Die Abgg. Jürgensen und Pleß beschweren sich über die bedrohliche Konkurrenz der Strafanstaltsarbeit gegenüber dem Privat- 6 Die künstliche Blumenbranche sei in Folge dessen dem
uin nahe.
Geheimer Ober-⸗Regierungs Rath Haase versichert, daß der Minister bestrebt sei, die Anstalten so einzurichten, daß der Privat- industrie keine Konkurrenz erwachse. .
Beim Etat der lan dwirthschaftlichen Verwaltung ragt
Abg. von Risselmann, ob die 300 000 „, welche zu Ver⸗
suchen mit der Cinlaffung von Hochfluthwasser in bedeichte Niederungen bestimmt seien, auch für solche Niederungen verwendet werden könnten,
deren Bedeichung erst noch im Entstehen sei.
Minister für Landwirthschaft 2c. von Heyden:
Titel 11 des Extraordinariums setzt 300 000 S aus zu Bei—⸗ hülfen für Versuchsanlagen in bedeichten Flußniederungen. Wenn ich Hrn. von Risselmann richtig verstanden habe, so hat er insofern ein Bedenken, ob der Ausdruck „ bedeichte Niederungen“ sich nur be⸗ zieht auf schon bestehende Deichverbände, in welche Wasser hinein gelassen werden soll, oder ob der Ausdruck auch bezogen werden kann auf Genossenschaftsanlagen, welche erst im Entstehen begriffen sind, sodaß die Einlassung des Wassers gleichzeitig stattfindet mit der Eindeichung einer bestimmten Niederung. Der Zweifel ist vielleicht dadurch hervor— gerufen, daß die Einstellung der Etatsposition in erster Reihe ver— anlaßt ist durch Kalamitäten, die gerade in bereits eingedeichten Niederungen eingetreten waren. Nach dem Wortlaut der Position im Etat bin ich jedoch in Uebereinstimmung mit dem Hrn. Finanz⸗ Minister der Ansicht, daß die Position auch für solche genossenschaft⸗ liche Anlagen verwendet werden kann, bei denen Deichbau und Ein— richtung der Bewässerung zusammenfällt.
Unter den einmaligen und außerordentlichen Ausgaben dieses Etats befindet sich auch eine Position von 200 000 M6 als achte Rate zur Förderung der Land⸗ und Forstwirthschaft im Eifelgebiete.
Abg. Knebel giebt zu erwägen, ob nicht eine Erweiterung dieses Fonds und eine Verwendung desselben auch für den Hunsrück möglich sei.
Minister für Landwirthschaft 2c. von Heyden:
Ich höre eben von dem Hrn. Abg. Knebel, daß, wenn ich recht verstanden habe, von meinem Herrn Amtsvorgänger eine Erklärung dahin abgegeben ist, daß diese Position des Extraordinariums, welche ausdrücklich lautet: zur Verwendung im Eifelgebiet“‘ auch verwendet werden könnte im Hunsrück. Ich muß gestehen, daß mir das voll— ständig überraschend kommt. Ich bin für meine Person bisher nicht zweifelhaft gewesen, daß diese Position nach dem Wortlaut des Etats nur für die Eifel verwendet werden könnte, und so ist, wie ich von meinen Herren Kommissarien höre, bisher verfahren.
Ich kann dem Abg. Knebel aber erklären, wenn, wie er annimmt, die Verhältnisse jetzt im Hunsrück dringender liegen als in der Eifel — ich bemerke, daß dieser Fonds damals für die Eifel eingeführt ist, weil dort ein Nothstand vorhanden war und jedenfalls die noth⸗ wendigsten Maßnahmen in der Eifel geschehen mußten —; aber wenn sich diese Verhältnisse geändert haben, so werde ich meinerseits in eine Prüfung der Frage eintreten, ob und in welchem Umfang es angezeigt ist, entweder diesen Fonds mit verwendbar zu machen für den Hunsrück oder, wenn er für die Eifel nicht entbehrt werden kann, ob es möglich ist, im Einverständniß mit dem Herrn Finanz⸗Minister für den Hunsrück vermehrte Mittel flüssig zu machen.
Abg. Fritzen schließt sich dem Wunsche des Abg. Knebel für den Westerwald an.
Abg. Rickert glaubt, daß eine derartige Verwendung dem klar
ausgesprochenen Zwecke dieser Position widersprechen würde. Jeden falls müßte zunächst ein ar Ausdehnung dieses Titels zielender Beschluß gefaßt werden.
Abg. Freiherr von Huene hält es nicht für angemessen, jetzt noch eine Aenderung des Etatstitels vorzunehmen.
Geheimer Ober⸗ Finanz ⸗ Rath Lehnert: So lange der Etatstitel nur für das Eifelgebiet laute, sei es absolut ausgeschlossen, Verwendungen für ein anderes Gebiet daraus eintreten zu lassen. 6 sei eine Erweiterung der Zweckbestimmung des Titels noth— wendig.
Abg. Knebel behält sich vor, im nächsten Jahre auf die Sache zurückzukommen und dann eine Vergrößerung des Fonds bezw. Erweiterung des Etatstitels zu beantragen.
Abg. Freiherr von Wackerbarth: Die Züchtung unseres Remontematerials stehe glücklicher Weise auf einer solchen Höhe wie in keinem anderen Lande. In Bezug auf die Züchtung unseres Arbeits pferdes liege die Sache nicht so. Die Summe, die der Staat hierfür aufwende, sei gering zu neunen, um so weniger sollte man noch sonst Hindernisse hier in den Weg legen, wie das namentlich Seitens einzelner Eisenbahnverwaltungen geschehe, welche den Trans— port des Pferdezuchtmaterials häufig erschwerten, sodaß dasselbe darunter leide. Das Pferdezuchtmaterial müsse alle Jahre größere Fahrten zurücklegen; es sei nun kedauerlich, daß der Transport meistens mit Güterzügen ausgeführt werde. Unvermeidlich müßten da wirkliche Gefahren und Verluste für das Zuchtmaterial entstehen. Eine noch größere Gefahr liege darin, daß beliebige Pferde von Pferdehändlern mit zugelassen würden. Alle sonstigen Maßnahmen gegen die Infizirung wurden dadurch illusorisch.
