1891 / 121 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 26 May 1891 18:00:01 GMT) scan diff

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kamen 299 Reden.

Großbritannien und Irland.

Am 24. Mai war der 2 Geburtstag der Königin Victoria. Da er auf einen Sonntag fiel, so n erst gestern die Kanonen der hauptstädtischen Bevölkerung das freudige Ereigniß. Die offizielle Feier wird jedoch erst am nächsten Sonnabend begangen werden. Nur zwei englische Souveräne haben das Alter der Königin erreicht; Georg I, welcher 77 und Georg III., welcher 82 Jahre alt wurde. Am 20. Juni wird die Königin 54 Jahre über das Vereinigte Königreich geherrscht haben. Eine so lange Regierungszeit haben von

allen englischen Monarchen nur zwei gehabt: Heinrich III.,

welcher 56 Jahre, und Georg III., welcher fast 60 Jahre regierte.

g Das Befinden der Herzogin von Fife und ihrer neu— geborenen Tochter ist so zufriedenstellend, daß keine weiteren ärztlichen Bulletins mehr ausgegeben werden.

Die Gesandten des Königs Lobengulg, die Häuptlinge Hohu Huhu und Umviti, welche sich in einer Sondersendung zur Königin begeben sollen, sind am Sonn⸗ abend von der Capstadt in Plymouth eingetroffen.

In der gestrigen Sitzung des Unterhauses erklärte der Unterstaatssekretär Gorst auf eine bezügliche Anfrage: Nach den amtlichen Berichten der griechischen Regierung sei die Ordnung auf Corfu wieder hergestellt, und die Juden hätten ihre gewöhnlichen Geschäfte wieder aufge⸗ nommen. Der britische Gesandte in Athen habe in demselben Sinne am 19. d. M. telegraphirt und hinzugefügt, daß der österreichische Konsul jene amtlichen Berichte bestätige. Der Befehlshaber des englischen Kriegsschiffs im Hafen von Zante berichte, daß auch in Zante Alles ruhig sei und keine weiteren Besorgnisse gehegt würden. :

Die Einzelberathung der irischen Landankaufs-Bil! hat, wie schon gemeldet, im Ganzen 24 Sitzungen in Anspruch genommen und es sind über 3000 Reden während derselben gehalten worden; auf den irischen Abgeordneten Sexton allein Daß an der Bill mehrere werthvolle Verbesserungen vorgenommen worden sind, schreibt die „Allg. Coörr.“, unterliegt keinem Zweifel, obwohl wahrscheinlich wenige Abgeordnete sagen könnten, worin eigentlich die genehmigten Aen⸗ derungen bestehen. Jedenfalls steht die aufgewandte Zeit in keinem Verhältniß zu dem erlangten Resultat. Etwas ist für die landwirthschaftlichen Arbeiter geschehen, uno es ist ein Unter— schied gemacht worden zwischen großen und kleinen Land— stellen, welcher sich hoffentlich praktisch bewähren wird. Das höchste Lob gebührt dem irischen Obersekretär Balfour für die Art und Weise, wie er die Bill durch alle Klippen geführt hat. Seine gründliche Sachkenntniß ermöglichte es ihm, die funda⸗ mentalen Prinzipien des Entwurfs zu wahren, während er andererseits stets auf wohlgemeinte Winke hörte, sie mochten kommen von welcher Seite des Hauses sie wollten. Sein Takt und sein Gleichmuth erwarben ihm das Lob seiner bittersten Gegner. Das Berichtsstadium der Bill wird erst im nächsten Monat beginnen. Wahrscheinlich werden dann noch einige wichtige Fragen zur Sprache kommen, jedenfalls aber werden die beiden streitenden irischen Parteien unzählige Reden halten, um zu beweisen, daß die eine und nicht die andere Partei der wahre Freund des irischen Pächters sei.

In der großen Versammlungshalle in Mile End Road zu London fand der „A. C.“ zufolge am Sonnabend unter dem Vorsitz des Abgeordneten Samuel Montagu ein Meeting des jüdischen Vereins Chovevi Zion statt, um Propaganda für die Ansiedelung der Juden in Palästina zu machen. Der große Saal konnte kaum die Menge der Zuhörer fassen. Der Rabbiner S. Singer forderte zur Unterzeichnung einer an Lord Rothschild zu sendenden Petition auf, welche denselben ersucht, die geeigneten Schritte zu thun, damit die russische Regierung den Auszug der Juden aus Rußland so leicht als möglich mache, und bei der türkischen Regierung vorstellig zu werden, damit die Juden in Sicherheit in Palästina und den um— liegenden Gegenden wohnen und zu einem angemessenen Preise Land zur Bebauung dort ankaufen können. Der Vorschlag wurde in Form einer Resolution von der Ver sammlung ein— stimmig angenommen.

Frankreich.

Paris, 26. Mai. Der oberste Kolonialrtrath hat, wie „W. T. B.“ berichtet, die beiden ersten Artikel des Gesetzentwurfs, betreffend die Kolonialgesellschaften, an— genommen. Artikel 1 ermächtigt die Regierung im Verord⸗ nungswege die Rechtsstellung solcher Gesellschaften festzusetzen, Artikel 2 verpflichtet die Regierung von dieser Ermächtigung ohne Verzug Gebrauch zu machen.

