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vor Religion und Recht, mäßige Auflagen und gleiche Vertheilung der Lasten, Betriebsamfeit in Gewerbe, Industrie und Handel, günstiger Stand des Ackerbauet und Athnliches. Je um sichtiger alle diese Hebel benützt und gehandhabt werden, desto gesicherter ist die Woblfahrt der Glieder des Staats. — Hier eröffnet sich also eine weite Bahn, auf welcher der Staat für den Nutzen aller Klassen der Bevölkerung und insbesondere für die Lage der Arbeiter tbätig sein soll; und gebt er auf dieser Bahn voran, so ist durchaus kein Vorwurf möglich, als ob er einen Uebergriff beginge; denn Nichts geht den Staat seinem Wesen nach niher an, als die Pflicht, das Gemeinwohl zu befördern, und je wirtsamer und durchgreifender er es durch allgemeine Maßnahmen thut, desto weniger brauchen ander⸗ weisige Mittel zur Besserung der Arbeiterverhältnisse gufgesucht zu werden. Es ist überdies die wichtize Wahrbeit vor Augen zu be= balten, daß der Staat für Alle da ist, in gleicher Weise für die Niederen wie für die Hohen. Die Arbeiter sind vom naturrechtlichen Standvunkt nicht minder Bärger, wie die Besitzenden, d. h, sie sind wahre Theile des Staats, die am Leben der aus der Gesammtheit der Familien gebildeten Staatsgemeinschaft theilnehmen, und sie bilden zudem, was sehr ins Gewicht, fällt, in jeder Stadt bei Weitem die größere Zahl der Cinwohner. Wenn es also unzulässig ist, nur für einen Theil der Staatsangehörigen zu sorgen, den anderen aber zu vernachlässigen, so muß der Staat durch öffentliche Maßregeln sich in gebührender Weise des Schutzes der Arbeiter an . nebmen. Wenn dies nicht geschieht, so verletzt er die Forderung der Gerechtigkeit, welche Jedem das Seine zu geben befiehlt. Unter den vielen und wichtigsten Pflichten also, die ein für das Wohl seiner Unterthanen besorgter Fuͤrst zu erfüllen bat, ist es eine der ersten, daß er allen Klassen seiner Unterthanen denselben Schutz angedeihen lasse, in strenger Wahrung jener Gerechtigkeit, die man die „‚vertheilende“ genannt hat. . . . . . ; , ö
Es ist eigentlich die Arbeit auf dem Felde, in der Werkstatt, der Fabrik, welche im Staat Wohlhabenbeit herbeiführt. Es ist alfo nur eine Forderung strengster Billigkeit, daß der Staat sich der Arbeiter in der Richtung annehme, ihnen einen enisprechenden Antheil am Gewinn der Arbeit zuzusichern; die Arbeit muß ihnen für Wohnung, Kleidung und Nahrung so viel ab— werfen, daß ihr Dasein kein gedrucktes ist. Wenn der Staat somit, wie es seine Pflicht ist, zur Hebung der Lage des arbeitenden Standes alles Thunliche ins Werk setzt, so fügt er dadurch Niemand Nachtheil zu; er nützt aber sebr der Gerammtheit, die ein offenbares Interesse daran bat, daß ein Stand, welcher dem Staate so nothwendige Dienste leistet, nicht im Elend seine Existenz friste. . . .
„Droht der staatlichen Gesammtheit oder einzelnen Ständen ein Nachtheil, dem anders nicht abzubelfen ist, so ist es Sache des Staats, einzugreifen. Es liegt sicherlich ebenso im öffentlichen wie im privaten Interesse, daß im Staat Frieden und Ordnung herrsche, daß das ganze Familienleben den göttlichen Geboten und dem Natur gesetz entspreche, daß die Neligion geachtet und geübt werde, daß im privaten wie im öffentlichen Leben Reinbeit der Sitte herrsche, daß Recht und Gerechtigkeit gewahrt und nicht ungestraft verletzt werde, daß die Jugend kräftig heranwachse zum Nutzen und, wo nöthig, zur Vertheidi gung des Gemeinwesens. Wenn also sich öffent⸗ liche Wirren ankündigen in Folge auflehnerischer Haltung der Ar— beiter oder in Folge von Arkeitseinstellungen, wenn die natürlichen Familienbande in den Arbeiterkreisen zerrüttet werden, wenn bei den Arbeitern die Religion gefährdet ist, indem ihnen nicht genügende Zeit und Gelegenheit zu ihren gottesdienstlichen Pflichten gelassen wird, wenn ihrer Sittlichkeit Gefahr droht durch die Art und Weise von gemeinschaftlicher Verwendung beider Geschlechter bei der Arbeit oder durch andere Lockungen zur Sünde, wenn die Arbeit geber sie ungerechter Weise belasten oder sie zur Annahme von Be— dingungen nöthigen, welche der persönlichen Würde und den Menschen⸗ rechten zuwiderlaufen, wenn ihre Gesundheit durch übermäßige An= strengung oder ihrem Alter und Geschlechte nicht entsprechende Anfor— derungen untergraben wird — in allen diefen Fällen muß die Auto rität und Gewalt des Staats sich geltend machen, jedoch ohne die rechten Schranken zu überschreiten. . .
„Doch es sind hier noch einzelne Momente besonders zu betonen. — Das erste ist, daß die öffentliche Autorität durch entschiedene Maß— regeln das Recht und die Sicherheit des privaten Besitzes gewährleisten muß. Die Bewegung der Massen, in welchen die Gier nach fremder Habe erwacht, muß mit Kraft gezügelt werden. Ein Streben nach Verbesserung der eigenen dag ohne ungerechte Schädigung Anderer tadelt Niemand; aber auf Aneignung fremden Besitzes aus gehen und das unter dem thörichten Vorgeben, es müsse eine Gleich machung in der Gesellschaft erfolgen, des ist ein Angriff auf die Gerechtigkeit und auf das Gemeinwohl zugleich. Ohne Zweifel zieht es der allergrößte Theil der Arbeiter vor, durch die ehrliche Arbeit und ohne Beeinträchtigung des Nächsten sich zu einer besseren Stellung zu erschwingen. Aber zahlreich sind auch die Unruhestifter, die Verbreiter falscher Ideen, denen jedes Mittel recht ist, um einen Umsturz vorzubereiten und das Volk zur Gewaltthätigkeit zu verleiten. Es muß also die Gewalt dazwischen treten, dem Hetzen Einhalt ge⸗— bieten, die friedliche Arbeit vor der Verführung und Aufreizung schützen, den rechtmäßigen Besitz gegen den Raub sicherstellen.
