezeien zu wollen, darf ich dem Wunsche Ausdruck geben, daß diese Angelegenheit möglichst rasch zum Ende geführt werden und zum Heil unseres Vaterlandes gereichen möge.

Darauf . sich das Haus.

Schluß 31/ Uhr.

Statiftik und Volkswirthschaft.

Knaben⸗Handarbeit.

Die fünfte Hauptversammlung des Deut schen Vereins für Knaben-Handgarbeit wird am 23. und 24. Mai im Gewerbe—⸗ baussaale zu Eisenach abgehalten werden. Es werden u. A. ein Vortrag: „Ueber Bedeutung und Ziele des Arbeits Unterrichts vom Ober · Realschul · Direktor Noegerrath ⸗Hirschberg i. Schl., sowie Vor⸗ träge über den Arbeits Unterricht für Knaben im Alter von sieben bis zehn Jahren“ gehalten werden. Referent für Arbeiten in Papier und Carton sowie für das Formen ist der Bürgerschullehrer Fr. Hertel⸗Zwickau i. S., für Arbeiten in Holz Lebrer und Land—⸗ tags Abgeordneter Kalb ⸗Gera. Mit der Versammlung wird eine Ausstellung von Proben aus den Ergebnissen der Lehrthätigkeit der Handfertigkeitsschulen zu Eisenach, Ruhla, Waltershausen, Salzungen und Gerstungen verbunden sein.

Hamburgs Waaren-Einfuhr und Ausfuhr seewärts im Jahre 1880.

Zu den tabellarischen Aufstellungen des Hamburgischen handelspolitischen Bureaus, welche soeben erschienen sind, bemerkt die Hamb. Börsen⸗ S.“: .

Es kann nur allgemeine Befriedigung gewähren, aus den vor liegenden Tabellen zu ersehen, daß troßz der unzweifelhaft im Vor jahre schlechteren Geschäftslage sich der Handel unseres Platzes in der Einfuhr wie in der Ausfuhr gesteigert kat. Es sind seewärts ein geführt worden Waaren im Werthe von

1890 1889 1888

M6 M06 M66 1376 928 760 ö. . h80 760 R ö. 114906790 und im Gewichte von Doppelcentnern Netto 50 O69 666 prgg O16 434 38 844 224 und ausgeführt dem Werthe nach

M6 46 Mp6

1260 475 490 1206514930 1021581 000

und im Gewichte von Doppel ⸗Centnern Netto ö

25 123 295 23 957299 21 442 926 Sowohl dem Werthe als dem Gewichte nach ist somit abermals eine Steigerung eingetreten, die allerdings bei der Einfuhr mehr in der Menge liegt, da der Preisrückgang im vorigen Jahre eine niedrigere Bewerthung zur Folge hatte; immerhin darf das vorliegende Ergebniß in Anbetracht der Gesammtlage des Handels als ein be—

friedigendes gelten.

Zur Arbeiterbewegung. ; In Ober-Bergamtsbezirk Dortmund hat sich die Au ssstandsbewegung in den letzten beiden Tagen auf mehrere neue Zechen ausgedehnt. sodaß die Gesammtzahl der Ausständigen sich gegenwärtig auf 10 000 bis 12 000 Bergleute beziffern dürfte, eine gegenüber der Gesammtzahl von 127 9000 Bergarbeitern des Ruhrkoblenbezirks immerhin nicht sehr ins Gewicht fallende Ziffer. Es erscheint natürlich, daß die Besitzer und Ver— walter der Zechen der ernsten Lage gegenüber ebenso energische Abweßsrmaßregeln ergreifen, welche sich im Sinne des gestern an dieser Stelle mitgetheilten Rundschreibens des Vereins für die bergbaulichen Interessen im Ober⸗Bergamtsbezirk Dortmund bewegen. . Fr Ergänzung der früheren thatsächlichen Mittheilungen geben wir folgende vom Sekretariat des bergbaulichen Vereins aufgestellte Tabelle des Strikejournals, welche den Stand der Ausstands bewegung am 23. April kennzeichnet: Morgenschicht. 3 Tage . Tage Name der Zeche. angefahren von angefahren von 1) Centrum bei Wattenscheid. 1299 774 411 443 2) Carolinenglück bei Bochum... 35 198 72 72 35 Bonifacius bei Kray. . 3823 573 157 4) Eiberg bei Steele. . 276 398 5h 5) Maria Anna und Steinbank, Höntrop ; . , 3 515 323 6) Eintracht Tiefbau b. Steele, Schacht J. 133 323 183 . ö 1H. 49 411 171 7) Fröhliche Morgensonne b. Watten⸗ ö. i . 753 78

a,, . 8) Hasenwinkel bei Dahlhausen.. 3 458 38 I) Friedlicher Nachbar b Linden a. d. R. 24 220 70 100 Honand (Schacht Ill) bei Watten⸗ ö. h

