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Staatshaushalt -⸗Etat ohne Bedeutung, denn was bei der Eisenbahn⸗ verwaltung mebr ausgegeben werde, werde bei der Grubenverwaltung mebr eingenommen. Man habe ja auch diesmal bei der Bergverwal⸗ tung 105 Millionen Mebrüberschuß; ob aber dieser Mehrüberschuß jetzt noch, bei dem vermebrten Staatsbahnnetz, die Mehrausgaben für Kohlen decke, wisse er nicht; jedenfalls zeigten diese Verbältnisse, welche Bedeutung es habe, wenn die Verwaltung sich allen Versuchen, durch Ringbildungen die Kohlenpreise zu vertbeuern, mehr als früher entgegensetze. Man habe ja kürzlich gesehen, daß die Eisenbahnverwal⸗ tung aus England Kohlen bezogen habe. Das sei sebr angezeigt in der neuesten Zeit, und er bitte die Regierung, durch die Agitation in den Interessentenkreisen sich nicht irre machen zu lassen, sondern rücksichtslos das Staatzginterefse gegenüber den Ringvereinigungen geltend zu machen. Dann komme auch die Vertheuerung der Schienen in Betracht, welche durch die Schienenkartelle hervor—
Der Reichstag babe neulich auf seinen (des Redners)
Finanz⸗Minister Dr. Miquel:
Meine Herren! Die Frage, welche der Hr. Abg. Richter an⸗ geregt hat, von welcher Beschaffenheit und auf welchen Titeln diese Mehrausgabe von 65 Millionen Mark zu finden sei, ist allerdings für die voraussehende Kalkulation der Zukunft von großer Bedeutung. Ich habe mich bemüht, auch durch Rückfrage bei der Eisenbahnverwal—⸗ tung, mir darüber Klarheit zu verschaffen, welcher Theil dieser Aus gabe dauernder und welcher Theil vorübergehender, durch besondere Umstände veranlaßter Natur ist. Aber auch bier bin ich nicht zu einer vollständigen Klarbeit gekommen. Das, glaube ich, ist aber zweifellos und wird von selbst einleuchten, wenn man auf den langdauernden Winter, auf die Hochfluthen im Herbst, die namentlich in den westlichen Provinzen sehr vielen Schaden anrichteten, hinweist, daß ein sehr erheblicher Theil dieser Mebrausgabe von 65 Millionen Mark vorübergehend ist. Aber ich glaube nicht, daß es der größere Theil ist.
Ich habe hier in der Hand eine Zusammenstellung, die aber nur bis zum Ende Januar 1891 geht, wie sich diese Mehrausgabe auf den einzelnen Titeln vergleicht und wie sie sich verhält zu den tbat— sächlichen Ausgaben des Vorjahres. Und da ergiebt sich, daß die Mehrausgaben mehr oder weniger auf allen Titeln vorkommen und keineswegs etwa nur auf diejenigen Titel sich beschränken, die der Hr. Abg. Richter besonders hervorgehoben hat.
Wir haben hier bis zum 1. Januar 1891 gegen das Vorjahr 1890 bis zum gleichen Zeitpunkt an Gehältern eine Mehrausgabe von 11271 876 M0; darin stecken Gehaltserböbungen und Neuanstellungen — also an Gehältern ohne Löbne. An Wohnungsgeldzuschüssen ist eine Mehrausgabe gegen das Vorjahr aus gleichen Gründen von rund 700 000 υ vorhanden. An anderen persönlichen Ausgaben — namentlich für Hülfsarbeiter — ist eine Mehrausgabe gegen die thatsächlichen Ausgaben des Vorjahres von nicht weniger als 10460 000 M entstanden. An sachlichen Auslagen hat die Mehrausgabe drei Millionen rund, für die Unterhaltung der Bahnanlagen 12893 000 K betragen. Die Kosten des Bahntrans⸗ ports haben mehr betragen 12 413 000 „ Die Erneuerung des Ober baues und der Betriebsmittel — darauf muß der lange Winter jeden falls sehr stark eingewirkt haben — bat eine Mehrausgabe verursacht von 13 Millionen. Bei den Kosten für erhebliche Ergänzungen, Er— weiterung und Verbesserungen, namentlich bei Titel 17a — und dieser Titel könnte wesentlich Meliorationen entbalten im Sinne des Hrn. Abg. Richter — ist eine Mehrausgabe vorhanden von 1846000 4
Ich will die weiteren Details nicht angeben. Es sind Mehr— ausgaben auf allen Gebieten verzeichnet. Dauernder Natur sind jeden⸗ falls natürlich alle Ausgaben für Gehälter, für andere persönliche Vergütigungen, für Wohnungsgeldzuschüsse und für Löhne wohl nicht minder, und darin steckt ein großer Theil der Mehrausgabe. Bis Ende Januar betrug bereits die ganze Mehrausgabe gegen die that— sächliche Ausgabe des Vorjahres 50 533 000 S, während der Etat für das ganze Jahr eine Mehrausgabe von 58 Mil— lionen voraussah gegen den Etat des Voriahres. Es war also bis auf einen Betrag von rund 8 Millionen bereits der ganze veranschlagte Mehrausgabebetrag aufgezehrt worden. Seit dieser Zeit sind aber die Mehrausgaben fortgegangen, und ich kann mittheilen, daß auch im Monat April die ses Jahres eine Mehrausgabe gegen die allerdings vorhandene Mehreinnahme vor⸗— handen ist, welche letztere übersteigt. Wir müssen hoffen, daß die Ausgaben sich allmählich, namentlich für die Sommermonate wenigstens, erheblich vermindern werden.