Minister für Landwirthschaft 2c. von Heyden:
Ich kann mich auf die wenigen Worte beschränken, daß diejenigen Beschwerdepunkte, welche von dem Herrn Vorredner vorgetragen sind, zum Theil auch von der Staatsgestütverwaltung empfunden sind. Dies hat dazu geführt, daß ich im Interesse der Landespferde⸗ zucht mich mit entsprechenden Anträgen an den Herrn Eisenbahn⸗ Minister gewandt habe. Die Angelegenheit, welche der Herr Vor— redner angeregt hat, schwebt somit bereits, und das Ergebniß der Verhandlungen wird abzuwarten sein.
Beim Etat des Ministeriums der geistlichen, Unterrichts- und Medizinal Angelegenheiten wünscht
Abg. Dürre die Gleichstellung der Lehrer an nicht ⸗staatlichen böberen Schulen mit denen an staatlichen Anstalten, ferner die Gleichstellung der Lehrer an unvollständigen höheren Schulen mit solchen, an Vollanstalten, eine Verbesferung des Aszenstons modus und eine weise Beschränkung, in der Verwendung der wiffenfchaft.⸗ lichen Dülfelehrer, mit denen jetzt geradezu Mißbrauch getrieben werde. Der Kultus⸗Minister sollte nicht bloß eine platonische Liebe für die
. zeigen, sondern eine robuste, thatsächliche Freundschaft be—
Minister der geistlichen ꝛc. i zedl in Cen fi e chen ꝛc. Angelegenheiten Graf von
Meine Herren! Schon in der zweiten Berathung des Kultus Etats habe ich persönlich meine volle Sympathie für eine Hebung der äußeren Verhäͤltnisse des Lehrerstandes sowohl an den höheren Lehranstalten , wie an den niederen Schulen ausgesprochen. Das brauche ich wohl kaum noch zu wiederholen. Nur mit Rücksicht auf die eben gehörte Rede will ich hervorheben, daß die Schritte in dieser Richtung bereits zu einer einigermaßen starken Verdichtung gefübrt e . ö
haben, und daß Vorschläge in der Berathung sind, mit denen ich Ihnen im nächsten Jahre hoffe kommen zu können. (Bravo!)
Was die Frage der Ascension innerhalb der höheren Lehrerschaft betrifft, so bin ich der Meinung, daß die Entscheidung in dieser Be⸗ ziehung sich an die Gehaltserhöhung anzuschließen hat; erst wenn die Formen und Stufen der Gehaltserhöhung festgestellt sind, wird, glaube ich, die zweite Frage über die Regelung der Ascension zu entschieden sein. Daß die Ascension geregelt und aus den jetzt etwas willkürlichen Modus herausgehoben werden muß, erkenne ich als nothwendig an, und es wird mein Bestreben sein, nach dieser Richtung thätig zu werden. Aber in welcher Form, das erlassen Sie mir jetzt zu sagen; ich bekenne, daß ich mit meinen Gedanken in der Beziehung noch nicht fertig bin.
Die von dem Herrn Vorredner geforderte Gleichstellung der staatlichen, der städtischen und der stiftischen Lehrer, der Lehrer an den Voll und Nichtvollanstalten ist an sich zweifellos erwünscht, ob sie aber erreicht werden kann, muß ich für zweifelhaft erachten. Ich glaube, daß doch auch manche sach⸗ lichen Gründe vorgebracht werden können, welche einen gewissen Unter schied in der Besoldung dieser Lehrer rechtfertigen, und ich weiß nicht, ob nach dieser Richtung hin den Wünschen des Herrn Vorredners schon in einer absehbaren Zeit wird entsprochen werden können.
Was endlich den von dem Herrn Vorredner gerügten Mißbrauch in der Verwendung von wissenschaftlichen Hülfslehrern an höheren Lehranstalten betrifft, so hätte ich allerdings gewünscht, daß er die Güte gehabt hätte, bestimmte Lehranstalten zu bezeichnen, an denen ein solcher Mißbrauch besteht. Mit seinen Vordersätzen, daß überall da, wo in dem geregelten Unterrichtsbetriebe ein dauerndes Lehrbedürfniß vorhanden ist, dies auch durch fest und etatsmäßig angestellte Lehrer zu befriedigen sei, kann ich mich einverstanden erklären. Ich glaube aber, daß dieser Grundsatz von der Unterrichtsverwaltung auch bisher schon befolgt worden ist. Wo das nicht der Fall ist, werden Uebergangszustände oder Rücksichten auf erkrankte Lehrer vorgelegen haben, oder der Wunsch, gewisse Etatsverhältnisse, die im Augenblick bestanden, bis zum Ablauf der Etatsperiode festzuhalten. Ich kann in meiner Stellung als Kultus⸗Minister hier aus eigenen Erfahrungen noch nicht sprechen, aber aus meiner Stellung als Vorsitzender des Pro⸗ vinzial⸗Schulkollegiums der Provinz Posen sind mir solche Fälle be—⸗ kannt. Traten wir derartigen Beschwerden näher, so lagen die Gründe des angeblich übermäßigen Verbrauchs von wissenschaftlichen Hülfslehrern namentlich in Rücksichten auf ältere Lehrer oder auf kranke Lehrer, oder darin, daß man mit den Etatsverhältnissen noch nicht ins Reine gekommen war, weil die Anstalt im Uebergang der Entwickelung aus der Realanstalt in eine gymnasiale oder aus der pro— gymnasialen in eine Vollanstalt sich befand. Also den Vordersatz des Herrn Vorredners acceptire ich. Wo thatsächlich, wie der Herr Vorredner sich ausdrückt, ein Mißbrauch vorkommt, da bitte ich der Unterrichtsverwaltung Kenntniß zu geben; ich bin dann sehr gern bereit, die Sache näher zu prüfen. (Bravo)
Abg. Knörcke: Den Volksschullehrern, die an der diesjährigen Lehrerversammlung in Mannheim hätten theilnehmen wollen, sei der Urlaub verweigert worden, weil, wie es in dem Bescheide heiße, der Unterrichtsbetrieb sonst Störungen erfahren würde. Er glaube, daß durch die Beurlaubung der paar Hundert Lehrer, die an der Ver⸗ sammlung hätten theilnehmen wollen, eine bedenkliche Störung nicht eingetreten sein würde, wie denn auch der frühere Kultus⸗Minister diese Anschauungen getheilt habe. Seit 1840 habe sich ein Kultus⸗Minister freundlich zu den Lehrerversammlungen gestellt und der nachfolgende feindlich. Man könne ja aus rechtlichen Gründen eine solche Ver—⸗ weigerung aussprechen, aber zu verlangen, daß die Versammlungen in die Ferien gelegt würden, sei bei der jetzigen Lage der Ferien un= berechtigt. Diese Urlaubsverweigerung gewinne eine besondere Bedeu⸗ tung, weil in demselben Augenblick den Gymnasiallehrern, welche zum Philologenkongreß hätten reisen wollen, die Theilnahme gestattet worden sei, ja sogar, wenn mehr als drei Lehrer derselben Anstalt nach München gereist wären, sei die ganze Schule geschlossen und drei Tage Pause gemacht worden. Um das zu erreichen, was in dem Erlaß des
Kultus ⸗Ministers gewünscht werde und zugleich den Lehrern die Theilnahme zu ermöglichen, könnten vielleicht die Pfingstferien um drei Tage verlängert werden. Die Theilnahme an den Lehrer versammlungen liege nicht blos im Interesse der Lehrer, sondern auch in dem der Volksschule. (Beifall links.)
