1891 / 99 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 28 Apr 1891 18:00:01 GMT) scan diff

daß in einer ihm räumlich nahestebenden Zuderfabrik in der letzten Campagne 96 G06. Centner Rüben verbraucht, die von 1497 ver⸗ schiedenen Landwirthen geliefert seien. sodaß etwa 690 Gentner, b. bh. das Grirägniß eines Hektar auf den Einzelnen kãmen. Mit dem Räbenbau hänge im Often eng zusammen die Höbe der Arbeits- löhne und die Auswanderung, Die Frage sei auch für die deutschen

ndeltbilanzen von größtem Einfluß, denn jetzt führe es jährlich für 00

illionen Zucker nach London aus, das Aufbören oder wesentliche Ein schrãnken diefes Exports würde einen empfindlichen Verlust an dem Gold⸗ zufluß zur gel haben. Im Auslande rechne man auf das Durch- kommen diefer Vorlage und verspreche sich davon ein Aufblühen der Zuckerinduftrie in den mit. Deutschland konkurrirenden Ländern; damentlich Desterreich und Frankreich hätten in deutschen Maschinen fabriken viele zur Zuckerfabrikation dienende Maschinen bestellt. Seine

artei verlange also zum Schutz der Rüben bauenden Landwirth⸗ chaft eine direkte Festlegung der Exportpramien. Die Landwirth⸗ schaft könne dies nicht entbehren, so lange man in Frankreich 6 Fr. Erxportyrämie zahle. Die französische Zuckerindustrie sei sehr ent⸗ wicklungsfähig, zumal die Tausende von Centnern Rüben, die man etzt dort zur Alkoholgewinnung benuße, beim Aufgeben der Prämien in? Deutschland fofort zur Zuckerfabrikation verwandt werden würden. Die größte Exportprämie sei im Jahre 1887/88 gezahlt worden aber wenn sie auch fage, die deutsche Landwirthschaft bleibe bei gänzlicher Aufhebung der Prämie nicht mehr konkurrenzfähig mit Frankreich, so willige seine Partei doch in eine wesentliche Ermäßi⸗ gung derfelben; während die Prämie im vergangenen Jahre jg; Millionen betragen habe und sich im laufenden auf etwa 21 * Millionen steigern werde, wolle seine Partei sie auf die Halfte redusiren, indem sie nur 1 4 25 3 pro Doppelcentner haben wolle, db. h' 10 Mill. Mark im Jahr. Nun heiße es, auch dies sei ein Gesckenk für die Zuckerindustrie; bei 311 Zuckerfabriken würden auf jede 30 0õ0 M kommen! Aber auch dies Geld komme nicht den Fabrikbesitzern allein zu Gute, es gehe bis in die kleinsten Kanäle des Volkes, jeder Rübenacker fei daran betheiligt, auch die Maschinenfabriken und die Arbeiter in diesen Fabriken feien dabei betheiligt. Er hoffe, daß es den Be⸗ mühungen der Regierung gelingen werde, Frankreich zu einer Ver⸗ ringerung seiner Praͤmien zu veranlassen, seine Partei wolle die Prä⸗ mien nicht als dauernde Institution, und darum laute sein Antrag so, daß nur bis auf Weiteres die Exportprämien in Geltung blei⸗ ben follten. Ein einfeitiges Aufgeben der Prämien halte er für un⸗ thunlich, und auch der Staatsfekretär Freiherr von Maltzahn habe noch am 28. Januar 1889 erklärt, ein solches einseitiges Vorgehen Deutschlands, ohne daß die anderen konkurrirenden Staaten sich zu gleichem Verhalten entschlössen, sei eine schwere Versündigunz an der deutschen Industrie.

Staatssekretär Freiherr von Maltzahn:

Ich möchte nur eine Zahl richtig stellen. Der Herr Vorredner hat gesagt, daß unter den Ziffern der bei der Ausfuhr gezahlten Exportprämien, welche ich angegeben hätte, der höchste Jahresbetrag 25 Millionen gewesen wäre. Ich bin wahrscheinlich da nicht richtig verstanden worden.

Unter den von mir genannten Zahlen war die höchste Ziffer diejenige des Jahres 1887/85 mit 283 Millionen Mark. Es ist dies aber nicht die höchste Prämie, welche überhaupt in einem Jahre ge⸗ zahlt ist. Denn ich habe nicht etwa die hohen Jahre herausgegriffen, sondern ich habe überall dieselben Jahre genommen, um die regel⸗ mäßige Steigerung zu zeigen. Die höchste Jahresziffer, welche mir hier vorliegt, ist die des Jahres 1886/87, in welchem bezahlt sind beim Ausgang an Prämien also über die Rübensteuer hinaus 30363 798 M, und in welchem außerdem der Industrie im Inlandepreise noch zugeflossen sein können, wenn man annimmt, daß der Inlandskonsum aus Raffinade zweiter Klasse bestanden hat, etwas über 17 Millionen, wenn er aus Raffinade erster Klasse bestanden hat, ungefähr 22 Millionen, sodaß sich in diesem Jahre der gesammte Prämienvortheil der deutschen Zuckerproduktion gestellt haben würde auf 47 bis 52 Millionen. (Hört, hört! links.)

