mindesten zwei Drittel der Stimmen haben“. Es war ferner, gleich in der ersten Vorlage, vorgesehen, daß ein größerer Besitz eine Mehrzahl von Stimmen bedingen sollte, damit der Jeböührende Einfluß dem größeren Besitzer gesichert werde. Meine Herren, auch bezüglich dieses Paragraphen möchte ich Herrn von Kleist darauf auf— wmerksam machen, daß von seinen politischen Freunden im anderen Haufe allerding auch für diese wichtige Frage prinzipielle Aenderungen, und zwar nach der Richtung vorgeschlagen waren, daß die jeßige gesetzliche Bestimmung über die Zahl der Stimmen, über kie Vorbedingungen für dieses Mehrheitsstimmrecht beseitigt und diese Regelung lediglich der ortsstatutarischen Festsetzung über lassen werden solle. Das habe ich meinerseits wiederum für unannehmbar erklären müssen, und ich bin sehr zufrieden, daß ein anderer Weg gewählt ist, und daß im Gesetz selbst die Zahlengrenzen normirt worden sind, innerhalb deren eine solche Mehrheit des Stimmrechts stattfinden kann. Ohb diese Zahlen richtig wormirt worden sind, ob sie zu hoch oder zu niedrig gegriffen sind, darüber läßt sich streiten, wie überhaupt bei Zahlen prinzipielle Festsetzungen überhaupt kaum möglich sind; aber darüber möchte ich auch keinen Zweifel lassen, daß die Staatsregierung ihrerseits auf ihrem prinzipiellen Standpunkt einer Regelung im Gesetze selbst fest— gestanden hat und feststeht, daß sie sich aber gegenüber der großen Majorität des Hauses in der Normirung dieser Zahlengrenze der Auf— fassung desselben anschließen zu können geglaubt hat.
Die dritte Aenderung, welche ebenfalls Seitens der Staats— regierung für nothwendig erachtet wurde, war die Bestimmung über die obligatorische Einführung gewählter Gemeinde— vertretungen bei dem Vorhandensein einer bestimmten Zahl von Stimmberechtigten, eine Bestimmung, welche übrigens, wie auch im anderen Hause mit Recht hervorgehoben worden ist, gewissermaßen ein Gegengewicht bildet, um eine mögliche Majorisirung derjenigen, welche hauptsächlich zu den Gemeindeabgaben beitragen, zu verhindern. Venn sobald die Gemeindevertretung eingeführt wird, ist auch das Dreiklassenwahlsystem eingeführt, und damit ist auch das llebergewicht des Besitzes von vornherein gesichert. Ich kann nur wiederhelen, ich kann bie Vorlage so, wie sie aus dem anderen Hause herüber gekommen ist, weil sie prinzipielle Aenderungen der Regierungsvorlage nicht enthält, und weil die beschlossenen Aende⸗ rungen mit den Grun sätzen, von denen die Königliche Staattregierung ausgegangen ist, vereinbar sind, Ihnen zur unveränderten An' nahme empfehlen. Ich bin überzeugt, daß, indem wir ein solches Werk zum Abschluß bringen, zum Wohl des Landes einen sehr heil⸗ samen Schritt thun.
Wenn im Gegensatz zu dieser Auffassung der erste Herr Vor⸗ redner diese Vorlage als einen politischen Fehler ersten Ranges bezeichnet hat, so weiß ich eigentlich nicht, ob ich darauf überhaupt zu antworten Veranlassung habe. Herr Graf von Hohen thal hat gesagt, mit diesem politischen Fehler ersten Ranges treibe die Bureaukratie einen parlamentarischen Sport unter Zuhülfenahme der National- Zeitung“. (Zuruf: und des Linksliberalismus.) Er selbst hat auch geglaubt, mich in einem anderen Blatte darüber belehren zu sollen, daß es nicht zweckentsprechend sei, wenn ich mich personlich an der Viskussion dieser Vorlage in allen ihren Einzelheiten betheilige. Ich bedauere, diese Belehrung nicht annehmen zu können. Bei einem Gesetze von so weittragender Bedeutung wie diese Landgemeinde⸗ ordnung, ist es meines Erachtens die Pflicht des Ressort⸗Ministers, nicht nur bei der Diskussion über die allgemeinen Prinzipien, sondern auch bei allen wichtigen Einzelfragen persönlich für das Gesetz ein⸗ zutreten. Außerdem entspricht es meiner Ansicht nach der Rücksicht⸗ nahme, die die parlamentarischen Vertretungen zu sordern berechtigt sind. (Ruf: Sehr wahr) Im Uebrigen, sofern es einmal überhaupt noth—⸗ wendig werden sollte, Ausführungen des ersten Herrn Redners zu berücksichtigen und zu widerlegen, bin ich gern bereit, das den Regierung kommifsaren zu überlassen. Heute sehe ich dazu keine aus— reichende Veranlassung. Nur wegen der Provokation, in welcher Weise ich diese Borlage vereinigen könnte mit der Thronrede vom Jahre 1888, möchte ich mit Rücksicht darauf, daß ich nicht berechtigt bin, Thronreden zu interpretiren, ihn darauf hinweisen, er möge sich selbst diese Belehrung holen aus der Thronrede von 1890.
Es ist mit Recht bervorgehoben worden, die Landgemeindeordnung stehe im engen Zusammenhang mit der Kreisordnung, und sei ihr nach vielen Richtungen hin an die Seite zu stellen, auch mit Rücksicht darauf, daß sie einen heftigen Widerspruch erfährt und von welcher Seite dies geschieht. Ja, hierin hat sie auch eine gewisse Aehnlichkeit mit der Gesetzge bung aus dem Anfange dieses Jahrhundert s. Denn auch damals ist gegen dieselbe von gleicher Seite und in gleicher Weise Widerspruch erhoben worden. Ich gebe aber zu, daß im Anfange bei der Einführung der Landgemeindeordnung manche Unbequemlichkeit und Unzufriedenheit entstehen wird. Ich nehme nicht an, daß gleich von Anfang an nur Zufriedenheit bei allen Betheiligten herrschen wird. Aber ich bin der Ueberzeugung, daß sehr bald bei einer konsequenten, richtigen, maßvollen Durchführung dieses Gesetzes sich der Segen des— selben allseitig bekunden werde, und ich kann nur bitten: folgen Sie dem Be sspiele des anderen Hauses und nehmen Sie diese Vor— la ge auch mit großer Majorität an! (Bre vo!)
