Quantum Zucker eine unbeschränkte wäre. Das ist aber nach der Meinung der verbündeten Regierungen nicht der Fall; sie befürchten vielmehr, daß, wenn bei uns und in den übrigen Zucker produzirenden Ländern in gleich starkem Maße die Produktion sich auch ferner von Jabr zu Jahr vermehrt, daß dann die dadurch hervorgerufene Ueber⸗ produktion zu einer bedenklichen Krisis führen kann, und sie halten es deswegen nicht für angezeigt, diese Steigerung der Produktion innerbalb des deutschen Produktionsgebiets durch Zuschüsse aus öff ent ⸗ licken Mitteln weiter zu fördern. Denn das ist der Inhalt und der Zweck der Vorlage: sie bezweckt nicht, den Export einzuschränken oder seine Ausdehnung zu hemmen, so weit sie durch die Verhältnisse des Zuckermarktes und der Zuckerproduktion geboten und angezeigt ist, aber wir halten es nicht für zulässig, noch ferner aus öffentlichen Mitteln auf unabsehbare Zeit eine Steigerung der Produktion und des Exports zu unterstützen.
Auf der anderen Seite: wie stehen denn unsere Ausgaben gegen⸗ wärtig? Der erste Jahres⸗Etat des Deutschen Reichs, in welchem das finanzielle Ergebniß des Zuckersteuergesetzes vom Jahre 1887 zum vollen Jahresbetrag zur Geltung kommt, ist der Etat des Jahres 1889ñ900. Wenn Sie mit den Ansätzen dieses Etats für 1889 / 90 die Ansätze des von Ihnen genehmigten Jahres ⸗ Etats für 1891/92 vergleichen, so werden Sie finden, daß innerhalb dieser jwei Jahre die aus den eigenen Einnabmen zu deckenden fortdauernden Ausgaben gestiegen sind um rund 7535 Millionen. Rechnen Sie dazu die fünf Millionen, um welche wir die Deckung unserer Marineausgaben von diesem Jahre ab solider zu bewirken beschlossen haben, so kommen Sie auf eine Summe von rund 804 Millionen fortdauernder Mehr⸗ ausgaben jährlich. Diesen Zahlen gegenüber steht an Steigerung der den eigenen Mitteln des Reichs verbleibenden Einnahmen eine Zahl von 26 Millionen.
Ich glaube, meine Herren, diese Zablen, die ich Ihnen vorge⸗ führt habe, rechtfertigen es, wenn die verbündeten Regierungen heute zu der Frage der Aufrechterhaltung der Materialsteuer und des darin liegenden Prämiensystems eine andere Stellung einnehmen als im Jahre 1886/87.
Abg. Richter: Der Abg. Graf Mirbach, meine, man dürfe den Brötkorb nicht höher hängen. Er sei auch ein Gegner des Hoch hängens des Brotkorbes und deshalb auch ein Gegner der Ge⸗ jreihezölle. Graf Mirbach sollte sich mit den Freisinnigen verbinden, um den Brotkorb durch Ermäßigung der Getreidezölle niedriger zu bängen. Er habe gemeint, in Frankreich vereinigten sich alle Richtungen zum Wohle des Ganzen. In Frankreich schicke man sich jetzt an, die Getreidezölle auf 3 Francs zu ermäßigen, also so weit, wie es in Deutfchland noch nicht in Frage gekommen sei. Einen Widerspruch zwischen , , . und der Sandelsvertrags politik könne er nicht finden. ie Handelsverträge sollten die künstlichen Hindernisse der deutfchen Ausfuhr beseitigen. Beseitige man diese, dann brauche man nicht die künstlichen Mittel der Ausfuhr aufrechterhalten, Der Abg. Graf Mirbach habe die Erklärung des Reichskanzlers als eine Drohung aufgefaßt, und erleichtert sei in hohem Maße die Abstim⸗ mung gegen den Antrag Orterer, da man dadurch die Aussicht er⸗ halten habe, daß später ein anderes Gesetz zu Stande komme, welches den Zuckerfabriken nicht so weitgebende Konzessionen mache, wie der Antrag Orterer. Schon aus finanziellen Gränden müsse die Regierung eine neue Vorlage machen, weil die Materialsteuer mehr und mehr verfalle und schon jetzt nur noch sechs Millionen
einbringe. Der Antrag Orterer gebe der Regierung nach fünf Jahren mehr Geld. Eine solche Mehrbewilligung für die
Zukunft sei durchaus unrichtig. Die Geldbewilligungen müßten immer den Bedärfnissen, soweit sie zur Zeit zu übersehen seien, ange
paßt werden. Jeßt schon auf Grund des allgemeinen Gefühls und oberflächlicher Befrachtung mehr Geld zu bewilligen, weil nach fünf Jahren ein größeres Berri vorhanden sei, beiße den Febler wiederholen, den man 1887 bei der Bewilligung der Branntweinsteuer gemacht babe. Auch damals habe es geheißen, das Altersversiche· rungegesetz stebe bevor, man brauche zwar noch nicht sopiel Geld, aber man müsse die hohe Verbrauchsabgabe wegen der zukünftigen Lasten einfübren. Die Ausgaben hätten sich dann sehr rasch den hohen Einnahmen angtschlossen. Heute verlange man eine Erhöhung der Zackersteuer für denselben Zweck. Zur Durchführung der Vertrags. Folitik brauche die Regierung gar nicht mebr Geld, als ibr jetzt schon zur Verfügung stehe. Der Abschluß des Jabres 1890 / ! zeige, daß bie Zolleinnahmen Ss Millionen mehr betragen hätten, als der Etat angenommen habe. Ein solcher Spielraum von 88 Millionen sei für die Handelsvertragspolitik und die Ermäßigung der Zölle vor= banden. Die Ermäßigung der Zölle sei ja auch nicht gleich bedeutend mit einer Verringerung der Einnahmen; bei steigen der Einfabr könne sogar eine Föhere Einnahme daraus solgen. Die günstige Finanzlage erhelle daraus, daß der Abschluß für 1390 51 die Ginzelregierungen um 35 Millionen Mark besser stelle, als man bei Festsetzunz des Etats habe annehmen können. Es würden alfo durch diese Ueberschüsse nicht nur die böberen Opfer der Einzel staaten in Folge Erböbung der Matrikularbeiträge durch die Nachtragẽ⸗ Gtats gedeckt, fondern fie erbielten noch 33 Millionen mehr, als ihnen in Ausficht gestaͤnden babe. Dauere diese Lage so fort, so würden die Zölle und Steuern 18913 32 474 Millionen mehr einbringen, als fie im Eiat normirt seien. In den Motiven der Zuckersteuer vorlage werde Tie bohe Verbrauchsabgabe damit begründet, daß das Plus der Ueberweifungen über die Matrikularbeiträge nur 9 Millionen be⸗ trage, thatlächlich werde es aber 67 Millionen betragen. Und wenn die Keichseinnabmen aus Zöllen und Steuern 1891592 dieselben blieben wie 1855,81, fo werde das Plus für 1891.92 nicht 9. sondern 3 Millionen betragen. Diese Ziffern machten die Angaben der Motive hinfällig. Daber halte seine Partei eine Verbrauchs abgabe von 18 S durch die Finanzlage nicht für gerechtfertigt Man kabe auch auf die Besoldungs verbesserungen hingewiesen. Diese machten nur neun Milssonen aus, die Militär- Pensionsnorelle erfordere gleichfalls nur wenige Millionen, alles winzige Ausgaben bei einem Etat von 1060 Millionen. Der Reichskanzler habe einmal darauf bingewiesen, man müsse bestrebt fein, die Anleiben zu amortisiten. Dem Gedanken an sich stehe er (Redner) durchaus nicht fern, aber jo lange man An- leihen aufnehme, könnt die Amortisation sich nicht vollziehen da⸗ durch, daß man mit einer Hand Obligationen zurückkaufe und mit der anderen neue Obligationen verkaufe, son dern nur dadurch, daß man Anleihebettäge aus laufenden Mitteln decke, Diese Politik habe man jetzt bereits im neuen Etat begonnen. 