Abg. Dr. von Bennigsen: Bevor er die Stellung seiner Partei zu 8. 1 der Vorlage motivire, müsse er eine Art persönlicher Bemerkang' vorautzschicken. Er sei Zuckerinteressent insofern, als er wesentlich betheiligt fei an einer Aktien⸗Zuckerfabrik. Das habe ihn aber im Jahre 1887 nicht abgehalten, in der letzten Stunde in der zweiten Hälfte der Session es herbeizuführen, daß Fürst Bismarck eine Vorlage gemacht habe, die die damals sehr hohen Prä⸗ mien auf weniger als die Hälfte reduzirt und das ge⸗ mischte System von Materialsteuer und Konsumsteuer ein⸗ geführt hätte. Er könne sich auch zu den anderen Fragen um fo unbefangener stellen, als die erwähnte Zuckerfabrik, an der er betheiligt sei, seit zwanzig Jahren in einer sehr günstigen Lage sich befinde, gut an der Cisenbahn gelegen und ausgezeichnet solide finanzitt fei. Auch habe sie für ihre Fabrik und Maschinen das Aktienkapttal schon doppelt abgeschrieben. Auf diese Fabrik, welche in den letzteren Jahren immer sehr hohe Dividenden vertheilt habe, könne alss hier nur eine Einwirkung von wenig Prozent veranlaßt werden. Er führe das an, weil er daraus seit Jahren Anlaß nehme, sich mit den Fragen der Zuckerindustrie und ihrer Einwir⸗ kung auf die Landwirthschaft zu beschäftigen, Die Herren, die sich weniger um diefe Sache kümmern könnten, wollten doch die Regierung dahin zu bewegen suchen, daß sie der vollen Be⸗ deutung dieser wichtigen Industrie und ihres weitgreifenden Einfluffes auf die Landwirthschaft sich voll bewußt sei, Er müsse zu seinem Bedauern bemerken, daß er davon in der Vorlage und in dieser Motivirung wenig genug gemerkt habe. Jedenfalls sei diese Vor lage überraschend gekommen, nachdem im Jahre 1887 eine so weit gebende Aenderung eingeführt worden sei, in Folge deren erst im Spätsommer i888 das neue Steuersystem ins Leben getreten sei. Da habe man wohl erwarten können, daß einige Jahre der Erfahrung abge⸗ wartet würden und man hätte diese Erfahrung um so eher ab—⸗ warten können, als die finanziellen Ergebnisse aus der Aenderung die an sie geknüpften Erwartungen erfüllt, ja fogar übertroffen hätten. Wenn nun doch die Regierung jetzt sich auf den Standpunkt stelle, es liege im Interesse Deutschlands, den früheren Standpunkt zu ver lassen und das Prämiensystem zu beseitigen, so sei das um so weniger zu veistehen, als der Stagtssekretär Freiherr von Maltzahn nicht nur in seinem, sondern im Namen der Regierungen ausdrücklich noch im Januar 1869 erklärt habe, ein einfeitiges Üufgeben der, Zuqer. prämien von Seiten Deutschlands ohne gleichzeitiges Vorgehen der konkurrirenden Staaten im gleichen Sinne sei eine schwere Versündigung an Der deutschen Industrie. Wenn nun die Lon⸗ doner Verhandlungen im vorigen Jahre, welche nach dieser Richtung hin gepflogen worden, gescheitert seien, so werde in einem einseitigen Aufgeben der Materialsteuer eine um so schaͤdlichere Einwirkung auf die deutsche Industrie zu erkennen sein. Habe man es doch als eine schädliche Einwirkung der Verhandlungen mit Oesterreich über den Handelkevertrag hingestellt, daß der Reichttag eine Ermäßi⸗ gung der Getreidezölle für nothwendig gehalten hahe, weil dadurch ein Komvensationsobjekt Desterreich gegenüber für Ermäßigung von Industriezöllen beseitigt worden sei. Ebenso könne man nun es als eine Schädigung der deutschen Zuckerindustrie Frankreich gegenüber hinstellen, wenn das, was Deutschland gegen die Kompensation des gleichen Vorgehens der übrigen Länder in London nicht erreicht habe. nun von der Regierung selbst als eine Forderung des deutschen Interesses hingestellt werde. Dadurch nehme man dem Reich die Möglichkeit, bei späteren etwaigen Ver⸗ handlungen die Aufgabe der Zuckerprämien als ein Kompensationg— objekt gegen die gleichen Leistungen anderer Staaten hinzustell en. Er glaube ja auch, Frankreich werde nicht ewig bei seinem Prämien system bleiben, wenn seine finanziellen Verhältnisse eine Aenderung

verlangten. Aber durch das Vorgehen Deutschlands werde die Nei⸗ gung zu Prämien in Frankreich verstärkt werden, und darin liege eine Gefahr für Deutschland, daß die Franzosen die deutsche Stellung auf dem Weltmarkt cinnãähmen,. und er bedauere, daß die Regie⸗ rung diefe Selte der Sache nicht beachtet habe. Es sei merkwũrdig, e. Frankreich, welches Lange Zeit so vollkommen zurückgeblieben sei, auf dem Gebiet diefer Industrie, feit der Mitte der So er Jahre, wo es dag deutsche Steuersystem, welches man g. t auf⸗ geben wolle. angenommen habe, in kürze ster ein gefährlicher Konkurrent auf dem Weltmarkt geworden sei. Is habe in geometrischer Progression wachsend von Jahr zu Jahr an Bedeutung zugenommen. An sich könne man sich über die Fort · schritte der Franzosen nicht so wundern, denn sie könnten Alles be⸗ nutzen, was Deutschland an Technik und Erfahrung seit einem Menschenalter zum Theil mit . en Opfern der Unternehmer geleistet habe. Die deutsche Landwirthschaft habe sich bemüht, große und zuckerreiche Rüben zu produziren, es gebe auf diesem Gebiet keine Geheimnisse der Industrie. Die Franjosen brauchten nur die deutschen Exrungenschaffen abzuschreiben und das erkläre ihren Fort schritt. Sie seien nahe daran, dieselbe Zuckermenge aus der Rübe zu produziren wie die Deutschen. Wenn dann die Franzosen die Deutschen pon dem Londoner Markt zu verdrängen suchten, dann sei eg um so mehr ein Motiv, bis zu dem Moment, wo das erreicht ist, diese Prämien beizubehalten und das sei für die dentsche Zuckerindustrie, don der so viele Taufende Menschen abhingen, sebr bedenklich, Er wiffe nicht, ob der Staatssekretär sich diese Seite der Sache genügend Überlegt habe. Wenn nun durch die veränderte Steuer und in Folge davon durch die verringerte Bedeutung dĩie deutsche Stellung auf dem Zuckermarkte eingeschrãnkt werde, fo könne dag zweierlei Wirkung haben:; Entweder werde von ben rund 400 Zuckerfabriken, die in Deutschland beständen, die Hälfte eingehen, die größeren Fabriken wärden freilich in Folge davon eine beffere Ausnutzung ihrer Maschinen u. s. w. erreichen, aber im Intereffe der vielen in dieser Industrie Beschäftigten wäre das nicht erwünscht. Werde dies aber nicht die Entwickelung der Dinge fein, dann bleibe nur eine Erniedrigung der Preise für das Rohmaterial, und darin Uiege wieder eine bedauerliche Rückwirkung auf die Landwirthschaft. Beim Rübenbau werde in manchen Gegenden Deutschlands nur ein Preis erzielt, der die Produktions⸗ kosten decke; würden die Preise noch ermäßigt, so müsse die Land⸗ wirthschaft auf den Rübenbau ganz verzichten, und damit auf den einzigen Zweig der Induftrie, wo diese der Landwirthschaft wenigstens noch 'vorcheilhaft fei. Es würden mit dieser Einschränkung oder Be⸗ seitigung des Rübenbaus Folgen für die Personen, für die Höhe der Preife für Landgüter, für Pacht u. s. w. verbunden sein, die diesen Ausgang höchst bedenklich erscheinen ließen. Nun höre man, der Standpunkt, den die Regierung im Jahre 1889 noch eingenammen habe, habe aus folgenden Gründen aufgegeben werden müssen: Einmal brauche man Geld, und dann sei eine Gefahr der Ueberproduktion vorhanden. Wenn man mehr Geld brauche, so brauche man darum nicht die Exportprämien zu befeitigen, sondern die Erfahrung der drei letzten Jahre zeige, daß man die Konsumsteuer erhöhen und daß man auf dem im Jahre 1887 eingeschlagenen Wege hätte fortfahren können, wobei man doch eine ganz erhebliche Mebreinnahme hätte erzielen können. Man könnte sagen, die im Jahre 188 zugelassenen Prämien feien noch zu hoch. Waß nun die Gefahr der Ueberproduktion anlange, so sei diefe nach seiner Ansicht auch nicht vorhanden. Die Statiftik zeige, daß nur wenige Zuckerfabriken im Jahr neu gegründet wärden, in den letzten Jahren durchschnittlich fünf mehr als ein- gegangen seien, und das sei bei einem Bestande von cirea 400 Fabriken nicht mehr, als der Bevölkerungszunahme und dem Steigen des Woͤhlstandes und der damit verbundenen Steigerung des Zucker⸗ fonsums entspreche. Nun sage der Staats sekretär, und in der Presse finde er (Redner) denselben Gedanken mehrfach ausgedrückt, daß die Zuckerprämie den englischen Konsumenten zu Gute käme, indem sie den englischen Preis herabsetze, Gleichzeitig werde aber gesagt, der Preis für den inländischen Konsum setze sich zusammen aus dem englischen Preisplus der Prämien. Er sei also um den Betrag der Prämie höher, als er sein müßte, wenn die Prämie nicht gegeben würde. Daß fei doch einander widersprechend, entweder die Prämie komme dem Ausland zu Gute oder das Inland bezahle den Zucker um so höher. Beides zusammen sei nicht möglich. (Abg. Dr. Barth: Weltmarktpreis. Ja wohl, der Weltmarktpreis werde dadurch verringert, d. h ohne die Prämie wäre der Preis auf dem Weltmarkt um diesen Betrag höher. Dann aber könne der Preis in Deutschland bei geltender Prämie nicht um so viel höher fein, das werde ihm auch der Abg. Dr. Barth nicht klar machen. Das sei ein vollkommener Widerspruch. In der That zahle Deutfchland einen Theil der Prämie und einen Theil zable der Engländer. Bei der scharfen Kritik, die an diese Zucker prämie immer geknüpft werde, sollte man doch aber nicht vergessen, daß die Zuckerfabrikanten, denen diese Bonifikationen zukämen, durch ihre Thätigkeit den Preis für den Zucker eiheblich verringerten, die Konsumenten zahlten jetzt weniger als die Hälfte dessen, was sie vor 20 Jahren gezahlt hätten, und wenn man etwa um 50 Jahre zurückgehe, so sehe man, daß damals ein unerschwinglich hoher Zuckerpreis bestanden habe, und der würde ohne vie, Arbeit der Juckerfahrikanten niemalg zurückgegangen sein. Die Nationalliberalen würden in der zweiten Lesung für §. 1 stimmen, wonach die reine Konfumsteuer an die Stelle des bisherigen gemischten Systems trete. Sie behielten sich aber vor, wenn keine Einigung über die Sätze der Exportprämie und die Höhe der Verbrauchsabgabe erfolge, in dritter Lesung gegen §. 1 und gegen das ganze ft, zu stimmen.

