.
ersten Mal, daß die Regierung rund und nett zugebe, daß die Zoll⸗ verhältnisse die Lohn⸗ und Brotverhältniffe der Arbeiter schädigten. Was nun die Unterlagen für das Urtheil der Regierung anlange, so bedaure er, daß die Zahlen des Ministers von Heyden nicht früher veröffentlicht worden seien, sodaß man sie in der Debatte hätte benutzen können. Der Minister halte dafür, daß die vorjährige Roggenernte um 4 besser gewesen sei, als nach der Oktobersckätzung anzunehmen gewesen sei, aber auch das würde kaum eine Mittelernte bedeuten, und das stehe übrigens noch im Widerspruch zu den Aussagen erfahrener Landwirthe und Kaufleute. Auch fehle die klare Auskunft über die wichtige Frage, wieviel Hektar überhaupt mit Roggen bestanden seien? Die Antwort darüber in Verbindung mit dem Saatenstand erst gebe Klarheit über die zu erwartende Getreidemenge. Wie viel Winterroggen sei umgepflügt? Der Sommerroggen sei bekanntlich von nur geringer Bedeutung. Wie viel vom umgepflügten Lande sei wieder mit Roggen bestellt? Darüber könne man wohl Auskunft bekommen; schienen doch in einigen Kreisen die Landräthe darüber Erhebungen auf eigene Faust vorzunehmen. In Frankreich seien nach genauen Schätzungen zwei Millionen Hektar Weizenland umgepflügt. Mindestens werde doch in Folge des Umpflügens das doppelte Quantum Saafgetreide nöthig, und daz wirke sehr auf die einzufühcende Getreidemenge ein, denn wir brauchten zur einmaligen Roggensaat soviel Getreide, wie wir aus dem Auslande einführten. Die Regierung habe in der Debatte vom Mai jede Beunruhigung vermieden sehen wollen, aber jetzt sehe man, daß schon im April die Landwirthe wegen der Ernte sehr be⸗ unruhigt gewesen seien: die Verhandlungen der landwirthschaftlichen Vereine in Stolp, in Rheinpreußen u. s. w. wiesen darauf bin. In Rheinpreußen habe man in einem Kreise festgestellt, daß die Hälfte der bebauten Fläche habe umgepflügt werden müssen. In Elsaß Lothringen würden die Bürgermeister zu gleichen Gehebungen veranlaßt, weil man den Landleuten bei Beschaffung des Saat— korns Staatsunterstützungen geben wolle. In Stolp denke man an die Befreiung der Landwirthe von der Grundsteuer wegen der großen Ernteausfälle. Seine Partei verlange ja keine weiteren Auskünfte, als sie hier in den einzelnen Landestheilen festgestellt würden, und das liege auch im Interesse der Regierung selbst, damit nicht aus einzelnen ungünstigen Nachrichten die Bevölkerung einen unrichtigen Schluß ziehe. Der Minister⸗Präsident habe sich dann auf die Erhebungen über die vorhandenen Vorräthe berufen, aber, wie er aus Mannheim und Lübeck erfahre, ergäben diese, weil ohne Zuziehung der Kaufleute vorgenommen, ganz falsche Resultate, man habe irriger Weise manchen Posten doppelt gezählt, und Posten eingerechnet, die schon längst nach der Schweiz verkauft seien. Die Händler hätten diesmal nicht, wie der Minister⸗ Präsident meine, ein Interesse daran, die Vorräthe recht niedrig anzugeben; sondern, weil große Vorräthe einer Zoll suspension entgegenarbeiteten, die . aber die Preise erniedrigen würde, hätten die Händler ein Interesse daran, die Vorrathe möglichst groß darzustellen. Ausschlaggebend für die Zustände seien die Beschlüsse Frankreichs; dort fielen 45 Millionen Hektoliter Getreide durch Umpflügen aus, und von den amerikani⸗ schen Vorräthen sei der größte Theil für Frankreich bestimmt. Die Be—⸗ merkung des Minister Präͤsidenten über die große zu erwartende russische Ernte werde von englischen Blättern für unrichtig erklärt. Der Minister⸗ , . unterschätze jedenfalls die Situation; die Kartoffeln, Erbsen, ohnen seien theurer als im Vorjabr, nur Hafer sei etwas billiger, aber der habe auch im Vorjahr eine außerordentliche Höhe gehabt; nur bei Heu und Stroh, für die der Minister von Hevden eine schlechte Ernte vorausgesehen habe, erwarteten die Landwirthe eine gute Ernte. Das Zurückgehen unserer Viehzucht sei auch auf die Höhe der Futterpreise zurückzuführen. Der Reichskanzler finde einen Trost in dem Ersetzen des Roggens durch Weizen. das sei wohl bei niedrigen Preisen in einem gewissen Umfang möglich, aber bei schon so hohen Roggenpreisen könne man sich nicht zur Zah⸗ lung der noch höheren Weizenpreise entschließen, wenn auch Weizen einen viel größeren Nährwerth habe. Eine Herabsetzung der Zölle werde freilich, darin habe der Minister -⸗Präsident Recht, eine vorübergehende Erhöhung der Getreidepreise im Auslande veranlassen, aber diese Er⸗ höhung werde erstens nicht so groß sein, wie die Zollermäßigung be⸗ trage, und die Konkurrenz werde sie außerdem sehr bald ausgleichen. Der Minister ⸗Präsident berufe sich für die Aufrechterh altung der Zölle auf die Stetigkeit des Handels; aber erstens sei diese Stetig⸗ keit durch die mehrfachen Zollerhöhungen am Meisten gestört worden, zweitens sei der Getreidehandel, in Folge seiner Abhängigkeit vom Wetter, überhaupt recht wenig stetig, und schon deswegen als Zoll⸗ objekt überhaupt recht ungeeignet. Seine Partei stelle keine be— stimmten