Derr von Helldorff (Bedra) erklärt, daß er in dem Auf satz in der - Allgemeinen konfervaliven Monatgfchrift⸗ nur gegen fort⸗ schrittliche X latter und gegen das allgemeine Wahlrecht polemisirt R , sei aber so geartet, daß seine Bedenken hinfällig
Graf Hohenthal erkläͤ ß er diesen Arti an⸗ geführt 1 weil n. , nnn, . kratischen Tendenz festgenagelt sei. ar drr om, Klitzing: Sr wolle sich durch gute Gründe für die V gewinnen lassen, allein es seien bis letzt solche Gründe nicht vorgebracht worden; vielleicht werde das Haus überzeugt werden wenn de⸗ Minister ihm das zur Verfügung stehende Material mit . Wenn gesagt worden ses, daß die Stimmung des Haufes jetzt
Eendere sei als bei der Kreisordnung, fo liege das daran, daß die Kreisordnung nicht die Bauern getroffen habe, sondern die Ele⸗ mente, welche stets das öffentliche Wohl über ihre eigenen Interessen
u . 11 —⸗ 29 . n sich auch in diesem Punkte dem Staatswohl unter
Damit schließt die Generaldiskussi M i treten zur Wahl der Kommission . ,. Schluß 3 Uhr. Nãächste Sitzung unbestimmt.
das Unternehmen Ausdruck gab.
Nachmittags schicht, auf Schacht L von 355 95 angefahren. Auf der ünter Tage 164 Mann angefahren, über Tage von 467 Mann 454. !
Nr. 16 der Versffentlichungen des Kaiserlicken Ge— sundbeitsamts vom 21. April hat folgenden Inhalt: Personal⸗ Nachricht. — Gelundbeitastand. Bolte krankheiten in der Berichtswoche. W Influenza in Sheffield. — Pest in Affyr. — Sterbefälle in deutschen Stästen mit 49 000 und mehr Finwohnern. — Desgl. in . Städten des Auslandes — Erkrankungen in Berliner Ftranken— häusern. — Vesgl. in deutschen Stadt. und Landbezirken. 12 ciöbseg Klimaßeber in Bonny (West-Afrika).— Gelbfieber in Rio de Janeiro. — Mittheilungen aus Britisch⸗Oftindien 15883. — Statiftifches Handbuch von Prag. — Witterung. Irundwafferfland und Boden wärme in Berlin und München, Maͤrz. — Thierfeuchen. Unter⸗ suchung auf Trichinen und Finnen in Preußen 1586 bis 1855. — Klauenseuche in den Niederlanden. — Zeiweilige Maßregeln gegen Volkskrankheiten. — Veterinär⸗polizeiliche Maßregeln. — Medizinal⸗ gesetzgebung u. s. w. (Preußen. Regierungsbezlrk Posen.) Trink- wasserversorgung. — (Lippe.) Tubercuiinum Eochii. = Vereinigte Staaten von Amerika.) Einfuhr von Rindern. Schafen, Schweinen. — Ausfuhr von Rindern und Schafen. — Rechtsprechung. (Amts- . Krefeld und Ober-Landesgericht Köln) Wiederholte Straf⸗ arkeit aus 8. 14 Abf. 1 des Impfgesetzes. — Verhandlungen von ee , , Körperschaften, Kongresse. (Oesterreich.) Aerztekammern. — ngland. London.) 7. internationaler Kongreß für Hygiene und Demographie. — Geschenkliste.
Statistik und Volkswirthschaft.
Der Verein für die Berliner Arbeiterkolonie
hat im Laufe des Monats 309 Mitglieder gewonnen, deren Zahl damit big auf ca. 30M gestiegen ist. Man erwirbt die Mitgliedschaft durch Zahlung eines Jahresbeltrags von mindestens 2 M und durch die Verpflichtung, den Hausbettlern nur in den äaußersten Ausnahme⸗ fällen direkte Almosen zu geben, dieselben vielmehr nach der Arbeiter. kolonie (Reinickendorferftraße 36 a) zu schicken. Da die Anstalt trotz ihrer vor Kurzem erfolgten Erweiterung auf 200 Betten im ver— gangenen Winter dem Bedarf nicht genügte, hat der Vorstand ihre Erweiterung durch Filialen in anderen Stadttheilen in Äusficht ge⸗ nommen und bereits wichtige vorbereitende Schritte dazu gethan.
Deutsche Volksbaugesellschaft.
Zu der am 25. d. M. anberaumten Sitzung des Comitss der Deutschen Volksbaugesellschaft hatte General ⸗Feldmarschall Graf von Moltke noch am Tage vorber sein Erscheinen verfönlich fest zugesagt. Das plötzliche Hinscheiden ihres ersten Genossen mußte die Mitalleder der Gengffenschaft daher befonders tief und schmerglich bewegen. Professor Dernburg konnte in dem Nachruf, mit welchem er die Versammlung eröffnete, mit Recht betonen, daß der Verlust des Mannes, um welchen ganz Deutschland trauert, auch in den Kreis der Deutschen Volksbaugesellschaft, deren Begründung und Entwickelung der große Feldherr und Staatsmann mit. liebevoller Sympathie und werkthätiger Unterstuͤtzung begleitete, eine unausfüllbare Lücke gerissen habe, daß aber das Än— denken an seine . der Stolz der Genossen und ihr Leitstern sein werde bei der hohen Aufgabe, welche sie sich gestellt haben. Es wurde beschlossen, im Ramen der Volksbaugesellschaft einen Kranz an dem Sarge Moltke s niederzulegen. Ueber den Fortgang des Unternehmens konnte im Uebrigen nur Günstiges berichtet werden. Neue Mitglieder sind hinzugetreten, insbesondere Fürst von Pleß, Reichstags Abgeor neter Dr. Ritter, General Konsul Zwicker, der Leiter des Bankhauses Gebrüder Schicker, fowie Hr. Kaufmann Allardt. Es wurde darüber berathen, in welcher Weise die Vorforge dafür zu treffen sei, daß aus den Reinerträgnissen der Gesellschaft entsprechende Summen für gemeinnützige Zwecke der zu gründenden Ansiedelun en, insbesondere für Kirche, Schule und Wohlfahrtteinrichtungen, aufge⸗ wendet werden, und hierfür eine Kommission niedergesetzt.