Minister der geistlichen ꝛ. Angelegenheiten Graf von Zedler fh fen ö ö
Nach der Auffassung des Hrn. Abg. Knöͤrcke stehe ich ja gewisser⸗ maßen unter einer fatalistischen Zwangslage (Heiterkeit); denn da ich zufälligerweise der Nachfolger des Hrn. von Goßler bin, muß ich ein Feind der Lehrerversammlungen sein. (Heiterkeit) Das ist ungefähr die Deduktion. Ich werde versuchen, nachher darauf einzugehen und Ihnen zu beweisen, daß die Voraussetzung nicht zu— trifft, und daß ich auf diesem Gebiet wie auch auf manchem anderen meine eigenen Wege gehe und meine eigenen Ansichten habe. (Bravo!)
Hier liegt mir die Uebersicht vor über die Ferien und deren Zeit in Preußen. Darnach schwanken die Ferien in den Volksschulen zwischen 57 und 75 Tagen. Wenn Sie zu diesen Ferien—⸗ tagen die Sonntage, die Festtage kirchlicher und staatlicher Art und diejenigen Tage rechnen, an welchen nach Orts— gebrauch der Unterricht bei der Volksschule ausfällt — wie an Markttagen, bei Konferenzen auf den Landrathsämtern mit den Kreisschulinspektoren, u. s. w. — so kommen Sie zu dem Resultat, daß etwa — es kann sich um eine kleine Veränderung in der Zahl handeln — ein Drittel des ganzen Jahres schul— frei ist. (Hört! hörth Fast 120 Tage ungefähr werden von dem lehrplanmäßigen Unterricht von vornherein aus⸗ geschlossen. Meine Herren, hat der Unterrichts⸗Minister nicht alle Veranlassung, einem derartigen Zustand gegenüber mit der Ver— mehrung der schulfreien Tage sparsam umzugehen? Ist es nicht seine entschiedene Pflicht, in dieser Beziehung streng zu prüfen: Liegt die Nothwendigkeit einer Vermehrung vor — dann muß er sie gewähren — oder liegt die Nothwendigkeit nicht vor — dann muß er sie ab⸗ lehnen. Ich habe geprüft und bin zu der Ueberzeugung gekommen, daß meine Pflicht die Ablehnung bedingte. Ich war mir voll— kommen klar, daß das höchst unvopulär und höchst unangenehm wäre; aber da ich der Meinung bin, daß ich zu thun habe, was meine Pflicht ist, so habe ich auch die unpopuläre Maßrégel nicht gescheut. (Bravo)
Nun sagt der Hr. Abg. Knörcke: Dann hat der Kultus Minister wenigstens die Pflicht, die Ferien so zu legen, daß die Lehrer sie benutzen können, um allgemeine Versammlungen ju besuchen. Bis zu einem gewissen
Grade erkenne ich das an und ich bin auch sehr gern bereit, nach dieser Richtung Versuche anzustellen. Aber die Ferien sind nicht bloß für die Lehrer da, sondern bei ihrer Bemessung bilden auch die Eltern ein sehr wesentliches Moment der Erwägung. (Sehr richtig) Ich kann mich niemals dazu bestimmen lassen, die Ferien so zu legen, wie es die wenigen Lehrer wünschen, welche das Bedürfniß haben, allgemeine Versammlungen zu besuchen. (Sehr gut!)
Nun vergegenwärtigen Sie sich noch eins. Ich erkenne an, Weihnachten, Ostern und Pfingsten und selbst die Herbst⸗ ferien sind für die Anberaumung derartiger Versammlungen nicht gut zu benutzen; aber wenn ich das Verzeichniß, das hier vor mir liegt, betrachte, so beträgt im Minimum die Ferienzeit im Sommer überall 28 Tage. Nun mag es ja richtig sein, daß die 28 Tage in einer Gegend etwas früher, in der andern etwas später beginnen; aber daß es nicht möglich sein sollte, zwischen Beginn und Schluß, vom frühesten bis zum letzten Termin, ein paar gemein⸗ same Ferientage zu finden, an welchen eine solche Versammlung abgehalten werden könnte, das ist mir vorläufig nicht erwiesen, jeden falls werde ich mich aber bemühen den Versuch zu machen, um eine derartige Gruppirung herbeizuführen.
Nun noch zwei Worte mit Rücksicht auf meine angebliche Feind⸗ schaft gegen die Lehrerversammlungen. Ich glaube, schon bei der zweiten Etatsberathung hätte der Hr. Abg. Knoercke aus meinen Aeußerungen wohl entnehmen können, daß ich kein Gegner dieser Versammlungen bin. Ich erkenne an, daß in der heutigen Zeit der Lehrerschaft ebenso wie allen anderen Berufsständen die Möglichkeit nicht verschränkt werden darf, ihre Interessen auch im gemeinsamen Gedankenaustausch zur Geltung zu bringen. Also ablehnend verhalte ich mich nicht. Allerdings: von der weltüberwindenden Macht vieler Reden, die auf diesen Lehrertagen gehalten werden, bin ich meinerseits nicht überzeugt. (Bravo! und Heiterkeit.)
Aber das schließt gar nicht in sich, daß ich deshalb feindlich gegen die Versammlungen wäre; im Gegentheil, meine Herren, wenn überhaupt in der Lehrerschaft Meinungen vertreten sind, die ich nicht theile, die ich sogar für verderblich halte, so ist es mir lieber, sie kommen öffentlich zur Erscheinung und finden öffentlich ihre Widerlegung, als daß sie unterminirend und wühlerisch in den Kreisen der Lehrerschaft fortwirken. (Sehr richtig) Ich habe das volle und feste Zutrauen, daß gerade in der Oeffentlichkeit und in dem öffentlichen Hervortreten auch der gesunde Sinn unserer Lehrer schaft selbst aus sich heraus die nothwendige Reaktion bringen wird. (Lebhaftes Bravo)
Abg. Rickert: In einzelnen Fällen solle einzelnen Lehrern der Urlaub ertheilt worden sein; damit würde die prinzipielle Bedeu⸗ tung der Sache schwinden und es würden nur noch praktische Schwie⸗ rigkeiten zu beseitigen sein. Er stimme dem Minister darin bei, da nicht noch mehr Ferien gemacht werden könnten. Man könne J., erwägen, ob die Pfingstferien nicht um drei Tage verlängert werden ahl len um den Lehrern den Besuch der Versammlungen zu ermög- ichen.