In der gestrigen Sitzung der Deputirtenkam mer er— innerte in seiner Beantwortung einer Anfrage des Deputirten Letellier wegen der Affaire Turpin der Kriegs-Minister de, Freycinet zunächst daran, daß verschiedene Kriegs— Minister die Erwerbung des Turpin'schen Patents wegen zu hoher Forderungen abgelehnt hätten. Turpin sei Ende 1887 mit Armstrong in Unterhandlungen eingetreten, und unter dessen Leitung seien im Jahre 18388 in Englan Versuche an⸗ gestellt worden. Die Blätter hätten sich über diese Thatsache sehr aufgeregt, und Turpin deshalb wiederum versucht, mit ihm, Freyeinet, der inzwischen Kriegs-Minister geworden, Unterhandlungen anzuknüpfen; er (Freycinet) habe jedoch von Turpin den Nachweis gefordert, daß sein Verfahren nicht an England bekannt gegeben worden sei. Von da ab habe er nichts mehr von Turpin gehört, jedech gewußt, daß diefer mit Italien verhandle. Im Jahre 18990 habe dann eine Kommission unter dem Vorsitz zweier Generale die erneuten Forderungen Turpins geprüft und beschlossen, dieselben abzuweisen. Als hierauf Turpin die Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens gegen Triponé verlangt habe, hätte dieser, von der Spezial⸗ Kommission vernommen, durchaus befriedigenden Aufschluß gegeben. Kraft des Spionage-Gesetzes sei Uuunmehr Turpin in Folge der Herausgabe seines Buches verhaftet worden, ebenso auch Tripons, um bei der Untersuchung jede erforder⸗ liche Auskunft zu geben. Der Kriegs⸗Minister erklärte, er müsse sich die größte Reserve auferlegen, da die Gerichte mit der, Sache befaßt seien, er könne aher die Versicherung geben, Nichts bestätige die Annahme, daß Dokumente dem Kriegs⸗ Ministerium entwendet und eingehende Pläne veröffentlicht worden seien. Was die durch Turpin beschuldigten Offiziere betreffe, so halte er Greyeinet) sich für verpflichtet, dieselben in Schutz zu nehmen. (Beifall.) Freycinet fuͤgte feinen Auz⸗ führungen hinzu, man dürfe das Melinit nicht mit den Erfindungen Turpin's verwechseln, denn es bildeten diese nur einen kleinen Theil der Gesammteinrichtung für Explosip= stoffe; die in der Kriegsverwaltung befindlichen Herstellungs⸗ arten könnten derselben nicht genommen werden. Er halte fich

für verpflichtet, die öffentliche Meinung in dieser Hinsicht zu beruhigen; Frankreich sei im sicheren Besitze einer, Ausrüstung, welche es keiner anderen Macht nachstelle, man solle sich nicht beunruhigen lassen dadurch, daß angeblich Verräthereien im Spiele seien, welche die nationale Vertheidigung ge—⸗ fährdeten. (Beifall) Hiermit war der Zwischenfall ge⸗ schlossen. Die Berathung der Zolltarifvorlage wurde wieder aufgenommen. In der Abstimmung nahm die Kammer den Zoll auf Pferde mit 30 Fr., auf Füllen mit 20, auf Maulthiere mit 5 und auf Esel mit 3 Fr. an. Die Kom⸗ mission hatte die von der Negierung vorgeschlagenen Zoll⸗ jätze nur für Füllen abgeändert, auf welche ein Zoll von 18 Fr. angesetzt war. ö

Die Zollkommission begann gestern die Prüfung der Bemerkungen des Ackerbau⸗Ministers über verschiedene Tarif⸗ titel, über welche die Regierung und die Kommission sich noch nicht geeinigt haben. Die Kommission hielt ihre Tarife aufrecht auf Kühe, Schweine und frisches Hammel fleisch. Die Kommission nahm ein Amendement des⸗ Deputirten Villebois⸗Mareuil an, demzufolge Hammel⸗ fleisch nur in Viertel zerlegt eingeführt werden soll. Die Ein⸗ geweide sollen dem Vorderviertel anhängen. .

Die Firma Armstrong, Mitchell u. Co. theilt mit, daß Turpin bei den Verhandlungen über den Verkauf des Melinit ausdrücklich erklärt habe, volles Verkaufsrecht zu haben. Die französische Regierung habe später an dem Melinit wichtige Verbesserungen vorgenommen, welche Turpin nicht mitgetheilt worden seien.

Italien.

Der Kronprinz und die Kronprinzefsin von Griechenland sind dem „W. T. B.“ zufolge mit ihrem Sohne, dem Prinzen Georg, an Bord des Dampfers „Sphakteria“ gestern Nachmittag vom Piräus in Brindisi eingetroffen und beabsichtigten, heute früh die Reise nach Deutschland fortzusetzen.

Spanien.

Die Kommission der Deputirtenkammer setzt ihre Berathung über die Bankvorlage fort. Der Verwaltungs⸗ rath der Bank von Spanien hat den Vorschlag der Regie⸗ rung, betreffend ein dem Staatsschatz Seitens der Bank auf dreißig Jahre zu gewährendes unverzinsliches Darlehn von 150 Millionen, angenommen, jedoch beschlossen, daß dieser Betrag im Portefeuille nicht mit aufgeführt werden solle. Die Kommission der Kammer hat in Folge dieser Ab⸗ änderung den Artikel 4 des Gesetzentwurfs zurückgezogen, um denselben in neuer Fassung zu redigiren.

Rumänien.

Bukarest, 26. Mai. Bei dem gestrigen Banket im Palais des Königs hielt der König eine Rede, in welcher er hervorhob: die von ihm vor 25 Jahren begründete Regie⸗ rung sei eine so feste, daß nur die mächtigsten Erschütterungen das dur chandauernde Arbeit Erbaute zerstören könnten. Er trinke auf das Wohl der Staatsmänner, welche während eines Viertel⸗ jahrhunderts seine getreuen Räthe gewesen, ohne deren er⸗ leuchtete patriotische Unterstützung seine Regierung nicht so fruchtbar gewesen wäre. Der König gedachte sodann in Worten der Liebe und Dankbarkeit derjenigen unter jenen Staatsmännern, welche in das bessere Jenseits geschieden, und betonte: die Festtage bewiesen, die ganze Nation sei von der Ueberzeugung durchdrungen, daß die Zukunft Rumäniens auf einer unerschütterlichen Grundlage begründet sei. Um dem diplomatischen Corps einen Beweis seiner Achtung zu geben, verlieh der König dem Doyen desselben, dem belgischen Ge⸗ sandten Hoorickr das Großkreuz des Sterns von Rumänien.

Serbien. Nach einer Meldung der „Neuen Freien Presse“ aus Jassy ist die Königin Naszalie daselbst ohne Aufenthalt nach Odessa durchgereist.

