1891 / 259 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 03 Nov 1891 18:00:01 GMT) scan diff

Ebetbeile, welche eine wegen Nichterholung des erwähnten Zeugnisses ungültige Ebe eingegangen waren, vor dem Inkrafttreten dieses Ge⸗ setzes eine andere Ehe geschlossen, so wird die frühere Ehe einer durch richterliches Urtheil aufgelösten Ehe gleichgeachtet. Als Abs. V Erworbene Rechte Dritter bleiben unberührt; erbrechtliche Ver⸗ bältnisse sind, wenn der Erblasser vor dem Inkrafttreten dieses Ge⸗ setzes gestorben ist, nach den bisher geltenden Gesetzen zu beurtheilen.“ Als Abs. VI habe im cit. Art. 33 sein seitberiger Abs. Hl stehen zu bleiben. Art. 4 des Entwurfs sei in folgender Fassung anzunehmen: Abs. IV. in Art. 1 hat fortan zu lauten: „Die von einer Frauens⸗ person nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes in die Ehe gebrachten Kinder behalten, soweit auf sie nicht der vorstehende Abs. III. Anwendung findet, die seitherige Heimath der Mutter. In Abs. III. des Art. 4 werden die Worte „oder ist sie bürgerlich ungültig“ gestrichen. Zu Art. 19 des Gesetzes vom 16. April 1868 ze. n , erhält folgenden Zusatz. Wenn keine der hier aufge—⸗ zählten Voraussetzungen zutrifft, ist jene Distriktsverwaltungs— behörde zuständig, in deren Bezirk die Heimath angesprochen wird.“ Zu Art. 55 des Gesetzes vom 16. April 18668 2c. Dem Art. 35 wird folgender Abs. VII beigefügt: „Ist eine lebensgefährlich Krankheit, die einen Aufschub der Eheschließung nicht ge— Frattet, ärztlich bescheinigt, so kann die Distriktsverwaltungs—⸗ behörde auch ohne vorgängige Bekanntmachung des Ehevorhabens das Zeugniß ausstellen.“ Zu Art. 39 des Gesetzes vom 16 April 1868. Der Abs. 1 in Art. 33 erhält folgende Fassung: „Ausländer, die auf bayerischem Gebiet, obne nach Bayern förmlich eingewandert zu sein, eine Ehe schließen wollen, haben der Distrikts⸗ verwaltungsbehörde des Ortes, an welchem der das Aufgebot an⸗ ordnende zuständige Standeebeamte seinen Sitz hat, den Nachweis vorzulegen, daß nach den im Heimathlande des Mannes geltenden Gesetzen diese Eheschließung zulässig ist und dieselben Wirkungen hat, wie wenn sie im Heimathlande selbst erfolgt wäre.“

Sachsen⸗Weimar⸗Eisenach.

Weimar, 2. November. Seine Königliche Hoheit der Großherzog kehrt der „Th. C.“ zufolge heute aus Schlesien hierher zurück und begiebt sich Mitte der Woche auf einige Tage nach Allstädt, um dort zu jagen. Ihre Königliche Hoheit die Großherzogin gedenkt am 5. d. Heinrichau zu verlassen und über Wien hierher zurückzukehren.

Oldenburg.

(UI) Oldenburg, 2. November. Der Großherzog⸗ liche Hof ist heute von Eutin nach Oldenburg zurückgekehrt. Reuß j. L.

Gera, 31. Oktober. Die „Geraer Ztg.“ macht bekannt: Heute fand in der Schloßkirche zu Schloß Ssterstein die Taufe des am 17. v. M. geborenen Prinzen Heinrich XL., Sohnes der Erbprinzlichen Herrschaften, statt. Der Hosprediger Ober⸗Kirchen⸗Rath Lotze vollzog den Taufakt. Zugegen waren außer Seiner Durchlaucht dem Fürsten und dem Erbprinzlichen Paare nebst Prinzessinnen⸗Töchiern von Allerhöchsten, Höchsten und Hohen Herrschaften und Pathen: Ihre Majestät die Deutsche Kaiserin und Königin von Preußen, Allerhöchstwelche am Abend zuvor auf Schloß Osterstein eingetroffen war, Seine Königliche Hoheit der Herzog Nicolaus von Württemberg, Seine Großherzogliche Hoheit der Prinz Max von Baden, Seine Durchlaucht der Prinz Ernst von Sachsen-Altenburg in Vertretung Seiner Hoheit des Herzogs von Sachsen⸗Altenburg, Seine Durchlaucht der Fürst, Ihre Großherzogliche Hoheit die Fürstin und Ihre Durchlaucht die Prinzessin Feodora von Hohenlohe⸗ Langenburg, Ihre Durchlauchten der Prinz und die Prinzessin Hermann, sowie die Prinzessin Friede⸗ rike von Solms-Braunfels, Seine Durchlaucht der Fürst Heinrich IV. Reuß ⸗-Köstritz, Seine Durchlaucht

