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Schulze führt dies weiter aus und schildert die Ge— fahren, welche wiederholt für Staat und Gesellschaft aus dieser Bewegung hervorgingen und welche., im letzten Giunde auf die unbestrittene Herrschaft der individualistischen National- ökonomie zurückzuführen waren. Dem gewaltsamen Zusammenbruch aber wurde nach des Verfassers Meinung allein durch den ungeheuren Umschwung in den letzten fünfzig Jahren vorgebeugt, welcher sich in den äußeren Formen des sozialen Lebens vollzogen hat und der sich in einer Erhöhung der Lebenshaltung der Arbeiter und ührer wachsenden Organssation zeigt, namentlich aber auf dem Gebete des Denkens und der Weltanschauung der Nation zu erkenn nn ist und in der von Thomas Carlyle begründeten kuen sozialen Gesellschaftsauffassung seinen Ursprung hat. Diesem Sozial theoretier und Sozialpolitiker ist das ganze erste Buch (pag. 77 –- 265) gewidmet Thomas Carlyle's Bedeutung wird von dem Verfasser richtig in seiner antiindividualistischen Weltanschauung, aus der sich sein ganzes Gedankensystem erklärt, erblickt. Von ihm geht der Kampf gegen die individualistische Weltanschauung des 18. Jahrhunderts aus, und seinem Einfluß ist es zu danken, daß sich in dem sozialen Leben neue Formen im bewußten Gegensatz zu dem Individualismus und zu dem Fampf Aller gegen Alle bildeten. Dies wird in dem vorllegenden Werke, wenn guch etwas umständlich, so doch mit außerordentlicher Liebe für die Sache, mit Wärme der Ueberzeugung und mit einer reichen Fülle literarischen, statistischen, geschichtlichen Materials und dabei mit dem steten Bestreben, in die äußeren Erscheinungen tiefer einzudringen und sie innerlich zu ver⸗ knüpfen, auseinandergesetzt. In dem zweiten Buche werden die wich⸗ tigsten Verzweigungen der antiindividualistischen. Gesellschafts⸗ auffassungen, die Genossenschaftsbewegung und die Unidersitäts⸗ bewegung, in England ausführlich erörtert: wir erhalten daraus eine umfassende Kenntniß von den thatsächlichen und rechtlichen Verhält⸗ nissen. Weiter wird darin der Positivigzmus und der Sozia⸗ lizmus der Gegenwart, ferner die Landfrage und schließlich werden im dritten Buch, betitelt der soziale Friede? (Band II, pag. 187 und ff.), die Aeußerungen dieses Umschwungs auf dem Gebiet des gesellschaftlichen Lebens verfolgt und zu zeigen versucht, wie der Umschwung der Gesellschaftsauffassung allmählich an Stelle des sozialen Krieges zu dem sozialen Frieden führen werde. Der Ver fasser kommt dabei zu dem Schluß, daß — mögen sich die Schwierig⸗ keiten in den augenblicklichen Tageserscheinungen auch noch so thürmen — doch die durch den Umschwung der Gesellschaftsauffassung eingetretenen äußeren Veränderungen für England eine friedliche Lösung wahrschein⸗ lich machen. Es wird dabei auch auf die letzten Erscheinungen in der Arbeiterbewegung Englands, auf den Strike der Dockarbeiter, die Organisation der ungelernten Arbeiter u. s. w, eingegangen und unter Berufung auf Brentano ausgeführt, daß dort die Gefahr einer so⸗ zialen Revolution — trotz jener erwahnten bedenklichen Zeiten — nicht bestehe, daß rielmehr die neue Gewerkschaftsbewegung viel eher geeignet sei, die Revolution zu beschwören. Schließlich führt der Verfasser aus, daß die grohßindustrielle Entwicklung keineswegs zu einer fortschreitenden Herabdrückung der Arheiter führe, die Löhne seien seit den dreißiger Jahren um 560 bis 100 , gestiegen, die Lebenshaltung der Arbeiter eine bessere geworden; auch sei es irrig, anzunehmen, daß der Besitz dort in immer weniger Hände zusammenfließe; die englischen Arbeiter seien für die Zukunft von Hoffnung erfüllt, sie seien stolz, im Besitz aller Bedingungen zu sein, welche die friedliche und allmähliche, aber praktische Annäherung an das vorschwebende Ideal ermöglichen: ihre Taktik sei damit eine ge—⸗ setzliche und friedliche geworden; die Mittel aber, welche sie benutzen, seien Organisation und Gesetzgebung.
So vortrefflich und bedeutend das fleißige und gelehrte Werk des Verfassers ist, so richtig die geschichtliche Auffassung der Ver⸗ gangenheit und die philosophische Eikenntniß der in der geschichtlichen Entwickelung zum Ausdruck gelangten Ideen ist, so ist doch die Schlußfolgerung, welche er aus der Vergangenheit und Gegenwart wie auch aus seiner Theorie auf die Zukunft zieht, eine ge⸗ wagte; auch die Beurtheilung der gegenwärtigen Erscheinungen in der englischen Arbeiterbewegung wird nicht Jedermann einleuchten. Immerhin giebt das Werk Jedem, der sich mit Sozial⸗ politik und Sozialreform beschäftigt, reichen Aufschluß über die Ver hältnisse in England und viel Belehrung auch für die Aufgaben, die uns in Deutschland gestellt sind. Aber daraus die Nutzanwendung zu ziehen, daß auch wir durch Nachahmung und Nachbildung zum sozialen Frieden! kommen könnten, würde doch verfehlt sein. In der Vorrede verwahrt sich zwar der Verfasser dagegen, daß er einer blinden Nachahmung. das Wort reden wolle; aber daß das Werk schließlich allein den Zweck hat, Deutschland in der Organisation der Arbeiter in dieselben Bahnen wie England zu lenken, liegt auf der Hand. Dies aber möchte doch um so fragwürdiger erscheinen, als es trotz der Ueberzeugung des Verfassers noch immer nicht ausgemachte Thatsache ist, daß England in dem sicheren Besitz des sozialen Friedens und des richtigen Mitrels dazu ist.
— Die Religion als tiefstes Fundament der sozialen Ordnung.“ Ein Vortrag zur Feier des Geburtstages Sr. Majestät des Kaisers und Königs Wilhelm II. Von Dr. theol. P. Hake, Oberlehrer an dem Kgl. Laurentianum zu Arnsberg. Bruck und Verlag von H. R. Stein, Arnsberg 1391. — Im Hinblick auf die Umsturzbesttebungen legt der als gründlicher Kulturhistoriker bekannte Verfasser in vorliegender Broschüre dar, daß die Ge⸗ sammtheit der Menschen in Wahrheit eine Gesellschaft darstellt, die in ihren verschiedenen organischen Gliederungen mit ihrer gegen—⸗ seitigen Ueber und Unterordnung ihren letzten und tiefsten Grund in Gott, dem Urheber der Gesellschaft, folglich die soziale Rechts ordnung ihre letzte Quelle in dem göttlichen Willen hat und ein wesentlicher Bestandtheil der allgemeinen und insbefondere der sitt lichen Weltordnung ist, geschützt durch die Religion, welche das festeste und edelsie Band zwischen Fürst und Volk knüpft, der Sittlichkeit einen sicheren Boden und den sozialen Gegensaͤtzen der staatlichen Ordnung als versöhnendes Element die Liebe bietet.