Nachdem noch der Abg. Hansen bei dem wieder vorzu⸗ legenden Volksschulgesetzentwurf dem Minister eine Berücksich⸗ tigung der provinziellen Eigenthümlichkeiten empfohlen hat, beantragt Abg. von Strombeck die Vertagung.
Präsident von Köller: Nachdem das Haus seit fünf Monaten be⸗ müht gewesen sei, den Etat fertig zu stellen, sei die nächste Pflicht des Hauses, nicht länger damit zu zögern. Er habe es für möglich gehalten, in der heutigen Sitzung den Etat zu erledigen. (Lebhafte Zustimmung rechts.)
Abg. von Strombeck zieht darauf seinen Antrag zurück.
Abg. Schmelzer wünscht Normativbestimmungen über die An⸗ rechnung der auswärtigen Dienstjahre der Volksschullehrer noch vor Erlaß des Volksschulgesetzes.
Abg. Dr. Freiherr von Heereman protestirt dagegen, daß der Abg. Hansen noch in diesem Momente so allgemeine Fragen anrege. Er habe bezüglich des Volksschulgesetzes in vielen Punkten andere Ansichten, mit deren Ausführung er aber in diesem Moment das Haus nicht aufhalten wolle.
Abg. Dr. Virchow befürwortet vermehrte staatliche Auf⸗ wendungen für Sammlungen und Forschungen, weist darauf hin, daß Frankreich einen besonderen Etatssitel für missions seientifiques babe, und wünscht besonders, daß sich in Deutschland Nachfolger finden möchten, welche es als ein Vermächtniß Schliemann's ansähen, dessen Arbeiten wieder aufzunehmen, sei es durch Privatvereine oder durch Staatshülfe.
Abg. von Strom beck erinnert an die von seiner Partei wieder holt geäußerten Wünsche zu Gunsten der Missionspfarrer und em— pfiehlt dieselben dem Wohlwollen des Ministers.
Darauf wird der Etat des Ministeriums der geistlichen 2c. Angelegenheiten und ohne Debatte der Rest des Etats, sowie das Etatsgesetz genehmigt und schließlich das Etats— gesetz mit dem Etat im Ganzen angenommen.
Schluß 41 Uhr.
Entscheidungen des Reichsgerichts.
Nach §. 132 Abs. 2 der Reichs ⸗Gewerbeordnung erlischt der Anspruch des Lehrherrn oder des Lehrlings auf Entschädi⸗ gung wegen unberechtigter Auflösung des Lehrvertrages, wenn er nicht innerhalb 4 Wochen nach Auflösung des Lehrverhältnisses im Wege der Klage oder Einrede geltend gemacht ist. In Bezug auf diese Bestimmung hat das Reichsgericht, III. Civissenat, durch Urtheil vom 24. März 1891, ausgesprochen, daß für diese Entschädi⸗ gungsklage eine administrative Vorentscheidung aus §. 1202 der Gewerbeordnung nicht erforderlich ist. — Ein Lehr ling hatte sich vor Ablauf seiner Lehrzeit von seinem Lehrherrn eigenmächtig getrennt, und dessen Vater erklärte sodann in einem Schreiben an den Lehrherrn den Lehrvertrag wegen angeblicher Nichterfüllung der vom Lehrherrn übernommenen Ver— pflichtungen für aufgelöst. Der Lehrherr, welcher diese Auflösung für unberechtigt erachtete, klagte beim Landgericht gegen den Vater des Lehrlings auf Entschädigung. Der Beklagte erhob den Einwand der Unzuständigkeit des Gerichts, weil der Entschaͤdigungsanspruch zunächst bei der nach s 1202 G. O. zuständigen gewerblichen Behörde geltend gemacht werden müßte. Der Einwand wurde vom Reichsgericht verworfen, indem es begründend ausführte: Wenn nach 5. 132 Abs. 2 Gew. Ordn. der An⸗ spruch auf Entschädigung bei vorzeitiger Beendigung des Lehrverhält⸗ nisses erlischt, ‚wenn er nicht innerhalb vier Wochen nach Äuflöfung des Lehrverhältnisses im Wege der Klage oder Einrede geltend ge— macht ist=, so ist die Annahme geboten, daß das Gesetz die fofortige gerichtliche Geltendmachung eines aus §. 137 Gew.⸗Ordn. begründeten Entschädigungzanspruchs,. zuläßt, für diefen Fall Aso eine administrative Vorentscheidung aus 5§. 1302 Gew. Ordn,. nicht verlangt. Die Bestimmung des 5. 132 Abs. 2 ist mit der Vorschrift des 8. 120 a. nicht zu vereinigen. Hat der ver⸗ letzte Theil eine vierwöchige, aber auch nur eine vierwöchige Frist zur gerichtlichen Geltendmachung feines Änsprucht, fo kann er nicht zu= gleich gehalten sein, zunächst die Entfcheidung der Adminiftrativ⸗= behörde einzuholen, und er kann nicht verpflichte? bezw. berechtigt sein,
ch gegen die Vorentscheidung, wenn er fich derselben nicht unter⸗ werfen will, binnen zehn Tagen auf den Rechtsweg zu berufen.“ aide m-, — mm a.
M 1265.
Statistik und Volkswirthschaft.
Evangelisch⸗sozialer Kongreß.