Vom Abg. Fuͤrsten Haätzfeldt ist inzwischen der Antrag eingegangen, die Konsumabgabe auf 1846. festzusetzen nnd bis auf Weiteres eine offene Prämie von 125 66 zu gewähren. In einer befonderen Resolution werden die verbündeten Regierungen zu erneuten internationalen Verhandlungen wegen Aufhebung der Zuckerprämein aufgefordert.

Abg. Dr. Witte: Er sei durch die Erklärung der Regierung sehr enttäuscht worden. Er habe eine flotte, entschiedene Erklãrung erwartet, welche zeige, wie weit man gehen müsse, um Line Mehrheit für das Gesetz zufammenzubringen. Das sei zu seinem Bedauern nicht geschehen; aber wieder seien die Geldbedürfnisse der Reichskasse und der Einzelstaaten betont worden, obwohl doch offiziell zugegeben sei, daß das Reich in den nächsten Jahren nichts brauche, und das hiete einen Angriffspunkt gegen die Vorlage,. Daß das Reich nichts brauche, lehre auch mehr als deutlich die neueste Ueber sicht über die Reichseinnahmen an Zöllen und Verbrauchssteuern im abgelaufenen Etatejahre. Für das gegenwãärtige System der Zuckersteuer begeisterten sich dessen Anhänger mit einem wahren Fanatismus. Habe doch der Abg. von Kardorff in der ersten Lesung sogar von einem Umbringen der Zuckerindustrie gesprochen! Mit solchen Ucbertreibungen fei der Sache nicht gedient, Daß mit der Verrin · gerung der Zuckerprämie der Preis für Rüben sinke, sei eine un⸗ bewiesene Behauptung. Am 1. August 1888 sei das Gesetz in Kraft getreten, durch welches die Exportprämien herabgesetzt wurden, seit⸗ bem sei aber der Rübenbau nicht geringer geworden, sondern er habe noch zugenommen, das beweise also, daß die Landwirthschaft bei dem jetzigen Rübenpreis bestehen könne; am Rhein und in West⸗ falen müffè sie freilich ziemlich hohe Arbeitslöhne bezahlen, im Osten aber mache sie bei J M6 für den Centner Rüben noch ein guteg Ge⸗ schäft. Von einer Schädigung der Landwirthschaft durch das Gesetz, wie es die Regierung vorgelegt habe, könne also gar keine Rede sein. Was der Abg. von Bennigsen über den Inlandspreis aus⸗ geführt habe, sei fachlich unrichtig. Man könne nicht leugnen, daß durch die Praͤmien der Weltmarkt beeinflußt werde und der Preis in Verbin- dung mit der= e e n gestelgerten Produktion eine erhebliche Ermäßigung erfahren habe; wenn die Zuckerproduzenten das hätten verhindern können, so würden fie das nur ju gern gethan haben; sie hätten gern die Exportprämie und dabei hohe Preise auf dem Welt⸗ markt behalten. Gesunde gr, würden erst mit der Abschaffung der Prämien einkehren. In demselben Augenblick, wo Deutschland Prämien und Materialsteuer abschaffe, würden die Preise auf dem

Weltmarkt steigen. Darum bitte er, 5. 1 der Vorlage anzunehmen. (Beifall links)

Abg. Graf zu Stolberg: Seine Partei sei bereit, iu einer Verflãndigung mitzuwirken. Er habe geglaubt, es würde das guf Grund elner Aenderung der Materialsteuer möglich sein, habe sich aber siberjeugt, daß dieser Weg nicht gangbar sei. Ermäßige man einfach die Haterialftener um den Betrag der verstãrkten Prämie, so schädige man in erster Linie die ungunstig gestellten Fabriken. Es fel Niemand zu verdenken, daß er hier seinen Weizen dresche, aber der Reichstag in seiner Gesammtheit werde auch das Schicksal der ungünftig gestellten Fabriken sich angelegen sein lassen müssen. Seine Partei werde, wie der Abg. Br. von Bennigsen, zunächst für den S. 1 in der Hoffnung stimmen, daß auf dem Grunde der gestellten Anträge sich eine Majorität für die einzelnen Sätze werde finden lassen.

