1891 / 102 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 01 May 1891 18:00:01 GMT) scan diff

Parlaumentarische Nachrichten.

In der heutigen ( 12.) Sitzung des Reichstages, welcher die Staatssekretäre Dr. von Boetticher und Freiherr von Maltz ahn beiwohnten, gab zunächst vor Eintritt in die Tagesordnung der Abg. Liebermann von Sonnenberg eine längere Erklärung ab, in der er gestern von dem Abg. Muͤnch gegen ihn gemachten Andeutungen gegenüber seine Handlungsweise in Bezug auf Geschäfts- und Wechsel⸗ sachen vertheidigte.

Abg. Münch hielt seine Behauptungen aufrecht und ver⸗ wies zum Beweise auf die gerichtlichen Akten, die er auf den Tisch des Hauses niederlegte.

Das Haus trat hierauf in die Tagesordnung ein, deren erster Gegenstand war: die erste Berathung des Berichts der Reichsschulden⸗Kommission I. über die Verwaltung des Schuldenwesens des Norddeutschen Bundes und des Deutschen Reichs; II. über ihre Thätigkeit in Ansehung der ihr übertragenen Aufsicht über die Ver⸗ waltung: a. des Reichs-Invalidenfonds, b. des Festungs⸗ baufonds und e. des Fonds zur Errichtung des Reichstags⸗ gebäudes; III. über den Reichs-Kriegsschatz und IV. über die An⸗ und Ausfertigung, Einziehung und Vernichtung der von der Reichsbank auszugebenden Banknoten. Der Bericht wurde an die Budgetkommission verwiesen. (Schluß des Blattes.)

In der heutigen (9) Sitzung des Hauses der Ab⸗ geordneten, welcher der Vize⸗Präsident des Staats⸗ Ministeriums Dr. von Boetticher, der Justiz . Minister Dr. von Schelling und der Minister für Landwirthschaft ꝛc. von Heyden beiwohnten, fand zunächst die wiederholte zweite Abstimmung über den Gesetzentwurf, betreffend Aen⸗ derung des Wahlverfahrens, und die Annahme des— selben statt. .

Darauf wurde die zweite Berathung des Entwurfs des Staatshaushalts-Etats für 1891/92 beim Etat der Justizverwaltung fortgesetzt, und zwar beim Kapitel „Ober⸗Landesgerichte.“

Die Dia kussion über die Forderung einer neuen Senats⸗ Präsidentenstelle am Ober Landesgericht in Breslau war gestern bereits begonnen.

Abg. Simon von Zastrow sprach sich für die Einrich— tung der neuen Stelle aus und bat, alle persönlichen Motive bei dieser Frage außer Acht zu .

Die Abgg. Munckel, Steffens, Dr. Friedberg er⸗ klärten sich gegen die Forderung, die Abgg. Korsch, Graf zu Limburg-Stirum und Olzem, sowie der Geheime Vber⸗Justiz Rath Eichholtz traten für dieselbe ein.

Damit schloß die Debatte über diese spezielle Frage, und es . die allgemeine Erörterung über die Ober⸗-Landes⸗ gerichte.

Abg. Freiherr von Hammerstein brachte den Ausschluß eines juͤdischen Referendars in Hildesheim von einer Tisch⸗ genossenschaft, die aus Referendaren und anderen Beamten der Justizverwaltung besteht, und die Versetzung der betreffenden Referendare vom Landgericht Hildesheim durch den Ober⸗ Landesgerichts⸗Präsidenten in Celle zur Spxache.

Der Justiz-Minister Dr. von Schelling legte den Sachverhalt ausführlich dar und stellte sich im Prinzip auf die Seite des Ober⸗Landesgerichts⸗Präsidenten, da von den Referendaren verlangt merden müsse, daß fie ein kollegiales Verhalten gegen die anderen Referendare innehielten, ohne Rücksicht auf die Verschiedenheit des religiösen Bekenntnisses. In dem konkreten Falle aber habe er dem Ober⸗Landesgerichts⸗Präsidenten nicht in allen

einzelnen Stücken des Verfahrens beistimmen können und davon demselben Kenntniß gegeben. ꝛ;

Abg. Brandenburg nahm mehr den Standpunkt des Freiherrn von Hammerstein ein.

Abg. Lubrecht bezeichnete den Vorgang in Hildesheim als Ausfluß des Antisemitismus, den er nicht billige, und pflichtete im Allgemeinen den Ausführungen des Justiʒ⸗ Ministers bei.

Abg. Stöcker stellte das Vorgehen des Ober⸗Landes⸗ gerichts⸗Präsidenten als im Widerstreit mit jeder Vorstellun von Freiheit und Civilisation hin und behauptete, da die Behörde nicht eingeschritten sei, als früher christliche Referendare von der Gesellschaft zurückgewiesen worden seien.

Abg. Bödiker sah in dem Ausschluß des jüdischen Referendars eine antisemitische Demonstration und pflichtete deshalb der Auffassung des Justiz-Ministers bei.

Der Justiz-Minister Dr. von Schelling erklärte, von dem Abg. Stöcker mißverstanden zu sein, wenn dieser meine, nach den Ausführungen des Ministers sei es nicht mehr erlaubt, sich in freier Geselligkeit zusammenzufinden, und wies darauf hin, daß , Antipathien sehr wohl berechtigt seien und sich geltend machen könnten.

Abg. Branden burg stellte seine Ansicht nochmals klar.

Die Abgg. Munckel, Dr. Sattler und Rickert miß⸗ billigten das Verhalten der Tischgesellschaft.

Abg. Dr. Brüel hielt die Einmischung des Ober Landesgerichts⸗Präfidenten für nicht gerechtfertigt.

Ein Antrag auf Schluß der Diskussion wurde ange⸗ nommen.

