Konstruktion und Ausrüstung der Eisenbahnen Deutschlands statt, welche voraussichtlich mehrere Tage in Anspruch nehmen werden. An denselben sind betheiligt Kommissare des Reichsamts für die Verwaltung der Reichs⸗ Eisenbahnen, der Militärverwaltung, des preußischen Mi⸗ nisteriums der öffentlichen Arbeiten, sowie der Regierungen von Bayern, Sachsen, Württemberg, Baden, Hessen, Mecklen⸗ burg, Oldenburg und Hamburg.
Seine Durchlaucht der Prinz Albert zu Sachsen⸗ Altenburg, Commandeur der 3. Garde⸗Kavallerie⸗Brigade, ist von den Beisetzungefeierlichkeiten in St. Petersburg hierher zurückgekehrt.
Der Fürstbischof Dr. Kopp ist, der „Germ.“ zusolge' gestern Vormittag aus Breslau hier eingetroffen um an den Sitzungen des Herrenhauses theilzunehmen.
Der Großherzoglich badische Gesandte am hiesigen Aller⸗ höchsten Hofe, Geheime Legations-Rath von Brauer hat einen kurzen Urlaub angetreten.
Der Reichskommissar zur Verfügung des Gouverneurs von Ost-Afrika Dr. Karl Peters hat gestern Abend Berlin verlassen, um sich über Neapel an Bord des „Bundesrath“ auf seinen Posten zu begeben.
Die Regierungs-Referendare von Krosigk aus Merse⸗— burg, Freiherr von Dörnberg aus Königsberg, Dr. jur. Grolman aus Düsseldorf, von Schwerin aus Bromberg und Arnold aus Liegnitz haben am 9. d. M. die zweite Staatsprüfung für den höheren Verwaltungsdienst bestanden.
Dem Regierungs-Assesser Scherenberg zu Potsdam ist die kommissarische Verwaltung des Landrathtamtes im Kreise Mettmann, Regierunge-Bezirk Düsseldorf, übertragen worden.
Württemberg.
Stuttgart, 11. Mai. Gestern fand hier eine Ge⸗ dächtnißfeier für den Feldmarschall Grafen Moltke statt, zu der sich ein zablreiches Publikum eingefunden hatte. Vom Hofe war dem „Schw. Merk.“ zufolge Ihre Kaiserliche Hoheit die Herzogin Wera eirschienen. Außerdem waren an— wesend: der Kriegs-Minister, General-Lieutenant von Stein⸗ heil, der kommandirende General, General-⸗Lieutenant von Wölckern, die Staats-Minister Dr. von Faber und Dr. von Sarwey, die General-Lieutenants von Lindequist, Freiherr von Kottwitz, von Gleich, Graf von Zeppelin, der Hofmarschall Freiherr von Wöllwarth, die Regimente⸗ Commandeure, die Offitiere des General-Kommandos und des Kriegs-Ministeriums, Offiziere aller Grade und Waffen, die Mitglieder der preußischen Gesandtschaft. Mitglieder der Kammer der Abgeordneten, an der Spitze Präsident von Hohl, der Siadt⸗Direktor, Regierungs-Rath Klaiber sowie Mitglieder der bürgerlichen Kollegien mit dem Ober-Bürgermeister Dr. Hack. Die Festrede hielt Professor Hauber.
. Baden. e Königliche Hoheit die Fürstin- Mutter von zollern hat sich, wie die „Straßb. Post“ meldet, am
M. von Umkirch bei Freiburg zum Besuche der König⸗
Familie nach Brüssel begeben.
Mecklenburg ⸗Strelitz.
Neustrelitz, 10. Mai. Ihre Königlichen Hoheiten die Großherzogin und die Erdgroßberzogin kehren der „M. L.“ zufolge am Mittwoch von Meran hierher zurück. Seine Königliche Hoheit der Erbgroßbherzog wird sich am folgenden Tage nach Kissingen begeben.
Braunschweig.
Braunschweig, 10. Mai. Seine Königliche Hoheit der Regent des Herzogthums Prinz Albrecht von Preußen hat sich bewogen gefühlt, eine Den kmünze für die Theil— nahme an den Feldzügen in Schleswig-Holstein in den Jahren 1848 und 1849 zu stiften. Die hierauf bezügliche Kabinets⸗ Ordre hat nach dem „Hann. Cour.“ folgenden Wortlaut:
Von Gottes Gnaden, Wir, Albrecht, Prirj von Preußen ꝛc, Regent des Herjogthums Braunschweia, haben auf den an Uns au betbeiligten Kreisen gebrachten Wunsch Uns bewogen gefunden, eir Erinnerungszeichen für die Theilnabme von Offizieren, Aerzten, Beamten, Unteroffizieren und Mannschaften Braunschweigier Trurvertbeile an den Feldzügen ron 1848 und 1849 in Schleswig-Holstein zu stiften und verordnen, was folgt: 5. 1. Das Erinnerung zeichen besteht in einer bronzeken Denkmünze, auf der Vorderseite den Namenszug Seiner Hobeit des Hochseligen Herzogs Wilbelm, umgeben von Lorbeerzweigen, auf der Rüdseite die Worte „Schleswig ⸗Holsteinꝰ und die Jahreszahlen 1848 und 181898 tragend. Die Denkmünze wird an blauzelbem Bande getragen. Das Band ohne die Denkmünze zu tragen ist unstattbaft. F. 2. Die Denkmünze zu tragen sind berechtigt die Offiziere Aerzte, Beamten, Unteroffiziere und Mannschaften, welche im Herzoglich Braun⸗ schweigischen Truppenkontingente an den Feldzügen in Scleswig ⸗Holstein in den beiden Jabren 1848 und 1849 oder in einem der Jabre tbeilgenom⸗ men haben. Bezüglich der Berechtigung zur Erlangung der Denkmünze sowie des Verlustes der Denkmünze sind außerdem die allgemeinen Bestimmungen über die Fähigkeit der Eclangung ron Ebrenzeichen und den Verlust der letzteren maßgebend. Ob in eirzelnen Fällen aus besonderen Gründen die Denkmünze zu versagen sei, bleibt der Entscheidung Unserer General ⸗Adjutantur vorbehalten. S8. 3. Die Ausfertigung von Anerkenntnissen der Berechtigung zum Tragen der Denkmünze, sowie die Zustellung der Denkmünze ersolgt durch Unsere General · Adjutantur. Dieselbe entscheidet in Zweifelsfällen dar⸗ über, ob die Berechtigung zum Tragen der Denkmünze einem Be— werber zustehe. 8. 4. Diejenigen, welche die Berechtigung zum
Tragen der Denkmümze in Anspruch nehmen, haben den Anspruch bei der für ihren Wobnsitz zuständigen Herzoglicken Kreisdirektion, wenn sie außerbalb des Kerzogthums ihren Wobnsitz haben, bei der Herzog⸗ zoglichen Kreigdtrekti on Braunschweig gelsend zu machen. 5. 5. Dle zur weiteren Ausführung dieser Verordnung erforderlichen Anordnungen hat Unser Staate, Ministerium zu treffen. Anhalt.