, 1788 4970 1634

Der Strike konzentrirte sich also in der Mitte des Kohlenreviers, hat sich aber inzwischen nach Osten und Westen weiter ausgedehnt. Gestern sind noch der Rh. Westf. Zig.“, wie gestern nach Schluß der Redartion ! nach felegraphifch mitgemheilt wurde, zu den Aus- ständigen Hinzugekommen die Belegschaft des Schachtes J der der Farma Friedrich Krupp in Essen gehörenden Zeche. Dannover bei Wattenscheid, wo von 355 Bergleuten Morgens nur 110 Mann angefahren sind, ferner die Belegschaft der der Dortmunder Stein⸗ rohlenbergwerkg⸗Gefellschaft. ouise Tiefbau gebörenden Zeche. Bru ch⸗ stra ße bei Langendreer, wo Morgens von 400 Mann nur 40 an⸗ fuhren, ferner die Zeche Vollmond? bei Langendreer (südwesllich von Zeche „Bruchstraße· , wo von 307 Mann in der Moꝛrgenschicht nur zehn anfuhren, und endlich die Belegschaft von Zeche ver. Engelsburg“ zwischen Weitmar und Wattenscheid, dem Bochumer Gußstahlverein gehörend, wo von 216 Mann nur 45 angefahren sind. Die Lage auf den übrigen schon früher vom Ausstand heimgesuchten Zechen war die folgende: Auf „Eintracht⸗Tiefbau- ber Stzele sind Mergens auf Schacht 1 129, auf Schacht 17 58 Bergleute angefahren. Auf Zeche Centrum bei Wattenscheid find vorgestern Rachmittag von 140 Mann nur 76 unter Tage angefahren. Ueber Tage arbelteten von 63 nur 48. In der gestrigen Morgenfchicht follten 754 unter Tage anfahren, angefahren sind aber nur s1; über Tage follten 443 arbeiten, angefahren sind nur 357. Es strikten demnach 115 Mann mehr wie borgestern. Auf „Bon ff ac ius“ bei Kray find gestern Morgen von 573 Bergleuten 3534 unter Tage angefahren. Üeber Tage arbeitete Alles. Auf Zeche „ver. Marien Anna! und „Steinbank‘, dem Bochumer Gußstahlverein gehörend, bei Höntrop, sind gestern Morgen von MN6ö Bergleuten 39 unter Tage angefahren. Die 39 bestehen aus 18 Schleppern und Pferdetreibern, 3 Zimmerhguern, 6 Förder⸗ Aufsehern und 13 Hauern. Gs strilten ausschließlich der Nach. mittags · Schicht 685 unter Tage. Auf Zeche „Eiberg“ bei Steele strikten gestern Morgen 106 Bergleute unter Tage. Anfahren sollten 333, angefahren sind 217 Mann. Auf. Zeche Fröhliche Mor gensonn en, südiich von Wattenscheid arbeiteten gestern Morgen nur 38 Mann unter Tage und 78 Mann über Tage. Die Gesammt⸗Belegschaft des Schachtes 1II. der Zeche Holland bei Waitenscheid strikte weiter. Auf Schacht 1 und II war auch

estern morgen Alles angefahren. Auf „Carolin englüg' bei . zwischen Bochum und Wattenscheid, sind gestern Morgen unter Tage von 190 Mann nur 36 angefahren. über Tage von 72 nur 46 Mann. Auf gil enwinkel“ bei Dahlhausen a. d. R. strite die gesammte Belegschaft weiter. Auf ‚Friedlicher KRachbar“ bei Dahlhausen a. d. R. sind gestern von 229 Mann nur 14 unter Tage angefahren, über Tage von 86 nur 40 Mann.

Zweite Beilage zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Stants⸗Anzeiger.