Amerika.

Vereinigte Staaten. Die Gesundheit des Staats⸗ sekretärs Blaine bessert sich, wie „R. B.“ aus New-York erfährt, stetig und der Patient gewinnt schnell seinen früheren Kräftezustand wieder. Einem Washingtoner Telegramm des „New-York Herald“ zufolge ist jedoch der Tag seiner Rückkehr so unbestimmt, daß Präsident Harrison den früheren Ge— sandten John Foster ersucht hat, die Leitung des Departe⸗ ments für auswärtige Angelegenheiten zu übernehmen. Foster kennt, wie hinzugefügt wird, Blaine's Pläne und werde die⸗— selben durchführen.

Chile. Ueber das in Nr. 115 d. Bl. telegraphisch ge⸗ meldete Seegefecht zwischen den Schiffen der Partei des Präsidenten und denen der Kongreßpartei liegt jetzt folgender nähere Bericht des „R. B.“, datitt aus Santiago, vom 23. Mai vor:

Kapitän Moraga, der Befehlshaber des zum Präsidenten baltenden Kanonenboots „Almirante Condell', griff Jui gue am Morgen des 17. Mai an. Die Panzerschiffe ‚Almirante Cochrane! und „Huatscar? befanden sich außerhalb der Bai. Der „Almirante Condell' feuerte einen Torpedo gegen die Tranz— portschiffe der Insurgenten ab, deren Besatzung auf das Land flüchtete und meuterte. Der Feind erlitt einige Verluste. Auch in Tacna verweigerte ein Bataillon den Gehorsam und wurde ent— waffnet. Bei Tagesanbruch segelte der ‚Almirante Condell' aus der Bucht von Iquique und der „‚Almirante Cochrane“ segelte hinein. Vor Pisagua hatte der Almirante Condell' ein Gefecht mit dem Huatcar! und „Magelhane“, ohne beschädizt zu werden. Am 18 Mai wechselte der „Almirante Condell“ Schüsse mit dem „O pPiggins“ und der „Aconcagua“. In der Nacht des 159. Mai bombardirte das armirte Transportschiff Imperial“ Iquique, wäh—⸗ rend der „Almirante Condell!“ darauf wartete, daß die Jasurgenten⸗ schiffe die Bucht verlassen sollten, um sie anzugreifen. Sämmtliche feindliche Schiffe entkamen jedoch. Der ‚Almirante Condell ! segelte darauf nach Taltal, wo Kapitän Moraga landete. Derselbe griff die Stadt an, erbeutete eine Kanone und trieb die Garnison in die Flucht, wobei er viele Gefangene machte. Die Tor⸗ pedoboote der Praͤsidenten Partei haben den Insurgenten an der Küste großen Schrecken eingejagt. Die „Esmeralda liegt in Acapulco ohne Kohlen. Die Lage der Insurgenten wird als kritifch betrachtet. Bas . ö. Regierung ist loyal gesinnt und es herrscht gute Zucht in emselben.

Asien.

Chäna. Dem Etandard,/ wird aus Shanghai vom 25. Mai gemeldet: Die christlichen Missionshäufer in Nanking seien vom Pöbel gestürmt und geplündert worden und die Insassen mit Mühe dem Tode entgangen. Wie es heißt, liege den Christenverfolgungen eine Anstiftung geheimer Gesellschaften zu Grunde.

A frika.

Congostaat. Die zwischen dem unabhängigen Congo⸗ staat und Portugal getroffene Vereinbarung Betreffs der Regulirung ihrer Grenzen im niederen Congogebiet und der Louando-Gegend i,. nach einem Wolff'schen Telegramm aus Brüssel folgende Bestimmungen: Die erste in Brüssel unterzeichnete Konvention stellt die Grenze in der Enklave von. Cabinda und Mokki fest. Die weite in Lissabon vereinbarte Konvention bestimmt die gegen⸗ eren Grenzen in Muata Jampo, und zwar die östliche Grenze auf dem 8. südlichen Breitengrad vom Cuango⸗ bis zum Kuiluflusse, den Lauf des Kuilu entlang bis zum 7. süd⸗ lichen Breitengrade, und von diesem Breitengrade bis zum Kassai, welcher dann als Grenzlinie bis zum Delola⸗See dient.

Laut Meldung des „R. B.“ aus Lorenzo Marques vom 25. Mai fand der (in der gesirigen Nr. d. Bl. bereits erwähnte) Kampf zwischen den Engländern und Portu⸗ giesen am Pungwe⸗Flusse in Folge des Vorrückens der Letzteren auf Fort Salisbury in einer Entfernung von nur 20 m von diesem Fort statt. Die Engländer schossen auf die Anrückenden, tödteten 7 und verwundeten 20 Personen.

Parlamentarische Nachrichten.

In der heutigen (68) Sitzung des Hauses der Ab— geordneten, welcher der Minister des Innern ger fe rg der JustizMinister Dr. von Schelling, der Minister für Handel und Gewerbe Freiherr von Berlepsch, der Finanz⸗ Minister Dr. Miquel und der Minister für Landwirthschaft ꝛc. von Heyden beiwohnten, stand auf der Tagesordnung die dritte Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Feststellung des Staatshaushalts-Etats für das Jahr vom 1. April 1891,92.

In der Generaldebatte äußerte Abg. Rickert den dringenden Wunsch, daß künftig mit allen Kräften dahin ge⸗ strebt werde, den Etat rechtzeitig vor dem 1. April festzustellen, und wünschte eine möglichst baldige Veröffentlichung der Ab⸗ schlüsse der Finanzverwaltung für das Etatsjahr 1890,91.