Dessau, 16. Mai. Ihre Königliche Hoheit die Erb⸗ großherzogin von Baden traf vorgestern Abend, Seine Königliche Hoheit der Erbgroßherzog gestern früh hier ein. Mittags ersolgte die Ankunft der Herzoglichen Familie. Die Herrschaften fuhren der Magd. Ztg.“ zufolge sofort nach dem Palais Ihrer Hoheit der z rihz esfle Friedrich, wo alsbald die Begrüßung der zur Geburtgiagsfeier der Prin— zessin eingetroffenen Fürstlichen Gäste und die Beglückwün⸗ schung stattfand. Hiernach fuhren die Herrschaften nach
36 ei des ern,, ar 36 * . ie nfang nahm. Die Herzogliche Familie kehrte bereits gestern unn nach Ballenstedt zurück, während Seine Königliche Hoheit der rg be e von Luxemburg morgen abzu—⸗ reisen gedenkt. Ihre Königliche Hoheit die Großherzogin bleibt noch mehrere Wochen bei Ihrer Fürstlichen Mutter. Die Erbgroßherzoglich badischen Herrschaften kehrten heute Abend nach Berlin zurück.
Oesterreich⸗ Ungarn.
Wien, 12. Mai. Der Erzherzog Albrecht trat vor⸗ gestern in Begleitung des Erzherzogs Franz Ferdinand und zahlreicher Generale eine auf acht Tage berechnete Generalreise nach Nieder⸗Oesterreich an, um die Verfügungen für die großen Kaisermanöver Anfang September zu treffen. Dieselben werden zwischen den Städten Waidhofen a. d. Thaya und Gmünd stattfinden. In dieser ächtdeutschen Gegend oberhalb des darkt⸗ fleckens Raabs steht das Schloß, von wo einst Burggraf Friedrich aus Nürnberg, der Begründer des Hohenzollern Herrschergeschlechtes, seine Gattin, die Gräfin Sofie von Raabs, heimführte. Seine Majestät der Kaiser Wilhelm wird, wie es heißt, während der Manöver dieses frühere Hohen⸗ zollernsche Schloß besuchen. ;
In der gestrigen Sitzung des Abgeordnetenhauses machte, wie ‚W. T. B.“ berichtet, der Präsident Smolka Mit⸗ theilung über den Empfang des Präsidiums durch den Kaiser. Der Handels⸗Minister Marquis Bacguehem legte alsdann das in der letzten Herbstsession unerledigt gebliebene Uebereinkommen, betreffend die Verstaatlichung der Erzherzog-Albrechtbahn, wieder vor. Die Abgg. Luzzatto und Genossen beantragten darauf die Errichtung einer italienischen Universität oder wenigstens einer italienischen Rechts-Akademie in Triest. Die Abgg.
Peez und Genossen interpellirten den Handels⸗-Minister
im Sinne der Exstreckung der zwischen Oesterreich Ungarn und Deutschland vereinbarten gemeinsamen Eisfenbahnzeit auf das Post- und Telegraphenwesen sowie auf das bürgerliche Leben.
Die Mitglieder der österreichisch⸗ungarischen Zoll⸗ konferenz erledigten die Arbeiten in Triest und begaben sich nach Fiume.
Drei bosnisch-herzegowinische Bataillone aus Banjaluka, Mostar und Doboj werden demnächst hier zum Garnisondienst einrücken.
Großbritannien und Irlaud.
Wie aus London gemeldet wird, wurde Gladstone am Sonntag Nachmittag von einem Schüttelfrost befallen. Da er sich darauf unwohl fühlte, hat ihm sein Arzt Sir Andrew Clarke vorgeschrieben, mehrere Tage das Zimmer zu hüten. Die Erkrankung besteht in einer Erkältung verbunden mit leichtem Fieber und hat vorläufig durchaus nichts Bedenk⸗ liches. Neuere Nachrichten bezeichnen das Leiden als In⸗ fluenza, an der zur Zeit eine große Zahl bekannter Persönlichkeiten des englischen öffentlichen Lebens leidet. Auch der Präsident des Handelsamts Hicks Beach, der erste Lord der Admiralität Lord George Hamilton und der Abg. John Morley sind von einem leichten Anfall von Influenza heim⸗ gesucht. Der Kolonial-Sekretär Lord Knutsford muß immer das Bett hüten, ebenso von Unterhausmitgliedern der konservative, Whip“ (Einpeitscher Akers Douglas und der Gladstonianer Mundella.
