Nachdem der Festgesang verhallt war, richtete der Vor⸗ 6 des Ausstellungs-Comités Professor Anton von erner an Ihre Majestäten folgende Ansprache:
Allerdurchlauchtigster. Allergnädigster Kaiser und König! Allergnädigste Kaiserin und Königin Friedrich! Durchlauchtigste Protektorin!
Aus den Akkorden des eben verballenden Gesanges tönt es nach
in unseren Herzen; ; ö Heil Dir, erhabener Friedens für st! ;
Des Friedens Segnungen, welche wir dem bohen Sinne Eurer Majestät verdanken, 6 8; , des Werkes ermöglicht, dessen estlicher Weihe die heutige Feier gilt. ; . . Zum friedlichen Wettkampf haben sich die Künstler aller Natio- nen hier zusammengefunden. Aber es gilt keinen Kampf feindlich gegen einander gekehrter Kräfte, sondern ein gemeinsames Ringen Aller neben einander, und der l, des Einen bedeutet nicht die Niederlage und die Vernichtung des Anderen. .
So war ez auf dem Gebiet der Kunst zu allen Zeiten. Die Kunsf, die idealste Ausdrucksform, welche der Mensch sein eigen nennt, die schönste und edelste Blüthe seines Seelenlebens, sie ist immer ein Ergebniß dieses befruchtenden Kampfes und Ringens gewesen, und diefer Kampf hat immer dem einen hohen Endziel gegolten; in der Wiedergabe der Erscheinungen dieser Welt zur böchsten Wahrheit durchzubringen, jener Wahrheit, welche das höchste Schöne und Gute zum vollendetsten Ausdruck bringt. J
Freilich, dem unverrückbaren Ideal gegenüber ist die Frage, wie dasselbe zu verksrpern ist, dem ewigen Gesetz des echsels unterworfen, und der Kampf auf diesem Gebiet wogt un aufhörlich hin und her. So gewährt auch gerade unsere Zeit, wie auf den meisten Gebieten der menschlichen Arbeit, so auch auf. dem der Kunst das Bild eines solchen Gährens und Ringens der Geister: neue Wege werden gesucht und mit Lebhaftigkeit beschritten und bestritten, neue Offenbarungen des Ideals werden erstrebt. Aber all dem gegenüber wollen wir es be⸗ Tonen: Der Wege, welche beschritten werden, sind viele; das Ziel, zu welchen sie hinführen sollen, ist zu allen Zeiten das eine und gleiche gewesen und wird es bleiben. .
Diese Gemeinsamkeit des Zieles ist es, welche allerorten die Künstler eng aneinander schließen soll, damit die Einen befruchtende Kraft aus der Arbeit der Anderen schöpfen köanen. ;
Dies zu fördern, traten vor nunmehr fünfzig Jahren die Künstler Berlins zu einem Verein zusammen, dessen Jubelfest wir jetzt begehen. Wir glaubten dies nicht würdiger zu können, als durch die Veranstal⸗ tung dieser Internationalen Kunstaugtzstellung. ö
Daß dies überbaupt möglich ist, ist die große That unseres Jahrhunderts. Ihm war es vorbehalten, die räumlichen und zeitlichen Entfernungen, welche vor fünfzig Jahren noch als schwer überwindhare Schranken die Völker von einander schieden, in einer von den Vor— fahren nicht geahnten Weise zu überwältigen. Damit wurden dem Verkehr ungeahnte Bahnen eröff get. Der Verkehr, unter dess en Zeichen die Welt am Ende dieses Jahrhunderts steht, hat die Völker gelehrt, sich auf dem Gebiete der Arbeit und der Volkswohlfahct als eine große Familie zu fühlen, er hat es ermöglicht, daß sie mit größter Leichtigkeit im internationalen Verkehr sich Auge in Auge begegnen können. ;
So fand unsere Aufforderung an unsere Kollegen im Deutschen Reich und im Auslande, als hochwillkommene Gäste mit dem Besten, was sie geschaffen, bei uns zu erscheinen, lebhaften Widerhall, und die Berliner Künstlerschaft, in aufrichtiger Würdigung für alles Schöne und Gute, was irgendwo in der Welt geschaffen wird, ist gluͤcklich heute der Hauptstadt des Reichs ein nahezu abgerundetes Bild dessen vorführen zu können, was die moderne Kunst im letzten Jahrzehnt geschaffen hat. .
Fünf Jahre sind verflossen, seit wir zu ähnlicher Feier an dieser Stelle versammelt waren. Damals stand Kai er Wilhelm's greise Heldengestalt unter uns, und Sein erhabener Sohn, Kaifer Friedrich, hochseligen und theuren Angedenkens, richtete als Ehrenpräsident der akademischen Jubiläumsaus⸗ stellung die Begrüßungsrede an Seinen erlauchten Vater. Unvergessen leben in Allen, die sie gehört haben, jene gemüthstiefen Wocte, mit welchen damals Kaiser Wilhelm in freier Inprovisation das Genie Seines ruhmreichen Ahnherrn, des großen Friedrich, als Beschützers und Förderers der schönen Künste feierte. ‚
Beide sind sie dahingeschieden, der sieghafte Schöpfer des Deutschen Reichs und Sein heldenhafter Sohn, Kaiser Friedrich, zu dessen schönsten Ruhmestiteln es allzeit zählen wird, daß Er in Seinem Hause und in Seiner Familie den Künsten eine gastliche Stätte bereitet hat, und daß Er mit offenem Sinn und Auge ihr Blühen und Gedeihen förderte. Und es möge mir gestattet sein, an dieser Stelle noch eines Dritten zu gedenken, über dessen frischem Grabhügel die Erde sich kaum geschlossen hat und an dessen Bahre das deutsche Volk trauert, des großen Feldherrn Grafen Moltke. Unser Verein hatte die Ehre und das Glück, ihn zu seinen Ehrenmitgliedern zählen zu dürfen, und ihn heute unter uns zu sehen, wäre uns eine unaussprechliche Freude gewesen. Die Vorsehung hat es anders beschlossen, trauernd beugen wir uns ihrem Willen! ...