Abg. Graf. von Kanitz: Der Abg. Rickert habe mit Recht darauf hingewiesen, daß das Haus für das späte Zustandekommen des Etats Niemand verantwortlich mache; aber wenn man den Ursachen dieses späten Zustandekommens nachgehe, so finde man, daß pari Passu mit dem Etat zwei wichtige Gesetze erledigt worden seien: das Einkommenstenergesetz, dessen Verabschiedung zugleich mit der Etatserledigung nöthig gewesen sei, und die ebenfalls sehr wichtige Landgemeindeordnung, welche allerdings ohne Schaden hinter dem Gtat hätte zurückstehen können, für welche aber gerade Abg. Rickert mit besonderem Eifer eingetreten sei. Anfangs Mai sei zwischen den Fraktionen darüber verhandelt worden, ob man zuerst die Landgemeinde⸗ ordnung oder zuerst den Etat in dritter Lesung erledigen solle; er sei für die Etatsberathung gewesen, die Mehrheit des Hauses aber habe zuerst die Landgemeindeordnung erledigen wollen. In einem Punkte sei er mit dem Abg. Richter einverstanden. Als der Abg. Richter mit dem Abg. Schrader im vorigen Jahre im Reichstage beantragt habe, durch angemessene Beseitigung der Ausnahmetarife für Kohlen auf eine Ermäßigung der Kohlenpreise hinzuarbeiten, habe er (Redner) diesen Antrag bekämpft; heute würde er einem folchen günstiger gegenüberstehen weil die Verhältnisse des Kohlenmarktes und die Vorgänge an der Börse sich bisher erheblich verschoben hätten. Damals habe man nur einen Kohlenring, das westfälische Koblen⸗ syndikat gehabt, seitdem hätten sich noch der Dortmunder, der Essener, der Bochumer und viele andere Kohlenverkaufsvereine gebildet. Den Versicherungen dieser Vereine, daß es ihnen durchaus fernliege, die Kohlen⸗ preise auf ein ungeböriges Maß zu steigern, entfyreche deren Thãͤtig⸗ keit nicht. Die Kohlenpreise würden jetzt auf einer Höhe gehalten, welche sich gegenüber den Arbeitslöhnen und den Produktionskosten nicht rechtfertigen lasse. Die Förderkosten betrügen pro Tonne durch—⸗ schnittlich 65 „6, dabei betrage der Kohlenpreis 105 bis 11 , also eine Steigerung, welche ju den Förderkosten in keinem an— gemessenen Verhältniß stehe. Es würde ihm lieb sein, wenn die Re—⸗ 6 das Ihrige dazu thäte, dieser Preistreiberei ein Ende zu machen. zin vollkommen sicheres Mittel dazu biete eine Beschränkung der Ausnahmetarife, welche die westfälische Kohle jetzt genieße. Die letzte Kohlenverdingung in Köln, als die beiden rheinischen Eisenbahn ˖ Direk⸗ tionen ihren Kohlenbedarf ausgeschrieben hätten, bätte der Regierung die Augen geöffnet haben sollen, wohin es komme, wenn ein einzelner
Industriezweig so großgezogen und ůbermüthig gemacht werde. Die Zechen hätten 110 4 gefordert. Der Minister habe diese Forderung ab- gewiesen, und jetzt erklärten dieselben Zechen fast bohnlachend, daß der Minister bei der nächsten Ausbietung noch höhere Preise werde bewilligen müssen, sie hätten dasselbe Quantum Kohle bereits für 110 4 an das Ausland verkauft. Das müsse der Minister an der Industrie erleben, die er selbst durch seine Tarife groß gezogen kabe. Er überlasfe der Regierung die nöthigen Maßregeln, wünsche aber mit dem Abg. Richter, daß etwas durchgreifendes gegen diese Preissteigerung geschehe. (Beifall rechts)
Abg. Rickert: Die Fortschritte, die der Abg. Graf von Kanitz feit einigen Monaten gemacht habe, begrüße er mit Freude. Er sehe schon, daß er auch noch wegen Verletzung des nationalen Interesses auf die Anklagebank kommen werde. Wenn der Abg. Graf Kanitz die Bruderbhand nehmen wolle, hier habe er sie; er reiche sie ibm. Bezüglich der Verbandlungen wegen der Landgemeindeordnung und des Etats irre der Abg. Graf Kanitz. Als diese Verhandlungen statt gefunden bätten, sei die Verfassung bereits verletzt gewesen, denn die dritte Lesung der Landgemeindeerdnung habe am 20. April stattgefunden. Da babe man kein Interesse gehabt, die Landgemeindeordnung auf die lange Bank zu schieben. Zu retten sei die Bestimmung der Ver⸗ fasfung nicht mebr gewesen. Das Haus habe also ganz konsequent ge handelt. Er bedauere, daß der Finanz ⸗Minister über seinen Wunsch gar nichts gesagt habe. Er sollfe die amtlichen Zablen im Reichs . Anzeiger“ mittheilen und diesen dadurch interessant machen. Er freue sich, daß die offiniöse Wirtbschaft ein Ende habe, und es würde schön sein, wenn der Minister jetzt taglich den Reichs- Anzeiger zu intereffanten Mittheilungen benutzte. So hätte z. B. die Mehrausgabe von S5. Millionen sofort bekannt gemacht werden sollen. Man babe alles Interesse daran, daß sich ein Urtheil auf Grund von Thatsachen und nicht von unkontrolirbaren Gerüchten bilde.
Abg. von Eynern: Die gemeinsame Aufforderung der Abgg. Richter und Graf Kanitz an die Regierung, den Kampf gegen die Kohlenringe und Schienenkartelle aufzunehmen, sei böchst interessant. Les eztrèmes se touchent, der Junker und der Demokrat! (Heiterkeit) Der Abg. Graf Kanitz scheine überhaupt keinen Begriff zu baben, daß für Koblen auch ein Marktwerth existire. Auch die staatlichen Bergwerke fügten sich demselben. Die Saarbrücker Kohle werde auf einem noch höheren Preise gebalten, als die westfälische. Der Abg. Graf Kanitz scheine nur von einem Marktwerth für Getreide etwas zu wissen, und passe ihm der nicht, so schreie er nach Schutz zöllen. Waͤre der Eifenbahn ⸗Minister bier, so würde er (Redner) ihn fragen, ob die englische Kohle nicht ausschließlich des balb bezogen sei, um die Folgen des Strikes vorher zu paralvsiren, und ob die englische Koble billiger zu haben sei, als die westfälische. Andere Industrielle hätten auch englische Kohlen bezogen und damit einen wünschenswerthen Dampfer auf die strikenden Arbeiter ausgeübt. Wenn die Ringe bier so schroff und einseitig beurtheilt würden, so sollten die Abgg. Richter und Graf Kanitz zunächst von der Regierung direkt Abbülfe verlangen. Der größte Kohlenring sei der Saarbrücker. Das staatliche Verkaufs ⸗ bureau desselben balte den Preis von 13 oder 14 großen Gruben ebenso wie die Privatverkaufsvereine. Wolle man die freie schranken⸗ lose Konkurrenz, so möge man doch seinen Einfluß — der des Abg. Richter wachse ja anscheinend von Tag ju Tag — auf die Regierung dahin ausüben, daß iede Zeche des „Saarreviers selbft mit der Kundschaft verkehre; daß sie gegen einander operirten und sich die Kundschaft. gegenseitig abspenstig machten, das werde das Ideal der Herren sein. Die Herren könnten die Regierung auch darum bitten, daß die Königlichen Werke, die in die verschiedenen Kartelle mit eingetreten seien und im Kartell⸗ wasser lustig mitschwömmen, aus diesen Kartellen austräten und die freie Konkurrenz aufnähmen, dann werde man sehen, was es für Folgen habe. Dann werde der Finanz ⸗Minister großen Ausfall haben. Die Kohlenverkaufsvereine hätten gerade auf eine mäßige Preis ⸗ haltung der Kohle hingewirkt. Man möge doch die Reden über ent setzliche Kohlenpreissteigerungen nicht ertönen lassen. Die amerikanische, enhlische und andere ausländische Kohle sei nicht billiger als die unfrige. Die Kohle habe einen ganz bestimmten Marktpreis. Man könne nicht daran rütteln, daß sich gemeinsame Interessen gegen ent—⸗ gegenstehende Interessen zusammenthäten. ö
