1891 / 240 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 12 Oct 1891 18:00:01 GMT) scan diff

Der General⸗Stabsarzt der Armee Dr. von Coler, Wirklicher Geheimer Ober⸗Medizinal-Rath, Chef des Sanitäts— Corps und der Medizinal-Abtheilung des Kriegs-Ministeriums, hat Berlin mit Urlaub verlassen.

Der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Königlich bayerische Ober⸗Regierungs⸗Rath Landmann ist aus München hierher zurückgekehrt.

Der DOekonomie⸗Kommissions⸗Rath Heiliger, bisher Spezial-⸗Kommissar in Remagen, ist der General Kommission zu Düsseldorf als außeretatsmäßiges Mitglied überwiesen worden.

Posen, 12. Oktober. Der frühere Weihbischof und Offizial Janiczewski ist laut Meldung des „W. T. B.“ in der vergangenen Nacht in Gnesen plötzlich gestorben.

Württemberg.

Stuttgart, 11. Oktober. Auf Befehl Seiner Majestät des Königs wurde der folgende Allerhöchste Tagesbefehl den Truppen gestern bei der Paroleausgabe bekannt gemacht:

Offiziere, Unteroffiziere, Soldaten Melnes Armee⸗Corps!

Ihr habt Mir heute den Cid der Treue geleistet! Es ist Mir Bedürfniß, bei diefem Anlaß Euch zu sagen, wie Ich Mich versichert halte, daß Ihr unter Meiner Regierung die ersten Soldatentugenden, welche sind Treue, Muth, Ausdauer in Gefahr und Beschwerde, Mannszucht und Gehorsam, bewahren und wenn deg Vater sandes Schutz es erfordern sollte bethätigen und damit in die Fußstapfen Guerer Vorgänger treten werdet, die auf dem Schlacht⸗ felde mit ihrem Blut dem Armer - Corps eine ehrenvolle Stelle in der glorreichen Geschichte des Jahrhunderts erkämpft und für alle

Zeiten gesichert haben. .

Euer in Gott ruhender König, Mein Herr Oheim, ist in Kriegs zeiten, wie in langen Jahren des Friedens Euch ein gnädiger für Euch warmfühlender, treubesorgter Kriege herr gewesen. Ihm be— wahret ein ehrfurchtsvolles, dankbares Andenken. .

Ich babe in zwei Feldzügen an Euerer Seite gekämpft und die Gefahr mit Euch getheilt; dies begründet ein unauflösliches festes Band zwischen Mir und Euch, zwischen König und Heer.

Seid denn versichert Meiner treu väterlichen Gesinnungen und macht Euererfeits wie in Hingebung an Euern König, so an Euern obersten Kriegsherin, als Glieder des großen gemeinsamen deutschen Heeres dem Namen des XIII. Armee -Corps Ehre.

Stuttgart, den 8. Oktober 1891.

Wilhelm.

Der König hat folgenden Erlaß an den Staats⸗Minister der Justiz Dr. von Faber gerichtet:

Es ist Mein Wille, aus Anlaß Meines Regierangsantritts einen umfassenden Gnadenakt zu erlassen, und Ich will deshalb den Anträgen Meines Justiz⸗Ministerz hierüber entgegensehen. .

Dabei ist Mein Absehen darauf gerichtet, daß die Erweisung der landesherrlichen Gnade insbesondere auch den Angehörigen der ärmeren Volksklasse, welche unter dem Druck der äußeren Noth sich minder bedeutender Verfehlungen schuldig gemacht haben, zu Theil werde.

Stuttgart, den 8. Oktober 1891. Wilhelm.

Ihre Majestät die Königin Charlotte feierte gestern ihr Geburtsfest in der Stille.

Ihre Majestät die Königin Olgg erhielt am Freitag fortwährend, sowohl von Seiner Majestät dem Kaiser, wie von dem König Beweise zarter Aufmerksamkein; Seine Majestät der Kaiser verweilte bei der Königin-Wittwe auch während der letzten Stunde Seines Aufenthalts.

Baden.

Karlsruhe, 11. Oktober. Bei den Wahlen des grund⸗ herrlichen Adels zur Ersten Kammer wurden nach der „Karlsr. Ztg.“ ferner gewählt: Im Bezirk oberhalb der Murg Freiherr Sermann von Hornstein-Binningen, Freiherr

ranz von Bodman und General der Infanterie z. D. reiherr Wilhelm Röder von Diersburg,— .

Der Zusammentritt des Landtages erfolgt, wie, W. T. B.“

aus Mannheim meldet, am 20. November.

. Sachsen⸗Coburg⸗Gotha.

Coburg, 11. Oktober. Seine Hoheit der Erbprinz und Ihre Königliche Hoheit die Erbprinzessin von Sachsen⸗ Meiningen sind mit Höchstihrer Tochter, der Prinzessin Feodora, gestern nach Berlin abgereist.

Elsaß⸗Lothringen.

Straßburg, 10. Oktober. Der Kaiserliche . Fürst zu Hohenlohe ist heute Nachmittag, von seiner Sommerreise zurückkehrend, in Begleitung des Staats sekretärs von Puttkamer hier wieder eingetroffen. Am Bahnhof hatten fich zur Begrüßung eingefunden die Unter-Staatssekretäre von Schraut und von Köller, Präsident Mebes,. Bezirks⸗ Präsident Freiherr von Freyberg, Geheimer Ober⸗Regierungs⸗ Rath Dr. Hosens und Poltzei⸗Präsident Feichter, ferner die hier ansäffigen Landes autschußmitglieder Back, Fischbach, Pr. Gunzert, Heydt, Hochapfel, Klein, Dr. North und Br. Petri, sowie eine Deputation des Straßburger Wirthe-Vereins. Der Abg. Dr, Petri xichtete an den Fürsten Statthalter im Namen der anwesenden Mitglieder des Landesausschusses folgende Ansprache: . ,

„Die hochherzige Entschließung Seiner Majestät des Kaisers, welche unsere Landesverwaltung in den Stand setzte, die den Interessen und Wünschen Elsaß Lothrlugens so überaus entsprechende Milderung der Paßmaßregeln eintreten zu lassen, hat im ganzen Lande freudigen Widerhall gefunden und in allen Theilen der Bevölkerung Empfin⸗ dungen aufrichtigen und herzlichen Dankes gegen Seine Majestät den Kaifer, den Herrn Reichskanzler, auf dessen Antrag die Allerhöchste Enitschliegung erfolgte, und Eure Durchlaucht, welche an der Spitze der Landesverwaltung stehen, hervorgerufen.