Im weiteren Verlauf der gestrigen Debatte über die ländliche Arbeiterfrage betonten alle Redner die Nothwendigkeit eines regen kirchlichen Gemeindelebens auf dem Lande Im Uebrigen stimmte der Kongreß einstimmig den Thesen des Referenten Nobbe ju. Zum Schluß wurde über die kirchliche und soziale Nothwendig⸗ keit der Beseitigung aller Gebühren und Honorare für kirchliche Handlungen verbandelt, wobei Pastor Dr. Arndt (Berlin) folgende Mittheilung machte: Unterm 14. Mai d. J habe das Kultus⸗ Ministerium an jämmtliche Konsistorien der alten und neuen preußischen Provinzen, mit Ausnahme des Konsistoriums der Provinz Hannover, eine Verfügung erlafsen, wonach die Königliche Regierung gewillt sei, zu den Gebühren für wichtige kirchliche Handlungen eine Beihülfe zu gewähren. Aus diesem Anlaß werden die Konsistorien aufgefordert, über den Vermögensstand der Gemeinden u. s. w statistische Erhebungen anzu⸗ stellen. Nach längerer Debatte wurde eine Resolution beschlossen, worin die von dem Kultus Minister Bebufs Ablösung der Stolgebühren er griffene Initiative mit Dankbarkeit begrüßt wird. Alsdann betonte in einem Schlußwort Professor Dr. Harnack (Berlin) den einigen Geist, der in dem Kongreß gewaltet habe, und sprach den Referenten und Präsidenten Namens des Kongresses besten Dank aus. Mit Gebet und Gesang wurde der Kongreß geschlossen.
Volkszählung.
Nach den Ergebnissen der letzten Volkszählung hat die Bevölke—⸗ rung des Regierungsbenrks Posen gegen 18835 um 1.80 Co (der Staatsdurchschnitt beträgt 5,79 , der Durchschnitt für die Provinz 2, 13 9) zugenommen. Die Zunahme betrug auf dem platten Lande 29 , in den Städten 1ů 196. Die ländliche Bevölkerung hat in 10 Kreisen (von 27) abgenomm en und in 5 weiteren Kreisen weniger als 1 960 zugenommen, die städtische nahm in 9 Kreisen ab. Die unver⸗ hältnißmäßige Zunahme der Bevölkerung im Landkreise Posen⸗Ost (26,9 Go) erklärt sich aus der Beseitigung eines Theils der Rayon—⸗ beschränkungen und der hierdurch bewirkten Vergrößerung der Vororte der Stadt Posen Eine auffallende Abnahme zeigt die Stadt Kempen (17, s). Der Hauptgrund für die ge⸗ ringe Zunahme der ländlichen Bevölkerung ist der Wegzug, einerseits in die Städte, andererseits nach Amerika. Von den Städten nahmen nur einige durch günstige Lage für Handel und Industrie ausgezeichnete Orte dem Staatsdurchschnitt entsprechend zu. Die Zahl der Einwohner vieler kleiner Städtt, namentlich in der Nähe der russischen Grenze, nahm ab in Folge der immer stärker ge⸗ wordenen Unterbindung des deutsch⸗russischen Handels.
Textilindustrie. Die Leinenspinnerei im Regierungsbezirk Breslau erfreut sich guten Absatzes und ist ziemlich rentabel. Der Absatz in den Geweben entspricht einer mäßigen Produktion. ;
Zur Arbeiterbewegung.
Aus Brüssel ist der ‚Voss. 3. die Nachricht zugegangen, daß gestern in Folge verweigerter Lohnerhöhung sämmtliche 500 Arbeiter der Hennegauschen Steinbrüche in Lessines ausständig ge— worden sind. Nachrichten über die Aus standsbewegung der Berg⸗ arbeiter im Becken von Charleroi liegen heute nicht vor.
Der N. Pr. 3.“ wird aus Bochum telegraphirt: Die Firma Krupp hat, nachdem sie eine vierwöchentliche Bedenkzeit gelassen hatte, allen Bergleuten, welche nunmehr an drei Strikes betheiligt gewesen sind, vie Abkehr gegeben.
Die Folgen des Ausstandes im Saarrevier werden in einem weiteren Bericht der, Magdb. Ztg.“ wergl. Nr. 124 d. BI.) folgendermaßen geschildert: Zunächst haben 1900 Bergleute den Lohn für je 3 Schichten eingebüßt, d. h. insgesammt eine Summe von 20-22 000 S. Dann ist der Rechtsschutzuerein der Bergleute zu Grunde gerichtet worden, und zwar so gründlich, daß bereits die Arbeiten am Saalbau des Rechtsschutzvereins eingestellt wurden. Der
Unternehmer des Baues zweifelt also daran, daß der Verein wieder
finanziell leistungsfähig werde. An dem Saal sind bereits 15 000 , Spargelder der Bergleute verbaut worden. Der Strike hat ferner den Verein gespalten und seinen Vorstand um das letzte Restchen Ansehen gebracht. i
Der „Köln. Z wird aus Chemnitz geschrieben: Die Sozial⸗ demokratie hat hier in ihrer „Hochburg“, wie sie Chemnitz, die Stadt der Fabriken, so gern nennt, wohl noch niemals so viel Mühe gehabt, ihre Mannen beisammen zu halten, wie gegenwärtig. Weder der Ertrag der angeordneten Geldspenden, noch der Besuch der Ver sammlungen entspricht ihren bescheidensten Erwartungen. Recht be—⸗ zeichnend für den schlechten Gang ihrer Geschäfte ist es, daß es den Arbeiter führern bisher nicht hat gelingen wollen, den Eisengießereiarbeitern irgend ein Zeichen der Theilnahme für den geplanten Metallarbeiter und Formerkongreß in . abzulocken. Zu der Ver⸗ sammlung, welche sich mit diesem Kongresse befassen und die für ihn nöthigen Wahlen vornehmen sollte, hatte man in Vorahnung der Schwierigkeiten, eine leidlich Zahl von. Theilnehmern zusammen—⸗ zubringen, nicht nur durch Maueranschläge und Anzeigen in den Blättern, sondern überdies durch massenhaft ausgesandte Karten eingeladen. Und der Erfolg? Von der ganzen Zahl der in den zahlreichen Gießereien beschäftigten Arbeiter waren Alles in Allem 43 Mann erschienen, von denen nur die Hälfte Former waren.
Ein Delegirter auf dem vorjährigen sozialdemokrgtischen Parteitag ge in Halle, der Maler Jo hannsen aus Einbeck, hat sich von der Partei losgesagt und giebt aus diesem Anlaß in der „Südhannoverschen Zeitung‘ folgende Erklärung ab: „Da ich mich von der Unausführbarkeit der sozialdemokratischen Lehren und Ideen überzeugt habe, bin ich aus der sozialdemokratischen Partei ausgetreten und habe mich der nationalliberalen Partei angeschlossen. R. C. Jo- hannsen, Maler.“ ö.
