stadt Stuttgart und in der Stadt Ludwigsburg noch welter Nachmistags von 4 bis 5 Uhr Trauergeläute mit allen Glocken in angemessenen Unterbrechungen statt. Für die gleiche Zeitdauer bat jede öffentliche Lustbarkeit und Musik — mit Ausnahme der Küirchen⸗ und Trauermusik — zu unterbleiben. Die Wiedereröffnung von Schauspielen kann nach dem Tage der Beisetzung von dem Minister des Innern gestattet werden. Wegen des Kirchengebets und des Trauergottesdienstes, sowie wegen der Trauer bei Hofe und bei dem Königlichen Armee -⸗Corps bleibt besondere Verfügung vorbehalten. Sämmtliche Staats ⸗Minister sind mit der Voll;iehung dieser Ver⸗ fügung beauftragt. Strttgart, den 6. Oktober 1891. Wilhelm. Mittnacht. Faber. Steinheil. Sarwey. Schmid.
Die Hoftrauer ist für 12 Wochen vom 6. d. M. ab angeordnet worden, und zwar: für die ersten 4 Wochen in der ersten, für die nächsten 4 Wochen in der zweiten, dann für 3 Wochen in der dritten und für die letzten 2 Wochen in der vierten Abstufung der Hoftrauer⸗Ordnung.
Für die Armee ist durch unmittelbares Königliches Dekret eine Trauer auf drei Monate bestimmt worden,
Ihre Majestät die Königin Charlotte ist auf die Nach⸗ richt von dem Ableben Seiner Majestät des verewigten Königs alsbald von Nachod abgereist und gestern Vormittag 11 Uhr mit Sonderzug in Stuttgart eingetroffen. Ihre Majestät wurde auf dem Bahnhof von Seiner Majestät dem König und Ihrer Königlichen Hoheit der Prinzessin Pauline empfangen und ins Königliche Residenzschloß geleitet, wo Allerhöchstdieselben sich sofort an die Leiche des höchstseligen Königs begaben und Ihre Majestät die Königin Olga begrüßten, und wo sich auch Ihre Königliche Hoheit die Frau Prinzessin Katha⸗ rine von Württemberg zur Bewillkommnung eingefunden hatte. Von da verfügten sich Ihre Majestäten mit der Prinzessin Pauline in den Wilhelmspalast.
Seine Königliche Hoheit der Herzog Albrecht von Württemberg ist gestern Nacht in Stuttgart eingetroffen. Ihre Kaiserliche Hoheit die Herzogin Wera, welche in Rußland auf Besuch weilte, trifft heute Nacht ein.
Seine Majestät der König Karl ruht, wie der „Schwäb. Merkur“ berichtet, aufgebahrt inmitten des Sterbezimmers, seines bisherigen Schlafzimmers, das in dem gegen das Theater zu gelegenen Flügel liegt. Das Bett hat dieselbe Stelle mitten im Zimmer inne wie bisher, auch sonst ist im Zimmer keine Veränderung ge— troffen, nur sind der Schreibtisch und Schrank versiegelt. Zu Häupten Seiner Majestät des Königs erhebt sich ein reicher Pflanzenhain, in dessen Mitte ein Kruzifix steht. Rings um das Bett stehen ebenfalls Blattpflanzen. Seine Majestät der König liegt im Bett mit einem einfachen weißen Hemd be— kleidet; der Kopf ist etwas höher aufgerichtet; das Haupt ist durch eine Schlummerrolle gestützt und leicht zur Seite geneigt. Die Augen sind geschlossen, der Mund leicht geöffnet. Die edlen Züge tragen eine erhabene Ruhe und einen seligen Frieden, die Hände sind über der Brust gefaltet. Auf dem Todtenbett liegt noch ein Strauß von weißen Blumen, den Ihre Majestät die Königin⸗Wittwe Olga nach dem Tobe niedergelegt hat. Später wurde ebenfalls von Ihrer Majestät der Königin— Wittwe ein überaus prächtiger Blumenkranz in weiß und violetten Farben mit weißen Atlasschleifen geschickt. Von Seiner Majestät dem König Wilhelm II. wurde am Fuß des Bettes ein in denselben Farben, weiß und violett, ge⸗ haltenes großes Blumenkreuz niedergelegt. Das Sterbezimmer wurde im Laufe des Vormittags von vielen Mitgliedern adeliger Familien und Offizieren besucht.
Vorgestern Abend um 7 Uhr fand im Sterbezimmer ein Trauergottesdienst statt, an welchem Seine Majestät der König, Ihre Majestät die Königin-Wittwe und die sämmtlichen anwesenden Mitglieder der König⸗ lichen Familie, sowie die zum Besuch bei Ihrer Majestät der Königin Olga eingetroffene Prinzessin Wilhelm von Baden, Kaiserliche Hoheit, theilnahmen, und zu dem die Angehörigen der Königlichen und Prinzlichen Hofstaaten ein— geladen waren. .
Der engere ständische Ausschuß hat dem „Schw. Merk.“ zufolge die Uebergabe einer Beileidsadresse an Ihre Majestät die Königin-Wittwe und die Mitglieder des Königlichen Hauses beschlossen.