„Nicht selten greifen die Arbeiter zu gemeinsamer Arbeits⸗ einstellung, um gegen die Lohnherren einen Zwang auszuüben, wenn ihnen die Anforderungen zu schwer, die Arbeitsdauer zu lang, der Lohnsatz zu gering scheint. Dieses Vorgehen, das in der Gegenwart immer häu— figer wird und immer weiteren Umfang annimmt, fordert die öffent— liche Gewalt auf, Gegenwehr zu ergreifen; denn die Ausstänte gereichen nicht bloß den Arbeitgebern mitsammt den Arbeitern ins— gemein zum Schaden, sie benachthriligen auch empfindlich Handel und Industrie, überbaupt den ganzen öffentlichen Wohlstand. Außerdem geben sie erfahrungsmäßig Anlaß zu Gewaltthätigkeiten und Unruhen und stören so den Frieden im Staat. Dem gegenüber ist die jenige Art der Abwehr am Meisten zu empfeblen, welche durch ent— sprechende Anordnungen und Gesetze dem Uebel zuvorzukommen trachtet und sein Entstehen hindert durch Beseitigung jener Ursachen, die den Konflikt zwischen den Anfor derungen der Brodherren und der Arbeiter herbeizuführen pflegen.“ —
Im Einzelnen wird dann die Nothwendigkeit der Sonntagsrukbe, des Arbeiterschutzes erörtert, die natürliche Forderung, daß der Lohn nicht zu gering sei, aufgestellt, Errichtung von AÄrbeiterausschüffen
empfohlen, der Nutzen des Erwerbes eines, bescheidenen Eigenthums dargelegt und daran die Forderung geknüpft. daß der Staat nicht zu hohe Steuern erhebe, wodurch
das Prirateigenthum aufgejehrt werde. Schließlich wird noch der Segen korporativer Vereiniqung, insbesondere der Orden und der christlichen Arbeitervereine betont. Die Encyelika schließt mit folgen⸗ den Worten:
Möge jeder Berufene Hand anlegen und ohne Verzug, damit die Heilung des bereits gewaltig angewachsenen Uebels nicht durch Säumniß noch schwieriger werde. Die Staatsregierungen mögen durch Gesetze und Verordnungen vorgehen, die Arbeiter, um deren Looz eß sich andelt, mögen auf gesetzliche Weise ihre Interessen vertceten; und da die Religion, wie Wir zu Anfang gesagt haben, allein zus einer vollkommenen inneren Abhülfe der Mißsände ke⸗ säbigt ist, so möge sich die Ueberzeugung immer mebr ver— breiten, daß es vor Allem auf die Wiederbelebung christ. licher Gesinnung und Sitte ankommt, ohne welche alle noch so sweisen und versprechenden Maßnahmen wahrez Heil zu schaffen unvermögend bleiben. — Was aber die Kirche angeht, so wird diese keinen Augenblick ihre allseitig? Hülfe vermissen lassen. Ibre Thätigkeit wird um so wirksamer sein, je größere Freiheit der Bewegung ihr gelassen wird. Mögen dies namentlich diejenigen vor Augen haben, in deren Hände das Heil der Staaten gelegt ist.
Mögen alle Glieder der Geistlichkeit ihre volle Kraft und allen Eifer der großen Aufgabe widmen, unter Eurer Führung und nach Eurem Beispiele, Ehrwürdige Brüder, unermüdlich die Grundsätz; des heiligen Ghangeliums allen Ständen vor kalten und einschärfen, mit allen? ihnen zu Gebote stehenden Mitteln an der Wohlfahrt des Volkes arbeiten, vor Allem aber die Liebe, aller Tugenden Herrin und Königin, in sich bewahren
und in den anderen, Hohen wie Niederen, anfachen. Das Heil ist ja insbesondere von der rollen Bethätigung der Liebe zu erwarten, jener christlichen Liebe nämlich, die der kurz gefaßte Jabegriff der evange⸗ lischen Gebote, die, immer bereit, sich selbst für des Nächsten Heil zu opfern, das heilkräftigste Gegengift gegen den Hochmuth und Egoismus der Welt ist und deren göttliches Bild und Walten der Apostel Paulus mit den Worten gezeichnet hat: „Die Liebe ist 4 sie ist gütig; sie sucht nicht das ihrige; sie duldet Alles, sie trãg es.
Der Königliche Gesandte in Oldenburg Graf von der Goltz hat einen ihm Allerhöchst bewilligten Urlaub an⸗ getreten.
Der Chef der Landesaufnahme, General-Lieutenant Schreiber hat sich mit Urlaub nach Harzburg begeben.
Der Ober Regierungs-Rath Haarland zu Arnsberg ist an die Königliche Regierung zu Erfurt versetzt, und es ist ihm daselbst die erledigte Stelle des Dirigenten der Finanz— Abtheilung übertragen worden.
Der Regierungs-Assessor Hahn ist der Königlichen Re— gierung zu Gumbinnen überwiejen worden.
Dem Regierungs-Assessor Sauerland ist die kom— missarische Verwaltung des Oberamts Haigerloch, Reg.-Bez. Sigmaringen, übertragen worden.
S. M. Kanonenboot „Iltis“, Kommandant Korvetten—⸗ Kapitän Ascher, ist am 19. Mai in Ngankin eingetroffen und beabsichtigt, am 22. Mai nach Kinkiang in See zu gehen.
S. M. Kanonenboot Wolf“, Kommandant Korvetten⸗ Kapitän Hellhoff, ist am 20. Mai in Kelung eingetroffen . beabsichtigt, heute (21. Mai) nach Shanghal in See zu gehen.
Sachsen⸗Meiningen.
Meiningen, 16. Mai. Der „D. Z.“ zufolge wird der Landtag des Herzogthums sür den 8. Junk d. J. einberufen werden, um die Mittel zum Bau der Bahnlinie Stockheim — Sonneberg in der Höhe von ungefähr einer halben Million zu bewilligen.
Oefterreich⸗ Ungarn.