Die Forderung einer neuen Senats⸗Präsidentenstelle beim Ober⸗Landesgericht in Breslau wurde gestrichen, im Uebrigen das Kapitel bewilligt. (Schluß des Blattes.)

Bei der Reichstags-Stichwahl im 19. Han⸗ noverschen Wahlkreise (Kehdingen⸗Neuhaus a. d. Sste), welche gestern stattfand, fielen, soweit das Resultat bis jetzt vorliegt, 886 Stimmen auf den Fürsten von Bismarck, 5139 auf den Sozialdemokraten Schmalfeld.

Die Telegraphen⸗Kommission des Reichs tages nabm heute in zweiter Lesung das ganze Gesetz mit 10 gegen 5 Stimmen (Freisinnige und Sozialdemokraten) an.

Die Kommission des Herrenhauses zur Vorbergthung der Lan dgemeindeordnung trat heute unter Vorsitz des Staats⸗ Ministers von Puttkamer zusammen. Seitens der Staatsregie⸗ rung waren der Minister Herrfurth und der Unter⸗Staatssekretär Braunbehrens erschienen. Die Kommission nahm den §. 1 (Aus⸗ dehnung des Gesetzes) unverändert an.

Die TI. Kommission des Hauses der Abgeordneten zur Vorberathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Beförderung der Errichtung von Rentengütern, hat sich konstituirt. Die Mitglieder derselben sind: Abg. Brandenburg, Vorsitzender, Abg. von Holtz, Stellvertreter des Vorsitzenden, Abg. von Bockelberg, Schriftführer, Abg. von Tzschoppe, Schriftführer, Abg. von Halem, Schriftführer, ferner die Abgss. von Buch, Conrad (Flatow, Eberhard, von Itzenplitz, von Werdeck, Pr. Gerlich, Lohren, Dr. Sattler, Seer, Som bart, Claessen, Freihert von Huene, Humann, Dr. Szuman, Eberty, Lerche.

Nach Schluß der Redaktion eingegangene Depeschen.

Span dau, 1. Mai. (W. T. B.) Der 1. Mai geht bis jetzt an den , . 15000 Arbeitern spurlos vorüber. . wird eine Versammlung abgehalten. Der Hasenclever⸗ Klub unternimmt am nächsten Sonntag einen Ausflug.

9

Essen a. d. Ruhr, 1. Mai. (W. T. B.) In der Bochumer Gegend ist nur noch auf einzelnen Zechen ein geringer Theil der Belegschaften aus ständig. Die Yig We fh lch Zeitung“ meldet, die noch nicht zurück⸗ gekehrten Arbeiter auf den Zechen „Hannover“ und „Holland“ seien entlassen.

Wien, 1. Mai. (W. T. B.) fanden 42 Versammlungen von in denen über den achtstündigen Arbeitstag, das allgemeine Wahlrecht und über die Preß⸗ und Koalitionsfreiheit Vorträge gehalten wurden. Sämmt⸗ liche Versammlungen verliefen in vollster Ruhe und endigten zumeist mit der Annahme einer Resolution, welche die Forderungen des Pariser Kongresses zu⸗ sammenfaßte. Gegen 10 Uhr Vormittags fuhr der Kaiser über die Schönbrunner Straße in offener Equipage nach der Hofburg. Die ihm begegnenden Ärbeiter grüßten den Kaiser auf das Ehrfurchtsvollste. Nach hier eingetroffenen Meldungen aus den Provinzen hätten die daselbst abgehaltenen Arbeiter⸗Meetings einen ruhigen Verlauf genommen.

Paris, 1. Mai. (W. T. B) Der Vormittag ist ruhig verlaufen. In den Arbeitervierteln herrscht eine lebhaftere Bewegung, die centralen Bezirke bieten jedoch keinen ungewöhnlichen Anblick. Das Wetter ist unbeständig. Um die Mittagszeit werden sich die Arbeiterdelegirten aus den Pro⸗ vinzen und verschiedene sozialistische Gruppen in der Rue St. Martin versammeln, um gemeinsam die Peti⸗ tio nen im Palais Bourbon zu überreichen. In den Werk⸗ stälten wird überall, auch in den Arbeitervierteln gearbeitet. Wie aus den Departements gemeldet wird, herrscht auch dort überall vollkommene Ruhe und haben keine Arbeits einstellungen stattgefunden. Auch in Havre, den Bergwerken von Besseges und Döcazeville und in Lyon ist die Ruhe nicht gestört worden, wenngleich sich daselbst eine gewisse Erregung unter den Arbeitern bemerkbar macht.

Rom, 1. Mai. (W. T. B.) Die Stadt hat ihr ge⸗ wohntes Ansehen. Die Verkaufsläden sindz geöffnet. Das Wetter ist prachtvoll. Man erwartet einen ruhigen Verlauf des heutigen Arbeitermeetings.

Bern, 1. Mai. (W. T. B.) In den gewerbsreichen Bezirken der Schweiz, insbesondere in den Fabrikstädten Zürich, Winterthur, St. Gallen, Schaffhausen, Genf, Chaux⸗be Fonds wird in allen Fabriken gearbeitet. Außer in Basel, wo von 13009 Industriearbeitern etwa 200 feiern, ist keine Arbeitseinstellung gemeldet. In der ganzen Schweiz ist

die Ruhe nirgends gestört. (W. T. B.) Die hervorragendsten

Heute Vormittag Arbeitern statt,

en

Hyn siftf 1. Mai. Etablissements der Metallbranche, die Hutfabriken und die Tischler⸗ und Kunsttischler⸗Werkstätten in Brüssel und den Vorstädten feiern vollständig. Es wird angenommen, daß die Kundgehungen im ganzen Lande, besonders in Brüssel, friedlich n n werden.