Anträge Betreffs der Zollherabsetzung, sie werde vielmehr für jede solche stimmen, in der Erwartung, daß, wenn sie nicht ge— nüge, eine weitere Herabsetzung nothwendig von der Regierung werde vorgeschlagen werden müssen. Endlich habe der Minister⸗Präsident sich auf die Handelt verträge berufen, und dabei könne er auf die Unterstützung keiner Partei so sicher rechnen, wie auf die der frei⸗ sinnigen, selbst wenn der Abgeordnete für Otterndorf ihn dabei bekämpfe und ihm bei der Unterstützung der Freisinnigen unheimlich zu Muthe werde. (Heiterkeit) Aber man dürfe die Bedeutung der Handels verträge nicht überschätzen, man dürfe Zölle nicht als Tausch— objekt bestehen lassen, wenn die inneren wirthschaftlichen Verhält— nisse deren Beseitigung verlangten. Jeder, der einen Handels—⸗ vertrag abschließe, wolle das, was er sonst selbständig thun würde, in Gemeinschaft mit einem andern Staat thun, und auch der Minister⸗ Präsident näbere sich ja dieser Auffassung, wenn er sage, die Zoll⸗ erniedrigung für Getreide würde unsern Arbeitern bessere Lohn und Brotverhältnisse schaffen, was er doch auch ohne Rücksicht auf den Dandelsvertrag müsse erreichen wollen. Er resümire sich dahin: Wenn die Ernteaussichten nicht noch schlechter würden, so könne man sich ja mit diesem Zoll bis zum Inkrafttreten des österreichischen Dandelsvertrages durchschlexpen, freilich auch nur unter großen Opfern des Volks, und darüber dürfe man sich nicht täuschen. Aber wenn diesez auch gelinge, so würden die Zölle aus dieser Campagne doch nur sehr erschüttert hervorgehen. Das Wort des Abg. von Bennigsen: „Diese Zölle vertragen nickt zwei bis drei ungünstige Ernten“ werde sich bewahrheiten. Diesen 3öllen sei das Todesurtheil gesprochen. Es handele sich nur um die Frage der Zeit, wann es zur Exekution tommen werde. Bleibe das er aber nicht got, dann werde keine Tapferkeit und militärische 6 Fer beit im Stande sein, die Sust⸗ pension zu hindern, und er könne nur Täriken, das man sich zu anderm Vorgehen entschlöse, bevor außer Tcν Z6ällen auch die Autorität der Regierung eine Erschütterung erfahren Fase! (cchbafter Beifall links, Zischen rechts) BPröäsident des Staats⸗Ministeriums, Rächakanzler von Caprivi:
Man wird es begreiflich finden, wenn es mir nach dem Tone, in dem der Herr Abgeordnete zur Regierung im Allgemeinen und speziell zu mir gesprochen hat, nach den Attributen, mit denen er mich bedacht hat, die = mit unvernünftig anfingen und dann noch weiter gingen (Widerspruch links), nicht gam leicht wird, ihm über— haupt zu erwidern, und vielleicht wird er das Gute wenigstens an mir lassen, daß er aus meiner Erwiderung erkennt, daß ich da, wo ich einzutreten für meine Pflicht halte, auch Unangenehmes zu über- winden weiß. (Bravo! rechts.)
Ich bleibe auf dem Standpunkt stehen, den ich bei meiner
ersten Aeußerung eingenommen habe, daß die Staatsregierung in eine Debatte nicht eintreten wird, es sei denn, daß sie thatsäch—⸗ liches Material beizubringen oder Berichtigungen vorzunehmen hätte. In dieser Beziehung kann ich mich auf eine Bemerkung beschränken.
Ich weiß nicht, woraus das Mißverständniß bei dem Hrn. Abg. Richter entstanden ist, daß er voraussetzte, das Staats Ministerium habe am 27. Mai schon einen festen Entschluß gefaßt; und
er deduztrt daraus nun welter, daß entweder eine Divergenz unter!
den Mitgliedern oder ein Zwang in der Ausführung dagewesen sei. Ich kann nur konstatiren, daß der Staats⸗Ministerialbeschluß, auf Grund dessen die Regierung sich schlüssig machte, auf eine Reduktion der Zölle nicht einzugehen, am 28. Mai dieses Jahres und einstimmig gefaßt worden ist. (Hört, hört! rechts.)
Ein zweiter Grund, der mich veranlaßt hat, um das Wort zu bitten, ist der, daß ich mich doch bis zu einem gewissen Grade ver⸗ pflichtet fühle, für die Männer hier einzutreten, die der Regierung in ihrem Urtheil zur Seite gestanden haben und die der Hr. Abg. Richter mit einem ungewöhnlichen Grade von Geringschätzung behandelt hat. Der Hr. Abg. Richter hat seine Quellen, er hat Informationen eingezogen, die Regierung hat auch Informationen eingezogen. Unsere Aktion ist vielleicht hier und da parallel gegangen; wir werden, wie das ja in den Verhältnissen liegt, nicht dieselben Menschen gewählt haben. Ich muß aber dem Hrn. Abg. Richter bestreiten, wenn er die Organe, die die Regierung gehört hat, im Vergleich mit denen, die ihm zugänglich gewesen sind, als die minderwerthigen bezeichnet (sehr richtig! rechts), wenn er sogar ihren Charakter angreift, indem er sagt, sie sind durch selbstische Interessen zum Theil bestimmt worden.
Der Herr Abgeordnete hat einen speziellen Fall angeführt. Er beruft sich auf Mannheim, da wären wir sehr schlecht bedient ge⸗ wesen. Während ich hier saß, habe ich eine Mappe bekommen mit einigen Eingängen, darunter ist einer aus Mannheim. Da werde ich gewarnt, den Angaben, wie es hier heißt, aus demokratisch⸗ freisinnigen Kreisen' (große Heiterkeit) nicht einen größeren Werth beizulegen als den übrigen.