Das Oberhaus hat gestern vie dritte Lesung der Neufundland⸗-Bill angenommen. Im Laufe der Debatte erklärte der Premier Marquis von Salisbury: England müsse in Neufundland auf permanente Maßregeln zur Durch⸗ führung internationaler Verpflichtungen rechnen können. Er fürchte nicht, daß die jetzige französische Regierung den Schwierigkeiten, die etwa aus den Zuständen in Neufundland entstehen möchten, eine unfreundliche Deutung geben würde, aber es sei nicht außer Acht zu lassen, daß die jetzigen Ver⸗ hältnisse sich ändern könnten, und die Durchführung inter⸗ nationaler Verpflichtungen dürfe nicht von Zufälligkeiten abhängen.
Die Arbeitskommission wird nach dem Pfingstfest wieder zusammentreten. Der Geschäftsausschuß ist noch mit der Vorberathung des Entwurfs beschäftigt, der dann in Druck gehen und der Kommission vorgelegt werden soll.
Aus Neufundland wird dem „R. B.“ berichtet, daß beide Hauser des Parlaments in St. Johns am 9. d. M. zusammengetreten sind und beschlossen haben: selche gesetz—⸗ geberischen Maßnahmen anzunehmen, welche nothwendig sind, um die der Reichsregierung und dem Parlament von der jetzt in London weilenden Delegation gemachten Vorschläge durch⸗ zuführen.
Das Auswärtige Amt hat folgende, aus Simla vom 10. Mai datirte Depesche des indischen Vize⸗Königs erhalten:
Maxwell telegrapbitt, 10. Mai, daß der Tong al⸗- General sich heute ergeben hat und sich jetzt in Sewahrsam befindet. Collett telegraphirt unter dem 8. Der Regent wurde beute Morgen von einigen Manipuri verhaftet, die Major Maxwell ausgeschickt batte. Der Regent ist jetzt im Militärgewabrsam. Es werden Anstrengungen gemacht, auch der übrigen Prinzen babbaft zu werden.
Frankreich.
Paris, 12. Mai. Der Fürst von Montenegro ist gestern aus St. Petersburg hier angekommen,
An Stelle des bisherigen Nuntius Rotelli ist dem W. T. B.“ zufolge der ehemalige Nuntius in Brüssel Monsignore Ferrata zum Nuntius in Paris ernannt worden.
Im Senat bekämpfte gestern bei der Berathung des Neufundland⸗Uebereinkommens Angle⸗BVeau⸗ manoir die Vorlage als einen Angriff auf die Rechte Frank⸗ reichs. Der Mmister des Aeußern Ribot rechtfertigte das Uebereinkommen, indem er erklarte, daß die Frage, betreffend die Vorbereitung der Hummern, allein einem Schiedsgericht unterworfen sei. Die Regierung werde es nur mit Eng⸗ land zu thun haben. England allein werde es obliegen, die Verbindlichkeiten auf Neufundland auszuführen. Der Gesetz⸗ entwurf wurde alsdann angenommen. Hierauf nahm der Senat ohne Debatte mit Einstimmigkeit den Kredit von 50 000 Francs für die Hinterbliebenen der Opfer von Fourmies an.
In der Deputirtenkammer wurde die Berathung über die Zolltarif⸗Vorlage fortgesetzt. Léon Say unterzog, wie er bereits in der Sonnabend⸗Sitzung ankündigte, die Theorien Melines' einer weiteren Prüfung. Er führte
aus, die Vorlage der Kommission würde der Bevölkerung eine Verbrauchssteuer von in minimo einer Milliarde, in maximo von drei Milliarden aufbürden; die Kammer könne dieselbe nicht annehmen. Die Schutzzöllner würden der Republik den Todesstoß versetzen; es läge nun der Regierung ob, zu erklären, was geschehen solle. t
Die Deputirten Delonele und Genossen haben einen Antrag eingebracht, daß der Entwurf des Zollgesetzes nur den Generaltarif spezifiziren möge, damit fich die Regierung die verfassungs mäßige Aktionsfreiheit bewahren könne. . Der „Temps“ weist auf das gestrige boulangistische Meeting und auf eine gestern in Perpignan stattgehabte Royalisten-Versammlung hin, in welcher ebenfalls die Vorgänge in Fourmies zu maßlosen Angriffen gegen die Regierung benutzt wurden, und bemerkt dazu, diese Kund⸗ gebungen verriethen, daß bei den Reaklionären und Intransi⸗ genten eine Stimmung herrsche, welche jener gleich sei, welche den Fieberanfall des Boulangismus herbeigeführt habe. Der „Temps“ hofft, daß die Radikalen Angesichts solcher Symptome keine Politik der Spaltung und des inneren Krieges treiben würden.
Italien.