Rechts- und Staatswissenschaft.
ck. Die Staatseinrichtungen des Deutschen Reichs und des Königreichs Preußen. Für jedermann verständlich und übersichtlich zusammengestellt von Karl! Reim ann. Verlagsanstalt von Carl Mang (Mang u. Lange) in Hannover ⸗Linden. — Die vor liegende Schrift, welche in fünf Kapitel zerfällt, von denen das erste das Deutsche Reich, das zweite die Reichsgesetze, das dritte den Staat, das vierte die Provinz und das fünfte die Familie in übersichtlicher und gemeinverständlicher Weise behandelt, strebt an, die Kenntniß der Staatseinrichtungen den weitesten Kreisen des Volkes zugänglich zu machen, um durch Weckung und Nahrung des Sinnes für Recht und Gesetz den Bestrebungen der in unseren Tagen so mächtig anwach— senden Umsturzparteien an ihrem Theile entgegenzuwirken. Der Ver— fasser hat sich bei seiner Arbeit, auf welche die Aufmerksamkeit der Vorstände von Forthildungsschulen und Volksbibliotheken zuvörderst gelenkt sei, von dem Lehrplane leiten lassen, welcher in den sächsischen Fortbildungsschulen dem Unterrichte in der, Verfaffungs ⸗ und Gefetzez⸗« kunde! zu Grunde gelegt worden ist und der fich in der Praxis sehr gut bewährt hat. ;
24. Erziehung und unterricht.
Für die Schulreform in den Kadettenhäusern sind die folgenden Lehrmittel neu ausgegrbeitet worden: 1) Für den Geschichts⸗ unterricht; a. der Lehrstoff für die Sexta umfaßt die Vater ländische Geschichte (. der Hohenollern Thaten und Leben“), beginnend mit des jetzt regierenden Kaisers Zeit. b. Das Penfum für Quinta bilden Lebensbilder aus der Dutfchen Geschichte“ von 1715 und zurücführend bis auf Karl den Großen. E. Der Qu ar ta fällt die Beschästigung mit, den hervorragendsten Personlschkeiten und den wichtigsten Freignissen aus der neueren und neuessen Geschichte zu, seit dem Zeitalter der Entdeckungen. Piefe Lehrbücher sind drei Lehrern der Hauptkadettenanstalt zu Lichterfelde, dem Prosessor Pr. Stenzler, Dherlebrer Dr. Lindner und Dr. Landwehr über- tragen worden. 2) Für die Sagenkunde ein Germanisches Sagen⸗ und Märchenbuch‘, bearbeitet von Dr. C. Schmidt und A. Floß, Lehrern am Kadettenhause zu Wahlstatt, welches Göttersagen, Helden⸗
Verwendbarkeit für den Unterricht der maßgebende Gesichtspunkt bei der Bearbeitung gewesen. 3) Die Heimathskunde nimmt in dem neuen Lehrplan als Anfangsstufe des Realunterrichts (in der Sexta) eine besonders wichtige Stelle ein. Für diese hat Hauptmann Rott vom Kadettenhause zu Plön „Grundzüge des Unterrichts in der Heimaths kunde“ ausgearbeitet, die die mannigfachen und nutzbringenden Anregungen, die aus diesem Anschauungsunterricht gewonnen werden können, in reichlichster Weise aus ihm entwickelt. Diese Bücher werden in diesen Tagen sämmtlich im Verlage der Königlichen Hof⸗ buchhandlung von E. S. Mittler C Sohn in Berlin, Kochstraße 68 - 70, und zwar zu einem selbst für Schulbücher besonders mäßigen Preise erscheinen. ;
— In F. A. Herbig's Verlag, Berlin 1891, erschien soeben eine Auswahl deutscher Gedichte für die unteren und mitt⸗ leren Klassen höherer Knabenschulen“ von Dr. F. Otto. Ladenpreis kartonnirt 90 3. Wer während längerer Thätigkeit an einem Gymnasium, einer höheren Bürgerschule oder an anderen höheren Knabenschulen erfahren, welchen Aufwand an Zeit und Mühe die Aus⸗ wahl solcher Gedichte erfordert, die hinlänglich werthvoll und passend erscheinen, in diesen Anstalten gelernt zu werden, wer zu seinem Bedauern wahrgenommen, daß auf Schulspaziergängen, Landpartien oder bei anderen Gelegenheiten, wenn die Schüler kein Textbuch in der Hand haben, meistens nur die erste Strophe eines angestimmten Liedes voll erklingt, wird die hier dargebotene Sammlung und namentlich auch die Berück⸗ sichtigung singbarer Lieder in derselben willkommen heißen. Nach einem prüfenden Blick auf den Werth des Dargebotenen dürfen wir bestätigen, daß nur solche Gedichte bezw. Lieder in dieser Sammlung Aufnahme ge⸗ funden, die nach pädagogischem Urtheil verdienen, ein unverlierbarer Schatz unserer männlichen Jugend zu werden. Der Verfasser hat mit besonderer Vorliebe und anerkennenswürdigem Takte solche Blüthen der Poesie ausgewählt, welche geeignet sind, den nationalen Sinn unserer Jugend zu pflegen und zu kräftigen. Von den 66 Stücken (8 lyrische und 8z epische für die Sexta, 6 lyrische und 10 epische für die Quinta, 8 lyrische und 8 epische für die Quarta, 8 lyrische und 10 epische für die Tertia) dürlte wohl die Hälfte als Lernstoff genügen. Es ist aber aut, daß das Doppelte des Nöthigen zur Auswahl bereit gestellt ist. Daß die Texte durchweg nach den Originalausgaben der Dichter gegeben sind, erhöht den Werth des Blchleins.
— Zur Frauenfrage.“ Heutiger Stand der Frauen ⸗ frage mit besonderem Bezug auf Dr. C. Peilman's Broschüre: ‚Nervosität und Erziehung. Warum ist die Frau als Lehrerin und Arzt unentbehrlich?“ von Dr. Phil⸗ adelphos. Berlin 1891. L. Oehmigke's Verlag. gr. 80. 34 S. — Wie aus der Vorrede zu ersehen ist, will der unter einer allgemeinen Bezeichnung den eigentlichen Namen verbergende Verfasser dieser Broschüre einen Vermittelungsversuch machen zwischen den beiden in der Frauenfrage sich entgegenstehenden Parteien. Der Verfasser, dessen reiche Geistesanlagen nicht zu verkennen sind, tritt für die Frauenemanzipation in bescheidenen Grenzen auf und wendet sich gegen die andere Partei (Pellman), welche der Frauenwelt bezüglich ihrer geistigen Veranlagung eine untergeordnete Stelle zu⸗ ertheilen will. Vornehmlich redet er der Heranbildung von weiblichen Aerzten das Wort, hält jedoch nicht unsere Universitäten, sondern, und das mit Recht, eigene Frauen⸗Akademien für nothwendig. Eine solche Akademie, deren Zöglinge der Fürsorge und Obhut einer Frau unter⸗ stellt sein müßten, wäre die Lösung, welche alle Mißstände des seit⸗ herigen weiblichen Studententhums beseitigen würde. Ueberall greift der Verfasser vermittelnd ein und kommt zum Schlusse zu der Ansicht, daß, sobald die beiden Richtungen gegenseitig ihre wohlberechtigten Forderungen anerkennen, ihr gemeinsames Wirken segensreich sein wird.
Erdkunde.