Aus Anlaß des Thronwechsels fand vorgestern Nachmittag eine gemeinschaftliche Sitzung der bürgerlichen Kollegien von Stuttgart unter dem Vorsitz des Ober-HBürgermeisters Dr. von Hack statt. Der Sitzungssaal war mit einer feierlichen Trauerdekoration ausgestattet. Unter einem Baldachin zwischen
den beiden mittleren Säulen, die mit einem schwarzen, silber⸗
bordirten Bande umschlungen waren, war die Büste des ver⸗ ewigten Königs Karl aufgestellt. Als der Ober Bürger meister die Sitzung eröffnete, erhoben sich die Mitglieder. Der Redner gab der Trauer über das Hinscheiden Seiner Majestät des Königs Karl mit bewegter, oft von Thränen er⸗— stickter Scfimme Ausdruck; in diesem Saale sei man wohl noch nie aus so schmerzlichem Anlasse wie heute ver⸗ sammelt gewesen. Wir So wie Stuttgart beim Hinscheiden des Königs Karl fühle, so wird es kaum in einer anderen Stadt empfunden werden. Blicken wir auf die Segnungen, die gerade auf die Stadt Stuttgart vom Throne während der Regierung des Königs Karl ausflossen; wie er stets in der Förderung des Wohles seiner Unterthanen sein höchstes Gluck fand, wie er auf allen Gebieten der Wissenschaft und Kunst, des sozialen , , der Barmherzigkeit und Wohlthätigkeit die regste ntheilnahme bewies gegen Alle, wie gegen den Einzelnen, wer sollte da nicht erfüllt sein vom tiessten Schmerze!“ Redner erinnerte daran, wie es der hochselige König verstanden, Württemberg aus den Wirren der Jahre 1866 bis 1870 hineinzuführen in das Deutsche Reich, wie er mitwirkte am Grundbau wie am Ausbau, und wie er als treuer Bundes⸗ fürst gewaltet hat, sodaß das Herz der treuen Bürgerschaft Überströmen und bekennen muß, daß er treu zum Reiche stand, wie er uns andererseits das Schätzenswerthe, was wir in Württemberg eigenthümlich besitzen, erhielt. ‚Was der König für das Land und die Stadt Stuttgart insbesondere ge— leistet, lebt im Gedächtniß des Volkes fort; milde, weise, gerecht hat König Karl das Szepter geführt und wir werden den Heimgegangenen in dankbarem Gedächtniß behalten, sein Andenken wird ein Segen bleiben! Vertrauen ö. aber auch en der , ihm lt. i . einnimmt, und ekennen wir uns zu dem württembergischen Wahlspruche: „Hie gut, Württemberg alleweg!“ Furchtlos und ö wir in diesen Tagen den großen Aufgaben entgegengehen, die vor uns stehen!“ Nachdem der Ober-Bürgermeister geendet hatte, schlug er dem Kollegium vor, Seiner Majeßtät dem König Wilhelm II. sowie Ihrer Majestät der Königin Charlotte durch eine Deputation Beileidsadressen überreichen zu lassen. Die Deputation soll neben den Vorständen aus je drei Mit⸗
„Wir bilden heute eine Trauergemeinde.
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gliedern beider Kollegien bestehen. Eine Beileidaadresse an Ihre Majestät die Königin⸗Wittwe wurde ebenfalls beschlossen. Die bürgerlichen Kollegien werden am Sarg des hochseligen Königs einen Lorbeerkranz niederlegen. Hierauf schloß der Ober⸗Bürgermeister die Sitzung mit dem Wunsche.⸗ daß die Regierung Seiner Majestät des Königs Wilhelm II. für Stut⸗ tgart gleich förderlich werden möge, wie die Regierung des Königs Karl es war. . .
Für die am Freitag, 9. d. M, stattfindende Beisetzung in der Gruft der Königlichen Schloßkapelle in Stuttgart ist, unter Beobachtung der von Seiner Majestät dem verewig⸗ ten König hinterlassenen Vorschriften, wonach insbesondere die Trauerfeier einfach gehalten werden soll, Nachstehendes verfügt wordenW
15 In dem alten Marmorsaale über dem Hauptportal des Kö— niglichen Residenzschlosses wird ein Katafalk mit einem Baldachin auJ schwarzem Sammet und Silberstoff errichtet, unter welchem der geschlossene Sarg, mit rothem Sammet bezogen und mit goldenen Borten besetzt, zu ruhen kommt. Ueber dem Haupte auf einer Konsole liegen die Königliche Krone, Szepter und Schwert auf Kissen von Goldstoff, zu den Füßen und zu beiden Seiten auf schwarzen Ta— boureten die Ordens ⸗Insignien des hohen Verewigten.
2) Zu beiden Seiten des Katafalks werden sich während der öffentlichen Ausstellung zwei Kammerherren. zwei Flügel ⸗ Adjutanten und zwei Stabsoffiziere der den Namen Seiner Majestät des höchst— seligen Königs tragenden Regimenter aufstellen und von Stunde zu Stunde mit Andern ihres Ranges wechseln. In den anstoßenden Gemächern werden sich die zum Dienste sonst befohlenen Hofbeamten, Diener und Schloßgardisten befinden.
3) Zur Bewachung außer der Zeit der öffentlichen Ausstellung sind unter angemessener Abwechslung bestimmt:; je zwei Kammer- herren, zwei Flügel ⸗ Adjutanten, ein Hofarzt nebst dem Hofchirurgen, zwei Kammerdienern, zwei Hoflakaien, zwei Schloßgardisten.
4) In dem obern Vestibule vor dem Marmorsaal wird ein Kommando der Königlichen Schloßgarde die Ehrenwache geben.
5) Am Donnerstag, den 8 Oktober von 2 bis 5 Uhr Nach⸗ mittags ist Jedermann in sonntäglicher Kleidung der Zutritt in den alten Marmorsaal, wo die Allerhöchste Leiche aufgebahrt ist, gestattet. Der Eintritt in das Schloß geschieht durch das mittlere Haupt— portal und der Austritt — ohne daß irgendwo stillgestanden werden darf — durch das Portal unter dem weißen Saal.
6) Am Freitag, den 9. Oktober zieht Vormittags 8 Uhr eine Compagnie des Grenadier⸗ Regiments „König Karl“ (5. Württ) Nr. 125 mit Fahne und Musik als Ehrenwache vor dem Haupt portal des Königlichen Residenzschlosses auf. Um 10 Uhr Vormittags wird vor dem Katafalk, in Anwesenheit der Königlichen Familie, des Hofstaats, der Mitglieder des diplomatischen Corps, der Staats—
Minister und Mitglieder des Geheimen Raths, des ständischen Aus⸗
schusses, der Generalität, des Stadtdirektors, des Ober ⸗Bürgermeisters, des Obmanns des Bürge rausschusses nebst einer Deputation der bürgerlichen Kollegien von Stuttgart, sowie einer Abordnung der hiesigen Geistlichkeit aller Konfessionen und anderer besonders ein— geladener Persönlichkeiten ein Trauergottesdienst durch den Ober ⸗Hofprediger abgehalten. .