Da verfassungsgemäß der Landezausschuß zur Zeit nicht in der Lage ist, seine Stimme ju erheben, so haben wir, die in Straßburg wohnenden Mitglieder desselben, geglaubt, bei der Rückkehr Eurer Durchlaucht in das Reichsland dirsen Gesinnungen öffentlichen Aus druck geben zu sollen, überzeugt, daß wir uns damit in vollem Ein⸗ klang mit unseren Kollegen im Landesausschuß befinden.

Wir wissen das Vertrauen zu würdigen, welches die Regierung durch die Erfüllung unserer Wünsche uns erzeigt hat, und. Eure Durchlaucht dürfen sich persichert halten, daß die Glfsaß-Lothringer es als eine gern geübte Ehrenpflicht ansehen werden, dieses Vertrauen stets zu rechtfertigen.

Wir aber werden nach wie vor bereit sein, auf der unerschütter.

lichen Grundlage der Zusammengehörigkeit Elfaß ⸗Lothringens mit dem Reich, Eure Durchlaucht, den verständnißvollen und wohlwollenden Förderer aller unserer Interessen, den edelmüthigen Freund unserer Bevölkerung, nach unseren besten Kräften in dem bohen Bestreben zu unterstützen, unsere politischen und wirthschaftlichen Verhältnisse immer mehr zu einer gedeihlichen Entwickelung zu bringen, zum Wohle des Reichs und zum Wohle des Landes.“

dire

Der Statthalter Fürst zu Hohenlohe erwiderte:

„Meine Herren! Ich danke Ihnen für Ihre freundliche Be⸗ grüßung und für den Ausdruck der Befriedigung über die jüngst ver⸗ fügte Erleichterung des Grenzverkehrs. Meine Mitwirkung kommt erst in zweiter Linie in Betracht, und wie Sie mit Recht annehmen, ist die Entschließung auf Seine Majestät den Kaiser zurückzufübren. Ich freue mich mit Ihnen aufrichtig darüber, daß es möglich war, die seiner Zeit als nothwendig erkannten, dem Lande so lästigen . zu beseitigen. Sie erblicken darin ein Zeichen des Kaiferlichen Vertrauens zur Bevölkerung von Elsaß Lothringen. So ist es in der That, und ich bin überzeugt, daß diese das in sie gesetzte Vertrauen zu rechtfertigen wissen wird. Dafür bürgen mir die Ge— sinnungen der Treue zu Kaiser und Reich, denen Sie, Hr Abgeordneter, im Namen der ganzen Bevölkerung des Reichslandes soeben Ausdruck gegeben haben. Ich werde Ihre Worte mit Ihrem Danke zur Kenntniß Seiner Majestät bringen, und ich bin gewiß, daß sie den Kaiser um so wohlthuender berühren werden, als Der— selbe den Interessen des Reichslandes stets die lebhafteste und wärmste Theilnahme zu widmen pflegt. Für die mir persönlich aus— gefprochene Sympathie danke ich von Herzen. Sie haben recht, mich einen Freund des Reichslandes zu nennen. Ich glaube sagen zu dürfen: Sie haben keinen aufrichtigeren, keinen treueren Freund, und ich hoffe, daß mir auch ferner Gelegenheit gegeben werden möge, mich als solcher zu bewähren. Zum Schlusse möchte ich auch meine besondere Freude aussprechen, daß der seiner Zeit vom Landes⸗ n, . beschlossene Schritt nun zu einem glücklichen Ergebniß ge— ührt hat.“

Hierauf empfing der Fürst⸗Statthalter die Abordnung des Wirthe⸗Vereins, dessen Vorsitzender im Namen des elsaß⸗lothringischen Gastwirtheverbands den wärmsten Dank für die eingetreiene Paßmilderung aussprach und gleichzeitig den Wunsch ausdrückte, daß Seine Durchlaucht noch lange Jahre an der Spitze der Regierung von Elsaß-Lothringen stehen möge. .

Unter lebhaften Hochrufen der inzwischen angesammelten Volksmenge verließ Fürst Hohenlohe den Bahnhof. Um 5 Uhr empfing der Statthalter im Statthalterpalais den Prä—⸗ sidenten des Landesausschusses Dr. Schlumberger und den Schriftführer Baron Charpentier, welche gleichfalls den Dank für die Milderung des Paßzwanges abstatteten.

Oefsterreich⸗ Ungarn.

Wien, 12. Oktober. Ihre Majestäten der Kaiser und König und der König oon Sachsen, Ihre Kaiserlichen und Königlichen Hoheiten der Erzherzog Franz Ferdi⸗— nand von Oesterreich-Este und der Großherzog von Toscana, sowie Seine Königliche Hoheit der Prinz Leopold von. Bayern sind am Sonnabend Abend von den Hochwildjagden in Steiermark in Penzing einge— getroffen und haben sich alsbald nach Schönbrunn begeben, wo gestern ein Hofdiner stattfand, an welchem auch mehrere Erzherzoge, der Minister des Auswärtigen Graf Kälnoly und der fächsische Gesandte Graf von Wallwitz theilnahmen. Gestern Abend trat der König von Sachsen die Rückreise nach Dresden an. Der Kaiser gab ihm bis zum Bahnhof das Geleit.

Seine Königliche Hoheit der Prinz Friedrich Leopold von Preußen hat sich gestern früh von hier zu Hochwild⸗ jagden nach Mariazell begeben und wird dort etwa zehn

Tage verbleiben.