In der Deputirtenkammer wurde gestern die nament⸗ liche Abstimmung über den mehrerwähnten, gegen den Justiz⸗ Minister gerichteten Antrag des Deputirten Cavalotti (wegen Versetzung einiger venetianischer Richter aus politischen Gründen) zum dritten Male vor⸗ genommen. Die Kammer war jedoch auch dies⸗ mal beschlußun fähig. Der Präsident konstatirte mit Bedauern, daß nicht einmal die Unterzeichner des Antrages auf namentliche Abstimmung daran theilgenommen hätten, und erklärte, es sei gut, daß das Land dies wisse. Die Ab⸗ stimmung ergab 162 für und 29 gegen die Regierung. Drei Deputirte enthielten sich der Stimmabgabe. Nur acht Stimmen fehlten zur Beschlußfähigkeit. —
Nach einer Meldung der „Agenzia Stefani“ aus New⸗ Orleans vom 11. 8d. M. ist der dortige italienische Konsul nach Rom berufen worden Behufs Ertheilung aus⸗ führlicherer Aufklärungen über die dortigen Zwischenfälle seit dem Oktober vorigen Jahres. Der Vize-Konsul in New York Poma begiebt sich nach New-⸗Orleans, um während der Ab⸗ , m. des Konsuls die Konsulatsgeschäfte dort zu über⸗ nehmen.
Schweiz.
An den beiden vergangenen Sonntagen haben in Bern bezw. Basel bemerkenswerihe Volksabstimmungen statt⸗ gefunden. Dem Berner Volke lagen am 3. d. M. ein Beschluß und zwei Gesetze zur Abstimmung vor: der Beschluß, betreffend Fortsetzung einer besonderen Staatssteuer für Erweiterung der Irrenpflege, das Gesetz, , . Aufhebung der nationalen Branntwein⸗Fabrikationegesetze, und das Einführungsgesetz zum Bundesgesetz über Schuld⸗ betreibung und Konkurs. Die beiden ersten Vorlagen wurden angenommen, das Einführungsgesetz zum undesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs mit 19331 gegen 17494 Stimmen verworfen. Da nun die kantonalen Ein⸗ führungsgesetze zu jenem Bundesgesetz dem Bundesrath bis zum 1. Juli zur Genehmigung vorliegen müssen, so wird, wie man der Köln. Ztg.“ schreiht, der Bundesraih das ver⸗ worfene Einführungsgesetz von sich aus provisorisch in Kraft getreten erklären müssen. Der Berner Regierungsrath aber wird das Einführungsgesetz dem Berner Großen Rath nochmals zur Berathung vorlegen und sofort eine zweite Vol ksabstimmung über dasselbe anordnen. —
Im Kanton Basel wurde am letzten Sonntag, 10. Mai, die Frage der Wahl der Richter durch das Volk mittels Referendums entschieden. Die neue kantonale Ver⸗ fassung von Baselstadt vom 2. Dez. 1889 hatte, wie der „Bund“ erläuternd bemerkt, als Neuerung in §. 53 die Partialrevision eingeführt. Einzig dieser Bestimmung war es zuzuschreiben, daß die Verfassung in der Volksabstimmung vom 2. Febr. 1890 mit so großer Mehrh it angenommen wurde; denn der Entwurf hielt in manchen Punkten nicht, was die angebahnte Revisionsbewegung dem Volke versprach und was die Parteiprogramme in Aussicht stellten. Unter den streitigen Vunkten war es namentlich die Wahl der Richter durch das Volk, welche, weil sie durch die Verfassung nicht gelöst war, Anstoß erregte und die öffentliche Meinung gegen die neue Verfassung einnahm. Allein der Hinweis auf die Garantie, daß dieses Postulat am Einfachsten durch die Partialrevision verwirklicht werden könne, schwächte die Opposition ab und schuf der Verfassung eine bedeutende Mehrheit. Die Wieder⸗ aufnahme des alten Postulats erfolgte im letzten Sommer durch den speziell auf demekratischem Boden stehenden Theil des Basler Volkez. Dem Großen Rath wurde ein Initiativbegehren eingereicht mit 1386 gültigen Unterschriften. Am 25. Februar 1391 kam das Begehren im Großen Rath zur Behandlung. Mit 64 gegen 39 Stimmen wurde es erheblich erklärt und die Revision der Verfassung dem Großen Rath selbst überwiesen. Gegen diesen Beschluß ergriffen die konservativen Quartiervereine und die Sektion Bafel des eidgenössischen Vereins das Referendum, welches die nöthige Zahl von Unterschriften erhielt und daher in Rechts⸗ krast trat. Die nothwendig gewordene Volksabstimmung war nun vom Regierungsrath auf Sonntag, den 10. Mai, ange⸗ setzt worden ünd hat mit 3389 gegen 2299 Stimmen die An⸗ nahme des Initiativ⸗Begehrens ergeben.
Niederlande.
In den letzten Tagen hat die Regierung zwei Ent⸗ schlüsse gefaßt, welche, wie man der „Wes⸗Zig.“ schreibt, namentlich in den großen Handelsstädten besondere Befriedi⸗ gung hervorgerufen haben. Erstens wurde eine Kom mission ernannt zur Untersuchung der Frage der Handels⸗ verträge. Diese Kommission, welchs aus den vornehmsten Kaufleuien und Industriellen des Landes zusammengesetzt ist, wird die wichtige Frage beantworten, welche Handelspolitik die Regierung in Rücksicht auf die Kündigung der Handelsverträge mehrerer anderer Staaten zu treiben habe. Außerdem hat sich die Regierung entschlossen, einen ständigen Handel grath einzu⸗ setzen. Zu Mitgliedern dieses Raths, dem die Regierung über wichtige Fragen bezüglich Handel und Industæie Mittheilung machen wird, werden sämmtliche Handelskammern aus jeder Provinz zusammen einen Abgeordneten wählen, während die Handelskammern von Amsterdam und Rotterdam jebe einen Delegirten ernennen. Außerdem wird die Regierung einen Reichs kommissar als ihren Vertreter anweisen. Dieser Handels⸗ rath wird zusammen wirken mit dem Aussichtsrath für die
Eisenbahnen, sodaß auch bei der Feststellung der Tarife und des Dienstes der Eisenbahnen die Interessen von Handel und Industrie vertreten sein werden.