Lüttich, 1. Mai. (W. T. B.) Ein etwa 1200 Per⸗ sonen starker Sozialistenzug, mit Musik und rothen Fahnen bewegte sich heute Vormittag 8i/ Uhr von Seraing nach Lüttich.

Die Kohlenwerke von Cockerill und ,, feiern, ebenso das Eisenwerk; in dem Stahlwerk ist etwa die Hälfte des Personals anwesend, in anderen Theilen der Cockerill''chen Werke ist das Personal vollständig an der Arbeit. Die Kohlenwerke von Herstal, Vivegnes, Nottem und Mimort feiern. Die Bergarbeilser von Herstail und der Umgebung veranstalten daselbst eine Kundgebung und haben sich den Lüttichern nicht angeschlossen.

(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten und Zweiten Beilage.) ;

Wetterbericht vom 1. Mai, Morgens 8 Uhr. fallen.

den deutschen Küstengebieten ist überall Regen ge⸗

Müller. Anfang 74 Uhr. Sonntag und folgende Tage:

Mortier, bearbeitet von Th. Herzl. Musik von Adolf

Adolph Ernst⸗ Theater. Sonnabend: Zum 76 Male: Adam nnd Eva. Gesangsposse in

Des Teufels 8 Atten von Ghuard Jacobson und Leopold Ely.

Meeressp. red. in Millim.

Stationen. Wind. Wetter.

in O0 Celsius

Temperatur c & Ss S & ( άC. S 40 R.

Bar. auf 0 Gr.

u. d.

bedeckt bedeckt bedeckt Regen i) halb bed. Schnee bedeckt Regen

Mullaghmore 741 Aberdeen .. 743 Christiansund 745 Kopenhagen. 754 Stockholm. T7654 aparanda . 742 St. Petersb. 751 Moskau ... 754

Cork. Queeng⸗

745 Regen 754 wolkig 755 wolkenlos 755 W 4 bedeckt?) amburg .. 7658 2 bedeckiꝰ) winemünde 759 h wolkig Neufahrwasser 759 2 bedeckt Memel. . 759 2 Regen

, * 1 bedeckt ünster. .. 759 4 wol kia Karlsruhe.. 762 3 wolkig) Wiesbaden. ].61 still bedeckin) München.. 765 Wach 2 halh bed. Chemnitz.. 762 SSW 2 halb bed. 9) Berlin.... 761 W 3 wolkig?) Wien... JI65 still wolkenlos Breslau. 63 SO 1 wolkenlos Ile d' Aix. 66 S8 3 heiter Nijjg .... 167 ONO wolkenlos Triest ... 766 still wolkenlos

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) Dunst. ) Nachts Regen. h Gestern und Nachts Regen h Dunst. * üh etwas s ) Thau. I) Mehrfach Hen) rr,

Uebersicht der Witterung.

Während sich über Süd ⸗Euroyg ein barometrisches Maximum ausgebildet hat, ist westlich von Schottland ein neues Minimum erschienen, welches seinen Wir⸗ kungskreis über die Britischen Inseln, sowie Über das Nordseegebiet ausgebreitet hat und welches dem⸗ nächst auch die Witterungsverhältnisse Deutfchlandg beeinflussen dürfte. Bei meist schwacher füdwest⸗ licher Luftbewegung ist das Wetter in Deutschland wolkig und erheblich wärmer. An der deutschen Küste liegt die Temperatur bis zu 6, im Binnen lande 2 bis 8 Grad über dem Mittelwerthe. In

Deutsche Seewarte. mmmmmmmmmmmmm mmm nnn n mm nn,

Theater ⸗nzeigen.

Rönigliche Schauspiele. Sonnabend: Opern- haus. 108. Vorstellung. Der Widerspänstigen Zähmung. Komische Oper in 4 Akten von Herrmann Götz. Text nach Shakespeare's gleich⸗ namigem Lustspiele frei bearbeitet von Joseph Victor Widmann. In Seene gesetzt vom Sber⸗Regisseur . Dirigent: Kapellmeister Sucher. Anfang

T.

Schauspielhaus. 114. Vorstellung. Das stäthchen von Heilbronn, oder: Die Feuerprobe. Großes historisches Ritterschauspiel in 5 Aufzügen von Heinrich von Kleist. In Scene aft vom Ober⸗ Regisseur , Grube. Anfang? Uhr.

Sonntag: Opern haus. 109. Vorstellung. Taun⸗ häuser und ver Eängerkrieg anf der Wart⸗ burg. Romantische Oper in 3 Akten von Richard Wagner. Ballet von E. Graeb. Anfang 7 Uhr.

Schauspielhaus 115. Vorfstellung. Die Quitzom' s. Vaterländisches Drama in d Aufzügen von Ernst don Wildenbruch. Anfang 7 Uhr.

Deutsches Theater. Sonnabend: Das

Wintermärchen. g Sonntag: Krieg im Frieden. Montag: Fanft L. Theil. Dienstag: Die Kinder der Excellenz.

Berliner Theater. Sonnabend: Uriel Acosta. Anfang 7 Uhr.

Sonntag, Nachm. 2 Uhr: Schuldig. Abends 75 Uhr: Der Veilchenfrefser.

Montag: Ein Kuß. Es hat so sollen sein. Sexenfang.

Tessing · Theater. Sonnabend: Vorletztes Gasi⸗ spiel von Friedrich Haase. Der Königslieutenant.

ierauf: Eine Partie Piquet.

Sonntag: Letztes Gastspiel von Friedrich Haase. Der Königslientenant. Hiecauf: Eine Partie

Piguet. Montag: Die Ehre.

Wallner · Theater. Sonnabend Zum 22. Male:

Des Tenfels Weib. ,, in, Singspiel in 3 Akten und einem Vorspiel von Rr und

Weib.

