1891 / 126 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 01 Jun 1891 18:00:01 GMT) scan diff

leisten, dessen Deutschland bedarf, um bis zur nächsten Ernte fort⸗ zukommen und auch nach der nächsten Ernte, da wo es etwa fehlen sollte, auszuhelfen.

Die Nachrichten, die die Staatsregierung aus Handelsplätzen von bervorragenden Kaufleuten, von Rhedern, von Versicherungegesell⸗ schaften z. eingezogen hat, gehen übereinstimmend dahin, daß zur Zeit erhebliche Transporte bereits nach Deutschland unterwegs sind. Es soll das, wie man mir sagte, eine Erscheinung sein, die alle Jahre eintritt, daß im Mai, Juni und Jult die Importe sich zu steigern pflegen. Es wird in diesem Jahre natürlich noch wahrscheinlicher, theils durch unsere hohen Preise, theils aber durch Verhältnisse in jeren Ländern, auf deren Import wir angewiesen sind. Uns scheint es zweifellos zu sein, daß der nordamerikanische Markt in dem Bewußtsein vor eier überreichlichen Ernte zu stehen, im Begriff ist, abzuschieben, was er aus vorjährigen Beständen noch übrig hat. Wir werden nach Wochen zählen können, bis das erste ostindische Getreide auf dem europäischen Weltmarkt eintrifft.

Nun ist das, was aus Nord⸗Amerika und aus Ost⸗Indien auf unseren Markt kommt, vorherrschend Weizen, während es ja bekannt ist, daß in Preußen das Roggenbrot noch die Nahrung des größten Theils unserer ärmeren Klassen ist, daß also der Roggen noch eine hervorragende Rolle spielt. Indessen auch in dieser Be⸗ ziehung glauben wir keine großen Befürchtungen hegen zu müssen. Soweit wir die Sache übersehen können, sind in Rußland noch Noggenbestände, die sich, wie es scheint, in den Händen einzelner reicher Personen befinden, die auf den Augenblick warten, wo es ihnen nutzbringend erscheinen wird, damit auf dem deutschen Markt zu erscheinen.

Es ist ferner eine nicht erst jetzt beobachtete Erscheinung, daß in Deutschland der Weijenkonsum im Verhältniß zum Roggenkonsum zunimmt, mag das Motiv davon sein, daß die Bevölkerung mehr Geschmack am Weizen findet, mag es der steigende Wohlstand sein, mag es auch die Abnahme des Roggenbaues sein. Die Thatsache liegt vor und spricht dafür, daß, wenn uns Roggen fehlen würde, ein Uebergang zu geringeren Weizensorten für diejenigen Klassen, die bisher Roggen gegessen haben, in nicht unerheblichem Maße möglich ist. Es kommt dann hinzu, daß die Marktverhältnisse in den sogenannten Nebenartikeln günstig stehen,

so daß das Land, wenn es davon absieht, Roggen zu anderen Zwecken, z. B. zu Futterzwecken, zu verkaufen, und dazu diese Nebenartikel verwendet, wohl in der Lage sein wird, seinen Nahrungsbedarf an Roggen zu decken.

Wenn nun die Verhältnisse so liegen, so entsteht für die Staats⸗ regierung die Frage: soll man nicht doch Angesichts des Drängens von verschiedenen Seiten, Angesichts der Aufregung, die im Lande auf die eine oder andere Weise über d'ese Frage entstanden ist, sich ent⸗ schließen, jetzt auf eine Herabsetzung oder Aufhebung der Zölle hinzuwirken? Man muß sich da die Frage vor— legen: was würde eine solche Aufhebung zur Zeit nützen! Die Frage, wieweit Zölle auf die Preisbildung einwirken, ist und darüber, glaube ich, wird, seitdem zum ersten Mal in diesem Hause über Kornzölle verhandelt worden ist, eine Klärung der Ansichten ein— getreten sein eine sehr komplizirte und nicht mit fo einfachen Worten, wie ‚das Ausland bezahlt den Zoll' oder ‚der Konsument bezahlt den Zoll abzuthun. (Sehr richtig)

Zahlreiche sehr schwer zu übersehende Verhältnisse machen es selbst unseren größten Nationalökonomen schwierig, nicht allein generell über diese Frage zu entscheiden, sondern auch im einzelnen Fall ein— wandsfreie Resultate zu gewinnen.

Sehr schwer wird es im gegenwärtigen Fall sein, festzustellen, wie weit eine Aufhebung oder Herabminderung der Kornzölle auf Zeit geeignet wäre, die Kornpreise bei uns zum Sinken zu bringen. Sehr richtig) Wir haben in den letzten Tagen, wo in Folge der Sitzung vom 27. Mai sich in weiteren Kreisen der Glaube verbreitete, es würden die Zölle heruntergesetzt werden, die Erfahrung gemacht, daß in Nachbarländern, in Rußland, din Niederlanden ꝛe. dier Preise an⸗ zogen. (Sehr richtig Das Ausland schickte sich eben an, von der ungewöhnlichen Lage, in der wir uns befinden, Nutzen zu ziehen.

Es läßt sich nicht in Abrede stellen, daß der Weltmarkt, der ja unsere Kornpreise mit bedingt, im Ganzen eine steigende Tendenz hat, und nach dem, was ich von Sachverständigen ersten Ranges gehört habe, neige ich mich auch dem Glauben zu, daß diese steigende Tendenz noch anhalten wird.