K. Verhandlung wohnte bis zum Schlusse Färst Otto zu Stolberg ⸗Wernigerode bei, welcher feinem lebhasten Interesse fur
Emder Heringsfischerei.
Die Gesellschaft disponirt gegenwärtig selbst über die Mittel zur Ausrüstung der Schiffe, für die nächste Fangsaison, was als günstige Folge der Reichsunterstützung anzusehen ist, und hofft, daß ihr diese Ausrüstungs prämie wieder zu Theil werde, um den Betrieb bei der Konkurrenz der Holländer und Schotten auf der jetzigen Höhe erhalten ju können. Die Mannschaftslöhne haben in Folge' der hollaͤndischen n. für nächste Saison um 10700 M gesteigert werden müssen.
Zur Arbeiterbewegung.
Die Ausstandsbewegung im Ruhrkohlenrevier scheint ihren Höhepunkt bereits überschritten zu haben. Nach den letzten Nachrichten ist die Zahl der Ausständigen fast überall im Abnehmen, und soweit man aus der Ent⸗ ernung ein zutreffendes Bild von der Stimmung in den Kreisen der Bergleute gewinnen kann, empfängt man den Eindruck, daß ein erneutes Anschwellen der Bewegung vor— läufig kaum zu erwarten ist. So schreibt man der „Köln. Itg.“ aus Gelsenkirchen unter dem 28. April:
Die meisten Bergleute haben, wie ihr Verhalten gegenüber dem Ausstandsbeschluß der Bochumer Delegirtenversammlung bekundet, lieber jeder für sich selber denken und handeln wollen, als daß sie Andere für sich denken lassen. Die öffentliche Meinung und, was wohl noch wichtiger ist, die Frauen der Bergleute, sind diesmal dem Ausstand entschieden abhold und haben über die Delegirten den Sieg davongetragen. Die veränderte Stimmung kennzeichnet solgender Vorfall auf Zeche „Hibernia. Auf diefer Zeche und damit in dem ganzen hiesigen Bezirk wurde vor zwei Jahren der Ausstand durch die Pferdejungen begonnen. Von ihnen wurde auch diesmal, und zwar schon am Freitag, als der Aus⸗ stand sozusagen in der Luft hing, der Reigen eroͤffnet, indem sie sich, statt zu arbeiten, in der Grube jzusammenrotteten und Bergamt ab⸗ hielten, wie der technische Ausdruck lautet. Diese Verfammlung and diesmal dadurch ihr Ende, daß die Häuer sich ins Mittel legten und den jugendlichen Unruhestiftern den Beweis lieferten, daß sie nicht nur Kohlen zu hauen verstehen.
Die Lage im Ober⸗Bergamts bezirk Dortmund am Don⸗ nerstag Morgen wird durch eine nach dem Strikejournal des Generalsekretariats des bergbaulichen Vereins von der „Rh.-W. Ztg.“ mitgetheilte Tabelle gekennzeichnet, welche nachweist, daß in der vorgestrigen Morgenschicht auf 42 Zechen 18 895 Mann strikten. — Gestern Morgen zeigte der Aus⸗ stand, wie schon gestern „nach Schluß der Redaktion“ tele— graphisch mitgetheilt wurde, eine erfreuliche Abnahme, welche gestern Nachmittag sich noch erheblicher bemerklich machte.
Auf Zeche Ver. Hagenbeck bei Altendorf ist gestern Morgen die ganze Belegschaft angefahren, und zwar hat sich der Delegirte Freiburg zuerst zur Anfahrt gemeldet. Auf „König Wilhelm“, Schacht Wolfsbank, find Frag unter Tage, auf Christ ian Levin sind 426 unter Tage, auf Schacht Neu⸗-CCöln ist Alles an fahren. Auf Schacht Wil heim der Jeche „Königin Clifabeth= ist die volle Belegschaft angefahren. Auf Ver. Johann-⸗Del⸗ melsberg“ bei Steele ist gestern bis auf einige Mann die ganze Belegschaft wieder angefahren. Auf Zeche Giberg“ 'sind gestern Morgen von 383 Mann 144 angefahren, 20 Mann mebr alt am Dienstag. Auf „Gintracht Tiefbau sind gestern Morgen 190 Mann mehr angefahren als vorgestern. Auf Zeche Hannover Schacht 1 find Morgens 564 Mann inkl.
