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zu diesem Zweck in dem Nominalbetrage, wie er zur Beschaffung ener Summe erforderlich sein wird, eine verzinsliche, nach den estimmungen des Gesetzes vom 19. Juni 1868 (Bundes⸗ Gesetzbl. S 339) zu verwaltende Anleihe aufzunehmen und Schatzanweisungen auszugeben. J Die Bestimmungen in den Ss, 2 bis 5 des Gesetzes vom 27. Januar 1875, betreffend die Aufnahme einer Anleihe für Zwecke der Marine- und Telegraphenverwaltung (Reichs⸗ esetzbl. S. 18, finden auf die nach dem gegenwärtigen Gesetze aufzunehmende Anleihe und auszugebenden Schatzanweisungen mit der Maßgabe Anwendung, daß Zinsscheine auch für einen längeren Zeitraum als vier Jahre ausgegeben werden dürfen. Urkundlich unter Unserer k Unterschrift und beigedruckiem Kaiserlichen Insiegel. . Gegeben Kiel an Bord Meiner Yacht „Meteor“, den 1. Juni 1891. ; Wilhelm.
(. 8.) ö. von Caprivi.
Königreich Preußen.
Privileg i um wegen Ausgabe von 500 090 vierprozentiger Anleihe scheine der Farge⸗Vegesacker Eisenbahn⸗Gesellschaft, Ausgabe von 1891.
Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen ꝛe.
Nachdem von der Farge⸗Vegesacker Eisenbahn⸗ Gesell - schaft zu Blumenthal darauf angetragen ist, ihr zur Tilgung einer schwebenden Schuld die Aufnahme einer vierprozentigen Anleihe im Betrage von 500 000 durch Ausgabe auf den Inhaber lautender Änleihescheine zu gestatten, wollen Wir in Gemäßheit des 8. 2 des Gefetzeß vom 17. Juni 1833 (Gesetz ⸗Sammsung Seite 75) durch gegenwärtiges Privilegium Unsere landesherrliche Genehmigung zur cf jener Anleihescheine unter den folgenden Bedingungen ertheilen.
5. 1.
Die bis zur Höhe von 00 6090 M auszugebenden Anleihescheine, auf deren Rückseite dieses Privilegium abzudrucken ist, werden nach dem anliegenden Muster A unter der Bezeichnung:
‚Vierprozentige Anleihescheine der Farge ⸗Vegesacker Eisenbahn⸗ Gefellschaft, Ausgabe vom Jahre 1891 in Stücken zu 10600 M unter fortlaufenden Nummern von 1 bis 500 ausgefertigt. ,.
Diefelben werden mit der eigenbändigen oder faksimilirten Unter ·
, zweier Mitglieder des Vorstandes der Farge ⸗Vegesacker Eisen⸗ ahn⸗Gesellschaft versehen und von einem Beamten der letzteren eigen händig unterzeichnet. .
Bie für diese Anleibescheine nach dem ferner anliegenden Muffer B auszufertigenden Zinsscheine sowie die Anweisungen zur Abhebung neuer Zinsscheine nach Muster O werden in gleicher Weise ausgefertigt. Dir erste Reihe der Zinsscheine für vier Jahre nebst Zinsschein⸗Anweisung wird den Anleihescheinen beigegeben. ̃
Beim AÄblaufe des ersten und jedes folgenden vierjährigen Zeit⸗ raums werden nach vorgängiger öffentlicher Bekanntmachung für anderweite vier Jahre neue Zinsscheine und Zinsschein ⸗Anweisungen ausgereicht. Die Ausreichung erfolgt an den Vorzeiger der Zinsschein⸗ Anweifung, durch deren Rückgabe zugleich der Empfang der neuen i n. befcheinigt wird, fofern nicht vorher dagegen von dem
nhaber des Anleihefcheines unter Vorlage desselben bei dem Vor⸗
siande der Gesellschaft schriftlich Widerspruch erhoben worden ist. Im Falle eines solchen Widerspruchs erfolgt die Ausreichung der neuen Zinsscheine an den Inhaber des Anleihescheines.
Werden Zinsschein Anweisungen nicht innerhalb Jahresfrist vom Tage ihrer Fälligkeit ab zur Erhebung der neuen Zinsscheine benutzt, so erfolgt die Ausgabe der nenen Zinsscheine und der Zinsschein⸗ Anweisung an die Inhaber der Auleihescheine.
Guß
F. 7.
Der Nennwerth der Anleihescheine wird mit jährlich vier vom Hundert verzinst.
Die Zinfen werden halbjährlich vom 1. April und vom 1. Ok. tober jedes Jahres ab ausbezablt. Zinsen, deren Erhebung innerbalb vier Jahren von den in den betreffenden Zinescheinen bestimmten Zahlungstagen an nicht geschehen 1 verfallen der Gesellschaftskasse.
§. 3.
Die Inhaber der Aaleibescheine sind auf Höbe der darin ver⸗ schriebenen Kapitalbeträge und der dafür nach § 2 zu zablenden Zinsen Gläubiger der Farge⸗Vegesacker Eisenbahn · Gesellschaft
Vor weiteren Anleihen, welche die Gesellschaft etwa später auf— nehmen sollte, bleibt den Inhabern der auf Grund dieses Privilegs ausgegebenen Anleihescheinc das Vorzugsrecht für Kapital und Zinsen ausdrücklich vo behalten.
1
Die Anleihescheine unterliegen vom Jahre 1895 ab der Tilgung.
Zur Tilgung derselben wird jährlich verwendet der Ueberschuß, welcher vom Ertrage des Unternehmens der Farge⸗ Vegesacker Eisenbahn⸗Gesellsfchaft nach Deckung der laufenden Verwaltungs; Unterhaltungs« und Betriebskosten, der Beiträge zu den Reserve ⸗ und Erneuerungs. Fonds und der Zinsen der für das Unternehmen der Farge⸗Vegefacker Eifenbahn⸗Gefellschaft ausgegebenen Anleihescheine Übrig bleibt, bis zur Döhe von eigem halben Prozent des Nenn⸗ werthes der Anleihescheine unter Hinzurechnung des durch frühere Tilgungen ersparten Zinsenbetrages.
Dle Tilgung wird durch Ausloosung bewirkt.
Der Gefellschaft bleibt das Recht vorbehalten, vom Jahre 1897 ab eine größere als die im Eingange dieses Paragraphen bezeichnete Tilgung vorzunehmen und dieselbe dadurch zu beschleunigen, wie auch nach dem Jahre 1897 zu jeder Zeit sämmtliche Anleiheschein: durch öffentliche Blätter mit sechsmonallicher Frist zu kündigen. In beiden Fällen bedarf es der Genehmigung der Staatsregierung.
