1891 / 141 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 18 Jun 1891 18:00:01 GMT) scan diff

die Zabl der kleinen Unfälle die Betriebsstörungen jur Folge hatten ungewöhnlich groß war, auch in Schlesien. Aber ich muß daran erinnern, daß wir für das Eisenbahnwesen einen Winter durch⸗ gemacht haben, wie er nach meinem Erinnern und ich kann auf eine lange Reihe von Jahren zurückblicken noch nicht vorgekommen ist. Es war ein Feldzug, wie er im Kriege nicht schlimmer auf den Eisenbahnen geführt werden kann. Zunächst die Ueberschwemmungen, dann der scharfe, plötzliche, lang andauernde Frost, der die Eisenbahnen auch in ihrem Oberbau heftig angriff, alsdann die Schneewehen, Alles vereinigte sich, um den Betrieb zu stören in einer Weise, wie es bisher nicht vorgekommen ist. Ich habe hierbei die Freude, anzuerkennen, daß die Beamten in den Provinzen das Möglichste gethan haben, die Schwierigkeiten zu überwinden, die ihnen von den Elementen geboten worden sind. Es ist davon gesprochen worden, daß Beamte in Oberschlesien 36 Stunden im Dienst gewesen seien. Das ist meines Wissens nicht in Schlesien vorgekommen, sondern am Rhein, wo Ende November Ueber⸗ schwemmungen eintraten, welche die Unterbrechung des Betriebes auf nicht weniger als 23 Linien zur Folge hatten und ganze Züge abschnitten; da haben sich die Beamten dazu bereit erklärt, nach Möglichkeit Dienst zu thun, um den Betrieb nicht ins Stocken gerathen zu lassen. Das ist einer der Fälle, wie wir ihn bei preußischen Beamten gewohnt sind; aber es freut mich, anerkennen zu können, daß die Beamten so Tüchtiges geleistet haben.

Dann hat Graf Frankenberg weiter bemerkt, daß von Kosel nach Oderberg ein zweites Geleise nöthig sei. Ich könnte ihm darin bei⸗ stimmen und sogar hinzufügen, daß die Vorarbeiten dazu schon in der Arbeit begriffen sind. Die Bahn kann dieses Geleise nicht entbehren, wie auch noch verschiedene andere Linien in Oberschlesien nöthig sind, um die vorhandenen Hauptbahnlinien zu entlasten, damit der Verkehr eine handlichere Gestalt gewinne.

Herr Graf Frankenberg hat sich dann auch darüber aufgehalten, daß die Zahl der Betriebsmittel nicht groß genug gewesen sei. Ich habe im anderen Hause schon angeführt, daß die Menge der Betriebsmittel, die wir in den letzten Jahren zur Vermehrung des vorhandenen Betriebsmaterials beschafft haben, eine sehr erhebliche ist. So sind die Lokomotiven, die wir über den früheren Bestand mehr beschafft haben, gleich dem Lokomotivenbestand der ganzen sãchsischen Staatsbabnen, die Güterwagen gleich dem Bestande der bayerischen Staatsbahnen. Es ist das also eine ganz gewaltige Leistung; und daß wir nicht noch weiter gegangen sind, liegt daran, daß wir der Meinung sind, gerade durch die Verstaatlichung könne eine ganz andere Ausnutzung des Betriebsmaterials herbeigeführt werden, als früher möglich war; und das hat sich auch bestätigt. Wenn gesagt wird, daß mit 36 000 km die Lokomotive ihre höchste Leistungsfähigkeit erreicht hat, so ist das nicht anzuerkennen. Es kommt darauf an, wie die Lokomotiven behandelt und bedient werden. Es sind uns kürzlich aus Nord ⸗Amerika Mittheilungen gemacht worden, wonach man auf eine Leistungsfähigkeit bis zu 84 000 km gekommen ist. Es kommt eben darauf an, auf die Maschine nicht bloß einen Führer zu setzen, sondern ihm folgend einen zweiten, und Vorkehrungen zu treffen, daß genügende Kontrole statt · findet über den Zustand der Maschinen, wie sie aus der einen Hand in die andere übergeht. Dieser Weg ist auch von uns beschritten worden; die Leistungsfähigkeit der Lokomotiven wird dadurch wesent⸗ lich erhöht werden. Dann ist man bezüglich der Tragfähigkeit der Wagen auf 125 und 15st übergegangen. Damit ist eine bedeutende Vermehrung der Leistungsfähigkeit erreicht, welche in Zukunft dem Verkehre zu gute kommt und die obenein bei den vorhandenen Wegen aus laufenden Mitteln bewirkt wird. Soviel Lokomotiven und Wagen anzuschaffen nebst allem Zubehör, soviel Personal zu halten, daß unter allen Umständen und zu jeder Zeit jedem Ver kehre genügt werden kann, ist eine physische Unmöglichkeit. Selbst wenn wir den ganzen Fuhrpark mit einem Kostenaufwande von 1100 bis 1200 Millionen verdoppeln, wenn wir alle Wagenschuppen, Lokomotivschuppen, Reparaturwerkstätten, Geleise und Alles, was sonst dazu gehört, beschaffen wollten, auch dann hätten Sie noch nicht die Garantie, daß allen Anforderungen des Verkehrs würde entsprochen werden können. Auch in anderen Geschäften ist es nicht zu verlangen und auch nicht ausführbar, daß jeder Forderung die Erfüllung auf dem Fuße folgt. Man muß da warten und sich eben einrichten. Im Großen und Ganzen kann ich doch sagen, daß, wenn die erwähnten Kalamitäten und elementaren Creignisse nicht ein getreten wären, wir den Winter ohne große Fährlichkeit würden über wunden haben. Der große Verkehr concentrirt sich auf die Monate September, Oktober, November, weil da die Brennmaterialien und landLwirthschaftlichen Produkte zusammenströmen und eine rasche Beförderung verlangen. Diese schwierigen Monate waren überstanden, und gerade als die Monate mit regelmäßig schwachem Verkehre, Januar und Februar, kamen, gerade da trat die Stockung ein infolge der Feindseligkeit der Elemente. Ich kann hier— nach nicht anerkennen, daß eine Verschuldung der Eisenbahnverwaltung zur Last fällt. Es ist dann ferner von dem Herrn Grafen von Frankenberg bemerkt worden, es wäre traurig, daß man sich genöthigt gesehen hätte, Kohlen aus England zu beschaffen. Allein es ist ja ein offenes Geheimniß, weshalb wir diese Kohlen gekauft haben. Wir haben neben unseren Kriegsbeständen auch Friedensbestände für den Fall eines Strikes und zwar einen Vorrath für 6 Wochen. Dieser Bestand war an einigen Stellen in der Noth angegriffen worden, die Lokomotiven brauchten unter den schlimmen Witterungsverhältnissen mehr Kohlen wie sonst. Da handelte es sich für uns allerdings darum, recht rasch unsere Kohlenvorräthe zu kompletiren und die Kohlen herzunehmen, wo sie gerade zu haben waren. Dieses Opfer haben wir gebracht und bringen zu müssen geglaubt, um gesichert und gerüstet zu sein gegen alle Verhältnisse, ebenso wie, als es darauf ankam, Eissprengungen vorzunehmen, um die Flüsse offen zu halten, nach meiner Meinnung nicht darauf zu sehen war, ob es einige Tausend oder Hunderttausend Mark mehr kosten würde.