Abg. Richter: Er habe sich nicht gegen die freie Konkurrenz ausgesprochen, sondern er verlange, daß nicht durch staatliche Ein⸗ wirkung Koalitionen künstlich gefördert würden. Der von ihm und dem Abg. Schrader gestellte Antrag sei darauf binausgegangen, daß man aufböre, die Koblenausfuhr wie bisher künstlich durch besonders billige Ausfubrtarife für Kohle nach den Niederlanden, der Schweiz, den Oftfeeländern zu begünstigen. Indem man andererseits der Zufuhr enalischer Koble keine Erleichterung geschaffen habe, habe man den Absatz der inländischen Zechen künstlich vermehrt und eine Preissteige rung begünstigt. Eine andere künstliche Einrichtung, von der er heute noch nicht erfabren babe, ob und wie sie sich entwickelt habe, sei vor einigen Jahren durch eine Abänderung des Statuts der Bergbaubülfskasse berbeigeführt worden. Es seien dadurch Konventionalstrafen eingeführt worden für den Fall, daß eine Zeche ihre Produktionsmenge des vorigen Jahres überschreite. Die Zechen sollten für diesen Fall besondere Beitrage zur Bergbaubülfskasse zablen, und diese Beiträge seien so groß ge— wesen. daß sie den Charakter von Konventionalstrafen gebabt bätten. Der Minister von Mapbach habe sich zuerst der Bestätigung dieser Statutenänderung widersetzt, ei aber durch den Fürsten Bismarck zur Bestätigung derselben veranlaßt worden. Er habe nicht erfahren, in welchem Umfange dieses Mittel gebraucht werde und ob es noch fort⸗ gesetzt werde. Würden solche künstlichen Einrichtungen Seitens des Staats ferngehalten, so werde man sehen, ob solche Preissteigerungen der Kohlen noch möglich seien. n außerordentlichen Kohlenpreissteigerung im vergangenen Jahre abe ganz wesentlich beigetragen, daß die Staatsbetriebe plötzlich ihren eisernen Bestand an Kohlen beträcht ⸗ lich erhöht hätten. Es würde diesmal eine ähnliche vergrößerte Preis steigerung eingetreten sein, als gegenüber dem drohenden Strike wiederum für die Regierungen die Veranlassung nahe gelegen habe, ihre eisernen Kohlenbestände zu erhöhen. Sie hätten sie auch erböht, aber diesmal durch Ankäufe von England. Politische Gesichtspunkte kämen bei dieser Frage überhaupt nicht in Betracht. Er unterscheide zwischen denjenigen, welche die allgemeinen Interessen bei solchen Fragen verträten, und denjenigen, welche geneigt seien, das Interesse eines bestimmten Produktionszweiges dem allgemeinen Interesse über⸗ zuordnen. In Bezug auf den Kohlenvreis z. B. glaube er, mit dem Abg. von Eynern das allgemeine Interesse gegenüber den künst⸗ lichen Beschränkungen des Angebots zu vertreten. Bei dem Grafen Kanitz sei er nicht sicher in Bezug auf die Kohlen, aber um so sicherer in Bezug auf das Getreide. (Heiterkeit; Er hoffe, daß der Abg. Graf Kanitz sich zu seinem Standpunkt in Bezug auf das Getreide und der Abg. von Epvnern in Bezug auf die Kohlen bekehren werde; dann werde er mit beiden Herren Arm in Arm das Jahrhundert in die Schranken fordern. (Große Heiterkeit.)
Abg. Graf von Kanitz: Er könne nicht zugeben, daß ihm die Landgemeindeordnung ein Greuel sei. Bei der vierten Lesung der Landgemeindeordnung werde er zeigen, daß er mit dem jetzigen Wortlaut des Gesetzes ganz einverstanden sei. Es komme nur darauf an, wie das Gesetz wirken werde. Er glaube allerdings, daß die hohen Kohlenpreise dazu beitrügen, die sozialdemokratische Bewegung in den Koblenbezirken zu fördern und im Gange zu halten. Ein strikter Vergleich, zwischen der Saatkohle und der westfälischen Kohle sei aus vielen Ursachen absolut uahaltbar. Die Saarkohle sei sehr viel theurer zu fördern und schon deshalb im Preise viel höher. Der Abg. von Eynern sage: Im Ausland seien die Kohlen eben so theuer. wie bei uns, und! babe sich auf die englische Kohle bezogen. Diese koste allerdings 11 bis 12 6, aber wohlgemerkt, frei an Bord. Der Abg. Richter habe die Frage aufgeworfen, wie es wohl mit der Organisation der Kohlenverkaufsvereine beschaffen sei; er babe von Konventionalstrafen und dergleichen gesprochen. Das westfälische Koks⸗ syndikat, welches im vorigen Sommer seine Statuten neu revirirt habe, habe Folgendes festgestellt. Alle zu dem Syndikat gehörigen Zechen übertrügen dem Syndikat den Verkauf ihrer ganzen Produktion zu bestimmten Preisen. Die Konventionalstrafe bestehe darin, daß far jeden Doppelwagen Koks, der dieser Bestimmung zuwider im freien
Markt verkauft werde, eine Konventionalstrafe von 500 M erhoben werde. Wie hoch die Konventionalstrafe in den verschiedenen Kohlen⸗ verkaufsvereinen sei, wisse er nicht, sie werde sich aber wohl denen des Syndikats näbern. Mit Unrecht habe man Kohlenpreise und Getreidejölle in Vergleich gejogen. Bei den Getreidezöllen handele es sich darum, einen unumgänglich nothwendigen Erwerbsstand des Landes in seinem Fortbestehen und Nahrungsstande zu erhalten. Bei den hohen Kohlenpreisen liege die Sache anders. Die meisten Koblenzechen befänden sich in den Händen von Aktiengesellschaften, die Aktien in den Händen von meist reicken Leuten. Der große Unter schied bestehe darin, daß die höheren Getreidepreise der großen Mehr⸗ zahl des deutschen Volkes zu Gute kämen, die hohen Kohlenpreise nur wenigen reichen Leuten. In Berlin befänden sich 4 von den Herren, welche an den hoben Kohlenpreisen überhaupt Interesse 66 Im Uebrigen sei es an der Zeit, zur Spezialdiskussion über⸗ zugehen.