Berlin, Sonnabend, den 25. April

Gestern Nachmittag sind auf Zeche Bonifacius“ bei Kray von 351 Mann nur 107 und auf ‚„Friedlicher Nachbar“ bei Dahlhausen nur? Mann angefahren. Es hätten auf 1 Zeche Nachmittags 110 Mann anfahren sollen. eche Fröhliche Morgensonne., bat jetzt nur Morgenschicht. Auf Zeche Centrum“ bei Wattenscheid sind achmittags von 440 Mann nur 29 unter Tage angefahren. Ueber Tage arbeiteten von 65 nur 27 Mann. Auf Zeche Hasenwinkel“ fuhr gestern Nachmittag Niemand an. Auf Zeche Carolinenglück‘ sind Nachmittags von 150 Mann nur 16 unter Tage angefahren und von 265 über Tage nur 5 Mann. Auf Zeche ver. Marie⸗ Anna“ und Steinbank“ sind nur 6 (Reparaturhauer) angefahren. Zeche „Eiberg“ hat vorläufig nur Morgenschicht, ebenso auch Zeche Eintracht Tiefbau“. Auf Zeche ver. Engelsburg“ sind Nachmittags nur 18 Mann angefahren, auf Vollmond sollten Nachmittags 210 Mann anfahren, es fuhr aber Niemand an. Auf Zeche Hannover?, Schacht Ul, sind von 187 Mann nur 24 angefahren. Auf Schacht J arbeitet Alles vollzählig. Auf ö Bruchstraße“ sind Freitag Nachmittag 21 unter Tage angefahren. Auf Zeche Hollands bei Wattenscheid sind gestern Nachmittag nunmehs alle drei Schächte ausständig geworden. Auf Schacht 1 und I sind nur 14, auf Schacht III 27 angefahren. Die Gesammt⸗ belegschaft zählt ea. 1400 Mann.

Gestern Abend fand in Essen eine Versammlung von Berg arbeiter ⸗Delegirten statt, in welcher 27 Zechen des Essener Reviers vertreten waren; man beschloß, die am Sonntag in Bochum zu fassenden Beschlüsse nicht abzuwarten, sondern den Strike heute zu beginnen. Bis jetzt liegen in Bezug hierauf folgende Meldungen des „Wolff'schen Bureaus“ vor: Die Morgenschicht der dem Essener Bergwerkverein König Wil⸗ helm gehörigen Zeche „Lewin“ ist heute nicht angefahren. Laut „Rhein -Westf. Ztg. ist in Folge des Beschlusses der gestrigen Delegirtenversammlung des Essener Reviers der Strike auch in das Essener Revier übergesprungen. Die Belegschaften der im Stadtkreise Essen belegenen Zechen arbeiten noch weiter. Zur Morgenschicht sind beute angefahren auf „Eintracht Tief b au Schacht 14 110, Schacht 2 58. Schacht . Christian Lewin“ von ‚König Wilhelm“ strikt auch. Dort fuhren von ca. 440 Mann nur 113 unter Tage an. Auf ‚Eiberg“ von 383 Mann 145. Auf Hannover 2‘ fuhren einige Mann weniger an als gestern Morgen. Schacht 14 arbeitet noch ruhig weiter. Auf Zeche Königin Elisabethn sind auf Schacht „Wil helm“ von 321 nur 200 unter Tage angefahren. Ueber Tage arbeitet dort Alles. Auch auf Schacht Joachim“, auf Hol land 1,2 und 3Y arbeiten 239 Mann. Anfahren sollten 573 unter Tage. Ueber Tage arbeiten von 188 noch 179 Mann. Auf Baaker Mul de“ bei Dahlhausen strikt der größte Theil der Belegschaft, auf Bonifacius“ fuhren 239 von 573 unter Tage an, über Tage arbeiten 179 von 188 Mann. Auf „Vereinigte Engels— burg“ sind unter Tage 53 angefahren, über Tage arbeitet Alles. Auf „Carolinenglück' arbeiten nur h8 unter und 46 über Tage, auf „Centrum“ fuhren von 774 nur 63 in die Grube. Dort 6. 711 unter Tage und 94 über Tage. Das Herner Revier st ruhig. . .