74 Millionen würden jetzt aus laufenden Mitteln gedeckt, fodaß nur noch 765 Millionen aus Anleihen gedeckt würden. Sollte bas Gesetz auf Grundlage des Antrages Orterer, gegen den seine Partei stimme, zu Stande kommen, so betrachte sie damit keines- wegs die Zuckersteuergesetzzebung bis 1897 für abgeschlossen. Der Staatssekretaͤr habe neulich gefagt, wenn man die Prämien nur auf mehrere Jahre bewillige, so sei ja gar nicht ausgeschlofsen, daß man nach Ablauf dieser Frist für weitere Jahre Prämien bewillige. Ebenso sage seine (öes Redners) Partei, wenn eine Mehrheit das Gesetz mit fünfjährigen Prämien zu Stande kommen lasse, so sei nicht ausge⸗ schlofsen, daß man innerhalb der 8 Jahre die Bestrebungen auf Er⸗ niedrigung der Prämien fortsetze. Bei dem Antrage Orterer handele es sich nicht um eine Kleinigkeit, sondern um eine Liebesgabe von 530 Millionen Mark, die den 490 Zuckerfabriken zu Theil werden sollten. Das könne zur Augdehnung der Produktion einen Anreiz bieten und eine Ueberproduktion sei selbst vom Standpunkte der Zuckerindustrie zu vermeiden, da sie wieder zu einer Krisis der Zucker⸗ industrie führen könne. (Beifall links.)
Tur nicht, daß die Prämien von Deutfchland einseitig und so früb
unhaltbar. Die Materlalsteuer sei abzuschaffen. Seine Partei wünsche nichts dringlicher, als die Äbschaffung der ganzen Prämienwirthschaft. Das liege im Interesse sämmtlicher Zucker erportirender Staaten des Kontinents. Den Vortheil der Prämienwirthschaft hätten lediglich die Zucker exportirenden Staaten, in erster Linie England, und die Londoner Zuckerkonfecenz sei deshalb gescheitert, weil die öffentliche Meinung Jin England dagegen gewesen sei, weil sie richtig erkannt habe, daß mit der Abschaff ung der kontinentalen Zugkerpramien der Zucker in England theuerer werden müsse. Seine Partei wünsche
aufgehoben würden, daß die übrigen Staaten, welche sie noch einige Jahre länger behielten, daz Reich dadurch vom Weltmarkt ver. drängten. (Zustimmung rechts) Weil seine Partei die Abschaffung der Prämien dringend wünsche, könne ihre Mehrheit dem Antrage Orterer nicht zuflimmen. Sie fürchte, daß dadurch die Prämien sänger befteben bleiben würden, als nach seinem (des Redners) Antrag in der zweiten Lesung. Er meine nicht, wie der Abg. Graf Mirbach, daß die politischen Parteien die Prämien nach der Ab⸗ schaffung nicht wieder einführen würden. Die politischen Parteien wurden patriotisch genug fein, wenn eine Maßregel im Interesse der wirthschafilichen Gesammtheit geboten sei, sie auch zu be⸗ schließen. Die Eisenzölle seien ja auch wieder eingeführt., nachdem sie abgeschafft gewesen. So werde sich auch für die Zuckerprãmien, wenn é sie wirthschaftlich unbedingt nothwendig sein sollten, bei den verbündeten Regierungen und im Reichstage eine Majorität finden. Die Mehrheit feiner Partei sehe in dem Antrage einen grund säßlich und praktisch nicht richtigen Weg. Nur Manche seiner Partei wurden aus Dpportunitätsgründen für den Antrag stimmen.
Abg. v. Koscielski: Der Antrag Orterer sei für seine Partei unannebmbar, denn er verletze die vitalsten Interessen der Landwirtb⸗ schaft, zwar nicht in unheilbarer Weise, bleibe aber doch in seiner Ab⸗ ficht, die berechtigen Interessen zu schützen, auf halbem Wege stehen. Was einen Theil des Reichs schädige, schädige das Ganze, und der An= frag Orterer schädige den Osten, indem er nicht weit genug gehe. Die Herren verkennten vielfach die Lage der Landwirthschaft im Ssten, man mache sich von der Prästationsfäbigkeit der Landwirth⸗ schaft einen falschen Begriff, die vielfachen Klagen über den Nieder- gang der Landwirthschaft seien zwar nicht in allen Theilen des Reichs so berechtigt, wie es im Osten unstreitig der Fall sei. (Sehr richtig! rechts) Wenn man der Landwirtbschaft immer neue Lasten auferkege und die wenigen Vortheile, die sie habe, immer ver= kürze, so sei das im nationalen Interesse nicht zu rechtfertigen. Man fag, nach dem Antrage Orterer würde ein Geschenk den so— genannten Zuckerbaronen zufließen. Man habe im Osten gar keine Zuckerbarone, oder man habe deren Tausende, denn dort Fei jeder kleinere Bauer ein Zuckerbaron. Er fei vielfach an einer Zuckerfabrik betheiligt. Es liege im Interess e einer jeden Regierung, einer Industrie, die viele Hunderte von Millionen ins Land gebracht und vielen Hunderttausenden von deuten Beschäftigung und Ernährung gewähre, unter die Arme zu greifen, wenn sie wegen der Verhältnisse des Auslandes ohne solchen Schutz nicht bestehen könne. Der Ausdruck Geschenk' treffe nicht zu, wenn man bedenke, was mittelbar und unmittelbar durch die Zuckerindustrie dem Reiche zufließe. Die Zuckerindustrie beeinflusse auch andere Gewerbe, z. B. verarbeite sie über 30 Millionen Centner Kohlen. Daß das Gesetz, wenn es jetzt fiele, im nächsten Jahre mit noch geringeren Erleichterungen für das Uebergangsstadium vorgelegt werden würde, glaube er einfach nicht; eine solche Verantwortung werde keine Reglerung auf sich nehmen. Die Vorlage habe keine politische Bedeutung, man stehe ihr deshalb freier gegenüber, als es fonst vielleicht der Fall sein würde. Wenn die Regierung im nãchsten Jahre ein anderes Gesetz vorlege, werde man im allgemeinen Interesse som unter gewisfen Vorausfetzungen gern zustimmen. Man habe keine Veranlaffung, den Trägern der Reichspolitik hindernd in den Weg zu jreten, weil man ihnen volles Vertrauen entgegenbringen und es auch bekunden wolle. Um so mehr müsse man seine Kräfte er ⸗˖ halten und Alles, was die blühende Zuckerindustrie schädigen könnte, vermeiden. Deshalb werde seine Partei gegen den Antrag Orterer und gegen die ganze Regierungsvorlage stimmen. .