Schon vor mehreren Tagen habe ich einen Theil von dem, was der Hr. Abg. Richter gegen die Aeußerungen, deren sich die Regierung bedient hat, vorgebracht hat, in der „Freisinnigen Zeitung“ gelesen. Es war die vom 3. Juni — da heißt es, wenn ich das vorlesen darf:
Alles das beweist, daß alle Diejenigen im Lande, welche
im Getreidehandel sachverständig sind und zugleich mit ihrem
Geldbeutel für die Richtigkeit ihrer Schätzung aufkommen müssen,
die günstigen Auffaffungen des Hrn. von Caprivi für nicht beweis
kräftig erachten und seiner Beurtheilung der Sachlage nicht Recht geben.
Nun, kann man denn von einer Regierung verlangen, daß sie Ihnen zumuthen soll, auf die Werthschätzung der Leute, die wir gehört haben, auf deren Urtheil irgend etwas zu geben, wenn mit dem einzigen Worte: alle Diejenigen im Lande, welche anderer Ansicht sind wie ich, verdienen nicht gehört zu werden, die Sache er— ledigt ist?
Darauf kommt das StaatsMinisterium dran, welches getadelt wird, weil es so wichtige Entscheidungen auf Grund so unzuläng⸗ licher Unterlagen getroffen bat. So etwas wäre noch nicht dagewesen.
Dann wird gesagt: Man hat nicht überall die richtigen Personen gefragt. Dieselben Getreidemengen sind doppelt angekreidet worden. Es werden dann die Berliner Börsen⸗ und Müllerfirmen vorgenommen. Es kommt der Fall aus der Stadt Lübeck zur Sprache. Es werden Erhebungen des Steueramts in Berlin angegriffen. Es kommen endlich die Schiffsmakler und Spediteure, und zum Schluß die Militär— Intendantur, der es schon seit Jahr und Tag nicht gelungen wäre, die nöthigen Getreidevorräthe herbeizubringen.
Ich glaube, man kann es der Regierung nicht verübeln, wenn sie, nachdem solche Angriffe gegen die Regierung selbst und gegen Diejenigen, die ihr Urtheil der Regierung zur Verfügung gestellt haben, gerichtet werden, dann nicht geneigt ist, diese Personen zu nennen, und wenn sie überhaupt auf eine Debatte über den Werth dieser Aeußerungen einzugehen nicht geneigt ist. (Sehr richtig! rechts.)
Wozu diese Zartheit? fragt der Hr. Abg. Richter. Ich habe wieder ein Stück aus der „Freisinnigen Zeitung“; da heißt es:
Einer derjenigen Getreidehändler und Spekulanten, welche in erster Reihe von Hrn. von Caprivi zur Begutachtung heran—2— gezogen wurden, kam am letzten Sonnabend, als er sich durch seine Berührung mit Regierungskreifen überzeugt hatte, die Re— gierung würde jede Zollermäßigung ablehnen, hastig und aufgeregt an die Prodbuktenbörse und kaufte soviel Getreide wie möglich auf. Solches geschah 46 Stunden, bevor Hr. von Caprivi seine Rede im Abgeordnetenhause hielt.
Nun, welcher Art dieser Angriff ist, wage ich kaum zu qualifiziren. Es hat aber den Mann, gegen den er gerichtet ist, auf das Empfind⸗ lichste getroffen, so empfindlich, daß dieser Herr sich veranlaßt ge—⸗ sehen hat, einem vereideten Beamten seine Bücher vorzulegen und zu konstatiren, daß er an den drei letzten Börsentagen vorigen Monats mehr verkauft als gekauft hat. (Hört! hört! rechts)
Nun, ich glaube, daß es einer weiteren Rechtfertigung nicht be—⸗ darf, und daß das hohe Haus mit mir die Meinung theilen wird, daß durch das, was der Hr. Abg. Richter gesagt hat, der Werth derjenigen Quellen, die uns zur Verfügung gestanden haben, nicht verringert wird. (Lebhafter Beifall rechts.)
Abg. Freiherr von Huene: An der Aufregung im Lande seien die Abgg. Richter und Rickert schuld, die nicht müde würden, in Versamm⸗ lungen auf die Möglichkeit einer Suspension der Getreidezölle hinzuweisen. Seine politischen Freunde seien nicht in der Lage, für den Antrag Rickert zu stimmen. Wenn es dem Abg. Rickert wirklich Ernst gewesen wäre mit seinem Dank für die neuliche Erklärung des Reichs— kanzlers, so hätte er dafür sorgen müssen, daß die momentane Be— ruhigung, die durch jene Erklärung erzeugt worden sei, nicht durch eine Agitation gegen die Zölle wieder verschwände. Statt dessen babe er heute diese Agitation wieder fortgesetzt, während doch die Ge— schäftswelt das Interesse habe, zu wissen, unter welchen Bedingungen sie in der nächsten Zeit ihre Geschäfte abschließen könne. Die Abgg. Richter und Rickert möchten also einhalten mit ihrer Agitation, fie würden dem Volke damit eine Wohlthat erweiser, thäten sie dies nicht, so verwirkten sie das Recht, der Sozialdemokratie wegen ihrer Agitation Vorwürfe zu machen. Die Herren verlangten eine Statistik. Er verlange auch eine: über das Verhältniß der abge— schlofsenen Geschäfte im Getreidehandel zu dem wirklich gelieferten Getreide. (Lebhafte Zustimmung rechts) Dann werde man er— fahren, wie es eigentlich mit dem reellen Geschäft im Verhältniß zu dem unreellen stehe, und dann werde man auch die Termin geschäfte in ihrem richtigen Charakter zu würdigen lernen. (Zuruf des Abg, Rickert) Der Abg. Rickert verweise ihn auf das Buch don Michaelis. Er könne nicht alle Bücher lesen, aber er kenne die Sache aus dem praktischen Leben, der tärlichen Beobachtung. Sine Herabsetzung oder Abschaffung der Zölle habe noch lange keine unmittelbar? Wirkung auf den Brotpreis im Gefolge. Nach Prof. Conrad stehe allerdings der Brotpreis mit dem Roggenpreis im Zäasammenhanges aber die Herabfetzung des Brotpreises folge e des Roggenpreises sehr langsam. Die große Masse des Volkes würde al von der Suspension der Zölle herzlich wenig gehabt haben. Wenn einmal der Staat die Frage der Volksernährung in Erwägung ziehe, dann möge auch die Frage einer Brot⸗ und
Fleischtaxe in den Vordergrund treten und dafür gesorgt werden, daß in der That die Maßnahmen, die der Staat als solcher vornehme, auch wirklich Denen zu Gute kämen, für die der Staat das!