Allergnädigste Kaiserin und Königin Friedrich!
Eure Majestät haben die Gnade gehabt, das Protektorat über unsere Ausstellung zu übernehmen. Die Bedeutung dieses Gnadenbeweises weiß die Berliner Künstlerschaft aufs Höchste zu schätzen. Verehren wir doch in Eurer Majestät nicht nur die verständnißvolle Freundin der Kunst, sondern gleich vielen anderen unserer Hohenzollernschen Fürsten die ausübende Künstlerin. Eurer Majestät Name an der Spltze unseres Unternehmens ist ein weithin sichibarer Beweis von der hohen Theilnahme, welche das Erlauchte Haus der Hohenzollern allzeit der Pflege und Förderung der Kunst entgegengebracht bat, und legt zugleich Zeugniß ab für die Bedeutung, welche die Pflege der Kunst für Wohlfahrt und Gedeihen der Völker hat. Eure Majestät bitte ich, für diesen Gnadenbeweis an, dieser Stelle den unterthänigsten Dank der Berliner Künstlerschaft darbringen zu dürfen. Unseren Dank sodann dem hohen Kultus-Ministerlum, welches unser Unternehmen durch Bewilli. gung dieser Räume gefördert bat, vor Allem aber unseren herzlichsten Dank unseren verehrten Kollegen aller Länder und Kunststädte für die Bereitwilligkeit, mit welcher sie unserer Einladung gefolgt sind. Mögen sie nur freundliche Erinnerungen an Berlin und an diesen friedlichen Wettkampf in ihre . mit zurücknehmen.
An Eure Majestät, die Erlauchte Protektorin der Ausstellung,
richte ich nunmehr das unterthänigste Gesuch, dieselbe Allergnäͤdigst eröffnen zu wollen.
Hierauf richtete die hohe Protektorin der Austellung, Ihre Majestät die Kaiserin Friedrich an Seine Majestät den Kaiser und König die Bitte, nunmehr den Eröffnungsakt voll⸗ ziehen zu wollen; Seine Majestät erklärte die Ausstellung mit einer kurzen Ansprache an Ihre Majestät die Kaiserin Friedrich für eröffnet und brachte auf Allerhöchst⸗ dieselbe ein Hoch aus. Mit einem ferneren, von dem Vohsitzenden des Ausstelluugs⸗-Comités ausgebrachten Hoch auf Seine Majestät den Kaiser und König sowie dem erhebenden Gesang von Loewe's Salvum fae regem schloß die Feier, nach
welcher die Allerhöchsten Herrschaften ei die Ausstellung . schaften einen Rundgang durch
Der Bundesrgth ertheilte in der gestern unter dem Vorsitz des Vize⸗Präsidenten des Staats⸗Ministeriums, Staats⸗ sekretärs des Innern Dr. von Boetticher abgehaltenen Plenarsitzung dem Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Unterstüßung von Familien der zu Friedensübungen
einberufenen Mannschaften, und der zu Brüssel am 2. Juli 1890 unterzeichneten Generalakte der Brüsseler Antisklaverei⸗ Konferenz die Zustimmung. Dem Reichs- kanzler wurden überwiesen: ein Schreiben des Präsidenten des Reichstages, betreffend den Beschluß des letzteren zu Petitionen über die gesetzliche Regelung der Verhältnisse der Handelsagenten, und eine Eingabe des sächsischen Schuhmacher⸗Innungs verbandes zu Döbeln wegen Nichtaus dehnung der Unfallversicherun auf das Schuhmachergewerk. Mehreren Eingaben, betreffen die Ausschließung italienischer Ziegelarbeiter von der Inva⸗ liditäts- und Altersversicherung, und einer Eingabe des Vor⸗ sitzenden der Genossenschaft „Invalidendank für Sachsen“ wegen Befreiung der Beamten dieser Genossenschaft von der Invaliditäts- und Altersversicherung beschloß die Versamm⸗ lung keine Folge zu geben.
Nach der im Reicht⸗Eisenbahnamt aufgestellten, in der Ersten Beilage zur heutigen Nummer des Reichs⸗ und Staats⸗Anzeigers“ veröffentlichten Nachweisung der im Jahre 1890 auf den deutschen Eisenbahnen (ausschließlich der bayerischen) bei den fahrplanmäßigen, der Personenbeförderung dienenden Zügen vorgekommenen Verspätungen und deren Ursachen betrug die Gesammtlänge der 36 größeren in Be⸗ tracht gezogenen Bahnen bezw. Bahnnetze am Ende des Jahres 36 155 km, von denen 11 749 km zweigeleisig waren. Im Ganzen wurden zurückgelegt: 1) 162286 942 Zugkilometer, oder durchschnittlich im Tage — 44 622. 2) 3 314 794 556 Achskilometer, oder durchschnittlich im Tage — 9 081 629. Von den zurückgelegten Zugkilometern kommen auf jedes Kilo⸗ meter Bahnlänge im Jahresdurchschnitt — 4548, und von den zurückgelegten Achskilometern — 92 904. Von den fahrplan⸗ mäßigen, zur Personenbeförderung dienenden Zügen verspäteten sich im Ganzen 45 806; von diesen Verspätungen wurden jedoch 16742 durch das Abwarten verspäteter Anschlußzüge hervor⸗ gerufen, sodaß den betreffenden Bahnen nur 29964 Verspätungen zur Last kommen. Hiervon entfallen: auf 1 Million Zug— kilometer 179 Verspätungen und auf 1 Million Achskilometer 9 Verspätungen. In Folge der Verspätungen wurden 26 191 Anschlüsse versäumt. Bei 2 Bahnen find Anschlußversäum⸗ nisse nicht vorgekommen. Die 29 064, den betreffenden Bahnen zur Last fallenden Verspätungen sind veranlaßt: in 2643 Fällen durch Schadhaftwerden der Fahrzeuge, in 308 Fällen durch mangelhaften Zustand der Bahnanlagen, in