In beiden Häusern des ungarischen Reichstages wurde gestern ein Königliches Reskript verlesen, durch welches die vierte Reichstagssession geschlossen und die Eröffnung der fünften Session auf heute an— beraumt wird.
Großbritannien und Irland.
Dem Marquis von Salisbury wurde gestern in Glasgow das Bürgerrecht der Stadt verliehen. In der Ansprache, mit der er darauf seinem Danke Ausdruck gab, betonte der Premier⸗Minister, dem „W. T. B.“ zufolge, daß Alle, die für die Leitung der eurbpäischen Politik ver— antwortlich seien, den sehnlichen Wunsch hegten, die Geißel des Krieges zu vermeiden. Je mehr Jahre verflössen und je mehr die furchtbaren Folgen eines Krieges für Jedermann sichtbar würden, desto mehr trete die Gefahr eines Krieges zurück. Lord Salishury hob im weiteren Verlaufe der Rede die großen Fortschritte Persiens hervor, welches besseren Zeiten enigegen⸗ gehe. Ez habe den Anschein und er hoffe es, daß Persien mit der Zeit stark genug werde, um niemals Urfache eines Konflikts zwischen christlichen Mächten zu werden. Das Aufblühen Egyptens während der drei letzten Jahre sei eine der be— merkenswerthesten Thatsachen; eine ähnliche sei kaum während des letzten Menschenalters zu verzeichnen gewesen. Auf Afrika übergehend, betonte Lord Salisbury, wie es ein charakteristischer Zug der Engländer sei, die Civilisation und den Handel vermittelst Gesellschaften zu sördern, während andere Länder dieses Ziel von Regierungswegen verfolgten.
Frankreich.
Paris, 21. Mai. Bei dem gestern Abend von der Munizipalität von Toulouse zu Ehren des Präsidenten Carnot veranstalteten Banket hielt dieser, wie „W. T. B.“ bexichtet, eine Rede, in welcher er die Unterrichtsfrage berührte und hervorhob: der Unterricht sei nicht allein eine Pflicht für die Republik, sondern er bilde auch eine soziale Garantie, da der Unterricht in dem Bürger das Gefühl seiner Würde und die Sorge für seine Freiheit erwecke.
Der französische Botschafter beim Vatikan Graf Le— feybre de Behaine hat dem Präsidenten Carnot im Auftrage des Papstes ein reich ausgestattetes Exemplar der Encyklika mit einem Handschreiben des Letzteren übersandt.
Von dem hiesigen serbischen Gesandten Gruie ist der Regierung die amtliche Mittheilung von der Aus weisung der Königin Natalie übermittelt worden.
In. der Budgetkommission beantragte vorgestern, der „Köln. Ztg. zufolge, der Radikale P ich on als Bericht— erstatter beim Etat, des Ministeriums des Auswärtigen eine Erhöhung der jetzt eine Million betragenden geheimen Fonds um 300 000 Fr.
Italien.
Der Pa pst hat, wie dem „W. T. B.“ aus Rom be— richtet wird, allen Staatsoberhäuptern ein Exemplar der Encyklika über die Arbeiterfrage im Pracht— einbande übersandt. Die Sendung war bei den Ober— häuptern von solchen Staaten, die eine beträchtliche Arbeiter⸗ bevölkerung besitzen, von einem eigenhändigen Schreiben des Papstes begleitet. Die Encyklika ist auch allen Minister— Präsidenten sowie den hervorragendsten Staatsmännern und Nationalökonomen übersendet worden.
. Nach einer Meldung der „Pol. Corr.“ aus Rom wird in Folge der Ersetzung des Msgr. Rotelli auf dem Nuntius— posten von Paris durch den gegenwärtigen Sekretär der Kongregation für kirchliche Angelegenheiten, Msgr. Ferrat a der apostolische Delegat in Bombay, Msgr. Ajuti, der bereits den Auftrag erhielt, Indien zu verlassen und sich nach Nom zu begeben, der Nachfolger Mfgr. Ferrata's werden. Auf den Posten des apostolischen Delegaten in Indien soll dann der polnische Prälat Mgr. Zalewski gesetzt werden, der gegenwärtig im Auftrage des Papstes zum Zweck der Errichtung von Priesterseminarien für die Eingeborenen in
Persico, jenen Prälaten ersetzt werden, welchem seiner Zeit die Aufgabe übertragen war, nach Irland zu reisen, um Unier⸗ suchungen über die reugiösen und sozialen Verhältnisse des Landes anzustellen. Es sei nicht ausgeschlossen, daß die Reihe der Veränderungen in der päpstlichen Diplomatie noch vor Ende des Jahres eine Erweiterung erfahren werde.
Der „Italia militare“ zufolge wird nunmehr das in allen Details fertiggestellte Modell des kleinkalibrigen neuen Gewehrs in ausgedehnter Weise in Probe genommen werden. Die Ankündigung des Kriegs⸗Ministers, daß die Fabrikation des Gewehrs im Jahre 1892 beginnen werde, findet damit ihre Bestätigung.
Portugal.
Eine gestern in Lissabon stattgehabte Versammlung von Industriellen hat die Bildung einer permanenten Kom mission zum Schutz der industriellen Interessen und zur Erwägung von Mitteln für die Beseitigung einer Krise auf dem Gebiet der Industrie und der Arbeit beschlossen. Der frühere Finanz-⸗Minister Mariano Carvalho und der Industrielle Graf Burnay sind Mitglieder der Kommission.
Wie nach dem „W. T. B.“ in Lissabon verlautet, wollte Serpa Pimentel dem König noch gestern eine Minister—⸗ liste unterbreiten.
Niederlande.
Der englische Gesandte im Haag hat, wie dem „W. T. B.“ zufolge in dortigen unterrichteten Kreisen ver— lautet, dem Minister des Aeußern eine Entschädigungs— forderung wegen der Beschädigung britischen Eigenth ams gelegentlich der Unruhen in Surinam übermittelt.
Belgien.
