1891 / 110 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 12 May 1891 18:00:01 GMT) scan diff

ü a der Regierrng aus Interessentenkreisen unentgeltlich und . , . überwiesen oder die Erstattung der sämmtlichen, von der *, dafür aufzuwendenden Kosten rechts- ältig übernommen und sichergestellt sei. Er habe alt Referent den

inlster der öffentlichen Arbeiten gefragt, ob er sich nicht damit be⸗ gnügen wolle, wenn die erforderliche Summe sicher gestellt werde, pbber ob er darauf bestebe; den Grund und Boden in natura zu er. halten. Er habe den Minister gebeten, sich mit der betreffenden Summe ju begnügen, weil wobl für Die Beschaffung dieser Summe, aber nicht für die des Grund und Bodens Aussicht porhanden sei. Der Minister babe dies aber entschieden ab⸗ ewiefen und erklärt, die Regierung verlange den Grund und Gren poll und ganz. Darüber seien zwei Jahre vergangen und der Grund und Boden babe nicht beschafft werden können. In Folge deffen sei das Gesetz vom 14 April 1899 angenommen worden, worin die Regierung ermächtigt werde, mit der Ausführung des Gesetzes der Regulirung der Oder von Breslau bis Kosel vorzugehen, wenn' aus Interessentenkreisen als Beitrag zu den Kosten für den Grunderwerb 1617100 60 in rechtsgültiger Form übernommen und sichergestellt seien. Die Stadt Breslau habe sich bereit erklärt, 456 005 ½ für die Durchführung des großen Schiffahrtsweges durch ie Stadt zu bewilligen. Dabei habe sie noch den pekuniãten Vor · theil gehabt, die Unterhaltung von Großwehren, die ihr obliege, da⸗ durch los zu werden. Der Stadt Breslau seien zwei Projekte vorgelegt worden, das eine babe die Verbesserung des Schiffahrtsweges durch die Stadt felbst, das zweite eine Umgehung der Stadt durch einen neu anzulegenden Kanal entbalten. Die Behörden der Stadt Breslau hätten sich mit fehr geringer Mehrheit für die Durckfübrung des großen Schiffabrtsweges durch die Stadt erklärt. Am 10. Mai 1890 habe ein Ministerial Reskript eine Interessentenversammlung berufen, worin der Regierungsvertreter erklärt habe daß der Minister an dem Projekt festhalte, welches dem Gesetz von 1888 zu Grunde liege. Man Fürfe aber der Regierung vertrauen, daß wenn erst die Schiffabrtsstraße eröffnet fein werde, alle weiteren Interessen der Schiffahrt unter⸗ geordnet werden sollten. Dunkel sei der Rede Sinn dieses letzten Satzes. Es sei ferner erklärt worden, die Bauverwaltung solle das Bild der Lage möglichst klarlegen, damit diese nicht nach Fertig · stellung des Werkes irgendwo enttäuschten Gesichtern gegenüberstehe. Die fernere Erklärung, daß der Ladeverkebr und das Anhalten der Schiffe in der Stadt aufbören müsse, habe in Breslau vollstãndig über⸗ räscht. Wenn die Schiffe passiren müßten, aber nicht anhalten und löfchen dürften, so wirke. das für die Interessenten. gerade fo, als wenn ein Bahnbof gebaut. werde, in dem die Züge nicht anbielten. In Folge einer Interpellation in der Stadt⸗ verordneten Verfammlung hätten sodann die städtischen Be—⸗ hörden von Breslau beschlossen, die Summe von 450 009 6, zu deren Leistung fie fich der Regierung gegenüber verpflichtet hätten, urũck⸗ zuziehen. Der Ober⸗-Präsident babe sodann die Stadt ersucht, Frage bogen an die Interessenten, ob diese Geld für das Projekt bewilligen wollten, zu versenden. Die stãdtischen Behörden bätten das aber abgelehnt. Darauf habe der Ober ⸗Präsident Lie Stadt aufgefordert, einen Vertragsentwurf einzureichen, wie sie sich die weitere Fort führung der Sache denke. Dieser Entwurf sei eingereicht worden und pon dem Ministerium als unannebmbar zurückgekommen. Eine Einigung zwischen städtischen Bebörden und Ministerium sei nun? schwer und daran scheitere die Durchführung des Pro- jekts. Es entstehe nun in der ganzen Provinz eine Beunrubigung barüber. Der Rbein⸗Emskanal sei gesichert, theilweise schon in Bau genommen. Der Landtag babe aber beide. Kanal Projekte für die Oder und für den Rbein⸗Emskanal als ein Ganzeg zusammen bewilligt, wie sie auch von Der Regierung