II 991 Fällen durch Sperrung der Geleise, in 138 Fällen durch Post⸗ und Steuerabfertigung, in 7162 Fällen durch starken Verkehr, in 2949 Fällen durch Rangiren, Umsteigen der Reisenden, Umladen von Reisegepäck und Gütern, in 2255 Fällen durch Dampfmangel und dergl, in 1402 Fällen durch atmosphärische Einflüsse, in 164 Fällen durch Ent⸗ gleisungen und Zusammenstöße der betreffenden Züge, in 52 Fällen durch sonstige Betriebsereignisse. In der Nach⸗ weisung sind diejenigen Bahnen, auf welchen Zugverspätungen vorkamen, nach der Verhältnißzahl 9 Mittel) zwischen der Anzahl der von den fahrplanmäßigen, der Personenbeförderung dienenden Zügen auf 1 Million Zug⸗ und 1 Million Achskilometer entfallenden eigenen Verspätungen geordnet. Danach nehmen die Main⸗Neckar-Eisenbahn, die Hessische Ludwigsbahn und die Bahnen im Bezirk der König⸗ lichen Eisenbahn⸗Direktion (linksrheinischen) zu. Köln die ungünstigsten Stellen ein. Wird die Reihenfolge der Bahnen statt nach der Anzahl der Verspätungen nach der Anzahl der Anschlußversäumnisse bestimmt, so treten die Bahnen im Bezirk der Königlichen Eisenbahn-Direktion (linksrheinischen) zu Köln, die Hessische Ludwigsbahn und die Main⸗-Neckarbahn an die ungünstigsten Stellen. In den vorstehenden Angaben sind die Verspätungen und Anschlußversäumnisse bei denjenigen Zügen, welche in Folge von Schneeverwehungen, Ueberschwem⸗ mungen u. dergl. ganz oder theilweise ausfielen, unberücksich⸗ tigt geblieben. Aus derartigen Ursachen sind 745 Züge ganz und 755 Züge streckenweise ausgefallen, sowie 820 Anschlüsse versäumt worden.
Der Königliche Gesandie in Hamburg Feeiherr von Thielmann hat einen ihm Allerhöchst bewilligen kurzen Urlaub angetreten. Während seiner Abwesenheit fungirt der Legations-Sekretär von Bülsw als Geschäftsträger.
Der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Kaiserliche Unter⸗ Staatssekretär von Schraut ist aus Straßburg hier an⸗ gekommen.
Der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Königlich württem⸗ bergische Oberst-Lieutenant von Neidhardt ist nach Stutt⸗ gart abgereist.
Die neuernannten Regierungs-Assessoren Barnewitz und Arnold find der Königlichen Regierung zu Köslin bezw. der Königlichen Regierung zu Posen zur aushülfsweisen Ver⸗ wendung überwiesen worden.
Der Regierungs⸗-Assessor Melior zu Koblenz ist an die Königliche Regierung zu Wiesbaden versetzt worden.
Württemberg.
Stuttgart, 29. April. Ueber die Ergebnisse des Heeres-⸗-Ergänzungsgeschäftß im Bezirk des TI. (Königlich Württembergischen) Armee-Corps für das Jahr 1890 werden dem „StA. f. W.“ folgende Notizen mitgetheilt: Die Zahl der Militärpflichtigen betrug — ab⸗
züglich von anderwärts gestellungspflichtig gewordenen ꝛc.
23519 Mann — 30676 Mann. Hiervon wurden ausgehoben 71887 Mann; freiwillig eingetreten find 270; der Ersatzreserve wurden überwiesen 4005; dem Land⸗ sturm ersten Aufgebots 2880; zurückgestellt worden sind 13 642; wegen moralischer Unbrauchbarkeit wurden vom Dienst im Heere und in der Marine ausgeschlossen 51; wegen körperlicher oder geistiger Gebrechen sowohl zum Dienst mit der Waffe als auch zum Dienst ohne Waffen wurden dauernd untauglich befunden und ausgemustert, d. h. vom Dienst im Heere und in der Marine befreit 1818, überzählig geblieben sind 3 Mann. Von den 7887 Ausge⸗ hobenen wurden 49 ö. Dienst mit der Waffe und 138 jum Dienst ohne Waffe bestimmt; davon gehören 5i5l zu den 2 jährigen, 1542 zu den 21 jährigen, 1174 zu den 22 jährigen und 20 zu den älteren Militärpflichtigen. Hessen. * Darmstadt, 30. April. Mit Ermächtigung Seiner
Königlichen Hoheit des Großherzogs ist den Ständen des Großherzogthums, und zwar r der Zweiten Kammer,
ein Gesetzentwurf, betreffend die Ergänzung des Gesetzes vom 27. November 1874 wegen. Revision der Bestim⸗ mungen über Versetzung der Civilbeamten in den Ruhe⸗ stand, zugegangen. Dannach soll in die Dienstzeit nz oder theilwelse die geit eingerechnet werden können, während welcher
ein Beamter als Rechtsanwalt oder Notar thätig war; es soll
jedoch in keinem Fall, dem Beamten durch diese Einrechnung ein höheres Dienstalter als solchen seiner Dienstkateggrie, welche gleichzeitig mit ihm die Staatsprüfung bestanden haben, eingeräumt werden.
Oldenburg. (S Oldenburg, 30. April. Seine Königliche Hoheit 8 , ist heute von Dresden nach hier zurück⸗ gekehrt.
Waldeck und Pyrmont.
4 Arolsen, 1. Mai. Nachdem am gestrigen Tage die Ver mählung Seiner Durchlaucht des Fürsten zu Waldeck und Pyrmont mit . Hoheit der Prinzessin Louise zu Schleswig-Holstein⸗Sonderburg⸗Glücksburg in Louisenlund stattgefunden hat, erfolgt heute der feierliche Einzug der hohen Neuvermählten in Arolsen. Zur Theil nahme an der hiesigen Feierlichkeit ist auch Seine Königliche Hoheit der Großherzog von Luxemburg, Bruder der verewigten Fürstin, hier eingetroffen.
Bremen.