Der Abg. Richter habe gesagt, Zoll gehabt hätten., habe der Roggenpreis 110 M betragen, als wir 5 SM Zoll gehabt hätten 2710 M Er frage ihn
Opfer bringe. (Zustimmung.)
als wir 3 „S
nun, wo kämen die übrigen 80 her? Daraus gehe doch klar hervor, daß ganz andere Dinge bei der Preisbildung mitsprächen, als der Zoll allein. Die Regierung habe gewiß dasselbe Interesse an der Volksernährung wie jede Partei. Hätte sie die Ueberzeugung gewonnen, daß eine e m li g, oder Suspension der Zölle nothwendig sei, so würde sie gewiß die erste gewesen sein, die mit einem entsprechenden Vorschlage hervorgetreten wäre. Er könne versichern, i, die ruhige, sichere und feste Art des Minister⸗ Präsidenten, sowohl früher wie heute, in seien Kreisen fehr vertrauenerweckend gewirkt habe. (Beifall im Centrum und rechts.)
Abg. Richter: Er erkläre zunächst ausdrücklich, daß er das Wort unvernünftig‘, das ibm der Minister⸗Präsident in den Mund gelegt, nicht gebraucht habe. (Lebhafter Widerspruch rechts) Er babe enn die Regierung würde vernünftiger gehandeli haben, wenn sie o und so verfahren würde. Dann habe der Minister⸗Präsident Beijug genommen auf einen Artikel der ‚Freisinnigen Zeitung“, betreffend das Verhalten einer hiesigen Firma, welche als Sachverständige berufen gewesen sei, an der Börse. Nun, ein Staatsagwalt irre sich sehr oft, auch eine Zeitung könne etwas Falsches berichten, wenn sie in gutem Glauben etwas mittheile. Selbst wenn es sich um dieselbe Persönlichkeit handele, von der in der Zeitung die Rede gewesen sei, so sei ihm noch nicht klar, wie sich die Aeußerungen des Minister ⸗Präsidenten von heute deckten mit dem, was in Frage stehe. Es handele sich nicht darum, ob in drei Tagen mehr oder weniger verkauft worden sei, sondern um den einen Tag vor der Erklärung des Minister⸗Präsidenten. Weil er aber gehört habe, daß diese Angaben als unrichtig bestritten würden, so habe er sich gehütet, heute etwas darauf Bezügliches vorzubringen, und es würde deshalb auch der Minister⸗ Präsident richtig gehandelt haben, wenn er sich nur an das gehalten hätte, was er (Redner) heute gesagt habe. Der Minister⸗Präsident müsse wohl wenig Thatsächliches arzuführen haben, wenn er sich an einen Zei tungsartikel halte. 1 rechts.) Der Minister⸗Präsident habe dann eine andere Aeußerung der Freisinnigen Zeitung“ vorgelesen. Er würde gewünscht haben, daß sie auch vollständig vorgelesen worden wäre; der Minister⸗Präsident habe nur die Schlußfolgerung gelesen, aber nicht die verschiedenen Thatsachen, auf welche sich die Schluß folgerung gestützt habe. Der Minister⸗Präsident habe gesagt, Die jenigen, welche Vorräthe hätten, würden sich hüten, damit hervorzu⸗ treten. Darauf habe er erwidert: Gerade das Gegentheil sei der Fall. Weil von der Größe der Vorräthe die Frage der Zollsuspension abhängig sei, hätten alle Diejenigen, welche Vorräthe hätten, ein Interesse daran, daß die Getreidevorrätbe so groß wie möglich er— schienen. Er habe also, was in jedem Prozeß das Richtige fei, von vornherein nachgewiesen, daß Diejenigen, auf die die Regierung im Ganzen sich als Zeugen berufe, in dieser Frage zum Theil Inter essenten seien. Dann habe der Minister ⸗Präsident noch den Mannheimer Fall erwähnt. Er (Redner) habe in Mann— heim keine Person, keinen. Sachverständigen der Regierung irgendwie verdächtigt. Er habe die einfache Thatsache behauptet, auf Grund eines Gewährsmannes, daß die dortigen Erhebungen vor— genommen seien ohne Zuziehung der Kaufleute, und daß in Folge dessen ein Irrthum insofern entstanden sei, daß bereits nach der Schweiz verkauftes Getreide als verfügbarer Vorrath hingestellt worden sei. Anstatt von freisinnigen Demokraten zu sprechen, hätte der Minister ⸗Präsident ihn widerlegen sollen; was er angeführt habe, sei keine Widerlegung gewesen. Der Abg. von Huene meine, die Brotpreise würden nicht der Suspension der Getreidezölle sogleich folgen, das könne nur gegen eine kurze Suspension sprechen. Taxen könnten hier nichts ändern, das sei ein überlebter Standpunkt; im Gegentheil, sie trügen nur zu künstlicher Brotvertheuerung bei, und konsequenterweise wärden sie zu einer Verstaatlichung des Grundbesitzes führen. Wisse denn der Abg. von Huene nicht, daß die Preise sich richteten nach Angebot und Nachfrage? Daß die Preise in die Höhe gegangen seien, sei eine einfache Folge davon, daß das Angebot an Getreide gegenwärtig ein geringeres sei wie früher. Außerdem habe Niemand behauptet, daß die Zölle allein den Preis machten. Den Sozialdemokraten babe er keinen Vorwurf gemacht, daß sie gegen die Kornzölle agitirten. Sie würden sebr unklug handeln, wenn sie eine solche Frage nicht ausnutzen wollten, ein solches Unrecht der bestehenden Staats ordnung zu Gunsten ihrer zukünftigen staatlichen Ordnung. Man möge Gott danken, daß außerhalb der sozialdemokratischen Partei noch eine andere große Partei vorhanden sei in Deutschland, die gegen das Unrecht der Getreidezölle ankämpfe. Sonst würde man allerdings in Deutschland berechtigt sein zu glauben, daß der Kampf gegen das Unrecht nur möglich sei in den Reihen der Sozialdemokraten. (Beifall links, Zischen rechts.)