Abg. Dr. Hammacher: Das könne er sich denken, aber den seltsamen Behauptungen des Vorredners, wie sie hier noch niemals gebört worden seien, müsse doch öffentlich widersprochen werden. Die Abgg. Richter und Rickert seien so intelligent und vorurtheilsfrei in der Beurtheilung wirtbschaftlicher Dinge, daß sie gegen die Bildung von Interessengemeinschaften zum Zweck der Er⸗ langung böherer Preise keinen Widerspruch erböben. Der Abg. Graf Kanitz möchte aber dieses Recht den In⸗ duftriellen bestreiten. Er möchte es ihnen verbieten, während er auf der anderen Seite für andere Interessengruppen das desfallsige Recht in Anspruch nehme. Er (Redner) frage, sei denn etwa der Landwirth ein bevorzugter Mensch in unserem Staatswesen? Solle denn dem Landwirth gestattet sein, Mittel zu gebrauchen, die anderen Angebörigen unseres Staates versagt seien? Wenn Jemand einen derartigen Unter⸗ schied in seine bandelepolitischen und wirthschaftlichen Erwägungen bin eintrage, gebe er zu erkennen, daß er noch auf dem feudalen Stand⸗ punkt stehe (Lachen rechts), auf einem Standpunkt, der größtentbeils einer untergegangenen Zeit angeböre. Er erinnere nur an die Zeit, in der auch der Abg. Graf Kanitz das Zugeständniß gemacht habe, daß speziell die Steinkohlenindustrie am Niederrhein und in Westfalen sich in einer höchst traurigen Lage befunden habe Die einzelnen Werke hätten sich am Rande des Abgrundes bewegt, sie hätten vor dem Bankerott gestanden, von dem der Abg. Graf Kanitz avnehme, daß er in den östlichen Provinzen die Charakteristik für die Lage der Landwirtbschaft abgebe, In der damaligen Zeit sei es die Pflicht der einzelnen bei der Industrie Betheiligten gewesen, die Hütten vor dem Abgrund zu retten, und er selbst habe damals als eins der Mittel der Abhülfe, die Beschränkung der Produktion vorge⸗ schlagen. (Hört! links Von einer Parteinahme Seitens der Re⸗ gierung für die Bergwerkschaftskasse sei damals nicht die Rede ge⸗ wesen. Der Abg. von Eynern habe mit vollem Recht behaupten können, daß zur Zeit die Kohlenpreise in allen Ländern Europas sich ungefähr auf demselben Niveau bewegten. Die englische Koble stehe höber als die westfälische. Wenn aber die Sache so liege, so sei es ein vergeblichts Bemühen, durch, niedere Tarife auf die Koblenpreifse in Deutschland einzuwirken. Durch Zwangs maßregeln die gebildeten Ringe zu bekämpfen, sei unmöglich. Man möge doch ein Mittel angeben, durch welches derartige Ringe zer⸗ stört werden könnten. Man thue überhaupt den Ringen großes Unrecht. Solche Ringe wirkten in Perioden wie der jetzigen geradezu ermäßigend auf die Preissteigerung ein. Er stehe nicht an, zu be⸗ baupten, daß, wenn beute in Westfalen keine Koblenringe wären, der Preis der westfälischen Koble längst auf 140, auf 150 4 gestiegen sein würde, während er jetzt etwa 100 M betrage. Er stimme dem Abg. Richter bei, daß es nicht wünschenswerth sei, daß ein Rohmaterial, das für Gewerbe und Industrie unseres Landes nicht entbehrt werden könne, auf der jetzigen Preishöhe stehen bleibe. Er sei überzeugt, daß die Preise auch wieder heruntergehen würden und zwar im Interesse der allge⸗ meinen wirthschaftlichen Interessen des Landes. Dieser Zeitpunkt liege vielleicht viel näher als viele glaubten; denn man befinde sich zur Zeit in einer retardirenden Bewegung auf dem gesammten wirth⸗ schaftlichen Gebiete. In Folge dessen werde der Konsum von Kohle erheblich abnehmen und nach dem natürlichen Gesetz von Angebot und Nachfrage werde man dazu gelangen, die Kohlenpreise wesentlich herabzusetzen. Er halte die ganze Debatte für absolut wirkungslos in Bezug auf die Aufrechterbaltung bezw. Störung der Kohlenringe. Das einzig Richtige, das in der Sache angeregt worden sei, sei von dem Abg. Richter ausgegangen, der die Regierung aufgefordert habe, ebenso wie es seiner Zeit im Reiche geschehen sei, daß bei dem Budget Auskunft ertheilt werde über die Ergebnisse der Submissionen Seitens der Betriebsverwaltungen.
Abg von Eynern: Er halte die beutige Debatte für wirkunge⸗ los in Bezug auf die Bildung von Ringen, aber für sehr frucht bringend in Bezug auf die Klarstellung der Ansichten, wie sie auf der rechten Seite durch den Abg. Grafen Kanitz vertreten worden seien. Die Koblenfrage werde das Haus in späteren Jahren noch öfters be— schäftigen. Es werde dann zu prüfen haben, ob es möglich sei, daß die Kohlenindustrie, die Grundlage der ganzen Industrie im Lande, die außerordentlichen Lasten tragen könne, welche ihr durch die neuere Gesetzgebung auferlegt seien, und ob es ruhig ansehen könne, daß die Koblenschätze des eigenen Landes ohne Nutzen für das Land blieben und ohne Vortheil aus der Erde herausgeholt würden. Der Abg. Graf Kanitz habe eigentlich zugegeben, daß die Saar, die Staatekohle, einen böheren Preis habe als die Kohle im Ruhrrevier. Gegen den hohen Preis der Saarkohle habe er nichts einzu⸗ wenden. Die Preise der Saarkohle richteten sich aber nach der westfälischen Kohle. Er (Redner) möchte einmal sehen, was die Herren für ein Gesicht machen würden, wenn aus den Staatswerken ein Defizit herauskäme. Daß das Wachsthum der Sozialdemokratie mit dem Koblenpreise zusammenhänge, glaube er nicht, wohl aber sei es ibm zweifellos, daß sie mit großgezogen werde durch diejenigen Reden, die der Abg. Graf Kanitz hier fortgesetzt im Hause gegen die Kohlenzechen und Eisenwerkbesitzer halte, indem er sie als Ausbeuter der Arbeiter hinstelle. Er möchte wirklich wissen, ob es eine Sünde sei, wenn eine verständige Beschränkung der Produktion stattfinde. Solle man denn nicht in weifer Fürsorge für die Zukanft dahin streben, daß die Produktion nicht höher steige, als es der momentane Bedarf erforderlich mache? Solle man einen Raubbau ausführen? Solle man den Staat veranlassen, einen ähnlichen Raubbau in seinen Wäldern zu treiben? Daß die hoben Getreidepreise ein Segen für das deutsche Volk seien, sei ein Diktum, wie man es bisher noch nicht im Parlament gehört habe.