Im weiteren Verlauf seiner vorgestrigen Budgetrede (siehe Nr. 239 des „R. u. St. A.“ vom 10. d. At.) kuͤndigte

der Finanz⸗Minister Dr. Steinbach eine Reform der

hren Steuern zum Zwecke einer Entlastung der kleinen Steuerträger und Gewerbetreibenden, allerdings unter Berück⸗ sichtigung der finanziellen Lage, an. Solange die gegenwärtige politische Lage dauere, würden die Erfordernisse für das Heer einen großen Theil der Einnahmen in Anspruch nehmen. Der Minister wies sodann auf die schwankende, anfechtbare Natur der erzielten Desizitlofigkeit und die Verschlechterung des Budgets gegen das Vorjahr hin und schloß mit Fer Auffocderung zur Anstrengung und Selbstbeherrschung, damit das Wiedereintreten eines Defizits verhütet werde. Die Rede des Ministers wurde mit lebhaftem, andauerndem Beifall begrüßt. ,

In dem dem Budget beigegebenen Finanzexposs heißt es betreffs des Beitrages zu den gemernsamen An⸗ gelegenheiten:

„Der Beitrag ist für 1892 um 2245 942 Fl. höher als pro 1891 eingestellt. Hierbei kommt aber in Betracht, daß in Folge des neuen Uebereinkommens mit der Gesellschaft des österreichisch⸗ ungarischen Lloyd vom Jahre 1839 an die pro 1891 mit netto 1151 300 Fl. präliminirte Subvention für diese Gesellschaft aus dem ge⸗ meinsamen Budget hinwegfällt, wodurch die die öster⸗ reichischen Finanzen treffende Quote der gemelnsamen Ausgaben pro 1892 an sich um 789 792 Fl. entlastet wird. Der letztere Betrag muß der vorhin bezifferten Erhöhung der Quote zugeschlagen werden, wenn ein richtiges Bild des Anwachsens unseres Antheils am gemein samen Aufwande gewonnen werden foll. Unser Antheil ist demnach um 3 035 734 Fl. gestiegen.

Das Mehrerforderniß im Etat des Handels ⸗Ministeriums per 15 219 5659 Fl. kombinirt sich aus Erhöhungen des Erfordernisses der Post / und Telegraphenanstalt um 1776 500 Fl., der Postsyarkasse um 200 860 Fl., des Staats Eisenbahnbetriebes um 14 224 569 Fl. und des Baues von Privatbahnen um 50 900 Fl., andererseits aus der Verminderung des Erfordernisses für den eigentlichen Staatsaufwand um 687 370 Fl. und für den Staatsbahnbau um 346 0090 Fl.

Der Voranschlag für Subventionen an Verkehrtanstalten weist ein Mehrerforderniß von 2199 065 Fl. auf. Dasselbe erklärt sich durch die Erhöhung des Erfordernisses für die Garantievorschüsse an die österreichifche Nordwestbahn um 237 900 Fl., an die süd ⸗nord⸗ deutsche Verbindungsbahn um 180 400 Fl. und an die Lemberg—⸗ Czernowitzer Bahn um 220 000 Fl., ferner durch den Zuwachs der Subventionen von zusammen 2735 370 Fl. für den österreichischen Lloyd (per 2485 370 Fl) und die Donau⸗Dampfschiffahrts⸗Ge⸗ sell—fchaft (per 250 006 Fl.), sowie der diesen Gesellschaften zu ertheilenden unverzinslichen Vorschüsse von zusammen 750 000 Fl., während andererseits in Folge der Verstaatlichung der galizischen Karl⸗ Ludwigs Bahn und der Erzherzog Albrecht ˖ Bahn die pro 1891 mit zusammen 1 970 600 Fl. präliminirten Garantlevorschüsse für diese beiden Bahnen entfallen.

Die Bedeckung im Etat des Handels. Ministeriums wird ziffern⸗ mäßig um 14 898 519 Fl. präliminirt. Eine ganz außergewöhnliche Einnahme von 1057 4230 Fl. wird sich als Antheil des Staats an dem Gewinn der galizischen Karl⸗Ludwig⸗Bahn aus der Konvertirung ihrer 45 0 / Priorltäten in 40n ergeben. .

Dagegen wird der Antheil des Staats an dem Reingewinn der Kaiser Ferdinands Nordbahn um 183 060 Fl. niedriger präliminirt, mit Rücksicht auf die minder günstigen Aussichten des hierfür maß⸗ gebenden Betriebsjahres 1891.

Vergleicht man die Staatsvoranschläge für die Jahre 1891 und 1892 in ihrem Gesammtergebniß, so ist in Betracht zu ziehen, daß der im Voranschlage pro 1892 ausgewiesene Ueberschuß um 2 904610 Fl. geringer ist, als der im Finanzgesetze pro 1891 erscheinende NUeberschuß, und daß zu Zwecken der Schulden tilgung aus den laufenden Staatzeinn ihmen nach dem Finanzgesetz pro 1691 um 2 Millionen mehr, als nach Inhalt deg vorliegenden Budgets pro 1892, zu entnehmen waren. Hiernach istellt sich das

Budget für 1892 allerdings um nahezu 5. Millionen ungünstiger als jnes für 1891. Immerhin aber wird sich im Jabre 1892 die Möglichkeit ergeben, noch einen Ueberschuß von rund zoo 900 Fl. zu erzielen und von dem Erforderniß für die Staatsschuldentiigun 2 Millionen aus den laufenden Staatseinnahmen zu bestreiten Diese Gestaltung der finanziellen Bilanz ist im Wesentlichen auf die bereits erwähnte bedeutende Steigerung des Aufwandes für die gemeinsamen Angelegenheiten und auf die neuen Subvention. erkordernisse für die beiden Schiffahrtsunternehmungen zurückzuführen. Ohne diese beiden Mehrerfordernisse würde sich die Bilanz, ungeachtet des Ausfalls bei einigen Einnahmszweigen und ungeachtet unvermeid— licher Investitionen im Bereiche des Staatsbahnbetriebes, um eine Million günstiger stellen als für das Jahr 1891.“

Der Staatsvoranschlag wurde von dem Ab geordneten—⸗ hause an den Budget aus schuß überwiesen. Von der Regierung wurde ein Gesetzentwurf, betreffend die Er— ,, der Galizischen Karl-Ludwigsbahn, vor— gelegt.