Zeche Centrum- bei Wattenscheid sind Morgens von 774 Mann
Es strikten noch 403 Mann. Auf Zeche Holland war das Ver= bältniß wie vorgestern. Auf Ver. Marianne and Stein bank sind angefahren S3 unter über Tage 308. Auf Zeche Ver. Engelsburg“ 44 Mann unter über Tage 55 angefabren. Auf Zeche Hasen⸗ sind unter Tage 16. über Tage 53 Mann an= gefahren. Auf Zeche Baaker Mulde sind nur wenige Leute an⸗ gefahren. Auf Jeche „Königsgrube!r ist gestern Morgen fast die ganze Belegschaft wieder angefabren; von 565 fuhren an 517 Auf 6 Alstaden / bei Oberbausen ist auf Schacht T die ganze Beleg Haft wieder angefahren; auf Schacht IJ fehlen nur noch 3i Mann. Ueber Tage arbeitet Alles. Auf Zeche Bonifacius dei Kray sind im Ganzen 277 Mann unter Tage, über Tage 178 angefahren. Auf den Schächten Sam rack, Hibernig“ und. Wil bel in es, der Ber, = werksgesellschaft . Hib ern ĩa⸗ bei Wanne if Alles angefahren, 8 auf Zeche Hannibal. Auf Zeche Kon stantin der Große“ sind gestern Morgen auf Schacht J von 186 Mann nur 10, auf Schacht von 217 Mann 130 unter Tage angefahren. Ueber Tage arbeitete Alles. Auf Zeche Fröbliche Worgensonne“ sind gestern Morgen 45 unter und S6 über Tage in Arbeit. Auf Zeche Präs ident. ind gestern 360 Mann angefahren. Auf Zeche ver. Germania? Schacht N feblen nur noch 26. Auf Schacht ist Alles angefahren. Die Belegschaften von Zeche. Voll mond⸗ und. Prinz von Preußen striken noch ganz. Auf Zeche Kaiser Friedrich“ sind von 230 Mann 169 unter Tage angefahren. Auf eche Wiendabls⸗ bank“ sind gestern Morgen 514 angefabren Au Zeche Caroline“ ind mehr als gestern bei der Arbeit. Im Hörder Rebter arbeitet lles Auf Zeche Dannen baum. Schacht J. IJ. IMI, IY und sind vorgestern Nachmittag von 552 Mann 242 unter Tage angefabren; gestern Morgen sind mit theilweiser Nachmittagsschicht von 1388 Rann 35 unter Tage angefahren. Ueber Tage sind 377 Mann von 430 in Arbeit. Auf Zeche H elene Nachtigall sind Morgens auf Schacht Helene 234, auf Schacht Nachtigall 23 angefahren. Im Gelsenkirchener und Herner Revier ist Alles in ätigkeit. — Für gestern Morgen giebt die Rb. W. Ztg.“ die Zahl der aus ständigen Bergleute auf 9500 an, die, wie erwähnt, am Nachmittag weiter abgenommen hat.
Auf Zeche Prinz Wilhelm“ bei Kupferdreb sind die Leute gestern Nachmitfag wieder angefahren; der Strike ist also beendet. Auf Zeche Oannover Schacht U sind Mittwoch Nach⸗ mittag von 187? Mann 19 angefahren. Auf Schacht J ist nur Morgenschicht. Auf den Zechen der Haipener Bergbau ⸗Aktien gesellschaft sind am Mittwoch mehr Leute angefahren als Dienstag Auf Zeche ‚Borussia“ ist die Nachmittagsschicht wieder vollzählig angefahren. Auf Zeche Bruchstraße n sind Mitt⸗
och Morgen 152 angefahren. Zeche Bruchstraße hat vorläufig nur Mergenschicht. Auf Zeche. Siebenplanelen“ sind Mitt woch Morgen von 488 Mann 1sö angefahren. Nachmittagsschicht ist vorlaufig dort nicht. Auf den Schächten der Essener Bergwerks Gesellschaft König Wil helm“ ist Mittwoch Nachmittag die Be— legschaft wieder voljäh lig angefabren. Auf Zeche Holland“ Schacht HI sind Mittwoch Nachmittag 87 Mann Unter Tage an⸗ gefahren, 19 mehr als Dienstag. Auf Zeche Konstantin der Große bei Bochum find Mittwoch Auf Schacht 1 28 Mann von 176, auf Schacht II 122 Mann von 247 angefahren. Auf Zeche Carolinen glück- sind Mittwoch Morgen 55 Mann unter Tage und 67 über Tage angefahren, Nachmittags arbeiter Niemand. Auf Zeche ver. General u. Erbftollen“ sind Mittwoch Morgen 17 Mann angefahren; Nachmittags nur einige. Auf Zeche Con- cordig“ bei Oberhausen sind auf Schacht J'und 11 zusammen 48 unter Tage angefahren. Auf Zeche Blankenburg“ sind Mittwoch Morgen und Nachmittag mehr Leute angefahren als Dienstag. Anf Zeche Dahlbauser Ti ef baun ftrikt noch Alles.
Vom heutigen Tage wird telegraphisch berichtet, daß auf sämmt⸗ lichen Zechen von . Hibernia⸗ heute Alles angefahren ist. Der Ausstand ist enischieden in Abnahme begriffen.
Wie dem „Vorwärts“ aus Leipzig mitgetheilt wird, ö ö. ö . an den Eisen— Aahnarbeiter-Kongreß, der jetzt in Tours tagt, folgende Adresse geschickt: ö
Wir sind hocherfreut zu wissen, daß Ihr vereinigt seid zu dem Zwecke, Eure Lage zu verbessern. Dieses muthige Eintreten wird nicht ohne gute Folgen bleiben. Die deutschen Gisenbahnarbeiter bringen Euch die aufrichtigsten Glückwünsche dar, sie begrüßen Euer energisches Handeln mit größter Begeisterung und werden sicherlich in nicht zu ferner Zeit Eurem Beispiel folgen. Wenn die Eisenbahn⸗ arbeiter endlich ihre Stimmen laut erheben, so werden sie dazu gedrängt, einmal durch die ungünstigen Arbeits. und Lohnverhältnisse, das andere Mal durch das un verantwortliche herausfordernde Gebahren der Verwaltung im Verein mit den besteh enden Arbeitgeberkoalitionen jeder Art ihren Arbeitern gegenüber.
Aus Karlsruhe theilt ein Wofff'sches Telegramm mit, daß die von den sozialdemokratischen Wahlyerernen in Karls? ruhe und Mühlberg für Sonntag Nachmittag geplanten Aufzüge nach benachbarten Ortschaften polizeilich verboten worden sind.
In Brüssel beschloß die gestrige Versammlung des Syn— dikats der Koblengrubenbesitzer, an welcher vierzig Notabi⸗ litäten der Industrie theilnahmen, eine Erhöhung der RKohlen⸗ preise nicht eintreten zu lassen; da dieselbe leicht als eine Pro⸗ voa tien zur Dervorrufung eines Strikes angeseben werden könnte. Aus Charleroi meldet W. T. B.“, daß gestern Abend zwei Schwadronen Lanciers von Brügge dort eingetroffen sind. Bis gestern war Charleroi und die Umgegend vollkommen ruhig.