Alsbald wird in der Kammer auch die Congofrage zur Erörterung kommen. Die Regierung hat bereits die Generalakte der Brüsseler Antisklavereikonferenz mit der bei⸗ gefügten Erklärung bezüglich der Einfuhrzölle bei der Kammer eingebracht. Sobald die Kommission mit ihrem Bericht fertig ist, wird die Kammer die Sache erledigen. Eine eingehende Berathung über die Einfuhr zölle im Congostaat, welchen en gh iich bekanntlich widersetzt hat, steht alsdann in
ussicht. (
Griechenland.
Wegen der Vorgänge in Corfu haben dem, W. T. B.“ zufolge zwei von den griechischen Vertretern der Groß— mächte in Athen, darunter der englische, bei der Regierung freundschaftliche Vorstellungen erhoben und um wirksame Maßregeln zum Schutze ihrer Staatsangehörigen gebeten. Wie mehreren heutigen Wiener Morgenblättern aus Triest . wird, wären auch bereits zwei griechische Panzer⸗
regatten nach Corfu abgegangen. Auch die italienische Regierung werde zum Schutz der italienischen Unterthanen auf Corfu ein Kriegsschiff absenden. Der italienische General⸗ Konsul in Corfu Berig, der gegenwärtig in Rom weilt, sei angewiesen worden, sofort nach Corfu zurückzukehren.
Rumänien.
Bukarest, 11. Mai. Der König, die Königin und der Prinz⸗Thronfolger sind, wie „W. T. B.“ meldet, gestern aus Sinaja hierher zurückgekehrt.
Heute Mittag wurden die gesetzgebenden Körper⸗ schaften durch den König mit einer Thronrede eröffnet, in welcher es heißt, die Neuwahlen sicherten der Regierung die Majorität und brächten sie in die Lage, die Staats⸗ interessen fest und nützlich wahrzunehmen. In dem Arbeitsprogramm der außerordentlichen Session wird außer dem Budget der neue vom Lande mit gerechter Ungeduld erwartete, die Regelung der Handelsbeziehungen bezweckende Zolltarif angekündigt. Die Vertheidigung des Landes wird, wie immer, dem Patriotismus der Kammern anvertraut, auch andere mit dem Budget eng zusammen— bängende Gesetze würden, damit deren Zustandekommen ohne Unterbrechung vollzogen werden könne, den Kammern unter⸗ breitet werden.
Die Kammer konstituirte sofort nach Verlesung der Thronrede das provisorische Bureau. Den Vorsitz über— nahm der Alterspräsident Demeter Ghika. Es wird an— genommen, daß die Wahlverifikationen morgen beendet sein werden. Der König wurde beim Erscheinen und Ver⸗ lassen der Kammer enthusiastisch begrüßt.
Joan Bratiano ist schwer erkrankt, Mittags trat jedoch eine leichte Besserung ein.
Dem bisherigen russischen Gesandten hierselbst, Hitrowo, ist I. Großkreuz des Sternes von Rumänien verliehen worden.
Serbien.
Belgrad, 11. Mai. Wie aus Regierungskreisen ver— lautet, würde die Regierung, trotz der e . ableh⸗ nenden Antwort, welche die Königin Natalie auf das Schreiben des Minister-Präsidenten Pasic ertheilt hat, zu⸗— nächst keinerlei Gewaltmaßregeln anwenden, sondern ihre Bemühungen für eine gütliche Lösung fortsetzen.
Gerüchtweise verlautet, der frühere Kapitän Uzunow, der Bruder des erschossenen Majors Uzunow, sei wegen Theilnahme an dem Morde Beltschew's in Krajowa verhaftet worden.
Schweden und Norwegen.
(E) Stockholm, 9. Ma. Beide Kammern traten heute Behufs Vornahme gemeinschaftlicher Abstim—⸗ mungen zusammen. Mit 185 Stimmen (48 aus der Ersten und 137 aus der Zweiten Kammer) gegen 168 Stimmen (88 aus der Ersten und 80 aus der Zweiten Kammer) wurde die Abschaffung des Zolls auf Schiffe und Boote, und mit 206 gegen 146 Stimmen die Restitution des Zolls für die Materialien und die Ausrüstungsgegenstände van neugebauten Schiffen beschlossen. Der Antrag des Abg. Alin: „der Regie⸗ rung zum Zweck der Aufrechthaltung der Neutralität einen Betrag von 6 500 000 Kronen resp. 2 500 009 Kronen zur Verfügung zu stellen“, wurde dem Antrage des Staatsausschusses gemäß abgelehnt. Dagegen wurde der Antrag des Abg. Söderberg angenommen: „die Regierung in einem Schreiben um eine Untersuchung zu bitten, in wieweit es durch die Fürsorge der Staatabehörden möglich sein möchte, den Unbemittelten und weniger Bemittelten die Gelegenheit zu verschaffen, unter passenden Bedingungen eigene landwirthschaftliche Wohnsitze zu errichten, besonders auf den im Lande noch vorhandenen großen anbaufä higen Heideländereien.“
Die Zweite Kammer hat den Gesetzentwurf, betreffend die Bildung von Krankenkassen und die Anweisung der Mittel . Hebung des Krankenkassenwesens, mit den von der Ersten Kammer beschlossenen Aenderungen angenommen.