Ueber das Fest des 25 jährigen Bestehens des ‚Unterstützungs⸗ vereins deutscher Buchdrucker am 20. Mai d. J. entnehmen wir der Lpzg. 3“: Am 20. Mai 1866 auf dem 1. deutschen Buchdruckertag in Leipzig unter dem Namen „Deutscher Buchdruckerverband' ge⸗ gründet, löste sich der Verein im November 1878 formell auf, um thatsächlich unter dem noch jetzt geführten Namen fortzubestehen. Das Preßorgan des Vereins, der Correspondent für Deutschlands Buchdrucker und Schriftgießer' ließ am Jubiläumstage eine Fest⸗ nummer erscheinen, aus der wir Folgendes hervorheben: Der Sitz des Vereins wurde im Jahre 1875 von Leipzig nach Stuttgart, im Jahre 1887 nach Berlin verlegt. Im ersten Jahre seines Be⸗ stehens zählte der Verein zigz, am Schluffe des Jahres 1890 16560 Mitglieder in 22 Gauverelnen. Er gewährte bis Ende 1880 seinen Mitgliedern Unterstützungen im Betrage von 5H̃ 612 069 , und zwar 1 350 616 „6 an Ärbeitsiose, 1371 6235 Æ an Durch' reisende, 407 044 e an Invallden, 2bo2 736 „ an Kranke. Das Vereinsvermögen bezifferte sich zur gleichen Zeit auf 1777 079 0 6 J. Die, Hibliotheken der einzelnen Mitgöiedschaften zählen zu ⸗ sam men 30 769 Bande. Der Gau verein Leipfig =. Verein Leipziger Buch druckergehülfen., unter dem Namen „ Fortbildungs verein für Buch= drucker schon im Jahre 1562 gegründet — sählts im ersten Jahre seines Bestehens 790, Ende 1856 nach dem Anschlusse der Schrift. gießer 2100 Mitglieder. Seine zrtlichen Kassen nahmen seit 1867 1014449 Æ 70 3 ein und gaben Sol 540 M 75 8 aus.
Zweite Beilage zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.
Berlin, Sonnabend, den 30. Mai
Seine Bibliothek enthält 2862 Bände. Die Organisation der Prinzipale, der Deutsche Buchdruckerverein', bringt durch sein Organ, die „Zeitschrift für Deutschlands Buchdrucker“, in einem sehr freundlich, aber auch ernst gehaltenen Artikel dem Unter stützungsverein seine Glückwünsche dar, und spricht dabei die Hoffnung aus, daß die Organisation der Gehülfen in der Erkenntniß der Gleichartigkeit der Interessen und des volksñwirthschaftlichen Zweckes beider Vereinigungen Schulter an Schulter mit dem Prinzipals vereine, nicht gegen ihn gestemmt, zum Wohle und Gedeihen des ge— sammten Buchdruckerstandes wirken und nicht ihr 25 jähriges Bestehen mit dem gevlanten Kampfe um die Verkürzung der Arbeitszeit feiern werde, einem Kampfe, der nicht in den thatsächlichen Verhältnissen, sondern nur in dem vom Kraftgefübl irregeleiteten Willen der Ge—= hülfenschaft begründet sei und den Leitern des Vereins, wie diesem selbst, eine schwere Verantwortlichkeit aufbürde.
Nach einer Meldung der „‚Wes. 3. haben vorgestern die sämmt lichen Steinbildhauer, welche auf dem Heiligengeistfeld die Bild⸗ hauerarbeiten für den Hamburger Rathhausbau ausführen, die Arbeit eingestellt. Sie sind dort von der Firma Holzmann aus Frankfurt a. M. angestellt, die ihnen statt des ortsüblichen Tagelohns von 7 M 59. 4 nur 7 M zahlen wollte. Die auf dem Platz eben falls beschäftigten Steinmetzen wollten gestern ebenfalls die Arbeit niederlegen.
Ein großer Theil der Berliner Uhrmachergehülfen, welche so lange in der Berliner Arbeiterwelt eine gewisse Sonder stellung einnahmen, hat sich, wie der „Voss. 3. mitgetheilt wird, nunmehr von dieser losgesagt, am 28. d. M. einen Fachverein der Uhrmacher und verwandten Berufsgenossen Berlins und Umgegend , und damit den Anschluß an die allgemeine Arbeiterbewegung vollzogen.
Wie die .A. C. meldet, beschlossen vorgestern die strikenden Schneider des Westends von London mit 4200 gegen 800 Stimmen, wieder an die Arbeit zurückzukehren, bis die streitigen Punkte auf einer Zusammenkunft zwischen Meistern und Gesellen geordnet worden seien. Die Striker des armen Ostends sind über diesen Beschluß höchst aufgebracht. Dem D. B. H. zufolge bestreiten die ausländischen Schneidergesellen, daß sie den Beschluß gefaßt, die Arbeit wieder aufnehmen zu wollen. Nach einer weiteren Nachricht des D. B. H.“ stellen die Londoner Om—⸗ nibuskutscher und Conducteure dieselben Forderungen, wie sie ihren Pariser Genossen bewilligt worden sind. Ein Theil von ihnen ist ausständig.
Wie aus Madrid gemeldet wird, ist der Ausstand der Kutscher (vergl. Nr. 124 d. Bl.) beendet.
Nach Mittheilung des Statistischen Amts der Stadt Berlin sind bei den hiesigen Standesämtern in der Woche vom 17. Mai bis inkl. 23. Mai er. zur Anmeldung gekommen: 334 Ehe⸗ schließungen, 965 Lebendgeborene, 31 Todtgeborene, 558 Sterbefälle.
Kunst und Wissenschaft.
S. Der Königlichen Gemäldegalerie zu Dresden ist als Vermächtniß der am 7. April dort verstorbenen Frau Felicia Land, geb. Meßmer, ein Bildniß ihrer Mutter Frau Meßmer in jugendlichen Jahren zugegangen. Gemalt ist es von dem Leipziger Akademie⸗Direktor Johann Friedrich August Tischbein (geb. 1750, gest. 1812). Die hübsche Frau mit dem anmuthigen Lockenkopfe ist nach der Sitte ihrer Zeit in antikisirende Tracht gekleidet. Sie trägt ein ausgeschnittenes weißes Kleid mit einem fenerrothen Ueberwurfe. Die Er— werbung ist erfreulich, da die Dresdner Galerie von keinem der 24 Künstler Namens Tischbein bisher ein Bild besaß.