Herr Graf Frankenberg meint, es könnte noch eine größere Anzahl von Lokomotiven und Wagen beschafft werden, und er wäre bereit, dazu noch 20 Millionen mehr zu bewilligen. Aber wenn Sie wirklich dazu übergehen sollten, die uns zur Verfügung gestellte Summe zu erhöhen, dann würde es gar nicht einmal möglich sein, diese Summe augen— blicklich zu vꝛrwenden; denn selbst die Summen, die wir hier in dem Gesetzentwurf vorgesehen haben, sind nicht so rasch unterzubringen, wie wir selbst es wünschen. Die Fabriken sind sämmtlich besetzt und Sie mögen im Inlande und Auslande nachsehen, ob dort überhaupt noch Bestellungen zu effektuiren sind. Es ist nicht blos bei uns, sondern

auch in anderen Ländern, in Deutschland, wie überall außerhalb ein Mangel an Betriebsmitteln eingetreten, und dieser Mangel will rasch befriedigt sein. Wir kommen deshalb mit unferen Bestellungen nicht zum Ziele und wenn Sie uns noch so viel Geld mehr geben würden. Ich hoffe, daß die Verkehrsbedürfnisse, soweit übersehbar, für längere Zeit mit dem Geforderten werden befriedigt werden können, vorausgesetzt natürlich, daß geeignete Maßregeln, um einen möglichst raschen Umschlag und Ersatz der Wagen und Lokomotiven zu erzielen, damit Hand in Hand gehen. Mehr zu fordern, als es unserer Ueberzeugung nach sich rechtfertigen läßt, dazu können wir uns nicht verstehen.

Die Frage, die Herr Graf Pfeil gestreift hat, die Nothwendigkeit einer Verbindung von Reichenbach nach Neurode im Interesse der Weberbevölkerung ist ja augenblicklich in der Erörterung begriffen, sie gehört aber, wenn auch in diesem Falle mit stärkerem Accent, zu den

Wünschen, die, wie vorhin gesagt, aus den verschiedenen Landestheilen

an uns herantreten. Ich habe es mir zum Grundsatz gemacht, über einzelne Wünsche, die an uns herantreten und die hier aus gesprochen werden, hier nicht einzugehen; ich bin nicht autorisirt dazu, ich besitze nicht das Material, um auch nur meine persönliche Ansicht darüber aussprechen zu können. Sie dürfen jedoch keineswegs, wenn

wir auf die einzelnen Wünsche hier nicht eingehen, daraus schließen,

als ob die Staatsregierung solchen Wünschen feindlich gegenüber stände. Das thut sie nicht, sie wird die Sachen erwägen und, wenn Zeit, Wind und Wetter und die Staatsfinanzen es erlauben, darauf eingehender zurückkommen. (Bravo!)

Freiherr von Lands berg⸗Steinfurt befürwortet bei der Eisenbahn⸗Verwaltung den Bau einiger Bahnverbindungen in West⸗ falen und fügt dem Dank, den er ebenfalls dem Minisier für seine Amtsthätigkeit ausspricht, den Ausdruck des Stolzes hinzu, mit welchem auf den Minister dessen Heimathsprovinz hinblicke,

Graf von der Schulenburg Beetzendorf bezweifelt, daß der Bau einer Bahn im Eulengebirge den uralten Nothstand der Weber beseitigen könne; besser würde es sein, die Weber mit etwas mehr Grund besitz auszustatten, um sie der Landwirthschaft zuzuführen. Das Haus sehe den Minister mit Bedauern scheiden, boffe aber, daß die von ihm gelegte Grundlage der Staatsbahnen von seinen Nach⸗ folgern werde aufrecht erhalten werden.

Die Vorlage wird darauf in allen ihren Theilen, aus— schließlich der beantragten Resolution, angenommen.

Darauf wird in einmaliger Schlußberathung die Vor⸗ lage wegen der rheinischen Gewerbegerichte genehmigt.

Schluß 31 Uhr.

Haus der Abgeordneten. 166. Sitzung vom Mittwoch, 17. Juni.

Der Sitzung wohnen der Vize-Präsident des Staats⸗ Ministeriums, Staats-Minister Dr. von Boetticher, der Minister des Innern Herrfurth und der Minister der geist⸗ lichen ꝛc. Angelegenheiten Graf von Zedlitz⸗Trütz schler bei.

Das Wildschadensgesetz wird in namentlicher Schluß⸗ abstimmung mit 175 gegen 97 Stimmen angenommen.

Das Haus erklärt darauf eine Reihe von Petitionen, welche von den Kommissionen zur Erörterung im Plenum nicht für geeignet erachtet sind, für erledigt.

An Stelle des Abg. Dr. Weber (Halberstadt) wird auf Vorschlag des Abg. von Gliszezynski . der Abg. Br. Sattler zum Mitglied der Staatsschuldenkommission durch Akklamation gewählt, der die Wahl dankend annimmt und sich durch seinen auf die Verfassung geleisteten Eid auch für die ihm in dieser Stelle obliegenden Funktionen ver⸗ pflichtet erklärt. ;

Es folgt die Berathung des vom Herrenhause in ab⸗ geänderter Fassung zurückgelangten Gesetzentwurfs, betreffend die außerordentliche Armenla st. .