Der Finanz⸗Minister Dr. Miquel schloß sich dem ersteren Wunsch an und wies auf die bekannten Schwierigkeiten hin, die der rechtzeitigen Fertigstellung des Etats dieses Mal entgegen⸗ gestanden hatten. Bezüglich des Rechnungsabschlusses für 1896/91 erklärte derselbe, daß bei der Eisenbahnverwaltung wahrscheinlich ein Minderüberschuß von 22 bis 23 Millionen Mark sich ergeben werde. Im Ganzen werde voraussicht⸗ lich der Mehrüberschuß und Minderbedarf 191 Millionen, der Minderüberschuß und Mehrbedarf 32 Millionen zu⸗ sammen betragen. Der Finalabschluß der gesammten Finanzverwaltung werde einen wirklichen Ueberschuß von 13 Millionen liefern. Dabei sei aber eine entsprechende Schuldentilgung auf die gewaltige Eisenbahnschuld nicht er⸗ folgt. Angesichts dieser Finanzlage sei alle Ursache vorhanden, bei der Vermehrung der Ausgaben und der Verminderung sicherer Einnahmen vorsichtig zu sein.

Abg. Richter maß die Schuld an dem schlechten Finanz— abschluß allein der Eisenbahnverwaltung bei. Die Aus⸗

aben für Kohlen und Schienen seien außerordentlich ge⸗

. Den Schienenkartellen und Kohlenringen sollte auch künftig entgegengetreten werden. Die Regierung sollte namentlich nicht die Kohleninteressenten durch die Ausschließung ausländischer Kohle mittels Ausnahmetarife unterstützen.

Der Finanz⸗Minister Dr. Miquel wies nach, daß die Mehrausgaben sich nicht auf die sächlichen Ausgaben be⸗ schränkten, sondern auf alle Titel erstreckten, insbesondere auch auf die Besoldungen und die Vermehrung und Erneuerung von Betriebsmitteln.

Abg. Graf von Kanitz stimmte bezüglich der Kohlen⸗ ringe dem Abg. Richter bei. Die Kohlenverkaufsvereine hätten sich so vermehrt und die Preise so getrieben, daß die letzteren zu den Produktionskosten nicht mehr im Verhältniß ständen. 6 Treiben dürfe nicht durch Ausnahmetarife begünstigt werden.

Abg. Rickert sprach seine Freude über diese Bekehrung des Grafen Kanitz aus. .

Abg. von Eynern nahm die Kohlenvereinigungen in Schutz, die segensreich gewirkt hätten; namentlich hätten fie auch die Ausbreitung des Strikes verhindert. Durch das Geschrei über hohe Kohlenpreise solle man sich nicht irre machen lassen, in Amerika und England seien sie ebenso hoch.

Abg. Richter erklärte, nur dagegen anzukämpfen, daß die Ringe durch staatliche Einrichtungen wie die Kohlentarife unterstützt würden.

Abg. Graf von Kanitz bestritt, daß die sozialdemo⸗ kratische Bewegung durch die Ringe gemindert werde; die hohen Kohlenpreise trügen vielmehr zu ihrer Verstärkung bei.

Abg. Dr. Ham macher trat für die Kohlenvertaufs⸗ vereinigungen ein, die lediglich der Ueberproduktion und dem damit zusammenhängenden Preissturz entgegenarbeiten wollten; sie wirkten nicht bloß preissteigernd, sondern auch preis⸗ ermäßigend. Bei Abnahme des Kohlenverbrauchs werde auch wieder eine Preisermäßigung eintreten.

Finanz-⸗Minister Dr. Miguel sagte zu, daß das Staatz⸗ Ministerium in Erwägung ziehen werde, ob die Etatsabschlüsse im „Staats-Anzeiger“ veröffentlicht werden könnten. ;

Nachdem die Abgg. von Eynern und Schmieding die Sache der Kohlenringe, die Abgg. Richter und Graf von Kanitz ihren Standpunkt nochmals vertreten hatten, wurde die Generaldebatte geschlossen. (Schluß des Blattes.)

Entscheidungen des Reichsgerichts.

Hinsichtlich der Pflicht von Verwandten zu gegen seitiger Unterstützung bestimmt §. 19 Th. II. Tit. 3 des Prenß. Alla. Landrechts; Wenn jedoch der zunächst Verpflichtete selbst un⸗— vermögend ist, so muß der auf ibn Folgende an seine Stelle treten. Als unvermögend im Sinne dieser Bestimmung ist, nach einem Urtheil des Reichsgerichts, IV. Civilsenats, vom 16. März 1891, derjenige zunächst Verpflichtete zu erachten, welcher ohne Ver⸗ mögen ist und durch seine Thätigkeit einen fo unsicheren Er⸗ werb bat, daß er nur zu gewissen Zeiten Unterstützung gewähren kann, oder welcher die erforderliche Unterstützung thatsächlich nicht leistet und nach den obwaltenden Umständen im Zwangswege dazn nicht angehalten werden kann.

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Kunst und Wissenschaft.

Das Centralburegu der internationalen Erd⸗ messung und das Königlich preußische geodätische Institut.

Vor wenig Wochen wurden es fünfundzwanzig Jahre, daß das Centralbureau der internationalen Erdmessung ins Leben trat. ö . . ;

Aus kleinen Anfängen ist dasselbe im Laufe dieser Zeit zu einem Mittelpunkt interngtionaler wissenschaftlicher Be⸗ strebungen geworden und sein Geschäfts bereich, der ursprünglich nur die mitteleuropäischen Staaten umfaßte, hat in Folge fort⸗ schreitender Ausbreitung der internationalen Erdmessung

egenwärtig die Grenzen Europas weit üherschritten. enn man erwägt, wie schwierig es ist, inter⸗ nationale Vereinigungen zu begründen und zu er—⸗

halten, sJ muß diese erfreuliche Entwicklung um so mehr das Gefühl lebhafter Befriedigung hervorrufen, als Preußen von Anfang an die Führerschaft der internationalen Erd⸗ messung zugestanden wurde, die ihm, Dank dem energischen Eintreten seiner Regierung für die wissenschaftlichen Be⸗

ö auf diesem Gebiete, bis zum heutigen Tage gewahrt ieb.

An einem solchen Gedenktage ist es von Interesse, auf die Anfänge des Unternehmens der internationalen Erd⸗ messung zurückzublicken und sich zu vergegenwärtigen, wie sich dasselbe im Laufe der Jahre entwickelt hat.