Bremen, 30. April. In der gestrigen Sitzung der Bürgerschaft hielt, wie die „Wes⸗ Ztg.“ meldet, der Prä— sident Claufsen eine Gedächtnißrede auf Bremens Ehren⸗ bürger, den Grafen Moltke. In derselben Sitzung wurden 56O O00 SυR für den Hafen in Vegesack bewilligt.
Deutsche Kolonien.
Das „Deutsche Kolonialblatt“ veröffentlicht folgende Ver⸗ ordnung des Reichskommissariats für Ost-Afrika, betreffend den Handel mit Feuerwaffen, Pulver und Munition:
Nachdem das Uebereinkommen, welches zur Beschränkung des Oandels mit Feuerwaffen, Pulver und Muni ion Seitens des Kaiser⸗ lichen Reichs ⸗Kommissariats mit der Imperial British East Afrieg GCorpany auf die Dauer von einem Jahre getroffen war, am 28. Februar 1891 abgelaufen ist, werden fur das deatsch ⸗ostafrikanische Gebiet zur ferneren Ueberwachung der Einfuhr von Feuerwaffen, Pulver und Munition Zwecks Förderung der öffentlichen Sicherheit fülgende Bestimmungen erlassen:
1) Die Einfuhr von Feuerwaffen. Pulver und Munition ist, außer durch Organe des Kaiserlichen Reichs⸗Kommissariats, verboten.
2) Im Ausnahmefall kann einzelnen Europäern ju Jagd— sportzwecken bejw. zum persönlichen Schutz oder Expeditionen, welche unter Führung von Europäern stehen, die Einfuhr von Hinterladern nebst zugehöriger Munition gestattet werden. Indeß wird die in jedem speziellen Falle einzuholende Genehmigung des Kaiserlichen Reichs ⸗Kommissgriats von der Stellung einer Sicherheit bezw. eines angemessenen Depositums in baarem Gelde abhängig gemacht.
3) Der Verkauf von Feuerwaffen, Pulver und Munition darf nur durch Organe des Kaiserlichen Reichs⸗Kommissariats erfolgen.
4) Die für die Abstempelung der Gewehre erlassene Verordnung vom I. August 1890 bleibt nach wie vor bestehen.
5) Zuwiderhandlungen gegen diese Verordnung werden mit Geld— strafe bis zu 6000 Rupien, Gefängniß bis zu drei Monaten, allein oder in Verbindung miteinander, sowie mit Einziehung der widerrecht⸗ Lich eingeführten Gegenstände bestraft.
6) Diese Verordnung tritt mit dem heutigen Tage in Kraft.
Bagamoyo, den 1. März 1891.
Die Uebersiedlung des Reichs⸗Kommissariats von Sansibar nach der Kü ste, und zwar der Kommandantur, Verwaltungs⸗ und Medizinal⸗Abtheilung nach Bagamoyo, der See⸗AUbtheilung nach Dar⸗es⸗Salaam, ist am 23. Januar d. J. vollzogen worden. Bagamoyo vergrößert sich stetig. Es wird fortwährend gebaut und haben zu diesem Zweck die früheren Befestigungen der Stadt fortgeräumt werden müssen. In Dar⸗es⸗Salaam wird eifrigst an den Bauten für das Gouvernement gearbeitet und die Arbeit durch einen großen Andrang von Arbeit suchenden Wasaramos begünstigt. Die Vorarbeiten für den Bau der Eisenbahn Dar⸗-es⸗Salaam— Bagamoyo sind soweit gediehen, daß der Bahnkörper bis Bueni, 32 km, die Hälfte der ganzen Strecke, tracirt ist.
In den Stationen des Südens ist der Aufbau stetig fortgeschritten. In dem Hauptort der Insel Mafia, Schole, ist ein schwarzer Offizier mit sechszehn Mann stationirt worden; ebenso eine stehende Patrouille in Kisiwani. Mafia ist der Hauptvermittelungsort im Handel mit dem Rufidschi⸗ Delta. Die Insel ist reich an Vieh, aber weniger fruchtbar als Sansibar und Pemba. Es befinden sich nur Kokosnuß— Plantagen daselbst. Nelkenpflanzungen gedeihen nicht,
Dle Bevölkerung hinter Kilwa ist durchaus ruhig. Auch eine Anzahl von Häuptlingen des Hinterlandes von Lindi hat sich gegen Machemba unter deutschen Schutz . Machemba selbst hat Friedensvꝛrhandlungen angeknuͤpft und zwei seiner Söhne in Begleitung von einigen Akidas mit 10 Mann nach Mißkindani gesandt. Die Leute waren bereit, ihre Waffen ab⸗ zuliefern, arbeiten auf der Station und zeigen den aufrichtigen Wunsch nach friedlicher Einigung, ; ,
Der Lieutenant in der Schutztruppe für Ost Afrika Albrecht, zuletzt mit den Funktionen des Chefs der Station Saadani betraut, ist verstorben. — .
Dem Königlich preußischen Regierungs-Assessor Leist in Kamerun ist für die Dauer seiner kommissarischen Verwen— dung im Kolonialdienst des Reichs der Charakter als Kanzler verliehen worden. .
Hauptmann Kling, à la suite des 2. Württembergischen
eld⸗Artillerie⸗ Regiments Nr. 29 Prinz⸗Regent Luitpold von Bayern, kommandirt zum Auswärtigen Amt, hat am 16. v. M. in Begleitung des Technikers Bugslag von Hamburg die Ausreise nach dem Togogebiet angetreten, um bie Leitung der Station Bismarckburg zu übernehmen.
Der Bürgermeister Meinecke aus Corbach (Fürstenthum Waldech) wird als interimistischer Sekretär dem Kaiserlichen Kommissariat für das Schutzgebiet der Neu⸗Guinea⸗Compagnie beigegeben werden.
Oesterreich⸗ Ungarn.
Wien, 1. Mai. Nach dem „Militärverordnungsblatt“ hat der Kaiser dem Ober⸗Ceremonienmeister Grafen Hun yady das Großkreuz des Leopolds-Ordens und dem General⸗ Adjutanten Bolfras von Ahnenburg die Geheimraths⸗ würde verliehen.