Abg. Dr. won Bennigsen: Er habe sich in zweiter Lesung persönlich für den Antrag Orterer ausgesprochen. Seine Partei werde mit ganz vereinzelten Ausnahmen den Antrag annehmen. Sie meine, daß darin eine genügende Vermittelung zwischen den ent- gegenstehenden Interessen liege. Soviel er auf Erkundigungen bei Zuckerinteressenten erfahren habe, erscheine ihnen der Uebergang von sechs Jahren erwünschter im Interesse der Industrie, als das Hangen und Bangen in der schwebenden Pein der jetzigen Zustände. Ir gehe dabei von der bestimmten Ansicht aus, daß, wenn der Antrag Drterer angenommen werde, die verbündeten Regierungen in der Uebergangszeit die Steuerfrage, soweit sie den Zucker betreffe, nicht anrührten, es sei denn, daß die anderen zuckerproduzirenden Länder mit der Beseitigung der Zuckerprämien vorgingen Win einem solchen Falle habe seine Partei den Wunsch und das größte Interesse daran, auch die Exportpraͤmien abzuschaffen. Seien Licht und Sonne gleich ver⸗ sheilt, so würden sich die deutsche Technik und Landwirtbschaft als so vorgeschritten erweisen, daß das Reich auch ohne Prämien mit Allen konkurriren könne, auch mit Frankreich. Also in der Soff nung, daß sechs Jahre für die Industrie hinreichen würden, die Schwierig⸗ keiken zu überwinden, und daß in dieser Zeit die Frage nicht weiter berührt werde, möchte er bitten, daß die Mehrheit des Hauses den Antrag annehme.
Reichskanzler von Caprivi:
Ich erkläre im Namen der verbündeten Regierungen, daß die Voraussetzungen, die der Hr. Abg. Dr. von Bennigsen als seine Hoffnung ausgesprochen hat in Bezug auf das Verhalten der ver⸗ bündeten Regierungen während der Uebergangszeit, vollkommen
zutreffend sind. (Bravo)
Abg. Schippel:; Durch die Entwickelung der Industrie und die Prämien sei der Rübenzucker stark genug geworden, nicht nur mit dem Rohrzucker auf dem Weltmarkt zu konkurriren, sondern ihn bald sogar in feiner eigenen Heimath zu bedrohen. Er habe auch eine Revolution in den ländlichen N,. hervorgerufen. In der Provinz Sachsen und in Braunschweig baue Alles Rüben statt Ge⸗ freldes und treibe im Anschluß an die Fabriken Viehmast. Dort be⸗ flehe in Folge desfen nur der großkapitalistische Betrieb dem aus⸗ gebeuteten Arbeiter gegenüber. Das sei den Sozialdemokraten sehr angenehm. denn dadurch würden die Centren der Zucker industrie die Tentren der sozialdemokratischen Agitation auf dem Lande. Mit dem Interesse für die Zuckerindustrie verwechselten sie aber nicht das Interesse weniger reicher Industrielle Die Exportprämien erhielsen Deutschland nicht auf dem Weltmarkt, so wenig Vieh! und Getreidezölle die Landwirthschaft lebensfähig machten. Den Zuckerindustriellen ständen allerdings bei ihrer Forderung mildernde Umstände insofern zur Seite, als nicht sfhnen allein eine Reichssubvention gewährt worden sei, die man ihnen nun nehmen wolle, sondern auch Rheder, Fischer, Schnapsbrenner Sub; ventionen bekämen; sogar ein großer Theil der Industriezölle sei als Exportprämie anzuschen. Die AÄbschaffung der Juckerprämien sei nur der erste Schritt, dem auch die Beseitigung der anderen Subventionen folgen müsse. Es sei nur zum Theil richtig, daß die sranzöfische Zuckerindustrie Älles von Deutschland gelernt habe; bis zur Mitte der siebziger Jahre habe Deutschland von den Franzosen gelernt, von den Franzofen kämen die besten Rüben, so die noch heut als vorzüglich anerkannte Villmorin'sche Rübe. Wenn aber die deutschen Zackerindustriellen dem deutschen Zucker seitdem die erste Stelle auf dem Weltmarkt verschafft hätten, so seien sie dafür reich belohnt durch die hohen Dividenden. Die Opfer, die das Volk bei dem Erstarken der Zuckerindustrie gebracht habe, würden am Besten dadurch belohnt, daß man feine Taschen nicht weiter leere. Die Be⸗ fürchtung vor der Konkurrenz des französischen Zuckers sei unbegründet, denn die Zunahme der französischen Zuckerproduktion nach Einführung
produktion sehr bedeutend gewesen, sie habe dann abgenommen, und nur im Vergleich zu dieser verringerten Produktion sei die jetzige Produktion fehr gestiegen. Frankreich habe 1890 nur 5] (00 t Zucker mehr berr orgebracht als 1874, während in Deutschland die Steigerung im gleichen Zeitraum 700 000 Tons betrage. Als das Reich 1887 seine Exportbonifikation verringert habe, sei die französische Prämie um 7 höher als die deutsche gewesen, wenn Deutschland jetzt die ganze Prämie abschaffe, gebe es Frankreich, welches seit 1887 seine Dräͤmie ebenfalls erniedrigt babe, nur noch 6 „ vor, und er sebe nicht ein. warum man sich davor fürchte, nachdem der frühere Vor- sprung Frankreichs um 7 M die Stellung Deutschlands auf dem Weltmarkt nicht habe schädigen können. Was die Konsumsteuer an= lange, so sei er dagegen; der deutsche Zuckerkonsum sei außerordentlich gering, und es sei nötbig, diesen Konjum zu vermehren, was durch die Konsumstener verhindert werde. Von dem Stande der Zucker⸗ industrie solle die Lage vieler Kleinbguern unmittelbar abhängen, in der That aber seien die Zuckerfabriken Besitzer oder Pächter des weit aus größten Theils des mit Zucker bestandenen Landes. Der Ver= lage fei eine Uebersicht beigegeben, wonach in der Provinz Sachsen von 84 big 94 000 ha Rübenlandes 64 bis 69 000 im Besitz von Zuckerfabriken gewesen seien, in Hannover von 31 009 ha 21 bis 23 90g. in Braunschweig von 19 bis 20 009 ha 16 bis 18 000 ha, in Anhalt von 17 bis 20 o ha 11 bis 12 000. Das sei eine Expropriation von Bauern durch die Industrie, wie sie fast ohne Gleichen sei. Wo aber noch Bauern Rüben lieferten, bezahle man ihnen außerordentlich geringe Preise. Der Abg. Dr. von Bennigsen habe neulich selbst zu ⸗ gegeben, daß, wãhrend die Zuckerfabriken hohe Dividenden vertheilt hätten, der für die Rüben gezahlte Preis die