Die Centralsektion der Kammer hat sich in ihrer gestrigen Sitzung einstimmig für das Prinzip der Ver⸗
fassungsrevision ausgesprochen. Die Majorität ist der Ansicht, daß die Revision den Bedingungen an⸗ gepaßt werden müsse, welche in den verschiedenen,
Seitens der Centralsektion angenommenen Resolutionen aufgestellt sind. Die Sektisn vertagte sich sodann auf unbestimmte Zeit; um ihrem Berichterstatter Zeit zu gewähren, seinen Bericht an die Kammer vorzubereiten. — Der Präsident der liberalen Vereinigung, Haurez, hat, wie dem „W. T. B.“ berichtet wird, in Folge des Votums der Centralsektion gestern den König in einer ihm ertheilten Audienz dringend gebeten, sich bei den Ministern für eine schnelle Lösung der Krise zu verwenden, was durch den erwähnten Be⸗ schluß der Centralsektion erleichtertwerde. Der Bürgermeister von Brüssel gestattete für gestern Abend die Veranstaltung aller Kundgebungen unter der Bedingung, daß von den Arbeitern zur Aufrechterhaltung der Ordnung Vertreter aus ihrer Mitte ernannt würden. Demgemäß durchzog ein Auf⸗ zug von ungefähr 20090 Arbeitern unter dem Absingen der Marseillaise die Hauptstraßen der Stadt und zerstreute sich um 10 Uhr, ohne daß ein Zwischenfall erfolgt wäre.
Rumänien.
Bukarest, 20 Mai. Der König empfing nach einer Meldung des „W. T. B.“ gestern und heute die Gesandten Deutschlands, Oesterreich⸗Ungarns, Frankreichs, Englands, Italiens, Belgiens und den serbischen Geschäftsträger, welche die Glückwunschschreiben ihrer Souveräne überreichten.
Dem Leichenbegängnisse Joan Bratiano's wohnten der Thronfolger und der Erbprinz von Hohenzollern bei. Die Regierung war durch die Minister des Aeußern und des Krieges vertreten. .
Serbien.
Belgrad, 20. Mai. Ueber die Abreise der Königin Vatalie von Semllin berichtet ‚„W. T. B.“ noch Folgendes: Die Abreise erfolgte um 19 Uhr. Zum Abschiede hatken sich zahlreiche Personen eingefunden, denen gegenüber sich die Königin über die Regentschaft abfällig aussprach. Die Königin bat ihre Freunde unter Thränen, für das Wohl des Königs zu sorgen. Oberst Horvatowitsch versprach, den König mit seinem Blute zu schützen. Die Fahrt der Königin und
der dieselbe begleitenden persönlichen Freunde und An— hänger vom Hotel nach dem Sandungsplatze erfolgte in etwa fünfzig Wagen. Zahlreiche Versonen warfen
während der Fahrt zum Landungeplatze Bouquets in den Wagen der Königin. Der Landungeplatz war durch einen Polizeicordon abgeschlossen. Als der Wagen deaselbst angekommen war, versuchte die Menschenmenge, den Polizeicordon zu durchbrechen, wich jedoch zurück, als die Polizeibeamten ihre Seitenwaffe zogen. Nur die persönlichen Be— kannten der Königin, etwa hundert Personen, erhielten Einlaß. Diese und die am Ufer versammelte Volksmenge begrüßten die Königin mit Ziviorufen, die Königin winkte denselben vom Schiffe aus wiederholte Abschiedsgrüße zu. Vor ihrer Abreise ließ die Königin dem Polizei⸗Chef und den Behörden von Semlin für die freundliche Aufnahme danken. Dem Wunsche der Königin entsprechend, fuhr der Dampfer „Kasan“ durch die Alte Donau, sodaß er erst weit unterhalb der Belgrader Festung von serbischer Seite sichtbar wurde. Bei Wischnitza wartete eine große Volksmenge, um die Königin ri der Vorbeifahrt zu begrüßen. Von Turn⸗Severin begiebt sich die Königin ohne Aufenthalt auf der Donau nach Galatz und von dort mittels der Eisenbahn direkt nach Jasfy.
Vor ihrer Entfernung von hier übergab die Königin einem hiesigen Advokaten eine bereits vorbereitet gewesene Klageschrift wegen Verletzung der staatsbürger— lichen Rechte mit dem Auftrage, dieselbe dem Staatsrathe zu üherreichen.
Die Ruhe ist seit gestern nicht gestört worden. Behufs Verhinderung von Zuzügen von Außen sind militärische Maß⸗ nahmen getroffen worden.
Der Polizei Präfekt von Belgrad TodorowiFe hat um seinen Abschied gebeten.
Bei Besprechung der hiesigen Vorgänge am 18. d. M. sagt das „Journal de St. Pétersbourg“, es sei fraglich, ab bei der Entfernung der Königin-Mutter mit der nöthigen Umsicht verfahren worden sei. In Rußland, wo man dem Geschicke der unglücklichen Königin fortwährend die auf⸗ richtigsten Sympathien entgegen brachte, könne man diefe Ereignisse nur beklagen, wenn man auch gleichzeitig wünsche, daß sie das Ende einer seit Jahren beunruhigten Lage be— deuten möchten. Die herzlichsten Wünsche hege man für die Befestigung des Thrones des jungen Königs und dafür, daß Serbien nun nach einer schmerzlichen Epoche von Schwierig
ndien weilt. Der zum Nuntius in Lissabon bestimmte nr der Propaganda Msgr. Jacobini soll beh. Yisgr⸗
keiten und Agitationen in eine Aera der Ruhe und der gedeih⸗ lichen Entwickelung eintreten möge.
Der hiesige österreichisch ungarische Gesandte hat, wie der „N. Fr. Pr.“ berichtet ö eine Note über⸗ reicht, in welcher gegen die Verleihung eines ausschließ⸗ lichen Privilegiums zur Errichtung von Schlacht⸗ häusern an ein englisches Konsortium auf Grund des bestehenden Handels vertrages protestirt, wird. Die, Note führt aus, daß durch dieses Privilegium die den österreichisch⸗ ungarischen Staatsangehörigen vertragsmäßig verbürgte Han—⸗ delsfreiheit beeinträchtigt werde.
Amerika.