Nachdem 1857 der verdienstvolle Direktor der Pulkowaer Sternwarte W. Struve eine große Längengradmessung unter dem 52. Parallel vom Ural bis zur Westküste von Irland in Vorschlag gebracht hatte, und seinem Projekte sowohl von russischer, als auch von preußischer, belgischer und englischer Seite zugestimmt worden war, faßte General Baeyer den Plan, diese den europäischen Kontinent in der Richtung von Ost nach West durchschneidende Ver⸗ messung durch eine von Nord nach Süd sich er— streckende Breitengradmessung zu ergänzen, welche, hoch im Norden auf dem Parallel Christiania⸗Upfala beginnend, bis nach der Südspitze der Insel Sizilien fortgesetzt werden sollte. Er legte seine Ideen in einer Denk⸗ schrist; Ueber die Größe und Figur der Erde“ nieder, welche er im April 1861 dem Kriegs-Ministerium einreichte. Dank der sympathischen Aufnahme, die das Projekt zunächst bei der preußi⸗ schen Regierung und hierauf bei den von derselben zur Mitwirkung eingeladenen anderen Staaten fand, konnte General Baeyer am Schluß des Jahres 1862 den Beitritt von allen größeren deutschen Staaten, sowie von Oesterreich, Rußland, Schweden und Norwegen, Dänemark, den Niederlanden, Belgien, der Schweiz und Italien zu einer „Mitteleuropäischen Grad⸗ messung“ anzeigen.

Die erste vom 173 bis 22. Oktober 1864 in Berlin ab⸗ gehaltene allgemeine Konferenz der Bevollmächtigten der be⸗ theiligten Staaten faßte den Beschluß, als oberste wissen⸗ schaftliche Leitung eine permanente Kommission einzusetzen und derselben als ausführendes Organ ein ECentral⸗ bureau zur Seite zu stellen. Die Leitung des letzteren wurde General Baeyer übertragen, der erklären konnte, daß die preußische Regierung dle erforder⸗ lichen Mittel darbiete. Am 1. April 1866 eröffnete das Centralbureau seine Thätigkeit mit General Baeyer als Prä⸗ sidenten, Professor Sadebeck und Hauptmann Stavenhagen als Mitgliedern und dem derzeitigen Sektions Chef im geodätischen Institut Professor Albrecht als Hülfsrechner.

Eine erfreuliche Ausdehnung der mitteleuropäischen Gradmessung trat auf der zweiten allgemeinen Konferenz im Oktober 1867 in Berlin hervor, indem inzwischen auch , Spanien und Portugal ihren Beitritt erklärt

atten, womit nunmehr die Mitwirkung fast aller europäischen Staaten gesichert erschien, weshalb die Vereinigung auch ihren Namen in „Europäische Gradmessung“ umänderte.

Um die gleiche Zeit machte sich innerhalb Preußens eine Erweiterung der Organisation des Centralbureaus erforderlich, da demselben, außer der internationalen Funktion auch die Ausführung des preußischen Antheils der europäischen Grad⸗ messung zugefallen war. Es galt nun, mit den Arbeiten der übrigen Lander durch kräftige Förderung der Arbeiten im. eigenen Lande Schritt zu halten, wozu die Mittel des Centralbureaus in feiner damaligen Ver— fassung nicht genügten. Einer angemessenen Erweiterung stand jedoch die Meinung entgegen, daß das Unternehmen der Grad⸗ messung innerhalb einer beschränkten Anzahl von Jahren zum Auschluß gebracht werden würde, und es erschien daher nicht statthaft, den wissenschaftlichen Arbeitskräften des Central bureaus eine feste Anstellung zu gewähren. In⸗ deßen brach sich die Ansicht Bahn, daß ein Unter⸗ nehmen von so weit umfassender Art nicht an eine bestimmte Anzahl Jahre gebunden sein könne. In allen Zweigen der Naturforschung finden fich im Versolg der

rbeiten immer neue Aufgaben, die der Löfung harren, und das · Arbeitsgebiet erfährt an Stelle einer Einschränkung eine beständige Erweiterung. Um diefen Verhältnifsen Rechnung zu tragen, mußte im Staatgorganismus eine feste Stelle für die Pflege der wissenschaftlichen' Geodäste geschaffen werden.

Von diesem Gesichtspunkt geleitet, reichten General Baeyer und der Direktor der Berliner Sternwarte, Professor Förster, der von Anfang an die Gesammtentwicklung der Sache in hohem Maße gefördert hatte, im April 1867 der Regierung eine Denkschrift ein, welche die Gründung eines preu ßischen geodätischen Instituts, das nun feinerseits die Geschäfte des Cenkralburegus mit zu übernehmen hätte, warm befürwortete. Die Aus— führungen der enkschrift fanden eine günstige Aufnahme, der zufolge, bereits im Jahre 1868 die“ Mittel für, bie Be dürfnisse eines folchen Instituts zunächst einmalig be— 8 vom Jahre 1869 ab aber dauernd in das

rdingrium des Staatshaushalts eingestellt wurden. Am 10. September 1885 starb im Alter von 91 Jahren der hochverdiente Begründer der europäischen Gradmesfung, in dessen Person sich bisher die Fäden vereinigt hatten und der als die fefteste Stütze ihres Jusammenhaltss galt. d Der Bestand der internationalen Organisation wurde urch, diesen Todesfall bis zu einem gewiffen? Grade in Feage gestellt; insbesondere war es zweifelhaft, ob es gelingen werde, den Sitz des Centralbureaus auch ferner für Preußen zu sichern. Auch da war es dem Eingreifen der preußischen Re⸗ gierung zu danken, daß die Gefahr seines Verlufles für Preußen abgewendei wurde. Der Kultus-Peinister von Goßler und als seine Mitarbeiter die Geheimen Käthe Pr. Althoff und Direktor Förster waren eifrig bemüht, das internalionale Band unabhängig von jeder Perfonenfrage noch fester zu ge— stalten. Durch die Berufung des Dozenten der Geodäsie am

Polytechnikum in Aachen, Professor Helmert, der eben sein umfassendes Werk: „Die mathematischen und phhyfikalischen Theorien der höheren Geodäsie“ veröffentlicht hatte, zur Leitung des Instituts wurde auch die Frage der Nachfolgerschaft des Generals Baeyer gelöst.