Produktions kosten eben gedeckt habe. Jede Erhöhung der Produktionssteuer sei in dorpeltem und mehr—⸗ fachem Betrage auf die Rübenhauer abgewälßt worden. Im Jahre 1886 sei die Steuer um 10 3 für den Doppelcentner erhöht worden; da iwei Drittel der Produktign exportirt würden und hierfür die Steuer rũckvergũtet werde, beschränke sich die auf den Doppelcentner durcschnittlich entfallene Erhöhung auf 3 8, und der Preis der Rüben sei, wie der den Konservaliven doch gewiß unverdächtige Hr. Knauer zugebe, um 15 3 für den einfachen Centner erböbt. Auf die Verhältnifsse der Arbeiter in der Zuckerindustrie sek der Abg. Heine schon in der ersten Lesung eingegangen, er (Redner) betone deshalb bier nur kurz, daß kaum in einer andern Industrie eine solche Ausbeutung der Arbeiter stattfinde, wie in dieser; die Arbeitszeit sei in den überhitzten Arbeitsräumen außerordentlich groß. die Be⸗ zahlung sei gering, Weiber und Männer würden ohne Rücksicht auf die Sittlichkeit halbnackt in dieselben Räume gepfercht. Der⸗ selbe Verband deutscher Zuckerfabriken, der für sich eine be—⸗ vorzugte Behandlung bei der Zuckerbesteuerung verlange, habe in Bezug auf die Gewerbeordnungsnovelle eine Eingabe gemacht, in der Beibehaltung der Nachtarbeit, der Sonntaggarbeit, der Frauen ⸗ und Kinderarbeit, Beschränkung der Ruhezeit der Wöchnerinnen auf drei Wochen u. dgl. gefordert worden sei. Die Sozialdemokraten hatten also wohl ein Interefsse an dem Besteben der Zuckerindustrie, aber keines an dem Nutzen der Zuckerindustriellen, und darum seien sie gegen den Antrag Orterer. Sie stimmten gegen das Gesetz in jeder Form, gegen jedes Gesetz, das Forderungen stelle, die sie im Namen des arbeitenden Volkes zurückweisen müßten. Braunschweigischer Bevollmächtigter zum Bundesrath, Wirklicher Geheimer Rath Freiherr von Cramm Burgdorf bestreitet dem Vorredner, daß in Braunschweig durch die Zuckerindustrie Bauern von, Haus und Hof vertrieben seien. In Braunschweig seien die Aktionäre der Zuckerfabriken die um die Fabriken herumwohnenden Kleinbauern, und gerade in Braunschweig sei ein blühender Bauern stand vorhanden.
Staatssekretär Freiherr von Maltzahn:
Meine Herren! Ich möchte anschließen an das, was eben von dem braunschweigischen Herrn Vertreter ausgesprochen ist, und darauf aufm erksam machen, daß meines Erachtens der Herr Vorredner aus dem Reichstage die Statistik, welche sich auf Seite 6 des mündlichen Berichts der Kommission abgedruckt findet, nicht ganz richtig asf—⸗ gefaßt hat, wenn er sie dahin verstanden hat, als ob in der Kolonne 1: Menge der selbstgewonnenen Rüben“ nur solche Rüben aufgeführt wären, welche auf eigenen Grundstücken der Zuckerfabriken gebaut sind. Es ist, wie der Gegensatz mit der Titelkopf in Kolonne 2: „Gekaufte Rüben“ klar ergiebt, die Scheidung so vorgenommen, daß unter den selbstgewonnenen! Rüben auch die Aktienrüben mit aufgenommen
worden sind.
Abg. Graf Kanitz: Die Abschaffung der Zuckersteuerprãmie könne nur pari passu mit anderen Staaten vorgenommen werden. Obwohl er mit dem materiellen Inhalt dieses Gesetzentwurfs in vielen Punkten einverstanden sei, so halte er doch den Zeitpunkt, in welchem er eingebracht fei, für einen unrichtigen. Er würde auf den öster⸗ reichischen Handelsvertrag nicht eingehen, wenn dessen Inhalt völlig unbekannt wäre. Aber gerade seine wichtigste Bestimmung, die Ermäßigung des Getreideßolls, sei bekannt geworden. Daß der Bundetszrath auf die Wahrung dieses Gebeimnisses kein Gewicht gelegt habe, werde verschiedentlich so aufgefaßt, daß man durch diefen Köder den Handelsvertrag Denjenigen habe mundgerecht machen wollen, welche von vornherein fur die Ermäßigung der Getreidezölle seien. Er bedauere das in vieler Beziehung. Die jetzigen außerordentlich hohen Getreidepreise seien in erster Linie daraus hervorgegangen, daß diese Zollermäßigung schon den Geschäften bekannt geworden sei. (Sehr richtig! rechts) Was die Zollherab= setzung in Frankreich betreffe, so hätte der Abg. Richter als Zeitungsredackeur wissen müssen, daß der betreffende Abge⸗ sIrdnete eine Zollermäßigung nur bis zum 1. Oktober d. J. beantragt habe, es fei also eine admission temporaire nur mit Rücksicht auf den gegenwärtigen hohen Getreide⸗ preis. Wenn wirklich eine Mehraufwendung von 80. Millionen zu militärischen Zwecken nothwendig sei, dann begreife er (Redner) nicht, warum ein Handelsvertrag abgeschlossen werde, der einen . von 30 Milsionen, wenn auch nicht unmittelbar für die eichskasse, so doch für die Kaffen der Einzelstaaten herbeiführen werde. Der Reichtkanzler habe im Abgeordnetenbause versichert, daß die Interessen der Landwirtbfchaft bei diesem Vertrage berücksichtigt, geschont und gefördert werden sollten. Bei dem unbegrenzten Vertrauen, welches er im Lande genieße, sei diese Aeußerung gewiß mit hoher Befriedi⸗ gung aufgenommen worden. Aber ganz zufriedengestellt habe sie doch nicht. Hätte der Reichskanzler hinzugefügt, daß diese Nachricht von den 35 6 Zoll eine unbegründete sei, so würde die Beruhigung im Lande eine diel größere sein. (Der Präsident ersucht den Redner, nun zur Zuckersteuer zurückzukehren.) Die Zuckerindustrie sei unstreitig ein wichtiger Nebenzweig der Landwirtbe. Amerika habe eine sehr hohe Fabrikationgprämie, nicht etwa bloß Ausfuhrprämie, um die Produktion des inländischen Zuckers zu fördern. Er werde heute gegen den Antrag Orterer und gegen die Regierungs vorlage stimmen. Kenne man im nächsten Jahre den österreichischen Handels vertrag und feine finanzielle und wirthschaftliche Bedeutung, dann könne man sich ein viel besseres Urtheil über den wirthschaftlichen Werth dieses Gesetzes bilden, als heute. (Beifall rechts)