Reichskanzler von Caprivi:

Es wird von mir nicht erwartet werden, daß ich auf die Einzel⸗ heiten der Frage eingehe. Es ist eine alte Frage; sie ist viel erörtert. Es steht Ansicht gegen Ansicht, Erfahrung gegen Erfahrung, Ueber- zeugung gegen Ueberzeugung. Ich habe mir aber das Wort erbeten, einmal, um einige allgemeinere Bemerkungen, die hier gefallen sind, zu widerlegen, und dann, um den Standpunkt der verbündeten Re⸗ gierunzen zu der Sachlage, wie sie sich jetzt gestaltet, darzulegen.

Was zuerst die allgemeineren Bemerkungen angeht, so bemerkte der Hr. Abg. Fürst Hatzfeldt, daß er zwar der Regierungsvorlage entgegenzukommen geneigt sei. Die Regierung kann dafür nur dankbar sein, selbst, wenn dies Entgegenkommen nicht so weit ginge, als sie von ihrem Standpunkte es für wünschenswerth oder erforderlich hält.

Er sagte dann, die Vorlage an sich, wie manches Andere, wenn ich ihn recht verstanden habe, möchte ja gehen; aber es gebe zu Be— unruhigungen Anlaß. Das ist etwas, was sich jetzt fast auf jedem Gebiet wiederholt. Die verbündeten Regierungen können thun was sie wollen. Man ist im Allgemeinen mit dem, was sie thun, ein⸗ verstanden; ich glaube nicht, daß man ihr bis jetzt große Sünden nachzuweisen im Stande ist. Aber, sagt man, das ist wahrscheinlich nicht Alles, und wir halten es für räthlich, uns zu beunruhigen. (Heiterkeit. )

Ich möchte doch vor solchen Beunruhigungen, sofern sie eine that⸗ sächliche Grundlage nicht haben, warnen; denn durch diese Be⸗ unruhigung wird eben das geschaffen, dem sie entgegentreten wollen. Die verbündeten Regierungen handeln nach ihrer Ueberzeugung richtig und geben keinen Anlaß zu Beunruhigungen. Wenn man aber die Frage, ob das, was die Regierungen nicht gesagt, sondern verschwiegen, nicht etwa beunruhigen könne, immer wieder stellt, dann bin ich der Meinung, man beunruhigt.

Es ist dann hier wieder auch das wiederholt sich die Be⸗ merkung gemacht worden, es gewinne den Anschein, als ob die ver⸗ bündeten Regierungen die Interessen der Landwirthschaft nicht sorgsam genug pflegten. Ja, meine Herren, da möchte ich auch erst den Beweis gefübrt sehen; wo liegt der? Die verbündeten Regierungen sind so überzeugt von dem Werthe der Landwirthschaft für die Erhaltung des Staats und des Reichs, wie irgend Jemand hier im Hause, und ich dächte auch hier, es wäre räthlich im Interesse einer gesunden, ruhigen Entwickelung unseres inneren Lebens, nicht der Regierung Absichten zu imputiren, die sie thatsächlich nicht hat, und zu deren Imputirung, soviel ich weiß, keine einzige ihrer Handlungen bisher Anlaß gegeben hat.

Man führt dann gern und leicht den künftigen österreichischen Handelsvertrag ins Gefecht. Wenn der hier zur Sprache kommen wird, werden wir uns weiter darüber sprechen. Ich bin der Meinung, daß wir auch dann werden nachweisen können, daß eine Schädigung der Landwirthschaft von Seiten der Regierungen niemals beabsichtigt ge⸗ wesen ist, daß sie auch voraussichtlich durch das, was die Regierungen planen, nicht eintreten wird. (Hört, höꝛt )

Was die vorliegende Frage und das Interesse der Landwirth-⸗ schaft dabei angeht, so könnte ich ja auch die Besorgniß, daß durch eine Vermehrung der Fabriken auf ungünstigem Boden Riesenfabriken entstehen, daß dadurch die Landwirthschaft geschädigt werden könnte, anführen; ich könnte die Aeußerung anführen, die von dem bekannten Hrn. Nobbe über die Gefahren, die auch der Landwirthschaft aus einer übertriebenen Zuckerindustrie drohen, gemacht ist. Ich will das aber unterlassen. Ich will mich auf die Versicherung beschränken, daß die verbündeten Regierungen sich das Interesse der Landwirithschaft sehr warm angelegen sein lassen.

Dann hat einer der Herren Vorredner die unnöthige Frage ge⸗ stellt, ob denn auch der Herr Landwirthschafts . Minister gehört wäre. Es ist den Herren ja bekannt, wie die Vorlagen der verbündeten Regie⸗ rungen an den Reichstag zu Stande kommen: der preußische Herr Minister, ebenso wie die Minister für die landwirthschaftlichen Ange⸗ legenheiten der anderen Staaten kommen zur Aussprache, wenn die Stimmen der betreffenden Staaten instruirt werden. Ich habe weder für Preußen noch für einen anderen Staat Grund zu der Annahme, daß die landwirthschaftlichen Minister dabei nicht recht⸗ zeitig gehört worden wären.

Man hat weiter gesagt: wenn Ihr diese Vorlage macht, über= seht Ihr auch nicht, daß Ihr die Auswanderung dadurch noch weiter protegirt? Ja, meine Herren, die Frage der Auswanderung liegt der preußischen und den verbündeten Regierungen sehr warm und sehr nahe am Herzen; Sie können überzeugt sein, daß das, was von unserer Seite geschehen kann, geschehen wird, um die Aus⸗ wanderung in denjenigen Grenzen zu halten, die unseren Ackerbau lebensfähig lassen. Am meisten Schwierigkeit finden wir dabei in unseren östlichen Provinzen. (Sehr richtig) Gerade den Herren, die von da stammen, brauche ich nicht anzuführen, wie schwer es ist, diesen Schwierigkeiten entgegenzutreten. Wenn das aber nicht oder nicht in dem vollen Umfang gelingt, so bitte ich, doch nicht anzu⸗ nehmen, daß die Regierungen es daran hätten fehlen lassen.