Zu Anfang des Monats Februar ließ die Regierung dem Reichstage zwei die unionellen Fragen der beiden Reiche betreffende Vorlagen zugehen, von denen die eine eine Aenderung und einen Nachtrag zur Reichsakte und die andere eine Abänderung des 8. 11 der Regierungsform bezweckte. In die Reichsakte sollte die Bestimmung aufgenommen werden, daß der sogenannte ministerielle Conseil aus je drei Mitgliedern des schwedischen und des norwegischen Staats⸗ rathes bestehen soll, und diese Abänderung sollte in der Ver⸗ sefung. verzeichnet werden. Der Konstitutionsausschuß des eichstages hat nunmehr, wie die „Post⸗ och Inr. Tidn.“ meldet, einen eingehenden Bericht nicht nur über die Vorlagen selbst, sondern auch über die Lage der unionellen Angelegenheiten überhaupt erstattet. Der Ausschuß hebt einleitend hervor, daß die Reichsakte nicht bloß bezüglich des Einflusses beider Reiche auf die diplomatischen Angelegenheiten, sondern noch in anderen Beziehungen eine Gleichstellung beider Reiche vermissen lasse. Während die schwedische Verfassung das Dizpositionsrecht des Königs über bie Kriegsmacht Schwedens in keiner Richtung beschränke, könne der König dagegen nicht ohne Genehmigung des Storthings die Truppen und die Schärenflotte Nor⸗ wegens in einem Angriffskriege verwenden, und 5§. 25 der norwegischen Verfassung enthalte außerdem ein unbedingtes Verbot der Verwendung der Landwehr und der übrigen norwegischen Truppen, die nicht zu den Linientruppen gerechnet werden könnten, außerhalb der Grenzen
Norwegens. Und da die Verfassung Norwegens nichts darüber enthalte, was unter Linientruppen oder Landwehr verstanden werden solle, und bezüglich der Stärke dieser verschiedenen Abtheilungen der Kriegsmacht Norwegens auch nichts vor— geschrieben sei, so könne Norwegen, indem es den besten und geübtesten Theil seiner Truppen der Landwehr zuweise, die Linie oder den Theil der Armee, der zur gemeinschaftlichen Vertheidigung beider Reiche verwendet werden könne, zu einer Stärke herabbringen, die in keinem angemessenen Verhältniß zu der Größe der Armee stehe, womit Schweden sowohl zu seiner eigenen wie zur Vertheidigung Norwegens beitrage; und das könne um so leichter geschehen, als ein Beschluß des Storthings bezüglich militärischer Angelegenheiten auch ohne die Mitwirkung des Königs gesetzliche Gültigkeit erlangen könne, während in Schweden unbedingt die Genehmigung des Königs sea,, sei, um die Stärke der Kriegsmacht unter diesenige herabzu⸗ bringen, welche durch die geltenden gesetzlichen Bestimmungen vor⸗ geschrieben ist Daß die Regierungsvorlagen jetzt nur die Frage wegen des Rechtes Norwegens bezüglich der diplomatischen Angelegenheiten berühren, ohne die Grenzen seiner Verpflichtungen zur gemeinschaftlichen Vertheidigung zu erweitern, ist dem Ausschusse ein genügender Grund, um dem Reichstage die Ablehnung dieser Vorlagen zu empfehlen. Um die Veranlassungen zu den Mißhelligkeiten zwischen den beiden Nationen zu beseitigen, sei eine umfassendere Revision der Unions⸗ akte erforderlich. Diese Revision müsse von dem unveränderlichen Grundsatz ausgehen, daß die beiden unter einem König ver— einigten Reiche bezüglich der inneren Angelegenheiten vollkommen selbständig im Verhältniß zu einander sind, während sie bezüglich des Verhältnisses zu den fremden Mächten eine organische Ein— heit mit gemeinschaftlicher Vertheidigung und gemeinschaft— licher Leitung bilden. Die gegenseitigen Pflichten der beiden Völker bezüglich der gemeinschaftlichen Vertheidigung müßten aber in der Unionsakte enthalten sein, und bezüglich der gemeinschaftlichen Leitung der äußeren Angelegenheiten müsse bestimmt werden, daß sie, während sie jetzt schwedisch ist und nur vor dem schwedischen Reichstage konstitutionell verant— wortlich, unionell wird, sodaß der Minister des Aeußern eben— sowohl ein Norweger wie ein Schwede sein und er unter einer für beide Reiche gemeinschaftlichen Verantwortlichkeit thätig sein könne. Die Unionsakte müsse also alle Vorschriften an— geben, die als unionelle zu betrachten seien und die nur durch Üübereinstimmende Beschlüsse des Königs und der National⸗ präsentationen beider Reiche verändert oder aufgehoben werden könnten. — In der heutigen Sitzung der Ersten Kammer empfahl nun Graf Sparre, ohne in eine Prüfung der rechtlichen Verhältnisse der beiden Reiche einzugehen, die Vor⸗ schläge der Regierung abzulehnen. Dieser Antrag wurde nach längerer Verhandlung ohne Abstimmung gußsgeheißen. Die Zweite Kammer nahm folgende Resolution des Abg. Herslow an: „Ohne auf eine Prufung der Begrün— dung des Ausschusses einzugehen, erachtet der Reichstag, schon aus dem Grunde der Regierungsvorlage, betreffend die Aende⸗ rung des §. 5 der Reichsakte, nicht zustimmen zu können, weil die Vorlage dem Storthinge Norwegens nicht gleichzeitig unter⸗ breitet werden konnte“. Ohne Diekussion wurden alsdann die Vorlagen selbst nach den Ausschußanträgen abgelehnt.