Abg., Dr,. Meyer (Berlin): Seine Partei werde vielleicht mit sehr wenig Ausnahmen gegen den Antrag Orteret stimmen. Der Reichekanzler und die Abgg. Dr. von Bennigsen und Fürst von Hatz feldt und mit ihnen die Mehrheit dieses Hauses hielten den gegenwärtigen Zustand für unhaltbar, der erst vor drei Jahren auf das Cindringlichste befürwortet sei. Seine Partel habe von jeher in diesem Haufe die Einführung der reinen Konsumsteuer befür⸗ wortet, und man habe es kaum der Mühe für werth gehalten, ibre Gründe zu widerlegen. Jetzt sei die Regierung zu dem offenen Eingeständniß genzthigt, daß die Materialsteuer unhaltbar sei. Mit der Einführung einer reinen Konsumsteuer müßte die Landwirth⸗ schaft am ersten einverstanden sein. Dadurch würde der Zucker- fabrikation der Charakter eines landwirthschaftlichen Nebengewerbes
Abg. Fürst von Hatz feldt: Die überwiegende Mehrheit seiner Partei halte den gegenwärtigen Zustand der Zuckersteuer auch für
der dortigen Zuckerpraͤmien fei nicht so verbluͤffend, wie sie es zuerst zu sein scheine; im Anfang der siebziger Jahre sei die französische Zucker ˖
gewahrt und vermieden, daß sie wie jetzt zu einem Großbetriebe
werde. Warum seine Partei sich gegen diese ausgedehnte Prämien⸗ zahlung wehre, sei sehr einfach. Wenn er ein Glas . vor sich zu stehen habe und sehe, wie ein Vorübergehender danach greife, so werde er ibm sehr höflich und verbindlich sagen: erlauben Sie, das ist mein Bier. Er habe damit gar nicht die Absicht, ihn feindselig zu behandeln; es sei sehr möglich, daß er ihm trotzdem mit voller Hochschätzung begegne. Der Grund sei ganz einfach der, daß ihm das Bier, welches er selber trinke, viel besser schmecke, als dasjenige, welches er einen Andern, und wenn auch mit noch so großem Genuß, trinken sehe. (Deiterkeit) Wie mit dem Bier, verhalte es sich mit diesen Millionen. Das komme aus den Taschen der Steuerzahler und jum Theil auch aus der seinen. Er möchte lieber über sein Geld selber verfügen, als es einem Grohindustriellen überlassen, um darüber zur Wohlfahrt der ganzen Nation zu verfügen. Er glaube auch nicht, daß diese diebesgahe reiner werde dadurch, daß sie zunächst in die Tasche des Fiskus fließe. Seine Parteigenossen seien ja keine großen Gegner der Ausdehnung der Zuckerproduktion, aber im Zusammenhange mit einer Steigerung des Konsums. Mit dem Abg. Dr. Orterer sei er ganz einverstanden, daß solche Fragen nur durch Kompromisse zu lösen seien. Aber das Eine habe sür seine Partei von vornherein fest⸗ gestanden: Diejenigen Konzessionen, welche die Regierung der Zucker industrie machen wolle, seien die absolut höchsten, die überhaupt gemacht werden könnten; die Forderungen der Regierung für den Uebergang seien die höchsten, welche überhaupt hätten gemacht werden können; denn die Interessen der Landwirtihschaft werde die Regierung nie preisgeben. Jetzt habe die r. um das Kompromiß nach rechts hin abzuschließen, noch mehr kenzedirt. Damit seien seiner Partei für weitere Zugeständnisse die Hände gebunden.
Abg. Freiherr von Wendt stimmt dem Antrage nur zu, weil sich die Unmzalichkeit ergebe, etwas Besseres zu erreichen. Die Beunruhigung der Zrckerindustrie sei einmal da; sie werde bleiben, möge beschlossen werden, was da wolle. Allerdings seien die Erklärungen des Reichs⸗ kanzlers im Sinne der Beruhigung aufzufassen. Könne der Export nicht im jetzigen Umfange aufrechterhalten werden, so müsse die Pro⸗ duktion zurückgehen, es würden keine Kaufrüben mehr von den Fabriken gekauft werden, und das würde gerade die kleinen Landwirtbe schwer benachtheiligen. Hoffentlich werde aber die Annahme des Antrages Orterer der Industrie eine längere Ruhe gewähren.
Abg. von Kardorff: Vie vom Reichskanzler erwähnte Bro⸗ schüre von Graß knüpfe ihr Urtheil über den geringen prinzipiellen Werth der Getreidezölle an bestimmte Voraussetzungen, erkläre es aber für höchst bedenklich, vor der Erfüllung jener Voraussetzungen an dem bestebenden Zustand etwas zu ändern. Außerdem habe von Graß schon im Anfange seiner Broschüre betont, daß der Landwirth⸗ schafi des Ostens endgültig nur geholfen werden könne durch eine Regelung der Währungsfrage im Wege der Remonetisirung des Silbers. Er Redner) empfehle dem Reichskanzler diesen Weg. Er halte den egenwärtigen Zeitpunkt für nicht recht geeignet und wünsche, daß die
rage vertagt werde, bis man den österreichischen Handelspertrag vor
ch babe. Man stelle ihn als egoistischen Vertreter agrarischer Interessen hin. Für ibn sei die Wahrnehmung bestimmend, daß die landwirthschaftliche Bevölkerung um 19 96υ– zurückgegangen sei. Das sei eine bedenkliche Erscheinung, die für die deutsche Weltstellung, für die Wehrkraft von der höchsten Bedeutung sei. Komme nun ein solches Gesetz, so werde das Resultat eine, wenn auch nicht beab⸗ sichtigte Schädigung der Landwirthschaft sein. Wenn die Regierung ihre Meinung so schnell geändert habe, so sei nicht ausgeschlossen, daß ie sie nach einem Jahre nochmals nach der anderen Seite gewechselt abe; auch aus diesem Grunde sei er gegen die Vorlage und gegen den 46 Dire bac
⸗ g. Gra irbach: Wenn der Reichskanzler ablehne, au seine (—es Redners) Bitte wegen des Handels vertrags einzugehen, . sei er ja formell dazu im Recht; er (Redn;r) müsse aber dabei bleiben, daß das Bekanntgewordene die Landwirthschaft im höchsten Grade beunruhige,. Aber der wichtigste und bedeutendste Faktor in dem wirthschaftlichen Leben Deutschlands müsse eine schwere Be⸗ unruhigung gegenüber dieser Ungewißheit empfinden. Gegen die ,, , er hätte nach Frankreich hinübergeschaut und den Deutschen Mangel an Patriotismus zugetraut, müsse er entschieden Verwahrung einlegen. Daron könne keine Rede sein. Er habe nur erklärt, in wirthschaftlichen Fragen seien die Franzosen prak⸗ tischer, in Deutschland wäre dieses Gefühl nicht entwickelt.