Es ist dann von einer anderen Stelle die Aeußerung gethan worden, diese Vorlage sei überraschend, die verbündeten Regierungen seien sich über deren volle Bedeutung vielleicht nicht klar gewesen Ich habe auch hier den Beweis dafür, daß die verbündeten Regierungen sich der Tragweite nicht klar gewesen wären, vermißt. Was das Ueberraschende der Vorlage angeht, so kann ich nur sagen, daß sie bereits unter meinem Herrn Amtsvorgänger beschlossen war (hört, hört h, daß also ein längerer Zeitraum bingegangen, ein Wechsel von Personen eingetreten ist, daß ich also nicht glaube, die verbündeten Re⸗ gierungen haben zu dem Vorwurf Anlaß gegeben, daß sie etwa zu leichthin eine so ernste Sache behandeln.

Der Standpunkt der verbündeten Regierungen zu der Sache, wie sie jetzt liegt, ist nun der, daß die verbündeten Regierungen von der Nothwendigkeit einer Aenderung des gegenwärtigen Zu⸗

standes fest überzeugt sind und an dieser Ueberzeugung fefthalten werden. Die verbündeten Regierungen halten die Vorlage, die sie eingebracht haben, noch heute für das Beste. Wenn aber für etwas, wat dieser Vorlage nahestebt, eine Maloritãt im Hause zu gewinnen ist, die der Regierungs vorlage fehlen würde, so werden die verbündeten Regierungen geneigt sein, nach wie vor in Verhandlungen einzutreten. Ich glaube, daß es den verbündeten Regierungen fehr schwer sein würde, in eine Verlängerung der festen Prämie in aeternum zu willigen. Die verbündeten Regierungen sind nicht der Meinung, daß damit der Zweck dieser Vorlage erreicht würde, der wirthschaftliche Zweck, der zur Folge haben würde, daß auch andere Staaten ihre Steuern heruntersetzen. Wenn wir schon mit einer unbe⸗ schränkten Zeit anfangen, so ist es unwahrscheinlich, daß andere Staaten uns folgen sollten. Es würde ferner eine solche feste Prämie in aSternum die Folge haben, daß weiter Zuckerfabriken entstehen, und das ist gerade das, was die verbündeten Regierungen durch diese Vorlage haben vermeiden wollen.

Wenn ich also auf der einen Seite es nicht für wahrscheinlich halte, daß die verbündeten Regierungen sich zu einer zeitlich unbe⸗ schränkten, festen Prämie verstehen sollten, so halte ich es auf der anderen Seite nicht für wahrscheinlich, daß die verbündeten Regie⸗ rungen in Bezug auf den Ertrag der Konsumsteuer wesentlich unter das Maß heruntergehen werden, welches die Regierungs vorlage an⸗ gegeben hat. Wir sind der Meinung, daß, wenn die Finanzlage des Reiches auch zur Zeit eine günstige ist, wir vor der Nothwendigkeit stehen, dem Reiche in seinem eigenen Interesse, wie in dem der Einzelstaaten Mehreinnahmen zu verschaffen. Ob dieser Zeltpunkt in diesem Jahre oder im nächsten Jahre oder in zwei Jahren eintreten wird, das vermag ich nicht abzusehen; daß er aber kommt, ist mir zweifelloz. Er kommt, weil wir mehr Geld brauchen für Alters und Invalidenversicherung, wir brauchen für die Beamtengehälter eine Erhöhung, wir brauchen der natürlichen Entwicklung der Dinge nach für die großen Etats der Marine und des Heeres mehr Geld. Ich will nur Eins anführen. Wir haben schon jetzt ein Militärpensionsgesetz in einer Novelle fertig, die einige Millionen in Anspruch nehmen wird. Wir werden in der nächsten Session damit kommen und haben es nur diesmal nicht gethan, weil die Geschäftslage des Hauses es uns aussichtslos erscheinen ließ, mit einer so bedeutenden Vorlage noch einzukommen. Wenn aber auch von allen diesen Dingen noch abgesehen wird, so ist es doch nach meiner Ansicht für die Finanzlage des Reichs erforder lich, auf Mehreinnahmen zu denken. Auch ist öfters in diesen Räumen die Klage laut geworden, daß wir von der finanziellen Wirthschaft des Reichs einen zu großen Theil unserer Ausgaben auf Anleihen nähmen, und daß der Amortisation der Reichsschuld eine hinreichende Sorge bisher nicht zu Theil geworden sei. Ich kann also mit einiger Sicherheit annehmen, daß diese Bedürfnisse ein⸗ treten werden, und daß sie Befriedigung erheischen werden.

Die verbündeten Regierungen haben außer diesen wirthschaftlichen und finanziellen Motiven auch das Motiv voll in Betracht gezogen, was der Hr. Graf Stollberg erwähnte, daß es wünschenswerth ist, die wirthschaftlich schwächer Gestellten zu entlasten. Also vom wirthschaftlichen, vom politischen und vom finanziellen Stand⸗ punkt aus glaube ich nicht, daß die verbündeten Regierungen von der Vorlage zurücktreten werden, und ich halte es für wahrscheinlich, daß, wenn in diesem Jahre, was ich überaus beklagen würde, nichts zustande käme, die verbündeten Regierungen in der Nothwendigkeit sein würden, in der nächsten Session noch einmal mit dieser oder einer ähnlichen Vorlage vor das Haus zu treten.

Ich bitte also im Namen der verbündeten Regierungen, wenn Sie jetzt nicht zu einem Entschluß kommen können, wenigstens nichts zu thun, was der endlichen Erledigung der Vorlage in dieser Sitzung präjudiztten würde. (Bravo

Abg. Ulrich: Die Herren, die bis jetzt gesprochen hätten, die Abgg. Pr. von Bennigsen, Graf Stolberg, Fürst Hatzfeldt, seien als persönliche Interessenten aufgetreten. Von den kolossalen Di⸗ videnden der Zuckerfabriken, welche bis zu 6K oso stiegen, sei nirgends die Rede gewesen. Die Aktionäre, nicht die kleinen Zuckerbauern, seien es, welche die größten Flächen mit Rüben bebauten, In Preußen pro⸗ duzirten 677 Äkrionäre 576 338 Doppelcentner Rüben, 1235 Nicht⸗ aklionäre bloß 263 742 Doppelcentner. Dies beweise, daß der Zucker⸗ bau ein landwirthschaftlicher Betrieb mehr sei, und daher hätten die jenigen Herren, welche für die armen Bauern“ gesprochen, pro domo gesprochen, denn sie strichen die hohen Dividenden ein. Die Arbeiter hätten abfolut keinen Vortheil davon, denn die Löhne in dieser In⸗ duftrie seien außerordentlich gering gegenüber Frankreich. Seit 1871 fei beinahe eine halbe Milliarde an Prämien gejablt worden, das müffe endlich aufhören. Wie komme die Regierung dazu, den In⸗ dustriellen noch weiter jährlich 31 Millionen zu schenken? Die ganze bisherige Gesetzgebung mit der Materialsteuer, einer Versündigung an den Interefsen der Nation, wie heute der Staatẽsekretãr selbst zugegeben habe, sei nur den Grundbesitzern zu Gute gekommen. Seine Partei habe in der Fommission be⸗ antragt, den 8. J iu streichen, um damit die Material wie die Konfumsteuer zu beseitigen, denn sie sei gegen jede Lebens mittelsteuer. Der Effekt der bisherigen Steuer sei der, daß der deutsche Zucker in England billiger fei als hier. Der Fürst Hatzfeldt habe gesagt, die Befeitigung der Prämie würde der Auswanderung Vorschub leisten. Dein gegenüber weife er (Redner) darauf hin, daß die Auswanderung unter dem jetzigen System gerade dort am Stäͤrksten sei, wo die Zuckerindustrie zu Hause sei. (Beifall bei den So ialdemokraten.)