Die Wiener Blätter besprechen sämmtlich das Budget. Die „Neue Freie Presse? bemerkt dazu, es bestehe deshalb kein Defizit, weil die angesammelten Ueberschüsse in den Staats kassen groß genug seien, um alle Lücken auszufüllen

und selbst die Emission von Tilgungsrente nur als ein

Gebot der Vorsicht erscheinen zu lassen. Das vorliegende Budget sei eine scharfe Waffe in den Händen des Finanz⸗Ministers, um die stürmischen Forderungen der Kriegs⸗ verwaltung energisch abzuwehren. Das „Fremdenblatt“ meint, das Budget müsse als höchst befriedigend bezeichnet werden, weil die Stabilisirung des Gleichgewichts im Staatshaushalte damit neuerdings dokumentirt werde. Die „Presse“ hebt her⸗ vor, die österreichischen Finanzen erschienen in um so günstigerem Lichte, als dieselben trotz der großen Steigerung der Ausgaben nicht nur einen namhaften Ueberschuß ergäben, sondern auch erlaubten, daß der Finanz— Minister aus den laufenden Einnahmen zwei Millionen zur Schuldentilgung entnehme. Dasselbe Blatt hebt die sehr gewissenhaste Veranschlagung der Einnahmen hervor. Die „Deutsche Zeitung“ sagt, das Budget mache den Eindruck einer nüchternen Beurtheilung der Verhältnisse.

Großbritannien und Irland.

Sir William Harcourt brachte auf einem am 8. d. in Glasgow abgehaltenen liberalen Meeting dem An⸗ denken der beiden Todten, deren Verlust England in dieser Woche zu beklagen hat, einen würdigen Tribut dar. Das Land stehe, so führte er der „A. C.“ zufolge aus, unter dem Schatten einer dunklen Wolke. Es würde ungerecht von ihm gegen sich selbst und die Anwesenden sein, wenn er nicht seinem tiefen Bedauern über den Verlust des entschlafenen Leiters des Unterhauses W. H. Smith Aus— druck verliehe. Mr. Smith habe als Mitglied des Unter— hauses nicht allein einen hervorragenden Platz unter ihnen eingenommen, sondern er sei jedem von ihnen ein persönlicher Freund gewesen. Politische Gesinnungsgenossen und Gegner hätten ihn in gleicher Weise geachtet und geschätzt. Sein Charakter sei von einer männlichen Einfachheit und uneigen— nütziger Geradheit und Ehrlichkeit gewesen, die Jederniann Ver— trauen einflößten. Sein Tod habe eine Lücke im Unterhaus hinter⸗ lassen, die es nicht leicht sein werde, wieder auszufüllen. Auf Parnell eingehend, bemerkte Sir William Harcourt, daß in ihm eine große Figur von der Politischen Bühne verschwun den sei. Er habe in dem Drama, welches jetzt hoffentlich seinem Schluß en⸗= gegengehe, eine große Rolle gespielt. Die Stimmen der Kritik und der Parteifehden sollten nur leise sprechen, und es sei zu wünschen, daß alle bitteren Erinnerungen für immer be⸗ graben würden, daß der bedauernswerthe Streit der Mei nungen, in deren Mitte der Todte gestanden, aus der Welt verschwände und daß die Wunden des unglücklichen Landes, dem er in der Vergangenheit so große und unvergeßliche Dienste geleistet, endlich geheilt würden.

Am Sonnabend Nachmittag fand in der Westminster⸗Abtei zur Feier des Andenkens des verstorbenen ersten Lords des Schatzamts und Leiters des Unterhauses, W. H. Smith, eine Gedächtniß feier statt, zu welcher sich die politischen Freunde und Parteigenossen des Entschlafenen in großer Anzahl emn— gefunden hatten. Fast alle Mitglieder der Königlichen Familie waren durch besondere Abgesandte vertreten und die meisten Minister in Person zur Feier erschienen. Der Dekan von Westminster hielt die Gedächtnißrede.

Ueber die Leichen feier zu Ehren Parnell's in Dublin berichten Wolff'sche Telegramme Folgendes: Der Sarg mit der Leiche Parnellis traf am Sonntag früh Uhr in Dublin ein, wo er von einer überaus zahlreichen Menge erwartet wurde. Nachdem der Sarg auf den Leichenwagen gehoben worden, setzte sich das Gefolge, welches aus parnelliti⸗ schen Deputirten, Mitgliedern der Nationalliga und anderer Genossenschaften bestand, nach dem Stadthause zu in Bewegung. Den Zug' eröffnete ein Musikcorps, welches einen Trauer= marsch spielte. Die Spitzen des Zuges trafen um 8l6 Uhr am Stadthause ein. Saͤmmtliche Straßen, durch welche der Kondukt sich bewegte, waren von einer zahlreichen Menschen⸗ menge belebt. Um 10 Uhr wurden die Eingänge zum Stadt⸗ haufe geöffnet. Die wartende große Volks menge drängte sich in das Innere, wo der Sarg auf einer er⸗ höhten Estrade mit Kränzen und Blumen ö gebahrt war. Aus allen Theilen Irlands trafen . ausgefetzt Sonderzüge ein, und troß strömenden Regent hielt eine Kopf an Kopf gedrängte Menschenmenge den Platz vor dem Stadthaufe besetzt. Bie Haltung derselben . eine? durchaus ruhige und ernste. Kurz vor 3 Uhr Nach mittags setzte sich alsdann der imposante Leichenzug von 6. Stadthause nach dem Kirchhofe von Glasneyin in 8

wegung. Dem von sechs Pferden gezogenen Leichenwagen folgten“ die parnellitischen Deputirten, zahlreiche I lf ge der Nationalliga und anderer Vereine, die Bürgermei

und städtischen Behörden von Dublin, Cork und andes irlandischen Städten. Mehrere Mußikkapellen befanden . in dem Zuge. Der ganze Weg bis zum Kirchhof e, . der aus allen Theilen Irlands herbeigeström en h dicht besetzt. Die antiparnellitischen Deputirten hielten i; fern, und es kam keinerlei Störung vor. Bald nach Thur traf der Leichenzug auf dem Kirchhofe ein, vor . hee. sich eine ungeheure Menschenmenge angesammelt hatte; ber sanden einige ünbedeuten de Ruhestörungen statt. Sarg hinabgelassen worden, zog die Menge . Schweigen unbedeckten Hauptes an der Gruft vori i in bi 6 Ühr begann hierauf der Gottesdienst, welcher bi späteren Abendstunden dauerte. . B. T. B. Das Parlamentsmitglied Dillon wurde, wie g eg on meldet, am Sonnabend in Dublin auf, der Sta, Wort mehreren Personen insultirt, indem diese ihm „Mörder“ nachriefen.