Auf Antrag der Abgg. Im Walle und von Jagow wird der Gesetzentwurf in der vom Herrenhause beschlossenen Fassung en bloF'e angenommen.

Den nächsten Gegenstand der Tagesordnung bildet die zweite Berathung des Gesetzentwurfs, betr. die Ver— legung der Landes-Buß- und Bettag e.

Die zur Vorberathung des Entwurfs eingesetzte Kom⸗ mission beantragt durch ihren Referenten, den Abg. von Bülow 2

A. In Erwägung,

k 5 , n eg eine den beiden christlichen Konfessionen gemeinsame Feier eines Buß und Bettages nicht sicher stellt, daß dagegen bei seiner Annahme voraussichtlich in verschiedenen Landestheilen zwei Tage der gewerblichen Thätigkeit entzogen werden müßten, 66

in sernerer Crwagung,

u der in . Gesetzentwurf in Vorschlag gebrachte Tag (Freitag) vielseitig als Feiertag nicht geeignet erscheint, daß aber andererkeits das Bedürfniß nach Vereinigung der verschiedenen Buß⸗ und Bettage auf einen gemeinsam zu feiernden Tag anerkannt wird,

I) den Gesetzentwurf, betreffend die Verlegung der Landes⸗ Buß⸗ und Bettage, abzulebnen;

2) der Königlichen Staatsregierung anheimzustellen, mit den betreffenden Landesregierungen und Kirchenbehörden beider Kon⸗ fessionen erneut in Verhandlung zu treten und dabei eine Ver⸗ einigung zu gemeinsamer Feier auf einen Tag gegen Schluß des Kirchenjahres, womöglich in der vorletzten Woche auf einen Mitt⸗ woch, in Aussicht zu nehmen. .

B. Die zu dem Gesetzentwurfe eingegangenen Petitionen durch diese Beschlußfassung für erledigt zu erklären. ;

Der Abg. Schultz (Eupitz ) dagegen beantragt, im Kom⸗ missionsantrage unter A2 die Worte: „gegen Schluß des Kirchenjahres, womöglich in der vorletzten Woche auf einen Mittwoch“ zu streichen und durch die Worte zu ersetzen; im Anfange der , womöglich auf den Mittwoch nach

em Sonntag Invocavit“.

; meh 5 (Eupitz): Er sei der Ansicht, daß die von der Kommifssion für den Bußtag in Aussicht genommenen Tage sowohl für die Landwirthschaft als guch für die Industrie sehr ungünstig lägen. Vor Eintritt des Frostes müßten in der Landwirthschast viele drängende Arbeiten verrichtet werden, und vor dem Weihnachtsfest sei auch die Industrie gezwungen, mit Anspannung aller Kräfte zu arbeiten jedes Ausfallen eines Arbeitstages in dieser Zeit sei also für Industrie wie für Landwirthschaft ein sehr fühl barer wirth⸗ schaftlicher Verlust. Auch vom religiösen Standpunkte müse man sagen, daß der Beginn der Fastenzeit eine für Ansetzung des Buß⸗ und Bettages sehr geeignete Zeit sei. :

Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten Graf von Zedlitz⸗Trützschler:

Meine Herren! Aus den bisherigen Verhandlungen über die uns vorliegende Frage ist, glaube ich, das unzweifelhaft zu konstatiren, daß auf allen Seiten dieses hohen Hauses keine Geneigtheit besteht, eine Regelung im gesetzlichen Wege herbeizuführen, welche die Staats regierung nöthigt, in immerhin erheblichen Distrikten des preußischen

Staates für zwei Tage, mit Rücksicht auf die kirchliche Feier Ent⸗ haltung von der gewerblichen Thätigkeit anzuordnen.

Ich glaube ferner, daß aus den bisherigen Verbandlungen hervor⸗ geht, daß man allseitig anerkannt hat, daß, wenn das Ziel einer gemeinsamen Feier bei beiden christlichen Konfessionen erreicht werden soll, der Freitag als Bußtag kein geeigneter Tag ist. (Sehr richtig)

Sind diese beiden Voraussetzungen zutreffend, so ist ja damit, wie ich zunächst anführen will, der Gesetzentwurf gefallen, und es handelt sich nunmehr lediglich um die Frage, welche Direktive soll die Königliche Staatsregierung für die weiteren Verhandlungen mit den vielfach dabei konkurrirenden Behörden und Interessentenkreisen bekommen, um künftig mit Aussicht auf einen neuen ähnlichen Gesetz⸗ entwurf vorlegen zu können.

Da ist es zunächst die ja auch von dem Hrn. Antragsteller Schultz Lupitz hervorgerufene Frage des Zeitpunktes, auf welchen der künftige einheitliche Festtag zu legen sei. Wenn wir es in dieser Beziehung lediglich mit den altpreußischen Provinzen zu thun hätten und mit denjenigen Gebietstheilen in ihnen, welche unter der preußischen Landeskirche stehen, dann würde ich nicht einen Augenblick Bedenken tragen, dem hohen Hause zu empfehlen, den Antrag des Hrn. Schultz Lupitz an Stelle des Kommissions— antrages anzunehmen. (Hört Da aber die Staatsregierung, um zu einer einheitlichen Regelung der Frage ju gelangen, nicht nur mit einer ganzen Reihe von Landesregierungen der verbündeten Staaten, sondern auch mit einer großen Anzahl von Kirchenregierungen und mit den Bischöfen der katholischen Kirche unterhandeln muß, glaube ich, daß nach dem Ergebniß der bisber mit diesen Faktoren gepflogenen Verhandlungen diejenige Zeit, welche der Antrag Schultz Lupitz ins Auge faßt, für künftige Verhandlungen absolut keine Aussichten bietet.