vorgelegt ohrden feien. Nun sei der eine Tbeil in Frage gestellt. Werde der Rhein⸗Ems⸗Kanal vor dem Oderkanal fertig, so komme Schlesien mit beim Abfatz feiner Bergprodukte vollkommen ins Hintertreffen gegen über der Konkurrenz von Rbeinland und Westfalen. Bezüglich der zweiten Frage der Interpellation bemerke er, daß er als Referent über das frübere Gesetz auf Grund einer Petition der Breslauer Schifferinnung seine großen Bedenken darüber geäußert habe, ab es wöhlich fein werde, einen großen Schiffabrtsweg durch die Stadt zu führen. Die Breslauer Schifferinnung sei doch ent⸗ schieden fachverständig. Sie babe ausgeführt, daß unter den verschiedenen Brücken der Oder bei erheblichem Wasserstande die Kähne nicht mehr durchkämen und einen Fall angeführt, in welchem es vier Wochen lang nicht möglich gewesen sei, einen Kahn durch die Brücken zu bringen. Pro Tag passirten die Stadt 200 Kähne, und gerade bei der Brücke der rechten Oderuferbahn würde das Zufammenlaufen dieser sämmtlichen Schiffe das Durch schleusen sehr erschweren. In der Schlesischen Zeitung“ würden auch bie Bedenken gegen die Durchfübrung des großen Weges durch Breslau dargelegt. Zwei Schleusen würden nicht genügen, um den Verkehr bei angestrengtester Arbeit bei Tag und Nacht zu bewältigen, Es würden neue Vorkehrungen dafür erforderlich sein, und dafür sei in Aussicht genommen, daß nicht die einzelnen Käbne, sondern ganze Schlexperzüge von Dampfern geschleypt würden. Dam sei eine Schleuse von 35 m Länge und eine Anfabrt zu derselben nöthig. In einer so eng bebauten Stadt könne ein Schleusennfer von 600 m Länge nur mit ungezählten Millionen bergestellt werden. Die Regierung scheine jhm nun, wenn sie es auch nickt sagen wolle, selbst zu der Ueber⸗ zeugung gekommen zu sein, daß es ein Febler gewesen sei, den großen Schiffahrtsweg durch Breslau legen zu wollen, und daß der. Weg um die Stadt in Aussicht zu nebmen sei. Sollte das ein so großer Nachtheil für Breslau sein? Als der erste Bahnbof der vberschlesischen Fisenbahn in Breslau gebaut worden sei, babe sich ein allgemeines Geschrei erhoben, daß er so weit vor der Stadt liege. Heute aber liege er schon mitten drin. Ferner sei in Breslau eine Verbindungsbahn gekaut, und mit sckwerem Herzen habe das Haus im vergangenen Jabre eine neue Verbindungsbabn bewilligt, die im großen Umkreise um Breslau berumgebe. Der Schluß liege danach nahe, daß, wenn auch jetzt dieser Kanal weit um Breslau herumgeführt werde, er auch sebr bald in der Stadt selbst liegen werde. Vor der Stadt aber seien große Lagerräume perfügbar. Allerdings würden dafür weit mehr Kosten erforderlich sein, als für die Durchführung des Weges durch die Stadt. Der vorige Ober⸗Bürgermeister von Frankfurt a. M. Dr. Miquel babe ibm im vorigen Jahre mitgetheilt, daß allein der verbilligte Koblentransport nach Frankfurt 6 0, Zinsen des gesammten Anlagekapitals fuͤr die Mainregulirung eingebracht habe. Sollte das nicht auch für Breslau eintreten? Der Ladeverkeht werde das Anlagekapital' ebensogut verzinsen, wenn der Kanal um die Stadt herumgehe. Die Stadt Frankfurt müsse jetzt schon ihren Kanal in der Stadt vertiefen und die Schleusen vergrößern, weil der Verkehr nicht mehr zu bewältigen sei. Breslau hahe keinen geringeren Verkehr als Frankfurt. Der Durchgangsverkehr babe im vorigen Jahre in Breslau eine Million Tonnen, in Frankfurt 1260 000ft betragen. Wenn Breslau mit Hamburg durch Kanäle verbunden werde, werde der Verkehr auf der Oder noch größer werden. Nach den neuesten Nachrichten sei im österreichischen Handels vertrage der Hollzoll erheblich vermindert worden, in einem Handels- blatt habe er das wenigstens gelesen. Der Holzhandel in Breslau liege jetzt darnieder, werde aber ungeahnte Dimensionen annehmen, wenn der Polzzoll mit Oesterreich verbilligt werde. Die ge— sammten Holzhändler warteten schon darauf. Er bitte die Regie⸗ rung um eine möglichst klare und bestimmte Erklärung, damit die Beunruhigung in der Provinz verschwinde.