Abg. Wisser: Der gegenwärtige Zustand sei unhaltbar. Die Reichsfinanzen verlangten eine Aenderung und außerdem die Rücksicht auf die bäuerlichen Verhältnisse. Wenn auch die Behauptung des Abg. Schippel in ihrer Allgemeinheit nicht richtig sei, so gelte doch z. B. für die Provinz Sachsen, daß überall, wo die Zuckerindustrie sich ausdehne, die bäuerlichen Verhältnisse zurückgingen. Der ab⸗ lehnenden Haltung der linken Seite gegen den Antrag Orterer könne er deshalb nicht zustimmen. Er bitte um die Annahme des von dem Abg. Thomsen und ihm gestellten Vermittelungsantrages, die Prämien für im Ganzen vier Jahre statt für sechs, und zwar vom 1. August 1891—1893 den Satz von 1,25, von 1893—1895 den Satz von 100 4 zu bewilligen.
Hierauf wird die Generaldiskussion geschlossen.
In der Spezialdiskussion werden 5 1, 88. 3 bis 63, §§. 66 und 66 ohne Debatte unverändert angenommen.
Zu. 8. 67, der die offenen Exportprämien für die Ueber⸗ gangszeit von drei Jahren enthielt, und in der zweiten Lesung in jeder Form abgelehnt worden ist, liegt der Antrag Orterer vor, offene Exportprämien für fünf Jahre in der oben mitgetheilten Weise zu bewilligen; dazu der Unter— antrag Wisser.
Abg. Dr. Orterer:; Der Abg. Dr. Mever habe behauptet, daß die Antragsteller mit der Stellung ihres Antrages geradezu gegen das Interesse ihres engeren Vaterlandes Bayern handelten. Diese seien schon im ersten Stadium der Debatte übereinstimmend der Mei⸗ nung gewesen, daß sie ihrem engeren ebenso wie dem weiteren Vater⸗ lande den besten Dienst dadurch erwiesen, daß sie einem unhaltbaren, beklagenswerthen Zustand auf einem wichtigen Gebiete der Steuer⸗ gesetzgebung auf irgend eine Weise ein Ende machten und sich be— mühten, eine Verbesserung der finanziellen und volkewirthschaftlichen
Verhältnisse herbeizuführen. Sie hätten zu diesem Zwecke im Auge, über die Grenzen des engeren Vaterlandes hinauszugehen und das weitere Interesse im Auge gehabt. Wenn sie sich auf einen engeren landsmaͤnnischen oder industrlellen Standpunkt eines einzelnen Theils des Vaterlandes gestellt hätten, würden sie allerdings vielleicht zu einen anderen Resfultat gekommen sein. Die bisherigen Zustände könnten nur durch ein Entgegenkommen beseitigt werden. Der Abg. Dr. Mever habe das Kompromiß getadelt, weil man es nicht mit seiner Partei, sondern mit der Rechten und den Nationalliberalen schließe. Die thatsächlichen Verhältnisse ließen es ausgeschlossen er⸗ scheinen, mlt dieser Partei einen gemeinschaftlichen Boden zu finden, weil das Appendix des Fortschritts, die sozialdemokratische Partei, eine positive Arbeit zu machen nicht beliebe, sondern Vorschläge mache, die keine Aussicht auf Annahme hätten. Ein solches Kompromiß hatte nothwendig dazu geführt, daß die i am Schluß das ganze Gesetz zu Fall gebracht hätten. Der
orwurf blinder Steuerbewilligungtwuth und dergl. sei durchaus unbe⸗ gründet. Der Unterschied zwischen dem, was seine Partei und was die Rechte wolle, sei für die nächsten fünf Jahre gleich Null. Aus den Reden der Rechten scheine hervorzugehen, daß ihnen zu wenig geboten erscheine. Der Antrag sei aber doch der Einfluß eines weitgehenden Entgegenkommens von einer Seite, die die Sache auch unter einem andern Gesichtspunkte aus habe betrachten können. Der Reichekanzler habe schon gesagt, er werde kaum in der Lage sein, künftig eine Vorlage zu machen, die der Rechten angenehmer sein werde. Auch auf der Seite, der er (Redner) angehöre, werde eine neue Vorlage dat jetzige Wohlwollen nicht mehr erwerben. Es sei dies nur ein . auf thatfächliche Verhältnisse, eine Drohung auszusprechen, habe keinen Sinn. Bei objektiver Erwägung könne man dazu kommen, das Gesetz anzunehmen und es nicht auf die Gefahr der Zukunft ankommen zu lassen. Die Verant⸗ wortung habe im Fall der Richtannahme die Rechte auf sich zu
nehmen. Sie ziehe einen ansicheren Standpunkt dem, was ihnen Sicheres und Festes geboten werde, vor. Wenn die Mehrheit . Boden der Einigung heute zu gewinnen im Stande sei, so werde sie Vine Dank des ganzen Vaterlandes in Anspruch nehmen können. Abg. Graf Stolberg erklärt sich für den Antrag, weil er fürchte, es möchte im nächsten Jahre für die Juch se st auch diese Konzession nickt einmal mehr zu erreichen sein. Die Rücksicht auf den österreichischen Handelsvertrag komme bei diesem Gesetze nicht in Betracht; denn wenn sich dadurch die Reichseinnahmen ver⸗ minderten, würde man erst recht die Zuckersteuer gebrauchen. Gerade weil man jetzt nicht mehr Geld brauche, solle man die Steuer bewilligen mit einem Uebergangsstadium; werde das Geldbedürfniß akut, dann sei von einem Uebergangsstadium keine Rede.
Abg. Dr. Meyer (Berlin): Er habe nicht getadelt, daß das Kompromiß nicht mit seiner Partei abgeschlossen sei; dieses Kompromiß würde sie nie abgeschlofsen haben. Er bleibe dabei, daß der Abg. Dr. Orterer besser gethan hätte, bei seinem Standpunkt, keine Verlaͤngerung und Erhöhung der Prämien zuzugestehen, zu bleiben,
Der Antrag Wisser wird darauf abgelehnt. Ueber den Antrag Orterer wird namentlich abgestimmt. Das Resultat ist die Annahme mit 145 gegen 145 Stimmen.
Nach diesem Ergebniß der Abstimmung gelangt auch der Satz von 18 6 für die Verbrauchsabgabe zur Annahme. Der Zollsatz für Zucker wird entsprechend der ursprünglichen Vorlage auf 36 M6 festgesetzt. Die eingegangenen Petitionen werden für erledigt erklärt.
Folgende von der Kommission beantragte Resolution:
Tie verbündeten Regierungen zu ersuchen, bei den Ausführung bestimmungen, inbesondere bei Feststellung der Muster für die n men nach 5§. 31, Sachverständige aus der Zuckerindustrie
ören, wird ohne Debatte angenommen.
Die Gesammtabstimmung muß wegen der angenommenen Aenderungen einstweilen ausgesetzt werden.
Schluß gegen 5 Uhr.
1I8. Sitzung vom Freitag, 8. Mai, Abends 8 Uhr.
Der Sitzung wohnte der Staatssekretär D Boetticher n h sekretär Dr. von
Auf der Tagesordnung steht zunächst der Antra ⸗ tagung des Reichstag es bis 6 35 .