Meine Herren, das Studium der früheren Verhandlungen er giebt einmal, daß auch innerhalb der evangelischen Kirche vom kirchlichen Standpunkt aus im Allgemeinen die Fastenzeit als für den Bußtag nicht geeignet erscheint; es ergiebt sich aber ferner zweifellos und das beweist ja schon der Widerstand gegen den Freitag —, daß die katholische Kirche ihrerseits niemals einer Ordnung zustimmen würde, wenn ein Tag innerhalb der Fastenzeit gewählt würde. Meine Herren, über den Punkt kommen wir ja leider nicht hinweg, daß die katholische Kirche nicht den Bußtag mit uns feiern will, sondern daß sie event. nur geneigt sein würde, einen gemeinsamen Feiertag mit uns zu feiern, diesen Feiertag aber ihrerseits inhaltlich nicht als Bußtag, sondern als Bitttag oder als Heiligenverehrungstag begehen würde. Ich habe wenigstens den Eindruck aus den ganzen Verhandlungen der früheren Zeit und aus dem, was ich in diesen Beziehungen in den Kommissionsverhandlungen gehört habe, gewonnen, daß es niemals möglich wäre, diese kirchlichen Gegenströmungen derartig zu überwinden resp. derartig zu vereinigen, daß wir in der Fastenzeit zu einem gemeinsamen, in Norddeutschland allgemein gültigen Bußtag gelangen können. Ist das aber nicht der Fall, dann bleiben ja gegen den Schultz'schen Vorschlag alle diejenigen Bedenken bestehen, die gegen den von der Staatsregierung Ihnen vor⸗ gelegten Gesetzentwurf erhoben worden waren, welche nämlich darin bestehen, daß alsdann zwei Tage im Jahre von der gewerblichen Arbeit ausgenommen werden müßten, wenn auch nicht überall, so doch in großen Theilen unseres Vaterlandes.

Wenn Sie nun ferner erwägen wollten, daß für die Zeit am Schluß des Jahres der sehr wesentliche Grund spricht, daß für ibn sich nicht allein fast alle bundesstaatlichen Regierungen sowie sämmt⸗ liche konkurrirende Kirchenregierungen der evangelischen Kirche ausge sprochen haben, und daß auch die Bischöfe der katholischen Kirche in einer, wenn ich auch zugeben will, nicht ganz positiv gehaltenen, so doch diese Deutung zulassenden Bemerkung am Schluß des Schreibens an die Staatsregierung das Ende des Kirchenjahres als einen möglichen Ver— einigungspunkt bezeichnet haben, so, glaube ich, erscheint es allein praktisch zweckmäßig und, wenn man überhaupt das Ziel erreichen will, allein geeignet, auf den Schluß des Kirchenjahres die Aktion zu richten und dort einen geeigneten Tag herauszusuchen.

Der Hr. Abg. Schultz ⸗Lupitz motivirt nun wesentlich seine Bedenken gegen diese Zeit mit den Rücksichten auf die gewerbliche Thätigkeit, vorzugsweise auf die gewerbliche Thãtig keit der ländlichen Produktion. Ich kann ja zugeben, daß in dieser Jahreszeit der Fortfall eines Arbeitstages nicht gerade er— wünscht ist; aber ich glaube, unter unseren klimatischen Verhãältnissen liegen die Dinge doch nicht so schlimm, wie er es eben bezeichnet hat. Im Osten ist wenigstens in der Mitte des Novembers meiner Erfah⸗ rung nach die Feldarbeit entweder überhaupt unmöglich oder sie ist in der Hauptsache geschlosen. Ebenso ist es mit den von der Land⸗ wirthschaft abhängigen Gewerben doch so, daß, wenn auch der Satz richtig ist, den der Abg. Schultz ⸗Lupitz eben bervorhob: je früher ich die Knollenprodukte verarbeite, desto sicherer bin ich, die höchsten Prozente ihnen zu entnehmen dies doch nur für die Zuckerindustrie völlig zutrifft. Der Herr Abgeordnete wird mir zugeben, daß man in der Kartoffelindustrie noch im Februar und März und das wird der späteste Termin sein, wohin der Bußtag etwa gelegt werden könnte immer noch Kartoffeln verarbeitet, und daß ich, was ich im November etwa verliere, doch im Februar oder März wieder gewinne. Es würde sich das Bedenken also lediglich auf die Frage zuspitzen: ist das Drängen der Feldarbeit so groß, ist für die Einheimsung der Knollenfrüchte und für die Verarbeitung der Zuckerrüben die Zeit im Herbst so un⸗ entbehrlich, daß wir alle die Vortheile, die mit der Wahl eines Tages am Ende des Kirchenjahres sonst verbunden sind, deswegen zurückstellen müssen? Diese Frage verneine ich, und ich bitte des⸗ wegen, es bei dem Kommissionsantrag zu belassen und ihn mit mög⸗ lichst großer Mehrheit anzunehmen.

Meine Herren, ich bin mir vollkommen bewußt, daß solche Resolutionen ja einen, maßgebenden gesetzgeberischen Werth nicht be⸗ sitzen, aber für die schwierigen Verhandlungen, die mir obliegen, ist es mir allerdings von alleräußerstem Werth, mich stützen zu können auf das möglichst einstimmige Votum dieses hohen Hauses. (Bravo)

Abg. Goldschmidt: Dem Minister müsse in diesen Ver⸗ handlungen gerade ein weiter Spielraum gelassen werden, man dürfe

ihm nicht die Hände binden. Es werde sich also höchstens empfehlen, in den Kommissionsantrag alternativ den Antrag Schultz aufzunehmen. Nach seinen persönlichen Wünschen würde er es bei dem bestehenden Zustande belassen.

Abg. Seer empfiehlt die Annahme der Resolution als den einzigen zur Zeit möglichen und gangbaren Ausweg.

Abg. Schultz (Lupitz ändert nunmehr, um der Rezierung die weiteste Latitũde zu lassen, seinen 6, dahin ab, daß in dem Kommifssiongantrage die Worte gegen den Schluß des Kirchenjahres, . in der vorletzten Woche auf einen Mittwoch“ gestrichen werden sollen.

Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Graf von Zedlitz⸗Trützschler:

Ich möchte im Anschluß an die letzte Rede des Hrn. Schultz⸗ Lupitz nur hervorheben, daß ich ja zwar außerordentlich dankbar bin für den Ausdruck des Vertrauens und der Zuversicht, daß es mir resp. der Königlichen Staatsregierung gelingen wird, auch mit einer ganz freien Perspektive die Verhandlungen zum Ab⸗ schluß zu bringen, daß ich aber leider den Erfolg in dieser Beziehung dann doch recht fern gerückt sehen würde. Es ist Ihnen aus der ersten Diskussion noch zweifellos erinner⸗ lich, daß ein Haupteinwand gegen das Gesetz aus dem Gedanken hergenommen wurde, erst müssen die Kirchen beschließen, und dann kann an den Staat die Frage herantreten, ob er diesem von den Kirchen beschlossenen Feiertag seine Sanktion in Bezug auf die Enthaltung von gewerblichen Arbeiten geben will. Umgekebrt werden, wenn die preußische Staatsregierung die Verhandlungen erneut aufnimmt, die betheiligten Kirchenregierungen sagen: erst wenn du uns einen Tag oder wenigstens eine Zeit vorschlägst, für die wir die Gewißheit haben können, daß uns der Schutz vor gewerblichen Arbeiten gewährt wird, dann werden wir uns mit dir darüber ver— einigen. Wenn ich nicht in der Lage bin, das schwer ins Gewicht fallende Votum dieses hohen Hauses nach einer bestimmten Richtung in die Wagschale bei diesen Verhandlungen legen zu können, dann, glaube ich, werden diese Verhandlungen aussichtslos bleiben.

Abg. Schultz (Lupitz)h zieht hiernach auch den zweiten von ihm gestellten Antrag zurück.

Der Kommissionsantrag wird angenommen, nachdem ein Antrag Goldschmidt, in den Schlußsatz, wie oben erwähnt, Alternativen zu fassen, in der Minderheit geblieben ist.

Es folgen Kommissionsberichte über Petitionen.

Die Petition verschiedener Gemeinden und Rittergüter wegen Gewährung einer Beihülfe aus Staatsmitteln Behufs Eindeichung der linksseitigen Oderniederung zwischen Breslau und Ohlau, sowie Regulirung des Schwarzwasserthals wird auf Antrag der Agrarkommission debattelos der Regierung zur Erwägung überwiesen mit der Maßnahme, weitere Er— mittelungen darüber anstellen zu wollen, wie den großen Uebelständen abzuhelfen sei.

Die Petition des Vorstandes des Neuwarper Fischerei⸗ vereins, betr. die Maschenweite der Reusen, wird unter Ab— lehnung des Kommissionsantrages auf Uebergang zur Tages— ordnung nach dem Antrage des Abg. von Enckevort der Regierung zur Erwägung üͤberwiesen.

Die Petition von Fischern aus Oestlich! und Westlich— Neufähr, betr. die Maschenweite der Netze und die Schonzeit für Fische im unteren Weichselgebiet, wird dem Antrag der Kommission entsprechend der Regierung zur Erwägung üher— wiesen, nachdem Abg. Rickert die Regierung gebeten hat, diese für eine wenig begüterte, dabei aber zahlreiche und fleißige Bevölkerung eine Lebensfrage darstellende Materie mit größtem Wohlwollen zu behandeln.

Die Petition von Fischern in Mariendorf, Altreddwitz und Baabe, betr. die Parzellirung der Domäne Philippshagen, Kreis Rügen, wird auf Antrag der Agrarkommission ohne Debatte der Regierung zur Erwägung überwiesen.

Es folgt der Bericht der Petitionskommission über die Petition von Innungsverbänden in Berlin, betr. die Regelung der Gefängnißarbeit.

Die Petitionskommission beantragt: mit Rücksicht auf die Erklärungen der Herren Regierungs⸗ kommissgrien über die Petition zur Tagesordnung überzugehen.“

Abg. Lückhoff: Mit Rücksicht auf die Wichtigkeit der hier in Frage stehenden Angelegenheiten könne er dem Beschlusse der Petitions- kommission nicht beitreten, sondern bringe den Antrag wieder ein, welchen der Berichterstatter schon in der Kommission gestellt habe, unter Anerkennung der Bemühungen der Staatsregierung, die Beeinträchtigung des freien Gewerbebetriebes durch die Gefängnißarbeit nach Möglichkeit zu verhüten, diese Pe— tition der Staatsregierung zur Erwägung zu über⸗ weisen. Es handele sich hier darum, das Handwerk vor einer Kon— kurrenz durch die Gefängnißarbeit zu schützen, welcher dasselbe nicht gewachsen sei. Diese Erwägungen hätten dahin führen müssen, schon in der Kommission den nun von ihm aufs Neue gestellten Antrag anzunehmen. Allerdings sei das Bestreben der Regierung anzuerkennen, Bedürfnisse des Staats durch Gefängnißarbeit zu decken, leider aber hätten besonders die Arbeiten für das Heer in letzter Zeit eine bedeutende Einschränkung erlitten. Die Straf— anstalten hätten sich, wie der Kommisar des Ministeriums des Innern in der Kommission ja auch ausgeführt habe, zu Lieferungen des Bedarfs insbesondere an Schubmacher« und Schneiderarbeiten gegen Gewährung eines Tagelohnes erboten, welcher im Durchschnitt einen Betrag von 63 3 pro Kopf und Arbeitstag für die Männer und von 37 für die Weiber er⸗ geben haben würde. Der Kriegs ⸗Minister sei leider hierauf nicht ein⸗ gegangen, weil nach seiner Mittheilung die Heeres verwaltung ihren vollen Bedarf an Schuhmacherarbeiten auf den Truppen! und Corps werkstätten zu decken vermöge. Er elaube, es liege dies weder im Interesse des Staats, noch des Handwerks. Er meine, die ganze Frage der Gefängnißarbeit sei eine so dringende, daß das Staats- Ministerium vor Allem das Ministerium für Handel und Gewerbe, sich damit hätte beschäftigen müssen. Seines Erxachtens sei die Frage nur zu lösen, wenn der Staat die Gefängnißarbeit mehr fCür sich in Anspruch nähme. Es geschehe dies ja auch in anderen Ländern, und er habe die Hoffnung, daß der Regierungskommissar seinen Antrag nicht bekämpfen werde. Er möchte auch den Gedanken anregen, ob es nicht möglich sei, die kräftigen Arbeiter mehr mit öffentlichen Arbeiten, landwirthschaftlichen u. s. w., zu beschäftigen. Es würde dies natürlich unter strenger Aufsicht geschehen müssen. Zum Schluß verweise er noch auf eine ebenfalls eingegangene Petition von Korb⸗ machern in Altona, welche über die ihnen durch die Gefängnißarbeit erwachsende erdrückende Konkurrenz klagten, und bitte dringend, seinen Antrag anzunehmen. .