Am 2. Mai beginnen die diesjährigen militärischen Uebungen im Brücker Lager. Die Inspizirung der
.
Truppen durch den Kaiser ist für den 14. oder 15. Mai in Aussicht genommen.
Die Kaiserin hat vorgestern Korfu verlassen, um sich über Triest nach Wien zu begeben.
Das Herrenhaus nahm gestern laut Meldung des W. T. B.“ auf Antrag des Grafen Kueffstein den vom Gerichterstatter Grafen von Falkenhayn vorgelegten Adreß⸗ . einstimmig und ohne Debatte unver— andert an.
In diem Augenblicke, als die Sitzung aufgehoben werden sollte, ereignete sie auf der zweiten Galerie für die Zuhörer ein lärmen. Zwischenfall, indem ein Zuhörer mit lauter, erregter Stimme zu sprechen anfing und eine Menge gedruckter Blätter in den Saal warf. Die⸗ selben enthielten die Namens eines Theodor Prochaska, Forst⸗ Ingenieurs in Prag, gemachte Ankündigung von einer an— geblichen Entdeckung von Gold⸗ und Platingerzen in Böhmen. Der Mann, allem Anscheine nach ein Irrfinniger, folgte den Polizeibeamten ruhig auf das Kommissariat.
Der Adreßausschuß des Abgeordnetenhauses ge— nehmigte gestern die Stellen des Adreßentwurfs, betreffend die Handelsverträge und die Va llutaregulirung. Der Jungczeche Kaizl und Abg. Schuklje sprachen sich im Laufe der Debatte für eine reservirte Fassung der Stellen be—⸗ züglich des handelspolitischen Verhältnisses zu Deutsch— land aus. Der Jungczeche Trojan forderte für das Bündniß mit Deutschland einen Entgelt in materieller Beziehung. Die Abgg. Her bst und Demel und der Referent Bilinski traten diesen Ausführungen entgegen. Der Antrag des Referenten wurde nach einer stilistischen Ab⸗ änderung genehmigt. Ein Antrag Kaizl's, daß bei dem Absatze, befreffend die Valutaregulirung, eingefügt werde, daß dieselbe binnen kurzer Zeit durchgeführt werde, wurde abgelehnt und der diesbezügliche Antrag des Referenten angenommen. Vom Abgeordneten Plener wurde hierauf ein Antrag auf Aenderung des die Volksschulen betreffenden Ab— satz's des Adreßentwurfs eingebracht, welcher besagt, das Abgeordnetenhaus habe mit großer Genugthuung vernommen, daß die Regierung dem öffentlichen Unterricht auf allen Gebieten ihre unausgesetzte Fürsorge zuwenden wolle. Die Hebung der Volksbildung sei eine der ersten Bedingungen des Volkswohlstandes und der allgemeinen Kultur; darum spreche das Haus die zuversichtliche Hoffnung aus, daß dem Volksschulwesen fortan eine ungestörte Entwickelung gegönnt sein würde. Plener beantragte ferner die Weglassung der Stelle, die von der Förderung des sittlichen und geistigen Wohles des Volks spricht, weil hierin eine Gefahr für die Landesgesetzgebung im Sinne einer Umbildung des Volks— schulwesens liege. Seine Partei wünsche die ungestörte Ent⸗ wickelung der Volksschule. Madejski führte aus, im Schweigen der Adresse über das Volksschulwesen liege das einzig mögliche, vollkommen ausreichende Entgegenkommen Seitens der Polen. Jede Stellungnahme, gleichviel nach welcher Richtung, müßte manche Kreise und Parteien beunruhigen. Der Antrag Plener wurde mit 20 gegen 15 Stimmen abgelehnt und der Entwurf des Referenten mit un⸗ erheblicher Aenderung angenommen. Plener erklärte, seine Partei könne nach Ablehnung seines Antrags nicht mehr für den Adreßentwurf stimmen und behalte sich vor, am. Schlusse der Ausschußberathungen einen selbständigen Adreßentwurf einzubringen; er werde deshalb keine weiteren Zusatzanträge stellen. Nachdem noch ein Antrag Steinwender's auf Einführung eines Absatzes, be⸗ treffend soziale und wirthschaftliche Reformen, mit 15 gegen 14 Stimmen abgelehnt worden, erklärte der Referent Bilinski, daß er unter diesen Umständen den Adreßentwurf vor dem Hause nicht vertreten könne. Schließlich wurde mit 18 Stimmen ein Antrag auf Wiederaufnahme der Berathung angenommen.
In seiner Abendsitzung nahm dann der Adreßausschuß den letzten Absatz des Entwurfs an. Hierauf legte Plener den Adreßantrag der Linken als Minoritätsvotum vor. Der Entwurf führt aus:
Die Linke wolle die große Aufgabe der Gesetzgebung nicht durch einseitige Parteibestrebungen beirren lassen, der richtige Standpunkt jeder patriotischen Partei sei. eine Anzahl. Grund sätze aafzustellen, welche nach ihrer Ueberzeugung dem Gesammt— wohl am Besten entsprächen In dem so vveielgestaltigen Reiche Oesterreichs werde allerdings die zutreffende Gesetzgebungs— politik darin beste hen, einzelne Parteimeinungen nicht auf die Spitze zu treiben, vielmehr nach Thunlichkeit die verschiedenen Anschauungen in eine höhere Einheit zusammenzufassen. Diese schwierige Aufgabe werde wesentlich unterstützt, wenn die Regierung auch ihrerseits den Staatsgedanken voranstelle und die Verwaltung von Parteieinflüssen freihalte. Wenn so die allgemeinen Güter sichergestellt würden und gleichzeitig vermieden werde, staatsrechtliche, nat tonale und koafessionelle Streitfragen neuerlich aufzuwerfen, dann wäre im Sinne der Thronrede Raum geschaffen für die Berathung wirthschaftlicher Fragen, welche das Zusammenwirken der verschiedenen Gruppen des Hauses ermöglichen werde. Der Entwurf paraphrasirt alsdann die einzelnen Stellen der Thronrede, spricht unter Anderem den Wunsch aus, daß die Ver handlungen mit Deutschland zu einem baldigen gedeihlichen Abschluß gelangen möchten, siebt es für vortbeilhaft an, wenn der mit Deutsch⸗ land abzuschließende Vertrag zur Grundlage für weitere Vertrags verhandlungen mit anderen Nachbarstaaten genommen werde und spricht die zuversichtliche Hoffnung aus, daß dem Volksschulwesen fortan eine ungestörte Entwickelung gegönnt sein werde.