Die Einlzfung sowohl der ausgeloosten, als auch der gekündigten
Anleihescheine erfolgt zum Nennwerthe. Die Ausloosung findet zuerst im Jahre 1895 und sodann all—⸗ jührlich statt und die Einlösung der hiernach zur Rückzahlung gelangenden Anleihescheine erfolgt vom 1. April des nächstfolgenden Jahres ab, zuerst also im Jahre 1396. Ueber die Ausführung der Tilgung wird der Staatsregierung e wennn, Nachweis geführt.
Die Ausloosung der zu tilgenden Anleihescheine erfolgt jeweils in den Monaten Juli bis September am Sitze des Vorstandes der Gesellschaft in Gegenwart desselben entweder vor dem zuständigen Amtsgerichte oder unter Zuziehung eines Notartzz. Die Zeit der be⸗ züglichen Verhandlung, zu welcher den Inhabern der Anleihescheine der Zutritt freisteht, ist vierzehn Tage vorher durch einmalige Be⸗ kannimachung in den im §. 11 erwähnten Blättern zur öffentlichen Kenntniß zu bringen.
. 5. 6.
Die Nummern der ausgeloosten Anleihescheine werden binnen 14 Tagen nach der Ausloosung öffentlich bekannt gemacht.
Die Einlösung derselben erfolgt von dem im §. 4 bezeichneten Tage ab bei der Gesellschaftskasse in Blumenthal an die Vorzeiger der betreff enden Anleihescheine gegen Auslieferung derselben und der dazu gehörigen, noch nicht fälligen Zinsscheine. Werden die noch nicht fälligen Zinsscheine nicht mit abgeliefert, so wird der Betrag der fehlenden von dem Kapitalbetrage gekürzt und zur Einlösung der Zinescheine verwendet, sobald dieselben zur Zahlung vorgezeigt werden.
Im Uebrigen erlischt die Verbindlichkeit der Gesellschaft zur Verzinsung jedes Anleihescheines mit dem 31. März des auf die Aus— loosung und die betreffende Bekanntmachung folgenden Jahres.
Die in Folge der Ausloosung eingelösten Anleihescheine werden
unter Beachtung der oben wegen der Ausloolung vorgeschriebenen die Gesellschaft die in Folge einer all⸗
Form verbrannt, wogegen
gemeinen Kündigung ihrerseits oder in Folge
der Rückforderung
Seitens der Gläubiger (§. 9) eingelösten Anleihescheine wieder aus—
geben darf.
8 Die Nummern der zur Rückzahlung fälligen, zur Einlösung rechtzeitig vorgelegten Anleihescheine werden während der nächsten zehn
Jahre na
der Gesellfchaft Behuis Empfangnahme der gerufen. Gehen sie dessen ungeachtet nich
ch dem Fälligkeitstermin jährlich einm
Zahlung öffentlich
nicht
al von dem Vorstande
auf⸗
t spätestens binnen Jahregfrist
nach dem letzten öffentlichen Aufruf zur Einlösfung ein, so erlischt jeder Anspruch aus denselben an das Gesellschafts vermögen, was unter
Angabe der
dem Gesellschaftsvorstande einmal öffentlich bekannt gemacht wir Obgleich hiernach aus dergleichen Anleihescheinen keinerlei pflichtungen für die Gesellschaft in späterer Zeit abgeleitet werden
können,
zu beschließen.
§. 8. Die Kraftloserklärung angeblich verlorener oder
so steht doch der Ge die gänzliche oder theilweise Ein
Anlelhefcheine erfolgt im Wege des Aufgebots nach den für das
gebot von Privaturkunden die demgemäß für kraftlos sonst unbrauchbar geworden
zu vernichtende Anleihescheine wer neue Anleihescheine ausgefertigt. Zinsscheine und aufgeboten, noch für kraftlos erklärt werden.
oder vernichtete
jenigen, welcher den Verlu
jahrungsfrist (56. 2) bei dem Vo
geltenden gesetzlichen Bestimmungen. erklärten, sowie auch für zerrissene e, an die Gesellschaft zurückgelieferte Zins schein Anweisungen
st von Zinsscheinen vor Ablauf der
babten Besitz glaubhaft darthut, nach Ablauf der Verjãhrungsfri Betrag der angemeldeten und bis dahin nicht zum Vorschein g
menen Zinescheine gegen Empfang
Die Inhaber der Anleiheschelne sind nicht be der darin verschriebenen Beträge an
§. 4 enthaltenen Bestimmungen zu fordern, es sei denn, a. daß fällige Zinsscheine, ungeachtet solche zur Einlösung gezeigt werden, länger als drei Monate unberichtigt bleiben,
p. daß der Betrieb der Bahn aus Ver
länger als sechs Monate ganz aufhört, . e. daß die im 5. 4 festgesetzte Tilgung der Anleihescheine
innegehalten wird.
In den Fällen zu a und b kann das Kapital an demselben
an welchem elner dieser Fälle eintritt, Falle zu e ist dagegen eine dreimona
obachten.
Nummern der werthlos gewordenen Anleihescheine von
d. Ver⸗
neralversammlung der Gesellschaft frei, löͤfung derselben aus Billigkeitsrücksichten
vernichteter
Auf⸗ Für oder
und
den auf Kosten des Empfãngers Dagegen köanen angeblich verlorene
weder
Es soll jedoch Dem⸗
Ver⸗
rsfande anmeldet und den stattge⸗
st der ekom⸗
hescheinigumnt ausgezahlt werden.
fugt, die Rückzahlung ders als nach Maßgabe der im
vor⸗
schulden der Gesellschaft
nicht Tage,
urückgefordert werden, in dem tliche Kündigungsfrist zu be⸗
Das Recht der Zurückforderung dauert in dem Falle zu s bis
zur Einlösung der betreffenden Zinsscheine,.
zur Wiederherstellung des
Kündigung in dem Falle zu e drei Mongte von dem Tage a
in dem Falle zu b bis
unterbrochenen Betriebes, das Recht der
welchem die Zablung der Tilgungfsumme hätte erfolgen sollen.
Kündigung verliert indessen ihre rechtliche Wirkung,
sellfchaft die nicht inne gebaltene Tilgung nachbolt und zu dem binnen längstens dreier Monate nach erfolgter Kündigung die lösung der ausgeloosten Anleihescheine nachträglich bewirkt.
§. 10. Bis zur Tilgung der Anleibescheine darf die Gefellschaft keine Babnhöfen erforderlichen Grandstücke ver—
zur Eisenbahn und zu den kaufen.