Friedrich ⸗Wilhelmstãdtisches Theater. Sonnabend: Mit neuer Ausstattung, zum 16. Male: Saint Cyr. Operette in 3 Aufzügen (mit theil⸗ weiser Benutzung eines Stoffes von A. Dum a3) von Oscar Walther. Musik von Rudolf Dellinger. In Scene gesetzt von Julius Fritzsche. Dirigent: Hr. Kapellmeister Federmann.

Im prachtvollen Park: Großes Militär⸗Concert. Auftreten von Gesangs⸗ und Instrumentalkünstler. Beginn des Concerts 6 Uhr, Eröffnung der Theater⸗ Kasse 6 Uhr. Anfang der Vorstellung 7 Uhr.

Sonntag: Im Theater: Saint Cyr.

Im Park: Großes Concert. Die Kapelle des 2. Garde ˖ Ulanen ˖ Regiments.

Nesidenz· Theater. Direktion: Sigmund Lauten

burg. Sonnabend: Zum 8. Male: Dr. Jojo. Schwank in 3 Akten von Albert Carrs. Deutsch von Carl Lindau. Regie: Emil Lessing. Vorher: Wer das Größere nicht ehrt, ist das Kleinere nicht werih. Schwank in 1 Aufzug von Sigmund Schlesinger. Anfang 75 Uhr.

Sonntag und folg. Tage: Dieselbe Vorstellung.

Kroll's Theater. Sonnabend: Die Hoch⸗

zeit des Figaro. Anfang 7 Uhr.

Sonntag: Vorletztes C hr el des Sgr. d' Andrade. Ein Maskenball.

Montag: Gastspiel von Frau Lilli Lehmann und letztes Auftreten des Frl. Marie Lehmann und des Sgr. d Andrade. Auf allgemeines Verlangen: Don Juan.

BVelle⸗ Alliance Theater. Sonnabend: Zum

13. Male: Der Giftmischer. Schwank in 4 Akten

nach dem Französischen von Fritz Brentano und arl Tellheim. In Seene gesetzt vom Direktor ternheim.

Eröffnung der Sommer⸗Saison. Im prachtvollen, glänzenden Sommergarten (vornehmstes und groß. artigstes Sommer Etablissement der Residenz) Großes Doppel ˖ Concert. Auftreten hervorragender Spenialitäten. Brillante Illumination des ganzen Garten · Etablissements. (

Sonntag: Der Giftmischer. Im herrlichen Sommergarten großes Doppel ˖ Concert. Auftreten sämmtlicher Spezialitäten.

Couplets von Jacobson und Gustav Görß. Musik

von Adolph Ferron. Im 4. Akt: Der unselige

Toupinel. Parodistische Einlage. Anfang 76 Uhr. Der Sommer⸗Garten ist geöffnet.

Thomas- Theater. Alte Jakobstraße 30. Sonnabend: Zum 42. Male: Der Millionenbauer. Volksstück in 4 Akten von Max Kretzer. Gesangtexte im 3. Akt von A. Schönfeld. Musik von G. Steffens. Anfang 73 Uhr.

Sonntag: Letzte Sonntags ⸗Aufführung. Der Millionenbauer.

Dienstag: Benefiz für Emil Wirth. Der Millionenbauer

Urania, Anstalt für volksthümliche Naturkunde.

Am Landes ⸗Ausstellungs Park (Lehrter Bahnhof). Geöffnet von 12—11 Uhr. Täglich Vorstellung im , n en Theater. Näheres die Anschlag⸗ zettel.

Famillen⸗Nachrichten.

Verlobt: Gräfin Margarethe von Schwerin mit Hrn. Sec. Lieutenant Erich Freiherr von Wacker⸗ barth, gen. von Bomsdorff (Tamsel Frankfurt a. O.). . Frau Anna Friedrich, geb. Hegen⸗ 8 left Hrn. Landrath Paul Schroeter

eiwi

Verehelicht: Hr. Oberförster Lambert von Bertrab mit Frl. Helene Wichmann (St. An- dreas berg =-Grünwalde bei Schönebeck a. Elbe).

Geboren: Ein Sehn: Hrn Dr Rabts (Saal feld Hrn. Heinrich Graf Bethusy⸗Hue Albrechts dorß. Brn Königl. Berginspektor Heinke (Königshütte S⸗S..

Gestorben: Hr. Pastor emer Friedrich Francke (Eberkwalde) Verw. Frau. Minister Elise von Raumer, geb. von Brauchitsch (Berlin) Verw. Frau Auguste von Stechow, geb. von Voß (Potsdam)

Redacteur: Dr. H. Klee, Direktor. Berlin:

Verlag der Expedition (Scholy.

Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlags⸗ Anstalt, Berlin 8W., Wilhelmstraße Nr. 32. Neun Beilagen (einschlleßlich Rörsen · Bellage).

zum Deutschen Reichs⸗Anz

M 102.

Deutscher Reichstag. 1J1. Sitzung vom Donnerstag, 30. April.

Am. Bundesrathttische die Staatssekretäre Dr. von et ft . Freiherr von Maltzahn und Freiherr von arschall. Auf der Tagesordnung steht zunächst die erste Berathung der zwischen dem Reich und Marokko am 1. Juni v. J. in Fez abgeschlossenen Handelskonvention.

Abg. Prinz Arenberg begrüßt den Abschluß dieses Handele⸗ vertrags als ein Verdienst und einen Erfolg des Minister⸗ Resi⸗ denten Grafen Tattenbach in Tanger. Es seien durch die Kon⸗ dention einmal die Rechte der Meistbegünstigung gewonnen, die bisher nur in beschränktem Maße bestanden habe, es sei ferner den deutschen Reichsangehörigen gestattet, gegen Erlegung eines Eingangszolles, der 10 06K 0 vom Werthe nicht übersteigen dürfe, mit Waaren und Produkten ieder Art Einfuhr und Küstenhandel zu treiben.