Es werden verschiedene Gründe dafür angegeben. Der Eine sagt: unser Kornhandel ist schon seit Jahren nicht weitsichtig genug ge⸗ wesen, er hat mit falschen Voraussetzungen gerechnet, er fängt jetzt erst an zu erkennen, wie die Sache liegt, und er wird genöthigt sein, mit den Preisen in die Höhe zu gehen. Andere behaupten: bei der steigenden Bevölkerung in der ganzen eivilisirten Welt wird der Getreidebedarf immer stärker, und der Getreidebau hat damit nicht Schritt gehalten; dieser zweite Theil kommt zu demselben Resultat, wenn auch aus anderen Voraussetzungen: der Welthandel wird eine steigende Tendenz hehalten.

Setzen wir nun die Zölle herunter, so ist nach meiner Ueberjzeugung mit Sicherheit anzunehmen, daß die Preitermäßi⸗ gung auf dem deutschen und preußischen Markte nicht der Heruntersetzung unserer Zölle gleichkommt. (Seht richtig) Seit einer Reihe von Wochen ist der Preis des Getreides in Deutschland gleich dem Weltmarkipreise ich nehme hier den Londoner Preis als Weltmarktpreis an plus den Zöllen. Und

nun variirt es: einmal kommt es etwas höher und einmal etwas darunter, im Allgemeinen aber zahlen wir zur Zeit Weltmarkipreis Plus Zoll.

Wenn wir aber den Zoll aufheben, so ist mit wie ich glaube Sicherheit vorauszusehen, daß ein Theil des Zolles an das Aus— land fällt; man kann den Theil größer oder geringer taxiren, ein Theil aber fällt dem Auslande zu und nur ein anderer Theil würde den inländischen Konsumenten zu Gute kommen. Das Ausland also gehört jedenfalls zu den Gewinnern.

Wie weit der inländische Konsument zu den Gewinnern gehören würde, das ist zweifelhaft (Sehr richtig), um so zweifel hafter, je geringer die Kerabsetzung ist und auf je kürzere Zeit sie beliebt würde.

Die Staatsregierung hat in reiflicher Erwägung aller dieser Ver⸗ hältnisse sih davon überzeagt, daß mit einer mäßigen Herabsetzung der Zölle also etwa das, was man ein Offenlassen bis zum Perfektwerden des deutsch ⸗österreichischen Handelsvertrages nennen

würde nicht geholfen ist, sondern daß, wenn eine Ermäßigung der Brotpreise eintreten soll, wenn also unseren armen Mitbürgern geholfen werden soll, dann der Zoll auf Zeit ganz erlassen werden müßte. Das aber ist eine Maßregel, zu der die Staatsregierung sich nicht würde entschließen können.

Wenn wir also auf der einen Seite den Nutzen, der aus einer Herabsetzung oder aus einer zeitweisen Aufhebung des Getreidezolles entstehen würde, für einen fraglichen halten, so halten wir für un⸗ gleich weniger fraglich den Schaden, der aus einer solchen Maßregel entsftehen würde. Darüber kemmen die Sachverftändigen des Handels, der Indastrie und der Landwirthschaft, wie mir scheint, überein, daß für eine gesunde Entwickelung dieser Erwerbszweige Stetigkeit das erste Erforderniß ist. (Sehr richtig Stetigkeit braucht der Handel, um Verbindungen ein zugehen, die ja, wie es beim Handel meist der Fall ist und beim Getreidehandel erst recht, oft erst in langer Zelt wirksam werden. Einer ruhigen Entwickelung bedarf der Handel. Wenn man aber die Zölle auf Monate hin« und herwirft, so ist eine solche ruhige Entwickelung gefährdet. Das solide Geschäft leidet darunter und zieht sich vom Handel zurück, während die Spekulation und ich will dabei sagen, um nicht mißverstanden zu werben, ich halte die Spekulation nicht für etwas Schädliches an sich, sondern für etwas an sich Nöthiges, sie muß die Bedürfnisse des Volkes vorher⸗ sehen, um ihnen nachkommen zu können —, ich will damit nicht sagen, daß nicht wie alle menschlichen Dinge auch sie ihre Uebertreibungen und Mißleitungen erfahren könnte, aber die Spekulation ist im Ganzen erforderlich. Nach dieser Parenthefe will ich fortfahren die Spekulation, ich möchte fagen, die wilde Spekulation, die prosperirt bei dem Hin⸗ und Herschwanken der Verhältnisse, unter denen der Kandel sich zu bewegen hat, und, ich wiederbole, der gesunde und solide Handel bedarf der Stetigkeit. (Sehr richtig!)

Aehnlich liegen die Verhältaisse nach meinem Dafürhalten in Bezug auf die Landwirthschaft. Ich kann da zunächst anführen, daß,

wenn die Staatsregierung sich entfchlösse, bei den Reichs behörden eine

Aufhebung unserer Getreidezölle oder wenigstens der Zölte für Brotgetreide auf Monate zu beantragen, und wenn dieser Antrag Folge hätte, daß wir dann doch nach Ablauf der Frist, für die die Aufhebung gegeben wurde, sehr leicht in der Verlegenheit sein könnten, das schwer wieder einzufüßkren, was wir erst aufgehoben haben (sehr richtig), daß dann eine Agitation, eine Bewegung in der Be⸗

völkerung entstehen könnte durch Ereignisse, die sich im Augenbälc ja garnicht übersehen laffen, in noch höhe zem Grade wie jetzt; sie kannte vielleicht innerlich unberechtizt sein; fie könnte aber ein Motiv haben, welche es einem Theile der mitwirkenden Faktoren erschweren wüßte, überhaupt auf Getreidezölle zurückjukonmsmen.