Ueber den deutsch⸗böhmischen Ausgleich heißt es: Das Ab— geordnetenhaus begrüße es aufrichtig, daß Seine Majestät die Be⸗ deutung der im Vorjahre von den Mehrheitsparteien des böhmischen Landtages und der Regierung zur Beilegung einer Reihe von Streit⸗ punkten getroffenen Vereinbarungen anerkennt und nach wie vor daran sestbält. Das Abgeordneten baus hat jenes Abkommen seiner Zeit mit den besten Wünschen begleitet, welches im ß der Herbeiführung eines friedlichen Zustandes den damals abseig stehenden Deutschen des Landes wenigstens in einer Anzahl von Punkten gerecht wurde, wie denn überhaupt die Bedeutung des deutschen Volksstammes in Oesterreich auf die Dauer nicht ohne Nachtheil für den Staat verkannt werden kann.
Der Entwurf begrüßt mit lebhafter Freude die friedlichen Ver sicherungen der Thronrede, legt besonderen Werth auf die in erfreu⸗ licher Weise fortwährend zunehmende Erstarkung des Bündnisses mit Deutschland, sieht in der Theilnahme Italiens an diesem Bundes verhältniß eine Ausdehnung der Friedensbürgschaft und wünscht, daß es der Regierung gelinge, auch mit den anderen Mächten freund. schaftliche Beziehungen zu erhalten. Die Bergthungen des Hauses möchten von leidenschaftlichen, persönlichen Angriffen freibleiben. Der Vereinbarungen zwischen der Mehrheit der Parteien im böh⸗ mischen Landtage und der Regierung zur Beilegung einer Reihe von Streitpunkten gedenkend, begrüßt der Entwurf aufrichtig, daß der Kaiser die Bedeutung der Vereinbarungen anerkenne, und daß die se, . daran nach wie vor festhalte. Schließlich wird erflärt; „Alle sind vereinigt in dem Wunsche, die Kultur und Wohlfahrt der ganzen Bevölkerung zu fördern, zu heben und die freibeitlichen Grundlagen des Staatswesens zu kräftigen.“
Großbritannien und Irland.
Die Königin ist gestern Abend in Windsor wieder ein— getroffen.
Die Statuten des „Reichs instituts der Ver⸗ einigten Königreiche, ber Kolonien, Indiens und der Inseln in britischen Gewässern“ haben die Ge— nehmigung der Königin erhalten. Der Prinz von Wales ist in denselben als erster Präsident genannt. Der Vorstand des Instituts besteht aus 18 Gouverneuren, von denen 12 durch die Königin und 6 durch den Präsidenten zu ernennen sind. Außerdem gehören ihm als Gouverneure es officio noch der Erzbischof von Canterbury, der Lord⸗Kanzler, der Sprecher des Unterhauses, der Vorsitzende des Londoner Graf⸗ schaftsraths, der Lordmayor von London, der Lord Provost
von Edinburg, der Lordmayor von Dublin und der Gouver⸗ neur der Bank von England an. Die Kolonien werden gleich⸗
falls durch eine entsprechende Zahl von Gouverneuren ver— treten sein. Auch Handel und Industrie in den verschiedenen Theilen des Vereinigten Königreichs werden ihre Vertreter in das Reichs⸗Institut entsenden.
In Folge der Rede, welche Lord Knutsford am Montag im Oberhause gehalten, haben die neuf undländischen Dele⸗ girten der Regierung der Kolonie empfohlen, der neufundlän⸗ dischen Legislatur ohne Verzug die fragliche Fischereibill zu unter⸗ breiten. Sie hoffen, diese Bill werde die weitgehendsten Be— stimmung en treffen, um der Annahme der jetzt vor dem Ober⸗ hause befindlichen neufundländischen Fischereibill möglichst vorzubeugen. Die Delegirten sind der Ansicht, daß die neu— fundländische Regierung die Bill der dortigen Legislatur noch in dieser Woche vorlegen werde.
Im Unterhause bezeichnete gestern der Staatssekretär des Innern Matthews auf eine bezügliche Anfrage den Druck und die Veröffentlichung von Lotterieanzeigen, wie beispielsweise der Hamburger Stadtlotterie, in e n ben für gesetzwidrig; dagegen sei die Beförderung solcher Anzeigen in Circularen durch die Post nicht gesetzwidrig, und es würde der Erlaß eines Gesetzes erforderlich sein, um die Postbehörde in den Stand zu setzen, fremde Lotterie⸗ cirkulare anzuhalten. Der Unter⸗Staatssekretär des Aus—⸗ wärtigen Fergusson erklärte: die Resolution der Handels— kammer von Manchester, daß in Zukunft keine Handels⸗ verträge erneuert werden möchten, die England daran verhinderten, besondere abweichende Vereinbarungen mit den Kolonien abzuschließen, werde bei der Erneuerung von ablaufenden Konventionen sicher im Auge behalten werden.
Der am 18. d. M. wegen Sittlichkeitsvergehens verhaftete Deputirte Kapitän Verney ist vor die Assisen verwiesen worden. Die von ihm selbst zu leistende Bürgschaft wurde auf 10000 Pfund, diejenige seiner beiden Burgen auf je 2500 Pfund erhöht.