Dies bezieht sich jedoch nich und der Bahnhöfe befindlichen Grundstücke, au welche innerhalb der Babnhöfe etwa an das Reich oder den
oder an Gemeinden zur Errichtung von Post⸗,. Telegraphen⸗, P
oder steuerlichen
Einrichtungen, oder welche zu Packhöfen
Waarenniederlagen abgetreten werden möchten.
Für den Fall, daß Unsere Gerichte einen Nachweis odarů
b, an
Die
wenn die Ge—
Ende Ein⸗
t auf die außerhalb der Bahn auch nicht auf solche, Staat
olizei⸗ oder
ber er⸗
fordern sollten, ob ein Grundstück zur Eisenbahn oder zu den Bahn⸗
böfen
erforderlich sei oder nicht, Eisenbahnkommissariates oder des m Aufsichtsrechtes über das Unternehmen der Farge—
bahn⸗Gesellschaft beauftragten besonderen Kommissars.
Die vorftehende Bestimmung soll sich jedoch auf die
leihescheine nicht beziehen, innerhalb sechs Monaten werden.
Alle in diesem Privilegium rorgeschriebenen ö
machungen müssen in dem
Staats-Anzeiger, in dem Amtsblatt des Kreis—
die, zur Rückzahlung fällig erklärt, nach Verfall
§. 11.
genügt eine Bescheinigung des it der Ausübung des staatlichen Vegesacker Eisen⸗
jenigen An⸗
nicht
zur Einlöfung vorgelegt
ffentlichen Bekannt ⸗
Deutschen Reichs und Preußischen
in einer in Bremen erscheinenden Zeitung abgedruckt werden.
Zu Urkund dessen haben Wir
das gegenwärtige Privil
es Blumenthal und
egium
Allerhöchsteigenbãndig volljogen und unter Unserem Königlichen In— siegel ausfertigen lassen, obne jedoch dadurch den Inbabern de
seibescheine ihre Befriedigung von Seiten des Staats zu
leisten oder Rechten Dritte
r vorzugreifen.
r An⸗
gewãhr⸗·
Das gegenwärtige Privilegium ist durch das Amtsblatt der Regierung in Stade bekannt zu machen und eine Anzeige daron, daß dieses gescheben, in die Gesetz Sammlung aufzunehmen.
Gegeben Prökelwitz, den 25. Mai 1891.
T. 8)
Muster A. 1000 Mark.
Wilhelm R
von Maybach. Miauel.
Vierprozentiger Anleiheschein
er Farge⸗Vegesacker Eisenbabn ⸗Gesellschaft, Ausgabe vom Jahre 1891,
über . Ein Tausend Mark Inbaber dieses Anleihescheines bat auf Höbe ron 1000 Mark Antheil an der in Gemäßheit des umstehend abgedruckten Allerhöchsten Privilegiums aufgenommenen Anleihe von 500 000 4 der Farge⸗ Vegesacker Eisenbahn⸗Gesellschaft. Blumenthal, den .. ten (Trockener Stempel.) Der Vorstand der Farge ⸗Vegesacker Eisenbabn⸗Gesellschaft. Zwei Unterschriften eigenhändig oder faksimilirt.)
Ausgefertigt: (Unterschrift eigenhändig.)
Diesem Anleihescheine sind 8 Zinsscheine 1. Reihe für die 4 Jahre vom 1. . . . .. . 189 .. bis 1. Oktober 189 .. mit Zins⸗
schein ⸗Anweisung beigefügt.
Mu st er . M .. *
Zinsschein 1. Reihe .
*
zu dem
vierprozentigen Anleihescheine der Farge⸗Vegesacker Eisenbahn⸗Gesellschaft, Ausgabe von 1891
K
Verjährt am ..
,,
Inhaber dieses hat vom 1. April (1. Oktober 18 ... halbjährlichen Zinsen für die 3 ĩ auf den obengenannten Anleibeschein über 1000 S bei unserer Gesellschaftskasse zu erheben mit .. . . M...
Blumenthal, den.
Trockener Stempel.) Der Vorstand der Farge⸗Vegesacker Eisenbahn ⸗Gesellschaft. (Zwei Unterschriften eigenhändig oder faksimilirt)
eit vom bis
ten
Aus gefertigt: (Unterschrift eigenhändig.)
ab die
Muster G6. . ; Anweisung zur ö neuer Zinsscheine ür
en vierprozentigen Anleiheschein der Farge · Vegesacker Eisenbahn⸗Gesellschaft, Ausgabe von 1891, we, über 1000 40
Inhaber empfängt gegen Rückgabe dieser Anweisung bei unserer Gesellschaftskafse die folgende Reihe von 8 Stück Zinsscheinen zum vorbezeichneten Anleihescheine der ,, Eisenbahn ˖ Gesell⸗ schaft, sofern nicht von dem Inhaber des Anleihescheines gegen diese Ausreichung Widerspruch erhoben ist. Im Falle eines solchen Wider spruchs oder wenn die Anweisung überhaupt nicht beigebracht werden kann, erfolgt die Ausreichurg der Zinsscheine an den Inhaber des Anleibescheines.
Blumenthal, den.
(Trockener Stempel.) Der Vorstand der Farge. Vegesacker Eisenbabn-⸗Gesellschaft. (Zwei Unterschriften eigenhändig oder faksimilirt.) Aus gefertigt: (Unterschrift eigenhändig.)
Haus der Abgeordneten. 100. Sitzung vom Mittwoch, 10. Juni.
In dritter Berathung wird der Entwurf eines Ergänzungsgesetzes, betreffend die Voraus⸗ leistungen zu Wegebauten, ohne Debatte angenommen.
Es folgt die Berathung von Petitionen.
Die Petition der Wittwe des Kanzleidiätars Bryg ann in Marienwerder wegen Erhöhung ihres Wittwengeldes wird durch Uebergang zur Tagesordnung erledigt.
Die Petitionen verschiedener Strafanstaltslehrer wegen Verbesserung ihrer Gehalts- und Rangverhältnisse werden der Regierung zur Berücksichtigung überwiesen.
Ueber die erer verschiedener emeritirter Lehrer wegen Erhöhung ihrer Pensionen wird zur Tagesordnung übergegangen.
Eine Anzahl von Landwirthen aus den östlichen Provinzen bitten im Interesse der Landwirthschaft um Auf⸗ hebung der auf Abschließung der Grenze gerichteten Maß⸗ nahmen, und um Zulasfung ausländischer Arbeiter zur ö in landwirthschaftlichen Be⸗ trieben.