Ministerial⸗Direktor Schulz: In der Begründung des Gesetz⸗ entwurf, betr. die Kanalisirung der oberen Oder vom Jahre 1886, sei von der Staatsregierung darauf hingewiesen worden, daß für den letzten Theil des Kanalssirungsprosektz neben der Durchführung der Schiffahrtsstraße durch die Stadt Breslau die Herstellung eines Umgehungskanals durch die Ohlauer Vorstadt in Erwägung gezogen sei, daß aber, wenn auch für diesen letzteren Kanal gewisse Rücksichten sprächen, die Regierung dennoch mit Rücksicht auf die hervorragende Bedeutung der Hauptstadt Breslau den Wünschen der städtischen Be⸗ börden entgegenkommen und die Durchführung des Schiffahrts⸗ kanals durch die Stadt Breslau gewähren zu sollen glaube.

nzwischen seien bei der Königlichen Staatsregierung immer . Petitionen von Schiffern eingegangen, die darauf hin⸗ gewiesen hätten, daß die von der Kanalisation zu erwartenden Vortheile burch die Wahl des an Gefahren und Beschwerlichleiten reichen Weges durch die Stadt selbst zum großen Theil in Frage gestellt wärden, und bei der in Folge der Oderkanalisation zu erwartenden Vermehrung der Oderschiffabrt habe sich die Staatsregierung selbst gewiffen Zweifeln an der Richtiskeit des angenommenen Weges nicht entschlagen können. Trotzdem habe Lie Regierung mit Rücksicht auf den Wunsch der stãdtischen Behörden von Breslau nicht selbst die Initiative zu einer Aenderung des Projektes ergreifen zu sollen geglaubt. Sie habe, ehe an die Arbeiten herangetreten worden sei, in einer Konferenz, zu der sämmtliche Interessentengruppen eingeladen gewesen seien, die für und wider sprechenden Gründe genau erörtert, und versuchen wollen, ob die städtischen Behörden von Breslau nicht ihrerseits zu der Ueberzeugung von dem Vortbeil des Umgehungskanals zu bringen wären und selbst den Antrag auf Aenderung des Projektes ein- brächten. Der Versuch sei mißlungen, die stãdtischen Behörden von Breslau seien nicht nur bei ihrer Auffassung stehen geblieben, sondern sie hätten aus einer von dem Ministerial⸗Kommissar in der Konferenz vorgebrachten Aeußerung, daß, wenn der Schiffahrts⸗ weg durch die Stadt Breslau gelegt werde, der Umschlags verkehr in' Breslau aufhören werde, Anlaß genommen, zu erklären, unter diefen veränderten Umständen fielen die von der Stadt Breslau erwarteten Vortheile fort, und ferner erklärt, daß ie in Folge deffen aus dem Kreise der Interessenten für die Kanalisirung ihrer · seits ausschieden und die früher bereits übernommene Vorausleistung zurückziehen müßten. Es fei nicht richtig, daß die erwähnte Bemer— kung des Ministerial⸗Kommissars eine Aenderung des ursprünglichen Projektes enthalte, die Aufrechterhaltung des Ümschlagsverkehrs sei don vornherein nicht in Aussicht genommen gewesen, denn die Re⸗ gierung habe geglaubt, daß bei Gelegenheit der Oderkanalisirung kas lange gehegte Projett der Anlegung eines Hafens in der Stadt Breslau zur Durchführung gelangen werde, Die erste in der Interpellation enthaltene Frage könne er, danach unbedingt ver⸗ neinen. Der Minister der öffentlichen Arbeiten, der zu seinem Bedauern durch Unwoblsein verhindert sei, dieser Sitzung an u wohnen, habe Spezialverhandlungen in der Sache veranlaßt, nachdem die Vor⸗ arbeiten gesichert erschienen seien. Das Projekt der Dderkanalisirung felbst sei von der Frage, welchen Weg die Wasserstraße bei Breslau zu nehmen habe, völlig unabhängig, und es habe an das Proiett felbst Ferangetreten werden können, ohne dieser Breslauer Frage irgendwie zu präjudiziten. Der von den Breslauer städtischen Be⸗ hörden gefaßte Beschluß, aus dem Kreise der Interessenten auszu⸗ scheiden, sei insofern für die Staatsregierung nicht ganz unangenehm, als für diese jetzt völlig freie Hand geschaffen sei, und die Frage obne Rücksicht auf die Wünsche der stãdtischen Behörden rein nach fachlichen und technischen Gründen gelöst werden könne. Was die zweite Frage anbetreffe, so sei die Regierung in diesem Augenblick nicht in der Lage, darauf, eine bestimmte Antwort zu geben, da“ die technischen Ermittelungen noch nicht abgeschlossen feien. Würde sich nach Abschkuß dieser Ermittelungen die Staatsreglerung zu einer Aenderung des ursprünglichen Pro⸗ jektes veranlaßt sehen, so würde sie sich verpflichtet sehen, die Zustimmung des Landtages dazu einzuholen. Mit Wabrscheinlichkeit glaube er in Aussicht stellen zu können, daß die Staatsregierung fich für den Umgehungskanal entscheiden werde. Auf das ursprüng⸗ liche Umgehungskanalprojekt werde wegen theilweis erfolgter Be⸗ bauung des dazu nötbigen Terrains nicht zurückgegriffen werden können, fur die Fortschaffung des Hochwaffers werde ein Theil der alten Oder von der Hunesfelder Brücke bis zum Jendelberg und von da ein neuer Kanal in Anspruch genommen werden. Ein solches Projekt werde den Vortheil baben, daß der Schiffabrtsverkebr ungehindert vom Hochwasser, unge⸗ hindert durch Brucken und Engen der Stadt sich werde entwickeln können, daß ausreichend Gelegenheit zur Etablirung von Umschlagsvorrich⸗ tungen und Schienenverbindungen gegeben werde, daß schließlich eine Verbesserung der versumpften Glogauer Vorstadt in sanitärer Hin⸗ sicht geschaffen werde, und schließlich, daß eine solche Verringerung ber Kosten eintrete, daß es möglich sei, von dem Beitrag, den die Stadt Breslau in Aussicht genommen hatte, vollständig abzusehen. Bie Regterung müsse aber darauf seben, daß der neue Schiff ahrtsweg Men beächtenswerthen AÄnsprüchen entspreche, und wenn die Vorver⸗ handlungen, von denen diese Verhältnisse Aabhingen, geklärt seien, boffe die Regierung, in der nächsten Session mit einem Projekt an den Landtag heranzutreten, das sich allgemeinen Beifalls zu erfreuen werde. . , Üdo zu Stolberg⸗Wernigerode: Er habe die Ab⸗ sicht gebabt, eine Besprechung der Interpellation zu beantragen. In Rückficht auf die eben gehörten Erklärungen aber werde er diesen Antrag nicht stellen. ; Damit ist die Interpellation erledigt.

Die Staatsschuldenverwaltung wird für das Jahr 1889 50 entlastet, der Bericht über den Verkauf einer Stadtbahnparzelle durch Kenntnißnahme erledigt, ebenso der Bericht über die Aus führung der Eisen bahn⸗ verstaatlichungsgesetze. 31

Es folgt die Berathung der Petition des Vereins Berliner? Wohnungsmiether, betreffend die Er⸗ mäßigung der Eisenbahntarife im Vorortverkehr.

Referent Graf von Frankenberg: Der Verein Berliner Wobnungsmietker sei schon früher an den Minister mit einer ähn- lichen Petition berangetreten, und in Folge dessen sei ein Erlaß des Ministers an alle Eisenbabn Direktionen ergangen, Danach sei die Herabsetzung der Eisenbahntarife eine sehr erbebliche, es sei herunter⸗ gegangen worden bis auf 1 3 pro Kilometer; so in mehreren großen Städten wie Berlin, Frankfurt a. M., Breslau, Köln u. s. w. Hier · aäf entfielen 155 o aller auf. den Staatsbahnen. zurück. gelegten Reisen, und davon allein 77 Millionen Reisende auf Berlin. Diese erbebliche Herabsetzung genüge den Antragstellern aber nicht; sie wänschten, daß den Arbeitern eine noch viel billigere Fifenbahnfabrt nack den Vororten, bis auf 4 8 pro Kilometer ge— währt werde. Die Kommiffion babe sich diesen Forderungen gegenüber ablebnend verbalten, weil sie meine, daß die Regierung schon ein gan erbebliches Entgegenkommen bewiesen babe, wo ein wirkliches Be⸗ dürfniß vorliege. Die Petenten behauyteten zwar, daß der Erlaß gar keine Wirkung gebabt habe; aber im Staat? Anzeiger fei festgestellt worden, daß für alle größeren Städte zum Theil auf Kosten des vlatten Landes schon sebhr viel geschehen sei und man das Röchethum Berlins nicht noch mehr befördern müsse, Die Kom. missien babe desbalb und besonders in Folge der Erklärung des Regierung kommissars, daß weitere Tarifermãaßigungen für den Stadt⸗˖ und Vorortverkebr in Erwägung gezogen seien, geglaubt, diese Petition nicht zur Berücksichtigung uüͤberweisen zu sollen und beantragt zur Tagesordnung uber zugeben. .