Dem neuen Bunde, der sich auf der achten allgemeinen Konferenz im Oktober 1886 in Berlin konstituirte, traten nicht nur die Staaten bei, welche der europäischen Gradmessung bisher angehört hatten, sondern es begannen auch außer— europäische Staaten sich demselben anzuschließen, wes⸗ halb er sich den Namen „Internationale Erdmessung“ beilegte. Au der neunten allgemeinen Konferenz im Oktober 1889 in Paris waren drei Welttheile vertreten. Heute gehören dem internationalen Unternehmen fast sämmt—⸗ liche europäische Staaten (nämlich Baden, Bayern, Belgien, Dänemark, Frankreich, Griechenland, Hamburg, Hessen⸗Darm⸗ stadt, Italien, die Niederlande, Norwegen, Oesterreich⸗ Ungarn, Portugal, Preußen, Rumänien, Rußland, Sachsen, Schweden, die Schweiz, Serbien, Spanien und Württemberg) sowie die Vereinigten Staaten Nord⸗Amerikas, Mexiko, Chile, die Argentinische Republik und Japan an.

Mit dieser äußeren Ausbreitung hält die innere Ver— tiefung des Unternehmens Schritt, Dank dem regen Interesse, welches dem gemeinsamen Beginnen Seitens der Kommissare der einzelnen Staaten entgegengebracht wird und Dank der thatkräftigen Mitwirkung des Centralbüreaus und geodäti⸗ schen Instituts. In wenig Monaten wird uͤberdies demselben Seitens der preußischen Regierung ein eigenes Dienstgebäude auf dem Telegraphenberge bei Potsdam Üüber⸗ wiesen werden, und es steht zu erwarten, daß diese abermalige Bethätigung der Fürsorge der Regierung für das Unter⸗ nehmen der Erdmessung zu seiner Festigung und günstigen Weiterentwickelung beitragen wird.

Verein für Geschichte der Mark Brandenburg. Sitzung vom 13. Mai 1891.

Eine von dem Hrn. Gymnasiallehrer B. Seiffert in Strausberg eingesandte Arbeit: Joachim II. vertauscht seine Jagd auf der Straus berger Stadtheide mit derjenigen Ebels von Krummensee auf Alt— Landsberg 1636 1543. wurde vorgelesen. Gestützt auf urkundliches Material verfolgt der Verfasser die stets vergeblichen ., Klagen und Forderungen der Bürgerschaft, welche zwar den Landes herrn selbst mit Vergnügen als Gast in ihrer Stadt und ihrer Forst sah, es aber unerträglich und ihren Gerechtsamen zuwiderlaufend fand, daß der Kurfürst sein Hoheitsrecht ohne ihre Einwilligung an einen benachbarten Edelmann abtrat und diesen als Jagdherrn auf städti⸗ schem Grund und Boden einsetzte.

Hr. Oberst⸗Lieutenant chnackenburg sprach über ältere Versuche, die Truppenverpflegung im Felde zu sichern und zu ver— bessern. In Frankreich war man schon unter Ludwig XIV. auf den Gedanken gekommen, an die Stelle des frischen Fleisches ein Fleisch⸗ mebl oder Fleischpulver zu setzen, hatte jedoch die Sache bald wieder aufgegeben. Nach dem zweiten schlesischen Kriege unternahm der Regiments⸗Chirurgus Schmückert die Herstellung eines solchen Fleisch⸗ surrogates. Es gelang ihm, die Portion für sechs Dreier zu liefern, und die auf Befehl des Königs mit Mannschaften der Potsdamer Garnison gemachten gründlichen Proben fielen so günstig aus, daß Schmückert im Jabre 1756 mit dem Range eines General ⸗Chirurgus belohnt wurde. Trotzdem machte man, aus unbekannten Gründen, Hir der siebenjährigen Krieges von der neuen Erfindung keinen

ebrauch.

Hr. Amtsrichter Dr. Holtz e sprach über die verschledenen Formen, in denen die Geistlichkeit im Beginn des vorigen Jahrhunderts an der Kriminalrechtspflege theilzunehmen hatte. War bei todeswürdigen Verhrechen der Thäter unbekannt, so wurde ein besonderes Gebet von den Kanzeln verlesen, Gott möge den Thäter offenbaren; schienen Zeugen mit ihrer Aussage oder die der That Verdächtigen mit dem Geständnisse zurückzuhalten, so wurden ihnen Geistliche beigeordnet, um auf wahrbeitsgemäßes Zeugniß und ein vollständiges Geständniß hinzuwirken. Den zum Tode verurtheilten Verbrechern wurden bis zum letzten Augenblick einer oder auch mehr Prediger beigegeben, um einmal den Delinquenten zum Tode vorzubereiten, ihn daneben aber, wenn er die That bestritt, mit allem Eifer zum nachträglichen Ge⸗ ständnisse zu ermahnen, oder, wenn er geständig war, bis zuletzt dabei zu erhalten. Es läßt sich nicht verkennen, daß diese Sitte, Geistliche als Hülfsbeamte der Kriminaljuftiz ju verwenden, manche schwete Unzuträglichkeit im Gefolge hatte und der Würde des geistlichen Amtes Eintrag tbat. Dies zeigt sich z. B. in einer theologisch⸗ dogmatischen Febde, welche in den Jahren 1716 und 1717 zwischen den Berliner Predigern Heinrich Kahmann an St. Marien und Andreas Schmidt an St. Nikolai ausgekämpft wurde. Ersterer hatte sich nämlich nicht gescheut, den Satz zu vertheidigen, der lutherische Geist- liche habe das ihm in der Beichte abgegebene Geständniß eines Verbrechers dann anzujeigen, wenn seine Bemühungen, den⸗ selben zur Selbstbezichtigung zu bewegen, erfolglos blieben, das außerhalb der Beichte geschehene Geständniß unter allen Umständen. Diese Verkennung des geistlichen Amts, das damit zum Denunzianten— thum erniedrigt wird, und dieser Auffassung des Beichtgeheimnisses trat Schmidt energisch entgegen, worauf sich Kahmann zum Rückzug bequemte, denselben aer dadurch zu decken glaubte, daß er eine Fülle von Schmähungen über seinen Amtsgenossen ergoß. Andererfeits sind die zahlreichen Berichte über die Einwirkung der Geistlichen auf die Verbrecher für den Kriminalisten eine werthvolle Quelle, da sie meist feine psychologische Blicke auf die Strafthat und den Ver⸗ brecher ermöglichen, während die erhaltenen Akten oder Aktenauszüge diese Seite gewöhnlich ganz unberücksichtigt lassen.