Die Gemeindekommission beantragt, mit Rücksicht auf die Verfügung des Ministers des Innern vom 26. November 1896, wonach die Ober⸗-Präsidenten der betheiligten Provinzen zunächst für die Dauer von drei Jahren ermächtigt worden find, unter Beruͤcksichtigung besonderer lokaler Verhältnisse und Bedürfnisse den Zuzug und Aufenthalt russischer und galizischer Arbeiter zum Iwecke der Beschäftigung in den kandwirthschaftlichen und industriellen Betrieben ihrer Ver⸗ waltungsbezirke zu gestatten und die erforderlichen Anord⸗ nungen zu treffen, über die Petitionen zur Tagseordnung überzugehen.
Abg. von Czarlinski empfieblt, diese Petitionen der Staatsregierung zur Erwägung zu überweisen und weist auf die starke uzwanderung aus den östlichen Provinzen nach Amerika, nach den Großstädten und nach den Kohlenbezirken des Westens hin. Nicht allein der Großgrundbesitz, sondern auch der kleine und bãuerliche Grundbesitz habe darunter zu leiden und gehe seinem Ruin entgegen, wenn nicht cin ausreichender Ersatz durch den Zuzug russischer und polnischer Arbeiter geschaffen werde. Die vom Minister getroffene Ver⸗ fügung reiche nicht aus. Er bitte deshalb die Regierung, die ge⸗ troffenen Bestimmungen zu erweitern und namentlich die Ausweisungen einzuschränken.
Abg. Wessel: Der Vorredner habe nicht genügend beachtet, daß zwischen dem Eingang der Petitionen und den Beschlüssen der Gemeindekommission die Verfügung des Ministers vom Rovember vorigen Jahres liege, nach der die Grenze, wenn auch in beschränkter Weise, für polnische Arbeiter wieder geöffnet sei. Außer⸗ dem fei nach dem, was er aus Posen, Westpreußen und Schlesien erfahren babe, der Andrang der polnischen Arbeiter gar nicht so groß, wie man glaube. Die Beschränkungen, welche die Regierung in ibrem Erlaß in Bezug auf die Zulassung polnischer Arbeiter vor⸗ gefehen babe, seien notbwendig, denn sonst würde jede Koöntrole über die Leute, die ins Land kamen, aufhören, und auch der Abg. von Cjarlinski werde zugeben, daß Elemente darunter seien, die einer eingehenden Beaufsichtigung unbedingt und dringend bedürften. Auf
jeden Fall werde man erst die dreijährige Probezeit der Verfügung
abwarten müssen, ebe man sie ausdebne.
Abg. Rickert: Er wisse nickt, auf Grund welcher Thatsachen der Abg. Weffel behaupte, daß der Zuzug polnischer und russischer Arbeiter nicht ein so großer sei, wie man bisber angenommen habe. Die Regierung könnte dem Hause darüber weitere Mittheilungen machen. Er lese in einer westpreußischen Zeitung, daß im Stuhmer Kreise 73 Besitzer von der Befugniß Gebrauch gemacht hätten, und daß 1488 männliche und 35 weibliche Arbeiter beim Landrathsamte anzemeldet feien. Er müsse anerkennen, daß die Regierung den land⸗ wirthschaftlichen Kreisen entgegengekommen sei. Der Abg, von Czar⸗ sinski verlange aber auch nichts weiter als Erwägung Seitens der Regierung, und diesem bescheidenen Wunsche könne das Haus sich doch anschließen. Von einem Mitgliede des Reiche tages sei ihm mitgetheilt worden, daß einige oberschlesische Landrätbe volle Pässe von den polnischen Arbeitern verlangten. Er halte dies füt unbillig, denn ein russischer Vollpaß koste 25 Rubel, aber auch für unnötig, ein Grenzpaß würde ausreichen. Er frage deshalb die Regierung, ob sie das Berlangen dieser Landräthe kenne, es billige oder eventuell Remedur eintreten lassen wolle! ;
Geheimer Regierungè-Rath von Horn kann hierüber keine Aus⸗ kunft geben, da die Regierung von dem Verfahren der betreffenden Landräthe bisher keine Kenntniß erhalten habe. 3.
Abg. Graf von Kanitz: Die Landwirthschaft der östlichen Provinzen könne in der That ohne polnische Arbeiter nicht mehr be⸗ stehen, denn der Abzug der deutschen Arbeiterbevöl kerung nach dem Westen könne nur ergänzt werden durch den Zuzug von polnischen Arbeitern. Die Polonisirung der östlichen Provinzen werde dahurch allerdings immer weiter befördert. Bei der letzten Reichstagswahl seien, wenn er richtig berichtet sei, 35 900 polnmsche Stimmen mehr ab⸗ gegeben worden als bei der vorigen Wahl. Bevor die Regierung nicht etwas Gründliches und Durchgreifendes thue, um den wirth⸗ schaftlichen Nothstand in den Istlichen Provinzen zu bessern gegenüber den westlichen Provinzen, werde auch ber Ahjzug der deutschen Bevölkerung nach dem Westen nicht aufhören, unp ebenso der Zuzug der polnischen Arbeiter eine Nothwendigkeit sein. Er könnse hier erlnnern an die Herabsetzung, ber Gisenbahn— tarife für die landwirthschaftlichen Produtie. Er tous en nicht und habe es neulich nicht gethan, mit Rüchsicht auf den bevorstehenden Wechsel im Gisenbahn-NMinisterium, her sihtt auch nicht den Identitätsnachweis aus ga hell genden Grlnhben. Er beschränke sich darguf, auf die Grünbe hinzuweisen, welche bem Abzug der deutschen Elemente aus dem Osten in bie Hänbe arbeiteten, Er möchte nur den Abg. Rickert mit Bezug auf bie miyrgen hep yhr⸗ stehende Debatte darauf hinweisen, daß es eigenthümlich sesi, wenn man sehe, daß die Arbeiter massenhast aus den, Laube be iliigen . hinüberströmten in das Land des „theuren? Pwtes ei all rechts
Abg. von Czarlinski; Graf Kanitz sei den Beweis schuldig geblieben, daß die zugezogenen Leute für einen polnischen Kandidaten gestim mt hätken. Die polnisch nationale Frage komme bier gar nicht in Betracht. Auch deutsche Besitzer des Ostengs erkennten den Noth⸗ stand an. Er möchte die Regierung bitten, den Besitzern bei dem Engagement polnifcher Arbeiter nicht derartige Schwierigkriten zu machen, wie es in Bezug auf den Nachweis des Bedürfnisses der Fall sei. Die Besitzer würden sich schon keine unnöthigen Arbeiter kommen
assen.