Nun haben aber die prꝛußische Regierung und, foweit ich uater⸗

richtet bin, die verbündeten Regierungen keineswegs in Sinn und auch nicht im Sinn gehabt, zu einem Freihandelssystem in Bezug auf das Getreide überzugehen. (Hört, hört! Sehr gur! rechts und im Centrum)

Wir haben in Verhandlungen, da ja offenkundig sind, mit an⸗

Getreidezölle die Zustimmung zu geben, aber untzr der Vorausfetzung, daß wir da auf anderem Gebiete Gewinne machen, die uns eben Aequi⸗- valente dafür geben. Ich bin nicht in der Lage, mich im Augenblick in dieser Beziehung zu äußern, und muß zuglꝛich im Vpraus fagen, daß, wenn irgendwo die Debatte auf dea deutsch sterreichischen Handels⸗ vertrag geleitet würde, ich wiederum in der Nothwendigkeit fein würde, auf eine Unterhaltung darüber nich einzugehen und nur zu kon statiren, daß ich die Behandlung dases Therzas in weiterem Maße zur Zeit auf das Aeußerfte beklagen müßte. (Hört! hört h Führten wir nun geringere Zölle ein auf kürzere Zeit, oder schritten wir auf kürzere Zeit gar zu der vollständigen Aufhebung der Getreide⸗ zölle, so müßten wir doch auch mit der Möglichkeit rechnen, daß am Ende dieses Termins der deutsche Markt mit aueländischem Getreide der⸗ maßen überschwemmt fein könnte, (sehr richtig) daß dann unsere nächste Ernte in Verlegenheit wäre. (Lebhafte Zustimräung.) Die französische Regierung hat in dieser Beziehung nach meiner Arsicht korrekt gehandelt es ann hier nicht meines Amtes sein, in eine Untersuchung darüber einzutreten, welche Motive die französische Regierung ge⸗ leitet haben können aber ich erkenne an, daß sie richtig gehandelt hat: sie läßt diese Zölle erst vom nächsten August an fallen, also zu einem Termin, wo mit der dann beginnenden stärkeren Einfuhr dis eigene Ernte schon konkurriren kann. Ließen wir unsere Zölle heute fallen, so würden wir in der Lage sein, möglicherweise das sind Alles Dinge, ich wiederhole es, die nicht mit apodiktischer Gewißheit zu beweisen sind möglicher⸗ weise eine so starke Einfuhr zu bekommen, daß dann unsere Landwirth⸗ schaft unter der Unabsetzbarkeit der eigenen Ernte litte. (Sehr richtig!)

Neben diesen basirten Motiren hat die

auf den Handel und die Landwirthschaft Staatsregierung auch Motive politischer Art. Man kann uns einwesden: macht doch dieser unerquicklichen Agitation ein Ende. Es ist ja nichts einfacher für die Regierung, als daß sie sagt: die öffentliche Meinung ist dafür, wir würden vielleicht in allen Parteien dieses Hauses Stimmen für einen Schritt beim Bundesrath, der auf Auf⸗ hebung der Zölle zielte, gewinnen können. Ja, wenn wir von dem Ge⸗ sichtspunkt ausgingen, so wäre unsere Verantwortung allerdings leicht gedeckt. Ich bin aber der Meinung, daß eine Regierung dazu da ist, Verantwortung zu tragen und auf sich zu nehmen, wenn sie davon überzeugt ist, daß das, was sie will, zum Besten des Staates dient, (Sehr richtig!

Gine Regierung muß auch gegen den Strom schwimmen können; (sehr gut! und selbst, wenn der Strom der Agitation in Bezug auf diese Maßregel noch wachsen sollte, so traue ich uns zu, daß der Strom uns nicht auf die andere Seite bringen wird (sehr gut! Bravo), so wenig wie manche andere Agitation uns schon aus der Richtung gebracht hat, die wir für die richtige gehalten haben. (Lebhaftes Braxo!)

Wir haben und darin möchten wir Niemandem nachstehen ein warmes Herz für die armen Klassen. Aber auch in dieser Beziehung glauben wir recht zu handeln, wenn wir auf eine Herabsetzung oder Aufhebung der Getreidezölle auf einige Monate nicht eingehen. Wie weit würde sich denn der Brotpreis ändern, wenn die ganze Welt,

der Zwischenhändler und der Bäcker, an sich auch Leute, die ihr

deren Staaten uns entschloffen, zu einzr gewisfeg Herabsetzung vnserer

gutes Recht haben, einen Gewinn machen zu wollen von Hause aus wüßten: die Sache dauert nicht lange? Was würde dann eine Herab⸗ setzung der Zölle, etwa auf die Hälfte, nützen? Wenn wir den

so würde der Effekt vielleicht der sein, daß das Kilogramm etwa 2 bis 3 3 billlger würde. Ich habe nicht den Glauben, daß dlese Preisermäßigung in dem Preise oder in dem Genicht des Brotes zum Ausdruck kommt. (Sehr richtig h

Ich glaube nicht, daß eine so unbedeutende und auf so kurze Zeit ergriffene Maßregel in Stande sein würde, den weniger bemittelten Klassen wirksam zu helfen. Ich glaube dagegen, wenn wir auf längere Zeit die Getreidezölle ermäßigen können, wie wir das wie ich mir schon erlaubt habe zu fagen, und wie es ja offenkundig ist im Laufe von Vertragsverhandlungen mit andern Staaten ins Auge ge⸗— faßt haben, daß dann auf eine längere Zeit, eine Reihe von Jahren, der ärmeren Bevölkerung mehr genutzt werden kann, daß Lohn und Brodpreise der Arbeiter sich besser stellen werden als jetzt, falls wir etwa auf vier Monate eine Herabsetzung herbeiführen wollten; wir werden dann, wie ich hoffe, die Verhältniffe dieser Klassen dauernd bessern, während wir jetzt im gänstigsten Falle eine unhedeutende, kaum bemerkbare Verbesserung auf kurze Zeit haben würden. (Sehr gut! rechts.) Eine Herabsetzung oder Aufhebung der Getreidezölle wäre nun aber auch in handelepolttischer Beziehung für die Reichsregierung zur Zeit in so hohem Grade unerwünscht, wie nur irgend möglich. Fär die größere Handelspolitit ist eine gewisse Stetigkeit der Anschauungen, eben der leitenden Anschauungen, ebensogut Erforderniß, wie für Handel und Induftrie und den Wandel im Lande. Wir können nicht in große handelspolitische Aktionen eintreten und fie mit Aus sicht auf Erfolg durchführen, wenn wir anscheinend in unseren eigenen Anschauungen wechseln, noch ehe wir nur das erste Refultat solcher Aktionen eingeheimst baben. Wir würden dem Auslande gegen⸗ über als eine Regierung und weiter auch als eine Nation erscheinen,