Das Haus beschließt demgemäß. .

Eine Petition um Regelung der Pensionsverhält⸗ nisse der besoldeten MNagistratsbeamten wird der Regierung als Material überwiesen. .

Ueber eine Petition von pensionirten rheinischen Gemeindebeamten um Gewährung der Pensions⸗ berechtigung nach den für die unmittelbaren Staats beamten geltenden Grundsätzen wird mit Rücksicht auf die vom Minister des Innern am 22. Januar abgegebene Erklarung zur Tages⸗2 ordnung übergegangen. ; . ö.

Zum Schluß folgt der Bericht der Petitions kommission über eine Petition der Kreistags-Kommission von Höxter um Verlegung des Landrathsamts von Hörter nach Brakel. Die Kommission beantragt, die

Graf von Klinkowström beantragt Uebergang zur Tages ordnung.

Brühl befürwortet den Antrag der Kommission. ,, , . far erklärt sich für die Verlegung des Landrathgamts nach Brakel. 3.

8 Haus beschließt, über die Petitien zur Tages⸗2 ordnung überzugehen. Schluß 31“ Uhr.

Saus der Abgeordneten. 86. Sitzung vom Montag, 11. Mai.

Ohne erhebliche Debatte wird, entsprechend dem Antrage der Wahlprüfungskommission, die schon früher beanstandete Wahl des Abg. Hr. Stüve (2. Osnabrück) nach dem Ergebniß der stattgehablen Ermittelungen für ungültig erklärt.

Zahlreiche Petitionen, welche von den Kommissionen zur Erörterung im Plenum für nicht geeignet erachtet sind, werden für erledigt erklärt.

In dritter Lesung wird der Gesetzentwurf, betreffend die Veränderung von Amtsgerichtsbezirken, angenommen.

In der ersten Berathung der Gesetzentwürfe, betreffend die Heranziehung der Fabriken u. s. w. mit Voraus⸗ leiftungen für den Wegebau in der Provinz Schleswig-Holstein mit Ausnahme des Kreises Herzogthum Lauenburg, und in der Rheinprovinz, beantragt .

Abg. von Jagow die Ueberweisung an eine Kommission, da die Vorlage einiger Abänderungen bedürfe. ;

Gebeimer Ober ⸗Regierungs Rath von Zedlitz: Die Vorlage entspreche in der Form durchaus den früheren Geseßen gleicher Art. Ein Bedürfniß zu einer gesetzlichen Regelung derjenigen Punkte, welche bisher durch die Judikatur des Ober -Verwaltungsgerichts entschieden worden seien, habe sich bisher nicht geltend gemacht.

Abg. Jürgensen befürwortet die Ausdehnung des Kreises derjenigen, welche zur Stellung eines bezüglichen Antrages auf Heranziehung berechtigt seien, wenigstens auf die Landkreise, bei denen das Bedürfniß bierzu in ganz erbeblichem Maße vorliege, wenn auch für die Stadtkreise zur Zeit ein Interesse in dieser Be⸗— ziehung nicht vorhanden sei. .

Abg. v. low (Wandsbekß:; Die Mehrzahl der Landwirthe habe sich für diese Forderung nicht erwärmen können, da die In dustrie in den Landkreisen der Provinz wenig entwickelt sei und die gegebene Fakultät also kaum zur praktischen Anwendung kommen werde. In einzelnen Kreisen aber werde allerdings durch Ziegeleien eine große Wegebaulast den Kreisen aufgebürdet. Er persönlich werde für die Ausdebnung der Berechtigung stimmen. Es handle sich ja nur um das Recht zur Stellung eines Antrages über welchen der Kreisausschuß bezw. Bezirksausschuß werde zu entscheiden haben.

Geheimer Ober ⸗Regierungs-Rath Gamp: Der Wunsch, das Gesetz bald zu erhalten, werde seiner Erfüllung dadurch nicht näber gebracht, daß der Kreis der Antragsberechtigten über die Gemeinden hinaus ausgedehnt werde. Die Staatsregierung müsse nach wie vor diesen Wünschen Widerstand entgegensetzen; die Handels. und Gewerbe verwaltung finde darin eine allzu unbillige Belastung der Industrie. Für keine Provinz würden außerdem diese Ausdehnungen unwesent - sicher sein, als für das industriell noch wenig entwickelte Schleswig Folstein. Die Erhebungen der Regierung hätten sich his etzt allein auf die Gemeinden beschränkt, für welche das Bedürfniß durchweg als vorhanden erwiesen sei. . t

Abg. von Rauchhaupt warnt dringend davor, das Gesetz in der vorgelegten Form anzunehmen, denn nach der Rechtsprechung des Ober⸗Verwaltungsgerichts sei das Gesetz einfach unwirksam. Legten die Schleswig ⸗Holsteiner aber Werth darauf, so sollten sie es auch ohne Verbesserung haben; nützen werde es ihnen nichts. Mindestens müsse eine Ergänzung dahin aufgenommen werden, daß, falls die Benutzung der Wege eine dauernde sei, bis zur thatsãchlichen Aenderung der Verhältnisse der ursprüngliche Vertheilungsmaßstab aufrechterhalten bleiben solle. . .