Abg. Wessel: Die Behauptungen des Abg. Rickert bewiesen für den Zuzug polnischer Arbeiter gar nichts. Nach einer Ver fügung des Regierung ⸗Präsidenten werde von den Landwirthen die Zahl der polnischen Arbeiter, welche sie gebrauchten und beranzu⸗ ziehen wünfchten, bei den Landrathsämtern angemeldet, und diese Zahl werde statistisch verzeichnet. Aber diese gewünschte Anzahl von Arbeitern sei nicht immer ju haben. Die Statistik ergebe also nicht die ahl von Arbeitern, welche thatsächlich zuzögen. Der Zudrang russischer Arbeiter sei nicht so groß, wie man annehme. Wenn die deutschen Arbeiter fortzögen und polnische an deren Stelle träten, so müsse dagegen eine Kolonisirung eintreten. Die Re⸗ gierung habe die Sache, wie der Erlaß vom November beweise, ge⸗ 4 erwogen, wozu solle also eine nochmalige Erwägung ein—⸗ reten
Abg. Rickert: Wenn die Auslegung der Statistik Seitens des Abg. Wessel richtig sei, so folge daraus, daß das Bedürfniß an pol nischen Arbeitern nicht gedeckt werden könne, weil die Beschrãnkungen, welche die Landrathdämter dem Zuzug polnischer Arbeiter in den Weg stellen, zu groß seien. Er bitte die Regierung dringend, die Sache im landwirthschaftlichen Interesse nochmals zu erwägen. Weshalb wolle man es ablehnen, der Regierung etwas zur Erwägung anheimzu⸗ stellen? Graf Kanitz habe Fragen hineingezogen, die nicht hierher gehörten. Er (Redner) wolle auf die zunehmende Polonisirung nicht näher eingehen; aber die Polengesetze trügen nicht zur Germani⸗ sirung der östlichen Provinzen bei, sondern verschärflen die Gegensätze zwischen Polen und Deutschen und hätten die Polen reger und lebendiger gemacht, wie die Wahlen bewiesen. Die polnischen Mitbürger gingen Mann für Mann zur Wahlurne, die Deutschen betrieben die Sache fäffig; die Polen seien einig, die Deutschen arbeiteten im Intereffe ihrer verschiedenen Parteien. Daraus könne, Graf Kanitz sich überzeugen, daß die Polengesetze ein schwerer politischer Fehler gewesen seien. Gern habe er die Worte ge hört, die westlichen Provinzen würden bevorzugt und die armen östlichen Provinzen litten immer mehr darunter. Das habe seine Partei ja immer gesagt. Die Schutzzölle entvölkerten die armen Gegenden und trieben die Leute dahin, wo ohnehin schon das Brot theurer sei. Deshalb sel es wunderbar, daß die Vertreter der östlichen Provinzen im Heerbann der westlichen Schutzzöllner seien. Sie würden aber allmählich zu der Erkenntniß kommen, daß die Schutzzollpolitik nur dazu beitrage, die Armen ärmer und die Reichen reicher zu machen,
Abg. Wessel; Wenn der Abg. Rickert den Mangel an Arbeits- kräften aus den Erschwernissen an der Grenze herleite, so träfen diefe Erschwernisse doch für die Zahl der von den einzelnen Be— sitzern bei den Landrathsämtern angemeldeten und von diesen zuge⸗ lassenen Arbeiter nicht zu. Der Abg. Rickert habe zugestanden, was seine (ses Redners) Freunde immer behauptet hätten, daß der Arbeiter immer nach hobem Lohne gehe und ihm vollständig gleichgültig sei, daß das Brot im Westen theurer sei.
Abg. Graf von Kanitz: Die Polen hätten sich nach wie vor dem AÄAnfiedlungsgesetz bestrebt, ihre Nationalität in den östlichen Pro- vinzen immer weiter auszudehnen auf Kosten des Deutschthums, und das wünsche seine Partei eben nicht. Würden die polnischen Arbeiter zugelassen, so müßten sie schließlich dauernd angesiedelt werden, denn wenn immer mehr deutsche Arbeiter nach dem Westen zögen, behielte man in den öftlichen Provinzen schließlich im Winter nicht soviel Leute übrig, um das Vieh zu füttern, und dann müßten die Polen ansäfsig gemacht werden. Man müsse eben die Sache am anderen Ende anfaffen und den Abzug der Bevölkerung nach dem Westen durch Verbefferung der wirthschaftlichen Lage verhindern. Der Abg. Rickert habe die Schutzzollpolitik hineingezogen; diese habe aber . gar nichts zu thun. Er (Redner) habe nur das Tarifspstem erührt.
Äbg. Frhr. von Huene: Als Unparteiischer zwischen den Abgg. Rickert und Graf von Kanitz müsse er sagen: Der Abg. Graf von Kanitz habe damit angefangen, andere Dinge in die Debatte zu ziehen. Wenn man immer sage, man wolle auf das und das nicht eingehen, so genüge das schon für den Gegner, gleichfalls dieselben Dinge zu ftreifen. Wenn man auf etwas nicht eingehen wolle, so müffe man es auch nicht thun. Er sehe die Sache lediglich vom wirthschaftlichen Standpunkte an. Wer Arbeiter brauche, werde lieber noch Polen nehmen als Kulis.
Abg Dr. Sattler: Er stimme für den Antrag der Kom mission, weil die Petition durch, den Ministerialerlaß überholt sei. Die Ursache der mißlichen Verhältnisse im Osten sei die mangelhafte Besitz vertheilung. . . 3
Nach dem Antrag Czarlinski wird die Petition der Regierung zur Erwägung überwiesen. —
Ueber eine Eingabe von Eigenthümern des Kreises Kott⸗ bus, die Separation de dottbus-Peitzer Laßzins⸗ wiesen betreffend, beantragi die Agrarkommission, zur Tages⸗ ordnung überzugehen. J
Abg. von Werdeck lenkt die Aufmerksamkeit der Regierung auf die Uebelstände, welche sich aus der Inkommunalisirung des Laßzins⸗ wiesenkomplexes ergeben hätten. Das Grundbuch von 19 Ortschaften befinde sich beim Amtsgericht Peitz, während das Amtsgericht Kottbus zuständig fei. Cigentlich seien die Besitzer der Laßzinswiesen nahezu rechtlos. Die juristischen Konseguenjen dieses Zustandes seien böchst bedenklich, dieser selbst himmelschreiend. Es müsse die Spenalgesetz gebung einschreiten.