Abg. Broemel: In diesem Vertrag liege eine dankenswerthe Leistung der Regierung auf handelspolitischem Gebiet und mit Rück⸗ sicht auf die Schwierigkeiten im besonderen Fall eine ganz hervor⸗ ragende Leistung vor. Allerdings handele es sich zur Zeit und in nächster Zukunft um keinen allzugroßen Verkehr. Bis 1899 habe sich die Einfuhr aus Marokko nach Deutschland auf etwa t Million Mark und die Ausfuhr Deutschlands nach Marokko auf etwa boo 000 M beziffert; in Wirklichkeit wohl nicht unwesentlich höher, da die Handelsstatistik Betreffs der Verkehrsbeziehungen zu den ein⸗ zelnen Landern nicht ganz genau sei. Die Ausfuhr Englands nach Marokko habe nach der Zeitschrift „Export? 1887 bis 1889 durch schnittlich L Million Lstr., Frankreichs 1090 000 Lstr., Deutschlands 35 000 Lstr. betragen. Marokkos Gebrauch von europäischen Waaren sei übrigens gar nicht gering: 1888 an Baumwollenwaaren 121, an Tuchen etwa 2, an Zucker 45 Mill. Mark. Aber die Konkurrenz sei groß und für Deutschland durch die 1889 begründete eigene Dampferlinie von Hamburg nach Marokko, der bereits eine zweite gefolgt sei, erleichtert. Der Bertrag sei ein Meistbegünstigungs⸗ vertrag, der auf Gegenseitigkeit beruhe; aber während das Reich außer diesem Zugeständniß Zollsätze seines Tarifs garnicht gebunden habe, habe der Sultan in sehr erheblichem Umfang Sätze seines Ausfuhrtarifs und seinen gesammten Einfuhrtarif vertragsmäßig gebunden. Ferner sei der Berirag abgeschlossen ohne Fristbestimmung, wohl nach dem Beispiel des englisch⸗marokkanischen Vertrags, stehe also in dieser Beziehung dem Art. 11 des Frankfurter Friedensvertrages am nächsten, der ebenfalls in aeternum abgeschlossen sei. Es sei das in beiden Fällen ein großer Vortheil für die Stabilität der Handelsverhältnisse, und man möchte ein so solides Fundament sür die Dauer der Verträge auch mit europäischen Staaten wünschen. Der Einfuhrzoll von 1000 vom Werth sei nach den herrschenden Begriffen ein sehr geringer, und auch hier möchte man wünschen, daß die Grundsätze der marokkanischen Zollpolitik auch in den minder eivilisirten Staaten Europas endlich Beachtung und Nachfolge fänden. Der Vortheil des Vertrages solle ferner dem deutschen Handel in einem Umfange zu Theil werden, wie es seonst bei Verträgen zwischen europäischen Staaten meist nicht der Fall sei. In der Regel solle die Meistbegünstigungsklausel sich nur auf die Produkte der beiden Staaten erstrecken. Diese Be⸗ schränkung finde sich in dem Vertrage mit Marokko nicht. Er sei zu⸗ geschnitten auf den Deutschen, der dort Importgeschäfte treibe ohne Rücksicht auf den Ursprung der eingeführten Waaren. Ein Zweifel an dieser für Deutschland günstigen Auslegung werde freilich dadurch erweckt, daß abwechselnd in dem Vertrage von Unterthanen der beiden Theil“, von deutschen Kaufleuten und von Deutschen schlechthin die Rede sei, so daß auch deutsche Nichtkaufleute, z. B. Kapitäne, in marokkanischen Häfen mit den Vortheilen des Vertrages kaufen und verkaufen könnten. Diese Vortheile könnten nunmehr mit einem Schlage auch jedem anderen Staat zu Theil werden nach Art. 17 der Madrider Konvention von 1881, und Deutschland hätte somit die Bahn dazu gebrochen, daß an den Vortheilen, die es sich selbst ver⸗ schafft, auch andere europäische und die Vereinigten Staaten partizi⸗ pirten. Auf die bandelspolitische Situation im Allgemeinen gehe er hier nicht ein, da sehr große Vorbereitungen für den Abschluß neuer Handelsverträge an Stelle der am 1. Februar 1892 ablaufenden im Gange seien. Aber besonders dringlich sei daneben die Frage nach der Zukunft der deutschen Verkehrsbeziehungen mit Rumänien, das den Vertrag mit Deutschland am 10. Februar d. J. gekün⸗ digt habe. Am 10. Juli d. J. laufe er ab. Die deutsche Ausfuhr nach Rumänien betrage 48 Millionen, das Achtzig⸗, ja Hundertfache der deutschen Ausfuhr nach Marokko. Rumaͤnien folge dem schutzzöllnerischen Vorbild Deutschlands, erhöhe seine Zölle, bewillige für verschiedene Industrien Privilegien und Prämien und scheine Willens, neue Tarifverträge überhaupt nicht ab⸗ zuschließen. Der Ablauf seines Vertrages mit dem Reich sei nabe bevorstehend, und in wenigen Monaten werde die deutsche Ausfuhr dort sehr erheblich höheren Zoll sätzen begegnen. Habe die Reichsregie⸗ rung, welche anderwärts in so dankenswerther Weise Fürsorge für die Förderung der Ausfuhr trage, diese Schädigung abzuwenden ge⸗ sucht? Verhandele sie mit Rumänien oder trete dieser Staat in die Verlängerung seiner Verträge mit anderen Staaten ein? Denn eine für Deutschland sehr günstlge Bestimmung der noch in Kraft stehen⸗ den Nachtragskonvention bestimme, daß der Vertrag mit Rumänien in dem Maße verlängert werde, in welchem es neue Verträge mit an⸗ deren Staaten abschließe oder die bestebenden erneuere. Man könnte also die drohende Schädigung der Ausfuhr abwenden, wenn Rumänien auch nur mit anderen Staaten neue Verträge abschlösse. Die Ver⸗ längerung des Vertrages mit Rumänien, anglog der des österreichisch italienischen, würde weite Kreise der deutschen Industrie beruhigen, welche unter der jetzigen Unsicherheit schwer litten.