Um 4/ Uhr vertagt das Haus die weitere Berathung des Antrages Rickert.
Parlamentarische Nachrichten.
Die Kommission des Herrenhauses zur Vorberathung des Entwurfs einer Landgemeindeordnung hat nach der .N. A. 3.“ im weiteren Verlauf ihrer gestrigen Sitzung den §. 109 wie folgt abgeändert: Bei den Sitzungen der Gemeindeverfammlung (Gemeindevertretung) findet beschränkte Oeffentlichkeit statt. Den⸗ selben als Zuhörer beizuwobnen, find diejenigen Ge— meindeangebörigen befugt, denen das Gemeinderecht zustebt (5. 4), sowie diejenigen, welche auf Grund des 8 45 Absatz 1 stimmberechtigt oder Vertreter von Stimmberechtigten (§8. 46 Nr. 1, 2 und 4) sind. Für einzelne Gegenstände kann durch besonderen Beschluß, welcher in ge⸗ heimer Sitzung gefaßt wird, die Oeffentlichkeit ausgeschlossen werden. Das Ortsstatut kann Bestimmung darüber treffen, daß die Sitzungen mit Angabe der Tagesordnung in ortsüblicher Weise vorher bekannt zu machen sind.“ .
Aus den Beschlüssen des 6 der Abgeordneten war dieser 5. 109 in folgender Fassung hervorgegangen: „Bei den Sitzungen der Gemeindeversammlung (Gemeindevertretung) findet beschränkte Oeffentlichkeit statt. Denselben können als Zu— hörer alle zu den Gemeindeabgaben herangezogenen männlichen groß jährigen Personen beiwohnen, welche sich im Besitz der bürgerlichen Ehrenrechte befinden und Gemeindeangehörige (. 7 oder Stimmberechtigte auf Grund des §5 45 Absatz 1 oder Vertreter von Stimmberechtigten G. 46 Nr. 1, 2 und 4) sind. Für einzelne Gegenstände kann durch kesonderen Beschluß, welcher in ge— heimer Sitzung gefaßt wird, die Oeffentlichkeit ausgeschlossen werden. Das Oritsstatut kann Bestimmung darüber treffen, daß die Sitzungen mit Angabe der Tagesordnung in ortsüblicher Weise vorher dekannt zu machen sind.“
— Die verstärkte Agrarkommission des Hauses der Abgeordneten berieth gestern den ihr überwiesenen Antrag Walther auf Ausdehnung des Nothstandegesetzes von 1888 zur Be⸗ seitigung der durch die Hochwasser von 1890 herbeigeführten Ver— heerungen. Die Kommission einigte sich der Nat. Ztg.“ zufolge schließ⸗ lich zu folgendem Antrage an das Plenum: I Mit Rücksicht auf die Erklärungen der Königlichen Staatsregierung, zunächst keine außerordentlichen Mittel zur Beseitigung der in den Jahren 1889 bis 91 durch Hochwasser herbeigeführten Verheerungen zu bedürfen, eintretenden Falles aber ihrerseits die Anregung zur Be willigung derselben geben zu wollen, über den Antrag Walther und Genossen zur Tagesordnung überzugehen, 27) der Staatsregierung die bezüglichen Petitionen als Material zu Über weisen, 3) die Regierung zu ersuchen, die Grundfätze über den Wasserbau unter gleichmäßiger Berücksichtigung der Interessen der Schiffahrt und der Landeskultur einer Prüfung zu unterziehen und eine einheitliche Regelung des Wasserbauwesens, insbesondere auch durch Gin setzung einer alle Zweige derselben umfassenden Behörde herbei zuführen.
Zweite Beilage
zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.
M H36.
Königreich Preußen. Gesetz,
betreffend die Veränderung der Grenzen einiger Kreise in den Provinzen Ostpreußen, Branden— burg, Sachsen, Hannover und der Rheinprovinz.
Vom 19. Mai 1891.
Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen ꝛc. verordnen, unter Zustimmung der beiden Häuser des Land⸗ tages der Monarchie, was fogt: §. 1.