Dle Firma Friedrich Krupp in Essen hat gestern an die Belegschaften der ihr gehörigen Zeche Hannover“ folgende Bekannt⸗ machung erlassen: Die Arbeiter der Zeche Hannover II.“, welche heute unter Kontraktbruch die Arbeit eingestellt haben, werden auf— gefordert, dieselbe spätestens am Montag, den 27. 8 M., wieder aufzu⸗ nehmen. Diejenigen Arbeiter, welche dieser Aufforderung nicht nach⸗ kommen, gelten als aus der Arbeit entlassen und werden aus den Listen der Belegschaft gestrichen. Denselben werden, soweit sie Woh nungen in meinen Häusern haben, diese Wohnungen gekündigt werden. Arbeiter, welche am Strike 1889 und 1890 theilgenommen haben und Montag, den 27. April, zur Arbeit nicht zurückkehren, haben auf Wiederaufnahme zur Arbeit unter keinen Umständen zu rechnen. Was die übrigen Arbeiter, welche am 27. d. M. zur Arbeit nicht zurück kehren, betrifft, so werde ich nach Ablauf von vier Wochen, von heute an gerechnet, Entscheidung treffen, ob und wer zur Arbeit wieder zuzulassen sei. Vor Ablauf dieser vier Wochen wird die Verwaltung meiner Zeche „Hannover II“ Anmeldungen von Arbeitern zur An⸗ nahme oder Wiederannahme überhaupt nicht entgegennehmen.

Aus Bochum liegt eine ähnliche Bekanntmachung der Ver— waltung der Zechen des Bochumer Vereins für Bergbau und Gußstahlfabrikation „ver. Marie⸗ Anna und Stein bank, „Engelsburg? und „Ha senwinkel, an ihre strikenden Arbeiter vor: Allen Arbeitern unserer Zeche, welche ihr Vertragsverhältniß zur Zechenverwaltung ohne Kündigung, also ungesetzlich, gelöst haben, wird hierdurch eine Frist zur Wiederaufnahme der Arbeit bis Montag, den 27. d. M., gewährt. Dirjenigen Arbeiter, welche dieser Aufforderung nicht nachkommen, werden nicht mehr als zu unserer Belegschaft ge⸗ hörig betrachtet und können ihren Abkehrschein vom Dienstag, den 38. d. M., ab bei dem Betriebsführer in Empfang nebmen.

Ferner wird der Rh.⸗Westf. Ztg, ) aus Königs steele berichtet: Den Belegschaften der beiden Schächte der Zeche Eintracht Tiefbau“ ist durch Anschlag bekannt gegeben, daß diejenigen Arbeiter, welche bis nächsten Dienstag die Arbeit nicht wieder aufgenommen haben, wegen willkürlichen Feierns als entlassen zu betrachten sind. Ebenfo soll auch die Zeche . Eiber ge verfahren haben.

Bemerkenswerth ist folgende Mittheilung über eine Berg— arbeiterversammlung in Linden, welche das Centralblatt der sozialdemokratischen Partei Vorwärts- in der heutigen Morgen. nummer enthält: Heute (wahrscheinlich also gestern oder vorgestern) fand hierselbst eine von 1100 Bergarbeitern besuchte Versammlung stait, in welcher Bauer⸗Weitmar über den Pariser Berarbeiter Kongreß referirte. Eine Resolution wurde angenommen welche lautete; „Die heutige Versammlung erklärt sich mit den Beschlüssen des internationalen Bergarbeiterkongresses elnverstanden. Sie bedauert und verurtheilt ganz entschieden das schädliche Vorgehen einiger Belegschaften, jetzt partielle Strikes zu insceniren, die im Einzelnen sowie auch im Ganzen verderblich werden können, Die Verfammlung hält dag strikte Festhalten an den Pariser Beschlüůssen ür unbedingt nothwendig und ist nicht gewillt, davon abzulassen; e n wären ja Srganisation und Beschlußfassung vollständig

wecklos. ;