bedeckt auf⸗

Die vereinigten irischen Gesellschaften in K aben eine Resolution angenommen, in welcher es für wefentlich erklärt wird, daß bei keinem Entwurf für die Vereinigung der beiden Schattirungen der irischen Partei irgend Jemand, welcher hervorragenden Antheil an der Ver⸗ folgung gegen Parnel! genommen, als dem irischen Volke oder den in Amerika lebenden Iren genehmer Führer aner⸗ kannt werden dürfe. .

Bei der am 10. d. in Buteshire (Schottland) vorge⸗ nommenen Wahl zum Unterhause erhielt der Regierungs⸗ Kandidat Solicitor General Murray 1365 Stimmen gegen g9y0 des Gladstonianischen Kandidaten Mac Culloch.

In Portsmouth trifft man Vorbereitungen für den Empfang des deutschen Uebungsgeschwaders. Den Spitzen der Admiralität ist, wie die englischen Blätter schreiben, befonders daran gelegen, daß den deutschen Schiffen eine ebenso herzliche Aufnahme zu Theil werde, wie kürzlich dem französischen Geschwader, um jeden Schein der Parteilich— keit zu vermeiden. Sollten die deutschen Offiziere nach London kommen, so werden sie die Gäste eines der Armee⸗ und Marineklubs sein. Außerdem wird ihnen zu Ehren ein Festmahl in der Marine⸗Ausstellung gegeben werden, welchem ein Ver— treter der Admiralität beiwohnen wird.

Frankreich.

Paris, 12. Oktober. Der Präsident Carnot empfing vorgestern, wie „W. T. B.“ berichtet, in Gegenwart des Ministers des Auswärtigen Ribot und seines militärischen Hauses den schwedischen Gesandten Due, welcher die IJasignien des Seraphinen-Ordens überreichte, indem er seiner Genug— thuung darüber Ausdruck gab, dem Präsidenten einen Beweis der Hochachtung und Sympathie des Königs von Schweden geben zu dürfen. Präsident Carnot nahm die Insignien dankend entgegen und unterhielt sich alsdann noch einige Zeit auf das Herzlichste mit dem Gesandten. ;

Die Königin Natalie von Serbien beabsichtigt bis zum Ende des Monats hier zu bleiben und sodann sich nach Biarritz zu begeben, um dort den Winter zu ver⸗ bringen. .

Die Budgetkommission wird morgen den Minister der öffentlichen Arbeiten ves Guyot hören, um sich mit ihm über die für den Skaatsschatz aus der Herabsetzung des Schnellzugtacifs entspringende Verlustziffer zu verständigen. Am Mittwoch würde der Finanz⸗Minister Rouvier uber Detailfragen mit der Budgetkommission berathen, sodaß diese alsdann bereit wäre, in der Kammer das Budget zu dis kutiren.

Als die Minister Rou vier, Guyot und Roche Mar⸗ seille am Freitag Abend verließen, wiederholten sich der „Köln. Ztg.“ zufolge unter dem Schutze der Dunkelheit die feindseligen Kundgebungen. An mehreren Punkten wurde gezischt und gepfiffen, und auf der Place de la Liberté warf ein Mensch, der bis jetzt nicht ermittelt ist, ein Messer auf die Minister, das sich beim Auffallen schloß und das man später in dem zweiten Wagen fand. Der Stiel des Messers hatte den auf dem Bock sitzenden Bedienten gestreift.

Der Minister⸗Präsident und Kriegs-Minister de Frey⸗ cinet hat sich von Marseille nach Toulon begeben, um daselbst die Befestigungsfrage zu prüfen. Bei einem den Generalen und Offizieren gegebenen Dejeuner hielt der Minister folgende Ansprache:

Ich trinke auf das Heer und die Flotte, ihre enge Vereinigung und gemeinfamen Anstrengungen für die Vertheidigung des Vater— landetz, Frankreich folgt ihren Fortschritten mit Stolz und schöpft daraus das Gefühl der Sicherheit, welches es seit zwanzig Jahren nicht mehr kannte. Es sieht darin eine bessere Zukunft und seine ge⸗ bührende Stellung in der Welt gewährleistet. Frankreich bedroht Niemand, will den Frieden, weiß aber, daß das sicherste Mittel, ihn zu erhalten, darin beruht, ihn von Niemand zu erwarten und nur sich selbst und seinem Ansehen zu verdanken. Das Heer, und wenn ich sage das Heer, trenne ich die Marine nicht davon, ist nicht nur der Schutz unserer Unabhängigkeit und der Unperletzlichkeit unseres Gebietes, sondern auch für die Jugend eine Schule der Mannszucht und Pflicht, eine Ergänzung der ganzen männlichen Erziehung, eine Vorbereitung für die Arbeiten des Lebens und der Erfüllung der Bürgerpflichten. Frankreich weiß dies alles und schätzt desbalb Heer und Flotte, spart für sie keine Opfer und setzt völliges Vertrauen in sie. Bemühen wir uns mehr und mehr, dies Vertrauen zu recht— fertigen, und nehmen wir als Wahlspruch die lateinischen Worte: Pro patria laboremus! ;

Im Maxine-⸗Ministerium soll, wie die „Allg. Ztg.“ erfährt, eine Neuerung eingeführt werden, wohei es sich um die Bildung eines Generalstabes der Flotte und der Direktion des Kabinets des Marine⸗Ministers han⸗ delt. Gegenwärtig stehen diese beiden Abtheilungen unter der gleichzeitigen Leitung des Vize⸗ Admirals Vignes, welcher den Titel eines . des Generalstabes und Kahinets⸗Direktors im Marine⸗ Ministerium führt. Der Generalstab zerfällt in drei Sektionen: 1. Sektion: Studium des Marine⸗Kontingents und der Küsten⸗ vertheidigung fremder Mächte. 2. Sektion: Hafen⸗ und Küstenvertheidigung; Mobilisirung der Marinetruppen. 3. Sektion: Vorbereitung von militärischen und Schiffs⸗ operationen; Mobilisirung der Flotte. Die Direktion des Kabinets zerfällt in zwei Buregus. 1. Bureau: Das Kabinet als solches. 2. Bureau: Bewegungen der Flotte und militärische Operationen. In dem neuen Projekt soll nun das zweite Bureau dem Generalstabe zugetheilt werden.