Geheimer Ober⸗Regierungs / Rath Sterneberg erklärt, die schwebende Regulirung der Separation dverhãltnisse gehöre zu den schwierigsten der ganzen Monarchie. Die Generalkommission sei in voller Arbeit. Man dürfe nach Lage der Sache hoffen, daß die Ordnung der Kataster in zwei Jahren vollendet sein werde,
Abg. Lamprecht führt aus, daß der landwirthschaftliche Betrieb im Kottbuser Kreife vielfach unter der schon seit 50 Jahren schweben— den Separation und der damit verbundenen Unsicherheit der Besitz⸗ verhältniffe leide, Die Regierung möge ihren Einfluß anwenden und die Sache beschleunigen. Die Unzufriedenheit über die Geschäfts⸗ führung der Generalkommission sei im Kreise weit verbreitet. Die Bestallung eines besonderen Kommissars fei dringend nothwendig.
Die Abgg Sack und Freiherr von Huene sprechen ebenfalls den Wunsch aus, daß die Sache nunmehr thunlichst beschleunigt werde. . .
Das Haus tritt dem Antrage der Kommission bei.
Es folgt die Berathung über die Petition der Apotheker Bender und Genossen, betreffend die Vermehrung der Apotheken.
Die Petitionskommission beantragt Uebergang zur Tages⸗ ordnung.
Berichterstatter Abg. Dr. Graf: Die Petition verlange die Festsetzung einer Normalzahl von S000 Einwohnern für die Be⸗ gründung einer Apotheke. Zur Neuregelung der Apotbekerfrage habe sich das Haus schon früher einmal zustimmend ausgesprochen, aber für die Festsetzung einer bestimmten Zahl von Einwohnern zur Etablirung einer Apotheke könne die Kommission nicht eintreten. .
Abg. Pleß beantragt, die Petition der Regierung zur Erwä⸗ gung zu überweisen, und bemerkt, man bestrebe sich auf gallen Gebieten möglichst Freihest der Bewegung eintreten zu laͤssen. Nur da, wo es unbedingt nothwendig fei, sei von diesem Bestreben eine Ausnahme zu machen. Man glaube nun, bei den Apothekern eine solche Aus. nahme eintdeten lasfen zu müssen, weil man sage, man müsse den Arothekern ein gewisses sicheres Ginkommen gewäbren, damit sie nicht in die Verfuchung geriethen, minderwerthige Arzneimittel zu
führen. Dieselbe Erwägung könne man aber auch bei anderen Beruftz arten geltend machen, bei denen eine solche Begrenzung nicht vor⸗ handen sei, besonders bei den Aerzten. Man könne sagen: Wenn die Aerzte so dicht gesaͤet feien, daß sie Sorge haben üßten für ihre, Ernährung, so könne man befürchten, daß sie, um mehr Beschäftigung zu haben, die Patienten so behandelten, daß sie einige Tage länger krank feien. Ebenso wenig, wie man dies den Aerzten zuzutrauen brauche, werbe man einen ähn lichen Vorwurf den Apothekern zu machen haben. Der Staat folle Sorge tragen, daß die Apotheker ihren Beruf richtig aus öben könnten. Er solle sie prüfen, aber darüber hinaus dürfe seine Fürforge nicht gehen. Am Besten würde es sein, man gäbe jedem geprüften Apotheker das Recht, eine Apotheke zu errichten; denn die Leute würden nicht über das Bedürfniß hinausgehen, jeder würde sich nur dann niederlassen, wenn er Aussicht auf genügendes Ginkom— men hätte. Soweit wolle er noch nicht gehen. Wenn aber das jetzige Privilegium bleiben solle, so müsse man wenigstens der Forderung der Petenten entgegenkommen. Daß die Zustände ber Besserung be dürftig seien, gebe dle Regierung selbst zu. Er hitte deshalb, ihr durch Annahme des Antrages Gelegenheit zu geben, die Sache zu prüfen.
Äbg. Lehmann: Nachdem die Kommission einstimmig Uebergang ö. Hö beschlofsfen habe, bitte er, den Antrag Pleß ab zulehnen.
Abg. Dietz: Die Angelegenheit, um die es sich hier handele, sei Reichssache. Er mache darauf aufmerksam, daß die Apotheker in Deutschland ein viel größerts Vertrauen genössen, als in den Ländern, wo in Bezug auf Apotheken völlige Freiheit herrsche, wie England und Belgien. Der Regierungskommissar habe betont, daß durch die Schaffung der Krankenkassen die Verhältnisse der Apotheker sich allgemein gebessert hätten. Das könne man nicht so allgemein jugeben. Denn viele von den Leuten, die jetzt auf Kosten der Krankenkassen die Arzeneien bezogen, hätten diese früher, wenn sie zu unbemittelt gewesen seien, aus den Mitteln der Gemeinde ⸗Armen⸗ pflege empfangen; außerdem sei ein großer Theil des Handverkaufs den Droguisten zugefallen, deren Zahl sich bekanntlich sehr vermehrt habe. Bie Verbilligung der Taxe habe in jüngster Zeit ferner große Fortschritte gemacht. Indeß genüge es doch, wenn man auf 10 560 Einwohner eine Apotheke habe, und er empfehle die Annahme des Kommissiongvorschlages.
Abg. Pleß: Die Taxe der Apotheker sei gar nicht so sehr heruntergegangen, die Gewährung einer Apothekerkonzession sei ein Wucherkapital, das sich zu 100, ja 200 und 309 0 verzinse.
Wirklicher Geheimer Ober Medizinal⸗Rath Dr. Kersandt: So hoch, wie der Vorredner meine, rentire sich eine Apotheke denn doch wobl nicht. Das Krankenkassengesetz habe aller, dings den Apothekern vermehrte Einnahmen gebracht, denn bei vielen Leuten, die sich früher wegen Armuth überhaupt nicht hätten ärztlich behandeln lassen, trete jetzt von Krankenkassen wegen eine solche Bebandlung ein. Die Zahl der Droguengeschäfte habe sich frellich vermehrt, aber durch die Reichspharmakopöe sei ihr Gewerbebetrieb mit Arzneimitteln doch sehr eingeschränkt, und wenn sich irgendwo ein Droguist niederlasse, so sei das doch ein Zeichen dafür, daß der Apotheker gute Einnahmen habe. Man könne nicht fo absolut sagen, auf 8006 oder 10 000 Einwohner solle eine Apotheke kommen, fondern es komme darauf an, ob die Ein wohner wohlhabend seien und dicht oder zerstreut wohnten; bei einer dicht gedraͤngt lebenden Bevölkerung genuͤgten 4009 Einwohner, um eine Apotheke zu erhalten; man habe thatsächlich Fälle, in denen in einer Stadt mit 8060 Einwohnern zwei Apotheken ein genügendes Einkommen fänden.