Die in der Verlagsanstalt und Druckerei⸗Aktiengesellschaft (vormals J. F. Richter) zu Hamburg erscheinende deutsche Ausgabe des Werkes, in welchem der Norweger Fridtjof Nansen seine Reise „Auf Schneeschuhen durch Grönland“ beschreibt, ist jetzt bis zur 18. Lieferung vorgeschritten. Die ersten zehn Hefte haben wir schon an dieser Stelle besprochen; sie schilderten die beschwerliche Meerfahrt auf Booten durch und über die Eisschollen. In der 11. Lieferung beginnt nun die nicht minder schwierige Wanderung über das Binnen eis, die eigentliche Schneeschuh und Schlittenfahrt. Von einer felsigen Anhöhe herab erblickten die Reisenden die sich endlos ausdehnende, von zahlreichen Rissen durchfurchte schneebedeckte Eisfläche, welche vor⸗ her noch keines Menschen Fuß betreten hatte; an einigen Stellen ragten dunkle, nackte Felsköpfe hervor, dem Auge den einzigen Ruhe—= punkt bietend. Nachdem Nansen eine kurze Uebersicht der früher stets mißglückten Versuche zur Durchquerung Grönlands gegeben, erzählt er in seiner anschaulichen, spannenden Weise, wie sich die kleine sechs⸗ köpfige Schaar zum Aufbruch anschickte, indem zunächst die beiden Boote in einer Felsschlucht untergebracht wurden und nun die Schnee⸗ schuhe angelegt und die Schlitten in Bereitschaft gesetzt wurden. Die kühnen Männer hatten gleich in den ersten Tagen mit Gefahren aller Art zu kämpfen, wie sie sich in zahlreichen offnen und versteckten Eis⸗ spalten darboten. Auch das Wetter war dem Unternehmen nicht günstig; Sturzregen und Stürme zwangen die Reisenden, in den leichten Zelten drei Tage und drei Nächte hindurch auszuharren. Einige Tage gutes Wetter brachten die Expedition dann wieder um ein tüchtiges Stück vorwärts, bis neue Stürme Zelt und Schlitten völlig unter dem Schnee begruben und wiederum Halt geboten. Unter solcher Abwechselung von Freud und Leid, die uns Nansen in lebendigster Schilderung miterleben läßt, erreichten sie endlich mit ihren Schlitten pfeilschnell dahinsegelnd die er⸗ sehnte Westküste, wo ihnen auch der langentbehrte Genuß frischen Trinkwassers zu Theil ward, das sie sich bis dahin stets aus Schnee hatten schmelzen müssen. Grönland war zum ersten Male durchquert und der Erderforschung ein wichtiger Dienst geleistet. Nun galt es für die Reisenden ein Mittel zu finden, um von dem einsamen Ameralik⸗Fjord aus wieder zu Menschen zu gelangen. Am Besten erschien es ihnen, mittels Boots an der Küste entlang rudernd, nach Godthaab, einer dänischen Niederlassung zu steuern. Ein solches Boot ward dann auch aus Bambusstäben, Zelt⸗ und Segeltuch glücklich zu Stande gebracht und von zweien der kühnen Maͤnner, darunter Nansen selbst, glücklich bis Godthaab gerudert, während die vier anderen nach sechzehn Tagen eines langen, bangen Harrens bei wenig Lebensmitteln durch ausgesandte Boote endlich aus ihrer Einsamkeit erlöst und unter großem Jubel von der Bevölkerung in Godthaab empfangen wurden. Das Schiff, welches die Reisenden nach Europa zurückbringen sollte, hatten sie freilich verfehlt und sahen sich daher zu mehrmonatigem Aufenthalt in Godthaab gezwungen, den Nansen zu einem eingehenden Studium des merkwürdigen Volksstammes der Eskimos benutzt hat. Die Ergebnisse desselben find in den Lieferungen 17 und 18 des Werkes mitgetheilt; sie bieten die genauesten Auskünfte über Sitte und Lebensweise dieses primitiven Völkchens und sind mit vielen Abbildungen nach photographischen Originalaufnahmen aus— gestattet. Auch zu einem Jagdausflug nach dem rennthierreichen Ameralik⸗Fjord gewährte der Aufenthalt willkommene Gelegenheit. Eine ganze Anzahl kleiner, aber getreuer Abbildungen, die auf der Fahrt selbst aufgenommen wurden, veranschaulichen die vielen Schwierig⸗ keiten, welche die Expedition zu überwinden hatte, in äußerst leben digen Scenen und Gruppen, auch die interessanteren landschaftlichen Scenerien aus der recht einförmigen Eis und Schneeregion Grönlands sind mittels der Camera festgehalten. Einige gut ausgeführte Karten orientiren den Leser über den Weg, welchen die Expedition zurück⸗
gelegt hat. .
— . -Däe Erde und die Erscheinungen ihrer Qber⸗ fläche nach E. Reclus von Dr. Otto Ule, II. umgearbeitet Auflage von Dr. Willi Ule, Privatdozent an der Universitäͤt Halle Mit zahlreichen Buntdruckkarten, Separatbildern und Textabbildungen. Braunschweig 1391, Verlag von Otto Salle. — Dies Werk ist die Neugestalt jenes Prachtwerkes, welches der nunmehr verstorbene, in weitesten Kreisen rühmlichst bekannte populäre Schriftsteller Dr. Otto Ule in Anlehnung an des großen franzssischen Geographen E. Reelus „La terre“ verfaßte, um den Freunden der Erdkunde in Deutschland als Hauptwerk eine physische Erdbeschreibung darzubieten, die alle Erscheinungen der Erdnatur als Glieder eines Ganzen, als
sagen, Volkssagen und Thierfabeln darstellt, und zwar ist' die beste ! Theile einer großen Weltordnung erfaßt, das Schaffen der Naturkräfte
an dem Gesammtbau des Erdkörpers aufspürt und vor Allem den Antheil des Menschen an dieser erdgestaltenden Arbeit, sowie derselben Rückwirkung auf die Kulturentwicklung der Menschheit untersucht. Die überraschend schnelle und weite Verbreitung der ersten Auflage dieses Werkes bewies, wie sehr dasselbe seiner Bestimmung entsp: ach. Seit jener Zeit bat sich manches im Gebiete dieser Wiffenschaft ge—⸗ ändert: deursche Männer, zum Theil begünstigt durch den Hang der Kolonialpolitik, sind in die vordersten Reihen der Forscher und Ent⸗ decker getreten, ihre Ergebnisse haben in der ganzen gebildeten deutschen Welt ihren Reiz geübt, neue Anschauungen gezeitigt und das Interesse an der Erdkunde in immer größere Kreise hineingetragen. Diese Ver⸗ änderung bedingte eine Umarbeitung des ursprünglichen Werks im Sinne der heutigen Zeit. Die erste Probe dieser Neubearbeitung, welche von dem dazu bestberufenen Sohne des Verfassers besorgt ist und in 15 Lieferungen à 60 3 erscheint, liegt in J. Lieferung vor, welche unter der Generalüberschrift Das feste Land- im J. Theil Die Erde als Planet“ (die Erde im Weltraum — die Urzeiten der Erde), im JI. Theil Die Kontinente! (Harmonien und Kontraste — die Flachländer) in einer Schreibweise behandelt, die einfach, klar und anschaulich ist für Jedermann, ohne indeß auf streng wissenschaftliche Grundlage zu verzichten, zugleich aber auch den Urtext so liebevoll schont, wie es die Pietät dem Sohne gebietet. Die bildlichen Beigaben sind nach dem jetzigen Stande der Technik und Forschung gänzlich neu gezeichnet unwesentliche Textbilder sind fortgefallen, wesentliche neu ersetzt. Sind die folgenden Lieferungen in textlicher und illustrativer Hinsicht von gleicher Güte, so ist ein Prachtwerk zu hoffen, das im schönsten Sinne seiner Bestimmung, „anregend und belehrend für die weitesten Kreise zu wirken“, entspricht.