Die Abgg. Dr. Sattler und Hitze erklären sich für den An— trag Lückhoff, Abg. Lehmann erklärt dagegen, daß bei den ersicht⸗ lichen Anstrengungen der Regierung, die Konkurrenz für das Hand— werk zu mindern, über die Petition wohl zur Tagesordnung überge—⸗ gangen werden könne.

Geheimer Ober- Justiz Rath Starke: Er müsse das Haus dringend bitten, den Antrag der Kommission nzunehmen. Der Abg. Lückhoff gestehe ja felbst zu, daß die Bestrebuüs gen der Regierung an⸗ erkennenswerthe feien. Solle die Regierung nochmals erwägen, was chon erwogen sei? Die Verhältnisse lägen in anderen Ländern anders als bei uns. So könne ia England das ganze Jahr hindurch im Freien gearbeitet werden, bei uns nur neun Monate. Was sollten die mit der Landwirthschaft beschäftigten Gefangenen in den anderen drei Monaten arbeiten? Die Regierung thue in dieser Angelegenheit das Mögliche, und eine nochmalige Erwägung sei nicht nzthig.

Abg. Rickert: Seines Erachtens bleibe die Frage auf der

Regierung anerkennen und trotzdem die Petition derselben zur Er⸗ wan, überweisen. Er bitte um Annabme des Antrages Lückboff.

Abg. Cremer (Teltowp: Wenn das Haus heute zur Tages- ordnung übergehe, würde man annehmen können, es balte die Frage für abgeschlossen. Er verkenne nicht, daß die Regelung der Frage eine schwierige sei. Arbeit sei für die Gefangenen nothwendig, es müsse aber darauf gesehen werden, daß sie eine erziebliche sei und daß dem Handwerk nicht eine drückende Konkurrenz gemacht werde. Wie es gelungen sei, der Anfertigung von künstlichen Blumen in dem Strafgefaͤngniß in 1 ein Ende zu machen, so könne und werde dies auch bei anderen Industriezweigen möglich sein.

Geheimer Ober ⸗Justiz Rath Starke erklärt, daß die künstliche Blumenfabrikation in Plöͤͤtzensee nur deshalb aufgegeben worden sei, weil der betr. Unternehmer den Vertrag gekündigt habe.

Hierauf wird der Antrag Lückhoff mit großer Majorität angenommen.

Eine Petition von Seminarlehrern in Weißenfels und anderen Orten wegen Verbesserung ihrer Gehalts verhältnisse wird auf Antrag der Unterrichts kommission der Staatsregie— rung zur Berücksichtigung im nächsten Etatsjahre überwiesen, nachdem die Abgg. Zaruba und Bödiker diesen Kommissions⸗ antrag Annahme empfohlen hatten.

Auf Antrag der Budgetkommission werden verschiedene Petitionen, betreffend die Eisenbahnfrachtsätze für Getreide, ohne Debatte der Regierung als Material Üüberwiesen, ver⸗ schiedene Petitionen, betreffend die Personentarife auf Eisen—⸗ bahnen, werden für erledigt erklärt.

Die Petition des Redacteurs Hermann Horn und Ge— nossen in Berlin, betreffend die Personentarife im Berliner Stadtbahn- und Vorortverkehr, soll nach dem Vorschlag der , , der Regierung als Material überwiesen werden.

Referent Abg. Sattler: In der Anlage zu der Petition seien besonders merkwürdige Erscheinungen im Tarif des Berliner Stadtbahn und Vorortverkehrs hervorgehoben. Es sei in der Kom mission von den Vertretern der Staatsregierung bemerkt worden, daß nicht alle hier angeführten Angaben thatsächlich richtig seien, sie hätten aber andererseits erklärt, daß die Regierung selbst in Er— wägungen begriffen sei, eine andere Gestaltung und eine Reform des Personentarifs im Berliner Stadtbahn« und Vorortverkehr herbei⸗ zuführen, und die Kommission schlage dem Hause vor, die Petition der Regierung als Material bei diesen Erwägungen zu überweisen.

Ohne Debatte genehmigt das Haus diesen Antrag.

Verschiedene Petionen, betreffend den Bau neuer Eisen—⸗ bahnen, und eine Petition des Gutsbesitzers Hilgner und Ge⸗ nossen, betreffend den Bau der Eisenbahn von Nimptsch nach Gnadenfrei, werden der Regierung als Material überwiesen.

Schluß 21½ Uhr.

Statiftik und Volkswirthschaft.

Zur Arbeiterbewegung.

Der Ausstand der Getreidearbeiter in Mann— he im ist, wie ein Wolff'sches Telegramm mittheilt, gestern nach achtzehntägiger Dauer endgültig beendigt worden, nach⸗ dem auch die letzten Ausständigen die Arbeit unter den früheren Bedingungen wieder aufgenommen haben. (Vgl. Nr. 139 d. Bl.) w

In Liegnitz ist ein Strike der Former ausgebrochen, über welchen das „Liegn. Stbl.“ Folgendes berichtet:

In der Hübner'schen Maschinenfabrik wurde vor einigen Tagen ein Former entlassen. In Folge dessen legten am Sonnabend früh sämmtliche Former die Arbeit nieder und erklärten, dieselbe erst dann wieder aufnehmen zu wollen, wenn jene Entlassung rückgängig gemacht würde. Natürlich wurde dieses Ansinnen zurückgewiesen und ihnen eröffnet, daß, wer am Montag nicht zur Arbeit komme, ent— lassen sei. Bis Montag Mittag war Niemand erschienen.