Chile. Wie der „Hamb. Börsenh.“ telegraphisch ge⸗ meldet wind, sei die Angelegenheit des chilenischen Dampfers „Itata“ mit dem amerikanischen Admiral in Fa uique geordnet worden. Ueber den damit angedeuteten Ausgleich zwischen der Regierung der Vereinigten Staaten und Chile in dieser Angelegenheit wird aus Iquique über Paris ferner berichtet, daß das Schiff nach den getroffenen Ab⸗ machungen seine Gewehrladung sowie seine übrige Fr und seine . Iquique landen dürfe, hierauf aber bie nach definitiver Beilegung des Streitfalls an den Komman⸗ danten des nordamerikanischen Geschwaders daselbst übergeben werden soll. — Der von dem Präsidenten Balmaceda zur Uebernahme der in Frankreich gebauten Kriegsschiffe nach Paris gesandte Admiral Latorre hat, wie „W. T. B.“ von dort ferner erfährt, seine Entlassung gegeben, angeb⸗ lich, um dadurch seine Sympathie für die Kongreßpartei zu bezeugen.
Mit welchen Mitteln und unter welchen empörenden Grausamkeiten der Krieg zwischen den beiden Parteien in Chile geführt wird, erhellt aus den eingehenden Berichten über die stattgehabten Kämpfe im Norden, die jetzt erst eintreffen. Einem Bericht der Times“ über die Schlacht bei Pozo Almonte am 7. März ist folgende Schilderung entnommen:
Gegen 9 Uhr war die Niederlage der Regierungstruppen voll- ständig, alle ihre Geschütze und ihr Gepäck waren in den Händen der Aufständischen. Oberst Mendez vom 5. Santiagoer Regiment und viele andere Offiziere beider Parteien waren gefallen. Umher⸗ streichende Banden hatten sich auf dem Schlacht felde Waffen geholt und griffen nun die Offielnag, die Läden und die große Bodega des . Uvilles an und plünderten sie. General Conto (Führer der
ufständischen) versuchte, leine Truppen in guter Ordnung zurück- zuführen, ein Theil der Soldaten ging aber zum Volke über und plünderte mit ihm die Läden und die Wirthschaften. Wer Wider⸗ stand versuchte, wurde von den betrunkenen Soldaten einfach nieder geschossen, und selbst mehrere Offiziere, welche die Ordnung herstellen wollten, wurden ermordet. Die Nacht war fürchterlich fur die Be wohner von Pozo Almonte, sie wurden geschlagen oder erschossen und die Frauen geschändet. 84 Frauen gelang es, sich im Bahnhof zu verbergen. Um endlich den Greueln Einbalt zu thun, waren die Offiziere und der noch gehorsame Theil der Truppen gezwungen, die Betrunkenen ö Trotzdem dauerte noch am nächsten Tage der Aufruhr fort, und erst als General Lopez mit starker Truppenmacht nach einigen Tagen erschien, wurde die Ordnung wiederhergestellt. Die Zahl der Todten schätzt man auf 600 Mann, 500 lagen am nächsten Tage im Krankenhause.
Haiti. Dem „New Hork Herald“ wird aus Haiti ge⸗ meldet, daß in Port⸗au⸗Prince das Standrecht proklamirt worden sei. Die Depesche berichtet weiter:
Bewaffnete Soldaten patrouilliren Tag und Nacht durch die Straßen, und Niemand darf die Stadt ohne einen Paß verlassen. Es heißt, daß die Anhänger des abgesetzten Präsidenten, des Generals Legitime, durch ihre Wühlereien den Ernst der gegenwärtigen Lage verschuldet haben. Ferner wird gemeldet, daß der Minister für Finanzen und auswärtige Politik Fir mier seine Demission ein⸗ gereicht habe. Die Gerüchte über ein angebliches Attentat gegen den General Hippolyte bestätigen sich nicht. Mit Ausnabme der Hauptstadt herrscht auf der Insel Ruhe.
Afrika.
Sansibar. Der Sultan hat laut Meldung des R. B. aus Sansibar am Mittwoch dem Gouverneur von Deutsch Ost⸗Afrika, Freiherrn von Soden den offiziellen Besuch erwidert, welchen ihm derselbe am Tage vorher ab⸗ gestattet hatte.
Nach einer Meldung der „Times“ aus Sansibar wird demnächst eine 100 Mann starke Karawane nach dem Tanganyika-⸗See aufbrechen, um die Sklaverei nach . 6 Kardinal Lavigerie empfohlenen Plane zu unter⸗
rücken.
Congost aat. Das „Journal de Bruxelles“ meldet: Portugal und die Regierung des Congostaats seien zu einem Einvernehmen gelangt, dessen Unterzeichnung un⸗ mittelbar bevorstehe. Danach solle die Südgrenze des Eongo⸗ staats den 8. Parallelgrad südlicher Breite bis zu dessen Kreuzung mit dem Kassaifluß entlang laufen und von da ab dem rechten Ufer dieses Flusses fegen.
Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs⸗ Maßregeln. :
Portugal.
Durch eine im Diario do Governo vom 11. Mal 1891 ver- äffentlichte Verfügung des Königlich portugiesischen Ministeriums des Innern sind die Häfen der Provinzen Rio de Janeiro, Pernambuco, Bahia und S. Paulo als des Gelbfiebers verdächtig‘ erklärt, hier⸗ von jedoch die Häfen Rio de Janeiro, Pernambuco und Santo aus— genommen worden, welche 4 wie 3 als ‚verseucht“ gelten.
gypten.
Der internationale Gesundbeitsrath zu Alexandrien hat am 5. Mai 1891 beschlossen, mit Rücksicht auf den epidemischen Ausbruch der Cholera in Parigi und Savefoe auf der Insel Celebes gegen die Ankünfte aus den genannten Hafenorten bis auf Weiteres das zur Verhütung der Einschleppung der Cholera bestimmte Reglement in Kraft zu setzen.
Handel und Gewerbe.
Die am 11. Januar v. J. zwischen Portugal und der Türkei vereinbarte Deklaration zur Regelung der beiderseitigen Handelsbeziehungen ist am 15. Mai d. J. in Kraft getreten. Dieselbe enthält das gegen⸗ seitige Zugeständniß der Meistbegünstigung und foll an Skelle der für aufgehoben erklärten älteren Handel konventionen bis zum Abschlusse eines neuen Handelsvertrags zwischen beiden Staaten in Geltung bleiben.
Tägliche Wagengestellung für Kohlen und Koks an der Ruhr und in Oberschlesien. An der Ruhr sind am 20. Mal gestellt Oos, nicht rechtjeitig m. ti . fi n er e sien d am 19. d. M. gestellt 3246, nicht rechtzeitig gestellt keine Q akt n
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Subhastations⸗Resultate.