ür den ersteren Posten, Chef des e ef e, der Flotte,

oll der Admiral Gervais ausersehen sein. Vize⸗Admiral Vignes würde das hierdurch freiwerdende Kommando des im nächsten Jahre auf zwei Divisionen zu erhöhenden Nord⸗— Geschwaders übernehmen. Der Marinekommissar Nogre, gegenwärtig Chef des Privatsekretariats des Marine⸗Ministers, würde zum Generalkommissar außer Cadre ernannt werden und die neue Direktion führen.

Einzelne Blätter wenden sich gegen ein Garibaldi⸗ Denkmal in Dijon und 56 aus, dies hieße geradezu internationale Schwierigkeiten suchen. Auch lade die Garibaldi⸗

eier in Nizza, mit welcher feindselige Demonstrationen

taliens gegen Frankreich verbunden waren, zu einer Fort⸗ setzung nicht ein.

Ver Gouverneur von Indochina Lanessan erließ an die Kommandanten der vier neuerrichteten Militärterritorien Weisungen, wonach die aus Einge borenen bestehenden Schützen⸗ regimenter durch Miliz verstärklk werden. Ferner wird an⸗ geordnet, daß die Eingeborenen ausschließlich ihrer Nationalität angehörige Behörden haben und die Militär⸗Kommandanten die re Mäßigung ., den Eingeborenen üben und chonend gegen dieselben vorgehen sollen.

Rußland und Polen.

„Die „St. Pet. Ztg.“ schreibt: „Im Auslande wie in russischen Handels krelsen ha tte man befürchtet, es werde auch

die Ausfuhr von Weizen aus Rußland verboten werden. Diese Befürchtungen sind wie wir erfahren grundlos, denn unsere Weizenvorräthe sind so groß, daß sie nicht nur für den inneren Bedarf ausreichen, sondern noch eirca zwei⸗ hundert Millionen Pud für die Ausfuhr übrig bleiben.“

Die „Now. Wr.“ erfährt, daß alle Ressorts angewiesen seien, in diesen Jahre dem Reichsrath ihre Budget— anschläge einen Monat früher, als gewöhnlich, vorzulegen, weil die Verschleppung den bestehenden gesetzlichen Bestim⸗ mungen durchaus zuwiderlaufe und die diesjährige exceptionelle Wirthschaftslage es besonders nothwendig mache, daß der Reichs⸗ rath rechtzeitig in jene Anschläge Einsicht gewinne.

Im Krons-Lieferungzswesen werden einschneidende Veränderungen geplant. Dem „R. W.“ zufolge wird den Konseils der Ministerien des Krieges und der Marine ein Projekt betreffs Errichtung eines eigenen Departements für Beschaffung von Produkten und Bedarfsgegenständen für die Armee und Flotte zur Berathung zugehen.

Die evangelisch⸗lutherischen Kirchenbücher sollen, wie die „Now. Wr.“ meldet, auf Grund einer Verfügung des Departements der geistlichen Angelegenheiten fremder Konfes⸗ sionen, vom 1. Januar 1892 ab im ganzen Reich obligatorisch in russischer Sprache geführt werden.

Italien.

Wie der Abg. Rickert (vgl. Nr. 238 des „R.⸗ u. St. A.“) an Herrn Bonghi, so hat der sreisinnige Abg. Barth in Sachen der interparlamentarischen Konferenz und des sogenannten Friedenskongresses, der in Rom statt—⸗ finden soll, an den Schriftführer des Comités, den italie⸗ nischen Abg. Marchese Pandolfi ein (in der „Nation“ ver⸗ öffentlichtes) Schreiben gerichtet, worin er sich über die von Herrn Bonghi in der „Nuova Antologia“ vom 30 September vertretene Ansicht, daß es nicht klar sei, wer der „legitime“ Besitzer von Elsaß⸗Lothringen sei, beschwert und die Besorgniß äußert, daß solche Ansichten auf dem Kongreß zur Erörterung kommen könnten, wodurch den Deutschen die Theilnahme an dem Kongreß unmöglich gemacht werde. Pandolfi erklärt in seiner Anwort auch seinerseits, daß von dieser Frage auf dem Kongreß keine Rede sein werde. Herr Barth schließt daraus, daß nunmehr die Deutschen beruhigt sein und an dem Kongreß ruhig theilnehmen könnten, indem er hinzufügt, „man solle etwas mehr Toleranz gegen die Irrthümer Anderer und etwas weniger Toleranz gegen die eigenen Irrthümer üben.“ Dies veranlaßt die Berliner „National-Stg.“ zu folgender Be⸗ merkung:

Die letzten Sätze des Herrn Barth sind doch sehr bedenklich. Das Verlangen der Franzosen nach der Rückerwerbung Elsaß Lothringens und die Unterstützung dieses Verlangens durch Politiker, wie Herr Bonghi, darf deutscherseits nicht als harmloser „Irrthum“, gegen den man tolerant“ sein könnte, behandelt werden. Wir wüßten auch nicht, welche eigene“ deutiche „Irrthümer als Seitenstück dazu be—⸗ trachtet werden könnten. Die Friedenskonferenz ist eine praktisch so völlig bedeutungslofe Veranstaltung, daß sich schon um dieser ihrer Bedeutungslosigkeit willen der Schluß fast von selbst ergiebt: sobald irgend ein Bedenken obwaltet, so unterläßt man die Betheiligung; die Sache ist zu unwichtig, als daß man irgend einen unangenehmen Zwischenfall riskiren sollte.