7) Nach beendigtem Trauergottesdienst wird um 11 Uhr Vor mittags die hohe Leiche von dem Katafalk durch 16 schwarzgekleidete Hofhandwerksleute auf den Tra uerwagen gebracht und es setzt sich sofort der Leichenkondukt unter dem Geläute aller Kirchenglocken der Stadt, welches bis zur Ankunft des Zuges an der Schloßkapelle fortgesetzt wird, in Bewegung, und zwar in folgender Ordnung: eine Escadron des Ulanen⸗ Regiments „König Karl“ Nr. 19 mit der Regimentsmusik, ein Königlicher Bereitzer, zwei Königliche Reitknechte, ein Hoffourier, zwei Stabsoffiziere von den obengenannten Re⸗— gimentern „König Karl“, die Königliche Krone und die hauptsächlich sten Ordens⸗Insianien des hohen Verewigten tragend and von je zwei Subaltern⸗Offizieren begleitet. ein Königlicher Stallmeister, zwei Königliche Sattel meister, der Leichenwagen mit 6 Pferden be⸗ spannt, welche von Königlichen Stallbed ienten geführt werden. Auf jeder Seite des Leichenwagens zwei Kammerherren und zwei Stabs— offiziere von den genannten Regimentern „König Karl!. Die vier Ecken des Leichentuchs werden von Inhabern des Großkreuzes der Königlichen Orden getragen. Hinter dem Sarge folgt die Hofgeistlichkeit. Sodann Seine Majestät der König und die Prinzen des Königlichen Hauses mit den Hofstaaten und den König— lichen Adjutanten, die Mitglieder des diplomatischen Crrps, die Staats⸗Minister und die Mitglieder des Geheimen Raths, der ständische Ausschuß, die Generalität, die Abordnungen der hiesigen Geistlichkeit, der Stadtdirektor und die Vertreter der hiesigen bürger lichen Kollegien, die sonstigen zu der Trauerfeier im Marmorsaal ge— ladenen Herren, die bisher nicht genannten Hofbeamten und die Hof—
dienerschaft, ein Königlicher Sattelmeister mit zwei Königlichen Reit⸗
knechten, zum Schlusse eine Escadron des obengenannten Ula nen Regiments. Der Zug geht durch Militärspaliere an dem Hof⸗Theater vorüber durch die nördliche Allee zur Königsstraße, auf dieser bis zur oberen Ecke des Schloßplatzes und weiter über die Planie nach dem west⸗ lichen Thor des alten Schlosses. Vor diesem Thore bleibt die Eskorte zurück. Der Leichenwagen fährt in den Hof des alten Schlosses, in welchem Deputationen der den Namen „König Karl“ führenden württembergischen Regimenter aufgestellt sind, vor das mittlere Portal der Königlichen Schloßkapelle.
8) Ber Sarg wird daselbst durch die Hofhandwerksleute vom Wagen gehoben und aaf das Trauergerüst vor dem Altar getragen unter Vortritt eines Hoffouriers mit Trauerstab und der Hofgeist⸗ lichen. Seine Majestät der König und die Prinzen des Königlichen Hauses nehmen an der linken Seite des Sarges gegenüber dem Altar Platz, ebenso Ihre Majestät die Königin Charlotte und die Königlichen Prinzessinnen, Höchstwelche den Leichenzug in dem König— lichen Stande der Schloßkapelle erwartet baben und nunmehr unter Vortritt der hierzu befohlenen Kammerherren sich zu dem Altar begeben. Hinter den höchsten Herrschaften stellt sich das hierzu besonders befehligte Gefolge auf. Die übrigen Hofstaaten nehmen ihren Platz in dem Königlichen Stande ein. Den Mit— gliedern des diplomatischen Corps, des Staats⸗Ministeriums ꝛc. ꝛc. werden die entsprechenden für sie vorbehaltenen Pläße angewiesen. Während der Sarg in die Kapelle getragen wird und bis er aufgestellt ist, wird die Orgel gespielt, worauf ein kurzer Gesang des Königlichen Singchors folgt. Dann hält der Ober-Hosprediger die Trauerrede. Nach der Rede wird der Sarg in die Gruft versenkt. Während der Versenkung wird ein Choral gesungen und werden Artilleriesalven gegeben. Unter Vortritt des Ober⸗pofspredigers begiebt sich sodann Seine Königliche Majestät mit den Königlichen Prinzen in die Gruft, woselbst die Ein segnung durch den Ober⸗Hofprediger erfolgt. Während dieser Handlung wird von dem Königlichen Singchor ein Gesang auageführt. Nach der Rückkehr aus der Gruft schließt der Ober⸗Hofprediger die Feier mit einem Gebet.
Sachsen⸗Meiningen.
Meiningen, J. Okiober. Die Landtagswahlen der Höchstbesteuerten sind in den vier Kreisen des Landes dahin ausgefallen, daß von den acht Gewählten nur einer (Amtsgerichts⸗Raih Thomas⸗Saalfeld) dem Deutschfreisinn angehört, alle übrigen im Stande der Nichtgrundbesitzer wie in dem der Grundbesitzer Gewählten nationalliberal sind. In Sonneberg ist nach der „Weim. Ztg.“ in der Stich wahl der Sozialist Wehner gewählt worden.
Bremen.
Bremen, 8. Oktober. Die gestrige Generalversammlung des Allgemeinen evangelisch⸗protestantischen Missions vereins wurde zunächst vom Bürgermeister Dr. Luermann im Namen des Senats begrüßt.
Hierauf be⸗
richtete Präsident Dr. Buß über die Wirksamkeit des Vereinz im Jahre 1850/91. Sodann sprach Missionar Pfarrer Dr. Spinner über seine Missionsthätigkeit in Japan. — Es wurde dem „W. T. B.“ zufolge beschlossen, drei neue Missionare, und zwar einen nach China, die zwei andern nach Japan zu senden. Der Verein zählt bei zweihundert Zweigvereinen gegen⸗ wärtig 18000 Mitglieder. Abends fand eine volksthümliche Versammlung im Kasino statt.