— Im Lichthofe des Kunstgewerbe⸗Musęeums ist gegen wärtig die in der Werkstatt der Kunststickerei⸗Anstalt von Bessert⸗ Nettelbeck in Aufnäharbeit aus Seide und Goldfäden ausgeführte Fabne des Turnvereins „Guts Muths“ in Berlin (Moabit) aus— gestellt. Die Zeichnung ist nach Angabe des Verwalters der Stoff⸗ sammlung des Kunstgewerbe⸗Museums MaxGwHeiden von MaxEbers⸗ bach, einem Schüler derselben Anstalt, gefertigt und besteht auf der weißseidenen Vorderseite aus einer breiten Randeinfassung von stili⸗ sirtem Blattwerk und Eichenlaub, welche den Namen, Ort ze des genannten Vereins einschließt, während die rothseidene Rückseite n n nr e r in Umrahmung eines Eichenkranzes mit Cartouche enthält.
— Spaziergang durch die internationale Kunst⸗ Ausstellung. Verlag von Paul Hennig. Berlin 1891. Preis 30 J. — Der Herausgeber hat sich bei Zusammenstellung des unter obigem Titel erschienenen Büchleins, das eine Ergänzung bilden soll zu dem aus demselben Verlage hervorgegangenen Führer „In Berlin zu Hause“, die Aufgabe gestellt, solchen Personen, die der Kunst— Ausstellung nur einew flüchtigen Besuch abstatten können und denen ein tieferes Kunstverständniß abgeht, als Führer zu dienen, indem er darin aus jedem Raum der Ausstellung von den 000 vorhandenen Kunstwerken eine Anzahl der bedeutendsten hervorhebt. Durch einen deutlichen Plan der Ausstellungsräume werden seine Angaben erläutert. Allen Laien kann dieser praktische Führer für einen ersten Besuch der Ausstellung Behufs Erleichterung der Auswahl der zu besichtigenden Werke empfohlen werden.
3. Die gestrige Sitzung des Vereins für Volkskunde er— öffnete der Vorsitzende, Hr. Professor Weinhold, mit einigen geschäftlichen Mittheilungen. Dem Verein ist Seitens des Herrn Kultus⸗Ministers eine jährliche Beihülfe von 609 bewilligt worden. Unter verschiedenen Eingängen befindet sich auch eine Einladung zu dem in den Tagen vom 1. bis zum 7. Oktober d. J. zu London statt⸗ findenden internationalen Kongresse für Volkskunde. Als neues Mit⸗ glied ist dem Verein u. A. Hr. Geheimer Ober ⸗Regierungs⸗Rath Althoff beigetreten. Den ersten Vortrag des Abends hielt Hr. Pro⸗ fessor Or. Brückner; sein Thema lautete: Ueber den slavischen Götterglauben“. Nach den Ausführungen des Vortragenden ist das vorhandene Material nur ein sehr geringes. Der versuchte Nachweis, die Namen slavischer Gottheiten auf das Christenthum zurückzuführen, muß als mißlungen bezeichnet werden, weil jene Namen sprachlich so wenig Charaktersstisches bieten, daß man aus denselben keine weiter gebenden Schlüsse ziehen kann. ie Slaven scheinen nur wenige Hauptgottheiten gekannt zu haben, während sich die Namen einer uͤberauäß großen Zahl von kleineren Gottheiten durchweg als Ab- straktionen verschiedener Naturerscheinungen und Begriffe darstellen. Wenn man es mit Götterbezeichnungen, wie „Schönes Wetter“, Leben', „Pfeifen zu thun hat, so kann man keinerlei Aufschluß über den bezüglichen Kultus gewinnen. Nachdem die Hirn. Professor Steinthal und Professor Hr. W. Schwartz der Erwartung Aus⸗ druck gegeben, daß das gekennzeichnete dürftige Material doch bei sorgfältiger Forschung aus der slavischen Literatur weiter werde ergänzt werden konnen, sprach der letztgenannte Redner über: Die Wünschelruthe als Quellensuücher“. Derselbe wies zunächst darauf hin, daß die Wünschelruthe nur langsam in die Oeffentlichkeit getreten sei. Es giebt Intervalle von ganzen Jahrhunderten, in denen der Wünschelruthe keine Erwähnung . Sie findet sich dann
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in der althochdeutschen Literatur, in mittelbochdeutschen Gedichten, im Nibel ungenliede und bei Homer. Im 15. Jahrbundert stellte man sie in den Dienst des Bergbaues zum Zwecke der Oeffnung von Erdadern und suchte ihr auch eine wissenschaftliche Bedeutung beizulegen, indem man sie mit Elektrizität und Magnetismus in Ver bindung brachte Nach dem dreißigjährigen Kriege, in dessen Verlauf vielfache Vergrabungen von Schätzen stattgefunden haben mochten, fand die Wünschelruthe reichlich Verwendung und in der Mark spielte sie beim Schatzsuchen ihre Rolle bis in das vorige Jahrhundert binein. Die Wünschelruthe mußte vorschriftsmäßig von dem ein— jährigen Zweige eines Haselstrauchs in der Johannisnacht unter feier lichen Beschwörungen mit einem noch ungebrauchten Messer geschnitten werden. Das Gebiet ihrer Wirksamkeit erweiterte sich allmäblich be⸗ deutend; denn man versuchte mit ihrer Hülfe nicht allein Quellen, Erdadern und Schätze zu finden, sondern glaubte, daß sie auch im Stande sei, verlorene Dingt wieder finden zu lassen und die Zukunft zu enthüllen. Die Kunst, Wasser zu suchen, ist alt. Immer ist dabei das betheiligte Erdreich und was darauf wächst von Be— deutung. Der Erfolg des Wassersuchens war nach dem Volksalauben von der Geschicklichkeit in der Handhabung der Wünschelruthe und von dem Maße ihrer Beweglichkeit abhängig. Die Vorstellung. durch einen Schlag auf das betreffende Erdreich dem letzteren Wasser ent locken zu können, ist den Indogermanen und den Semiten gemeinsam. Der in der Wüste wasserspend ende Stab des Moses bewährt auch in anderer Weise seine Kraft, indem er die Amalekiter in die Flucht schreckt und so den Juden den Sieg verschafft. Alle die Be wegungen, welche den Segen des Erdreiches eröffnen, sind als Nach ahmungen der Wettervorgänge in der Höbe anzusehen. Bei Homer gelten alle Quellen als vom Himmel herabgekommen, und wie dem Hufschlage des Pegasus die Hippokrene ibre Entstehung verdankt, so entspricht die Vorstelluag von dem wassergebenden Hufschlage auch der deutschen Auffafsung. Die Beziehung, in welcher die Wuͤnschelruthe zum Blitze steht, dessen Nachahmung sie bildet und der eine schatz— hebende Kraft besitzt, macht auch sie aus einer Quellspenderin, zu einer Schatzheberin. Die Wünschelruthe bietet so einen Faden, die eigen thümliche Welt der Himmelswunder zu begreifen, und es erscheint wohl möglich, daß die prähistorische Mythologie im Bunde nit der Sprachwissenschaft hier auch ethnographische Enthüllungen werde zu Tage fördern können. Diesen beifällig aufgenommenen Ausführungen folgte noch ein Vortrag über Einiges zur Volks⸗ kunde von Helgoland“, in welchem Hr. Dr U. Jahn unter Vor— legung einiger alten Helgoländer Trachtenbilder die Ansicht entwickelte, daß von einer besonderen Nationaltracht der Männer auf Helgoland nicht wohl die Rede sein könne, während die etwas phantastisch zusammengesetzte Tracht der Helgoländerinnen der Romöer Tracht ähnlich sei. Unter den ausgelegten Gegenständen befand sich als Zeugniß für den geringfügigen Umfang der Helgoländer Hausindustrie ein einfaches Mangelholz, mit der üblichen Dausmarke versehen. Der Vortragende nahm Gelegenheit, zu be tonen, daß, wenn man von den schönen Helgoländer Stickereien zu hören bekomme, es sich hier keineswegs um eine allgemein verbreitete Kunstfertigkeit, sondern lediglich um die Pflege einer Art bäuerlichen ö in einzelnen, vom Festlande stammenden Familien andle.