Staatssekretär Dr. von Boetticher:
Meine Herren! Wir schlagen Ihnen vor, Ihre Zustimmung zur Vertagung des Reichstages bis zum 10. November d. J. zu ertheilen, eine Zustimmung, die bei einer länger als 30 tägigen Vertagung durch die Verfassung vorgeschrieben ist. Der Antrag unterscheidet sich von dem im vorigen Jahre gestellten ähnlichen Antrage nur dadurch, daß er keinen Anfangstermin festsetzt, und das, glaube ich, ist ganz zweck⸗ mäßig; denn man kann bei dem Rubebedürfniß, das der Reichstag zeigt, nicht wissen, wie bald er die dringenden Geschäfte, auf deren Erledigung die Regierung Werth legt, erledigt haben wird.
ö Der Termin, bis zu welchem die Vertagung eintreten soll, ist so gẽwäblt, daß wir hoffen dürfen, bis zu diesem Termin die wichtigen Vorlagen, welche in der nächsten Session Ihrer Berathung werden unterzogen werden, fertigstellen zu können, und ich darf deshalb Namens der verbündeten Regierungen Ihnen empfehlen, zu der Ver— r . 10. November Ihre Zustimmung zu ertheilen.
g. Singer: Er frage bei diese i = Minister, wie Hi nd ke . . auf Einleitung von Strafverfahren gegen Abgeordnete behandelt werden sollten. Der Reichstag habe bekanntlich einen Beschluß ge⸗ faßt, wonach die verbündeten Regierungen Vorsorge treffen sollten derartige Anträge für die Zukunft unmöglich zu machen. ;
Staatssekretär Dr. von Boetticher:
Der Ausdruck beschämendes Schauspiel“ ist wohl etwas hart, und namentlich gegenüber der unzweifelhaften Thatsache, daß auch die Staatsanwälte nach ihrer besten Ueberzeugung nach den Gesetzen verfahren, Guruf bei den Sozialdemokraten) — in Gemäßheit der Gesetze verfahren.
Nun, meine Herren, was die Resolution anlangt, die der Reichs⸗ tag den verbündeten Regierungen in Bezug auf die Immunitäten der Mitglieder des Reichstages hat zugehen lassen, so hat der Bundes rath über diese Resolution bisher einen Beschluß noch nicht gefaßt; ein solcher Beschluß würde aber auch nicht hindern, daß die Staats anwälte und daß die Gerichte insbesondere so verfahren, wie sie die Vorschriften der Gesetze auslegen. Wir würden in dieser Beziehung, wollen wir volle Sicherheit im Sinne der Reichstags -⸗Resolution schaffen, immer nur wirksam im Wege der Gesetzgebung vorgehen können. Das ist bisher nicht möglich gewesen, und ich muß also die Erledigung dieser Frage bis auf einen späteren Zeitpunkt vertagen. Inzwischen ist ja den Gerichten sowohl wie den Staatsanwälten die Auffassung, die hier im Hause über die Auslegung des Art. 31 der Verfassung besteht, bekannt geworden aus den Zeitungen, und es ist also nicht unmöglich, daß das eine oder andere Gericht und der eine oder andere Staatsanwalt dieser Auffassung sich anschließt. (Heiter⸗ keit) Soweit das aber nicht geschieht, muß man sich damit abfinden, daß weder Gerichte noch Staatsanwälte behindert sind, die freie Auslegung der Verfassung nach ihrem Ermessen und ihrer Rechts⸗ überzeugung walten zu lassen.
Abg. Singer: Die Ausführung des Staatssekretä e i Vid ud 1 den die ef l n m) fhe h. . p der Verhandlung gemacht habe. Wenn damals so deutlich gesagt worden wäre, daß ein Reichstagsbeschluß keine weitertragende Be⸗ deutung habe, dann würde die Geschäftsordnungs⸗Kommission dem r eine Verfgssungsänderung vorgeschlagen baben. Die Kommission abe aber nach den Ausführungen des Staatssekretärs Dr. von Boetticher annehmen können, daß die verbündeten Regierungen sich mit größerer Wärme der Sache annebmen würden. Wäre der Reichs⸗ kanzler auf Beschluß des Bundesrathes dazu übergegangen, den einjelnen Regierungen Kenntniß zu geben von den Beschlüssen des Reichstages, jo hätte sich die Sache in Bahnen leiten lassen können, welche dem Reichstag als zweckentsprechend erschienen. Staatssekretär Dr. von Boetticher:
Wenn der Herr Reichskanzler nach dem Vorschlage des Herrn Vorredners den Gerichtsbehörden Kenntniß von der Auffassung des Reichstages und von der, wie gesagt, bis jetzt noch nicht festgestellten Auffassung des Bundesraths, sofern sie sich mit der Auffassung des Reichstages decken sollte, gegeben hätte, so würde er sich immerhin der Möglichkeit ausgesetzt haben, daß die Gerichte der Interpretation, welche Reichstag und Bundesrath dem Artikel 31 der Verfassung geben, nicht folgen, daß sie vielmehr eine andere Aus⸗ legung zur Geltung bringen. Auch der Hr. Abg. Singer von seinem Standpunkt aus sollte, wie ich meine, nicht wünschen, daß die Gerichte in der freien Auslegung der bestehenden Gesetze irgendwie beschränkt werden. Deshalb ist es ganz korrekt,
wenn ich gesagt habe: zunächst muß man die Auslegung, welche die Gerichte der Vorschrift des Art. 31 angedeihen lassen wollen, ihnen
überlassen. Ergeben sich daraus Mißstände und ergiebt sich ins- besondere, das die Anwendung des Art. 31, wie sie durch die Gerichte geschieht, nicht harmonitt mit der Absicht der gesetzgebenden Faktoren, so ist es richtig, daß man auf dem Wege der Gesetzgebung die ge⸗ wollte Anwendung sicherstellt. Etwas Anderes ist nicht möglich. Und wenn der Hr. Abg. Singer dem Bundesrath einen Vorwurf daraus macht, daß bisber eine Entscheidung noch nicht gefällt worden sei, so kann ich ihn darauf hinweisen, daß die Sache im Bundesrath nicht geruht hat, daß sie jetzt den Ausschüssen vorliegt und daß, sobald die Instruktionen der einzelnen Regierungen eingegangen sein werden, die Ausschüsse darüber beschließen und demnächst dem Plenum des Bundesraths ibre . machen werden. Also ist dieser Vorwurf nicht gerecht⸗ ertigt.
Der Zustand, der bei der neuen Vertagung eintritt, wird übrigens gegen den Zustand, der bisber bestanden hat, nicht ver— schlechtert werden, im Gꝛgentheil, es ist ja möglich — und der Hr. Abg. Singer wird sich auch voraussichtlich mit Vorliebe dieser Hoff⸗ nung hingeben —, daß die Gerichte der Auffassung, welche der Reichs⸗ tag über den Art. 31 ausgesprochen hat, sich mehr oder weniger an⸗= schließen.
Abg, Freiherr von Unruhe ⸗Bom st: Bei der Verhandlung der Sache in der Geschäftsordnungs ⸗Kommission seien alle Mit⸗ glieder einig über die Auslegung gewesen, welche dem betreffenden Verfassungartikel zu geben sei, Die Ansichten aber darüber, ob eine Resolution genüge oder eine Verfassunggänderung herbeigeführt werden müsse, seien getheilt gewesen. Der Beschluß des Reichstages werde doch wohl solches Gewicht haben, daß eine Abweichung davon nicht mehr wahrscheinlich sei.