mit der auf einen langen Zeitraum, auf eine Reihe von Jahren sich

in solche Transaktion einzulaffen, bederklich ist. Wir würden vor der Gefahr stehen, daß das, was wir gewonnen haben, scheitert, noch ehe wir es an einer einzigen Stelle haben vollenden können, wenn wir jetzt fchwankend werden, und einer, vom Standpunkt des Auslandes aus, doch immerhin leichten Strömung in entgegengesetzter Richtung nachgeben wollten. Die Siaatsregiernng ist sich rer Verantwortung in dieser Beziehung vollkommen bewußt, fie ist sich aber auch der Verantwortung bewußt, die sie tragen würde, wenn fie dazu miswirkte, die handelspolitische Aktion, von der sie sich fehr viel für Staat und Reich verspricht, zu stören; und ich kann für meine Person sagen, daß ich eine folche Verantwortung auf mich zu nehmen nicht geneigt sein würde. Wir sind darauf gefaßt, daß man in der nächsten Zeit von rielen Seiten uaser Verhalten nicht verstehen und mißbilligen wird. Indeffen wir mässen uns das ge⸗ fallen lassen, und wir werden es uns gern gefallen lassen, wenn, wie wir hoffen, das, was wir thun, dem Lande zum Segen gereichen wird.

(Lebbafter Bꝛifall rechts.)

Der Bundesrath ertheilte in der am 30. v. M. unter

dem Vorsitz des Vize⸗Präsidenten des Staats⸗-Ministeriums,

Staatssekretärs des Innern Dr. von Boetticher ahgehalte⸗ nen Plenarsitzung den vom Reichstage angenommenen Gesetz⸗ entwürfen, betreffend die Abänderung des 5. 157 des In⸗ validitäts⸗ und Altersversicherungs⸗Gesetzes, und wegen Abände⸗ rung des Gesetzes, betreffend die Besteuerung des Branntweins, sowie den Gesetzentwürfen für Elsaß— Lothringen wegen Feststellung eines Nachtrags zum dortigen Tandeshaushalts⸗Etat für 1891/92 (Bau einer Eisen⸗ bahn von Mommenheim nach Saaralben und Saargemünd) und über die ärztlichen Hausapotheken in der vom Landes⸗ ausschuß beschlossenen Fassung, endlich dem Entwurf zu Be⸗ stimmungen übez die Gebührnisse der zur Durchführung von Absperrungsmaßregeln gegen die Rinderpest verwendeten Militär ⸗Kommandos ie Zustimmung. Im Verfolg eines Antrags des Reichskanzlers wurde beschloßen, daß die im landesrechtüichen Wege geschehene Einverleibung eines Gemeindebezirk oder eines Theiles desselben in den Bezirk einer anderen Gemeinde den Eintritt in die Servisklasse des letztern zur Folge haben soll. Mit der bexeits erfolgten Uceberweisung mehrerer Vorlagen an die zuständigen Aus— schüffe sowie dem Vorschlage des Reichskanzlers wegen Be⸗ setzung einer Mitäliedastelle beim Neichs⸗Versicherunga amt er⸗ klaͤrte sich die Versammlung einverstanden. Dem Gesuch eines Reichsbeamten a. D. wegen Erhöhung seiner Pension beschloß der Bundesrath eine Folge nicht zu geben.

In der Nacht vom 30. zum 31. Mai verstarb hierselbst der Geheime Ober⸗Postrath und vortragende Rath im Reichs⸗ Postamt Herr Ernst August Maßmann am Herzschlag.

Am 10. September 1840 zu Osnabrück geboren, trat der Heimgegangene nach beendigtem Vesuch des Gymnasiums zu Osnabrück und der Polytechnischen Schule zu Hannover im Jahre 1864 in den hannoverschen Telegraphendienst ein und wurde im Jahre 1867 in den preußischen Telegraphendienst übernommen. Am 17. Dezember 1868 erfolgte seine Ernennung zum Telegraphen⸗ Direktions-⸗Rath und nach Vereinigung der Telegraphie mit der Post am 22. Juli 1876, zum Postrath. Im Jahre 1818 wurde er zur Dienstleistung bei der Centralbehörde einberufen, welcher er seitdem ununterbrochen angehört hat. Am 2. September 1879 wurde er zum Ober-⸗-Postrath, am 26. Juni 1880 zum Geheimen Postrath und vortragenden Rath und sodann am 1. Oktober 1884 zum Geheimen Ober-Postrath ernannt. Er war Mitglied des Kuratoriums der ,,, , Neichsanstalt und Kurator der Reichsdruckerei. Beim letzten KLrönungs- und Ordensfeste wurde ihm der Rothe Adler⸗ Orden zweiter Klasse mit Eichenlaub verliehen.