Danach wird unter Ablehnung des Antrages Pleß der Kommissionsantrag angenommen. ;
Die Petition der Frau Schulrath Cauer in Berlin und Gen., betreffend die Zulassung weiblicher Personen zur Ausübung des Axothekerberußfes, beantragt die J der Regierung zur Erwägung zu über— weisen. ;
Abg. Seyffardt (Magdeburg): Er danke der Kommission für das Entgegenkommen, das sie den Damen der gebildeten Stände erwiefen habe. Unsere Sozialpolitik solle nicht bloß den arbeitenden Klaffen Hülfe bringen, sondern auch der in den gebildeten Ständen bercfchenden Noth abhbelfen. Nun sehe man aber mit inniger Theil- nahme, wie eine große Zahl von Damen aus gebildeten Kreisen sich fortwährend dem Kampfe ums Dasein unterzöge, um nur das nackte Dafein zu fristen. Diesen müsse man beistehen, indem man ihnen alle Berufe öffne, zu denen sie ihrer Natur nach geeignet seien, und dazu gehöre entschieden der Apothekerberuf. Er wolle weitgehende An⸗ träge nicht stellen, sondern es genüge, wenn das Haus den Kom missionsantrag annehme.
Abg. Rickert: Der Kommissionsbeschluß bedeute wenigstens einen kleinen Fortschritt gegenüber den bestehenden Zuständen. Um diefen Fortschritt nicht zu gefäbrden, verzichte er darauf, einen weiter⸗ 5 Antrag zu stellen. Er setze voraus, daß das Haus und die Regierung schon von selbst weitere Schritte thun würden.
Die Petition wird hierauf der Staatsregierung als Material überwiesen. .
Der Kirchenvorstand der Pfarrgemeinde Rurich im Regierungsbezirk Aachen bittet das Abgeordnetenhaus, das⸗ selbe wolle sich dafür aussprechen, daß der Gemeinde die Erlaubniß zur Annahme eines geschenkten Grund⸗ stücks Behufs Exrxichtung eines Pfarrkirchhofes ertheilt werde. Die Regierung zu Aachen hat der Pfarr— gemeinde die Genehmigung zur Annahme der Schenkung ver⸗ weigert, da nach Lage der dort geltenden Gesetzgebung, ins⸗ besondere nach den Grundsãätzen des Dekrets vom 23. Prairial XII, welche im dortigen Bezirke allgemein zur Durchführung gelangt sind, die Beschaffung der Friedhöfe Sache der Civilgemeinde und nicht der Kirchengemeinde sei.
Die Kommission beantragt, diese Petition der Regierung zur Erwägung zu überweisen.
Abg. Pr. Reichensperger bestreitet, daß Genehmigungen zur Anlage konfessioneller Kirchböfe von der preußischen Regierung nicht erfolgt seien. Die Rechtsprechung babe sich nicht mit der Berechtigung der Anlegung neuer Kirchhöfe befaßt, sondern nur festgestellt, daß die Säkularisation der alten Kirchhöfe, welche in der Zeit der fran zöͤsischen Republik bereits bestanden hätten, nicht rückgängig gemacht sei. Das Dekret von Prairial des Jahres Xl beziehe sich auch nicht auf Kirchhöfe in Dörfern. Durch Allerböchsten Erlaß vom 39. August 1836 sei auch einem katholischen Kirchenvorstande in den Rheinlanden zur Erweiterung eines konfesstonellen Kirchbofes die landesberrliche Genehmigung zur Annahme von Grundstücken ertheilt worden. Er hoffe, daß dies auch jetzt geschehen werde.
Abg. Dr. Graf (Elberfeld) weist darauf bin, daß nach dem Dekret vom Prairial des Jahres XII die Anlage der Kirchhöfe den Civilgemeinden zugewiesen sei. Die Anlegung konfessioneller Fried⸗ höfe fei nur während einer Zeit gestaltet worden, in welcher über das Fortbestehen des erwähnten Dekreis Rechtsentscheidungen eingeholt worden seien. Verlaffe die Regierung ihren prinmipiellen Standpunkt, so fei der Willkür Thür und Thor geöffnet. Diesen Standpunkt babe er auch in der Kommission als Korreferent vertreten. Redner beantragt, über die Petition zur Tagesordnung überzugehen.
Geheimer Ober ⸗Regierungs⸗Rath Nöll: Namens der Regierung bitte er, dem Anttuge des Abg. Dr, Graf beizustimmen. Der Abg. Dr. Reichensperger babe in die Sache eine neue rechtliche Auffassung hineingetragen, indem er behaupte, das Dekret vom Prairial beziehe sich nur auf Städte und Flecken, nicht auf Dörfer Die Recht⸗ vrechung habe sich dabin entschieden, daß sich das Dekret auf alle Kirchhöfe auf dem linken Rheinufer beziehe. Er wisse auch nicht, weshalb der Abg. Dr. Reichensperger so erregt den konfessionellen Charakter der Kirchhöfe betone. Vom Bischof von Trier bestehe aus dem Jahre 1839 ein Erlaß, welcher ausdrücklich fest tze, daß dort, wo kein evangelischer Kirchhof estehe, der Bischof nichts gegen die
e eineg Cyangelischen auf dem katholischen Kirch hofe, nichts gegen eine Begleitung eines evangelischen ober auch des katholischen Geistlichen, nichts gegen baz Grabgeläute bei derartigen Begräbnissen zu erinnern habe. Die . um bie es fich handle, sei eine prinzipielle Frage. Es handle
Beisetzung
ich darum, ob kas gesammte Begräbnißwesen am linken Rheinufer auf em Hege der Gesetzgebung wie bisher geregelt werden solle, Ddder oß ein Heg beschristen werden solle, welchen die Gesetzgebung bisher nit kenne. Bie Regierung sei entschlossen, auf dem bisherigen Wege zu beharten.
Abg. Dr. Reichens perger: Wenn auch, das Ober-Tribunal entschieden hake, bie Kirchhöfe am linken Rheinufer seien nach dem Dekret vom Peairial Eigenthum der bürgerlichen Gemeinde, so sei doch bie Frage, ob Cas Ober Tribunal Recht gehabt habe. Schon öfter, auch in Hezug auf viel allgemeinere Angelegenheiten, sei das Ober Tribunal‘ reftiffsirt worden. Daß die Ermächtigung zur Annahme einer Schenkung Bebufgz Erweiterung eines konfessionellen Kirchhofs Allerhöchst gegeben worden sei, lasse sich nicht bestreiten.
Geheimer Ober Regierungs⸗Rath Nöll: Auch das Reichs— gericht babe sich in der Kirchhofsfrage der Entscheidung des Ober⸗ Tribunals angeschlossen. In den östlichen Provinzen seien beinahe gerade fo viel Rirchhöfe Eigenthum der buͤrgerlichen wie der kirch— ichen Gemeinden. Er könne nur wiederholen, die Regierung beab⸗ ., auf dem durch die Gesetzgebung vorgezeichneten Wege zu
elben.