Es werden vereinigt:
1) die Gutsbezirke Julienhöhe und Willmanns, unter Abtrennung von dem Landkreise Königsberg i. Pr., mit dem Kreise Labiau,
2) der Gutsbezirk Briesenhorst, unter Abtrennung von dem Kreise Soldin, mit dem Gutsbezirke Hohenwalde und dem Kreise Landsberg,
3) der Gutsbezirk Freiimfelde, unter Abtrennung von dem Saalkreise, mit der Stadtgemeinde und dem Stadt⸗ kreise Halle,
4) die Landgemeinden List, Vahrenwald, Hainholz und Herrenhausen, unter Abtrennung von dem Landkreise Hannover, mit der Stadtgemeinde und dem Stadtkreise Hannover,
5) die Landgemeinde Neuendorf, unter Abtrennung von dem Landkreise Koblenz, mit der Stadtgemeinde und dem Stadtkreise Koblenz. ö
8. 2.
Das gegenwärtige Gesetz tritt am 1. Juli 1891 in Kraft.
Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Königlichen Insiegel.
Gegeben Königsberg, den 19. Mai 1891.
(L. S.) Wilhelm. von Caprivi. von Boetticher. von Maybach. Herrfurth. von Schelling. Freiherr von Berlepsch.
Miguel. von Kaltenborn. von Heyden. Graf von Zedlitz.
Bekannt machung,
betreffend die abgeänderte Fassung des Erbschafts— steuergesetzes.
Vom 24. Mai 1891.
Auf Grund des Artikels 4 des Gesetzes vom 19. d. M., betreffend Abänderung des Erbschaftssteuergesetzes, wird der Text des Gesetzes, betreffend die Erbschaftssteuer, nachstehend mit dem Bemerken bekannt gemacht, daß das Gesetz in dieser Fassung am 1. Juli d. J. in Wirksamkeit tritt. Berlin, den 24. Mai 1891. Der Finanz-Minister. Miquel.
Gesetz, betreffend die Erbschaftssteuer.
Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen 2c. verordnen, unter Zustimmung beider Häuser des Landtags, für den Umfang der Monarchie mit Ausschluß der Insel Helgoland, was folgt:
5 Gegenstand der Erbschaftssteuer.
Der Erbschaftssteuer sind nach Vorschrift dieses Gesetzes und des (anliegenden), von Uns vollzogenen Tarifs unterworfen, . Unterschied, ob der Anfall Inländern oder Ausländern zukommt:
; 1) Erbschaften, Vermächtnisse und Schenkungen von Todes⸗ wegen (mit Einschluß der remuncgatorischen und der mit einer Auflage belasteten Schenkungen);
3 Lehns⸗ und Fideikommißanfälle:
3). die Anfälle von Hebungen aus Familienstiftungen, welche in Folge Todesfalles auf den vermöge stiftungsmäßiger oder gesetzlicher Successionsordnung Berufenen übergehen;
4) Vermögen verschollener bei vorläufiger Ausfolgung an die muthmaßlichen Erbberechtigten
3 Fideikommiß⸗ und Familien stiftungen.
In Betreff der von Fideikommiß⸗ und Familienstiftungen zu entrichtenden Werthstempelabgabe bewendet es bei den be— stehenden Vorschriften mit folgenden Maßgaben:
I) die Ermittelung des stempelpflichtigen Werthes erfolgt nach den Bestimmungen in den 8§. 14 bis 21 dieses Gesetzes, jedoch ohne Abzug der Schulden; ĩ
2) bei Fideikommiß⸗ und Familienstiftungen von Todes— wegen ist der Werthstempel binnen 6 Monaten nach dem Todesfall beizubringen und kommen wegen der Verhaftung für die Entrichtung desselben die Bestimmungen der 85. 29 und 30 dieses Gesetzes zur Anwendung.
Als Fideikommißstiftungen im Sinne dieses Gesetzes sind alle von Todeswegen oder unter Lebenden getroffene Anord— nungen anzusehen, kraft deren gewisse Vermögensgegenstände der Familie für immer oder für mehr als zwel Generationen erhalten bleiben sollen.
ö Schenkungen unter Lebenden. ⸗ Schenkungen unter Lebenden — insbesondere auch die
remuneratorischen und die mit einer Auflage belasteten Schen⸗
) In den Hoheniollernschen Landen und im Kreise Herzogthum Lauenburg kommt der 5 2 nicht zur Anwendung.
) In den Hohenzollernschen Landen und im Kreise Herzoathum Lauenburg kommt der dritte Absatz des 5. 4 nicht zur Anwendung. .. . genannten Gebietstheile treten an dessen Stelle folgende
orte:
Der Finanz Minister trifft nähere Bestimmungen üben die Art der Entrichtung dieser Abgabe. ö dieselbe haftet jeder Aussteller, sowie jeder spätere Inhaber oder Vorzeiger der Urkunde. .
Berlin, Freitag, den 12 Juni
— —— — —
kungen — unterliegen, wenn eine schriftliche Beurkundung derselben stattfindet, einer Werthstempelabgabe von dem Be⸗ trage der Schenkung. Als Beurkundung von Schenkungen im Sinne dieser Bestimmung sind alle Schriftstücke über solche Geschäfte anzusehen, bei welchen die Absicht auf Bereicherung des einen Theils gerichtet war, auch wenn das Geschäft in der Form eines lästigen Vertrages abgeschlossen ist. Bel Beurthei— lung der Frage, ob die Absicht der Bereicherung des einen Theils anzunehmen ist, sind auch solche Umstände in Betracht zu ziehen, welche aus der Urkunde nicht ersichtlich sind.
Der erforderliche Werthstempel bestimmt sich nach den Vorschriften des anliegenden Tarifs und der §§. 6 bis 25, sowie des 8. 27 erster Absatz dieses Gesetzes, indem an Stelle der Verhältnisse des Erblassers und des Erwerbers des Anfalls die Verhältnisse des Gebers, beziehungsweise des Be— schenkten berücksichtigt werden.