Ueber den Ausstand der Heizer und Kohlenzieher des Norddeutschen Lloyd wird der „Köln. Ztg.“ aus Nordenham geschrieben:

Der Ausstand der Heizer und Kohlenzieber scheint für diese immer aussichtsloser zu werden. Wenn nicht irgend eine unerwartete Wendung eintritt, wird er ohne viel Aufhebens einschlafen. Aus England und aus Skandinavien sind reichlich Ersatzleute eingetroffen. Der Norddeutsche Lloyd ist sogar in der Lage, Leute, welche in dem schwierigen Beruf der Ausständigen nicht zu ause sind, abweisen zu können. Den schwersten Schlag hat der Ausstand durch die Maß—⸗ nahme des Lloyd erhalten, den Dampfer „Amerika“ auf die Rhede zu legen und auf ihm die Ersatzleute unterzubringen, deren Zahl schon gegen 150 betragen soll. Auf den jetzt ankommenden Schnell⸗ dampfern verbleiben auch die meisten Heizer und Kohlenzieher bei der Aussichtslosigkeit des Ausstandes. ;

In Quedlinburg fand am letzten Sonntag eine sozial demolrgtische Parteiversammlung des Wahl⸗ kreises Kalbe-Aschersleben statt, über welche der „Vorwärts“ Folgendes mittheilt:

Vertreten waren etwa 40 Ortschafter, anwesend ungefähr 400 Per⸗ sonen Nach dem Bericht der Delegirten aus den verschiedenen Ort— schaften zu urtheilen, schreitet die Bewegung in unserem Kreise mit Riesenschritten vorwärts. Schon manches Dorf, welches bei der letzten Wahl noch verschlossen war, steht uns jetzt offen, auch sind wir jetzt in der Lage, Versammlungen abhalten zu können. Aber auch die Nachbarkreise raffen sich auf, denn unter den Ortschaften im Kreise Anhalt U in der Harzgegend finden sich solche, wo 40 bis 50 Arbeiter⸗ zeitungen gelesen werden.

In Leipzig hielten die Glasergehülfen am Dienstag eine von achtzig Personen besuchte Versammlung ab, welche sich mit der Besprechung von Tarifangelezenheiten, namentlich von angeblichen Tarifverletzungen der Innungsmeister beschäftigte. Diese Verletzungen stellten sich der Lpz. Ztg.“ zufolge als ganz unwesentlicher Natur heraus, schwieriger dagegen erschien die Frage, wie man zu ihrer Beilegung sich mit der Innung verständigen sollte. Der Ausschuß der Innungsgehülfen, das natürliche Organ jum Ver kehr mit der Innung, war im vorigen Jahre auf Betreiben einer innungefeindlichen schwachen Majorität aufgelöst, von der Innung dagegen seither jede Unterhandlung mit der an Stelle des Ausschusses gtwählten Tarifkommission (die auch von Nichtianungs⸗ gehülfen gewählt wird und der auch Nichtinnungsgehülfen angehören dürfen) verweigert worden. Die Versammlung suchte sich dadurch zu helfen, daß sie eine besondere aus 7 Mitgliedern bestehende Kom⸗ mission für den Verkehr mit der Innung ernannte.

Hier in Berlin beschlossen die Putzer in ihrer letzten öffent⸗ lichen Versammlung, sich dem Centralverband der Maurer Deutschlands anzuschließen, und beauftragten die Vertrauensleute, sich vom Verbandsvorstand Statuten senden zu lassen, damit gemäß diesen Statuten die Konstituirung der Filiale (Putzer Berlins) des Verbandes stattfinden könne. Diesem Auftrage sind die Ver⸗ trauensleute nachgekommen, und in einer auf den 16. d. M. be⸗ rufenen Versammlung fand, wie der ‚Vorwärts“ berichtet, die Grün⸗ dung der Filiale statt. ;

Der Ausstand im Becken von Charleroi dauert auch gegenwärtig noch fort. Der „Köln. Ztg.“ wird unter dem 16. d. M. von dort geschrieben:

Auch der heutige Tag der 52. bat nur wenig Aenderung gebracht. Wohl 15 006 Mann sind noch immer nicht ange⸗ fahren. In Trazegnies hatten die Klerikalen gestern eine Volks⸗ versammlung zur Besprechung der Arbeiterfrage veranstaltet, und

Tagesordnung, bis sie gelost sei. Man könne die Thätigkeit der

zwar in dem Heim der „Ritter der Arbeit“. Advokat Levie

aus Charleroi, der Hauptredner, empfahl den Arbeitern die Bildung von Gewerkvereinen als das beste Mittel zur Wahrung ibrer wirthschaftlichen Interessen. Redner tadelte mit den bekannten Gründen die Achtstundenbewegung, empfahl jedoch den Bergleuten, etwas mehr als bisher für die Schlepper einzutreten, damit deren Arbeitsdauer die in manchen Gruben bis zu 14 und 16 Stunden beträgt vermindert werde. Der Redner tadelte auch, daß noch fortwährend Kinder unter dem gesetzlichen Alter beschäftigt werden. Callewaert, der Führer der Arbeitsritter, sprach darnach in sozialistischem Sinne.

In Bezug auf den von den Bäckergesellen in Paris geplanten Ausstand theilt man demselben Blatte Folgendes mit:

Die Unterredung, welche der Minister des Innern am Sonntag mit der Abordnung der Bädergesellen hatte, führte zu keinem entscheidenden Ergebniß. Der Minister stellte den Gesellen vor, daß sie bei einem Ausstande wegen der Stellenvermittelungs-Bureaus nicht diesen, sondern nur sich selbst und ibren Meistern, die doch ganz un⸗ schuldig seien und mit ihnen im besten Einvernehmen ständen, schaden würden. Obgleich der Minister Abhülfe versprach, so beruhigte sick die Abordnung doch nicht, sondern erklärte, sie müsse erst ihre Kollegen befragen. Daß es zu einem Ausstande der Bäckergesellen kommen wird, ist indeß nicht sehr wahrscheinlich. Sie geben jedoch ein schlechtes Beispiel, und die Metzgerburschen, die bisher für Antirevolutionäre galten, hielten nun ebenfalls eine Versammlung ab, um gegen die Stellen— vermittelungs⸗Bureaus ihrer Zunft Einspruch zu erbeben. Diese Stellen vermittelungs-Bureaus hat man bis ktzt nicht abgeschafft, weil sie der Polizei gute Dienste leisten. Wie in der Versammlung fest⸗ gestellt wurde, beuten diese Bureaus die Metzgerburschen nicht allein in ungehöriger Weise, aus, sondern zwingen auch, da— mit ibr Geschäft besser gebt, die Metzger, ihre Burschen zu entlassen und sie durch neue aus der Provinz zu ersetzen. Die Metzgerburschen benutzten ihre Versammlung, um auch den zwölfstündigen Arbeitstag zu verlangen.