Auß Seraing schreibt man der Köln. Ztg.“: Die Vorsitzenden der verschiedenen Arbeiter ⸗ Ausschüsse zeigten den Leitern der Tockerill'schen Werke an, daß die Achbeiter am J. Mal feiern würden. Die Direktion antwortete, daß ihnen dies freistehe, daß aber alsdann am 2. Mai — einem Sonnabend — die Gesell⸗ schaft nicht arbeiten lassen werde. Auf diese Weise werden die Theil⸗ nehmer an der Maikundgebung drei Feiertage nacheinander haben.
Wie aus Paris telegrapbisch derichtet wird, setzte die parla— mentarische Arbeit? kom miss eon das Maximum des Normal⸗ arbeitstages für Arbeiter in industriellen Unternehmungen auf zehn Stunden fest. —ie Deyutirten Ledi eu und Bal h wurden gestern Vor⸗ mittag von dem Minister des Innern Constans empfangen und gaben die Versicherung ab, daß die Grubenarbeiter von Pas ö hinsichtlich des 1. Mal durchaus friedliche Absichten ãtten.
Mit Rücksicht auf etwa für den 1. Mai geplante Arbeiter · kundgebungen wurden, wie W. T. B.“ ferner aus Paris meldet, die Gewehr händler polizeilicherselis aufgefordert, die in ihrem Besitz befindliche Munitton in Sicherheit ju bringen und ihre Läden ju schließen. Ebenso sind die Händler mit alten Chassepotgewehren, Bajonetten und dergleichen mehr aufgefordert worden, dieselben in sicheren Gewahrsam' zu bringen. — Eine Ver⸗ haftung von A narchisten hat gestern Vormittag nicht stattgefunden. — Das Generalcomits für die beabsichtigte Arbeiter- kundgebung hielt vorgestern Abend seine letzte Sitzung, in welcher es sich mit einigen Detailfragen beschäftigte. Das Bureau stellte den Delegirten der verschiedenen sozialistischen Gruppen Pla⸗ kate ju, welche in der naͤchsten Nacht angeschlagen werden y 8 r lden werden die Arbeiter, die Arbeiterinnen un ngestellten zu einer Kundgebun Behufts er
der Arbeitszeit und Feststellung eineg iimche rf 3 Das Comits nahm sodann einen Antrag an, in welchem die öffent⸗ lichen Gewalten ersucht werden, sich mil den sozialen Forderungen zu n e,. iy n.
Fin Wolff sches Telegramm berichtet aus Tulle: Ein Erla 8 . ziele n tas sn gen fab! n. en darin beschaͤstigten Arbeitern bei Straf n , ei Strafe der Entlassung jedes
zun Deuschen Reichs-
M 1O1.
Saus der Abgeordneten. 77. Sitzung vom Mittwoch, 29. April.
Der Sitzung wohnen der Präsident des Staats⸗Ministeriums, Reichekanzler von Caprivi, der Minister für Handel und Gewerbe Freiherr von Berlepsch, der Finanz⸗-Minister Dr. Miquel und der Minister für Landwirthschaft 2c. von
Heyden bei.
Die zweite Berathung des Staatshaushalts— Etats für 1891.ñ92 wird fortgesetzt mit dem Spezial-Etat des Ministeriums für Handel und Gewerbe, und zwar bei dem Kapitel „Gewerbliches Unterrichtswesen, wissenschaftliche
und gemeinnützige Zwecke.“ ;
Abg Dr. Lotichrus bittet den Minister um Gründung sogenannter Schifferschulen an den größeren Flüssen, besonders am Rheine. Die Ausdebnung des Verkehrs mache solche Fachschulen, wie sie sich an der Elbe schon bewährt hätten, nothwendig. Redner wünscht ferner eine polizeiliche Vorsckrift, nach welcher alle Schiffe an den engen Stellen des Rheins, besonders von Mainz bis Koblenz, durch Dampfer geschleppt werden sollten. ; ö
Unter ⸗Staatssekretär Magdeburg sagt bezüglich der Schiffer⸗ schulen woblwollende Erwägung zu; die bereits vorhandenen an der Elbe hätten Vorzügliches geleistet. Auch die zweite Anregung werde in Erwägung gezogen werden. . ‚. ö
Abg. Friederichs wünscht eine größere Unterstützungssumme für die gewerblichen Fachschulen und daß die einzelnen Zuschüsse im Etat leichter ersichtlich gemacht würden; um den Lehrern die Freudigkeit im Amt zu erbalten, müsse man ihnen böhere Gehälter und höhere Pensionen gewähren. Auch die von den Gemeinden zu leistenden Zuschüsse müsse der Staat fixiren. ⸗
Abg. Sombart führt aus, daß sich der höhere gewerbliche Fachschulunterricht in Preußen sehr gut entwickelt habe, daß aber der mittlere noch viel zu wünschen übrig lasse. Es müßten Provinzial · Polvtechniken gegründet werden, in welchen alle Zweige des praktischen gewerblichen Lebens zu lebren seien.