Samburg.
Hamburg, J. Ottober. Von Seiten der Linken der Bürgerschaft, den Herren Brunk und Genossen, ging bei letzterer ein Antrag ein, den Senat zu ersuchen, im Bundes- rath für die sofortige Aufhebung der Getreidezölle einzutreten. Hierzu war von den Herren Refardt und Ge⸗ nossen folgender Gegenantrag eingebracht worden: „Die Bürgerschaft, wenngleich sie die Aufhebung oder wesenlliche Herabsetzung der Getreidezölle für durchaus erforderlich hält, geht, in der Ueberzeugung, daß der Senat diesen Standpunkt theilt und ihn im gegebenen Falle im Bundesrath zur Geltung bringen wird, über den Antrag von Brunk und Genossen zur Tagesordnung über.“ Der Antrag Refardt wurde dem „Hamb. Corresp.“ zufolge in der heutigen Sitzung der Bürgerschaft nach Streichung der Worte „oder wesentliche Herabsetzung“ mit 69 gegen 46 Stimmen angenommen.
Oesterreich⸗Ungarn.
Wien, S. Oktober. Seine Majestät der Kaiser und König und Seine Majestät der König von Sachsen sind laut Meldung des „W. T. B.“ mit dem Prinzen Leopold von Bayern und dem Großherzog von Toscana gestern Nachmittag in Eisenerz eingetroffen. Heute findet dort Jagd auf Hochwild statt.
Für Seine Majestät den verstorbenen König von Württemberg ist eine zwölftägige, am 9. d. M. beginnende Hoftrauer angeordnet. Wie mehrere Blätter melden, wird in Vertretung des Kaisers der Erzherzog Friedrich sich zu den Beisetzungsfeierlichkeiten nach Stuttgart begeben. Ebenso geht eine Offizier ⸗-Deputation des 6. Husaren⸗ Regiments, dessen Chef der Verstorbene war, nach Stuttgart. ;
Gestern fand unter Vorsitz des Statthalters für Nieder— Oesterreich und unter Theilnahme des Sektions-Chefs von Wittek eine Besprechung der technischen Mitglieder der Konfe— renz über die neuen Wiener Verkehrsanlagen statt. In Betreff der Stadtbahnlinien ebenso wie in Betreff der Anlagen am Donaukanal wurde vollkommene Uebexeinstim⸗ mung erzielt. Für heute ist die Erörterung der Wienfluß⸗ regulirung angesetzt.
Gegenwärtig wird nach der „Presse“ eine Rektifizirung der österreichisch-sitalienischen Grenze zwischen dem Trentino und den italienischen Provinzen Verona und Vicenza vorgenommen. Hierzu wurde von der österreichi⸗ schen Regierung der K. K. Ingenieur Untergasser aus Trient und von der italienischen Regierung der Königliche Ingenieur und Katastral⸗Inspektor Clavarini aus Verona bestimmt.
Bei Beginn der gestrigen Sitzung des ungarischen Unterhauses machte der Präsident Mittheilung von der Einberufung der Delegationen zum 9. November und von dem Danke Seiner Majestät des Kaisers und Königs für die Kundgebung des Hauses anläßlich des Rosen— thaler Vorfalles. (Stürmische Eljenrufe., Die Delegations— wahlen wurden auf den 13. Oktober angeordnet. Der Finanz— Minister Dr. Wekerle brachte darauf das Budget ein. (Siehe die gestrige Nummer des „R.⸗- u. St. A.“) In seiner Budgetrede erklärte der Minister:
„Das günstige Resultat des Budgets ist durch das rigoroseste und reellste Gebahren erzielt worden. Das Präliminare wurde nur nach dem faktischen Bedarf festgestellt. Der Minister hebt ferner das günstige Resultat der Schlußrechnungen von 1890 hervor, welche einen Kassaüberschuß von 28 454 000 Fl. aufweisen. Dies beweise die Reellität des vorjährigen Budgets, welches nicht nur das erwartete Resultat konstatirt, sondern alle Erwartungen übersteigt — was be⸗ sonders auf Rechnung der Einnahmequellen zu setzen ist.“
Trotz dieser günstigen finanziellen Lage, welche die Kon— solidirung der Staatsfinanzen zeitige, warnte der Minister vor sanguinischen Hoffnungen und fuhr sort:
„Wir müssen all unfer Streben dahin richten, daß diese Lage auch in Zukunft erhalten bleibe. Die in Aussicht genommenen Re— formen auf administrativem und finanziellem Gebiet sowie auf dem der Justiz werden die staatlichen Kräfte in baldiger Zukunft in An— spyruch nehmen; dies darf jedoch nur bis zu den Grenzen der finanziellen Möglichkeit geschehen. Die Hauptaufgabe der Ver⸗ waltung bildet in nöächster Zukunft außer dem vorhin Erwähnten die Valutaregulirung — eine Frage, über welche beute alle maßgebenden Faktoren einig sind, was er mit Freuden konstatiren könne Die Mittel zur Durchführung der hochwichtigen Frage bilden die Gewinnste der durchzuführenden Konversion und die Bestände der Staatskaffen, welche nicht unbedeutend seien. Trotzdem müssen wir auf gioße Opfer vorbereitet sein, um diese hochwichtige Frage günstig zu lösen. Die erhöhte Tätigkeit des Finanz Ministeriums bedingt einen namhaften Personenzuwachs, woß! die Aufstellung einer Hauptfektion und einer Vermehrang der Steuerämnter gehört. Seik drei Jahren wurde das Budget des Innern um eine halbe Million, des Handels um 19 Millionen,
des Ackerbauß um 25 Misstonen, des Kultus um 1 Million, der J