Der Antrag der Kommission wird ahgelehnt und damit der Uebergang Über die Petition zur Tagesordnung nach dem Antrage Graf beschlossen.
Die Petitionen der Lehnsmänner Petersen in Püggen und Genossen wegen Abänderung des hannoverschen k werden der Regierung zur Erwägung über— wiesen, ob und in welcher Weise im Wege der Gesetzgebung den Wünschen der Petenten Rechnung getragen werden könne.
Die Petition von Buchhaltern der Justiz-Hauptkasse zu Köln wegen Gewährung einer Funktions- bezw. Stellenzulage wird der Regierung als Material für die künftige Gestaltung der Diensteinkommensverhältnisse der Justiz⸗Subalternbeamten überwiesen, die Petition des Land⸗ gerichts-Assistenten Prüfer in Liegnitz, betreffend die Ver⸗ besserung der Lage der Gerichtsschreibergehülfen und Assistenten, ehemaliger Aktuare 2. Klasse, durch Uebergang zur Tagesordnung erledigt.
Die Petition des Rabbiners Dr, Maybgum in Ber⸗ lin, die den Geistlichen der privilegirten Kirchengesellschaften nach dem Landrecht zustehenden Vorrechte, insbesondere die Be⸗ freiung von den Kommunallasten, auf die von preußischen Synagogengemeinden angestellten Rabbiner auszudehnen, wird ohne Debatte durch Uebergang zur Tagesordnung erledigt.
Die Petitionen einer Anzahl von Kanzleigehülfen bei Gerichten wegen Verbesserung ihrer Einkommens— und Anstellungsverhältnisse werden nur insoweit zur Erwägung überwiesen, daß bei den Schreiblöhnen mehr die höheren Sätze des Kanzlei⸗Reglements zur Anwendung gebracht werden sollen.
Schluß 31½ Uhr.
Parlamentarische Nachrichten.
— In Meppen fand gestern die Reichstags⸗Ersatz⸗ wahl für den 3. Hannoverschen Wahlkreis, dessen Vertreter früher der verstorbene Dr. Windthorst war, statt. Gewählt wurde dem „W. T. B.“ zufolge der Amtsgerichts-Rath Brandenburg (Cintrum). Die Gegenparteien hatten keine Kandidaten aufgestellt.
— Zu der Berathung des Entwurfs eines Wildschaden gesetzes sind in dem Hause der Abgeordneten folgende An⸗ ö e e ⸗
X. Von den Abgg. Freiherrn von Huene, von Rauchhaupt Strutz und Freiherr von Weckerbarth: ö .
Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen:
1 In §. 2 als Absatz 2 und 3 hinzuzufügen:
Bei Verpachtung der Jagd in gemeinschaftlichen Jecgdbezirken bat ie Gemeindebehörde wegen der Rückvergütung der gezahlten Entschädigungsbeträge in den Pachtverträgen Vorsorge zu treffen.
Jage pachtverträge, welche diese Vorsorge nicht vollständig ent⸗ halten, muͤssen nach ortsüblicher Bekanntmachung eine Woche öffentlich ausgelegt werden und bedürfen zu ibrer Gültigkeit der Genehmigung des Kreikausschusses, in Stadtkreisen des Stadtausschusses, wenn Seitens auch nur eines Nutzungsberechtigten innerhalb zwei Wochen nach dieser Auslegung Widerspruch erhoben wird.
II. In Zeile 7 des §. 3 hinter dem Worte angepachtet“ ein⸗ zuschalten: oder die angebotene Anpachtung abgelehnt“.
III. Den S. 4 zu streichen.
IV. In §. 5 Zeile 2 die Ziffer 1“ und die Absätze der Ziffern 2 und 3 zu streichen.
. . F. 33 ö z
LIm . eile 1 statt §§. 1—4 “ zu setzen ‚§5§5. 1—3“.
VII. Im 5. 9: ; .
a Absatz J zu fassen wie folgt:
Nach rechtzeitig erfolgter Anmeldung hat die Ortspolizeibehörde zur Ermittelung und Schätzung des behaupteten Schadens und zur Derbeiführung einer gütlichen Einigung unverzüglich einen Termin an Ort und Stelle anzuberaumen und zu demselben die Bꝛitheiligten, zu denen im Falle des §. 2 Absatz 2 auch der Jagdpächter zu rechnen ist, unter der Verwarnung zu laden, daß im Falle des Nich erscheinens mit der Ermittelung und Schätzung des Schadens dennoch vor— gegangen wird.
b. Absatz 2 zu streichen.
VIII. Den 8. 12 wie folgt zu fassen:
Gegen den Vorbescheid findet innerbalb zwei Wochen die Klage , Kreisausschusse, in Stadtkreisen bei dem Bezirksausschusse statt.
Die Entscheidungen des Kreisausschusses und des Beizirks—⸗ ausschusses sind endgültig.
Wird innerhalb der zwei Wochen die Klage nicht erhoben, so wird der Vorbescheid endgültig und vollstreckbar.
8. Den §. 14 wie folgt zu fassen:
Ist während des Kalenderjahres wiederhelt durch Roth oder Damwild verursachter Wildschaden durch die Ortspolizeibebörde fest⸗ gestellt worden (5. 11), so muß auf Antrag des Ersatzpflichtigen oder der Jagdberechtigten die Aufsichtsbebörde sowohl für den betroffenen, als auch nach Bedürfniß für benachbarte Jagdbezirke die Schonzeit der schädigenden Wildgattung für einen bestimmten Zeitraum auf— heben und die Jagdberechtigten zum Abschuß anhalten.
X Hinter §. 14 folgenden S§. 14a. einzuschalten:
Genügen diese Maßregeln nicht, so hat die Aufsichtsbehörde den Grundbesitzern und sonstigen Nutzungsberechtigten selbst nach Maßgabe der 58 25 und 24 des Gesetzes vom 7. März 1850 (Gesetz⸗Samml. S. 165) die Genehmigung zu ertheilen, das auf ihre Grundstücke übertretende Roth und Damwild auf jede erlaubte Weise zu fangen, namentlich auch mit Anwendung des Schießgewehrs zu erlegen.
XI. Als §. 146 einzuschalten 8 11 der Beschlässe des Hauses der Abgeordneten in Nr. 49 der Drucksachen des Herrenhauses: Schwarzwild darf nur in solchen Einfriedigungen gehegt werden, aus denen es nicht ausbrechen kann.
Außer dem Jagdberechtigten darf jeder Grundbesitzer oder Nutzungsberechtigte innerhalb seiner Grundstücke Schwarzwild auf jede
erlaubte Art fangen, tödten und behalten.