Finanz⸗Minister Dr. Miquel:
Meine Herten! Der Hr Abg. Rickert hat mehrfach den Wunsch geäußert, es möge die Staatsregierung in Erwägung ziehen, ob nicht der Finalabschluß, sobald er vorliegt, wie es in der Reichsverwaltung üblich ist, zur Veröffentlichung gelangen könnte. Ich habe ja heute schon mehr gethan, indem ich fast den ganzen Finalabschluß, soweit er heute übersehen werden kann, hier öffentlich mitgetheilt babe. Ich kann, da dies ein Gegenstand ist, über welchen das Staats Ministerium würde zu entscheiden haben, keine bestimmte Erklärung abzeben; aber die Erklärung, die Hr. Rickert wünscht, kann ich ihm bereitwilligst geben, daß wir diese Frage in Erwägung ziehen wollen. Ich will nur
dabei bemerken, daß ein Bedenken in der Sache selbst vorhanden ist;
es wird sich nämlich zeigen, daß für das Publikum der preußische Finalabschluß in seiner eigentlichen Bedeutung viel schwerer ver—⸗ ständlich ist als der Abschluß beim Reiche; aber es mag dann wenigstens die Veröffentlichung, wenn sie stattfinden sollte, für die Sachkundigen den Erfolg haben, daß nicht so verkehrte Ansichten über die Lage der preußischen Finanzverwaltung mehr übrig bleiben, als man sie so oft in der Presse entwickelt. (Sehr richtig)
Abg. Schmieding: Er sei ein Gegner der die Produktion ver theutrnzen Ringe, aber die Vereinigungen von Kohlenproduzenten in Rheinland und Westfalen gehörten nicht in diese Kategorie; denn ihr
Besteben falle nicht in die Zeit des Steigens der Kohlenpreise, sondern in die des Sinkens. Diese Vereinigungen hätten nur den ⸗ selben Zweck, den der Staat anstrebe mit Errichtung einheitlicher Verlaufsstellen für die von ihm produzirten Koblen. Das Koks— syndikat spejiell habe sehr verdienstlich gewirkt, indem es die Koks preise, die im vorigen Jahre 28 S pro Tonne betragen hätten, auf 13 6 berabgesetzt habe. Er wundere sich, daß der Abg. Richter das thatsäͤchlich beftebende Staats bahnmonopol der Privatindustrie gegenüber so lebhaft unterstütze. Ohne die Koblengruben⸗ verbände in Rheinland und Westfalen würden die Kohlen preise beute noch höher sein, namentlich der erste große Koblen—⸗ strike würde eine große Kohlennoth hervorgerufen haben. Die bohen Kohlenpreise seien erstens eine Folge der durch die Strikes bervorgerufenen Produktionsvwertheuerung und zweitens eine Folge der Thatsache, daß die Kohlen produzirende Industrie mit der Eniwicke⸗ lung der Kohlen konsumirenden Industrien nicht gleichen Schritt halten könne, und mit der Abtäufung von neuen Schachten würden die hohen Preise allmählich sinken. Sonderbar erscheine ihm, daß der Abg. Graf Kanitz höhere Kohlenpreise für schädlich halte, die hohen Getreidepreise aber für gut — sonst würde er letzteren wohl durch Zollermäßigungen entgegen zu wirken suchen. Ebenso sonderbar sei es, daß der Abg. Richter die Koblenpreise im Inlande dadurch verbilligen wolle, daß er die Ausnabmetarife beseitigen wolle, was doch schließlich auf eine Erhöhung der bestehenden Tarife binauslaufe. Abg. Richter: Dem Abg. Grafen Kaniß bemerke er, daß er die Saarwerke darum nicht erwähnt habe, weil diese in einer Hand, in der des Staates, sich befänden, also hier von einem Ringe nicht die Rede sein könne. In Bezug auf die bergbauliche Hülfskasse in Westfalen meine er, daß sie nicht eine legale Produzentenvereini-⸗ gung darstelle, sondern daß ihr alle Grubenbesitzer jener Gegend bei⸗ treten müßten, und daß die Unterstützung, die der Staat diefer Ver—= einigung angedeihen lasse, zu vergleichen sei mit der Unterstützung, die er bei der Branntweinsteuer den kontingentirten Brennern zuwende. Einen Schutz gegen Raubbau, von dem übrigens bei der Kohlen produktion noch nie etwas gehört worden sei, könne der Staat auf einfache Weise durch Anwendung der bestehenden Gesetze berbeiführen. Was das Stagtsbahnmonopol anlange, so verdanke man es wesentlich der nationalliberalen Partei; aber da dieses System nun einmal bestehe, so sehe er nicht ein, warum es nicht gegen Uebervortheilungen durch private Industrieen geschützt werden solle. Ueber die Tarife babe der Abg. Schmieding eine ganz falsche Verstellung. Diese Ausnahmetarife beständen in der That zu Gunsten der in ländischen und zu Ungunsten der ausländischen Kohlen. Aus der Debatte habe er den Schluß gezogen, daß ein großer Theil der Uebelstände, über die man klagen müsse, nicht vorhanden sein würde, wenn nicht unter der wirthschaftlichen Gesetzgebung des Fürsten Bis“ maick in so großem Umfange Sonderinteressen die Klinke der Gefetz⸗ gebung für sich hätten in die Hand nehmen können.
Abg. Graf von Kanitz: Der Abg. Dr. Hammacher habe bei seinen Betrachtungen über die Kohlenpreise in England die Frachtsatze nicht in Rechnung gezogen, sei also dadurch zu unrichtigen Resultaten gekommen. Dem Abg., Schmieding entgegne er, daß er kein Gegner der Kohlen. und Eisenindustrie sei. Er sei nur ein Gegner der Ringe, welche Erhöhungen der Preise zum Zweck hätten und welche er aus wirthschastlichen Gründen nicht billigen könne. Das Kokesyndikat babe im Jahre 1887, als die Kohlenindustrie sehr dar⸗ niedergelegen habe und die Kokepreise sehr gesunken gewesen seien, sich als sehr segensreich erwiesen. Heutzutage aber sei es nur von schäͤdiicher Wirkung. Die Koblenpreise betrügen heute nicht 13, sondern 16 bis 13 6 Unter der Höhe der Kokspreise leide die vaterländische Roheisenindustrie, welche ohnehin schon im ersten Vierteljahr für 100 0000 weniger produzirt habe als in jenem Zeitraum des Vorjahres, und im April wieder um 59 000 S gegen das Vorjahr zurückgeblieben sei. Die Roheisenindustrie arbeite jetzt mit staͤrkem Verlust und das liege wesentlich an dem Kokssyndikat. Was die Getreidepreise an= lange, so hätten sie eine Höhe erreicht, die auch von der Landwirth— schaft bedauert werden müsse. (Abg. Rickert: Heben Sie doch die Zölle auf) Er lasse es dahingestellt; ob ein Getreidering bestehe, aber an dem Profit eines solchen Ringes nähmen die Landwirthe keinen Antheil. ͤ
Damit schließt die Generaldebatte,
Beim Etat der Forstverwaltung bittet
Abg. Lehmann, der Minister möge Sorge tragen, daß die geprüften Gemeinde ˖Oberförster⸗Kandidaten auch möglichst zur An⸗ stellung kämen.
Minister für Landwirthschaft ꝛc. von Heyden:
Die Angelegenheit selbst ist in einer bestimmten Form an die Staatsregierung noch nicht herangetreten. Der Wunsch des Herrn Vorredners, daß die Staatsregierung eintretenden Falls die Interessen der geprüften Gemeinde Oberförsterkandidaten nicht unberücksichtigt läßt, wird der Beachtung sicher sein.