Justiz um 1 Milligu, der Hoanbed Armee um 3 206 059 successirn⸗ erhöht. Dies beweist die rastlose Thätigkeit auf allen Gebieten h. Staatsweseng. Es ist leicht, an der Thätigkeit der Regierung Kriti zu üben, aber wer kann dieser reellen Politik nur annähernd etwas entgegenstellen? Und wenn man noch bedenkt, daß diese rast⸗ lofe' Thätigkeit auf allen Gebieten der Volkswirthschaft, der Kultur und Hebung unserer Wehrkraft im Rahmen unserer ordentlichen finanziellen Gebahrung, obwohl mit nicht leicht zu nehmenden Kosten, ohne Aawendung außergewöhnlicher Mittel. n, geführt wurden, so kann dieser Politik erst recht Reellität un Solidität nicht abgesprochen werden, und wer auch immer einmal 9 Platz der Regierung einnehmen sollte, der wird dieses Vorgehen nich aͤndern können; denn diefe Thätigkeit gehört nicht nur der Regierung, sondern der ganzen Nation!“ (Siürmische Eljenrufe.) n Schließlich legte der Minister den Voranschlag der ö, für die Arbeiten der Regulirung des „Eisernen Thores . sowie einen Bericht über Verkauf von Staatsgütern und eine Gesetzentwurf, betreffend Ertheilung der Indemnitat. z Das ungarische Sudget⸗Provißorium pro 1892 umfa einen Zeitraum von fünf Monaten. . das Die heutigen Wiener Morgenblätter besprechen ad. ungarische Budget und das Finanzexposée des n ö schen Finanz⸗Ministerß Dr. Wekerle üer intimen . günstigem Sinne. Die „Neue Freie Presse solger geen dem Passus über die a , daß zur finanz
Vorberellung der Valutaregulirung ü zwischen den Finanz
NMinistern Oesterreichs und Ungarns eine Vereinbarung, er⸗ zielt sei, und glaubt, die Valutaregulirung werde greifbare Formen annehmen, sobald der Höhepunkt der Londoner und Derliner . überschritten sein würde. Die „Pressen zollt der eellität und Aufrichtigkeit des ungarischen Budgets volle Anerkennung und entnimmt den Ausführungen Wekerle's, daß die maßgebenden Kreise beider Reichshälften der Valutaregulirungsfrage ihre ungeschmälerte Aufmerksam⸗ keit zuwenden. Das „Fremdenblatt“ erblickt den Haupterfolg der Uungarischen Finanzpolitik in der Konsolidirung der
Finanzen, welche es ermöglichen, an umfassende ökonomische, politische und soziale Reformen heranzutreten.
Großbritannien und Irland.
Anläßlich des Ablebens des Königs von Württem— herg ist eine dreiwöchige Hoftrauer angeordnet.
Dem verstorbenen ersten Lord des Schatzamts W. H. Smith widmet die „Times“ einen Nachruf, in welchem sie auf den schweren Verlust hinweist, den die konservative Partei durch seinen Tod erleide. Sie schreibt: „So werthvoll er als Mitglied des Kabinets war, so wurde sein wahrer Werth doch erst recht erkannt, als er die Leitung des Unterhauses übernahm. Sein Takt und seine Selbst⸗ beherrschung bewiesen bald, daß er sich ausgezeichnet für den Posten eignete. Er hinterläßt den Ruf eines durch und durch ehrlichen Mannes. Niemand bedauerte mehr als er selbst, daß es ihm am Redner- und Debattirtalent mangelte. Sein Erfolg aber trotz allesem bewies der Welt, daß im englischen Unterhause gewisse seltene Eigenschasten ebenso hoch geschätzt werden, als rednerische Gewandtheit.“ Der „Standard“ sagt: „Die lange parlamentarische Geschichte Englands weist glänzendere Talente auf, aber keinen Mann mit größerer Reinheit der Ziele, Ehrbarkeit der Lebens⸗ führung und Beherrschung der Leidenschaften. Im öffent— lichen wie im Privatleben stand der erste Lord des Schatzamts makellos da. Kein böses Wort läßt sich gegen ihn anführen, keine mißgünstige Handlung, keine Intrigue. W. H. Smith ist ein weiteres Beispiel eines Mannes der Oeffentlichkeit, welcher auf seinem Posten stirbt, weil seine Landsleute ihn bitten, darauf zu verharren.“
Der durch seine radikalen Ansichten bekannte Vorsitzende des Gewerkvereins der Seeleute und Heizer Samuel Plimsoll erklärte am Montag bei Eröffnung des Jahres— kongresses unverholen, daß er einer konservativen Regierung den Vorzug vor einer liberalen gebe. „Ich glaube“, so lauteten, der „A. C.“ zufolge, seine Worte, „daß, wenn die jetzigen Minister Ihrer Majestät im Amt bleiben, wir uns auf dem besten Wege befinden, die Ursache der wider England wegen Vernachlässigung unserer Seeleute erhobenen Vorwürfe zu entfernen, und daß es uns gelingen wird, den Verlust an Menschenleben auf hoher See, welcher auf unserer Handelsflotte gegenwärtig viermal so groß wie bei jeder anderen Handelsflotte des Auslandes ist, auf den der übrigen Nationen zu reduziren. Gleich zei—tig werden wir dem Lande alljährlich Eigenthum im Werthe von 12000000 Pfd. Sterl. reiten. Obwohl ein Radikaler und der liberalen Partei für das viele Gute, welches sie der Nation erwiesen, dankbar, fürchte ich doch einen Wechsel in den politischen Parteien mehr, als ich sagen kann, da ich überzeugt bin, daß wir alle Aussichsen auf Besserung der Lage des Seemannsstandes aufgeben müssen, wenn wir die jetzige Regierung verlieren. Ich rathe deshalb allen Seeleuten, allen Arbeitern und Allen, welchen das Wohl der Seeleute, der Seemannsfrauen und Seemannskinder am Herzen liegt, bei den nächsten allgemeinen Wahlen ihr Bestes fc thun, um der konservativen Partei den Sieg zu ermög— ichen.“