Staatssekretär Freiherr von Marschall:

Meine Herren! Was unsere kommerziellen Beziehungen zu Rumänien betrifft, so ist es vollkommen richtig, daß der deutsch⸗ rumänische Handelsvertrag am 10. Juli d. J. abläuft. Wenn je Rumänien dazu schreiten sollte, einen Vertrag mit irgend einem anderen Staate über diese Frist hinaus zu verlaͤngern, so würden wir nach dem Nachtrag zu unserem Vertrag das gleiche Recht haben. Nach der Stellung, welche die rumaͤnische Regierung bisher zu der Anregung von handelspolitischen Verträgen eingenommen hat, ist Übrigens nicht anzunehmen, daß sie in nächster Zeit dazu schreiten wird, Handelsverträge abzuschließen. Wie der Herr Vorredner richtig beinerkt hat, ist gegenwärtig in Rumanien eine schußzzöllnerische Strömung maßgebend, die ihren Augdruck findet in einem neuen Zolltarif, der soeben kommissarisch berathen ist und aller Voraussicht nach den soeben gervählten rumänischen Kammern vorgelegt werden wird. Soweit wir informirt sind, geht die rumänische Regierung von der Absicht aus, zunächst diesen neuen Zolltarif durch ihre neuen Kammern berathen zu leissen, mit Ginführung desselben eine Probe zu machen und dann eventuell in Handelsvertrags⸗Verhandlungen einzutreten. Ich kann den Herrn Vorredner versichern, daß das Auswärtige Amt

Erste Beilage eiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.

1891.

Berlin, Freitag, den 1. Mai

vollkommen durchdrungen ist von der großen Bedeutung unserer kommerziellen Beziehungen zu Rumänien und daß es der Frage der Erhaltung dieser Beziehungen stets die ernsteste Aufmerksamkeit zu⸗ wenden wird.

Damit schließt die erste Berathung, auf die sofort die zweite folgt.

Abg. Broemel fragt, in welcher Weise die Berechnung des Werthzolls erfolgen solle, die den Zollbehörden anderer Staaten schon viel Schwierigkeit gemacht habe.

Staate sekretär Freiherr von Marschall:

Es ist ja gewiß richtig, wenn der Herr Vorredner sagt, daß in diesem Paragraphen der Festsetzung der Werthe der eingeführten Waaren eine große Latitüde gegeben ist. Ich kann dagegen aus den bisher gemachten Erfahrungen kon— statiren, daß die marokkanische Behörde in einer durchaus loyalen Weise vorgeht. Der Vertrag ist ja bereits seit längerer Zeit in Kraft gesttzt, und wir haben bis jetzt noch nicht eine einzige Klage darüber erhalten, daß etwa in dieser Beziehung bei Bemessung der Werthe illoyal und gegen den Sinn des Vertrages vorgegangen sei. Ich möchte also glauben, daß sich in dieser Beziehung der Herr Vorredner beruhigen kann.

Im Uebrigen wird es vielleicht dem hohen Hause von Interesse sein, zu erfahren, daß der Vertrag bereits die Ratifikation des Sultans von Marokko gefunden hat. (Bravo!)

Der Vertrag wird darauf in zweiter Lesung genehmigt.

Es folgt die zweite Berathung des zwischen dem Deutschen Reich, Belgien, Frankreich, Ilalien, Luxemburg, den Nieder⸗ landen, Oesterreich⸗ Ungarn, Rußland und der Schweiz am 14. Oktober v. J. in Bern abgeschlossenen internationalen Ueberein kommens über den Eisenbahnfrachtverkehr.

Abg. Dr. von Bar erstattet Namens der XVI. Kommission Bericht. Die Kommission habe die Bedeutung dieses Uebereinkom⸗ menß voll gewürdigt und empfehle es einstimmig dem Hause zur unveränderten Genehmigung. Aus Anlaß einer Petition der Handels—⸗ kammer in Breslau habe die Kommission über den Artikel 10, welcher die Besorgung der Zollabfertigung in die Hand der Eisenbahn lege und Bevollmächtigten des Verfügungsberechtigten nur gestatte, der Zollabfertigung beizuwohnen, eine längere Erörterung gepflogen. Die Handelskammer wolle die Abfertigung in die Hände des Be⸗ vollmächtigten legen. Die Kommissarien hätten in der Kommission erklärt, daß sie die deutschen Unterbaͤndler in Bern auch in diesem Sinne bemüht hätten, aber in der Minderheit geblieben seien. Von der Verwerfung des Nebereinkommens aus diesem Grunde habe in der Kommission nicht die Rede sein können.

Abg. Dr. Ham macher dankt der Reichsregierung für ihre Bemühungen um das Zustandekommen eines so wichtigen, hoch bedeutsamen Fortschritts auf dem Gebiete des internationalen Eisen⸗ bahnverkehrs. Aus den Verhandlungen der Kommission erwähne er noch, daß vielfach Wünsche auf fel ighng der Refaktien auch im inneren Verkehr der einzelnen Staaten geäußert worden seien, daß aber bei diesem internationalen Abkommen die Aufnahme eines folchen Verbotes sich nicht habe erreichen lassen. Dagegen hätten zahl reiche der kontrahirenden Staaten versprochen, ihr Eisenbahn— system auch im inneren Verkehr im Geiste des internationalen Abkommens auszugestalten. Gegen die Ueberlassung der Zollabfer⸗ tigung an die Spediteure hätten sich namentlich Oesterreich und Ruß⸗ land gewendet. Doch möchte die Zulassung eines Bevollmächtigten eine genügende Gewähr dafür bieten, daß bei der Zollabfertigung keine Ungehörigkeiten vorkommen könnten. Jedenfalls würden aber die deutschen Regierungen keine Gelegenheit unbenutzt lassen, um von den beiden Regierungen Zugeständnisse in dem angedeuteten Sinne zu erlangen.