Der e d ner war ein Mann von gediegenem Wissen, vorzüglicher fachmännischer Begabung und muster⸗ hafter Pflichttreue. Seine den Fortschritten der Elektro— technik stets aufmerksam folgende Thätigkeit und der reiche Schatz seiner Erfahrungen in Verbindung mit einer großen Arbeitskraft machten sein amtliches Wirken zu einem besonders erfolgreichen. Die ihm eigene edle Einfach⸗

heit und Liebenswürdigkeit, sowie die Lauterkeit seines Cha—

Roggenzoll auf 25 M für die Tonne auf vier Monate herabsetzten,

rakters machten ihn Vorgesetzten wie Kollegen und Unter⸗J auc bei dem dermaligen Stande der Verhandlungen kaum möglich,

gebenen gleich werth und theuer. Sein Dahinscheiden hinterläßt eine tiefe Lücke; sein An—⸗ denken bleibt unvergeßlich und gesegnet.

Während der Abwesenheit des Minister-Residenten der

Republik Haiti, Delorme, welcher am 29. Mai von Berlin

abgexeist ist, werden die Geschäfte der Mission in der Wohnung 2 n ,,, Duvivier, Rathenowersteaße Nr. 1065, erledigt.

Der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Königlich bayerische Ministerial⸗Rath Heller ist hier angekommen.

Der Chef der Marinestation der Nordsee, Vize-Admiral Schröder, hat nach Abstattung persönlicher Meldungen Berlin wieder verlassen.

Der Präsident des Kammergerichts, Wirkliche Geheime Ober⸗Justiz Rath Drenkmann 6 nach Berlin zurückgekehrt.

S. M. Fahrzeug „Loreley“, Kommandant Kapitän⸗ Lieutenant Graf von Moltke J.,, ist am 29. Mai in Smyrna eingetroffen und beabsichtigt, am 4. Juni nach Konstantinopel in See zu gehen.

S. M. Kreuzer „Möwen Kommandant Korvetten⸗Kapitän von Halfern, ist am Mai, von den Seychellen kommend, in Sansibar eingetroffen.

S. M. Kreuzer „Schwalbe“, Kommandant Korvetten⸗ Kapitän Rüdiger, tritt heute (J. Juni von Sansibar die Reise nach den Seychellen an.

Flensburg, 30. Mai. Die „Flensburger Nachrichten“ melden das heute Nachmittag erfolgte Ableben Ihrer König⸗ lichen Hoheit der Herzogin Wilhelmine zu Schleswig— Holstein⸗Sonderburg⸗Glücksburg.

Die Herzogin Wilhelmine zu Schleswig⸗Holstein-Sonder⸗ burg⸗Glücksburg, geboren am 18. Januar 1808, die Tochter des Königs Friedrich VI. von Dänemark und der Prin⸗ zessin Marie von Hessen⸗Kassel, war in erster Ehe vermählt mit dem Kronprinzen, nachherigem König von Dänemark Friedrich VII., von dem sie am 6. September 1837 geschieden wurde; in zweiter Ehe mit dem Herzog Karl zu Schleswig— Holstein⸗Sonderburg⸗Glücksburg, welcher am 24 Oktober 1878 starb. Die Herzogin-Wittwe residirte in Glücksburg.

Sachsen. Dres den, 30. Mai. Seine Majestät der König ist, wie das „Dr. J.“ meldet, nach Sibyllenort zurückgekehrt.

Baden.

Karlsruhe, 39. Mai. Ihre Großherzogliche Hoheit die Herzogin von Sachsen-Co burg⸗Gotha ist, wie die „Karlsr. Zig.“ mittheilt, gestern von hier wieder abgereist. Gestern Mittag traf Ihre Königliche Hoheit die Kronprin— zessin von Schweden und Norwegen hier ein und wurde auf dem Bahnhofe von Ihren Königlichen Hoheiten dem Großherzog und der Großherzogin empfangen. Das Aussehen Ihrer Königlichen Hoheit ist dem genannten Blatte zufolge ein sehr befriedigendes.

ö Sachsen⸗Meiningen.

Meiningen, 30. Maj. Zu den für den nächsten Land— tag bestimmten Rechnungs-, Eisenbahn⸗, Hochwasserentschädi⸗ gungs Vorlagen kommt der „Magd. Ztg.“ zufolge auch noch ein Gesetzentwurf, nach welchem die Pfandbriefe der deutschen Hypothekenbank zu denjenigen Werthpapieren gerechnet werden sollen, die zur Anlegung von Mündelgeldern bestimmt sind.

Schwarzburg⸗Sondershausen. Sondershausen, 36. Mai. Der am 4. Mai zur verfassungs mäßigen Prüfung der Staatskassenrechnungen für das Jahr 1889 hier zusammengetretene Landt agsaus schuß hat nach dem „Reg. u. Nachr. Bl.“ heute seine Arbeiten zum

Abschluß gebracht. Elsaß⸗Lothringen.

Straßburg, 31. Mai. Die heute ausgegebene Nr. 8 des Gesetzblattes für Elsaß-Lothringen verbffentlicht zwei Kaiserliche Verordnungen, betreffend die Ermächti— gung für den Ehren-⸗Domherrn Dr. Fritzen zum Empfange der kanonischen Institution als Bischof von Straßburg, und betreffend die Ermächtigung des Domherrn Marbach zur Annahme eines Titular⸗ Bisthums und des Amts eines Weihbischofs bei dem Bischof von Straßburg. Beide Verordnungen datiren vom 24. Januar 1891.

Oefsterreich⸗ Ungarn.