Der (gestern unter den nach Schluß der Redaktion ein⸗ getroffenen Depeschen gemeldete) unerwartete Tod Parnell's hat, wie „W. T. B.“ berichtet, in Du blin große Bestürzung hervorgerufen. Ueber die. Todesursache, verlautet aus Brighton, wo sich Parnell zuletzt aufhielt, daß er in Folge einer Erkältung von heftigem Rheumatismus befallen worden sei; schon einige Zeit vor dem Eintritt des Todes sei Bewußtlosigkeit eingetreten. In Parnell ver— lieren die irischen Radikalen ihren Hauptführer. Charles Stewart Parnell war der Abkömmling einer alten, ursprünglich in Cheshire ansässigen englischen Protestantenfamilie und im Jahre 1846 zu Avondale in der irischen Grafschaft Wicklow gehoren. Nachdem er in Cambridge studirt hatte, wurde er 1874 zum Sheriff der Grafschaft ernannt. In das politische Leben trat er 1875 ein, wo er als ent⸗ schiedener Home Ruler ins Unterhaus gewählt wurde. Als 1877 seine Bill bezüglich der Ankäufe der irischen Pachtgüter durch die Pächter nicht durchging, betrieb er die Politik des systematischen Widerstandes gegen alle Maßregeln der Re— gierung, sodaß seine Obstruktionspolitik sprüchwörtlich ge⸗ worden ist. Seine Herrschaft über die Massen, schreibt die Wes.⸗Ztg.“, war grenzenlos, ihre Stimmen, ihre Gelder standen ihm zur Verfügung. Der Sturz Gladstone's im Herbst 18285 war sein Werk; mit dem gestürzten Gladstone, der, um zur alten Macht zurückzugelangen, die früher geschwachten und bekämpften Home⸗-Rule-Pläne in das Programm der Liberalen mit aufnahm, vereinigte er sich dann zum Kampf., gegen das konservative Ministerium. Nach dem skandalösen Ehebruchsprozeß wollten die besseren Elemente der Partei Parnell nicht mehr an der Spitze der Irländer sehen, und nach langem Widerstande mußte er Schritt für Schritt von der Führerschaft weichen. Auch der Umstand, daß er nach erfolgter Scheidung der Frau O' Shea von ihrem hisherigen Gatten diese heimiführte, gettete ihn nicht. — Wie aus New-York telegraphirt wird, hat Parnellis Tob auch unter den in Amerika lebenden Iren tiefe Sensation erregt. Man glaubt dort, daß die beiden Fraktionen der Iren sich unter der Führung Dillon's einigen würden. J. Die „Magdb. Ztg.“ erhielk aus London ein Privat— telegramm, in welchem es heißt: Parnell's plötzlicher Tod er gt ungeheures Aufsehen. Wie verlautet, litt Parnell seit . Zeit an Blutarmuth, welche durch die Aufregungen zn letzen Monate einen hohen Grad erreichte. Freitag
orgen legte sich Parnell, welcher in Brighton im Hause ,. Gemahlin wohnte, zu Bette. Seine Kräfte nahmen äglich ab, bis heute (Mittwoch) Morgen der Tod eintrat. A Die „Times“ meldet aus Kalkutta, der Emir von r shani stan habe den Wunsch ausgesprochen, eine englische . in Kabul zu empfangen; die Regierung von Indien esich diesem Wunsch widersetzt, den Emir jedoch zu einer al nien an mit dem Vize⸗König aufgefordert. Eine Ant⸗ * . von dem Emir noch nicht eingegangen; ba gen habe elbe eine Proklamation eriaffen, in welcher er die Absicht
kundgebe, England zu besuchen. Die indische Regierung habe von dieser Absicht keine offizielle Mittheilung empfangen. Nach einem Reuter'schen Telegramm aus Simla wird der indische Vize⸗König Lord Lans downe am 23. Oktober in Srinagara, der Hauptstadt Kaschmirs, eintreffen. Eine Anzahl von Booten soll ihn den Ihelum-Fluß hinaufbegleiten. Am 24. Oktober wird dem Vize⸗König zu Ehren ein Festmahl stattfinden. Auf der Rückreise gedenkt Lord Lansdowne, je einen Tag in Gwalior, Bhopal und Indore zu verweilen.
Frankreich.
Paris, 8. Oktober. Der Präsident Carnot ist gestern von Fontainebleau nach Paris zurückgekehrt.
Der Kriegs-Minister de Freycinet, der Handels— Minister Roche, der Minister für öffentliche Arbeiten Guyot und der Minister des Innern Constans haben sich, wie „W. T. B.“ meldet, nach Marseille begeben, um an der aus Anlaß der Assanirungsarbeiten dort stattfindenden Feier theilzunehmen.
In dem vorgestern abgehaltenen Ministerrath wurde nach ö, „Journal des Debats“ der Beschluß gefaßt, bei der Deputirtenkammer den Antrag zu stellen, die Berathung des Budgets auf den ersten Montag nach dem Zusammentreten des Hauses anzusetzen.
Die Königin Natalie von Serbien ist hier ein— getroffen und wird gegen Ende der Woche nach Biarritz weiterr : isen.
Ueber Ruhestörungen, welche in Tuat vorgekommen sein sollen, wird dem „Temps“ Folgendes berichtet: Am 8. September fand in Insalah eine große Zusammenkunft der Häuptlinge der verschiedenen Stämme der Oasen statt, um Abgesandte des Sultans von Marokko zu empfangen. Dem Führer der französischen Partei Ben Memmed Sig wurde vorgeworfen, er habe vom Gouverneur von Oran Geschenke angenommen und französische Hülfe nachgesucht, um sich zum Kaid ernennen zu lassen. Er wurde gezwungen, die Ver— sammlung zu verlassen, und später wurde er von den Fanatikern ermordet. Einer seiner Freunde mußte fliehen. Man glaubt, daß er sich nach Algier begeben werde, um für seine Oase den französischen Schutz nachzusuchen. Die Eingeborenen halten die Karawanenstraßen nach Algerien besetzt und verweigern den Freunden der Franzosen den Durchgang. In der französischen Gesandtschaft in Tanger eingetroffene Berichte besagen, die Bewohner von Tuat wollten sich der in Insalah eingeleiteten Bewegung nicht anschließen und wiesen die Ansprüche Marokkos zurück. Die Nachrichten sind durch eine Karawane nach Tanger gebracht worden.