Die „Kölnische Zeitung“ bemerkt ihrerseits zu der Angelegenheit:

Herr Bonghi meint, es sei nicht klar, wer der legitime“ Besitzer von Elsaß Lothringen sei. Wir können doch nicht annehmen, daß Herr Bonghi von dem Frankfurter Friedensvertrage nichts wissen soll; wenn aber ein rölkerrechtlicher Vertrag einem Staate das Eigenthum und den Besitz eines eroberten Landes überträgt, ist dann dieser Besitz kein ‚egitinier'? Herr Bonghi hat seinen (jängst ver— öffentlichten. in Nr. 238 des R. u. St. A. erwähnten) Brief zu dem Zwecke geschrieben, um die Mitglieder des Deutschen Reichstages zu veranlassen, sich in größerer Zahl nach Rom zu begehen, und in dem Eingang desselben die Ver— sicherung gegeben, daß die elsaß ⸗lothringische „Fragen nicht zur Er⸗ örterung kommen werde; wir möchten glauben, daß er das Gegentheil seines Jweckes erreicht hat Denn das ist klar, daß ein Mann, der in Betreff des deutschen Besitztitels an Elsaß⸗Lothringen solch eigen⸗ thümliche Ansichten äußert, uns in keiner Weise eine Bürgschaft dafür bietet, daß nicht über die sogenannte elsaß (lothringische Frage werde ver⸗ handelt werden. Wenn unsere Landeleute sich bislang an den Friedens⸗ kongressen so gut wie nicht betheiligten, obschon die Friedensliebe vielleicht bei keinem Volke so feste Wurzel geschlagen hat wie bei den Deutschen,. so rührt dies daher, weil erfahrungsgemäß die auf derartigen Kongressen die Mehrheit besitzenden Franzosen den Versuch machen, die sog. elsaß lothringische Frage in den Kreis der Erörterung zu ziehen; selbst⸗ verständlich bleibt einem Deutschen in diesem Falle nur übrig, sich aus einer Versammlung zu entfernen, welche das geltende Völkerrecht in schwerster Weise verletzt. Es ist unter diesen Umständen natürlich, vaß Mitglieder des Reichstages, die an sich der Sache sehr sympathisch gegenüberstehen, Bedenken tragen, nach Rom zu gehen; vielleicht besinnen sich sogar diejenigen Herren, welche ihre Anwesenheit bereits . hatten, in Folge des Schreibens dez Herrn Bonghi eines Andern.

Die von Herrn Bonghi vertretenen, mehrfach erwähnten Ansichten über Elsaß Lothringen haben bereits in Wien und in Rom selbst eine den Erwartungen der vorgenannten beiden Blätter entsprechende Wirkung hervorgerufen. Wie nämlich aus Wien von „W. T. B.“ gemeldet wird, haben fünf Abgeordnete der deutschnationalen Partei, darunter Steinwender und Bareuther, an den italienischen Deputirten Marchese Pandolfi ein Schreiben gerichtet, in welchem sie die Theilnahme an dem Friedens⸗ kongresse ablehnen, „weil die jüngsten Ver— öffentlichungen Bonghi's eher einem Kriegs—⸗ als Friedensrufe glichen und ihren politischen und nationalen Ueberzeugungen vollständig wider⸗ sprächen“. Ferner ist der in Rom wohnhafte Senator Guerrieri⸗Gonzaga aus dem Comits für den Friedens⸗ kongreß, weil er die von Bonghi ausgesprochene Ansicht nicht billigen könne, ausgetreten. Der Sekretär des Kon⸗ gresses Marchese Pandolfi richtete in Folge dessen an diesen Herrn die schriftliche Bitte, seine Demission urückzuziehen, indem er dabei bemerkte, daß der

räsident des Comités Bonghi nichts geschrieben habe, was die Berathungen des Kongresses anf fe könnte, Bonghi a. nur seine eigenen Ideen ausgesprochen. Derselbe

abe soeben dem deutschen Abgeordneten Rickert geschrieben, daß er sich verpflichtet halte, davon abzustehen, seine Ansichten, die er als „Schriftsteller“ entwickelt habe, als Präfident und selbst als Mitglied der beiden in Rom einberufenen Versamm⸗ lungen (interparlamentarische Konferenz und Friedenskongreß) irgend Jemandem aufazudrängen.

Die Galen ufficiale“ veröffentlicht ein vom 25. v. M. datirtes Königliches Dekret, durch welches der Posten eines Beiraths des Gouverneurs der Kolonie Eritrea sowie der eines Kolonialraths aufgehoben werden. Dem „Esercito italian“ zufolge kehrt General Gandolfi nach

Massovah zurück, um die ihm übertragene Mission zu voll⸗ enden. Nach dem Wiedereintreffen Gandolfi's in Rom soll ein General zum Civil Gouverneur der Kolonie und ein Oberst zum Befehlshaber der dortigen Truppen ernannt werden. In besonderen Fällen steht dem Gouverneur das Recht zu, auch die militärische Leitung zu übernehmen.

Durch Ministerial⸗Dekret vom 19. Oktober ist der französische Seminarist Dreux, der dritte der aus Anlaß des Zwischenfalls im Pantheon Verhafteten, ebenfalls aus Italien ausgewiesen und Sonnabend Nachts an die Grenze gebracht worden. Gegenüber entgegengesetzten Ge⸗ rüchten wird konstatirt daß im Pantheon regel—⸗ mäßig wie immer Messe gelesen wird. Nachdem die Massen-Pilgerzüge bis auf Weiteres ein⸗ gestellt worden sind, ist Seitens des Vatikans an die katho⸗ lischen Gesellschaften die Aufforderung ergangen, das Geld, welches die Pilger dem Papst anläßlich des Jahrestages seiner Krönung am 3. März 1892 zu überreichen gedacht hätten, als außerordentliche Gabe des Peterspfennigs zu sammeln.