Äbg. Freiherr von Los bemerkt, ein derartiges Gesetz sei auch in der Rheinprovinz seit lange als ein Bedürfniß anerkannt worden. Er fei gegen Kommifsionsberathung mit Rücksicht auf die in Aussicht gestellte generelle Regelung der streitigen Punkte durch eine besondere

orlage. z ö. ak. Hansen glaubt, daß eine Verzögerung durch Kommissions⸗ berathung nicht eintreten werde, und bittet, für dieselbe zu ftimmen.

Abg. Knebel ist mit Rücksicht auf die Geschãftslage des Hauses gegen eine e, ,, Das Gesetz werde in der

zeinprovinz mit Ungeduld erwartet. 1 3 3 (Wandsbek) erklärt sich im Interesse des Zustandekommens des Gesetzes, ohne welches viele Chausseebauten unterbleiben würden, gegen eine Kommissionsberathung und für An⸗ nahme des Gesetzes in zweiter Lesung. . .

Abg. Pleß' hält das Gesetz in seiner gegenwärtigen Form für unwirksam und wünscht eine Korrektur in der Kommission. ;

Die beiden Gesetzentwürfe werden an die Gemeinde—

Kommission verwiesen. . .

21 Grund des Berichts der Rechnungs⸗Kommission über die allgemeine Rechnung über den Staatshaus⸗ halts-Etat für 188788 werden die vorgekommenen Etatsüberschreitungen und außeretgts mäßigen Ausgaben nachträglich genehmigt und die Entlastung der Staatsregierung ausgesprochen, desgl. erfolgt die vorläufige Genehmigung der Etatsüberschreitungen und au ßer etatsmäßigen Ausgaben, welche in der Ueber sicht von den , und ⸗Ausgaben für 89 / 90 nachgewiesen sind.

Zi nn nn, der Kasse der Ober⸗Rechnungs⸗ kam mer fur 1889 90 gehen an die Rechnungs⸗Kommission.

Es folgt die erste Berathung des Gesetzentwurfs einer Wegeordnung für die Provinz Sachsen.

Abg. Schreiber beantragt die Ueberweisung der Vorlage an eine besondere Kommission von 14 Mitgliedern.

Abg. von Rauchhaupt: Er sei mit diesem Antrage einver⸗ standen. Die , Sachsen kabe das schlechteste oder vielmehr eigentlich gar kein Wegerecht, weil das bisher dort, geltende durch Entfcheidung des Ober Verwaltungsgerichts ungültig ge⸗ worden sei. Eine Reihe, allgemeiner Fragen werde dann endlich einmal zur gesetzlichen Entscheidung kommen. Man werde erkennen müssen, daß die Wegebaulast nicht nur eine Last der Ängesessenen sein dürfe. In Sachsen gebe es in manchen Kreisen dier verschiedene Wegebauverwaltungen, die des Staats, der Provinz, des Kreises, der Gemeinden; der Reibungen, die daraus entsprängen, sei kein Ende. ,,. me diefe Vorlage noch in der laufenden Session verabschiedet werden. . ; *,, Dher⸗Regierungs⸗Rath Freiherr von Zedlitz spricht Namens der Staatsregierung ebenfalls den Wunsch aus, daß es noch in Lieser Session gelingen werde, über den Gesetzentwurf zu einer Verständigung zu gelangen, und somit einem ganz unhaltbaren Zuftande in der Provinz Sachsen ein Ende zu machen. ;

Nach einer kurzen Bemerkung des Abg. Sombart wird die Vorlage einer besonderen Kommission von 14 Mitgliedern

überwiesen.

Schluß 1 Uhr.

Petition der Regierung zur nochmaligen Erwägung zu über⸗ weisen. ö

Zweite Beilage

zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Käniglich Preußischen Staats⸗Anzeiger.

M 1IIO.

Berlin, Dienstag, den 12. Mai

Dentsches Reich. nebersicht

der in den deutschen Münzstätten bis Ende April 1891 stattgehabten Ausprägungen von Reichsmünzen.

1) Im Monat April Goldmünzen

Silber m ünzen

Nickelmünzen Kupfer münzen

1891 sind geprägt worden in:

Doppel

Kronen kronen

iervon auf dalbe a e

Kronen nung 16 M6 M6 M6

Zwanzig⸗ pfennig⸗ stůcke

Fůnf⸗ Zwei⸗ Ein⸗ Fünfzig ·

martsticke marhsticke martsticke *r A6

pfennigstuͤck

Zwanzig⸗ Zehn⸗ Fünf⸗

I inn. Zwei⸗ Ein⸗ pfennigstũcke pfennigstücke

pfennigstücke pfennigstücke

430 000 200 000

Muldner Hütte.. Karlsruhe

NHooop ö 200000 Hamburg . 3

3 3 3 16 * 3 0 .

2 255 00 24 984 66 9437 62 2

Summe 1. 630 000

2) Vorher waren geprẽgt ) 2 020 293 44050 282 220 27 969 5 12395300710 4 104 185104 964 os 178 go 334 71 486 552 = 35717 922 80

Dodd * 2 2 .

0 275 40 24 984 6h

29 ol 256 14262 147 27 6 213 207 44

3) Gesammt ·˖ Ausprãgung T d Tod Tb d VT B . d s T r e o- s or r os s od i s s, - B rr s ss

4) Hiervon sind wieder

eingezogen 1131 620 1668 290 9925

72805 8708 8106 3267 50 13 00337620

1 006 284 28 082 531 40 14287 131 90

13 111150 380 75

7D TIF 7 2992

5) Bleiben 2028 166 820 603 243 840 27 960 000

2 559 370 760 S6

T V dd J ĩ d Nd; dd Ts dðdð d N N dd N NxꝓxJ gd

D n r e n , , ms

452 232 347, 10 6

) Diese 8263,55 sind im März d. J. ausgeprägt worden. ) Vergl. den „‚Reichs⸗Anzeiger vom 10. April 1891 Nr. 85.

Berlin, den 12. Mai 1891.

Hauptbuchhalterei des Reichs ⸗Schatzamts. ie ster.

47 375 442. 05 00 II 180 88,77 A

Statistik und Volkswirthschaft.