Der Sekretär der Admiralität Forwood dementirte vor⸗ gestern in einer in Liverpool gehaltenen Rede die Gerüchte über eine baldige Auflösung des Parlaments. Eine solche werde nur dann erfolgen, wenn das Land seinen Un⸗ willen laut zu erkennen gäbe, wenn z. B. der Bill über die freie Volksschule großer Widerstand entgegengesetzt würde.
Der Plan des Baron Hirsch, eine Auswanderung der armen europäischen Juden aus Europa in großartigem Maßstabe zu organisiren, findet in der englischen Presse eine anerkennende Besprechung.
Eine vom indischen Vize-König eingegangene amt— liche Depesche vom 29. April bestätigt, daß die drei Ko— lonnen am 27. April in Manipur ohne Widerstand ein⸗ gerückt sind. Manipur selbst ist verlassen, die Einwohner sind aber in den umliegenden Dörfern geblieben. Die Truppen wurden sämmtlich in den Palastgebäuden einquartirt.
Frankreich.
Paris, 1. Mai. In dem gestern abgehaltenen Ministerrath theilte dem „W. T. B.“ zufolge der Minister des Innern, Constans, die Maßregeln mit, welche gegen etwa beabsichtigte revolutionäre Kund⸗— gebungen am heutigen Tage getroffen sind. Die Zahl der in Paris angesammelten Truppen sei größer als diejenige, welche a , zur Revue im Longchamps zusammengezogen wird. ine Störung des Verkehrs würde nirgends geduldet werden. Der Minister bemerkte, der Kammer-Präͤsident Floquet halte es nicht für nothwendig, die Entsendung be— sonderer Truppen zum Schutz der Kammer zu verlangen. Alle Arbeitergruppen würden auf der Quästur der Kammer zur Ueberreichung von Bittschriften zugelassen werden, unter der Bedingung, daß dieselben nicht durch mehr als 5. Dele— girte vertreten wären.
Ueber die Verschiebung innerhalb des diploma— tischen Corps anläßlich des Rücktritts des Botschafters in St. Petersburg Laboulaye ist noch keinerlei Ent— scheidung getroffen. Dieselbe wird erst erfolgen, sobald Laboulaye dem Kaiser von Rußland nach dessen Rückkehr aus der Krim sein Abberufungsschreiben überreicht haben wird.
Im Senat richtete gestern der Senator Isaak an die Regierung eine Anfrage Betreffs der gegen wärtigen Lage auf Haiti und wünschte namentlich zu wissen, ob es wahr sei, daß die Unabhängigkeit Haitis durch eine Intervention der Vereinigten Staaten bedroht erscheine, wozu das Vor— gehen Frankreichs Anlaß gegeben haben solle. Der Minister des Auswärtigen Ribot erwiderte, es könne über die Politik Frankreichs Haiti gegenüber kein Zweifel, be— stehen, die Regierung habe den aufrichtigen Wunsch, die Unabhängigkeit Haitis zu achten und sie von allen anderen Staaten geachtet zu sehen. Gewisse Reden des Admirals Cuverville seien übertrieben; die Vereinigten Staaten hätten selbst diese Uebertreibung anerkannt. Ueber die das Fort St. Nicolas betreffende Frage habe sich die Regierun mit den Vereinigten Staaten auteinandergesetzt. Die Auf⸗ regung habe nachgelassen, die Regierung habe das Geschwader aus den Gewässern von Haiti zurückgezogen. Damit war der Zwischenfall erledigt.
n der Deputirten kammer brachte Riotteau den Bericht über die Rennwett-Vorlage ein. Bei der fort⸗ gesetzten Berathung der Zolltarif⸗Vorlage unterzog Lockroy die Bedeutung und den Werth des vorge⸗ schlagenen Systems, sowie die Einführung eines Maximal— und Minimaltarifs einer eingehenden Würdigung und erklärte, daß dieses System eine fortdauernde Unbeständigkeit schaffen und daß eine Erhöhung des Minimaltarifs, den Abschluß von Handelsverträgen mit anderen Nationen gänzlich verhindern würde. . würde demnach kom⸗ merziell von der übrigen Welt vollständig getrennt sein. Das von der Kommission vorgeschlagene System könne nicht auf⸗ rechterhalten werden. le Regierung müsse eine Majorität
1 welche dem Staat seine gegenwärtige, so glückliche age zu erhalten im Stande sei. (Beifall auf der Linken.) Der Deputirte Viger, welcher Mitglied der Tarifkommission ist, führte aus, Frankreich habe fich, obschon es den Schutz der nationalen Arbei verlange, gleichwohl für die Fortsetzung seiner liberalen Politik ausgesprochen. Aber die anderen Nationen hätten Zollschranken errichlet. Rußland, Deutschland und Hester⸗ reich hätten ihre Tarife erhöht, Frankreich sei genöthigt, diesem Beispiele zu folgen Wenn man die gegenwärtige Lage der Industrie in Frankreich ins Auge fasse, so bedürfe zunächst das Hüttenwesen des Schutzes, weil dasselbe die Fohlen theurer bezahle, als dies in Deutschland und Eng— land geschehe. In gleicher Weise müsse die Baumwollen- Wollen und Seiden⸗Industrie geschützt werden, weil die Handarbeit im Auslande billiger sei als in rank⸗ reich. Anlangend die Lage der Landwirthschaft, so sei die⸗ selbe vollständig waffenlos gemacht und der Konkurrenz des Auslandes überliefert worden; ebenso seien Zölle zum . zes Weinbaus eine absolute Nothwendigkeit. Er sei, fuhr Viger fort, gemäßigter Schutzzöllner; Zölle von 10 bis 15 Prozent auf Rohstoffe, die verschiedenen Industrien ganz unentbehrlich seien, würden nur zu deren Ruin führen. Zoll⸗ rückvergůtungen und zeitweilige Zulassungen hätten ihre großen Schattenseiten. Handels verträge brächten Frankreich in Folge der Klausel der meistbegünstigsten Nation mehr Nachtheil als Vortheil. Ein Handelsvertrag gewähre keine große Be— ständigkeit, denn es genüge eine wissenschaftliche Ent⸗ deckung, wie die einer neuen Methode in der Anwendung von Kälte zur Erhaltung des Fleisches, um ein französisches Pro⸗ dukt der Konkurrenz mit einem gleichartigen ausländischen Produkt auszusetzen. Im Uebrigen werde die Einführung eines Minimaltarifs Frankreich nicht isoliren, auch könne die Kommission gewissen Herabsetzungen zustimmen, und so werde zwischen der Kommission, der Regierung und der Kammer ein Einvernehmen herbeigeführt werden. (Beifall) Hierauf wurde die Sitzung geschlossen. Rußzland und Polen. ö
Nach dem im „Regierungs-Anzeiger“ veröffentlichten amtlichen Leichenbefund ist der Tod der Groß— fürstin Olga Feodorowna durch Herzlähmung in Folge eines seit langer Zeit bestehenden unheilbaren orga— nischen Herzfehlers erfolgt; die Lähmung sei unmittelbar durch Auftreten scharfer Pleuritis veranlaßt. Der amt⸗ liche Bericht fährt dann fort: Als am 24 März a. St. die Nachricht von der ohne Genehmigung des Kaisers und elterlichen Segen erfolgten Verheirathung des Großfürsten Michael Michaelowitsch eintraf und eine unausbleibliche Be⸗ strafung des Großfürsten zu gewärtigen war, versetzte dies dem kranken Herzen und hohen Familiensinne der Groß⸗ fürstin einen harten Schlag; sie fand die bei ihrem Krankheits⸗ zustande ohnehin vorgeschriebene Ruhe nicht und beschloß daher, sich nach der Krim zurückzuziehen.