— Von dem illustrirten Lieferungswerk Indien in Wort und Bild? von Emil Schlagintweit Gweite bis auf die Neu—⸗ zeit fortgeführte Auflage; Leipzig, Verlag von Schmidt u. Günther) gingen uns drei neue Hefte, 198 bis 21, zu. Sie setzen die Beschreibung der Hauptprovinz Indiens., Bengalen, fort. Namentlich wird die Hauptstadt Calcutta in ihrer eigenartigen äußeren Erscheinung, ihren Bauten, ihrem von Schiffen wimmelnden Hafen und ihrer bunten interessanten Bevölkerung eingehend beschrieben. Im dreizehnten Kapitel beginnt dann die Schilderung der Provinz Behar. Die illustrative Ausstattung ist wieder außerordentlich reich und veran⸗ schaulicht sowohl die merkwürdigsten Bauwerke als auch die originellen Volkstypen in ihren verschiedenen Beschäftigungen. Besonders her⸗ vorgehoben seien die großen vorzüglichen Holzschnitte, welche einen Darbur, eine Versammlung der eingeborenen Fürsten in Dbholpur (Radschputana) und den großen Empfang der indischen Großen durch den Vizekönig Lord Lawrence in Agra (am 20. November 1866) ver⸗ anschaulichen. Einen unheimlichen Eindruck macht im Gegensatz zu diesen festlichen Bildern die Ansicht des von Geiern und Aasvögeln umschwärmten Leichenverbrennungsplatzes in Calcutta.
Patriotisches.
Deutschlands Kaiserhaus“ von Ernst Schreck. 1891. Hadereleben. Johannes Dreesen. Dieses mit der aus dem Kunst⸗ verlage von Cassirer u. Danziger⸗Berlin hervorgegangenen reizenden Photographie Unsere Kaiserfamilie' geschmückte, 77 Seiten gr. 80 um- fassende Büchlein bringt aus der Feder des Verfassers von, Wilhelm II.“, „Graf Moltke“ u. a. dem deutschen Volke und seiner Jagend in acht Darstellungen, überschrieben: „Kgiser Wilhelm II. als Prinz“ — Nord und Südlandsfahrten unferes Kaisers! — Kaiserin Auguste Victoria“ — „Kaiserin Friedrich‘ — „Kronprinz Wilhelm — „Die Kaiserlichen Prinzen — „Unser künftiger Admiral! — „Sonstige Mitglieder unseres Kaiserhauses“ —, eine anziehende Beschreibung unseres Kaiserhauses. Als Schulprämie sowie als Festschrift erscheint das Büchlein wohl geeignet.
Militärisches.
Die Kavallerie in den Zukunftskriegen von Walter von Walthoffen, K. und K. österreichischer berst a. D. — Rathenow 1391. — Max Babenzien. — Der seit
mehr als vierundzwanzig Jahren auf militär ⸗ñliterarischem Gebiet und in ihrem speziellen Zweige „Kavallerie! rühmlichst bekannte Verfasser hat sich in dieser Studie, die als Sonderdruck aus der „Inter⸗ nationalen Revue über die gesammten Armeen und Flotten“ erschienen ist, die Aufgabe gestellt, die weit auseinandergehenden Ansichten der militärischen Schriftsteller über den strategischen und taktischen Werth der Kavallerie, ihre künftige Wirksamkeit und Verwendungsart in einer objektiven Darstellung, mit Zugrundelegung der von der jüngsten Kriegsgeschichte erhärleten Thafsachen, kritisch zu beleuchten und daraus die entsprechenden Folgerungen zu ziehen. Zunächst giebt der Verfasser ein Bild über den Zukunftskrieg und besonders über die Schlacht, wie sie sich nach den Erfahrungen der Krieg?geschichte unter Berücksichtigung der neuesten Erfindungen voraussichtlich gestalten wird. Diese durch zahlreiche gut gewählte kriegsgeschichtliche Bei⸗ spiele interessante Entwickelung führt in folgerichtiger Weise zu dem Schluß, daß, wenn auch die wichtigsten Aufgaben der Reiterei die Aufklärung vor und während der Schlacht, die Niederkämpfung der feindlichen Reiterei, die Verfolgung nach gewonnener und der Schutz des Rückzuges nach verlorener Schlacht seien, ihr bei sachgemäßer Verwendung unter schneidigen Reiterführern, trotz der Vervollkommnung der Schußwaffen, auch in der Zukunftsschlacht eine wichtige Thätigkeit bevorstebe, indem sie sich nicht zu scheuen brauche, unter Umständen selbst intakte Infanterie anzugreifen, und daß ein selcher Angriff, richtig eingeleitet, überraschend begonnen und energisch durchgeführt, auch heute noch wie bei Zorndorf gelingen und wesentlich zur Herbei⸗ führung einer Entscheidung mitwirken könne. Wenn man auch nicht allen Ausführungen des Verfassers uneingeschränkt beitreten kann, be⸗ sonders die letztere Behauptung der Bestätigung durch die praktische Erfahrung bedarf, und der Vorschlag, zur leichteren Ausrüstung der Kavallerie allgemein die Lanze in Wegfall zu kringen, im deutschen Heere viele Widersacher finden wird, so kann doch die kleine, auch für Laien verständliche Schrift als ein Beitrag zur Lösung dieser viel umstrittenen Frage als lesenswerth bestens empfohlen werden.
Unterhaltung.
Im Hguse Willkem.“‘ Roman von L. Smreker. Breslau. Schlesische Buchdruckerei, Kunst! und Verlagsanstalt, vormals S. Schottlaender. 1891. — Vor vielen anderen Zeitromanen zeichnet sich der vorliegende im Allgem inen dadurch aus, daß er nicht den Stempel der Unruhe, Ueberhastung und Ueberschwänglichkeit trägt, vielmehr als Ergebniß einer ruhigen Reflexion ein anziehendes Familien- bild aus den höheren Gesellschaftskreisen darstellt, aus welchem die hervorstechendsten Züge des Zeitgeistes deutlich erkennbar werden: das Streben nach Vervollkommnung eigenen Lebensglücks, verbunden mit Beglückung Anderer, Neid und Scheelsucht Minderbegüterter und die Sucht derselben, reich zu werden um jeden Preis, selbst auf dem Wege des Verbrechens, endlich ungezügelte Ehrsucht als Hinderniß des Herzeng⸗ friedens und des Familienglůcks. Höchst treffend leuchtet der erste dieser Züge aus der Persönlichkeit des edelherzigen Millionärs hervor, welcher eine arme, verwaiste Qffizierstochter zu feiner Gattin erwählt, sein Vermögen in den Dienst des Menschenwohls stellt, seine Be⸗ diensteten mildherzig beglückt und sich über sein Grab hinaus ein ehrendes Andenken sichert. Nicht minder trefflich tritt die Habgier grell und widerlich hervor gus dem Faktotum des Haufes Willem, in dessen Brust glühender Haß gegen seinen glücklichen Gebicter flammt, sodaß er an ihm zum Meuchelmörder wird, um sich das Vermögen und die Hand der jungen Wittwe zu sichern, das Festament faͤlscht, aber an der Reinheit derselben zu Schanden wird. Wie aber unge— zügelte Ehrsucht die innigsten Familienbande zerreißt, einfam und un— glücklich nacht und nur schwer durch selbstlose, weibliche Liebe Üäber⸗ wunden wird, das, offenbart das Lebensbild des einzigen Sohnes Willkem's und die selbstverleugnende Liebe der jungen Wittwe feines Vaters. Die beiläufige Lösung düsterer Geheimnisse liefert diefem barmonisch austönenden Familiengemälde den stellenweis erwůnschten Schatten. Das Ganze ist von anziehender Wirkung.