Bei der Berathung des Etats der direkten Steuern — Einnahmen aus der Eisenbahnabgabe — bemerkt
Abg. Dr. Sattler: Vie Eisenbahnverwaltung in Kyri gebe Anlaß zu lebbaften Klagen dadurch, daß keine vierte ir ter! dort hestehe, besonders bohe Fahrpreise vorkämen und die Verlegung der Züge die Interessen der Gerichtseingesessenen, welche mit den dortiaen Gerichten zu verkehren hätten, nicht genügend berücksichtige.
Bei dem Etat der indirekten Steuern bemerkt
Abg. Rickert: In den letzten Tagen sei durch die Presse eine Nachricht gegangen, welche die Bevölkerung sebr beunruhige: Es sei a. der schlesisch bohmischen Grenze auf drei Personen, welche etwas mehr Mehl zu ihrem Gebrauche über die Grenze von Oesterreich nach Preußen gebracht hätten, als gesetzlich erlaubt fei, geschoffen Porden; es sollten zwei Männer und ein Mädchen verwundet sein, detzteres tödtlich. Diese Darstellung lasse die Frage berechtigt er— scheinen, ob ein solcher Fall möglich sei. Laute die Instruktion so, daß ein Grenzwächter in solchen Fällen von der Waffe Gebrauch machen dürfe, daß er Leute niederschieße? Sei darüber eine Unter- chr angestellt, sei der Minister heute schon in der Lage, nähere ) ngaben darüber zu machen, und wie solle solchen Ueberschreitungen
er Befugnisse der Grenzwächter in Zukunft entgegengetreten werden?
Finanz Minister Pr. Miquel:
Meine Herren! So sehr bedaverlich der Vorfall an sich ist, von dem der dr. Abg. Rickert gesprochen hat, so liegt doch bis jetzt auch nicht das geringfte Anzeichen vor, daß die betreffenden Beamten sich einer Ueberschreitung ihrer Befugnisse oder einer Pflichtverletzung schuldis gemacht hätten. Ich muß in dieser Beziebung die Beamten in Schutz nehmen. Was bis jetzt vorliegt auf Grund der alskald eingegangenen Berichte, namentlich des Haupt-Zollamts in Mittenwalde, ergiebt, daß die Beamten genau nach den Vorschriften des Gesetzes vom Jahre 1831 gehandelt haben, und daß in keiner Weise ihnen ö. Vorwurf, zu machen ist. Dies Gesetz schreibt ror, daß n Fallen dieser Art eine gerichtliche Untersuchung stattfinden 21 . feststellt, ob in irgend einer Weise die Beamten sich 2 eberschreitung schuldig gemacht haben, und wir haben die ne , ,. ö. Untersuchung noch nicht. Nach der Daistellung , 1 Bericht des Haupt⸗Zollamts vom 15. Mai gegeben 14 ist, ist der Vorfall folgender gewesen: In der Nacht vom
. auf den 14. Mai trafen zwei Grenzaufseher — es ist auch vor geschrieben im Gesetz, daß in solchen Fällen zwei Grenzaufseher zur Stelle sein müssen — gegen 1 Uhr Nachts einen geschlossenen Trupp von 13 Personen. Trotz mehrfachen Anrufeng ergriff der gesammte Trupp die Flucht, weshalb die Beamten, nachdem auch ein Schreck. schuß ohne Erfolg geblieben war, von der Schußwaffe ernstlich Gebrauch machten und dabei den Weber Anton Wiedemann, den Webersohn
Heinrich Umlauf und die Bergmanngtochter Anna Fiedel, sämmtlich aus Hausdorf, Kreis Neurode, verwundeten. Bei diesen Berwundeten — soviel scheint aus dem Berichte bervorzugehen — hat sich ein Betrag von 102 Kilogramm Mehl aus Getreide gefunden. Es er— giebt sich also hieraus wohl, daß es sich um wirklichen Schmuggel handelt. nicht um das steuerfreie Einbringen von kleinen Quantitäten Mehl oder Getreide in die Grenzbezirke. Also zur Zeit kann ich nur die Beamten in Schutz nehmen, jedenfalls liegt nicht das Geringste dafür vor, daß dieselben sich einer Ueberschreitung der Befugniß oder einer Uebereilung schuldig gemacht haben. Im Uebrigen bin ich bereit, das demnächstige Ergebniß der gerichtlichen Untersuchung dem Hause mitzutheilen.
Abg. Rickert: Er konstatire, d i itthei die Thatsachen sich anders J 6 ö ö meldungen erschienen sei. Er boffe, daß das Ergebniß der gericht lichen Untersuchung dem Hause noch in der gegenwärtigen Sesston k ö tif J. ö. sein, so bitte Reichs · Anzeiger zu 2 .
Finanz-⸗Minister Dr. Miquel:
Ich bin hierzu bereit.
Beim Etat der Lotterie⸗Verwaltung wünscht
Abg. Olzem, daß dem Mangel an preußischen Lotterieloosen
in der Rheinprovinz abgeholfen durch bessere . ö ö ö k
Beim Etat der Berg-, Hütten- und Salinen— verwaltung wünscht
Abg. Sombart, daß das Markscheiderwesen auf die Höhe des Landmesserwesens gehoben werde, und empfieblt eine geregelteè wissen. schaftliche Auskildung der Markscheider durch Einrichtung besonderer wissenschaftlich technischer Kurse an der Bergakademie. Die jetzige Abstufung in dieser Beamtenklasse schädige den ganzen Stand.
Ministerial Direktor Dr. Hu vssen bestreitet, daß eine solche Abstufung vorhanden sei; die Ausbildung der Markscheider fei ein⸗ heitlich geregelt. Indessen könne die Ausbildung vielleicht ver vollkommnet werden, und dies behalte die Bergverwaltung ständig im Auge, eine rein akademische Ausbildung sei aber nicht möglich.
Abg. Rickert: Er frage den Minister, ob es wahr sei, daß die fiskalische Königsgrube bei Königshütte dem preußischen Beamten verein zu derselben Zeit dieselbe Quantität Kohlen erheblich billiger verkauft habe wie den kleinen Kohlenhändlern. Er balte das kaum für glaublich, denn er würde es nicht für gerechtfertigt finden. Einst⸗ weilen bezweifle er die Richtigkeit der Nachricht.