Prinz Heinrich XVIII. Reuß j. S. und in Vertre-

tung Seiner Majestät des Deutschen Kaisers und Königs von Preußen Allerhöchstdessen General ⸗-Adjutant und Kommandant des Hauptquartiers, General Lieutenant von Wittich. Auch der hier akkreditirte Königlich preußische Gesandte Graf von Dönhoff wohnte den Feierlichkeiten bei. Nach der Taufe fand Gala-⸗Tafel im Marmor⸗Saale siatt. Abends 6 Uhr 18 Minuten begab Ihre Majestät die Kaiserin und Königin Allerhöchstsich nach Potsdam zurück.

Deutsche holanien.

Der Reichskommissar Dr. Peters hat an den Kaiserlichen Gouverneur für Deutsch-Ostafrika über die zu gründende Kilimandscharo⸗Station einen Bericht erstattet, in dem ausgeführt wird, daß die bisherige Station Moschi in keiner Weise den an eine solche Station zu stellenden Ansprüchen genüge; weiter heißt es:

Wenn man von Moschi sich gegen Osten wendet, zieht sich der Weg zunächst über ziemlich steil abfallende Bergrücken. Diese Rücken fallen vom Gebirgsblock strahlenförmig in die Ebene hinab. Etwa unter 370 18. 5. Lg. wird der Gebirgskamm überschritten, der Moschi von der Landschaft Kirna trennt. Der Pfad erreicht auf diesem Kamme die untere Waldgrenze. Moose und Farrendickichte treten auf. Kirng ist ein Hochland mit weicheren Erhe— bungen und gut angebaut. Man durchzieht es in etwa zwei Stunden von West nach Ost und marschirt um einen weit in die Ebene sich vorstreckenden Bergvorsprung ins Land Kilema hinein Plötzlich sieht man unter sich ein weit ausgebreitetes, dicht bebautes, sanft abfallendes Gelände, das im Norden von den höheren Kilimandscharo-Plateaus, im Osten von einer zum Jipe vorspringenden Hügelkette begrenzt wird (bei Meyer Wadschimba⸗Hügel) nach Südosten aber einen un— gehemmten Ausblick über Kabe und die Pangant. Straße einerseits, über Ugueno, Taweta und das Jipe Becken andererseits, gestaitet. Dieses lachende Gelände, von dem aller Orten Rauchwolken empor steigen, und aus dem die Dächer der katholischen Mission sich deutlich abbeben, umfaßt die wasserreichen Landschafen von Kilema, Marangu und kleinere Gebiete bis nach Rombo hin. Rombo wird durch die oben erwähnte östliche Hügelkette ab— gegrenzt. Das so gekennzeichnete Kulturgebiet hat nach meiner Ab— schätzung eine Größe von über 16 deutschen Quadratmeilen. Wenn man hineinzieht, so fällt der außerordentliche Wasserreichthum auf, der an Europa erinnert. In jeder Senkung ein lebendiger Wasser— lauf, alle zehn Mnuten etwa ist ein solcher zu überschreiten. Hier befinden wir uns in dem Hauptquellgebiet zum Rufu⸗Pangani. Alle diese Bäche laufen am Fuß des Plateaus oder weiter in der Steppe zum Mabungo, Himo und schließlich zum Rufu zusammen. Am Kilema-⸗Fluß Mui, oberhalb einer Reihe von Schnellen, in üppigem Kulturland liegt die französische Mission. Sie liegt unter einem die ganze Landschaft beherrschenden Hügel (bei Meyer als Kilema-⸗Berg eingetragen). Von diesem Hügel aus war ich in der Lage, eine genaue Orientirung im Hinblick auf die mir gestellte Aufgabe vorzunehmen Es war möglich, die ganze vorliegende Cbene, mit Ugueno in der Mitte, ron Kahe bis nach Taweta hin, aus der Vogelperspektive klar und deutlich zu überblicken. Die Taweta⸗Straße schlängelt sich am Fuß des Geländes hin und geht bei einem aus der Ebene sich mehr erhebenden Hügel über den Himo. Diesen Punkt faßte ich von vorn⸗ berein für die etwaige Anlage ins Auge. Daraufhin setzte ich am 4 August meinen Vormarsch nach Osten fort und gelangte nach Ueberschreitung einer großen Anzahl von Bächen zu Marcale, dem Sultan von Marangu, dessen Boma 5 bis 6 km östlich von dem Kilema⸗ Berg liegt. Ich hatte mit mir den Pere Rohmer genommen. Marcale ist ein noch iunger Mann von gut⸗