Im Verlage von Haul Kittel, Berlin Swe isi, in, vom Verfasser von Unser 5 und „Feldmarschall Graf Moltke soeben: „Herrn Wilhelm ultze's erste Badereifen von Her⸗ mann Müller- Bohn, — eine Humoregke voll naturfrfschen Humors, herzerfreuenden Witzes, aber auch durchwoben von reizvoller
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Schilderung von Natur und Menschen. Wer den im Aktenstaube fast verkommenen, mit Schirm, Krimstecher und 50 Thalern Reisegeld sowie mit hausmütterlichen Verhaltungsmaßregeln gut ausgestatteten Herrn Wilhelm Schultze binausbegleitet in die weite, kostspielige, ver⸗ suchungsreiche Welt, mit ihm auflebt, rechnet, liebt, genießt und leidet, auch bei ihm bleibt in allen Verkettungen von Irrthum, Verleumdung, Verkennung und Herzleid, um schließlich mit ihm zu triumphiren über alle Bosheit im Lichte eines besseren Lebens, — dem offnen sich auf jedem Schritt und Tritt so volle Schleusen unverwüstlicher Heiterkeit, daß er noch oft in stiller Mußestunde „Herrn Wilhelm Schultze“ als drolligen Reisegefährten erwählen wird. Verschiedene s.
ck, Berliner Autoren ron Ernst Wechs ler. Verlag von Wilhelm Friedrich. K. R. Hofbuchhändler in Leipzig. — Der Verfasser, bereits durch sein vor zwei Jahren erschienenes Buch Wiener Autoren“, welches ein sehr anschauliches Bild der jour⸗ nalistischen Zustände in der Kaiserstadt an der Donau bringt, indem die dortige Schriftstell erwelt mit scharfem Griffel und doch nicht ohne Liebe gekennzeichnet wird, als verständnißvoller und feinfühlender Kritiker bekannt, hat in dem vorliegenden Bande, nachdem er Eingangs eine interessante Parallele zwischen dem Wiener und Berliner Leben gezogen hat, die Berliner Autoren, von denen Ernst von Wilden bruch, Adolf Glaser, Heinrich Seidel, Johannes Trojan, Hermann Heiberg, Alexander Baron von Roberss, Karl Bleibtreu in ein gehenden Essayg unter Analysirung ihrer Werke mit anerkennenzg⸗ werther Unparteilichkeit charakterisirt werden, zum Gegenstande seiner gewandten, lebhaften und geistreichen Plauderei gemacht. Im Laufe der nächsten zwei Jahre beabsichtigt Ernst Wechsler Theodor Fontane, Julius Rodenberg, Friedrich Spielhagen, Paul Lindau, Robert Schweichel, Ernst Wichert, Fritz Mauthner, Oskar Blumenthal, Otto Leixner und mehrere jüngere Autoren, wie Fedor von Zobeltitz, Hermann Sudermann, Ernst von Wolzogen, Oskar Linke, Heinrich und Julius Hart in zwei weiteren Bänden des ausführlicheren zu behandeln, sodaß sein Unternehmen in seiner Gesammtheit, wenn auch keine erschöpfende, doch immerhin eine weitbegrenzte Umschau über das moderne literarische Berlin gewähren wird. — Der vor—⸗ liegende Band empfiehlt sich allen Litergturfreunden als eine ebenso belehrende wie anregende Schrift zur Kenntniß der schriftstellernden Reichshauptstadt.
— „Der Kakteenfreund.“ Ein Handbüchlein für Kakteen⸗ Liebhaber und angehende ⸗Züchter. Herausgegeben von Ferd Remark. Mit 34 Illustrationen. Minden i. W., Druck und Verlag von Wilheim Köhler. Preis 1 „6. — Wer ein Kakteenfreund ist oder ein Kakteenzüchter werden will, dem wird aus dem Erfahrungsschatze eines bewährten Züchters in den kurzen, trefflichen Darlegungen dieses Hand- büchleins über 1) die Arten der Kakteen, 2) die Kultur der Kakteen, 3) die Vermehrung der Kakteen, 4) das Kakteen ⸗Teppichbeet eine zu⸗ perlässige Anleitung zur Zucht und Pflege der Kakteen in Töpfen, sowie in Gärten und Anlagen gehoten und dazu ein Preisverzeichniß über Kakteen aus der reichhaltigen Sammlung des als tüchtiger Kakteenzüchter bekannten Hrn. Chr. Lorenz in Erfurt, deffen HIllustrirtem Samen- und Pflanzenverzeichniß' auch die Abbildungen vorliegenden Büchleins entnommen sind.
Zeit schrift en.
ck. Die landwirthschaftlichen Versuchs⸗Stationen. Organ für naturwissenschaftliche Forschungen auf dem Gebiete der Landwirthschaft. Unter Mitwirkung sämmtlicher deutschen Versuchs⸗ Stationen herausgegeben von Dr. Friedrich Nobbe, Geheimem Hof⸗ rath, Professor an der Kgl. Akademie der physiologischen Versuchs— und Samenkontrol⸗Station zu Tharand. Verlag von Paul Parey in Berlin. — Im vorliegenden VI. Hefte des TXXXIII. Bandes Jetzt zu⸗ nächst Julius Stoklasa seine Abhandlung über die wasserlöslichen Verbindungen der Phosphorsäure in den Superphosphaten fort. So⸗ dann berichten Robert Sachße und Arthur Becker über einige Löße des Königreichs Sachsen, E. Möller-⸗Holst über die Dauer der Keimung, Adolf Mayer über die Entwickelung des landwirth— schaftlichen Versuchswesens, L. Wellemann über die Elaidinreaktion bei der Untersuchung der fetten Oele, Adolf Mayer über die klimatischen Bedingungen der Erzeugung von Nikotin in der Taback— pflanze und A. Stutz ner über Futtermittel⸗Analysen mit besonderer Berücksichtigung der Proteinstoffe.
ck. Centralblatt für allgemeine Gesundheitspflege. Organ des Niederrheinischen Vereins für öffentliche Gesundheitspflege. Herausgegeben von Dr. Finkelnburg, Professor an der Universität zu Bonn, Dr. Lent, Geheimem Sanitätg⸗Rath in Köln, und Dr. Wolffberg, Königlichem Kreiephysikus in Tilsit. Zweiter Jahr⸗ gang. Zweites und drittes Heft. Verlag von Emil Strauß in Bonn. — In dem vorliegenden Doppelhbeft., welches den von Pr. Lent, Sekretär des Vereins, verfaßten Bericht über die am 8. Norember 1890 in Hagen i. W. stattgehabte Generalversammlung des Nieder—= rheinischen Vereins für öffentliche Gesundheitspflege bringt, in welcher die Errichtung von Krankenhäuser erörtert wurde, schildert H. Berger, Ingenieur in Köln a. Rh., die Kanalisation von Paris, während Professor Dr. Finkelnburg über einen Befund von Tyvhus— bacillen im Brunnenwasser nebst Bemerkungen über die Sedimentir⸗ methode der Untersuchung auf pathogene Bakterien in Flüssigkeiten berichtet O0 Gustav Klein seine Abhandlung über die Beobach2 tungen während der Cholera ⸗ Epidemien in ihren Beziehungen zur Prophylaxe zu Ende führt.