Zur Arbeiterbewegung.

Die Ausstandsbewegung in Belgien scheint sich nach den letzten Berichten ungefähr auf unveränderter Höhe zu erhalten. Wenn in dem einen Kohlenbecken die Zahl der Ausständigen sich etwas vermindert, so wächst sie dafür an einer andern Stelle, besonders aber scheint, die Bewegung unter den industriellen Arbeitern sich noch in beständiger Zu⸗ nahme zu befinden, Nach Mittheilungen der „Köln. Ztg.“ aus Mons und Lüttich war im Borinage eine örtliche Aus⸗ breitung des Ausstandes nicht zu verzeichnen, aber es machte sich bei den feiernden Bergleuten das Bestreben bemerklich, die Bewegung noch einige Wochen in die Länge zu ziehen, um die einmal geschaffene Lage zur Erreichung von Lohn⸗ erhöhungen und sonstigen Vortheilen möglichst auszunutzen. Die Vorräthe der meisten Gruben gehen zur Neige und in einzelnen Betrieben werden schön ausländische Kohlen benutzt. Im Bezirk von Charleroi standen am 8. . M. von den 33 000 Bergleuten noch immer 26 000 aus. Vom gestrigen Tage wird aus Charleroj

telegraphisch gemeldet, daß sich die Lage durch den Eintritt der Hüttenarbeiter in die Strikebewegung ver— schlimmert habe. Sämmtliche Arbeiter der Werke von Marchienne au Pont und Moncegu sind ausständig und fordern das allgemeine Stimmrecht und Erhöhung der Löhne. In mehreren Kohlenwerken zeigt sich eine leichte Wiederaufnahme der Arbeit, dennoch ist die Zahl der ausstän⸗ digen Arbeiter in Folge der Einstellung der Arbeit in den Hüttenwerken um 5000 gestiegen. Insgesammt striken gegen⸗ wärtig im Becken von Charleroi 34900 Arbeiter. Auch die Werke von Couillet feiern in Folge Kohlenmangels, man hofft indeß, die Arbeit binnen Kurzem wieder aufnehmen zu können. Die Ruhe ist in dem ganzen Bezirk nirgends gestört worden. Der Aus stand der Arbeiter in den Kohlen⸗ und Hüttenwerken des nn,. hat an Aus⸗ dehnung etwas zugenommen. Aus Brüssel liegen folgende Meldungen des „Wolff'schen Bureaus“ vor:

Der Bürgermeister Buls hatte gestern eine Unterktdung mit den Veranstaltern der für Mittwoch in Brüssel beabsichtigten sozialistischen Kundgebung. Der Bürgermeister sprach den Wunsch aus, daß die Kundgebung unterbleiben möchte, und gab der Ansicht Ausdruck, daß die gegenwärtigen Strikes das Werk der Verfassungsrebision schädigten. Die Veranstalter erwiderten, wenn die Kundgebung verboten werde, würde das Ausstände in Brüssel zur Folge haben. Schließlich wurde eine noch malige Zusammenkunft für den heutigen Tag verabredet. Die Brüfseler Liberale Vereinigung war gestern Abend zu einer Generalversammlung einberufen, um uͤber die durch die Lage in den Strikegebieten gebotenen Maßnahmen zu berathen. Die Versammlung beschloß einstimmig, an die Regierung und die Kammern eine Petition zu richten, in welcher dieselben aufgefordert werden, über die Frage der Rexision des Wahlrechts schlüssig zu werden oder mindestens kategorische Erklärungen abzu⸗ geben, durch welche das Vertrauen wieder hergestellt und der öffent⸗ liche Friede gesichert werden könnte. Die Versammlung beschloß ferner, drei Delegirte an den König zu entsenden, um an denselben die Bitte ju richten., im Sinne der Her- beiführung einer baldigen Entscheidung auf die Regierung einzuwirken. Die Tischler in Brüssel beschlossen, sich dem Strike anzu⸗ schließen. Die Mechantker, welche heute eine Veisammlung ab halten wollten, dürften diesem Beschlusse beitreten.

Der Gouverneur vom Hennegau hat, wie aus Mons telegraphirt wird, eine Proklamation an die Arbeiter erlassen, in welcher er die Arbeiter auffordert, sich nicht durch Drohungen oder durch Versuche von Gewaltthätigkeit einschüchtern zu lassen, sondern vielmehr ohne alle Furcht die Arbeit fortzusetzen. Die Behörde werde sie zu schützen wissen. Et seien Maßregeln getroffen, um jeden Angriff auf die Freiheit der Arbeit zurückjuweisen.

In Gent fanden gestern Nachmittag an den Docks zwischen Strikenden und Nichtstrikenden wiederholte Zusammenstöße statt. Erstere versuchten das Ausladen der Schiffe zu hindern. Zwei Arbeiter wurden ins Wasser geworfen. Gestern Abend wurden Behufs Agi⸗ tation für den allgemeinen Strike mehrere Meetings abgehalten.

In Ostende sind , , der Dockarbeiter eingetroffen, um die Dockarbeiter Ostendes aufzufordern, die Arbeit nieder ˖ 1 und die dort eintreffenden englischen Kohlen nicht abzu⸗ aden.