Der am 6 Oktober in Liverpsol eingetroffene Dampfer „Ambriz“ hat der „A. C.“ zufolge die folgenden Nachrichten über das Schicksal der Crampel'schen Expedition über— bracht. „Loango, 17. August. Die Meldung, daß die Theilnehmer des Crampel'schen . niedergemetzelt worden sind, bestätigt sich. Der Zug zählte 5 Weiße und 150 Schwarze. Am Morgen des 9. April, als sie noch schliefen, wurden sie von 5000 von Arabern ge— führten Eingeborenen umzingelt und angegriffen. Alle wurden ermordet mit Ausnahme von einem Weißen und zehn Schwarzen, denen die Flucht gelang.“ Zu bemerken ist bei diesem Bericht, daß er in den Einzelheiten völlig von den in Paris eingetroffenen Meldungen abweicht. In dem Letzteren heißt es, daß nur zwei Franzosen, Crampel und Biscarrat, der arabische Dolmetscher Ben Said, zwei Sol— daten von Senegal und ein eingeborener Knabe, der Diener Ben Said's, ermordet worden find. In den Pariser Nach— richten wird auch nicht gesagt, daß ein Nachtangriff auf den Zug gemacht worden ist.
Mußland und Polen,
Der Kaiser richtete, wie man der „Magdb. Ztg.“ aus St. Petersburg meldet, anläßlich des Reichenberger Attentats— versuchs eine herzliche Beglückwünschungsdepesche an den Kaiser Franz Jo sef. Der Botschafter Fürst Lobano w überbringt dem Kaiser von Oesterreich ferner ein eigenhändiges Schreiben des Czaren.
Die „Pet. Wed.“ berichtet, daß die Revision aller Eisenbahntarife, die unter dem Präsidium des Wirklichen Geheimen Raths Abasa ausgeführt wird“, rüstig vor— wärts schreitet. Die Kommission hat als leitendes Prinzip die in dem Tarif der Nikolaibahn ausgeführten Veränderun⸗ gen aufgestellt.
Es wird geplant, das neue Wechselgesetz mit Aus— nahme Polens überall einzuführen. Ein Erscheinen der Parteien soll bei Wechselklagen nicht obligatorisch sein; die in Ahwesenheit des Angeklagten gefällte Entscheidung gilt nicht als in absentia gefällt und unterliegt daher nicht einer noch— maligen Ueberprüfung bei Einreichung einer Erklärung zur Sache (Otsyw). Außerdem ist die Erklärung einer Gegenklage nicht zulässig, und Privatklagen können in keinem Falle den Gang des Prozesses hemmen; nur die Vorstellung neuer . kann die Gerichtsfitzung aufschieben, aber auch nur einmal.
Unlängst ist im Dorfe Ogrudenzo, Gouvernement Kielce, die erste Pulverfabrik im Weichselgebiet eröffnet worden. Dieselbe nimmt einen Raum von 90 Morgen (45 Dessjätinen) ein und besteht aus 40 einzelnen Gebäuden. Der Bau der Fabrik hat 250 000 Rubel gekostet. Die Fabrik gehört der „Russischen Gesellschaft für Produktion und Verkauf von Pulver“, welche eine eben solche Fabrik in Schlüsselburg be⸗ sitzt. Gegenwärtig beträgt die Pulverproduktion der Fabrik 365 000 Pud jährlich, doch wird jetzt elektrische Beleuchtung und mit 9. zugleich Nachtarbeit eingeführt, womit sich das jhrliche Probuktionsquantum verdoppeln wird.
Italien.
Der Deputirte Rudolf Rossi hat, wie „W. T. B.“ aus Rom meldet, dem Präsidium der Kammer nachfolgende Interpellation vorgelegt: „Der Unterzeichnete wünscht den Minister Präsidenten, den Justiz⸗Minister und den Minister des Innern über die Zwischenfälle bei Gelegenheit des letzten Pilgerzug es zu befragen, um zu erfahren, ob und wie die Regierung gesonnen ist, politische Verwickelungen bezüg⸗ lich solcher Pilger zu vermeiden, welche unter Mißbrauch der Religion den Ehrgeiz und Fanatismus gegen die In⸗ tegrität und Sicherheit des Staats aufstacheln, und ob die ,,,, den Augenblick für gekommen erachtet, um weiteren Beleidigungen und Verletzungen des Vaterlandes zu begegnen, sei es dadurch, daß fie in kirchlicher Beziehung eine vom Prinzip der Gewissensfreiheit beseelte Politik verfolgt, sei es durch Abschaffung des Garantiegesetzes sowie , . Verfassungsartikel.“
Der russische Minister des Auswärtigen von Giers ist estern von Venedig in Mailand eingetroffen und auf dem er cf von dem italienischen Botschafter in Wien, Grafen , . sowie von dem russischen Konsul aus Venedig empfangen worden.
Schweiz.
Bern, 7. Oktober. Der Bundesrath hat in einem Schreiben an die Regierung des Kantons Waadt erklärt, daß die Engländerin Burke mit ihrer Behauptung, am 23. August er. in Montreux zu Unrecht verhaftet worden zu sein und in der Haft unbillige Härte erlitten zu haben, völlig im Unrecht sei. Vom englischen Gesandten selber sei dies auch anerkannt worden. .
Da die Frist für das Volks abstimmungs⸗Begehren, betreffend das Bundesgesetz über Errichtung von vier Armee-Corps statt der bestehenden acht Divisionen der Bundesarmee, und den Bundesbeschluß, dem Vorstand des Militär⸗Departements einen Stabsoffizier als Beistand zuzutheilen, unbenutzt verstrichen sind, treten beide Vorlagen nunmehr in Kraft.
Niederlande.
Der Kronprinz von Italien ist gestern Abend v Uhr von Rotterdam nach Brüssel abgereist.
Belgien.
Brüssel, 8. Oktober. Der Königliche Hof legt an⸗ läßlich des Ablebens des Königs von Württemberg auf einen Monat Trauer an.
Stanley und Jephson haben am 6. d. M. Morgens Ostende verlassen, um sich nach London zu begeben.
Türkei.