Das internationale Uebereinkommen über den Eisenbahn— frachtverkehr wird darauf ohne weitere Dehatte in seinen ein— zelnen 60 Artikeln genehmigt, die eingegangenen Petitionen werden für erledigt erklärt.

Die Gesetzentwürfe, betreffend die Prüfung der Läufe und Verschlüsse der Handfeuerwaffen und betreffend den Schutz von Gebrauchsmustern, werden in dritter Berathung ohne Debatte endgültig genehmigt.

Es folgt die Berathung von Petitionen.

Der landwirthschaftliche Verein zu Steinwolframsdorf hat eine Petition eingereicht, welche bezweckt, daß die „zu ge⸗ währende Entschädigung für die wegen Seuchen getödteten Thiere auch mit auf die an Milzbrand verendeten oder ge— tödteten Rinder ausgedehnt werde“.

Ohne Debatte wird diese Petition dem Reichzkanzler zur Erwägung überwiesen.

Die beiden Hufner Peter und Detlef Sievers in Hörsten, Kreis Rendsburg, glauben durch Anlage des Nord-Ostsee— Kanals geschädigt zu sein und beantragen zur Beseitigung ihrer Beschwerde, daß das Reich ihnen ihr durch die Anlage minderwerthig gewordenes Besitzthum abkauft.

Die Petition wird bezüglich dieses Hauptpetitums für zur Erörterung im Plenum ungeeignet erklärt, soweit sie sich jedoch auf die Sicherung eines Parallelweges nach der Kanalseite bezieht, dem Reichskanzler zur Erwägung überwiesen.

Abg. von Jagow (Potsdam) berichtet über etwa 2000 Petitionen elsässischer Tabackbauer auf Abänderung des Taback⸗ zolls bezw. der Tabacksteuer.

Der Kommissionsantrag, über diese Petition mit Rücksicht auf die beim Bundesrath zur Zeit schwebenden Verhandlungen zur Tagesordnung überzugehen, wird ohne Debatte ange⸗ nommen.

Mehrere Petitionen, betreffend Abänderung des Militär⸗Pensionsgesetzes, werden dem Reichskanzler als Material zu dem in Aussicht gestellten Gesetze überwiesen, desgleichen die Petition des ehemaligen Sergeanten Herzberger zu Darmstadt und Genossen wegen Entschädigung für Nicht⸗ benutzung des Civilversorgungsscheins.

ie Petitionen zahlreicher Pferde⸗ und Straßenbahn⸗ e l esten betreffend den strafrechtlichen Schutz der mit thierischer Kraft betriebenen Straßenbahnen, werden auf Antrag der I. Kommission dem Reichskanzler als Material überwlesen.

Die Petition der Wittwe Dohrenbusch zu Nieukerk im Kreise Geldern, betreffend die Entlassüng ihres Sohnes y Michael aus dem aktiven Militärdienst, war von der Petitions⸗Kommission am 10. Februar dieses Jahres zur Ueberweisung zur Berücksichtigung empfohlen worden. n⸗

zwischen ist in Folge des Ergebnisses neu angestellter Ermitte⸗ lungen die so 6. Entlassung des reklamirten Sohnes verfügt, und es wirb nunmehr uͤber die Petition zur Tages⸗ ordnung übergegangen. . ;

Eine Petition, betreffend Rückerstattung des von Faschinen⸗ reisig erhobenen Zolls, wird dem Reichskanzler zur Verück⸗ sichtigung, mehrere Petitionen wegen Rückerstattung von Maisch⸗ bottigsteüer demselben zur Erwägung überwiesen. Ueber die Petition des Magistrats zu Ziegenhals, betreffend die zollfreie Einfuhr von innerhalb des deutschen Zollgebiets gebautem und demnächst in Oesterreich ausgedroschenem Getreide, geht der Reichstag ohne Debatte zur Tagesordnung über. .

Ueber die Petition des mittelbadischen Bauernvereins wegen Einführung eines Schutzzolls auf. Hanf und Cichorie beantragt die Petitionskommission ebenfalls Uebergang zur Tagesordnung. .

Abg. Hug tritt fär die Wünsche der Interessenten ein. Die Reichsregierung möge wenigstens dem Hanfbau ihre besondere Auf—⸗ merksamkeit zuwenden und die für seine Förderung in Vorschlag gebrachten Mittel prüfen. Auch bezüglich der Cichorie spreche er denselben Wunsch aus. ; k

Abg. Meyer: Die Cichorie sei das Nahrungsmittel der ärmsten Klassen; wenn man dieses fümmerliche Nahrungsmittel vertheuern wolle zu Gunsten einiger Landwirthe, so würde darin eine un— gerechte Belastung der ärmsten Klassen liegen. Wenn man die noth— wendigen Nahrungsmittel besteuere, dann möge man wenigstens die Surrogate aller nothwendigen Nahrungsmittel frei lassen.

Abg. Hug will gar keine Schutzzölle einführen, deren Einführung nachtheilige Wirkung in der von dem Vorredner angedeuteten Rich“ tung haben würde; er wolle nur eine Prüfung der in der Petition vorgetragenen Wünsche durch die verbündeten Regierungen.

Der Kommissionsantrag wird darauf angenommen.