— In der Sitzung des Elektrotechnischen Vereins am 26. Mai kam die Frage der Abhaltung einer internationalen Industrie⸗Ausstellung in Berlin zur Besprechung. Der Referent Hr. Naglo stellte den Antrag: „der Elektrotechnische Verein mötze beschließen, die Abhaltung einer großea internationalen Industrie⸗ Ausstellung, welche noch vor Ablauf dieses Jahrhunderts in Berlin stattfinden solle, als wünschenswerth auszusprechen. Dieser Antrag fand kräftige Unterstützung durch den Geheimen Re⸗ gierungs⸗Rath Dr. Werner von Siemens, dessen Ausführungen darin gipfelten, daß, wenn eine Ausstellung in dem gedachten Sinne zur Ausführung kommen solle, dies nur in großem Maßstabe ge— schehen dürfe, und daß Alles aufgeboten werden müßte, um dem Aus- lande zu zeigen, daß die deutsche Industrie wäbrend der Friedenszeit Fortschritte gemacht habe und jederzeit erfolgreich in Konkurrenz treten könne. Die Versammlung schloß sich diesen Ausführungen einstimmig an und beauftragte den Vorstand, geeignete Schritte zur Verbindung mit anderen Vereinen Behufs Bildung eines großen Ausstellungs⸗ comités ins Werk zu setzen.
Hierauf führte Hr. Dr. Frölich die Fortschritte vor, die bei Siemens und Halske in den letzten Jahren in Bezug auf Er zeugung von Ozon auf elektrischem Wege gemacht worden sind. Die Erzeugung von Ozon mittels der von W. von Siemens erfundenen Ozonröhre ist seit 18657 bekannt. Die konstruktive Fortentwickelung derselben bis zu technisch brauchbaren Apparaten und die Durch arbeitung des elektrischen Betriebes derselben fehlte bisher, ist aber jetzt durchgeführt; bei Siemens und Halske ist eine Anlage zur Ozonerzeugung von mehreren Pferdestärken seit mehreren Monaten im Gang. Der Vortragende besprach sodann die wichtigsten technischen Anwendungen, das Bleichen, das Veredeln von Wein und Spirituosen, die Einwirkung auf Zucker⸗ melasse; namentlich machte er jedoch auf Grund von Versuchen darauf aufmerksam, daß es möglich sei, mittels Ozons die Reblaus im Weinberge zu tödten, ohne daß die Weinstöcke dabei Schaden leiden, und ferner, daß die Sterilisirung des Wassers, d. h. dessen Befreiung von Bakterien, mittels Ozons in billiger und zweck entsprechender Weise geschehe, und daß auf diese Weise schlechtes Wasser, sowohl zum Gebrauch als Trinkwasser, als für Brauereien, Brennereien, Hefefabriken 2c. benutzt werden tönne.
Nunmehr sprach, Hr. Direktor A Müllᷣer von der Akku—= mulatorenfabrik, Aktiengesellschaft, in Hagen (Westfalen) über die Lebensdauer von Akkumulatoren, deren Nutzeffekt und den Nutzeffekt von Gleichstromanlagen mit Akkumulatoren im Vergleich zu Wechselstromanlagen mit Transformatoren. Vie Lebensdauer der heutigen Tudor ⸗Afkumulatoren sei, wenn dieselben entsprechend behandelt würden, eine für den praktischen Gebrauch mehr als ausreichend hohe. Was die Bedienung anlange, so sei dieselbe sehr einfach. Der Nutzeffekt der Akkumulatoren betrage 80 bis 82 o, und wenn dieser Nutzeffekt sich praktisch auch nicht überall erreichen lasse, so sei immerhin mit 75 0υ0 zu rechnen möglich, da mit diesem Güteverhältniß in allen Centralen gearbeitet werden könne. Die sonstigen Vortheile der Akkumulatoren seien so hohe, daß jede mit ihnen ausgestattete größere An= lage wesentlich rationeller arbeiten müsse, als eine solche mit Wechselstrom und Transformatoren. Der Nutzeffekt einer Centrale mit Wechselstrom und Transformatoren sei von Hrn. Direktor Roß in einem früheren Vortrage mit 87 G berechnet worden, während der Nutzeffekt der Gleichstromanlagen von diesem Herrn als wesentlich niedriger bezeichnet wurde. Der Vortragende sucht nachzuweisen, da in der Berechnung des mittleren Jahresverbrauchs das r l chznn nh von Gleichstromanlagen mit Akkumulatoren sich wesentlich günstiger stellt als bei Wechselstrom mit Transformatoren, und führt aus, daß es bei Gleichstrom unter i mn von Akkumulatoren durchaus thunlich sei, beliebig welte Gebiete mit Strom zu bedienen, was 6 it Unrecht als ein Vorrecht des Wechselstroms betrachtet worden sei.
Hieran schloß sich eine längere Diskussion, in welcher namentlich der, anwesende Birektor der Artiengesellschast „Helios! in Köln (Ebrenfeld, Hr. Roß, die Richtigkeit der gegen ihn gerichteten An⸗= griffe des Vortragenden bestritt. Nächste Sitzung: Dienstag, den 27. Oktober 1891.
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