Auf eine von dem Abg. Friedrichs gemachte Bemerkung über die Persönlichkeit des von der Regierung nach Amerika entsandten Direktors Haedicke bemerkte der
Minister für Handel und Gewerbe, Berlepsch:
Ich muß um Nachsicht bitten, wenn ich eine Angelegenheit kurz berühre, die für die Oeffentlichkeit weniger Interesse hat, umsomehr aber für einen meiner Verwaltung angehörenden Beamten. Der Hr. Abg. Friederichs hat bereits darauf hingewiesen, daß in den Verhandlungen des Abgeordnetenhauses im Februar dieses Jahre der Hr. Abg. Schmidt erwähnt hat, daß der Direktor einer Fachschule sich des Verraths eines Fabrik— geheimnisses schuldig gemacht habe, welches er auf amtlichem Wege erfahren. Dieser Beamte sei dann von der Re— gierung nach Amerika geschickt zu einer Studienreise, und es sei doch nicht als richtig anzuerkennen, daß zu solchen Zwecken Beamte gewählt würden, die mit einem Makel behaftet seien. Es ist dem betreffenden Beamten ebensowenig wie allen den Verhält— nissen näher stehenden Kreisen verborgen geblieben, daß damit der Fachschul Direktor Haedicke in Remscheid gemeint gewesen ist. Der Anschuldigung. des Hrn. Abg. Schmidt lag ein Erkenntniß des Landgerichts zu Elberfeld zu Grunde, und ich muß ohne Weiteres anerkennen, daß, wenn er von der Sache nichts weiter wußte, als die Anführungen dieses Erkenntnisses, er zu seiner Anschuldigung berechtigt war. In diesem Erkenntniß, welches nicht gegen den Direktor Haedicke ergangen ist, sondern gegen eine dritte Person, die von Haedicke wegen Be- leidigung verklagt war, ist ausgeführt worden, daß der erste Richter die Beweisaufnahme vollständig geführt habe, und daß sie als zu— treffend anerkannt werden müsse. Es heißt dann weiter:
„Da-, Gericht hat — — — die Wahrheit der von dem An— geklagten (Ibach) behaupteten Thatsache, der Direktor Haedicke habe sein Geheimniß, betreffend die Anfertigung von Damaststahl, an den Konkurrenten Gustav Brake verrathen, sich dadurch eines groben Vertrauensmißbrauchs schuldig gemacht und ihn in seinem Geschäft schwer geschädigt, als erwiesen angenommen.“
Dieses Erkenntniß bezieht sich auf die Beweiserhebungen in der ersten Instanz, hat es aber unterlassen, diejenigen sehr entlastenden Momente anzuführen, die in den Gründen des ersten Erkenntnisses ebenfalls enthalten sind. Dort lautete es nämlich folgendermaßen:
„In letzterer Beziehung hat das Gericht nun allerdings ange—⸗ nommen, daß der Zeuge Haedicke bei der Unterredung mit Brake völlig in gutem Glauben handelte, daß er nicht die Absicht hatte, ein Fabrikgeheimniß zu verrathen, daß er wirklich annahm, die Herstellung des Damaststahls, wie sie der Angeklagte betreibe, bilde kein Geheimniß, ja daß er nicht einmal die Absicht hatte, dem Zeugen Brake Mittheilung von der Ibach'schen Fabrikations methode zu machen, daß Brake vielmehr aus dessen unvorsichtig gethanenen Aeußerung die Kenntniß jener Methode gewann“.
Meine Herren, aus diesem Passus des Erkenntnisses geht zweifel los hervor, daß, wenn vielleicht auch der betreffende Beamte, der Direltor Haedicke, etwas unvorsichtig in seinen Bemerkungen gewesen ist, doch von einem Verrath eines Geheimnisses nicht die Rede sein kann, und wenn man die Vorgänge näher kennt, so erhellt das noch viel klarer. Hr. Haedicke ist Direktor der Fachschule und ist mit seinen Schülern zu dem Fabrikanten Ibach — das ist der geschädigte Fabrikant von Damaststabl, der hier in Frage kommt — mit dessen Erlaubniß gekommen; dort ist ihm die Fabrikation des Damaststabls gezeigt worden, ihm und einer großen Zahl seiner Schüler; er hat dann Proben des dort gefertigten Damaststahls bekommen, er hat sie ausgestellt, und auf Grund der Studien, die in der Fabrik des Hrn. Ibach gemacht worden sind, haben dann die Schüler weitläuftige Aus⸗ arbeitungen gemacht.
Meine Herren, der Fabrikant, der gestattet, daß ein Lehrer, der auch künftige Damastschmiede ausbildet, in seine Werkstatt kommt, der diesem Lehrer mit seinen Schülern die Art der Fabri⸗ kation zeigt, kann unmöglich behaupten, daß es sich hier um ein zu wahrendes Fabrikationsgeheimniß handelt, und deshalb war die An⸗ nahme des Direktors Haedicke, welche das Vorhandensein eines Ge⸗ heimnisses nicht voraustsetzte, eine völlig gerechtfertigte. Die Anschauung,
Freiherr von
Zweite Beilage nzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗A1nzeiger.
1891.
Berlin, Donnerstag, den 30. April
— — / /
daß der Direktor Haedicke keine Handlungen begangen bat, die den Vorwurf des Makels rechtfertigen, wird auch, wie der Hr. Abg. Friederichs bereits ausgeführt bat, von dem Kuratorium der Fachschule, unter dessen Aufsicht Hr. Haedicke fungirt, durchaus getheilt.
Ich glaube, damit der Pflicht genügt zu haben, den Ruf eines ehrenwerthen und tüchtigen Beamten in den Augen dieses bohen Hauses wieder herzustellen. (Bravo!)
Der Titel wird bewilligt.
Beim Titel „Zuschüsse für Fortbildungsschulen“ nimmt das Wort der
Präsident des Staats-Ministeriums, Reichskanzler von Caprivi:
Ich habe mir das Wort erbeten, obwobl der Gegenstand, über den ich mich zu äußern beabsichtige, nur in einer sebr losen Verbin— dung mit dem Titel steht, der jetzt in der Debatte sich befindet. Die Gewerbeschule in Hannover hat im vorigen Jahre und in diesem Jahre Seitens der Staatsregierung Unterstützungen aus dem Welfenfonds bekommen, und der Welfenfonds ist es, um dessentwillen ich hier das Wort erbeten habe. Die Staatsregierung empfindet das Be— dürfniß, sich dem hohen Hause gegenüber auszusprechen über die Anschauungen, die sie über den Welfenfonds hat, über die Weise, wie er bisher verwaltet worden ist und über das, was sie in Zukunft mit ibm beabsichtigt. Vor reichlich einem Jahre beschäftigte sich das Staats- Ministerium mit diesen Fragen, und es war die einstimmige Ansicht der Minister, daß, wenn es möglich wäre, dem Welfenfonds eine andere Verwaltung zu geben, das nur im Interesse des Staats Ministeriums und des Landes liegen könne. (Sehr richtig! links.)