(b) — 10. Mai. Eine Aeußerung des Premier⸗Ministers Akerhielm in einem großen Kreise von Mitgliedern der Ersten Kammer aus Anlaß des Wehrpflichtgesetzes („Haben wir erst die 90 Tage Uebungszeit, dann können wir mit den Norwegern schwedisch sprechen“), die in vielen hiesigen und fast allen norwegischen Blättern mit großer Leidenschaft diskutirt wird, kann „Nya Dagl. Alleh.“ als vollständig entstellt bezeichnen. Weit entfernt, irgend welche Drohung gegen Norwegen aus— sprechen zu wollen, habe die Aeußerung die vollkommen richtige Behauptung enthalten, daß eine Zustimmung zu dem Vorschlage der Regierung wegen ausgedehnter Waffenübung sowie die Verstärkung der Vertheidigung des Landes im Uebrigen, welche der König leider vergeblich vom Reichstage verlangt habe, sehr geeignet sein werde, nicht nur den Norwegern, sondern auch anderen Nationen gegenüber, mit welchen allen Schweden glücklicher Weise in freundschaftlichen Verhältnissen lebe, das Gewicht der Worte Schwedens zu erhöhen und darzuthun, daß hinter diesen Worten ein Volk stehe, das gerade durch die beobachtete Fürsorge für die eigene Würde mit Fug Anspruch auf die Achtung vor Andern und Rücksicht auf seine Wünsche erheben könne.
Amerika.
Vereinigte Staaten. Präsident Harrison ist
auf seiner Rückreise nach dem Osten am 9. d. M. in Salt⸗ Lake-City eingetroffen und von der Bevölkerung enthusiastisch empfangen worden. Der brasilianische Gesandte in Washington demen⸗ tirt amtlich die Gerüchte, daß der Gegenseitigkeits— vertrag zwischen den Vereinigten Staaten und Brasilien nicht durchgeführt werde. Der Vertrag würde, wie er erklärt, im Gegentheil genau in allen Punkten, wie am 31. Januar letzten Jahres abgemacht, zur Ausführung gelangen.
Nach einem in New⸗Hork eingetroffenen Teiegramm aus Los Angelos ist der Schooner „Robert und Minnie drei Meilen von San Pedro durch den Bundes-Hülfsmarschall Anderson mit Beschlag belegt und in den Hafen bugsirt worden. Die an Bord des Schooners gesuchten Waffen waren verschwunden und befinden sich jetzt, wie man glaubt, auf dem chilenischen Dampfer „Itala“.
Chile. Zur Lage in Chile ist, dem „D. B. H.“ zu⸗ folge bei der Berliner chilenischen Gesandschaft eine offizielle Depesche eingelaufen, welche meldet: Die Re⸗ gierung hatte die Vermittelung der Vertreter von Brasilien, der Vereinigten Staaten und von Frankreich angenommen und zwar auf der prinzipiellen Basis, daß die Vermittler die Vorschläge, der Insurgenten der Prüfung der Regie⸗ rung unterbreiten sollten. Zwei Tage nachher haben die . Vermittelung delegirten Gesandten von der Regierung ver⸗ angt, daß sie ihrerseits ihre Vorschläge machen solle, ohne — die Vorschläge der Insurgenten der Regierung unter⸗ breitet zu haben; sie gaben hierfür als Grund an, daß die Injur⸗
enten ihre Propositionen zunächst geheim halten wollten. Die Regierung hat hierauf erklärt, daß sie bereit sei, eventuelle Vorschläge in Berathung zu ziehen; es müßten ihr indessen vorher die Vorschläge der Insurgenten zur Kenntniß gebracht werden. In Folge dessen wurden die Verhandlungen vollständig aufgehoben.
Parlamentarische Nachrichten.
In der heutigen (18) Sitzung des Herrenhauses, welcher der Präsident des Staats⸗Ministeriums, Reichskanzler von Caprivi, der Justiz⸗Minister Dr. von Schelling und der Finanz⸗Minister Dr. Miquel beiwohnten, theilte der Präsident Herzog von Ratibor zunächst mit, daß der Graf Pfeil-Burghauß-Laasan in das Herrenhaus ein⸗ getreten ist.
Auf der Tagesordnung stand als erster Gegenstand der mündliche Bericht der XI. Kommission über den abweichenden Beschluß des Hauses der Abgeordneten in Betreff des 8. 17 des Entwurfs eines Einkomm'ensteuergesetzes.
Der Berichterstatter Graf Udo zu Stolberg⸗ Wernigerode beantragte Namens der Kommission dem §. 17 des per ne rn Gesetzentwurfs in der vom Hause der Abgeordneten beschlossenen Fassung unverändert die ver⸗ fassungsmäßige Zustimmung zu ertheilen. Er empfahl diesen , . im Interesse des Zustandekommens dieses
esetzes.
Der Fürst zu Wied empfahl folgende Resolution:
Der Staatsregierung auszusprechen, 1) daß in dem weiteren Gange der Steuerreform das System der progressiven Steuer keinen Eingang finde; 2) daß dagegen eine verschiedene Besteuerung des fundirten und nicht fundirten Einkommens als erwünscht anzu⸗ seben sei; 3) eine Besteuerung des fundirten Einkommens über den Maximalsatz von 40 hinaus als irrthümlich zu betrachten; 4) daß eine entsprechende Erleichterung des nicht fundirten Einkommens anzustreben sei.
Fürst von Hatzfeldt legte Verwahrung gegen die Insinuation ein, als hätte das Herrenhaus sich früher aus Liebe zu plutokratischen Interessen gegen den Steuersatz von 4. Proz. gestimmt. Er werde diesmal für die 4 Proz. . um die Durchführung der Steuerreform nicht zu ge⸗ ährden.