Verschiedene Darlehns⸗Kassenvereine des Regierungsbezirks Kassel, des Elsaß und Bayerns petitioniren um Revision und Verschärfung des Wuchergesetzes von 1380. Auf Grund einer Erklärung des Kommissars in der Petitionskommission bean⸗ tragt letztere, diese Petitionen dem Reichskanzler als Material für eine etwaige Aenderung der betreffenden Gesetzgebung zu überweisen.

Abg. von Strom beck beantraz. die Ueberweisung der Petitionen zur Berücksichtigung bezw. zur Erwägung.

Abg. Liebermann von Sonnenberg: Die Wlünsche der Petenten entsprächen einem Programmpunkt der deutsch ⸗sozialen Partei, die er hier vertrete. Der Zeitpunkt für eine Revision des Gesetzes sei außerorzentlich günstig, denn der Wucher greife in entsetzlicher Weise um sich, und die Beweise dafür seien überall mit Händen zu greifen. Die Früchte der Güterschlächterei träten immer deutlicher zu Tage; der Wucher wirke wie ein Krebsschaden, der den ganzen Volkskörper zu vernichten drohe. Trete nicht bald Ab⸗ hülfe ein, dann rücke die Gefahr einer sozialen Re⸗ volution immer näher. Mache die Regierung mit einer Verschärfung der Bestimmung jetzt Ernst, so werde sie auch eine große Majorität des Reichstages hinter sich haben, denn bis tief in die Reihen der Linken säßen die Freunde einer solchen Verschärfung. In Weiterem führt Redner für sein Verlangen die Berichte und Abhandlungen des Vereins für Sozialpolitik über die Wucherfrage und einzelne Spezial⸗ fälle von Bewucherung der Bauern durch jädische Wucherer haupt⸗ sächlich aus Württemberg und Baden an.

Abg. Rickert: Positive Vorschläge habe der Vorredner nicht gemacht; die ganze Rede sei nichts weiter als ein unbegründeter An griff gegen die Juden im Allgemeinen gewesen. Der Wucherer im schlechten Sinne sei ein ekelhaftes, der öffentlichen Verachtung wür⸗ diges Geschöpf, darum bestehe kein Streit. Die Aufhebung der Wuchergesetze sei das Werk sehr christlicher, echt konservativer Minister gewesen, es seien dafür alle Parteien eingetreten. Seit dem Wuchergesetze von 1880 hätten die Bestrafungen wegen Wuchers ab⸗ genommen, die Subbastationen kleiner und mittlerer Güter ebenfalls abgenommen. Der badische Verein gegen den Wucher in Karlsruhe verdanke seine Entstehung einem Juden; die Antisemiten hätten in dieser Beziehung sehr wenig gethan. Die Güterschlächterliste aus Hessen, welche die Herren früher produzirt hätten, habe sich auf einen Zeitraum von 34 Jahren erstreckt! Von den gesammten dort ange— führten 96 Fällen stehe bereits in 33 Fällen fest, daß es sich nicht um Vertreibung von Haus und Hof, um Vernichtung der Existenz durch Wucher gehandelt habe. Die Gäterschlächterei sei nicht nur kein ehr— loses Gewerbe, sie sei eine Nothwendigkeit; der ganze Zug der Zeit, die Experimente mit den Höferollen, den Rentengütern, den Heim⸗ stätten, sie seien nichts weiter als Formeln für die Tendenz, die Latifundien zu zerschlagen. Die deutsche Volksvertretung sollte sich einmüthig auflebnen dagegen, daß der Antisemitismus eine ganze Klasse gleichberechtigter, tüchtiger Mitbürger mit dieser Agitation verfolge; alle Parteien sollten sich dazu vereinigen; es sei schlimm genug, daß man einzelnen Parteien dies überlasse!

Abg. Schier: Die Auseinandersetzung der beiden Vorredner habe mit der Sache, die den Reichstag hier beschäftige, nichts zu thun. Den Petenten sei es einerlei, welcher Religion der Wucherer an⸗— gehöre. Der Reichstag wolle den Schutz des wirthschaftlich Schwachen; reiche das Gesetz von 1880 nicht aus, so müsse es verschärft werden. Ein sehr glücklicher Gedanke sei es, dem Bewucherten einen Ent schädigungsanspruch zu geben, dessen Höhe einfach der Richter festzu⸗ stellen habe, ohne daß der Bewucherte erst noch den Civilprozeß anzustrengen brauche. Seine Partei billige diesen Gedanken. Zur . ihrer Auffassung werde sie für den Antrag Strombeck

mmen.

Abg. von Strombeck befürwortet seinen Antrag auf Ueber⸗ weisung der Petitionen an den Reichskanzler zur Berücksichtigung.

Abg. Stadthagen spricht sich für diesen Antrag aus. Eine endgültige Lösung der Wucherfrage werde erst durch die Umgestaltung der ganzen Staats und Gesellschaftsordnung herbeigeführt werden.

Abg. Münch: Ohne selche Hetzreden, wie sie der Abg. von Liebermann gehalten habe, würden die Antisemiten einfach vom Erd⸗ boden verschwinden. (Praͤsident von Levetzow rügt den Ausdruck Hetzreden als ungehörig.) Er wolle jeden Wucherer, auch den christ⸗ lichen, verbrannt haben.

Ein inzwischen eingegangener Antrag auf Schluß der Diskussion wird genügend ugler heft Vor der Abstimmung bezweifelt Abg. Br. Böcke die Beschlußfähigkeit des Hauses. Das Bureau ist über die Nichtbeschlußfähigkeit einig, es muß also die e nn aufgehoben werden.

Schluß 5 Uhr.

Saus der Abgeordneten. 18. Sitzung vom Donnerstag, 30. April.

Der Sitzung wohnen der Justiz-Minister Dr. von Schel⸗ ling und der . für Handel und Gewerbe Freiherr von Berlepsch bei.