Beim Königlichen Amtsgericht 1 Berlin stand am
20. Mai 1891 das Grundstück in der Swinemünderstraße 71,
dem Konditor Friedrich Handke gehörig, mit 11 560 0 Nutzungs⸗
werth veranlagt, zur Versteigerung. Das geringste Gebot wurde
auf bog, 5 M festgesetzt. Ersteher wurde der Kaufmann Moritz
1 K . 53 wohnhaft, für das Meistgebot von 4
Verkehrs⸗Anftalten.
Der Bau der Rügenbahn ist, wie der Berl. Aktionä! mit tbeilt, im Laufe des letzten Jahres sehr gefördert worden; die Strecke von Bergen nach Saßnitz ist im Ganzen ziemlich fertiggestellt, ins besondere darf die Bahn von Bergen nach Sagard schon jetzt als betriebsfähig angesehen werden. Die Dam maufschüttungsarbeiten sind übrigens schon bis Saßhnitz vollendet. Eine schwierige Arbeit be—⸗ reitete der Uebergang bei den Jasmunder Bodden, da es dort bei Lietzowfähre vieler Anstrengungen bedurfte, um für den Unterbau eine sichere Grundlage zu finden. Soweit man bisher zu übersehen vermag, ist Aussicht vorhanden, daß die ganze Bahn definitiv am 1. Juli d. J. zur Eröffnung gelangt, sodaß man dann von Stralsund aus in ca. zwei Stunden die ganze Insel wird durchfahren können. Was die in Sa ßnitz zur beschleunigten Beförderung der deutsch⸗schwedischen Post in Angriff ge— nommenen Arbeiten für den Sicherheitshafen betrifft, so find auch diese Bauten der Vollendung ziemlich nahe; es handelt sich nur noch um eine geeignete Befestigung der kunstvoll ausgeführten Anlagen, welche auch noch einer Vertiefung bedürfen.
Der Schnelldampfer . Fürst Bismarck, hat, der Hamb. Börsen ⸗Halle“ zufolge, auf seiner ersten mit gläntendem Erfolge aus—= geführten Reise nach Nem-NVork folgende tägliche Distanzen zurück⸗ gelegt; 426 Meilen, 473 Meilen, 475 Meilen, 494 Meilen, 491 Meilen, 498 Meilen, Rest⸗Distanz 229 Meilen.
Der Dampfer lief also 3086 Meilen in 6 Tagen 14 Stunden und erzielte demnach eine höchste Tagesgeschwindigkeit von 203 und ö. . für die ganze Reise von 195 Knoten per
unde.
Die ganz unerwartet schnelle Reise des neuen ,. Schnell⸗ dampfers hat in New⸗NYork große Sensation hervorgerufen. Die Hamburg ⸗Amerikanische Packetfahrt⸗Actien⸗Gesellschaft, deren Re⸗ e, in New⸗Jork bekanntlich Hr. Carl Schurz ist, hat olgenden telegraphischen Bericht erhalten:
Bismarcks‘ vollständig unerwartete Ankunft am Freitag Abend hat hier die freudigste Ueberraschung hervorgerufen, aus allen Theilen des Landes laufen Glückwunsch - Telegramme ein, die Zeitungen bringen fast ausnahmslos ausführliche Artikel über die Reife. Der ‚Bis— . fat die bisherige schnellste Erstlings⸗Reise noch um 74 Stunden übertroffen.
Eine für die Strecke Southampton — New-⸗York berechnete ver⸗ gleichende Uebersicht der Etstlings-⸗Reisen der berühmten englischen und deutschen Schnelldampfer stellt sich wie folgt: „Fürst Bismarck“ Reisedauer 158 Stunden, Columbia“ Reisedauer 165 Stunden, „Normannia“ Reisedauer 166 Stunden, „City of Paris“ Reisedauer 166 Stunden, Majestie! Reisedauer 170 Stunden, Augusta Victoria? Reisedauer 170 Stunden, Teutonic Reisedauer 174 Stunden, „Havel“ Reisedauer 174 Stunden, „Lahn“ Reisedauer 181 Stunden, „City of New⸗York‘ Reisedauer 193 Stunden, Spree! Reisedauer 200 Stunden.
Besonders die deutsche Bevölkerung New⸗Horks ist durch den unerwarteten Sieg der deutschen Schiffsbaukunst auf das Freudigste überrascht. Wenn man auch dem Vulcan“ in Stettin, nachdem er die ‚Augusta Victoria? für die Hamburger Packetfahrt sowie die „Spree“ und „Havel“ für den Bremer Lloyd erbaut hat, eine gute Leistung in seinem neuesten Erzeugniß zutraute, so war man allerfeits doch weit davon entfernt zu glauben, daß der Vulcan“ und in ibm die deutsche Schiffsbau⸗Industrie sich durch den Erfolg des neuesten Hamburger Schnelldampfers mit einem Schlage den Ebrenplatz erringen würde, an welchem man bisher nur die ältesten englischen Werften zu sehen gewohnt war.
Bremen, 20. Mai. (W. T. B.) Norddeutscher Lloyd. Der Dampfer Havel ist auf der Rückreise nach Bremerhaven gestern Nachmittag 5 Uhr mit 405 Passagieren von Southampton abgegangen. Der Dampfer Dresden“, von Baltimore kommend, ist gestern, der Dampfer Hermann“ heute in Bremerhaven ein⸗ getroffen. Der Dampfer Sachsen ist auf der Heimreise von Ost⸗Asien heute von Antwerpen abgegangen. Der Damvfer Lahn“ hat heute Morgen 8 Uhr auf der Reise nach New⸗JYork Beachy Head passirt, der Dampfer . Trave“ hat gestern Nachmittag 3 Uhr die Heimreise von New ⸗Jork angetreten.
— 21. Mai. (W. T. B.) Norddeutser Lloyd. Der Schnelldampfer Lahn“ hat am 20. Mai, 2 Uhr Nachmittags, die Reise von Southampton nach New⸗Jork fortgesetzt. Der Schnell dampfer Havel“, von New ⸗Jork kommend, ist am 20. Mai, 5 Uhr Nachmittags, auf der Weser angekommen. Der Postdampfer München“, am 7. Mai von Bremen abgegangen, ist am 20. Mai, 7 Ubr Morgens, in Baltimore angekommen.