Am Sonnabend fand, wie die „Wien. Ztg.“ meldet, bei Seiner Maijestät dem Kaiser im Eeremoniensaale der Hof— burg ein Diner statt, zu welchem fämmttiche in Wien weilenden Mitglieder des W eltpost kongresses sowie der Eeste Ober st⸗Hofmeister, G. d. C. Frinz zu Hoh en— lohe, der Minister, Feldmarschall-⸗Lieutenant Graf Käknoky, der Minister⸗Präsident Graf Taaffe, der WMinister von Szögysonyi, der Oberst-Küchenmeister Gra; Wolkenstein, der Minister Marquis Bacquehem, der General-Adjutant,

eldmarschall Lieutenant Graf Paar und der Flügel⸗Adjutant, reggtten⸗Kapitän Sachs erschlenen waren. . Von, den drei Kommissionen des Welt post kongresses dürfte, wie der „Köln. Ztg.“ berichtet wird, die zweite heute ihre Arbeiten beenden, sodann beginnt die dritte Kommission unter Vorsitz des Ober⸗Postdirektors Sachse die Berathung über Po sta n weisungen und Postaufträge sowie über ein neu einzuführendes internationales Zeitungs⸗Abonne—⸗ Hang, wozu der Entwurf von. Dentschland, Oesterreich, e e und. Portugal ausgearbeitet wurbe. Nachdem die , Fragen in drei Kommiffionen und im. Pienum , a e, die , ,. zu⸗ nnn . e die i i ng ver⸗ . e. 3. 6. eschlüsse für die zweite Lesung S* u, ben Handelsvertrags-Verhandlungen mit der r, ,. schreibt das Wiener „Hrem den blait“ , . Pause sind heute die Vertrags verhandlungen i,, wieder aufgenommen worden. Ber Grund. der a n ag darin. daß die Unterhändler zum Studium ,, Bi dus gftauschten Pnnktationen einer kurzen Frist en öthigten. Die Perhandlungen werden . zunaͤchst auf 34 1arifarischen Theil des Vertrages erstrecken und. wird eler in täglichen Sitzungen durchberathen werden. Ist es

die Dauer derselben bessimmt zu fixiren, so sprechen doch alle Anzeichen dafür, daß die Verhandlungen in der ersten Woche des Juli beendet sein werden. Vorläufig ist die Anzahl der besonders wichtiaen Punkte, welche kontovers sind. keine bedeutende etwa fünf bis sechs —, und nachdem ja bezüglich der von Oesterrelch⸗Ungarn und dem Deutschen Reich der Schweiz zu gewährenden Konzesstonen eine Mel⸗ nungsverschiedenheit nicht bestebt, so erscheint der Gang der Verhand- lungen wesentlich vereinfacht. Was unsere Anschauung von dem zur Finalistrung der Verbandlungen nothwendigen Termin bestätigt, ist der Umstand, daß der Landels« und Ackerbau ⸗Minister in ihren Erlessen an die Kammern und Korporationen Behufs Erstattung von Gut— achten über die abzuschließenden Handelsverträge für den Handels vertrag mit Serbien den Termin vom 15. Juli anberaumt haben. daß sonach bis zu diesem Termin auf eine Beendigun bes Schweizer Vertrages gerechnet wird, da sodann die Verhandlungen mit Serbien in Aussicht genommen sind.

In dem Befinden Seiner Kaiserlichen und Königlichen Hoheit des Erzherzogs Franz Ferdinand, welcher die Vacht vom Sonnabend zum Sonntag unruhig bei stärkeren Fiebererscheinungen zugebracht hatte, ist dem „W. T. B.“ eg gestern Vormittag eine leichte Besserung einge— reten.

Wie das „Fremden blatt“ vernimmt, wurde dem im Ministerium des Aeußern und des Kaiserlichen Hauses in Ver⸗ wendung stehenden außerordentlichen Gesandten und bevoll— mächtigten Minister Grafen Kuefstein die Würde eines Wirk— lichen Geheimen Raths und dem ebendaselbst zugetheilten außer— ordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister Freiherrn Zwiedinek von Südenhorst das Großkreuz des Franz Jofeph Ordens verliehen.

Im Budgetausschusse erklärte am Sonnabend der Minister-⸗Präsident Graf Taaffe, die Regierung wende der möglichst baldigen Wiederherstellung der Prager Karls-Brücke als eines wichtigen Kommunikationsmittels und historischen Monuments ihre vollste Aufmerksamkeit zu und habe hinsichtlich der durch die Ueberschwemmung in Böhmen verursachten Schäden eine Hülfsaktion in Aussicht genommen. Hinsichtlich der Klagen wegen Uebergriffe der Polizei und der politischen Behörden gegenüber den Arbeitern und wegen Verkennung der modernen sozialen Frage erklärte Graf Taaffe, es sei Pflicht der Polizei, Aufzügen und Versammlungen, welche die Ge— fährdung der Ruhe und Ordnung befürchten ließen, recht— zeitig mit gesetzlichen Mitteln entgegenzutreten und das Vereinsgesetz streng, aber gleichmäßig unparteiisch zu hand⸗ haben. Vorkommenden Uebergriffen werde im Rekurswege ab— geholfen werden. Es sei leichter, am grünen Tisch vom Takte der Polizei zu sprechen, als einer aufgeregten Volks— menge gegenüber zu stehen. s

Das Prager Bezirksgericht hat nach Vernehmung einiger Zeugen heute die Verhandlung über die Schlägerei in der Landes-Ausstellung vertagt. Der Gerichtshof stellte nach einer Meldung des „W. T. B.“ fest, daß bei der Schlägerei am 20. d. M. der Kläger Müller Berlin) thatsächlich körperliche Verletzungen erlitten habe. Der Angeklagte Cziczek bestritt die ihm zur Last gelegte An— wendung von Gewalt. Die Aussagen der Betheiligten sowie der Zeugen waren, je nachdem sie von Deutschen oder Czechen abgegeben wurden, durchaus widersprechend. Der vernommene Wachtmeister, der intervenirt hatte, stellte fest, daß die ganze Gesellschaft augenscheinlich trunken gewesen sei.