Minister für Handel und Gewerbe Freiherr von Berlepsch:
Ich glaube den Hrn. Abg. Rickert dahin richtig verstanden zu haben, daß er die Thatsache, die er vorgeführt hat, in der Zeitung gelesen hat; ich habe den Eingang seiner Rede zu meinem Bedauern nicht verstehen können. Für die Beurtheilung der Sache ist es ja aber indifferent, ob er sie aus einer an ihn gerichteten Beschwerde oder aus der Zeitung eifahren hat. Ich hatte sie in einer Zeitung gelesen. Weil mir derselbe Gedanke gekommen ist wie ihm, habe ich von der Bergwerksdirektion in Königshütte Bericht über die Sachlage erfordert und darauf den Bescheid bekommen, daß der Beamtenverein in Danzig, — wenn ich nicht irre, handelt es sich um diesen —, Kohlen nicht zu einer anderen Preisbedingung bekommen hat, als sie jeder Großabnehmer bekommt. Der Beamtenverein in Danzig hat ein Quantum von über 20 000 Centnern gekauft, und in Folge dessen ist ihm der Rabatt bewilligt worden, der jedem Großkäufer bewilligt wird. Nun ist die Sache, soweit ich mich augenblicklich erinnere, etwas da—⸗ durch komplizirt worden, daß eine Anzahl von kleineren Händlern sich an die Königsgrube etwas später als dieser Beamtenverein gewandt und Kohlen beansprucht hat. Darauf mußte ihnen erwidert werden, weil die gesammte Kohlenproduktion des Jahres bereits verschlossen war, daß sie keine Kohlen mehr beziehen könnten. Diese Kleinhändler waren deshalb genöthigt, von Großhändlern ihre Kohlen zu entnehmen und hatten in Folge dessen den Vortheil nicht, den der Beamtenverein batte, der seine Kohlen direkt von der Grubenverwaltung bezog. Nach meiner Erinnerung liegt die Sache so, und wahrscheinlich hat dieser indirekie Nachtheil, den die Kleinhändler in Danzig gehabt haben, dazu geführt, die Sache in die Presse zu bringen. Ich bin nicht ganz sicher, ob ich vollständig richtig referire, weil ich nicht darauf vor— bereitet war, daß der Hr. Abg. Rickert diese Sache hier vorbringen würde; ich glaube aber, mick darin nicht zu täuschen, daß meine Angaben richtig sind. Auf alle Fälle ist das zutreffend, daß ich es nicht billigen würde, wenn eine fiskalische Gruben verwaltung einem Beamtenverein, bloß weil er Beamtenverein ist, Kohlen billiger verkauft als einem anderen.
Beim Etat der Eisenbahnverwaltung sprechen sich die Abgg. Mies und Sombaxrt für eine bessere Regelung der Ausbildung der Eisenbahn-Landmesser aus.
Beim Etat der Bauverwaltung berührt
Abg. Porsch das Projekt der Oder -Kanalisirung in Breslau, welches neulich im Herrenhause vom Grafen Frankenberg zum Gegen⸗
stand einer Interpellation gemacht worden sei. Er verzichte darauf, die Sache eingehend zu behandeln, nachdem ein Regierungskommissar
im anderen Hause ausdrücklich erklärt babe, daß die Staats“
regierung sich veranlaßt, gesehen babe, von Neuem spezielle Vorermittelungen über die beiden Projekte des Großschiffabrtsweges um oder durch Breslau anzuordnen. Sollte in Folge dieser Vor— ermittelungen die Staatsregierung zu einer Aenderung des ur— sprünglichen Projektes kommen, so werde ja das Haus immer noch um seine Zustimmung befragt werden müssen, dann werde Gelegen— beit sein, sich mit der Frage zu beschäftigen. Der Regierungs— kommissar habe im anderen Hause eine Sachdarstellung uber das Veihalten der städtischen Behörden in Breslau gegeben, von der der Magistrat der Stadt Breslau maeine, daß das Verhalten der Behörden jedem mit den Thatsachen nicht Vertrauten böchst befremdlich erscheinen müsse. Der Magistrat habe desbalb Veranlassung genommen, das Verhalten der städtischen Bebörden darzulegen in einem Aktenstuͤck, welches er beiden Häusern des Landtages übermittelt babe. Dieses Aktenstück werde jedenfalls beute oder morgen an die Mitglieder vertheilt werden. Die Denkschrift gebe eine ausführliche Darstellung der Verhandlungen zwischen den städtischen Behörden von Breslau und der Königlichen Regierung und stelle namentlich einige Aeuße⸗ rungen des Kommissars im Herrenhause richtig. Der Magistrat würde es lebhaft bedauern, wenn die Staatsregierung in Bezug auf den Schiffahrtsweg durch oder um Breslau eine Entscheidung träfe, ohne auf die Wünsche der städtischen Bebörden in Breslau Rücksicht zu nehmen. Der Magistrat glaube der Staatsregierung keinen Grund gegeben zu haben zu der Annahme, daß er auf den Anspruch verzichte, bei der Stromregulirung weiter gehört zu werden. Er spreche daher die be⸗ stimmte Erwartung aus, daß über keines der schwebenden Projekte entschieden werde, sodaß den Bebörden Breslaus rechtzeitig Gelegen beit gegeben werde, ihre bezüglichen Wünsche in gehöriger Weise zum Ausdruck zu bringen. Er könne sich diesem Wunsche nur anschließen, i ö glaube damit im Sinne seiner Breslauer Mitbürger zu andeln.
Ministerial⸗Direktor Schulz: Er könne sich auf seine Rede be⸗
ziehen, die er bei der Berathung der Interpellation des Grafen Frankenberg im Herrenhause gehalten habe. Die erwähnte Denk schrift sei ibm noch nicht zugegangen. Wenn die städtischen Be— hörden Breslaus jetzt erklärten, daß sie sich noch als Interessenten bei dem ganzen Unternehmen des Oder, Kanalisirungsprojektes weiter⸗ bin betheiligen wollten, und als solche gebört werden wollten, so dürfe er im Namen der Königlichen Staatsregierung ausdrücklich er⸗ klären, daß den städtischen Behörden Gelegenheit gegeben werde, sich über etwaige Abänderung projekte zu äußern.
Abg. Zindler bittet um Abhülfe gegen die immer fortschreitende Versandung der Netze und Küddow.
Abg. Dr. Freiherr von Heereman: Er möchte die Regierung um Auskunft darüber bitten, wie sie sich zu der von den Adjazenten des Kanals von Dortmund nach der Emsmündung gewünschten freien Benutzung der Wege an diesem Kanal stelle.
Ministrial Direktor Schulz: Es sei ein dahin gehender An— spruch der Staatsregierung noch nicht rorgebracht, fodaß diese keinen Anlas gehabt habe, sich mit der Frage zu beschäftigen.
Abg. Schmieding: Er büte die Regierung, bei Errichtung
dieses Kanals die Erfahrungen, die man bei Kanalbauten gemacht habe, zu verwertben und den Kanal in größeren Dimenstonen, als bisher geplant, anzulegen, damit es nicht wie bei dem Frankfurter Kanal gehe, der kurze Zeit nach seiner Vollendung mit bedeutenden Kosten habe verbreitert werden müssen.