Im Uebrigen finden auf diese Werthstempelabgabe die Bestimmungen wegen des Urkundenstempels Anwendung. In denjenigen Fällen, in welchen die Versteuerung der Schenkung über die für die Verwendung des Urkundenstempels sonst vor— geschriebene Frist hinaus ausgesetzt bleibt (85. 22 bis 25 und Z. 27 erster Absatz, muß die Urkunde vor Ablauf dieser Frist der von dem Finanz⸗Minister zu bestimmenden Steuerbehörde vorgelegt werden, welche die erforderlichen Anordnungen wegen späterer Verwendung des Stempels zu treffen hat und welcher hierfür auf Verlangen Sicherheit zu bestellen ist.
S8. O2. Erbschaftssteuerpflichtige Masse.
Die Erbschaftssteuer wird von dem Betrage entrichtet, um welchen diejenigen, denen der Anfall zukommt, durch denselben reicher werden.
Es sind daher der steuerpflichtigen Masse alle zu derselben gehörige ausstehende Forderungen, auch die, welche der Er— werber selbst zur Masse schuldet, oder die ihm erst mit dem Anfall erlassen werden, hinzuzurechnen.
Dagegen kommen von der steuerpflichtigen Masse in Abzug alle Schulden und Lasten, welche mit und wegen derselben übernommen werden. Hierzu werden bei Erbschaften auch gerechnet die Kosten der letzten Krankheit und des Begräb— nisses des Erblassers, die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten der Nachlaßregulirung und der im Interesse der Masse geführten Prozesse, nicht aber der Betrag der Erbschaftssteuer selbst und nicht die Kosten der zwischen den Erbinteressenten in deren besonderem Interesse geführten Prozesse.
6
Zuwendungen zur Vergeltung übernommener Leistungen.
Insoweit eine Zuwendung zur Vergeltung für Leistungen bestimmt ist, welche mit dem Anfall übernommen werden und welche im Geldwerth zu veranschlagen sind, kommt der Werth dieser Leistungen von her Zuwendung in Abzug.
8, Stiftung en.
Vermögen, welches zur Begründung einer angeordneten oder einem Erben, Vermächtnißnehmer ü. s. w. aufgetragenen Stiftung — mit Ausschluß der Fideikommiß⸗ und der Familien⸗ stiftungen (8. 2) — gewidmet ist, wird hinsichtlich der Ver— steuerung ebenso behandelt, als ob dasselbe der schon begrün— deten Stiftung angefallen wäre, vorbehaltlich der anderweiten Feststellung und Nachforderung oder Erstattung der Steuer, fall die Stiftung nicht oder nicht in der angeordneten Weise zur Ausführung gelangt. Für die eintretendenfalls nachzu— erhebenden Steuerbeträge kann Sicherheitsbestellung gefordert werden.
8. 8. Zuwendungen zu milden ze. Zwecken.
Sind ohne Begründung einer Stiftung Zuwendungen zu milden, gemeinnützigen oder öffentlichen Zwecken angeordnet oder einem Erben, Vermächtnißnehmer 2c. Leistungen zu gleichen Zwecken aufgetragen, so werden dieselben hinsichtlich der Versteuerung ebenso behandelt, als ob zu demselben Zwecke eine Stiftung im Betrage der Zuwendung beziehungsweise Leistung angeordnet wäre.
Die auf solche Zuwendungen entfallende Steuer ist von den mit der Zuwendung Belasteten zu entrichten und kann, wenn dieserhalb keine andere Anordnung getroffen ist, auf die Zuwendung beziehungsweise Leistung selbst angerechnet werden.
3. 9
Unbewegliches Vermögen.
Grundstücke und Grundgerechtigkeiten, welche außerhalb Landes liegen, gehören nicht zur steuerpflichtigen Masse. Von dem Anfall inländischer Grundstücke oder Grundgerechtigkeiten oder deren Nutzungen ist die Erbschaftssteuer zu erheben, ohne Unterschied, ob der Erblasser Inländer oder Ausländer war und ob derselbe seinen a, im Inlande hatte oder nicht.
63 Bewegliches Vermögen.
Anderes als das im §. 9 bezeichnete Vermögen ist der Erbschaftssteuer unterworfen, wenn der Erblasser bei feinem Ableben seinen Wohnsitz in Preußen hatte oder die vorläufige Ausfolgung des Nachlasses (§. 1 Ziffer 4) von einem preußischen Gericht verfügt ist, das außerhalb Preußens belegene Vermögen indessen nur dann, wenn davon in dem auswärtigen Staat keine oder eine geringere Abgabe als nach den Vorschriften dieses Gesetzes zu entrichten ist. Im letzteren Fall wird die in dem auswärtigen Staat erweislich gezahlte Abgabe auf die diesseitige Steuer angerechnet.
5 1.
In Bezug auf den Nachlaß von Personen, welche in solchen Staaten ihren . gehabt haben oder Angehörige solcher Staaten e,. ind, in welchen die Erbschaftssteuer nach anderen, als den im 5. 10 angegebenen Grundsätzen erhoben wird, kann dey Finanz-Minister zum Zweck der Ausgleichung und thunlichster Vermeidung von Doppelbesteuerungen Abweichungen von der Vorschrift des 8. 10 in der Art anordnen,
1) daß die Erhehung der preußischen Erbschaftssteuer für das nicht in Grundstücken oder Grundgerechtigkelten bestehende Vermögen, unabhängig von dem Wohnsitz des Erblassers, zu erfolgen hat, sofern derselbe preußischer Staatsangehöriger war;
2) daß die Erhebung der preußischen Erbschaftssteuer für
1891.