Staatssekretär Freiherr von Maltzahn:

Der Herr Vorredner hat einen scharfen Angriff auf das bisherige System der Zuckerbesteuerung, welches auf der Materialsteuer beruht, gerichtet. Er hat das System der Materialsteuer als eine Versündigung an den höchsten Interessen des Landes bezeichnet, als eine ausschließliche Begünstigung der adeligen Reichen, und er hat die Behauptung ausgesprochen, daß der Vertreter der verbündeten Regierungen heute diese seine Bebauptung als richtig anerkannt habe. Dem muß ich einen entschiedenen Protest entgegensetzen. Ich habe sowohl heute, als in der erst en Lesung, ausdrücklich hervorgehoben, daß das System der Materialsteuer wesentlich dazu beigetragen habe, daß die Zuckerproduktion sich auf die Höhe erheben konnte, auf der sie sich zu unser Aller Freude befindet, und ich babe gesagt und glaube, die große Majorität des Reichstages wird mir darin zu⸗ stimmen —, daß die Blüthe der Zuckerindustrie nicht den reichen adeligen Herren allein, sondern in weiten Theilen unseres Vater⸗ landes gerade der arbeitenden Bevölkerung den allergrößten Nutzen und Vortheil gebracht hat. Wären die verbündeten Regierungen anderer Meinung, so hätten sie mit dem System der Materialsteuer schon lange brechen müssen; fie sind aber der Meinung, daß erst neuerdings in Folge des Bestehens dieses Systems Uebelstände hervor

getreten sind, welche gebieten, einem System, das seinerzeit voll ständig gut und richtig war, baldigst ein Ende zu machen.

Abg. Graf Hoensbroech: Er sei nicht Zuckerinteressent, davon bitte er Notiz zu nehmen. Das Centrum habe von jeher in der Material ˖ fieuer ein System erkannt, welches der Entwickelung der Industrie den größten Nutzen gebracht habe, aber prinzipiell und volkswirth⸗ schaftlich auf die Dauer kein gesundes sei. Das Centrum sei daber auch im Yrinziv für den Uebergang zur reinen Konsumabgabe. Die Schwierigkeiten ergäben sich erst aus der Frage, wie die Periode des ebergangs behandelt werden müfse. Die ganze Vorlage werde von dem Centrum, weil daesebe mit dem alten System brechen wolle, mit Sympatbie begrüßt, und es werde für den §. 1, also für die Ver⸗ e der Materialsteuer stimmen.

Abg. von Kardorff: Nicht absichtlich von der Regierung, aber . werde eine Beunruhigung über die Sicherheit des Fortbeftehens der von dem Fürsten Bismarck befolgten Wirthschafte. politit hervorgerufen, und zwar durch allerlei Vorgänge, die mit dem österreichischen Handelsvertrag in Verbindung ständen. Es sei möglich, daß, wenn der öoͤsterreichische Handels vertrag vorliege und die Befürchtungen nicht wahr mache, die jetzt rege seien, dann die Situation wieder eine gang andere sei. Deute könne er für feste Prämien nicht stimmen, obwohl gerade für Schlesien die festen Prämien weit vortheilhafter seien, als die Prämien aus der Material. steuer. Aber man habe die landwirthschaftlichen Interessen als folidarische zu betrachten, und wenn man den Herren in Hannover und Sachsen Jbre Materialsteuer fortnehme, um zu festen Prämien, über.; zugehen, fo würde er sich nicht wundern, wenn die Herren nachher bei der Branntweinsteuer oder den Getreidezöllen sagten, Ihr habt da⸗ mals unfere Interessen nicht wahrgenommen, wir wollen Eure heute auch nicht wahrnehmen. Seine Partel glaube dem Kampf der Linken gegen die sogenannten agrarischen Zölle nur Widerstand leisten zu können, indem fie die gegenwärtige Position aufrecht erhalte. Der Abg. Dr. Witte habe auszuführen versucht, daß der Zuckerrübenbau zugenommen habe, und daß der Preis für den Centner Rüben nicht gesunken sei. Das ö sei falsch, der Preis sei ganz erheblich, von 1,30 auf O, S5 66, gesunken. Solle der Preis noch um weitere 12 14 3 heruntergesetzt werden, so höre das Rübenbauen im Osten auf, rentabel zu sein. Er (Redner) habe allerdings früher selbst gesagt, daß der Ertrag des Grund und Bodens durch den Rübenbau gesteigert werden könne. Diese Steigerung könne aber erst allmählich, etwa in 30 Jahren, eintreten, und der Abg. Dr. Witte werde doch nicht glauben, daß Jeder, der heute zum Rübenbau übergebe, sofort an den 89 Millionen Mehrverdienst partizipire? Es würde unverständlich sein, wenn Deutschland heute Desterreich gegenüber seine Prämien abschaffte, während dieses die seinigen behalte. Frankreich sei mit der Schutz⸗ zollpolitik ein blühendes, reiches Land geworden. Durch die Ent⸗ wickelung der Zackerrübenindustrie seien die Löhne für die Arbeiter in Deutfchland erheblich gestiegen. Man habe auch die Zuckerindustrie mi einer Treibhauspflanze verglichen; eine solche Treibhauspflanze fei auch das Kurfuüͤrstenthum Brandenburg, aus dem das Königreich . hervorgegangen sei und zuletzt das Deutsche Reich. Der

eichskanzler habe der Landwirthschaft seine Fürsorge zugesjagt. Die östlichen Provinzen namentlich bedürften dieser Fürsorge. Bis⸗ ber seien alle Versuche, durch Eisenbahntarife, durch Aufhebung des Identitätsnachweises ihr zu helfen, umsonst gewesen. Hoffentlich gelinge es dem Reichskangler, einen Weg zu finden, auf dem ihr geholfen werden könne. Durch den Bauernstand sei Deutschland groß geworden.