Ministerial Direktor Schulz: Es schwebten Erwägungen, ob man obne Ueberschreiten der vom Landtage bewilligten Mittel eine Vergröße⸗ rung der geplanten Dimensionen vornehmen könne. Diese Er⸗ wägungen würden in Kürze zu Ende geführt sein, und sollten sie das Ergebniß haben, daß eine solche Vergrößerung unmöglich sei, so werde noch in diesem Jahre der erste Spatenstich im Kanal geschehen.
Abg. Dr. Oammacher; Er finde einen Widerspruch in dieser Auskunft, denn wenn die Erwägungen noch nicht abgeschlossen seien, so könne auch der Anfang mit dem Kanal nicht gemacht werden. Jeden— falls bitte er, diesen Kanal breiter anzulegen, als die frühere Vor— lage es im Auge habe, nämlich so breit, daß die Rheinflotte ihn benutzen könne und kein weiteres Umladen nöthig sei.
Ministerial⸗Direktor Schulz: Ein Widerspruch sei in seinen Worten nicht enthalten, denn der Kanal werde erst in Angriff ge—⸗ nommen werden, wenn die Erwägungen über die Dimensionen, in denen er errichtet werden solle, abgeschloffen feien. Es thue ihm leid, daß der Abg. Dr. Sammacher die früher genehmigten Dimensionen jetzt für zu klein halte; dann hätte er sie ja bei der Befchlußfassung be⸗ kämpfen können. In der That aber sei der Kanal in den größten Dimensionen, die ein Binnenkaral in Europa babe, projektirt.
Abg. Dr. Hammacher: Diese Auskunft löse allerdings den Widerspruch, er bitte aber, den Kanal so breit zu machen, daß nicht bald wieder kostspielige Verbreiterungen vorgenommen werden müßten.
Abg. Rickert: Er bitte die Regierung, das in der zweiten Lesung gemachte Versprechen zu erfüllen und das Gutachten der . für Bauwesen, betr. die Nogatregulirung, dem Hause vor—⸗ ulegen.
Darauf wird ein Vertagungsantrag angenommen.
Abg. Rickert Gur Geschästsordnung): Es gingen Gerüchte, daß das Haus noch den ganzen Juni in Berlin gehalten werden solle; es heiße sogar, daß noch ein Nachtrags. Etat und eine Vorlage, be— treffend Aenderungen in der Organisation der Ministerien, ihm vor— gelegt werden sollten. Er könne sich nicht denken, daß die Re— gierung so unbarmberzig sein werde, das Haus mit derartigen wich⸗— tigen Vorlagen noch zurückzuhalten. Er wünsche, daß einer der an⸗ wesenden Minister eine Erklärung abgebe, daß ein derartiges Attentat auf die Zeit der Abgeordneten nicht beabsichtigt werde. Einige der noch nicht durchberathenen Vorlagen würden jedenfalls besser werden, wenn sie noch mehrere Monate lagerten. Der Präͤsident sollte mit dem Ministerium und den Vertrauensmännern det Hauses dem⸗ nächst einen Geschäftsplan vereinharen.
Vize⸗Präsident des Staats-Ministeriums, Staats⸗Minister Dr. von Boetticher:
Ich glaube den Herrn Vorredner über die Gerüchte, von denen er am Eingang seiner Auseinandersetzungen gesprochen hat, beruhigen zu können. Sie gehören zur Kategorie der Enten, die mit Beginn der wärmeren Jahreszeit vielfach durch die Presse fliegen. (Heiter keit Es ist mir nichts davon bekannt, und auch meinen Herren Kollegen nicht, daß irgendwo die Absicht besteht, dem Landtage noch einen Nachtrags⸗Etat vorzulegen. Ebensowenig wissen wir etwas von Veränderungen in der Organisation der Ministerien, zu denen die Mitwirkung des Landtages noch in der gegenwärtigen Session in An— spruch genommen werden müßte. Ich kann also den Herrn Vorredner in dieser Beziebung vollständig beruhigen.
Im Uebrigen vermag ich mich auf die Frage, für welche Vor—⸗ lagen die Regierung noch die Durchberathung wünscht, in diesem Augenblick nicht einzulassen. Ich glaube aber, es wird sich darüber sehr leicht eine Verständigung zwischen der Regierung und dem Hause dahin herstellen lassen, daß die Vorlagen, die wirklich im sachlichen Interesse erledigt werden müssen, auch bereitwillig vom Hause fertig gestellt werden. (Bravo!)
Der Präsident schlägt nunmehr im Interesse der Be⸗ schleunigung der Geschäfte und mit Rücksicht darauf, daß die Etatsberathung möglicher Weise nicht die ganze morgige Sitzung ausfülle, vor, noch die zweite Lesung der Sekundär⸗ bahn vorlage auf die Tagesordnung zu setzen. (Beifall.)
Schluß 31“ Uhr.
Kunst und Wissenschaft.
Sitzung der Gesellschaft für Erdkunde am 2. Mai 1891.
Der Versitzende Dr. W. Reiß gedachte bei Eröffnung der Sitzung der tiefen Trauer, welche ganz Deutschland bei dem Dahin— scheiden des General Feldmarschalls Grafen von Moltke bewegte. Die Gesellschaft für Erdkunde habe ganz besondere Veranlassung, des Dahingesckiedenen zu gedenken, da Graf Moltke's vor 40 resp. 50 Jahren veröffentlichte Arbeiten über die Türkei und die römische Campagna noch heute eine wesentliche Grundlage unserer Kenntniß jener Gegenden bilden und seine tepographischen Aufnahmen unerreicht dastehen. Der Vorsitzende gedachte ferner der Rückkebr des hren Präsidenten der Gesellschaft, Geheimen Regierungs ⸗Raths Bastian von einer zweijährigen Weltreise und berichtete, daß die mehrfach erwähnte Grönland-Expedition unter Lr. von Drvgalski um ein Jahr habe verschoben werden müssen. Zu einer Vorexpedition werde indeß der Genannte in Begleitung von Hrn. Baschin am 3. Mai von Kopenhagen nach Grönland abreifen, um das zukünftige Arbeitsseld aus eigener Anschauung kennen zu lernen und dann im Herbst zurückzukehren. Die Kosten dieser Vor—⸗ expedition werden zum Theil von Hrn. General-Konsul Schönlank getragen, während für die Kosten der im Frühjahr 1892 abzufenßenden Hauptexpedition Seine Majestät der Kaiser und König einen bedeutenden Zuschuß aus Allerhöchstseinem Dispositionsfonds zu gewähren geruht hat
Der Gebeime Regierungs-⸗Rath, Professor Förster sprach als— dann über die Erforschung der obersten Schichten der Atmosphäre, in die selbst einzudringen dem Mens hen nie die Möglichkeit gegeben sein wird, da er mittels Luftballons nie höher als ca. 10 km gelangen wird. Die Vorstellung über die Höhe der Atmosphäre gründete sich früher bauptsächlich auf die Dauer der Dämmerung und der Brechungswirkungen, welche das Licht der Himmelskörver bei seinem Durchgang durch die ganze Atmosphäre
erleidet. Wenn auf Grund dieser Verhältniffe die Höbe der