ck. In den ung vorliegenden neuesten vier Heften der von Karl Emil Franzo herausgegebenen und im Verlage von A. Haack in Berlin erscheinenden Halbmonatschrift Deutsche Dichtung“ ist die Novelle durch eine humorvolle Erzählung WilUhelm Jensen's „Deutscher Sommerregen“, eine italienische Dorfgeschichte von Adalbert Meinhardt „Eifersucht‘ und eine feinsinnige Arbeit Otto Roquette's „Der Jugendpreis“ vertreten. Die moderne Produktion auf dramatischem Gebiete vertritt Adolf Wil brandt's Schauspiel ‚Lucifer“', in welchem neben der sozialen Frage jene der Suggestion und Hypnose eine Rolle spielt, in fesselnder Weise. Diese letztere Frage wird derzeit in der, Deutschen Dichtung“ gleichzeitig von den Korhphäen der deutschen Naturforschung erörtert; zu den bisher ver- öffentlichten Gutachten von Du Bois- Reymond, Helmholtz u. A. treten in den uns vorliegenden Heften solche von Krafft Ebing, Meynert, Kahler, Binswanger, Mendel u. A. Auch die Serie selbstbiographischer Skizzen unserer ersten Dichter und Schriftsteller: Die Geschichte des Erstlingswerkes“ wird durch Arbeiten von Ernst Eckstein und Georg Ebers („Mein Erst= ling: Eine egyptische Königetochter ) fortgesetzt, CGécstein und Wäldenbruch, deren Porträts und Autographen die Hefte enthalten, haben episch-lyrische Dichtungen beigesteuert; des Letzteren ergreifende Erzählung in Versen In der Sylvesternacht“ sei besonders hervor⸗
ehoben, daneben finden sich Hermann Lingg, Otto Roqguette, 57 Dahn uĩ. A. durch lyrische Dichlungen vertreten, An lite rarischen Reliquien wird neben nachgelassenen Gedichten von Friedrich Theodor Vischer, Aphorismen von Jegn Paul, Briefen von Goethe und Heinrich von Kleist eine Perle der Briefliteratur geboten: Der Briefwechsel zwischen Friedrich Theodor Vischer und Gottfried Keller. Auch der ästhetischkritische Theil erscheint sorgflältig gepflegt. Aus dem Vorstehenden dürfte sattsam erhellen, daß die vornehm redigirte Zeitschrift einen Platz auf dem Lesetische jeder gebildeten deutschen Familie verdient. Äuf dieselbe sei die Auf⸗ merksamkeit aufs Angelegentlichste hingelenkt! .
ck. Deutsche Jugend. Herausgegeben von Julius Loh⸗ meyer. Verlaggzanstalt und Druckerei . G,. (vormals J. F. Richter) in Hamburg. — In den vorliegenden reich illustrirten Heften 13 und 14 des 1X. Bandes ist die Erzählung durch eine niedliche Spukgeschichte von Wilhelm Fischer; das Maͤrchen durch Der geträumte Schatz‘, die Heimathkunde durch Eine Stadt in der Altmark“ von Johannes Trojan vertreten. Außerdem setzt Edmund Strätzer die Lebens- skizize von Heinrich Schliemann fort. Durch die Mittheilung ver⸗ schledener Knackmandeln“ wird den jugendlichen Lesern Gelegenheit zur Erprobung ihrer Kombinationsgabe geboten.
ck. Zeitschrift für deut sche Sprache. Herausgegeben von Dr. Vaniel Sanders (Altstrelitzn, Verlag von Ferdinand Schöningh in Paderborn. — Auch im vorllegenden ersten (April ⸗) Hefte des
fünsten Jahrganges findet der Leser schwierige und zweifelhafte Fragen der deutschen Schriftsprache lichtvoll, klar und allgemein faßlich er⸗ örtert. Jeder, dem es um die gründliche Kenntniß und den richtigen Gebrauch der Muttersprache zu thun ist, findet in der in Monais— heften zum Preise von 3 Mark für das Viertelj:hr erscheinenden Zeitschrift einen zuverlässiven Mentor.
Die in der Deutschen Verlagsanstalt zu Stuttgart, Leipzig, Berlin und Wien (1891) erscheinende Halbmonatsschrift Aus fremden Zungen“, herausgegeben von Joseph Kürschner, mit dem Goetbe'schen Motto: „Die Epoche der Weltliteratur ist an der Zeit und Jeder muß jetzt dazu wirken, diese Epoche zu beschleunigen!“ — ist so weit gefördert, daß Heft 5 und 6 derselben ung vorliegen mit folgendem Inhalt: A. L. „Das Geld. Roman aus dem Französischen ven Emile Zola (Fortsetzung bis zum? Kapitel einschl.). IJ. . Syrlin.“ Roman aus dem Englischen von Quida Gouise de la Ramée) Fortsetzung bis zum 28. Kapitel einschl). III. „Das Erbtheil in Dedlow-⸗Marschen. Aus dem Englischen von Bret Harte (Fortfetzung und Schluß) IV. „Der Affe.“ Aus dem Französischen von Alphonfe Daudet. V. „Phantasie. Roman aus dem Italienischen von Mathilde Serao. VI. „Vögel obne Schwingen.“ Novellttte aus dem Ungarischen von Eduard Kabos. B. Unter der Ueberschrift Von Diefem und Jenem *: I) Fin de siècle. 2) Das nächste Buch des Meisters. Y) Wag ist des Dichters Thema? 4) Denkwürdigkeiten einer Königin. 5 Was ein berühmter Schriftsteller über literarische Thätigkeit sagt. 6) Japa⸗ nische Fücher. 7) Von Zola's „Geld.“ Lauter fesselnde literarische Gaben voll Anmuth, Frische und Geistesreichthum bei schöner Aus— stattung und zu entsprechend billigem Preise; denn jedes dieser Hefte, ca. 50 Seiten groß, 40 stark, kostet nur 50 .
— In den neuesten Nummern der . Il lustrirten Frauen⸗ zeitung“ (Berlin, Verlag von Franz Lipperheide) berichtet der wohlbekannte Kulturhistoriker Jakob von Falke in Wien Über die dortige Kostüm⸗Ausstellung im österreichischen Museum. Die sehr interessant geschriebenen Artikel sind durch eine Anzahl Abbildungen der reichsten und kostbarsten Stücke illustrirt. In der das neue Quartal einleitenden ersten Aprilnummer beginnt auch eine fesselnde Novelle von Claire von Glümer, „In den Zwölf-Nächten“. Unter den vortrefflichen Holzschnitt-Illustrationen nach Gemälden zeichnet sich ein Bild von Martin Wilberg „Die Politiker“ durch vorzügliche Charakteristik der Hauptfiguren auß. Ver wie immer sehr reichhaltige Modetheil bringt u. v. a. einen großen zweiseitigen Holzschnitt mit den neuesten Frühjahrs- und Sommer-⸗Mänteln und Paletots.
Bescheide und Beschlüsse des Reichs⸗Versicherun gsamts, Abtheilung für Invaliditäts⸗ und Altersversicherung.