Hamburg, 21. Mat. (W. T. B.) Hamburg-⸗Amerika⸗ nische Pacetfahrt⸗Aktiengesellschaft. Der Schnell⸗ dampfer Columbia“ hat, von New ⸗Jork kommend heute Morgen Lizard passirt. Der Postdampfer „Rugia“ ist beute Morgen auf der Elbe eingetroffen.
London, 20. Mai. (W. T. B.) Der Union⸗-Dampfer Du rb an“ ist gestern auf der Ausreise in Capetown angekommen. Der Union⸗ Dampfer . Moor“ ist heute auf der Ausreise von Madeira abgegangen, der Union ⸗ Dampfer ‚Nu bian' ist heute auf der Heimreise in Southampton angekommen.
Theater 1nd Musik.
Kroll's Theater.
Der Königlich sächsische Kammersänger Erl aus Dresden begann sein diesjähriges Gastspiel wie im vorigen Jahre mit dem Postillęn von Lonjum eau. Die Eigenart des Künftlers be⸗ steht in einer auffallenden und staunengwerthen Entwickelung der Kopfstimme, welche die schwierigsten Paffagen und Triller mit einer Leichtigkeit und dabei mit einem angenehmen milden, wenn auch vielleicht etwas weichlichen Ton wiedergiebt, wie es in gleicher Weife wohl kein anderer Tenor im Stande ist. Das sind freilich auch die einzigen Vorzüge seiner dabei kunstgerecht ausgebildeten Stimme, die aber an sich wohl schon der Beachtung werth sind. In dem Vortrage des Postillon⸗ Liedes, der Arie im zweiten Akt, des im dritten Akt wie üblich einge⸗ legten Liedes All Abend wenn ich zur Ruhe geh'n kamen diese Vor⸗ züge voll zur Geltung; aber auch von diesen Besonderheiten abge⸗ sehen, entfaltete er hierbei viel Wohllaut und Empfindung. Im Uebrigen besitzt die Stimme in der Tiefe und Mitte nicht allzu viel Glanz; aber die sorgfältige Schulung läßt über die Mängel binweg ⸗ seben. Der Sänger wurde wie im vorlgen Jahre durch lebhaften Beifall ausgezeichnet. Die Besetzung der übrigen Rollen war dieselbe wie im vorigen Sommer: Frl. Schacko (Madeleine). Hr. Theile (Marquis), Hr. Große (Bijou) waren in Spiel ünd Gesang an . Ehle und trugen viel zu dem Gelingen der Vorstellung auch ihrerseits bei.
In der Vorstellung des Oberon im Königlichen Opern— hause am Sonnabend sind die Damen Hiedler, 6a Weitz und e . die Hrrn. Sylva, Lieban, Oberhauser und Stammer be⸗ äftigt. Vielfachen Wünschen zu entsprechen, hat sich die Direktion des Deutschen Thea ters entschlossen, von morgen ab für den Rest
der gegenwärtigen Spieljeit alle Vorstellungen erst um 18 Uhr be⸗ ginnen zu lassen.
Im Berliner Theater kommt am Sonnabend das Dumags'sche Lastspiel „Ein Freund der Frauen“ mit Friedrich Mitter⸗ wurzer in der Rolle des Ryous wieder zur Aufführung. An dem- selben Abend absolvirt Pia Claassen ihr zweites Debut in der Rolle der Miß Brown. .
Im Friedrich⸗Wilhelmstädtischen Theater beginnen von Sonniag ab die Vorstellungen um 18 Uhr. Die Operette Nanon“ erfreut sich nach wie vor zahlreichen Zuspruchs und bleibt deshalb auch für die nächsten Wochen noch auf dem Spielplan.
Une Fisite de noces (Der Besuch nach der Hochheit), die Komödie Alexander Dumas', die neuerdings im Théatre Frangais in Paris wieder aufgenommen wurde und einen großen Erfolg errang, ist von Direktor Sigmund Lautenburg soeben erworben worden und wird in nächster Saison auf dem Spielplan des Residenz⸗ Theaters erscheinen. ;
Marcella Sembrich singt morgen im Kroll'schen Theater als dritte Gastrolle die Martha. Außerdem treten in dieser Oper Hr. Birrenkoden als Lionel und der von früber bekannte und be⸗ liebte Vertreter des Plumket Hr. Riechmann auf. In der Sonn⸗ abend Aufführung der Weißen Dame“ singt Hr. Anton Erl den George Brown. ;
Im Sommergarten des Belle ⸗ Alliance ⸗ Theaters findet morgen das erste diesjährige Monstre ˖ Concert statt, das ausgeführt wird von den vollständigen Militärkapellen des 3. Garde⸗Regqiments 3. F., des 1. Garde, Dragoner⸗Regiments und der Kapelle des Theaters (lim Ganzen 100 Musiker). Bei eintretender Dunkelheit findet glänzende Beleuchtung des ganzen Gartens durch 50 000 Gas⸗ flammen, bengalisches Licht c. statt. Im Theater geht zum 6. Male die neu einstudirte allabendlich mit lebhaftem Beifall aufgenommene Posse „Tricoche und Cacolet' in Scene. .
In der morgigen ersten Aufführung des Kneisel'schen Schwanks Der liebe Onkel im Thomas ⸗Theater sind die Damen Alberti, Friedemann, Gallus und Hocke und die Hrrn. Bollmann, Gutherr, Jarno, Kurz und Walden thaätig. Auf den Schwank folgt die No— k „Der Herr Graf“, ein einaktiges Vaudeville von Theodor
titte.
Die erste Aufführung des Volksbühnenspiels von Henzen, „Die heilige Elisabeth“ im Festspielhause zu Worms, erzielte am Pfingstsonntag, wie man der „Köln. Ztg.“ meldet, einen durchschlagenden Erfolg. Der zweiten Aufführung am Pfingstmontag wohnte der Großherzog von Hessen mit Familie bei. Der Beifall war der gleiche wie an dem ersten Abend. Die nächsten Aufführungen finden am 21., 24, 26., 28. und 31. Mai statt.
Mannigfaltiges.