Konstantinopel, 7. Oktober. Bei dem Sultan fand, wie die „Agence de Constantinople“ meldet, zu Ehren des englischen Botschafters White heute ein Diner statt, nach welchem der Botschafter in längerer Audienz von Seiner Masestät empfangen wurde. Der Sultan stellte dem Bot⸗ schafter persönlich das neue Kabinet vor.
Die Pforte hat der Ernennung des Botschafts⸗-Raths Reßmann zum italienischen Botschafter in Konstan⸗ tinopel zugestimmt.
In den letzten Tagen leistete die bulgarische Re— gierung beträchtliche Zahlungen àeonto des rückständigen ostrumelischen Tributs.
Amerika.
Vereinigte Staaten. Washington, 6. Oktober. Der Fall des Chinesen Chong Sam, welcher in Port Huron, im Staate Michigan, verhaftet wurde, weil er von Canada aus ungesetzlicher Weise das Gebiet der Vereinigten Staaten be⸗ treten hatte, ist, dem „R. B.“ zufolge, nunmehr geordnet worden. Der britische Gesandte Sir Jul ian Pauncefote bat den Präsidenten Harrison, den Chinesen zu begnadigen und ihm die Rückkehr nach Canada, als seinem eigentlichen Domizil, zu gestatten. Der Präsident schickte hierauf die folgenden Zeilen an den Staatssekretär Blaine: „Bitte, sagen Sie Sir Julian Pauncefote, daß es der Regierung nur Vergnügen bereiten würde, rücksichtsvoll zu sein, wenn dies ein einzelner Fall wäre. Nach meiner Information involvirt er aber die Wirk⸗ samkeit unserer Ausschlußgesetze. Ich habe deshalb den Marine⸗ sekretär Trach angewiesen, Chong Sam nach China zurück⸗ zubefördern. Nichts in dem stattgehabten Briefwechsel zeigt an, daß er britischer Unterthan ist. Chong Sam ist übrigens seitdem nach Canada entwischt, sodaß die Angelegenheit keine
praktischen Folgen nach sich ziehen wird.
Die Oktober⸗Session des Ober-Gerichtshofs nimmt am nächsten Montag ihren Anfang. Der erste zur Verhand⸗ lung gelangende Fall ist der in Sachen des britischen Schooners „W. P. Sayward“, wobei die Frage der Juris⸗ diktion der Vereinigten Staaten über den Robbenfang im Beringsmeer endgültig enlschieden werden wird.
Der Schatzamts⸗Sekretär Foster hat die nöthigen Schritte gethan, damit auch die Vereinigten Staaten bei der in Paris zusammentretenden internationalen Auswanderungs⸗ Kom mission vertreten sein werden.
Kunsft und Wissenschaft.
Die Königliche akademische Hochschule für die bildenden Künste zu Berlin wurde nach dem Jahresbericht für das Lehriahr Oktober 1890/91 im Winter⸗Semester von 257 Personen besucht, und zwar von 173 immatrikulirten Studirenden aus den früheren Semestern, àh neu immatrikulirten Studirenden, 22 Aspi⸗ ranten und 27 Hospitanten. Darunter waren 198 Maler, 45 Bild⸗ hauer, 3 Kupferstecher, 1 Lithograpuh, 1 Medailleur, 4 Radirer, 1 Modelleur, 1 Zeichenlehrer und 3 anderweitigen Berufs. Im Sommer ⸗ Semester dagegen besuchten die Hochschule 213 Per⸗ sonen, und zwar 163 immatrikulirte Studirende aus den früheren Semestern, 22 neu immatrikulirte Studirende, 15 abgewiesene Aspi⸗ ranten und 13 Hospitanten. Darunter befanden sich 163 Maler, 41 Bildhauer, 2 Kupferstecher, 2 Radirer, 1 Medailleur, 2 Zeichenlehrer und 2 anderweitigen Berufs. Es erhielten im Winter⸗Semester Unter⸗ stützungen: a. verbunden mit Freiunterricht 17 Studirende (16 Maler und 1 Bildhauer); b. ohne Freiunterricht 11 Studirende (8 Maler und 3 Bildhauer); Freiunterricht 23 Studirende (15 Maler, 7 Bilhhauer und 1 Radirer); ermäßtgtes Honorar 1 Studirender (Malery). 2 Hospitanten (Maler) erhielten Freiunterricht. Im Sommer⸗Semester erhielten Unterstützungen: a verbunden mit Frei⸗ unterricht 18 Studirende (16 Maler und 2 Bildhauer); b. Frei⸗ unterricht 16 Studirende (11 Maler, 4 Bildhauer und 1 Radirer) und 1 Hospitant (Maler).
— Autz Budapest wird Wiener Blättern berichtet: Michael Munkacsy weilt seit einigen Tagen hier, um die letzten Ab— machungen wegen des Kolossalbildes zu treffen, das er für die Decke des neuen Parlamentssaales zu malen übernommen hat. Das Deckengemälde wird in den denkbar größten Dimensionen aus⸗ geführt, sodaß Munkaesy genöthigt sein wird, dafür ein besonderes Atelier zu erbauen. Der Künstler ist, wie bei jedesmaliger Anwesenheit in der Heimath, der Gegenstand vielfacher Aufmerksamkeit. Er hat mit der Kornmission für den Parlamentsbau ein Honorar von 220 0090 Fl. für das Gemälde vereinbart. Das Bild, für das schon einige Slizzen entworfen wurden und das vom Künstler bereits in allen Einzelheiten durchkomponirt ist, wind die Besitzergreifung Ungarns durch die Magyaren darstellen. .
— Die Expedition, welche die Königliche Geographische Gesellschaft in London zur Untersuchung der Gletscher des i . aussendet, wird, wie die A. C.“ meldet, unter der
eitung des Mr. O GEckenstein stehen. Derselbe hat sich einen Ruf als tüchtiger Bergsteiger in den Schweijzerslven erworben. Der schweizer Bergfährer Zur Brüggen wird die Expedition begleiten.
— „Der erste internationale Volkssagen-⸗Kengreß, welcher in England, und der zweite, welcher überhaupt je abgehalten
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