; In Hamburg waren am Dienstag die Speicherarbeiter Hamburgs und der Umgegend etwa 90 an Zahl versammelt. Es wurde, wie die Hamb. Börsen⸗H.“ berichtet, mitgetheilt, daß die Arbeitgeber in den Speichereibetrieben beabsichtigen, den im vorigen Jahr bewilligten Tagelohn von 466 auf 3 * 69 8 herunter zufetzen, waz von einer großen Anzahl Redner entschieden gemiß⸗ billigt wurde. Ein Redner bemerkte, daß der Speicherarbeiter im Jahr nur höchstens 0 Wochen auf Verdienst rechnen könne, wodurch bei einem Wochenlohn von 24 nur ein Jahres einkommen von 960 S gleich 2 M 63163 g per Tag, das Jahr zu 365 Tagen gerechnet, erzielt werde. Im Laufe der ferneren Diskussion wurde der Vorschlag gemacht, daß sich die Speicherarbeiter, Zwecks gütlicher Augeinandersetzung mit der Kaufmannschaft resp. den Quartiersleuten, mit der a . Handelskammer, die die Vermittelung übernehmen könnte, in Verbindung setzen möchten. Dieser Antrag wurde einstimmig angenommen und eine Kommission

gewãͤblt.

1891.

Aus Dresden berichtet ein Wolff'sches Teltgramm: Der von den Sozialdemokraten für den 3. Mai geplante große Umzug ist von der Polizei⸗Direktion untersagt worden.

Aus Wi en wird telegraphisch gemeldet: Die Statthalterei von Nieder⸗Oesterreich macht bekannt, daß eine Einstellung der Arbeit am 1. Mai, einem gewöhnlichen Werktage, un⸗ zulässig sei, da das zwischen Arbeitgebern und Arbeitern be— stehende Vertrags verbältniß dadurch verletzt werde. Die⸗ jenigen, welche an diesem Tage die Arbeit einstellten, wären demnach als kontraktbrüchig zu betrachten und hätten strenge Be⸗ strafung, eventuell Entlassung zu gewärtigen. Das Gleiche gelte für die Staatsbetriebe. Die Arbeiter werden daher vor eigen⸗ mächtiger Arbeitseinstellung, wie vor jeder Ausschreitung, die strenge geahndet werden würdẽ, eindringlich gewarnt. Demonstrakive öffentliche Aufzüge seien nicht gestattet; etwaigen Ruhestörungen werde mit allen, den Behörden zur Verfügung stehenden Machtmitteln entgegengetreten werden. Eine von 3900 Bäcker gehülfen besuchte Versammlung beschloß gestern in einen all⸗ gemeinen Strike einzutreten; es wurde daher für den heutigen Tag eine größere Ausdehnung des Strikes erwartet.

Nach Mittheilung des Statistischen Amts der Stadt Berlin sind bei den hiesigen Standesämtern in der Woche vom 12. April bis inkl. 18. April er. zur Anmeldung gekommen: 616 Ehe schließungen, 942 Lebendgeborene, 20 Todtgeborene, 554 Sterbefälle.

Land und Forstwirthschaft.

In der zweiten Hälfte des Monats Juli d. J. soll in Luxemburg eine allgemeine Acker⸗ und Gartenbau— Ausstel lung internationalen Charakters stattfinden.

Die I. Abtheilung, umfassend die Ausstellung von Pferden, Rindvieh, Schweinen, Schafen und Ziegen, bleibt luxembur⸗ gischen Ausstellern vorbehalten. . .

Die weiteren fünf Abtheilungen sind der internationalen Konkurrenz freigegeben. Dieselben begreifen hauptsächlich: Geflügel, Bienen- und Fischzucht, Geräthe und Maschinen des Feld⸗ und Gartenbaues. Milchwirthschaft, land und forst⸗ wirthschaftliche Erzeugnisse, Weinbau und Kellerei.

Anmeldungen sind bis spätestens 1. Juni d. J. franko an Herrn K. Siegen, Sekretär des Acker⸗ und Gartenbau⸗ Vereins in Luxemburg, zu richten, mit Ausnahme der An⸗ meldungen für geschnittene Blumen, welche bis zum 1. Juli d. J. entgegengenommen werden.

Im Herbst d. J. findet in Bukarest eine Austellung von land wirthschaftlichen Maschinen statt, und zwar von Dreschmaschinen in der Zeit vom 10 /22. bis 15.27. August d. J. und von Säemaschinen in der Zeit vom 10/22. bis 15.27. September d. J.

Mit diesen Maschinen werden Versuche unter Leitung einer Spezial-⸗Prüfungskommission in unmittelbarer Nähe von Bukarest veranstaltet werden.

Seitens des Königlich rumänischen Ministeriums für Landwirthschaft, Handel, Industrie und Domänen sind

1) für Dreschmaschinen,

2) für Reihen⸗Säemaschinen,

3 für Breit⸗Säemaschinen . je 35 in Golo⸗, Silber⸗ und Bronze⸗Medaillen bestehende Preise ausgesetzt.