Abg. Dr. Barth: Es sei sehr interessant, die Vertheidiger des herrschenden Wirthschaftssystems die Theorie des quiet non movere hier vertreten zu fehen, während sie doch in den letzten zehn oder zwölf Jahren kein Jahr hatten vorübergehen lassen, ohne an den Getreidezöllen und damit an dem Preise des täglichen Brotes dies oder jenes gründlich zu ändern. Hier, wo es einen alten Mißbrauch zu befeitigen gelte, wolle man Alles beim Alten lassen. Von den Steuerzahlern sei sonderbarer Weise bisher noch gar nicht die Rede gewesen. Es habe sich herausgestellt, daß die Regierung den fiskalischen Standpunkt vertrete, andere Vertreter der bisherigen Wirthschafts⸗ politik wieder den Standpunkt der Zuckerindustrie einnähmen. Die Vertretung des Volkes sollte aber doch weder den einen, noch den anderen Standpunkt entscheidend sein lassen. Der Abg. von Kardorff habe mit schätzenswerther Offenheit auseinandergesetzt, daß er sich beunruhigt darüber fühle, daß, wenn hier die Interessen der Zucker⸗ industrie preisgegeben würden, die Vertreter der Branntweinindustrie und des Getreldebaues auch ihre Unterstützung versagen würden. Sei daz nicht die nackteste Interessenpolitik, die überhaupt gedacht werden könne? Der Abg. von Kardorff sage, er wider strebe der Vorlage, weil er einen Einbruch in die herrschende Wirthschaftspolitik überhaupt davon befürchte; sei, das nicht nackte Interessenpolitik? Seine (des Redners) Partei wolle aus allgemeinen Mitteln Keinen unterstützen, die Steuern sollten nach ihrem ganzen Ertrage dem Fiskus zufallen. Es gebe einen Weg, bei der Reform der Zuckersteuer die Interessen des Fiskus, der Steuer zahler und der Zuckerindustrie zu versöhnen. Es sei vollständig richtig, daß durch Zuckerexportvrämien in der That ein Einfluß auf den Weltmarktpreis in der Richtung künstlicher Erniedrigung aus— geübt werde; wenn der Abg. Dr, von Bennigsen dieses Zugeständniß mache, gestehe er doch zu, daß diese Prämien ein ganz namen— loser Unfug seien, ein Geschenk an die Ausländer, nur damit sie den deutschen Zucker kauften. Die Preisbildung auf dem englischen Markt hänge augenblicklich durchaus davon ab, wie Deutschland, der stärkste Versorger des Marktes, seinen Preis stellen könne; würden die Prämlen beseitigt, so müsse also der Preis steigen. Die Prämien seien nichts als eine blinde Vergeudung von öffentlichen Mitteln ohne jeden Nutzen. Die Regierung wolle in erster Linie aus dem Zucker einen höheren Ertrag, gewinnen, aber für eine Reform sei es höchst unpraktisch, gleichzeitig fiskalische Maßregeln damit zu ver⸗ quicken. Scelbst im wohlperstandenen Interesse der Zuckerindustrie liege die schleunigste Abschaffung der Prämien. Alle Rücksichten könnten gleichzeitig gewahrt werden, wenn der Reichstag auf den Boden des Antrages seiner Partei irete. (Beifall links)

Staatesekretär Freiherr von Maltzahn:

Der Herr Vorredner hat gemeint, es sei falsch, wenn die ver bündeten Regierungen in dem Augenblick, wo sie an eine Reform der Zuckersteuer herantreten, zugleich eine Erhöhung des Ertrages der Zuckersteuer anstreben. Er hat gemeint, man müsse die Ge⸗ winnung höherer Einnahmen aus diesem Steuerobjekt auf einen späiteren Zeitpunkt verschieben. Das würde doch nur dann richtig sein, wenn diese Gewinnung höherer Einnahmen begründet wäre auf eine Erhöhung der Steuerbelastung, der Kreise, welche die bestehende Steuer trifft. Nach der Annahme der verbündeten Regierungen, wie sie in den Motiven zur Vorlage dargelegt ist, beträgt aber die augenblickliche, thatsächliche Steuer⸗ belastung des inländischen Konsums mehr als 22 4 pro Doppel⸗ Centner, und die verbündeten Regierungen haben geglaubt, mit dem von ibnen vorgeschlagenen Steuersatz noch etwas unter der heutigen thatsächlichen Belastung des Inlandekonsums zu bleiben. Dann aber konnte es sich nicht empfehlen, einen wesentlich niedrigeren Steuersatz als denjenigen, welcher der thatsächlichen Belastung entspricht, vorzu⸗ schlagen, wenn man der Meinung war, daß die finanziellen Bedürfnisse des Reichs in absehbarer Zeit dazu führen müßten, den Steuersatz zu erhöhen.

Wenn der Hr. Abg. von Kardorff gemeint hat, daß die Vertreter der verbündeten Regierungen es als ein Unglück betrachteten, wenn die Zuckerindustrie sich ausdehne, so ist das in dieser Schärfe keineswegs von mir ausgesprochen worden. Ich habe ausgeführt und das halte ich auch vollständig aufrecht

daß eine Autzdehnung unserer Zuckerproduktion, welche nur auf den Prämien beruht, oder eine solche, welche geeignet ist, unsere dentsche Zuckerproduktion auf unsicherere Grundlagen zu stellen als diejenigen, auf denen sie bisher gestanden hat, nicht wünschenswerth sei. Daß aber dann, wenn der Weltmarkt uns regelmäßig ein bestimmtes Quantum Zucker abnimmt und daneben der Inlandskonsum sich vermehrt, die inländische Produktion sich so steigere, daß sie diesem erhöhten Bedürfniß ihrerseits zu entsprechen vermag, das, glaube ich, wird jeder Mensch wünschen, nicht nur die Mitglieder des Reichstages, sondern mit ihnen auch die verbündeten Regierungen.

Wenn dann der Hr. Abg. von Kardorff meinte, daß der Land⸗ wirthschaft des Ostens ganz besonders geholfen werden müßte, und wenn er von diesem Standpunkt aus dem Vorgehen der verbündeten Regierungen entgegentreten zu sollen glaubte, so muß ich sagen, daß in seinem Verhalten sür mich ein unlösbarer Widerspruch liegt. Wie man in einem Athem sagen kann: Die Landwirthschaft der östlichen Provinzen ist am Meisten gefäbrdet! und in demselben Augenblick im Gegensatz zu einer festen Exportprämie für die Materialsteuer auf⸗ treten kann, die notorisch den reichen mittleren Provinzen Sachsen und Braunschweig in weit höherem Maße zu Gute kommt als dem Osten, die den Rübenbauern dieser Gegenden es ermöglicht, die höheren Löhne zu zahlen, um deren wüllen aus dem Osten die Sachsen gänger sich dorthin wenden, das verstehe ich nicht.