Hr. Dr. Krauske sprach über einen Bericht des Grafen Truch— seß Waldburg vom 28. Oktober 1717. Mit edlem Freimuth hob der Kommissariats Präsident alle Mängel hervor, die nach seiner Meinung das ihm unterstellte Königreich Preußen trotz aller Reformen zu keiner rechten Blüthe gelangen ließen. Den Schwerpunkt seiner Darstellung legte er auf die unheilvollen Folgen der rücksichtslosen Werbung. Schon wären kraftige und tüchtige Landarbeiter nur noch schwer zu finden, und auch diese würden am Liebsten vor den Werbern nach Polen flüchten. Wie sollte wohl der Handel gedeihen, wenn der Kauf⸗ mann und der Schiffer nicht davor sicher wären, bereits in den folgenden Tagen enrollirt, ihrem Handel, dem ganzen bürgerlichen Leben entrissen zu werden? Dg alle Edikte gegen die gewaltsame Werbung nur auf dem Papier stünden, hätte Federmann den Muth verloren, gegen Uebergriffe der Soldaten und Offiziere zu klagen, und würde „zu einem mürrischen Verschmerzen gebracht. Der Graf bat, nur einige Jahre die Regimenter in Preußen nicht zu embelliren und von gewaltsamer Werbung ernstlich abzusehen, dann würden die aus dem Lande geflohenen Leute zurückkehren, der . in Flor kommen und durch die vermehrte Steuerkraft neue Mittel für das Königliche Heer gewonnen werden. Im General · K&ommissariat zu Berlin fand. dieser Bericht getheilte Aufnahme. Einige der Räthe wollten ihn als Rhetorik und Uebertreibun betrachten, andere traten mit Nachdruck und Wärme au Waldburg's Seite. Der Chef ⸗Präsident der Behörde, General Lieutenant von Grumbkow entschied dahin, das Schreiben dem König nicht vorzulegen, weil Seine Königliche Majestät nur über die vielfältigen Remonstrationes von uns Blakisten (Federfuchsern) werden aigriret werden...... Weiter allen Augenblick über die ausgedroschene Materie zu referiren, wird mehr schaden als nutzen.“ Hierzu führte Hr. Professor Or. Schm oller aus, wie in der Regterung Friedrich Wil helm's J. zwei staatswirthschaftliche Richtungen einander bekämpften, und wie getade Truchseß von einseitiger Ver⸗

tretung der merkantilen Interessen nicht frei zu sprechen ist.

H. Versammlung deutscher Philologen und Schul— männer in München. IV. (Schluß.)

Der Ausflug nach Tutzing am Starnberger See am Freitag Nachmittag hatte sich trotz des Regenwetter einer großen Bethelligung zu erfreuen. Am Sonnabend früh fanden die Schlußsitzungen der Sektionen statt, deren Vorstände in der um 10 Uhr eröffneten vierten allgemeinen Sitzung über die gehaltenen Vorträge und Erörterungen berichteten. Es iagten während des Kongreffes neun Sektionen: die pädagogische, die philologische (kritisch⸗exegerische), die archäologische, die orientalische, die deutsch⸗romanische, die neu⸗ sprachliche, die mathematisch⸗naturwissenschaftliche, die indogermanische und Die historische. Die Sitzung begann mit einem Vortrag von Dr. Rudolf von Scala (Innsbruch über Isokrates und die Geschichtsschreibung!“. Der Redner führte aus, daß des Iso⸗ krates Bedeutung weniger auf dem Gebiete der Geschichts⸗ schreibung als vielmehr auf dem politischen Gebiete zu fuchen fei. Hr. Prof. Cone (Berlin) theilte mit, daß auf Grund der Be⸗ sprechungen mit den Vertretern verschiedener deutscher Regierungen die Einrichtung der archäologischen Ferienkurse auch außerhalb Preußens als gesichert betrachtet werden könne. Als Ort für die nächste Philologen Versammlung wurde Wien gewählt und als erster Präsident, da Hofrath Professor von Schenkl die Wabl ablehnte, Geheimer Rath von Hartel designirt. Hofrath von Schenki dankte im Namen der Stadt Wien für die der Stadt erwiesene Ehre, durch welche das geistige Band zwischen Deutschland und Oesterreich um so fester und inniger werden würde, und stellte in Aussicht, daß die für 1893 geplante Enthüllung des Denkmals für Bonitz mit dem Kongreß verbunden werden würde. Endlich gab Direktor Arnold (München) einen Rückblick über die Arbeiten des Kongresses und schloß dann um 121 Uhr die 41. Philologen ⸗Versammlung.

Theater und Mufik.

Säkularfeier der Sing-Akademie.