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das nicht in Grundstücken oder Grundgerechtigkeiten bestehende Vermögen, unabhängig von dem Wohnsitz und der Staats— angehörigkeit des Erblassers, zu erfolgen hat, falls das Vermögen in Preußen sich befindet. 5. 12 Besondere Fälle der Versteuerung.
In denjenigen Fällen, in welchen bei Genehmigung von Schenkungen und letztwilligen Zuwendungen an Korporationen und andere juristische Personen diese die Verpflichtung über— nehmen, einen Theil des Empfangenen oder des Berne derselben an Angehörige des Schenkgebers oder Erblassers herauszugeben, haben letztere das auf diese Weise ihnen Zu— fließende so zu versteuern, als ob es ihnen von dem Schenk— geber oder Erblasser selbst zugewandt worden wäre.
§. 13. Vertheilung der Schulden und Lasten.
Schulden und Lasten, welche nur auf einem nach 88§. 9, 10 und 11 steuerfreien oder steuerpflichtigen Theile der Masse haften, kommen bei Berechnung der Steuer nur bei demjenigen Theile in Abzug, auf welchem sie haften.
Schulden und Lasten, welche sowohl auf dem steuerfreien, als auf dem steuerpflichtigen Theile der Masse haften, kommen von letzterem nur nach dem Verhältniß dieses Theiles zur ge— sammten Masse in Abzug.
Hypothekarische Schulden, für welche der Eigenthümer zugleich persönlich haftet, gelten als zunächst das Grundstück belastend und kommen nur rücksichtlich des durch das Grund— stück nicht gedeckten Betrages bei der übrigen Masse in An— rechnung.
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§. 14. Ermittelung des Werthes der Masse.
Die Ermittelung des Betrages der Masse ist, ohne Rück— sicht auf die für andere Zwecke vorgeschriebenen Abschätzungs— grundsätze, auf den gemeinen Werth zur Zeit des Anfalles zu richten.
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Bei immerwährenden Nutzungen und Leistungen wird das Zwanzigfache ihres einjährigen Betrages, bei Nutzungen und Leistungen von unbestimmter Dauer, sofern nicht die Vorschriften in den 88. 16 und 17 Anwendung finden, oder anderweite die längste Dauer begrenzende Umstände nachgewiesen werden, das Zwoͤlfundeinhalbfache des einjährigen Betrages als Kapitalwerth angenommen.
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Der Werth von Leibrenten, Nießbrauchsrechten auf Lebens— zeit und anderen auf die Lebenszeit des Berechtigten oder einer anderen Person beschränkten Nutzungen oder Leistüngen bestimmt sich nach dem zur Zeit des Anfalles erreichten Lebensalter der Person, bei deren Tode die Nutzung oder Leistung erlischt, und wird bei einem Lebensalter derselben ;
von 15 Jahren oder weniger auf das 18fache über 15 Jahre bis zu 25 Jahren auf das 17 fache
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, . des Werthes der einjährigen Nutzung beziehungsweise Leistung angenommen.
Ist jedoch die Nutzung oder Leistung schon innerhalb eines Jahres nach dem Anfalle erloschen, so wird der Werth der— selben nur nach Maßgabe ihrer wirklichen Dauer bestimmt und das Zuvielgezahlte erstattet.
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Ist die Dauer der Nutzungen oder Leistungen von der Lebenszeit mehrerer Personen dergestalt abhängig, daß beim Tode der zuerst versterbenden die Nutzung oder Leistung er— lischt, so ist für die nach 8. 1 vorzunehmende Werthermittelung das Lebensalter der ältesten Person maßgebend. Wenn die Nutzung oder Leistung bis zum Tode der letztversterbenden Person fortdauert, erfolgt die Berechnung nach dem Lebens⸗ alter der jüngsten Person.
8 1656.
Bei auf bestimmte Zeit eingeschränkten Nutzungen oder Leistungen ist der Kapitalwerth der gesammten Nutzungen be— ziehungsweise Leistungen für den Zeitpunkt des Anfalles unter Zugrundelegung eines 4 proz. JZinsfußes nach der (bei— gefügten) Hülfstabelle zu ermitteln. Ist jedoch die Dauer der Nutzung oder Leistung noch außerdem durch die Lebenszeit einer oder mehrerer Personen bedingt, so darf der nach 88. 16 und 17 zu berechnende Kayitalwerth nicht überschritten werden.
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Der einjährige Betrag der Nutzung eines Geldkapitals ist, wenn er nicht anderweitig feststeht, zu vier vom Hundert anzunehmen.
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Den Werth aller anderen Gegenstände anzugeben, liegt den Steuerpflichtigen beziehungsweise den im S. 37 bezeichneten Verpflichteten ob. Wer der Verpflichtung zur Angabe des Werthes auf ergangene Aufforderung der Steuerbehörde nicht genügt, hat die durch amtliche Ermittelung desselben ent— stehenden und mit der Steuer einzuziehenden Kosten zu tragen.
§. 21.
Trägt die Steuerbehörde Bedenken, die Werthangabe (5. 20) als richtig anzunehmen, und findet eine Einigung hierüber mit dem Steuerpflichtigen nicht statt, so ist die Steuerbehörde befugt, selbständig den Werth J ermitteln und danach die Steuer zu erheben. Die Kosten der Werthsermittelung fallen dem Steuerpflichtigen zur Last, wenn der ermittelte Werth den von dem Steuerpflichtigen angegebenen Werth um mehr als 10 Proz. übersteigt. Die etwa gezahlten Kosten werden er— stattet, wenn im Verwaltungswege oder im Rechtswege (5. 42) die Ermäßigung des Werthes auf einen nicht zum Kostenersatz verpflichtenden Veů ng erfolg * 2,
Bedingter Erwerb.
Vermögen, dessen Erwerb von dem Eintritt einer auf—
schiebenden Bedingung abhängt, unterliegt der Besteuerung
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