Abg. von Staudy: Ein großer Theil der Deutschkonser⸗ vativen stehe guf anderem Standpunkte als ihn der Antrag des Abg., Grafen Stolberg zum Ausdruck bringe, und lehne die Vorlage in einigen Punkten ab. Hätte man vor Einbringung der Zuckersteuer⸗ novelle die Landwirthschaft im Osten, die Ober⸗Präsidenten, die land⸗ wirthschaftlichen Vereinigungen gefragt, sie hätten durchweg von der Einbringung abgerathen. Wäre in Verbindung damit die Aus- wanderungsfrage ventilirt worden, so würde der Widerspruch sich noch verstärkt haben. Für spätere Ausgaben gegenwärtig schon ein Gesetz zu machen, könne man nicht verantworten, wenn die Lasten auf. Schultern gewälßt werden sollten, die nicht berufen seien, sie allein zu tragen. Ünzweifelhaft trage gerade die Landwirthschaft einen schweren Theil der Last für die Alkers⸗ und Invalidenversiche⸗ rung, jetzt werde ihr auch noch zugemuthet, den Staatszuschuß zu den Alters und Invalidenrenten aufzubringen. Die Exportprämien seien verwerflich, das sei auch seine Meinung; aber die Gesetzgebung habe, als die Materialsteuer eingeführt worden sei, die Exportprämien nicht beabsichtigt, sondern diese hätten sich erft durch die Fortschritte der Technik. herausgebiltet. Sie jetzt plötzlich abzuschaffen, wärde ein schwerer politischer und wirthschaftlicher Fehler sein. Man dürfe doch nicht so geringen Werth auf die Vorgänge in, den anderen Ländern legen, man müsse namentlich Frank⸗ reich berücksichtigen. Die gegenwärtige Belastung des Konsumenten auf. 22 M zu berechnen, wie die Regierung es thue, scheine ihm fehlerhaft; es sei dabei die Wirkung der Exportprämie auf den Weltmarktpreis nicht in Rechnung gezogen; die Belastung des in ländischen Konsumenten sei nicht so hoch. Er sei gegen die Auf⸗ hebung der Materialsteuer, weil er die Konsequenzen fürchte, die aus diesem Schritte sich ergeben würden. Seien denn nicht gegenüber 200 Millionen Einnahmen aus dem exportirten Zucker die etwa 20 Millionen Exportprämie ganz nebensãchlich?

Abg. Heine: Gerade die Lage der Kleinbauern und der Arbeiter solle also durch die Zackerindustrie verbessert worden sein. Er bedauere, dem Staats sekretãr in dieser Beziehung vollständige Un kenntniß der Verhältnisse vorwerfen zu müssen. Die Kleinbauern seien von den Großhgrundbesitzern aufgefressen worden. In der Provinz Sachsen sei eine Unzahl kleinbäuerlicher Existenzen in Folge der Ent⸗ wicklung der Zuckerrübenindustrie verschwunden. Die Lage der Wobl⸗ habenden sei allerdings eine bessere, die der Arbeiter aber eine schlechtere geworden. Gerade das Proletariat der Zuckerindustrie sei in bejammernswerther Lage. Gewiß würden heute höhere Löhne gezahlt als früher; der heutige Geldlohn, der den früheren Naturallohn abgelöst habe, sei aher zu gering, um die Leute zu ernähren. In den Be⸗— richten der Gewerbeinspektoren sei nachgewiesen, daß in der Zucker⸗ industrie die Frauenarbeit und Nachtarbeit der Frauen unentbehrlich sei. Der Lohn des Arbeiters genüge nicht, um eine Familie zu ernähren. Einem Arbeiter, welcher sogar den verhältnißmäßig bohen Lohn von 1 60 3 täglich verdiene, habe das Vormundschafts. gericht die Genehmigung zur Heirath versagt, weil dieser Lohn zur Ernährung einer Familie nicht genüge, Daß die Arbeiter dabei nicht verhungerten, sei nur möglich, weil sie 14, 16 und mehr Stunden arbeiteten. Die Frucht eines solchen Systems sei eine unheimliche Degeneration des Geschlechts. Wo früher eine kräftige Bevölkerung existirt habe sei jetzt ein kurzlebiges Geschlecht.

Staatssekretär Freiherr von Maltzahn:

Meine Herren! Der Herr Vorredner hat mir Unkenntniß der landwirthschaftlichen Verhältnisse in der Zuckerindustrie und ins⸗ besondere vorgeworfen, daß die von ihm geschilderten Zu— stände in der Provinz Sachsen mir nicht genau bekannt wären. Der Herr Vorredner selbst hat seine Unbekanntschaft mit den landwirthschaftlichen Verhältnissen in anderen Kreisen als denjenigen seiner Heimath unmittelbar nachher gezeigt, wenn er den allgemeinen Satz aufstellte, daß die norddeutschen landwirthschaftlichen Arbeiter zur Zeit ausschließlich oder fast ausschließlich Geldlohn er— halten und daß die Naturallöhnung aufgehoben sei. Glücklicherweise ist in weiten Distrikten des Ostens das Gegentheil der Fall (sebr richtigh, speziell in meiner Heimath, und, wo dieses System der Naturallöh⸗ nung noch besteht und zugleich Zuckerfabriken eingerichtet sind, haben sich auch, soweit meine Kenntniß reicht, solche Zustände nicht herausgestellt, wie bei den Zuckerfabriken, welche der Herr Vorredner aus seiner Heimath geschildert hat. Was er schilderte, sind ja einfach die Uebelstände, welche sich aus der reinen Großindustrie leider herausgebildet haben, die Uebelstände, deren Bestehen den Anlaß gegeben hat, die Sozialgesetzgebung in Angriff zu nehmen. Aber, meine Herren, den Satz aufzustellen, daß in all den vergangenen Jahren die Entwickelung der deutschen Zucker industrie in den Gegenden, wo sie besteht, den Arbeiter geschädigt, k vielmehr vorwärts gebracht hätte, das, glaube ich, ist etwas zu kühn.

Wo hatten denn, ehe die Zuckerfabriken bestanden, im Winter die landwirthschaftlichen Arbeiter, welche nicht auf den Gütern wohnten, die Arbeiter in den Städten, überhaupt eine Gelegenheit zu lohnendem Arbeitsverdienst?

Wenn nun aber in den Gegenden, wo die Zuckerfabriken am Dichtesten sitzen, sich Zustände herausgebildet haben, die der Herr Vor⸗ redner, wie ich annehme, aus persönlicher Kenntniß der dortigen Ver⸗ hältnisse richtig geschildert hat, so spricht das eben für die Richtigkeit der in den Motiven aufgenommenen und heute angegriffenen Behaup⸗ tung, daß unter dem bisherigen System jetzt Zustände sich zu ent wickeln anfangen, welche uns zeigen, daß es an der Zeit ist, ein System, das ursprünglich gut war und gut gewirkt hat, jetzt zu verlassen.

Damit schließt die Diskussion.

8M wird mit beträchtlicher Mehrheit angenommen. Die Diskussion über §. 2, welcher die 3 der Konsum⸗

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