Anmeldungen zur Theilnahme an der Ausstellung sind vor dem 1./15. August d. J. an das genannte Königlich rumänische Ministerium Abtheilung für Landwirthschaft, Handel und Industrie in Bukarest zu richten.

Handel und Gewerbe.

Tägliche Wagengestellung für Kohlen und Koks an der Ruhr und in Oberschlesien.

An der Ruhr sind am 24. April gestellt 9222, nicht recht- zeitig gestellt keine Wagen.

In Oberschlesien sind am 23. d. M. gestellt 4098, nicht rechtzeitig gestellt keine Wagen.

Subhastations · Kesultate.

Beim Königlichen Amtsgericht 1 Berlin stand am 24. April 1891 das Grundstück des Kaufmanns Philipp Wolfsohn, in der Lübeckerstraße 31 belegen, zur Versteigerung. Das geringste Gebot wurde auf 5b 7.06 4M festgesetzt Ersteher wurde der Kauf⸗ mann Isidor Liebrecht, Karlstraße 22, für das Meistgebot von

205 500 MS

Berlin, 24. April. Amtliche Preisfeststellung für Butter, Käse und Schmalz.) Butter: Hof⸗ und Genossen⸗ schaftsbutter Ia. 100 - 1022 M6, IIa 98 99 S6, IIIa. —, do. abfallende 95 97 M,. Land“, Preußische 86 88 M, Netzbrücher 86 88 S6, Pommersche 86-88 „, Polnische 86 = 88 „.,. Barer. Sennbutter S0, do. Landbutter S, Schlesische S4 87 „, Galizische 4 Margarine 40-70 M6 Käse: Schweizer, Emmenthaler 93— 98 M, Bayerischer 758 80 4M, do. Ost⸗ und Westpreußischer Ia. 72 78 A, do. Ha 65 —70 AM, Holländer sh -= 90 MS, Limburger 40— 46 S6, Quadratmagerkäse Ia. 20 24 M, do Ila 12 —16 M Schmalz: Prima Western 17 Ta. 41,50 „, reines, in Deutschland raffinirt 43,50 465,50 „M, Berliner Braten⸗ schmalz 45,50 —= 49,0 ½ Fett, in Amerika raffinirt 38,509 „6, in Deutschland raffinirt 40,50 = 42,50 M Tendenz: Butter: Stärkere Einlieferungen bei mangelhaften Qualitäten veranlaßten einen Preis rückzang Schmalz: Still, aber fest.

Vom oberschlesischen Eisen⸗ und Metallmarkt berichtet die Schles. Ztg.“: Die Hochofenwerke schränkten auch wäb⸗ rend der letzten Berichtswoche ihre Produktion nach Möglichkeit ein, hauptsächlich die heimischen geringwerthigen Erze verarbeitend. Da diese auch verhältnißmäßig billiger sich stellen, so wird dadurch eine Erböhung der Produktionskosten vermieden, wie auch eine regelmäßige

örderung im oberschlesischen Erzrevier begünstigt. Das Ge⸗ chäft in Walzfabrikaten ist zur Zeit recht rege. da Spezifikationen in genügendem Maße eingehen, ie, einzelne Werke bereits auf Mo⸗ nate hinaus belegt sind und neue Aufträge nur gegen längere Lieferfristen annehmen. Sowohl für Handels wie für Profileisen ist der Begehr ein namhafter, und zwar nicht allein für den inländischen Konsum, sondern auch für den Export. Auch die Blechwalzwerke haben vollauf zu thun, da für Fein⸗ wie Grobbleche bedeutende Bestellungen vorliegen. Es ist somit auf fast sämmtlichen Walz werken der Betrieb wieder voll aufgenommen worden und nach Maßgabe der bereits vorliegenden Aufträge auch für längere Zeit gesichert. Bei den niedrigen Blechpreisen ist jedoch ein Verdienst für die Blech⸗ walzwerke noch nicht zu erzielen, während auch in dieser Hinsicht die Lage der Eisenwalzwerke, Maschinen- und Kesselfabriken sowie der Eisenkonstruktlons⸗Werkstätten eine günstigere ist. Die Eisengießereien sind nach wie vor gut beschäftigt und mit