Italien.
In der gestrigen Sitzung der Deputirtenkammer legte der Minister⸗Präsident dem Hause die diplomatischen Schriftstücke über die Vorgänge in New-Orleans vor; die Vertheilung derselben an die Deputirten erfolgt am Sonntag. Bei ber hierauf fortgesetzten Debatte über die afrikanischen Kolonien gab der Deputirte Imbriani mit Bezug auf den vorgestrigen Zwischenfall die Erklärung ab: er fühle sich schon durch die bloße Annahme verletzt, daß er die Armee, der er selbst angehöre, beleidigen könnte. Wenn man Gerüchte auf die Tribüne des Parlaments bringe, so geschehe dies, damit dieselben von der Regierung dementirt oder damit die Schuldigen zur Rechenschaft gezogen würden. Der Minister⸗Präsident Marchese di Rudini erklärte hierauf: er wünsche nach den Worten Imbriani's, daß die Kammer den vorgestrigen Zwischenfall vergesse. Ueber die Vorgänge in Afrika sei eine Engquste angeordnet. Wenn es Schuldige gebe, so würden diese den f werden, die Armee aber sei ihrer glorreichen Traditionen würdig. Der Kriegs⸗ Minister schloß sich den Erklärungen Rudini's an. Im⸗ briani forderte im weiteren Verlauf der Diskussion, daß sich
talien aus Afrika zurückziehe. Danieli bezeichnete es als eine
horheit, dem König Menelik das Protektorat Italiens mit den Waffen in der Hand aufnöthigen zu wollen. Perrone di San Martino erklärte den Besitz Massovahs für ein Glück für Italien. Del Balzo wünschte, daß Italien sich auf die Okkupation Massovahs beschränke. Menotti Gari⸗ baldi zollte den Erfolgen der italienischen Truppen in Afrika die höchste Anerkennung. Franchetti meinte, man dürfe es mit dem König Menelik nicht ernst nehmen, und ,, den Antrag del Balzo's, die Okkupation auf Massovah zu be⸗ schränken. Um 7 Uhr Abends wurde die Sitzung au ö
Ueber die wichtigsten Reformpläne des Kriegs⸗ Ministers, Generals Pelloux liegen jetzt nach seinen definitiven Erklärungen in der Deputirtenkammer am 19. April genauere Angaben vor. Aus diesen Erklärungen ergiebt sich, dem „H. C.“ zufolge, zunächst, daß der Kriegs⸗Minister nicht daran denkt, für das Rekrutenkontingent J. Kategorie durchweg die zweijährige Dienstzeit einzuführen. Das Rekrutenkontin⸗ gent J. Kategorie wird um 13 000, von S2 000 auf I5 000 Köpfe, erhöht; soll die Friedenspräsenzstärke daher nicht über das bisherige Maß hinauswachsen, so muß ein Theil der Leute nach zwei Jahren zur Dispofsition beurlaubt werden. Die Ziffer dieser Leute wird im Jahre 1891/92, wo man erst ein erhöhtes Kontingent unter den Fahnen hat, 13 000, im Jahre 1892/93, wo zwei erhöhte Kontingente präsent sind, 26 C00, im Jahre 1893,94 und von da ab immer, da man dann über drei gesteigerte Kontingente verfügt, 39 000 Köpfe betragen. Vom Jahre 1893/94 ab wird man also in jedem Kontingent mit 56 000 Mann, die volle drei Jahre unter den Fahnen bleiben, und 39 000 solcher, die nur zwei Jahre aktiv dienen, zu rechnen haben. Die Wohlthat der Ent⸗ lassung auf Königsurlaub nach zwei Jahren soll Denen zu Theil werden, die den höchsten Grad in Bezug auf Schulung erreichten und vor Allem auch schon eine gewisse militärische Vorbildung durch die Theilnahme an den nationalen Schießgesellschaften mitbringen. Hand in Hand mit dieser Absicht geht diejenige der Vertiefung der militärischen Schulung in den Schieß— esellschaften, für welche neue Statuten in Aussicht genommen ind. Ueber die Aenderung des bisherigen Mobilmachungs— systems konnte der Kriegs⸗-Minister aus leicht verständlichen Gründen in der Kammer zwar keine eingehenden Erklärungen geben, indessen ist der Uebergang zu dem gemischten System nach Art des französischen beschlossene Sache. Von einer Schwächung der Wehrkraft Italiens ist also keine Rede, viele Maßnahmen des neuen Kriegs-Ministers werden vielmehr das Gegentheil erzielen.