Der Finanz⸗Minister Dr. Miquel wies darauf hin, daß auch die Staatsregierung ursprünglich den Steuersatz von 3 Proz. für das Richtige gehalten habe. Indessen habe sie aus dieser Frage keine Prinzipienfrage machen können. Andere Staaten, wie Baden, Hamburg u. s. w. hätten ohne Schaden höhere Sätze als 3 Proz. eingeführt. Die Regierung betrachte den jetzigen Tarif nur als einen provisorischen. Die Regierung stehe ganz auf dem Boden der Resolution des Fürsten zu Wied. Eine Nachgiebigkeit des Herrenhauses in dieser ver— bältnißmäßig kleinen Frage würde nicht die Ehre und das Ansehen des Herrenhauses verletzen, sondern im Gegentheil ein Akt politischer Weisheit und des Patriotismus sein.
Graf von Mirbach und Herr von Pfuel erklärten aus politischen Rücksichten für den Beschluß des Abgeordneten⸗ hauses stimmen zu wollen.
Ober⸗Bürgermeister Zweigert hielt an dem früheren Beschluß des Herrenhauses fest. Die Beschlüsse des anderen Hauses stellten eine Progressivsteuer dar, und diesen Schritt wollte er nicht mitmachen.
Finanz-Minister Dr. Miquel bestritt, daß Jemand im Abgeordnetenhause sich im Prinzip für die Progressivsteuer ausgesprochen habe.
Ober-Bürgermeister Bötticher (Magdeburg) sprach sich für die Annahme der Beschlüsse des Abgeordnetenhauses aus.
Finanz⸗Minister Dr. Miquel erklärte nochmals, daß die Regierung gegen die Annahme der Resolution des Fürsten zu Wied nichts einzuwenden habe.
Graf von der Schulenburg-Beetzendorf bemerkte, daß, wenn er bei der ersten Lesung zugegen gewesen wäre, er für die 4 Proz. gestimmt haben würde. Er werde auch heute für die 4 Proz. stimmen, nach pflichtmäßigem Ermessen, un⸗ beeinflußt durch die Angriffe gewisser Blätter gegen den Adel. (Schluß des Blattes.)
— In der heutigen (87.) Sitzung des Hauses der Ab⸗ geordneten, welcher der Minister des Innern Herrfurth und der Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Graf von Zedlitz-Trützschler beiwohnten; wurde zunächst in dritter Berathung der Entwurf einer Städteordnung für den Regierungsbezirk Wiesbaden mit einigen redaktionellen Aenderungen, welche der Abg. Zelle beantragte und mit denen der Minister des Innern Herrfurth sich ein— verstanden erklärte, angenommen.
Es folgte die erste Berathung des Gesetzentwurfs, be— treffend die Verlegung der Lande s-Buß-⸗- und Bettage. Der Abg. Goldschmidt beantragte, den Gesetzentwurf einer Kommission von 14 Mitgliedern zu überweisen. Die Abgg. Schultz (Lupitz) und Engels schlossen sich diesem Antrage an.
Abg. von Rauchhaupt erklärte die vorherige Verein⸗ barung eines Kirchengesetzes für unerläßlich.
Abg. Dr. Freiherr von Heereman lehnte Namens des Centrums die Zustimmung zu dem Gesetze ab, da Feier⸗ tage für die Katholiken nur von ihrem kirchlichen Oberhaupt angeordnet werden könnten.
Abg. Francke nahm auf das Allgemeine Landrecht Bezug, um nachzuweisen, daß die Anordnung und Verlegung bürgerlicher und gemischter Feiertage Sache des Staats allein sei.
Abg. Richter sprach sich gegen den vorgeschlagenen Tag aus und verlangte zuvor die Befragung der in Betracht tommenden Vertretungen von Gewerbe, Industrie und Land⸗ wirthschaft
Der Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten Graf von Zedlitz-Trützschler erklärte, daß nach der Auffassung der Regierung die staatsrechtliche Zulässigkeit des Gesetz⸗ entwurfs außer Zweifel sei, da sämmtliche Kirchenregimenter Norddeutschlands sich auf den vorgeschlagenen Tag bereits geeinigt hätten, hatte aber gegen eine Kommissionsberathung nichts einzuwenden. (Schluß des Blattes.)
Nr. 19 des „CGentralblatts ver Bauverwaltung“, berausgegeben im Ministerium der öffentlichen Ar beiten, hat folgenden Inhalt: Amtliches: Personal⸗Nachrichten. — Nichtamtliches: Staatzeisenbahn auf der Westküste von Sumatra (Schluß) — Festigkeit der Baustoffe, die Tragfähigkeit des Bau⸗ grundes und die Belastung der Bauwerke. — Akustische Verhältnisse einiger römischen Kirchen. — Deutschlands Verbrauch an Eisen und die Bedeutung des basischen Flußmetalls. — Vermischtes: Preis⸗ bewerbung zur Gewinnung von Entwürfen zu „Urania. Säulen“. — Technische Dochschule in Berlin-Charlottenburg. — Großherzogliche Technische Hochschule in Darmstadt. — Schiffahrtsverkehr auf der kaaalisirten Mainstrecke zwischen Mainz und Frankfurt a. M. — Auf⸗ siudung der Nordlinie ohne Kompaß. — Ünsere Hünengräber. — Polizei Verordnung über die bauliche Anlage und innere Einrichtung von Theatern u s. w. — Nutzbarmachung der Niagarasälle. — Preis des Aluminiums.