Der „Temps“ meldet aus Rom, der Leiter der französischen Vilgerfahrten Harmel habe über die Vorgänge, welche von dem i nh im Pantheon in Rom ausgingen, einen aus⸗ sührlichen Bericht verfaßt, der in katholischen Blättern ver— öffentlicht werden solle. Außerdem sollen sich die bei dem letzten Pilgerzuge betheiligt gewesenen Arbeiter gegenüber dem Kardinal Langsnieux verpflichtet haben, eine Darstellung alles dessen niederzuschreiben, was ihnen widerfahren. Diese Einzel⸗ berichte sollen Harmel's Bericht einverleibt werden.

Am gestrigen Sonntage trafen die liberalen Vereine von Velletri, begleitet von einer Deputation der dortigen Stadtvertretung, in Rom ein, um das Grab Victor Emanuel's im Pantheon zu besuchen und hierdurch gegen den neulichen , ., Protest einzulegen. Die Deputation legte in aller

tille einen Kranz am Grabe des Königs nieder. Der „Fanfulla“ giebt seiner Zustimmung zu dem von der Re⸗ gierung ergangenen Verbot Ausdruck, in der Kirche bei solchen Anlässen Reden zu halten und die Musik spielen zu lassen.

Der „Moniteur de Rome“, das päpstliche Organ, veröffentlichte, wie die, Mgdb. Ztg.“ meldet, in seiner —Nummer vom 10. Oktober einen heftigen Artikel gegen die italienische Regierung. Das Blatt erklärt, der Papst habe gegen die Aufhebung des Garantiegesetzes nichts einzuwenden, da Italien es nie beobachtet habe, und bezeichnet die Lage des Papstes in Rom als unhaltbar.

Syanien.

Die Gerüchte über eine Ministerkrise in Madrid treten, wie dem Pariser „Temps“ gemeldet wird, verstärkt auf. Trotz der Bemühungen des Minister-Präsidenten Canovas, die Frage der Kabinetsänderung bis zur Rückkehr der Kammer zu ver⸗ tagen, dürfte sie bereits dem nächsten Ministerrath nach der Rückkunft der Königin-Regentin vorgelegt werden. Der Finanz-Minister halte es für nothwendig, daß die neuen . Zeit haben, das Budget und den neuen Zolltarif zu

udiren.

Belgien.

Der Kronprinz von Italien hat in den letzten Tagen die Städte Brügge, Lüttich und Scerain besucht und die dortigen Sehenswürdigkeiten in Augenschein genommen; heute wollte sich Seine Königliche Hoheit nach Antwerpen begeben.

Rumänien.

Bukarest, 12. Oktober. Die in auswärtigen Blättern verbreiteten Meldungen bezüglich einer Entsagung des Prinzen Ferdinand von Rumänien auf die Thron— folge zu GHunsten seines Bruders Karl sind, wie von unterrichteter Seite mitgetheilt wird, gänzlich er⸗ funden. Ebensowenig begründet ist dem „W. T. B.“ zu⸗ folge die Ankündigung, daß Prinz Karl demnächst in ein rumänisches Reiter⸗Regiment eintreten werde.

Bulgarien.

Sofia, 11. Oktober. Das Journal „Swoboda“ ver⸗ öffentlicht ein Handschreiben des Prinzen Ferdinand an den Justiz-Minister Tontscheff, worin er auf dessen dringenden Wunsch sein Entlassungsgesuch genehmigt, indem er seiner Ministerthätigkeit, sowie seines loyalen Patriotis⸗ mus in dankbarer Anerkennung gedenkt und daran erinnert, daß Tontscheff seiner Zeit als Präsident der großen National⸗ versammlung ihm die Akte über die Fürstenwahl überbrachte. ,,, wird in dem Schreiben der Hoffnung Ausdruck gegeben, daß Tontscheff auch fernerhin seine Gefühle der Loyalität und persönlichen Ergebenheit für den Thron und die Person des Prinzen bewahren werde.

Schweden und Norwegen.

(E) Stockholm, 8. Oktober. Heute Nachmittag fand das Begräbniß des verstorbenen deutschen General⸗Konsuls von Redlich von der deutschen Kirche aus in feierlichster Weise statt. Der auf einem Katafalk im Chor der Kirche aufgebahrte Sarg war vollständig von kostbaren Kränzen mit Schleifen in den deuischen Nationalfarben bedeckt, unter welchen sich die des hiesigen Kaiserlich deutschen General⸗ Konsulatgs, des deutschen Konsulats in Söderhamn, der Hier en deutschen Gemeinde, des allgemeinen deutschen

ereins, des deutschen Kirchenraths u. s. w. besonders aus⸗ zeichneten. Außer den nächsten Angehörigen waren der Kaiserlich deutsche, der englische, der italienische, der öster⸗ reichische und der holländische Gesandte, die Beamten des De⸗ partements des Aeußern, die deutsche Legation, das deutsche Konsulat, der hiesige deutsche ö und der deutsche Schutzverein, die meisten ausländischen General ⸗Konsuln in Stockholm u. s. w. um den Sarg versammelt. Nachdem der Kirchenchor eine Hymne gesungen, hielt der Pastor der hiesigen deutschen Ge⸗ meinde Sterzel die Gedächtnißrede, in welcher er das Leben und die Thätigkeit des Heimgegangenen als Beamten mit großer Wärme schilderte. Ein von der versammelten Gemeinde gesungener Psalm beendete den feierlichen Akt. Der Sarg wurde alsdann nach dem neuen Kirchhof übergeführt, um in der Familiengruft beigesetzt zu werden. Amerika.

Eine dem „Herald“ aus Balparaiso zugegangene Depesche meldet, daß die argentinische Regierung tausend in der Provinz Chaco gelegene Quadratmeilen Land zum Preise von 1009 Pesos Gold per Meile an Baron Hirsch verkauft hat. Dieses Land dürfte die Grundlage der von ihm geplanten russisch-jüdischen Kolonie werden.

Brasilien. Die neulichen Ruhestörungen in Rio de Janeiro waren einem von dort in Paris eingetroffenen

ĩ