In der am Sonnabend abgehaltenen Sitzung des Kom⸗ munikationsausschusses des ungarischen Unter— hauses wies der Handels-Minister Baroß bei der Be— rathung der Gesetzvorlagen, betreffend die Auflösung des Lloydvertrages und den neuen Vertrag mit der ungarischen Dampfschiffahrt⸗Gesellschaft „Adria“, auf die Wichtigkeit des englischen Marktes ö. die ungarischen, Produkte hin und betonte, daß dieser Markt noch mehr als bisher kultivirt werden müsse. Die Schiffahrt Ungarns werde zum ersten Male im Schwarzen Meere auftreten und mit der staatlichen Donau⸗Schiffahrt zusammenwirken.

In der Sitzung des Unterhauses vom nämlichen Tage erklärte bei der Berathung der Vorlage über die Verwal tungsreform Graf Apponyi, der Führer der gemäßigten Opposition, er werde die Vorlage unterstützen. Hierbei if, ihn nicht ein persönliches Interesse, denn zwischen ihm und, der Regierung bestünden noch große prin⸗ zpielle Differenzen, vor deren Beilegung er keinerlei Fusion eingehen könne. Auf eine Interpellation des Abg. Ugron, welcher ausführte, die Regierung sei zur Ver— leihung größerer Machtbefugnisse an den Obergespan des Bekeser Komitats nicht berechtigt gewesen, antwortete der Minister⸗Präsident Graf Sz apary, er habe diese Maßnahmen rechtzeitig getroffen, weil später eventuell schärfere nothwendig gewesen wären. Von dieser Antwort wurde mit großer Mehr⸗ heit Kenntniß genommen.

Großbritannien und Irland.

Zur nachträglichen Feier des Geburtstages der Königin Victoria gab der Premier⸗Minister Marquis von Salisb urn gestern ein Diner, an welchem außer dem Prinzen von Wales die Botschafter sowie das übrige diplomatische Corps theilnahmen.

Der canadische Premier⸗Minister Macdonald wurde, wie neuere Nachrichten aus Ottawa melden, bei dem Schlag— anfall, den er erlittten hat, auf der rechten Seite vollständig

gelähmt. Frankreich.

Pgris, 1. Juni. In dem vorgestern abgehaltenen M inisterrathe kam der . C.“ zufolge die von der Re⸗ gierung und dem Zollausschusse befürwortete Zollfreiheit der Roh stoffe zur Sprache, wogegen die Schutzzöllner, ermuthigt durch ihre bisherigen Erfolge, auftreten wollen. Der Handels⸗ Minister wird in die Verhandlung eingreifen und auf die freie Einfuhr der Rohstoffe dringen. Hr. Jules Roche hbeabsichtigt namentlich, auf die Unzukömmlich— keiten hinzuweisen, die mit, der Belastung der Felle und Häute, die zuerst an die 5. kommen werden, sowie der Cocons verbunden wären. Nach der Sitzung empfing der

. Abordnungen verschiedener Departements, . Loire, Haute-Loire, Dröme, Isere, die nach Paris gekommen sind, um sich für die Zollfreiheit der Rohseibe zu . und Hr. Jules Roche versprach, sein Möglichstes zu thun.

Bei der gestrigen Deputirtenwahl in Beaune wurde,

wie W. T. B.“ meldet, Ricard (Republikaner) gewählt.

In der vorgestrigen Sitzung der Deputirtenkammer brachte Clmencegu einen Antrag zur Unterdrückung von Betrügereien im Oelhandel ein. Die Dringlichkeit wurde er⸗ klärt. Der Deputirte Castelin brachte eine Vorlage ein, welche die LJufhebung der Strafe des „in Eisen legen“

bei den Matrosen sordert; der Antragsteller forderte die Dringlichkeit für seinen Antrag. Der Marine⸗-Minister Barbey bekämpfte die Dringlichkeit, indem er ausführte, daß diese Strafe weniger hart als eine Gefängnißstrafe sei; kein

satrose würde das Gefängniß dieser Strafe vorziehen. Die Dringlichkeit für den Antrag wurde hierauf mit 351 gegen 102 Stimmen abgelehnt. Die Kammer nahm nach Erledigung dieses Zwischenfalls die Berathung über die Zolltariffrage wieder auf. Der Ausschuß und die Regierung verlangten freien Eingang für frische und trockene, große und kleine Noh⸗ häute. Der Deputirte Milochau verlangte einen Zoll von 12,590 Fr. auf frische und von 30 Fr. auf krockene Häute. La⸗ vertujon als Berichterstatter trat für die Befreiung ein; überall seien Häute zollfrei; man dürfe ein Gewerbe nicht zerstören, durch welches allein in der Gegend von Grenoble ein Lohn⸗— betrag von 13 Millionen ausgezahlt werde. Der Handels⸗ Minister bekämpfte den Antrag Milochau's, der barauf mit 446 gegen 66 Stimmen verworfen wurde. Die Befreiung der Rohhäute und Rauchwaaren wurde darauf angenommen und die weitere Verhandlung auf Montag vertagt.

n Folge der auf Haiti-ausgebrochenen Unruhen ist zum Schutze der französischen Unterthanen ein französisches Kriegsschiff nach Port au Prince entsandt worden.