Der Ausstand der Angestellten der Pfer de⸗ bahngesellschaft in Lyon kann, wie ein Wolff sches Telegramm vom heutigen Tage meldet, als beendet angesehen werden. In Folge einer Unterredung mit dem Maire haben nämlich die Direktoren der Pferdeeisenbahn⸗-Gesellschaft die Forderungen der Strikenden bewilligt.

Aus St. Etienne wird telegraphisch berichtet, daß in Folge der Stockung der Geschäfte, insbesondere in der Bandweberei, sich unter den dortigen Arbeitern eine gewisse Erregung zeige

Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs⸗ Maßregeln.

London, 17. Juni. Die Influenza nimmt nach einer Meldung des D. B. H.“ bedeutend ab. In der vorigen Woche betrug die Zahl der an der Influenza Gestorbenen 249. Auch die Ge sammtziffer der Gestorbenen ist stark zurückgegangen.

Submissionen im Auslande. Niederlande.

. 11. Juli. 1 Uhr. Gagfabrit der Gemeinde Dordrecht. Sub 6 auf Lieferung von 86 000 Hl englischer oder westfälischer Gas⸗ ohlen.

k sind für 25 Cent in der Easfabrik zu aben.

Preußjische Klassenlotterie. (Ohne Gewähr.)

Bei der gestern fortgesetzten Ziehung der 4. Klasse 1834. Königlich preußischer Klassenlotterie fielen in der Nachmittags⸗Ziehung:

1 Gewinn von 30000 S auf Nr. 94 043.

4 Gewinne von 10000 S6 auf Nr. 1952. 40 813. 89 040. 188 830.

1ẽ Gewinn von 5000 M auf Nr. 5484.

45 Gewinne von 3000 S6 auf Nr. 185. S952. 10212. 10 849. 20 395. 21 069. 38 746. 47190. 50310. 50 701. 61 863. 66 202. 75 488. 75 856. S2 691. S6 061. 88 693. 98 461. 99 283. 99 978. 101 831. 105617. 109 446. 109923. 118 6 16g 16 böo wen , 30 69 138 2377 141 275. 147 693. 154 640. 159 808. 160 565. 162585. 162 846. 163 649. 163990. 168 9568. 169 601. 170923. 174797. 175 630. 183 103. 188 324.

30 Gewinne von 1500 S auf Nr. 1151. 8315. 18598. 21 286. 28 397. 36 013. 43916. 53 103. 56 260. 60 039. 68 986. 73 012. 74 604. 75 338. 77 459. 82 709. 83 096. 83 968. S5 377. 88 272. S9 293. 116413. 134 556. 142 476. 153 344. 154 096. 159 842. 172259. 172 347. 176122.

38 Gewinne von 500 s6 auf Nr. 1479. 5660. 7341. 11166 20185. 25 174 35 306 38 563 40007 43419. 43 206. 52 361. 56 667. 65023. 65784. 66 753. 66926. 70 167. 76 759. 94 406. 95 546. 104959. 108 534. 109 632. 112698. 113181. 116 858. t 131 883. 155 323. 58 456. 171 887. 173 379. 182 647. 184 712. 186 329. 189 506.

Bei der heute fortgesetzten Ziehung der 4. Klasse 184. Königlich preußischer Klassenlotterie fielen in der Vor⸗ mittags⸗Ziehung: . —(

L Gewinn von 15 000 S6 auf Nr. 83 410.

1 Gewinn von 10000 S auf Nr. 132 732.

1Gewinn von 5 000 6 auf Nr. 175 608.

24 Gewinne von 3000 S auf Nr. 5191. 7246. 16000. 19 301. 30 023. 34201. 44 439. 53 398. 57 782. 65 238. 71 S22. 90 330. 90 654. 102 517. 113493. 128 645. 135 976. 138 344. 147 627. 149 179. 164 896. 178088. 185 296. 185 851.

30 Gewinne von 1500 M auf Nr. 334. 9244. 136038. 22 005. 22 095. 25 273. 28 383. 36 550. 36901. 37089. 37 907. 41 927. 52 018. 55413. 73 776. 78 931. 98986. 111 080. 111928. 113434. 116670. 121 020. 129790. 140 656. 144 830. 153 534. 170 398. 178 550. 182 959. 183 450.

5 Gewinne von 500 6 auf Nr. 10157. 13684. 21 561. 22 199. 23 875. 30 085. 45 912. 52 856. 67 398. 71 488. 75 062. 77 875. 8 699. 79093. S0 306. S7 508. S8 889. 91 471. 98 436. 100170. 106491. 115619. 116425. 118947. 126 680. 13g 15, 134 8569. 137 819. 145 668. 151 812. 157 387. 168293. 168 723. 169 516. 170215. 170 960. 171239. 189 660.

Mannigfaltiges.

Zu der gestern an dieser Stelle wiedergegebenen Meldung des .W. T. B.“ aus Halle vom 16. Juni über die theilweise Cin stellung des elektrischen Stadtbabnbetriebes theilt die All— gemeine Elettrizitäts-Gesellschaft gleichfalls durch W. T. B.“, mit daß der Stellvertreter des Regierungs Präsidenten zu Merseburg unterm 109. Juni d. J lediglich angeordnet hat, daß der Betrieb der elektrischen Stadtbahn auf der Merseburger und dem- nächst auf der Magdeburger Straße so lange ruben bieibt, bis die Verlegung der Stangenleitungen der Telephone auf die Dächer der anliegenden Häuser in den genannten Straßen vollendet sein wird.“

136 657. 157 359. 16 907.