Die „Saarhr. Ztg.“ theilt folgende Bekanntmachung der Königlichen Bergwerks-Direktion zu Saarbrücken mit, welche durch Anschlag auf allen Gruben zur Kenntniß der Belegschaften gebracht worden ist:

„In einer an das Königliche Ober⸗Bergamt zu Bonn gerichteten,

genannten Altenwalder Forderungen enthält, beißt es am Schluß unter Nr. 6: „Nach Wunsch der Delegirten ist dem Königlichen Ober Bergamt mitzutheilen, daß die gesetzte Frist vom 1. bis 14. Mai die gesetzliche Kündigung für das Saar Revier andeutet.“ Wir machen hierdurch darauf aufmerksam, daß die vorgenannten früheren Bergleute keinerlei Legitimation zur gesetzlichen Vertretung der Belegschaften haben und sie daher auch nicht zur Kündigung für diese berechtigt sind Demnach macht sich Jeder, welcher gleich⸗ wohl ohne Einhaltung der Künd gungsfrist an einem etwaigen Ausstande theilnimmt, des Kontraktbruches schuldig und hat die für ihn dargus entstehenden nachtheiligen Folgen lediglich sich selbst zu— zuschreiben. Indem wir Vorstehendes zur Kenntniß der Belegschaften bringen, warnen wir wiederholt und eindringlichst vor jeder Nieder legung der Arbeit.“ In einer Versammlung von Bergleuten der St. Ing— berter Grube wurde, wie die „Saarbr. Ztg.“ einem Lokal blatt entnimmt, heschlossen, die Forderungen der Bergleute durch die Knappschaftsältesten dem Bergamte unterbreiten zu lassen. Sollte dies nicht zur Genehmigung der Forderungen führen, so würden dieselben in einer Eingabe an den Landtag eingereicht. Als Forderungen wurden bezeichnet; achtstündige Schicht, Mindestlohn im Gedinge für Häuer 450 M6, Menschenförderung bei der Nach⸗ mittagsschicht, Errichtung eines Verlesesaales und Wiederanlegung der im Vorjahre entlassenen 190 Bergleute. Die Versammlung war von ungefähr 120 Personen besucht. Aus Rheine wird der Rhein. Westf. Ztg. unter dem 19. . M. geschrieben: Das unselige Strikefieber hatte vorige Woche auch einen Theil unserer sonst so ruhigen Arbeiterwelt ergriff en. Die Firma H. Kruse Ww. in dem benachbarten Neuenkirchen glaubte eine nur einige Weber berübrende Lohnreduzirung eintreter lassen zu müssen, worauf die ganze Arbeiterschaft der Fabrik mit Einstellung der Arbeit antwortete. Nach mehrtägigen Verhandlungen bat indeß gestern der größte Theil der Ausständigen auf Grund des entgegen kommenden Verhaltens der Fabrikleitung die Arbeit wieder auf genommen; mehrere Arbeiter hatten inzwischen das Strikegeblet“ schon verlassen, um anderswo Arbeit zu suchen. Der Deutsche Mraurer-Kongreß in Gotha stellte in der Nachmittagssitzung des ersten Tages die Tagesordnung in folgenden Punkten geh I) Bericht der Geschaͤftsleitung; 3 Bericht und Abrechnung über das Fachorgan „Grundstein“; 3) Die statistischen Erhebungen in Verbindung mit der wirth⸗ schaftlich⸗sozialen Lage der Maurer Deutschlands; 4) Be— rathung und Beschlußfassung über die Neu⸗Organisation der Maurer Deutschlands. Zum ersten Punkt bemerkte nach dem „Vorwärts“ der Berichterstatter Dammann: Das Jahr 1890 brachte an 30 Orten Ausstände, dabon waren 8 Aussperrungen, während die anderen als Angriffsstrikes zur Er ringung höherer Löhne oder kürzerer Arbeitszeit zu betrachten sind. In Folge der vielen Ausstände konnte nur wenig Unterstützung ge— währt werden; dementsprechend war das Resultat auch nur an vier Orten günstig, alle anderen gingen fehl. Die Zahl der Ausstän—⸗ digen betrug 000. Zur Agitationsthätigkeit der Geschäftsleitung wurde mitgetheilt, daß im Ganzen zebn Agitatoren ausgesandt wurden, die 1398 Städte besuchten. Dadurch seien die einzelnen Organisationen bestehen geblieben, dagegen ging die Zahl der Ge—⸗ sammtmitgliede? zurück. An Broschüren und Flugblättern wurden 170 900 verschickt Redner bespricht sodann die Differenzen mit den Berliner Kollegen. Dieselben möchten Einfluß auf die Orga⸗ nisation haben; aber so lange sie sich den Beschlüssen des Kongresses nicht fügen wollten, könne davon keine Rede sein. Zum Schluß betont der Referent, daß man sich durch die vielen Niederlagen im vorigen Jahre nicht entmuthigen lassen werde. Solche Niederlagen seien oft recht nützlich, weil sie die Erfahrungen und die Einsicht in die wirthschaftlichen Machtverhältnisse vermehren. Der Rest dieser Sitzung und der ganze folgende Tag waren fast ausschließlich durch die Debatten über die Differenzen zwischen der Hamburger Geschäfts—⸗ leitung und den Berliner Maurern in Anspruch genommen. Schließ lich gelangten zwei vonFrankfurt und Düsseldorf eingereichte Resolutionen, welche der Geschäftsleitung ihr Vertrauen aussprachen und das Verhalten der Berliner Kollegen n ieren mit großer Majorität zur Annahme. Die Berliner Delegirten gaben auf Befragen des Vorsitzenden jeder einzeln eine Erklärung zu Protokoll, deren gemeinsamer Sinn dahin ging, daß sie in ihrer Opposition so lange verbarren würden, als die von ihnen gerügten Mißstände bestehen blieben. In Fourmies ist telegraphischer Meldung zufolge die Arbeit überall wieder aufgenommen, außer in der Webeindustrie. Der Agitator Culine wurde heute früh in Apvesnes obne Widerstand verhaftet. Aus Calais wird berichtet, daß der englische Deputirte Cunningham -⸗Grabam in der Nacht zum Montag verhaftet und nach England eingescchifft worden ist. Wie aus St. Etienne gemeldet wird, haben sämmtliche dem Konsortialverbande angehörigen Mechaniker und Maschinisten der Bergwerksgelsellschaften im Becken der Loire be— schloffen, heute die Arbeit niederzulegen. Sie verlangen von den Gesellschaften, daß von denselben nur aus solchen Familien, welche dem Mechaniker ⸗Konsortialverbande angehören, Lehrlinge an⸗

von den früheren Bergleuten Warken, Thome, Berwanger, Schillo und Müller 42 unterjelchneten Eingabe, welche die so⸗

genommen werden sollen.