Heute soll, wie der „Köln. Ztg.“ geschrieben wird, von dem oberen Rath der Marine unter dem Vorsitz des Ministers das Programm der großen Flotten-Mandver festgestellt werden, welche im Juni unter Leitung des Vice-Admirals Duperré im Mittelmeer stattfinden soll'n. Das Geschwader soll statt zweier, vier Divisionen umfassen und die Reserve— Division wird diesmal stärker sein als eine aktive Division; auch soll bei dem zweiten Theil dieser Division eine Mobilmachung nach allen Richtungen durchge— führt werden. Folgende Schiffe werden das Geschwader bilden: Panzerschiffe „Formidable“, „Trident“, „Vauban“, „Amiral Baudin“, „Devastation““ „Courbet“, „Hoche“, „Bayard“, „Duguesclin; Kreuzer „Tage“, „Cécille“, „Troude“, „Lalande“. „Dupetit-Thouars“; Torpedokreuzer WVautour“; Torpedo⸗Avisos „Dague“, „Dragonne“; Hochsee⸗ Torpedos „Ouragan“ und „Äludacieux“; endlich die Reserve— division, deren Bestandttheile in der oben erwähnten Berathung festgestellt werden sollen.

Der Vertreter der chilenischen Kongressisten— Partei verlangte von der Schiffsbaugesellschaft die Lieferung der auf Bestellung des Präsidenten Balmaceda erbauten Schiffe und beanspruchte bis zur richter— lichen Entscheidung die Ernennung einez Sequesters. Der Richter ernannte einen Sequester und eimächtigte gleichzeitig die Schiffsbaugesellschaft, einen Vorschuß von 2 Millionen auf die für die Erbauung der Schiffe gefchuldeten 6ißg Millionen zu fordern. Durch gerichtliche Entscheidung ist weiter bestimmt worden, daß die beiden in Frankreich für Rechnung der chilenischen Regierung gebauten Schiffe „Presidente Errazuriz“ und „Presidente Pinto“ nicht ab gehen dürfen.

Aus Paris, 30. Mai, meldet ‚W. T. B.“: „Das poli— zeiliche Verbot der Ausstellung eines Bildes im „Salon des Independants“, welches den Kaiser Wilhelm J. zu Pferde darstellt, den Steigbügel von zwei Elsaß-Lothringen perfonifi⸗ zirenden Frauengestalten umklammert, wird von verschiedenen Blättern guf eine Vorstellung der deutschen Botschaft zurück— geführt. Von gut unterrichteter Seite wird diese Darstellung der Blätter als durchaus unzutreffend bezeichnet.“

Rußland und Polen.

.Der Kaiser und die Kaiserin hielten am Sonnabend im Kreml zu Mos kau großen Empfang ab, bei welcher Ge— legenheit das Stadthaupk von Moskau dem Kaiser den Dank der Bürgerschaft für die Gnade aussprach, welche Seine Majestät durch Ernennung seines Bruders, des Großfürsten Sergius Alexandrowitsch, zum General-Gouverneur von Moskau der Stadt erwiesen habe. Später befuchten die Majestäten, von der zahlreichen Volkz menge überall mit lautem Jubel begrüßt, die Himmelfahrts⸗-Kathedrale und das Tchudow⸗ Kloster und sodann mit der Großfürstin Tenia sowie dem Großfürsten Sergius und Gemahlin die französische Aus— stell ung. In der letzteren wurde das Kaiserliche Paar von dem gesammten Personal der französischen Botschaft in St. Peters⸗ burg, den hohen russischen Würdenträgern und den Spitzen der städtischen Behörden empfangen. Auf eine Begrüßungs⸗ ausprache des Stadthaupts erwiderte der Kaiser dem W. T. B.“ Zufolge: Er danke von ganzem Herzen für den ihm zu Theil gewordenen Empfang. Er freue sich, durch seinen Bruder in Moskan vertreten zu sein und sei über— zeugt, daß sein Bruber Moskau lieb gewinnen und von Letzterem geliebt werden würde. Er (der Kalser) habe Moskau schon in der Kindheit lieb gewonnen. Die Kaiserlichen Herr— schaften verweilten A Stunde in der Ausstellung. Nachher fand im großen Palais ein Diner von neunzig Gedecken statt, zu dem die Spitzen der Behörden und Mitglieder der Moz— kauer Gesellschaft Einladungen erhalten hatten. Gestern wohnten der Kaiser und die Kaiserin einer Parade der Moskauer Truppen bei und statteten darauf der mittel— asiatischen Ausstellung einen Besuch ab.

Italien.

In der Sitzung der Deputirtenkammer vom Sonn— abend antwortete der Finanz-Minister auf eine Anfrage der Deputirten Daneo; die Getreidepreise sowie die unsicheren inländischen und ausländischen Nachrichten rechtfertigten zur Zeit keine Maßnahmen bezüglich der Getreidezölle. Jede Aenderung könnte schädliche Folgen haben. Jedenfalls werde er (der Minister) alle möglichen Daten sammeln um die Frage zu studiren, und das Ergebniß der Ernte abwarten. Er werde nöthigenfalls Verfügungen treffen, um die Jateressen der Ackerbautreibenden, der Konsumenten und der Finanzen zu versöhnen.

In dem heutigen Konsistorium wird der Papst, einem Telegramm des „W. T. B.“ zufolge, nach der Ernennung des Wiener Erzbischofs Gruscha zum Kardinal, zwanzig neue Bischöfe präkonisixen, nämlich sechs italienische, vier spanijche, zwei für Süd-Amerika, einen für Afrika (Angola und Congo) und siehen Bischöfe in partibus. Die Präkoni— sirung des Erzbischofs von Mohil'ew ist in Folge neuestens entstandener Schwierigkeiten bis zum Herbst verschoben worden. 3. Genug ist am Sonntag der Erzbischof von Turin, Al imon da, gestorben.

Portugal.

In Lissabon sind am Sonnabend die Cortes eröffnet worden. Das Ministerium entwickelte in der Eröffnungs—

sitzung da bereits bekannte Programm, welches günftig auf—