Die zweite Festaufführung, mit der die Sing-Akademie ihr hundertjähriges Bestehen feierte, fand gestern vor einer ebenso zahlreich erschienenen Zuhörerschaft statt, wie es bei der ersten der Fall war. Bachs großartigstes Werk, die hohe Messe in Hmoll war hierfür auserwählt worden. Die Chöre klangen wundervoll. Mächtiger und erhebender als je erschienen das „Gloria“, das „Credo; mit tiefer Rührung erfüllten das „Krxrie eleison“, das „Sanctus“ und der herrliche Schluß— chor „Dona nobis pacemsé. Nach der für den Chor sehr bedeutenden Aufgabe des vorgestrigen Tages war die re. der Stimmen, wie die Kraft und Ausdauer in der

usführung dieser großartigen und schwierigen Messe zu be⸗ wundern. Für die Sologesänge war diesmal in ganz be— sonders glanzender Weise gesorgt worden. Der stets be— währten Sopranistin Frl. Oberbeck hatte sich Frl. Hermine Spieß für die Altpartien angeschlossen, während Hr. Gustar Wulff (Tenor) und der Königliche Kammersänger Hr. Betz sich durch ihre schönen Stimmmittel und ihre ef eingehende Ausdrucksweise gleich den genannten Damen auf das Wirksamste an dem Gelingen des Werkes betheiligten. Lag auch manche der Baßarien etwas tief für die Stimme des Hrn. Betz, so wußte derselbe doch die Kraft und Fülle seines Organs überall ungeschmälert zur Geltun zu bringen. Einen ganz besonders hohen künstlerischen Genu gewährte die Ausführung der Violinsoli durch Hrn. Professor Joachim. Die Philharmonische Kapelle leistete wiederum

Vortreffliches. Allen Mitwirkenden, ganz besonders aber dem

hochverdienten Dirigenten Hrn. Blumner, dem das würdige Begehen dieser für jeden Theilnehmer unvergeßlichen Säkular⸗ feier zur höchsten Ehre gereicht, gebührt der Dank der Zuhörer und der der ganzen musikalischen Welt.

Wir machen zum Schluß noch auf eine soeben im Druck erschienene „Geschichte der Sing Akademie“ von Blumner (Berlin bei Horn und Raasch) aufmerksam, die jedem Musik⸗ freund als ein Beitrag zur Musikgeschichte Deutschlands sehr willkommen sein wird.

Im Königlichen Opernhause gelangt am Donnerstag Lohengrin, am Freitag auf Allerböchsten Befehl - Coppelia‘ und „Wiener Walzer“ zur Darstellung. Der Beginn der Balletvorstellung

ist auf 77 Uhr festgesetzt. . Die erste Aufführung des Ibsen'schen Dramas „Die Kron— prätendenten' in der Uebersetzung von Strodtmann im Königlichen Schauspielhause am Sonnabend wird zum Besten des Unter stützungsfonds des Vereins „Berliner Presse“ stattfinden.

Für Angelo Neumann's Ensemble⸗Gastspiel beginnt am Montag, 1. Juni, der Vorverkauf an der Kasse des Leffing⸗Theatertz und zwar für die ersten neun Vorstellungen des Opern ⸗Ensembles. Mascazni's „Cavalleria rusticana“ wird vom 13. bis 17. Juni und dann am 20. und 21. Juni, Peter Cornelius Oper „Der Barbier von Bagdad' am 18. und 19. Juni gegeben. An jedem Abend wird zudem das Frappart'sche Ballet Margot‘ aufgeführt. Die Preise der Plätze sind gegen jene des Lessing⸗Theaters und mit Rücksicht auf die Kosten des Unternehmens ein wenig erhöht. Ein Sitz in der Fremden⸗ oder Orchefter Loge kostet 10 M, in den Logen des Parquets und des ersten Ranges sowie im Balkon des ersten Ranges 8 , im Parquet 7 , die anderen Plätze sind auf 6, 5, 4, 3 und 1 festgesetzt. Das Prager Opern ⸗Ensemble entsendet seine besten Kräfte: Betty Frank, Anna Hofmann, Sarotta v. Rettich · Lepirk, Katharina Rosen und die Hrrn. Werner Alberti, Max Dawison, Felix Erl, Joh. Elmblad, Ad. Perluß. Demeter Prozovici, Georg Sieglitz, Hans Tomasezek und Ad. Wallnöfer. Diesem Ensemble fügen sich die Wiener K. K. Hof. opernsängerin Antonie Schläger und der Kgl. bayer. Kammersänger Eugen Gura ein. Der letztgenannte Künstler wird den Barbier von Bagdad geben, eine Rolle, in der er schon viel Anerkennung gefunden hat. Dirigent ist Dr. Carl Muck.

Um die für diesen Sonnabend geplante Novität des Wallner Theaters mit der Pariser mise en scene in vollständige Ueber— einstimmnng zu bringen, bat Hr. Direktor Hasemann die dramatische Künstlerin Fr. Sidonie Rakosy vom Königlichen National . Theater in Budapest für die Einstudirung des Werks gewonnen. Die ge⸗ nannte Dame hielt sich einige Wochen in Paris auf, um alle Cinzel⸗ heiten der dortigen Aufführung des „Enfant prodigue“ kennen zu lernen, und wurde von den ihr befreundeten Autoren des Werks gengu. in deren Intentionen eingeweiht, nach welchen * Rakosp den „Verlorenen Sohn? in Budapest in Scene fetzte. Da Hr. Direktor Hasemann sich persönlich von dem außerordentlichen Grfolge üherzengte, den die genannte Novität am dortigen Königlichen National · Thegter davontrug. betraute er Fr. Rakofy mit der Auf⸗ gabe, dieses Werk auch in Berlin einzuführen, und ist die Dame be⸗ reits seit 14 Tagen mit der Einstudirung der einzeinen Rollen und des Ensembles am Wallner ⸗Theater beschaͤftigt.

Ibsen's „Wildente, welche am Sonnabend mit Martha Zipser als Hedwig im Residenz - Theater in Seene gebt, wird in den Hauptrollen folgende Besetzung erhalten: Hjalmar: Sigmund Lautenhurg, der alte Eidal: Hang Pagay, Gregers: Theodor Brandt, Großhändler Werle: Eugen Pansa, Gina: Sofie Berg, und Jofefine Pagav: Frau Sörby.

Das einaktige Lustspiel, De 1 h à 3M (. Sprechstunde Ibis 3) von Abraham Dreyfuß, welches am Vaudeville ⸗Theater in Paris vor wenigen Tagen einen großen Erfolg errungen hat, ist von Direktor Lautenburg für das Residenz-Theater erworben worden.