15) In einem an die Vorstände der Versicherungeanstalten ge—⸗ richteten Rundschreiben vom 3. April 1891 hat sich das Reichs-Ver⸗ sicherungsamt, vorbehaltlich einer instanziellen Entscheidung, bezüglich der Frage, ob diejenigen Versicherten, welche alsbald nach dem In— lrafttreten des Invaliditäts- und Altersversicherungsgesetzes, z. B. im Monat Januar 1891, das siebenzigste Lebensjahr vollenden, Behufs Erlangung der Altersrente zunächst noch eine Wartezeit (ein Bei— tragsjahr) zurücklegen müssen, im bejahenden Sinne ausgesprochen und dabei Folgendes ausgeführt: Im Gegensatz zu der Ueber— gangsbestimmung für die Invalidenrente (5. 156 Absatz 1 des Invaliditäts⸗ und Altersversicherungsgesetzes, nach welcher die Min— derung der Wartezeit nach Wochen berechnet wird, bestimmt der §. 1857 a. a. O., daß sich die Wartezeit für die Altersrente um so⸗ viele Beitragejabre vermindert, als die Lebensjahre der Versicherten zur Zeit des Inkrafttretens des Gesetzes die Zahl vierzig übersteigen. Schon aus diesem Wortlaut ergiebt sich, das hier Beitragsjahre und Lebensjahre als Einheiten gelten, und daß daher die Wartezeit für die im S. 157 bezeichneten Personen sich nur um soviele Einheiten von Beitragsjahren verringern soll, als diese Personen Einheiten von Lebens— jahren beim Inkrafttreten des Gesetzes zurückgelegt haben. Wer am 1. Januar 1891 69 Jahre und 364 Tage alt war, hatte nur 69 volle Lebensjahre zurückgelegt, und seine Lebensjahre überstiegen an diesem Tage die Zahl 40 nur um 29. Ez verkürzt sich deshalb die im §. 16 Ziffer 2 a. a. O. vorgeschriebene Wartezeit von 30 Beitrags—⸗ jahren nur um 29 Einheiten, und es bleibt für den Betreffenden noch die Zurücklegung der Wartezeit von einem Beitragsjahre übrig, um den Anspruch auf Altersrente erheben zu können. Was sodann die Entstehungsgeschichte der Bestimmung anlangt, so liegt der letzteren ein in der ersten Lesung der Reichstagskommission (vergleiche Kommissionsbericht Seite 92 ff) gestellter Antrag Nr. 93 zu runde, welcher in dem hier in Betracht kom menden Theile lautet: „Für Versicherte ꝛc. vermindert sich die Wartezeit für die Altersrente (5. 17 Ziffer 1) um soviele Wochen, als das Lebensalter zur Zeit des Inkrafttretens des Gesetzes das 35. Lebensjahr übersteigt. Im Kommissionsbericht ist dieser Antrag, welcher den durch Streichung des §. 0 des Regierungs—⸗ entwurfs unhaltbar gewordenen §. 147 des Entwurfs zu ersetzen be— stimmt war, näher begründet und unter Anderem Folgendes ausgeführt: Es erschien demzufolge gerecht, für diejenigen Personen, welche nach ihrem Lebensalter zur Zeit des Inkrafttretens des Gesetzes in der Zeit zwischen letzterem Termine und dem Termine der Vollendung des siebenzigsten Lebensjahres die dreißigjährige Wartezeit nicht mehr zurück⸗ legen konnten, die Wartezeit zwar nicht zu beseitigen, wohl aber ent⸗ entsprechend zu vermindern und zwar um soviel Wochen, als sie bei Beginn der Wirksamkeit des Gesetzes für die Zurücklegung der Warte— zeit zu alt gewesen wären; um bei oben erwähntem Beispiele zu bleiben, der bei Beginn der Wirksamkeit des Gesezes fünfzig Jahre alte Arbeiter war um zehn Jahre zu alt, um die Wartczeit beim siebenzigsten Lebensjahre zurückgelegt zu haben. Man mußte für ihn also die Wartezeit um zehn Jahre kürzen; da aber die Wartezeit nicht nach Kalenderjahren, sondern nach Beitragsjahren (zu 47 Wochen) zu rechnen war, so mußte statt der Jahre die entsprechende Anzahl von Wochen genannt werden. Zahlt nun dieser Arbeiter in den nächsten Jahren weniger als 47 Wochen Beitrag, so erreicht er nicht 20 X 47 Beitragswochen, legt also bis zum siebenzigsten Lebensjahre die Wartezeit nicht zurück; er muß demzufolge länger warten, während er nach dem Entwurf zwar nicht länger warten mußte, aber dafür nicht die volle, sondern die gekürzte Altersrente erhielt. Aus den vom Reichs ⸗Versicherungsamt eingesehenen Originalprotokollen der Reichstags-Kommission ergiebt sich, daß — was in dem Kommissions⸗ bericht nicht ausdrücklich hervorgehoben ist — der oben gedachte Antrag Seitens einzelner Regierungsvertreter insbesondere nach der Richtung bekämpft wurde, daß man vorschlug, an Stelle der Fassung um so viele Wochen, als das Lebensalter ꝛc.“ zu setzen: um so viele Beitragsjahre ꝛc. — ein Vorschlag, welchem offenbar die Absicht zu Grunde lag, die Schwierigkeiten zu ver— meiden, die die Anrechnung von Theilen eines Lebensjahres auf die Wartezeit hätte herbeiführen müssen. Diesen Bedenken ist schon durch die Formulirung des in der zweiten Lesung der Kommission ein⸗ gebrachten Antrages Nr. 123 (oergleiche Kommissionsbericht Seite 180), welcher dahin lautet: „Für Versicherte 2c. vermindert sich die Warte⸗ zeit für die Altersrente (§. 12 Ziffer 1) unbeschadet der Vorschriften des 5. 3a um so viele Beitragssahre, als ihr Lebensalter zur Zeit des Inkrafttretens des Gesetzes das 35. (40.) Lebensjahr übersteigt“, theil weise Rechnung getragen worden. In weiterem Maße geschah dies aber dadurch, daß die obengedachte dem Antrage Nr. 123 entsprechende Fassung im Laufe der Kommissionsberathung dahin geändert wurde, daß statt der Worte als ihr Lebensalter zur Zeit des Inkraft— tretens des Gesetzes das vierzigste Lebensjahr übersteigt‘, die Fassung beschlossen worden ist, als ihre Lebensjahre zur Zeit des In krafttretens des Gesetzes die Zahl 40 übersteigen'. Hierdurch glaubte man, wie der Kommissionsbericht hervorhebt, alle die Bedenken, welche wegen etwaiger Erschleichung einer Rente geltend gemacht waren, beseitigen zu können. Nach Vorstehendem unterliegt es keinem Zweifel, daß man durch die wiederholte Abänderung der ein⸗ schlägigen Bestimmungen mit voller Schärfe den Gedanken zum Ausdruck bringen wollte, daß im Falle der Gewährung einer Alters⸗ rente während der Uebergangszeit nur volle Lebensjahre und dem⸗
entsprechend auch nur volle Beitragsjabre bei Berechnung der Wartezeit in Betracht zu ziehen sind. Zwar ist anzuerkennen, daß der bei Erlaß der Uebergangsbestimmungen bezüglich der Altersrente im Allgemeinen maßgebend gewesene Gesichtspunkt, wie er im Kommissionsbericht Seite 93 näher dargelegt ist, daß nämlich den über 40 Jahre alten Versicherten die Unmöglichkeit, die gesetzliche Wartezeit von 39 Jahren bis zur Vollendung des siebenzigsten Lebensjahres zu erfüllen, nicht zum Nachtheil gereichen und ihnen der jenige Theil der Wartezeit, welchen sie bis zum siebenzigsten Lebens jahre nicht meör erfüllen können, nachgesehen werden solle, in der gegenwärtigen Fassung des Gesetzes nicht mehr so konsequent durch- geführt ist, wie dies in der Fassung des 5. 147 nach den Beschlüssen der Kommission in der ersten Lesung der Fall war. Nachdem aber einmal diefe Fassung bewußt abgeändert worden ist, würde man sich zu der unzweideutig erkennbaren Absicht des Gesetzgebers in Gegensatz setzen, wenn man die Bestimmung im 5§. 157 „um so viele Beitragsjahre 2c. als gleichbedeutend mit „um die- jenige Zeit, um welche ꝛ6. ansehen wollte. Dazu kommt,. daß es an jedweder Bestimmung darüber fehlt, in welcher Weise Theile eines Lebensjahres in Theile eines Beitragsjahres umzurechnen sein würden. Die verschiedensten Berechnungsarten würden möglich sein, keine der⸗ selben aber hätte das Gesetz für sich, und es würde daher. wenn der Gesetzgeber die Anrechnung von Bruchtheilen eines Lebensjahres auf die Wartezeit zulassen wollte, einer gleichzeitigen Vorschrist über die Anrechnungsweise unbedingt bedarft haben. Weiterhin spricht für die Auffassung des Reichs ⸗Versicherungsamts die im 5. 1587 vor- kommende Erwähnung des §. 32 des Invaliditäts. und Alters⸗ versicherungsgesetzes. Die letztgedachte Bestimmung schreibt vor, daß die aus einem Versicherungzsberhältniß sich ergebende Anwartschaft erlischt, wenn während vier aufeinander folgender Kalenderjahre für weniger als insgesammt 47 Beitragswochen Beiträge auf Grund des Versicherungsverhältnisses oder freiwillig entrichtet worden sind. Es ist nicht abzusehen, in welcher Weise der 5. 32 zur Anwendung ge⸗— langen sollte, wenn Bruchtheile von Lebensjahren beziehungsweise Beitrags jahren im Falle des §. 157 in Frage kommen würden. Gerade die Bezugnahme auf F§. 32 läßt darauf schließen, daß der Gesetzgeber im Falle des 5. 157 nur Versicherte im Aage gehabt hat, die entweder sofort mit dem Inkrafttreten des Gesetzes in den Genuß der Altersrente treten können, oder solche, welche zunächst mindestens 47 Wochen hin⸗— durch Beiträge entrichten müssen, bevor sie den Anspruch auf Alters— rente erheben können. Wenn für die gegentheilige Auffassung außer allgemeinen Billigkeitsgründen noch die Bestimmung im 5§. 9 Absatz 4 des Invaliditäts- und Altersversicherungsgesetzes herangezogen wird, wonach „derjenige Versichexte, welcher das siebenzigste Lebensjahr vollendet hat, Altersrente erhält“, so wird übersehen, daß nicht lediglich der 5 9 Absatz 4, sondern in Verbindung mit diesem auch der §. 15 Ziffer 2 a. a. O. die Vorschriften enthält, welche für die Ge⸗ währung der Altersrente maßgebend sind. Ein Versicherter erhält nicht schon dann Altersrente, wenn er das siebenzigste Lebensjahr vollendet hat; sein Anspruch ist vielmehr an die weitere Voraus— setzung geknüpft, daß er zu diesem Zeitpunkt auch die vorgeschriebene Wartezeit erfüllt hat. Auch die Erwägung endlich, daß die im Obigen vertretene Ansicht zu einer erheblichen Benachtheiligung derjenigen Personen führe, welche bald nach dem Inkrafttreten des Gesetzes das siebenzigste Lebensjahr vollendet haben, trifft nur in beschränktem Maße zu; auch für sie ist der Vortheil der Uebergangsbestimmungen an und für sich ein weitgehender, indem ihnen schon nach Entrichtung von nur 47 Beiträgen ein Anspruch auf Altersrente eingeräumt worden ist.