Zu diesem Behufe trat man nun der Frage näher. Ja, wie ist denn die Sache bisher gewesen? Und es stellte sich da zunächst heraus, daß man auf Einzelheiten auch für die Vergangenbeit ver— zichten mußte, daß es nicht möglich war, zu ermitteln, wie ist in den letzten 20 Jahren der Welfenfonds im Einzelnen verwaltet worden? Geheime Fonds werden im Allgemeinen dechargirt durch die Ressort— Chefs. Am Jahresschluß bescheinigt der Ressort⸗ Chef, daß der Fonds der Bestimmung gemäß verwendet worden ist. Dasselbe Verfahren war für den Welfenfonds einge führt worden, nur mit der Aenderung, daß als Ressort⸗Chef hier Seine Majestät der König auftrat und die Minister, die Theile vom Welfenfonds zu verwalten hatten, dechargirte. Es sind darauf dann Jahr für Jahr die sämmtlichen Rechnungen über die Aus— gaben aus dem Welfenfonds, sämmtliche Quittungen ver— brannt worden (hört, hört! links), sodaß Beläge nicht da waren, die uns gestattet hätten, geschichtlich rückwärts zu verfolgen: Wie ist der Welfenfonds verwendet worden? Wir mußten uns also auf das Ganze beschränken und konnten da konstatiren, daß alljährlich das Staats-Ministerium sich über die Verwendung dieses Fonds schlüssig gemacht hat; es ist ein Theil dem Herrn Finanz— Minister zur Verwendung übergeben worden, ein Theil dem Herrn Minister des Innern und den bei Weitem größten Theil hat der Minister-Präsident theils in seiner Eigenschaft als Minister des Aus— wärtigen, theils als Minister ⸗Präsident erhalten.
Ueber die Verwendung des Fonds selbst war nichts weiter fest⸗ zustellen, als ohnehin bekannt ist, daß man die Auffassung angenommen hatte, es könne im Sinne des Gesetzes, das vorschreibt, der Fonds sei bestimmt, um den gegen Preußen gerichteten Unternehmungen des Königs Georg und seiner Agenten entgegenzutreten, der Fonds auch dann verwandt werden, wenn man diese Zweckbe stim mung des Gesetzes dahin ausdehne, daß nicht bloß un— mittelbar solchen Umtrieben mit den Mitteln des Fonds entgegengetreten werden könne, sondern auch mittelbar. Die Dis— kussionen, die über den Fonds in der Presse stattgefunden haben, geben mir zu dem Glauben Anlaß, daß im Lande vielfach die Meinung verbreitet ist, es wäre das ein nicht allein unberechtigtes, sondern auch heimliches und widerrechtlich im Verborgenen von der Staatsregierung vorgenommenes Verfahren.
Was die Rechtsfrage angeht, so ist die Staatsregierung in der Verwaltung des Welfenfonds gesetzlich einer anderen Kontrole nicht unterworfen als eben der Zweckbestimmung, die der §. 1 der be— treffenden Verordnung giebt.
Was dann die Frage angeht, war denn die Staatsregierung berechtigt, oder konnte sie bona file so handeln, so kann dies nur bejaht werden. Denn das, was die Staats regierung gethan hat, ist seit dem Jahre 1869 dem Lande bekannt gewesen; die Staats regierung hat schon damals den Standpunkt eingenommen, daß sie berechtigt sei, mittelbax und unmittelbar den Angriff en des Königs Georg oder seiner Agenten gegen Preußen mit diesen Mitteln entgegenzutreten. Sie deduzirt nun, das Geld, was wir nicht brauchen zur unmittelbaren Abwehr dieser Angriffe, das können wir verwenden zur mittelbaren. Mittelbar aber ist den An griffen des Königs Georg und seiner Agenten dadurch entgegen zu wirken, daß man das Deutsche Reich und den preußischen Staat festigt und dadurch die Angriffe, wenn sie erfolgen, aussichtsloser macht. Diese Deduktion ist eben nicht neu, und die Staats— regierung hat sie zwanzig Jahre hintereinander festgehalten und war nach meiner Ueberzeugung berechtigt, sie festzuh alten. Wir leben in einer Zeit, wo man schnell vergißt, und ich schreibe es diesem Umstande zu, daß in der Presse davon wenig die Rede gewesen ist, vielmehr die Staatsregierung dargestellt wurde, als wenn sie da etwas Unrechtes, etwas, worüber sie ein schlechtes Gewissen hätte haben müssen, getrieben hätte. Ich darf mir erlauben, aus dem Schreiben des Staats⸗Ministeriums an das Präsidium dieses hohen Hauses vom 10. Dezember 1869 die betreffende Stelle vorzulesen. Sie lautet:
Die Staattzregierung glaubte aber die allgemeine Mittheilung machen zu sollen, daß sich der von ihr bei den Verhandlungen über die Beschlagnahmegesetze geäußerten Erwartung gemäß solche Aus— gaben, welche vermöge ihrer Bestimmung zur unmittelbaren
oder mittelbaren Abwehr feindlicher Unternehmungen in die
Kategorien des 5. 2 der Verordnung vom 2. März 1868 und des Gesetzes vom 15. Februar 1869 fallen, in den neu erworbenen Landestheilen zahlreich genug ergeben haben, um es nicht zur An— sammlung von Beständen aus den Revenüen der sequestrirten Ver—⸗ mögensmassen kommen zu lassen.“
Also ich wiederhole nochmals: „unmittelbare und mittelbare Abwehr.“ Dieselbe Auffassung ist später im Jahre 1877 wieder an dieser selben Stelle zum Ausdruck gekommen; sie bat Widerspruch erfahren, sie hat aber zu keinem Beschluß des Hauses geführt, der die Staatsregierung gehindert hätte, diese ihre Auffassung weiter als berechtigt anzusehen. Der Minister Camphausen hat damals nach Ausweis der stenographischen Berichte gesagt:
„Der Fürst Bismarck hat damals, wie vorhin der Herr Vor redner schon anführte, ausdrücklich Veranlassung genommen, die Besorgniß als eine unbegründete zu bezeichnen, daß die Revenüen des Königs Georg dazu dienen möchten, um eine Sparkasse für ihn zu bilden, daß sie dazu benutzt werden möchten, um einen mehr oder weniger großen Theil davon Jahr für Jahr zuräckzulegen, er hat vielmehr ausgesprochen, daß zur mittelbaren oder un— mittelbaren Abwehr sich stets die Gelegenheit in den betreffenden Landestheilen ergeben würde. Nun sagt man ja wohl nicht mit Un⸗ recht, ein Motiv entscheidet nicht über den eigentlichen Tenor des Ge⸗ setzes, der Gesetz geber braucht nicht unbedingt jenes Motiv acceptirt zu haben. Aber, meine Herren, wenn der Mann, der die Maßregel in Vorschlag gebracht hat, der die Maßregel für nöthig erachtete, — wenn der, bevor die Verhandlungen zu Ende waren, rechtzeitig dem Gesetze diese Auslegung giebt, würde man es dann begreifen wollen, wenn die Majorität des Abgeordnetenhauses jemals anderer Ansicht ; gewesen wäre, daß es nicht eine entsprechende Kautel in dieses Gesetz hineingebracht hätte? In der That, mir scheint, das würde geradezu unverständlich sein.“
Dies sind die Worte des Ministers 1377. Weiter war die Staatsregierung der Ansicht, daß Ausgaben, die in den betreffenden Provinzen — damals handelte es sich zum Theil noch um Kurhessen — und dann in Hannover gemacht wurden, daß auch solche Aus⸗— gaben berechtigt wären und zu den mittelbaren Ausgaben zur Abwehr gehörten. Es ist Vielen erinnerlich und wir haben so viel kon— statiren können: Es sind Kirchen, Chausseen gebaut worden, solche Unternehmungen der verschiedensten Art zu Nutz und Frommen der betreffenden Provinzen sind aus diesem Fonds gefördert worden. Und auch dies ist keineswegs im Geheimen geschehen oder in einem Ulsus oder Abusus, der sich nach und nach eingeschlichen hätte; in dem Kommissionsbericht von 1869 heißt es: „der Herr Minister hat sich in der Kommission folgendermaßen geäußert? — es kommt dann der Schlußsatz seiner Aeußerung, und der geht dahin —:
„In keinem Falle aber dürfe man sich der Besorgniß hingeben, daß die Staatsregierung etwa beabsichtige, durch Aufsammlung der Revenüen eine Sparkasse für die Betheiligten anzulegen: Nützliche Verwendungen, namentlich im Interesse der Landestheile, welche die depossedirten Fürsten früher beherrschten, würden sich immer finden lassen, insbesondere in Kurhessen, wo nützliche, ja nothwen—⸗ dige Bauten ausgeführt werden könnten, deren Ausführung von der früberen Regierung beharrlich verweigert worden sei.“
Der Berichterstatter fährt fort:
Diese Auffassung der Königlichen Staatsregierung hat, wie aus dem zuvor mitgetheilten Resultat der Kommissionsberathungen hervorgeht, die Zustimmung der Kommission gefunden, wie dies ihr mit zwölf gegen zwei Stimmen gefaßter, auf Annahme des Gesetzentwurfs gerichteter Beschluß beweist.“
Dies der Standpunkt, den die Regierung zwanzig Jahre hindurch eingenommen hat, und den das Staats-Ministerium im Frühjahr vorigen Jahres zu ändern für wünschenswerth hielt.
Es ist damals zu einer Aenderung nicht gekommen, weil, indem man der Sache näher trat, sich erhebliche Bedenken herausstellten. Es wurde nicht die Absicht, eine Aenderung herbeizuführen, aufgegeben; man sah aber ein, daß die Sache doch nicht so ganz einfach war, wie es auf den ersten Blick geschienen hatte.
Zunächst mußte dabei der Zeitpunkt in Betracht kommen, ob eine Aenderung nach Außen hin — denn eine solche Aenderung wirkt ja nicht bloß auf Preußen, sondern sie wirkt auch auf Menschen, die außer · halb Preußen sich befinden, und auch auf Beziehungen zu diesen Menschen und auch zu anderen Ländern hin — ob da der Zeitpunkt günstig wäre. Sie mußte dies verneinen.
Es kam weiter in Frage: Ist der Zeitpunkt nach innen hin ein günstiger? — und da mußte die Staatsregierung zu ihrem Bedauern sich sagen, daß gerade in einem Moment, wo die welfische Agitation in der Provinz Hannover an Kraft gewonnen, wo die Zahl welfischer Abgeordneter zugenommen hatte, daß es da doch am Ende bedenklich wäre, den Fonds aut der Hand zu geben. Nicht daß man diesen Fonds ganz oder auch nur zum größten Theile brauchen konnte, um der welfischen Agitation entgegenzutreten; aber die Frage lag doch auch sehr nahe: Wenn die Staatsregierung diese Waffe auch nicht brauchen kann, sie giebt sie aber aus der Hand und sie kommt vielleicht in die Hand ihrer Gegner, sie kommt in die Hand von Männern, die die Neigung haben, welfische Umtriebe zu schüren, dann hat die Regierung sich geschwächt — ist der Moment geeignet zu solcher Schwächung? Und die Staatsregierung war der Meinung, daß das nicht der Fall war.
Es kam dann dazu, daß ein Theil von Ausgaben aus diesem Fonds sehr zarter Natur ist, einer Natur, die sich auch schwer lösen läßt. Es sind Pensionen daraus gezahlt worden an verschiedenen Stellen ohne rechtliche Verbindlichkeit für die Zahlung, die aber doch die Empfänger in dem Glauben empfangen haben, sie würden fort⸗ bezahlt werden. Es sind Institute daraus unterstützt worden, die ebenso wie ein Theil dieser Penstonen den welfischen Bewohnern der Provinz Hannover sehr am Herzen liegen, und ich glaube, wenn diese Zahlungen aufhörten, würde der welfischste Hannoveraner unzufrieden
damit gewesen sein.