Der Plan für die Kirche, welche in Reinickendorf gebaut werden soll und deren Protektorat Ihre Majestät die Kaiferin übernommen hat, ist, der N. A. 3. zufolge, bereits entworfen, und auch die erforderlichen Gelder sind zum größten Tbeil gesichert. Die Grundftücke sind geschenkweise dargebracht und die Leitung des Baues dem erangelischen Kirchenbauverein übertragen. Die Höhe der Bau summe ist auf 165 000 M festgesetzt. Aufgebracht sind bisher 115 009 6. Es gaben Seine Majestät der Kaiser 80 000 AM, Ihre Majestät die Kaiserin 5000 S, die Gemeinde Rosenthal 13000 M, und durch andere Beiträge wurden gesammelt 15 600 MS Mithin fehlen nun noch 40000 „, die von der Gemeinde aufgebracht werden müssen. Mit dem Bau soll bald begonnen werden.
In Gegenwart des Staats ⸗Ministers von Heyden erfolgte gestern Nachmittag der Ausstoß des ersten Bundesbräues, welches in der neuen mit Staatsunterstützung errichteten Versuchs⸗ und Lehrbrauerei- gebraut worden ist. Der Bierprobe voran ging eine eingehende Besichtigung der Anstalt, welche mit einem Auf⸗— wand von 600 900 M an der Ecke der Ser- und Torfstraße erbaut worden ist. Die Brauerei, welche einen Theil der Landwirthschaft⸗ lichen Hochschule bildet, besteht aus einer Betriebs brauerei zur Erzeugung von 7000 hl „‚Bundesbräu“, einer Abtheilung für Versuche im Großen und einem Laboratorium. Dicht bei der Anstalt befindet sich ein großer Hopfengarten; die nach dem Tennensystem eingerichtete Mälzerei vermag das gesammte in der Anstalt gebrauchte Malz selbst zu erzeugen; im Sudhause findet man eine Braupfanne von 3510, eine Bierpfanne von 8160 1 In— halt, einen 6872 1 fassenden Maischbottich und einen 61351 fassenden Laäuterbottich. An Stelle des Küblschiffs ist ein Pest'scher Kühl⸗ apparat eingerichtet, der durch einen Möller'schen Luftfilter seine Luft erhält. Der 20 Bottiche zu 2133 1 fassende „Gährkeller“, der hier im ersten Stock liegt, erhält gleich den dager⸗ lellern seine Kälte durch eine Linde'sche Eismaschine. Die beiden Betriebsmaschinen haben zusammen 110 Pferdekräfte. Besonderer Werth ist auf die Sicherung des Betriebes gelegt; überall sind mustergültige Schutzmaßregeln getroffen, die Fabrstubttbüren können z. B. nur geöffnet werden, wenn der Fahrstuhl unmittelbar vor der betreffenden Thür steht. Die ganze Anlage ist mit elektrischem Licht ausgestattet, das dort auch erzeugt wird. Bei der Bierprobe brachte der Staats⸗Minister von Heyden das Hoch auf Seine Majestät den Kaiser aus. Direktor Rösicke, der Vorsitzende des die Ver⸗ waltung der Anstalt leitenden Vereins Versuchs⸗ und Lehranstalt für Brauereir toasttte auf den Staats. Minister von Heyden, Professor Dr. Knvy, der Rektor der Landwirthschaftlichen Hochschule, auf den genannten Verein. Auch der Professor Cbristian Hansen aus Kopenhagen, der Begründer der wissenschaftlichen Ausgestaltung des Brauereigewerbes, wohnte der Feierlichkeit bei.
Der Ober⸗Bürgermeister Dr, von Forckenbeck ist vom Urlaub zurückgekehrt und hat seine amtliche Thätigkeit wieder aufgenommen.
Die Neubauten für die erweiterte Arbeiterkolonie auf dem Grundstück Reinickendorferstraße 36a, sind am Dienstag Abend mit einer Feier in der Kapelle der Berliner Arbeiterkolonie lebendaselbst) eröffnet worden. Im Auftrage Seiner Majestät des Kaisers und Königs wohnte nach einem Bericht der ‚N. . Ztg.“ der Flügel Adjutant Freiherr von Seckendorff der Feier bei.
ie Feler wurde mit einem Gesang der Chorfänger der Arbeikerkolonie eröffnet; dann folgte Liturgie und Festpredigt vom Vorsitzenden des Vorstandes des Vereins für die Berliner Arbeiterkolonie P. X. Diestel⸗ kamp. Nach erneutem Chorgesang erstattete Inspektor Ohnasch einen Generalbericht über die Kolonie. Hierauf beschlossen Liturgie, Vaterunser und Segen sowie der gemeinsame Gesang „Unsern Ausgang segne Gott“ die weihevolle Handlung. Es folgte eine Besichtigung der neuen Räume, die zweihundert männliche Personen und darüber be⸗ herbergen. beköstigen und auch beschäftigen können. Die neue, von P. Diestelkamp geweihte Kapelle macht einen sehr freundlichen Eindruck. Orgel, Decken. und Wandmalereien, Kanzel u. s. w. sind
theils in dankbarer Erinnerung gespendete Gaben ehemaliger Kolonisten, theils die Werke zur Zeit in der Kolonie weilender Leute. Sehr zweckmäßig angelegt ist der Neubau
des großen dreistöckigen Wirthschafts⸗, Speise⸗ und Schlafhauses. 3u ebener Erde liegen die Küchenräume u. s. w., im ersten Stock die Speisesäle, im zweiten und dritten Stock die Schlafgelasse. Ferner verdient die neue Werkstatt volles Lob. In dem alten Gebäude be⸗ finden sich jetzt Comptoirräume und einige Beamtenwohnungen. — Insgesammt macht die Arbeiterkolonie einen in jeder Beziehung vor treff lichen Eindruck.! Für die Erfolge ihrer Thätigkeit fvricht auch der Umstand, daß sich, die Verwaltung bereits mit den Plänen zu neuen Erweiterungen trägt.
Magdeburg, 20. Mai. Der am Freltag bierselbst verstorbene Rentner Friedrich Karl Schulze hat in seinem Testament die Stadtgemeinde Magdeburg zur Universalerbin feines Nach⸗ lasses eingefetzt. Das Gesammtvermögen wird der . Magdeb. 3. zufolge nach vorläufiger Schätzung etwa 1— 14 Millionen Mark be⸗ tragen. Der rn fen betrieb in früheren Fahren im Stadtfelde
eine Cichoriendarr! und besaß aus diesem Unternehmen etwa