16) Aus Anlaß eines Spezialfalles hat das Reichs⸗Ver⸗ sicherungsam: nach Benehmen mit den betheiligten Landes⸗Central⸗ behörden unter dem 14. April 1891 entschieden, daß die Invaliditäts⸗ und Altersversicherungsanstalten nicht verpflichtet sind, denjenigen Krankenkassen, welche gemäß §. 114 des Invaliditäts« und Alters⸗ versicherungsgesetzes durch ihr Statut die Einziehung der Bei—⸗ träge beziehungsweise die Ausstellung und den Umtausch der Quittungskarten für ihre Mitglieder freiwillig übernehmen, die im §. 112 Absatz 3 a. a. O, erwähnte Vergütung zu gewähren. Das Gleiche gilt von den für Reichs- oder Staatsbetriebe errichteten Krankenkassen, bei welchen die in Rede stehenden Maßregeln durch die den Verwaltungen dieser Betriebe vorgesetzte Dienstbehörde getroffen worden sind (§. 114 a. a. O..
17) Aus Anlaß der Anfrage einer Landes⸗Centralbehörde hat das Reichs ⸗Versicherungsamt unter dem 25. März 1891 ausgesprochen, daß die Entwerthung der Beitragsmarken — abgesehen von dem Falle der Einreichung der Quittungskarte zum Umtausch — nur durch die jenigen Zeichen erfolgen darf, welche nach den Bestimmungen des Bundesrathsbeschlusses vom 27. November 1890 (. Amtliche Nachrichten des R. V. A. J. u. A.-V. 1891 Seite 19) beziehungsweise nach den auf Grund dieses Beschlusses erlassenen Anordnungen der Landes⸗ Centralbehörden für den besonderen Fall vorgesehen sind. Sonstige zum Zwecke der Entwerthung angebrachte Zeichen, auch wenn dieselben für andere Fälle der Entwerthung durch den Bundesrath zugelassen sind oder auf Grund des Bundesrathsbeschlusses von der Landes Centralbehörde hätten vorgeschrieben werden können, aber nicht vor— geschrieben worden sind, müssen als unzulässige Vermerke im Sinne des 5§. 198 des Invaliditäts. und Altersversicherungsgesetzes angesehen werden, die den Eintragenden der Gefahr einer Bestrafung auf Grund des 5§. 1651 a. a. O. aussetzen. Hiernach ist beispielsweise die Eintragung des Entwerthungstages durch die Arbeitgeber oder die Versicherten — abgesehen von der unter Ziffer 3 des Bundesrathsbeschlusses vorgesehenen Ausnahme — Überhaupt un⸗ zulässig; ebenso ist die Angabe des Entwerthungstages den Organen der Krankenkassen und den Hebestellen nur insoweit gestattet, als die Landes-Centralbehörde sie auf Grund des Bundesrathsbeschlusses aus—= drücklich vorgeschrieben hat. Nur dadurch, daß eine bestimmte Form der Entwerthung im Einzelfalle Seitens des Bundesraths oder der Landes Centralhehörde vorgeschrieben ist, wird sie überhaupt erst statt⸗ haft; soweit dies nicht geschehen ist, steht es den Arbeitgebern und den Versicherten beziehungsweise den Organen der Krankenkassen 2c. nicht zu, die Beitragsmarken in einer in jenen Anordnungen nicht n n oder von ihnen abweichenden Form der Entwerthung zu unterziehen.
18) Es ist in Frage gekommen, ob dann, wenn irrthämlich stat der vorschriftsmäßigen Beitragsmarken solche einer niederen Lohn klasse verwendet worden sind, die Berichtigung in der Weise erfolgen kann, daß der fehlende Differenzbetrag durch nach— träglich beigebrachte Beitragsmarken von entsprechendem Werthe ausgeglichen wir. Das Reichs ⸗Versicherungsmt hat durch Bescheid vom 4. April 1891 die Zulässigkeit eines der artigen Verführens unter Hinweis auf die Vorschriften in den §5§5. 125, 127 des Invaliditäts. und Alters- versicherungsgesetzes und unter Ziffer 3 des Bundesrathsbeschlusses vom 27. November 1890 (Amtliche Nachrichten des R. V. A. J. u. AV.” 1891 Seite 20) verneint. Die Berichtigung der Beitragt⸗ leistungen in der vorerwähnten Weise würde zur Folge haben, daß die Höhe der demnächst zu gewährenden Rente willkürlich beeinflußt wird; denn die alsdann nach 5. 26e des Gesetzes sich ergebenden Steigerungssätze würden in vielen . ein anderes Ergebniß liefern, als wenn von vornherein die richtigen Marken verwendet worden wären. Es wird, daher die Berichtigung stets derart auszuführen sein, daß die irrthümlich verwendeten Marken unter Erstattung ihres Werthbetrages vernichtet und die vorschriftzmäßigen Marken in die Quittungskarte eingeklebt werden.
19) Auf Anfrage des Vorstandes einer Versicherungzanstalt hat sich das Reichs Versicherungkamt im Einvernehmen 23 den bethei⸗ igten Landes. Centralbehörden unter dem 25. März 1891 dahin schlüfsig gemacht, daß die Seemanntzämter auf Grund des §. 136 Absatz 4 des Invalidität ˖ und Alterversicherungsgefetzes auch be⸗ züglich der von nicht angemusterten Seeleuten erhobenen Änfprüche auf Bewilligung einer Invaliden oder Altersrente als untere Verwal⸗ tungsbehörden? im Sinne der §8§. 75 ff. a. a. O. anzufehen sind.