Kunst und Wissenschaft.

In der literarischen Beilage der Münchener Allgemeinen Zeitung“ wird nachstehende Erklärung veröffentlicht:

In Nr. 94 der Beilage zur „Allgemeinen Zeitung! vom 23. April d. J. ist ein Artikel über das, Geheime vatikanische Archiv abgedruckt, worin unter vielfachen Lobeserhebungen der bis herigen Praxis die Archivperwaltung dringend ermahnt wird, dieses Lob auch durch ihr künftiges Verhalten ferner zu verdienen. Weitere Mittheilung über das Ergebniß wird in Aussicht gestellt. Wir finden uns zu der Erklärung veranlaßt, daß kein Mitglied des preußischen historischen Instituts in Rom und ebenso kein Mitglied der für die Leitung des Instituts eingesetzten akademischen Kommission in Berlin diesen Artikel verfaßt oder veranlaßt hat. Bei unserer Stellung zu den trefflichen vatikanischen Archivbehörden würde uns ein solches Auftreten sehr wenig angemessen erschienen sein. Berlin, 6. Mai 1891. Die akademische Kommission. Heinrich von Sybel.“

Am Sonntag Nachmittag 3 Uhr verschied im 74. Lebensjabre Hof⸗ rath Dr. Karl Wilhelm von Nägeli, einer der bedeutendsten Botaniker aller Zeiten, nachdem er erst am vorhergegangenen Freitag die Feier seiner 0 jährigen Doktorpromotion im stillen Kreise begangen hatte. Ueber seinen Lebensgang entnehmen wir der M. „Allg. Z.“ den nach— stehenden Bericht. Geboren 1817 zu Kilchberg bei Zürich, wurde er schon 1841 von der Universität Zürich zum Doctor philosophiae promovirt und bald darauf Docent und Professor der Botanik an der gleichen Universität; aus dieser Stellung wurde er 1857, nach⸗ dem Hofrath Dr. von Martius als Professor, Konservator der bota— nischen Sammlungen und Vorstand des Botanischen Gartens in München in Ruhestand getreten war, an dessen Stelle von König Maximilian II. berufen und wirkte bier, unermüdlich an wichtigen Arbeiten schaffend, bis er Ende des Jahres 1885 zuerst seine Lehr thätigkeit, dann 1888 auch seine Stellung als Konservator und Gartenvorstand aufgab. Nägeli war ungemein vielseitig. Der Morphologie verhalf er ganz besonders mit zu ibrer heutigen streng wissenschaftlichen Grundlage, wobei er namentlich von den Zellstruktur⸗ und den Wachsthumsverhältnissen der niederen Algen ausging und auch über die Beschaffenheit und Rolle der Stärkemehl körner hochwichtige umfassende Untersuchungen veröffentlichte. Alle seine Arbeiten über die physiologischen Vorgänge in den Zellen. und zusammengesetzteren Organen der Pflanze gründete Nägeli auf die einfachen mechanischen Vorgänge, für die Pflanzenphysiologie war er der Schöpfer der mechanischen Theorie. Später zogen ihn, wie alle zu seiner Lebenszeit aufgetauchten wissen⸗ schaftlichen Probleme, namentlich die „‚Kleinsten der Kleinen‘, die Spaltpilze oder Bakterien an. Selbst ein ausgezeichneter Mathe— matiker und Mikroskopiker, arbeitete er mit seinem langjährigen Assistenten Dr. Schwendener (letzt in Berlin) die Theorie des mikroskopischen Sehens in geistvollster Weise aus (.Das Mikroskop', Leipzig 1865—67; 2. Auflage 1877). Die große wissenschaftliche Bewegung, welche Darwin mit seinem Werk über die „Ent⸗ stehung der Arten“ hervorrief, fand in Nägeli einen der allerersten Streiter; zahlreiche epochemachende Arbeiten aus seiner Feder sind über jene Theorien erschienen, darunter „Ent- stehung und Begriff der naturwissenschaftlichen Art- (München 1865) und die „Mechanisch -physiologische Theorie der Abstammungslehre“ (München 1383). Seine großen Arbeiten über die Cirsien der Schweiz“ (1841) und die Hierazien Mittel! Europas“ (mit Professor Dr. Peter in Göttingen verfaßt, München 1885 und folgende Jahre) behandeln das verwandte Problem der „Mittelformen“, ohne deren Existenz die Transmutation der Arten unmöglich zu erklären wäre. In den letzten Jahren bis zu seinem Todestage arbeitete er rastlos, um in gleicher Weise auch die zahllosen Abarten der Alpenprimeln zu erklären. Hofrath Dr. von Nägeli hinterläßt einen Sohn und eine Tochter.

Land⸗ und Forstwirthschaft.

Ueber den Saatenstand in Russisch-Polen zu Ende April gehen uns folgende Mittheilungen zu;

Im vorigen geh sind die Felder bei gutem Wetter be⸗

stellt und die Einsaat ist unter günstigen Witterungsverhält⸗ nissen beendigt wokden. Die häufigen Schneefälle während des Winters, welche bis Anfangs April d. J. andauerten, haben den Winter— saaten sehr geschadet; der Weizen ist an vielen Stellen, der Roggen zum größten Theil ausgefault. Die , Ernteaussichten sind daher, soweit sich dieselben bis jetzt beurtheilen lassen, im Allgemeinen nicht günstig.

Die Frühjahrsbestellung hat sich n der lange an⸗ dauernden Fröste bedeutend verspätet und haben in vielen Gegenden die Feldarbeiten erst gegen Ende April begonnen.

Ueber den Stand der Winter saaten in der Moldau zu Ende vorigen Monats wird uns geschrieben:

Der Anbau der Wintersaaten wurde, da die den ganzen vorigen Sommer andauernde außergewöhnliche Hitz und Dürre eine rechtzeitige Beackerung des hart gewordenen Bodens nicht gestattete, derart verzögert, daß die Aussaat in der Hauptsache

erst von Mitte Oktober an stattfinden konnte. Die Saaten