Abg. Bebel: Nach der letzten Erklärung des Staatssekretärs Dr. von Boetticher werde man warten müssen, was der Bundesrath 6 . , , sg . möchte aber die Herren
nern an die Ausweisung der gg Fritzsche und Hasselmann, welche 1879 auf Grund des Hild ena r , sei. Der Reichstag habe diese Ausweisung für ungültig erklärt während der Dauer der Session; kein Staatsanwalt habe sich damals dagegen aufgelehnt. Aehnlich sei es bezüglich der Sammlungen für die Aus gewiesenen gegangen. Er babe die Ueberzeugung, daß, wenn Reichstag und Bundesrath im Sinne der gefaßten Beschlüsse eine Deklaratlon des Art. 31 erlassen würden, sich kein Staatsanwalt finden würde, der dagegen aufträte.
Abg. Ackermann: Der Reichstag babe das Seinige ge than, es werde das eine gewisse Bedeutung haben und eine gewisse Berücksichtigung bei den Staatsanwalten finden. Sollte das nicht der Fall sein, dann müsse die Angelegenheit in der nächsten Session weiter verfolgt werden.
Darauf wurde der Antrag des Bundesraths einstimmig ang 3 Mn .
Es folgt die zweite Berathung des Nachtrags-Etats für 1891/92. Die Budgetkommission hat die einzelnen Positionen mit geringen Aenderungen angenommen.
Die auf die Gehaltserhöhungen bezüglichen Posten
werden ohne Debatte angenommen. Aeber die extraordinäre Forderung von 1425 09090 6 für Kamerun berichtet Abg. Prinz Arenberg. Die Kom⸗ missi n empfiehlt die Bewilligung der Forderung; die Anträge auf Verwerfung oder Abminderung der Forderung sind mit überwiegender Mehrheit abgelehnt worden.
Abg. Haußmann; Die Unsicherheit der Chancen der Zukunft der kommerziellen Entwickelung in Kamerun sei allerdings nicht so groß wie anderswo in den deutschen Kolonien; einige Forderungen seien auch genügend substantiirt, so die Forderungen für eine Reparaturwerkstätte, weil die Dampfbarkasse seit Monaten als Wrack am Strande liege. Aber die Einrichtung von Schutztruppen und Stationen für Karawanenstraßen auf Reichskosten, das sei eine ganz neue Einrichtung, der gegenüber man grundsätzlich Bedenken haben müsse. Es scheine ihm auch der files germanieg nicht zu entsprechen, daß man den Duallas nur deswegen den Zwischenhandel unter Ver⸗ letzung der mit ihnen abgeschlossenen Vertrage gewaltsam nehme, weil sie zu viel verdienten. Wie denke man sich überhaupt in der Richtung der Karawanenstraßen nach Norden die Souveränetät des Deutschen Reiches? Habe dort das Deutsche Reich die Souveräretät, und worauf gründe sie sich? Es sei nicht der Nachweis erbracht, daß das Reich nothwendig für die finanziellen Opfer eintreten müsse, die hier gefordert würden. Die Kultur mit der Flinte aber solle man in diese Regionen nicht hineintragen. Wie der Bekämpfung der Sklaverei damtt gedient sein solle. daß man alle 50 km weit eine Statien mit 20 Negern und zwei Weißen errichte, sei ihm nicht klar. So lange Deutschland außerdem auf diesem Gebiete noch viel gut zu machen habe, scheine es ihm einfach eine. Verschwendung, diese Summe auch unter der Firma der Bekämpfung der Sklaverei in Afrika hinzugeben.
Geheimer Legations⸗Rath Dr. Kavyser: Dort, wo die Regierung Stationen zu errichten beabsichtige und Besatzungen hinlegen wolle, seien die Deutschen unbestritten die Herren, Und es habe Niemand drein zu reden. Die Bemerkung bezüglich der Duallas habe er neulich schon als ungerechtfertigt zurückgewlesen. Die Missionen beider Kon fessionen seien der Regierung für ihr Vorgehen sehr dankbar.
Abg. Dr. Barth: Er beschränke sich darauf, den Theil der Forderung zu beleuchten, welcher sich auf die Herstellung und Sicherung der Verkehrswege des Innern beziehe. Seine Partei habe stets vor dem weiteren Eingehen auf kolonialpolitische Projekte ge⸗ warnt und die Mitverantwortlichkeit für das Risiko abgelehnt. Jetzt stelle man die Schaffung von Verkehrswegen ins Innere als ganz nebensächlich dar, aber thatsächlich werde dadurch der Rahmen der Kolonialpolitik in West-Afrika und überhaupt jeder Rahmen der europäischen Kolonialpolitik überhaupt verlassen. Das Handels- monopol der Duallas bestebe seit einigen Hunderten von Jahren, lein europäischer Staat habe es bis jetzt zu durchbrechen gesucht. Die jetzt beabsichtigte Durchbrechung bedeute Krieg oder Ausrottung gegen die Duallas. Das müsse mit dürren Worten ausgesprochen werden, die Duallas hätten gar keine andere Möglichkeit der Er⸗ nährung, als den Tauschhandel. Die ganze Existenz dieser Negervblker beruhe guf, dem Durchfuhrhandel. Sie würden sich natürlich nicht ohne Weiteres diesen Handel nehmen lassen, wenn die Deutschen auch mit Pulper und Blei in genügender Menge dazu im Stande seien. Dieser ganze Entwickelungsprozeß könne nur unter Strömen von Blut sich vollziehen. Einerseits zeige man sich so außerordentlich bemüht, ein paar Neger zum Christenthum zu erziehen, und sehe andererseits leichthin der Eventualität entgegen, Tausende von Negern umbringen zu lassen. Ihm scheine die Frage, ob Palmkerne und Palmöl etwa billiger an die Küste kämen, nicht so viel werth, um die Würde des deutschen Namens durch einen solchen unmenschlichen Ausrottungskrieg aufs Spiel zu setzen. Den Missionen könne man durch die Stationen nicht viel nützen, aber was richte man für Unheil an, wenn man dieses Handelsmonopol mit Gewalt durchbreche? Er halte dieset Handelsmonopol auch für verwerflich, für beinahe so verwerflich, wie Zucker- und Branntwein ⸗ prämien (Heiterkeit), aber etwas Anderes sei es doch, zu seiner Be⸗ seitigung einen Ausrottungskrieg zu unternehmen. Daß das Reich dadurch zu den schwersten Verwickelungen kommen werde, darüber seien sich auch die Orrn. Jantzen und Thormählen klar. Seine Partei werde unter diesen Umständen diese Forderung ablehnen.
Geheimer Legationt · Rath Dr. Kayser: Wenn man anerkennen welle, daß diese Nigger ein wohlerworbenes Recht auf den Durch fuhrhandel hätten, dann müsse man überhaupt auf die Kultivirung und Civilisirung jener Gegenden verzichten. Ez sei in der Kom mission ausführlich nachgewlesen worden, daß die Duallas nur ein
Raubsystem befolgten und keinerlei Rechte geltend machen könnten.