müthigem Wesen, sicherlich intelligenter als der Durch⸗ schnittsneger und frei von Bettelbaftigkeit. Er macht einen sehr an genehmen Eindruck. In seinem Lande haben wir mehrere Tage sorg⸗ fältig nach einem Platz für unsere Stationsanlage gesucht und nun einen solchen gefunden, der unseren Zwecken nach allen Richtungen hin in überraschend günstiger Weise entspricht. Ich habe dazu noch zu bemerken, daß mit der Stationsanlage weiter gegen Nordosten, etwa nach Rombo, zu gehen, sich deshalb nicht empfehlen würde, weil Rombo erheblich wasserärmer als Marangu ist. Der Platz, den ich mit Hülfe der Eingeborenen gefunden habe, liegt unmittelbar westlich oberhalb des Unna⸗Flusses, dessen Rauschen deutlich auf dem langgestreckten Abhang hörbar ist. Auf der östlichen Seite dieses Abhanges fließt der Sangeni⸗Bach, sodaß wir auf beiden Seiten flie ßendes Wasser haben. Ueber den Abhang selbst aber ist eine Wasser leitung von den Bergen hergeführt, sodaß für Gartenanlagen und daran sich schließende Ackerfelder Feuchtigkeit reichlich vorhanden ist. Von dieser Höhe, die nach dem Aneroidbarometer 1530 m boch ist, fällt der Blick über Felder und Hochwald hinweg unmittelbar auf den oben bezeichneten Hügel, an dem die Taweta⸗Straße über den Himo führt. . h

Breit und langsam senkt sich hier das Gelände in die Steppe binab, sodaß das Herausschlagen eines Fahrweges für die untere Station, die etwa 12 km entfernt liegt, keine Schwierigkeiten bat. Dahinter sieht man den Pangani-Fluß, Ugueno und in einiger Ent fernung die Umrisse der Pareberge. Links liegt der Jipe⸗See in seiner vollen Ausdebnung, Taweta und der LumiKluß. Rechts ist Kahe mit der Pangani⸗Steppe innerhalb Gesichtsweite. Wir vermögen die Stellen auszumachen, an denen wir gelagert und die Flüsse überschritten haben. Der Boden hier ist der beste, den es giebt. Schwarze Lavaerde mischt sich mit Thon. Getreidefelder wechseln mit Bananenhainen ab, und das Ganze wird nach der Steppe zu und links unterhalb unserer Station von Hochwald eingerahmt. Die Lankschaft gewährt einen Eindruck etwa wie die Gelände des Thüringer Waldes mit der goldenen Ebene dahinter vom Kyffhäuser aus. Ich glaube, es giebt nicht leicht eine Stelle im deutsch-ostafrikanischen Schutzgebiet, die sich an Günstigkeit aller Erfordernisse für eine Stationsanlage und an landschaftlicher Schönheit mit dieser messen könnte. Die Luft ist von einer seltenen Reinheit und Frische. Das Thermometer war an drei Tagen bis 11 Ubr Morgens nicht auf 12 Grad R. gesliegen und des Abends ist es bitterlich kalt. Die Station muß von vornherein mit Ofenheizung angelegt wergen. Aber wenn dann die Sonne bervorkommt, so wird es heiß, und der Gärtner auf der katholischen Mission ist über⸗ zeugt, daß neben den europäischen Gemüsen und Getreide (auch Weizen ist gut aufgegangen) die meisten tropischen Kulturen möglich sind. Diesen Platz habe ich für unsere Stationsanlage gewählt und mir von Marcale ein Terrain von mindestens 20 000 Morgen, abwechselnd Getreideland und Hochwaldbestand, für die Kaiserliche Regierung ge sichert. Ich habe das Land zu beiden Seiten des Unna -Flusses ge— nommen und gehe hernach mit dem Himo in die Ebene hinab.

Wir haben das abgetretene Gebiet zunächst durch Peilungen nach Landmarken sestgelegt und müssen uns eine genauere Abarenzung vor— behalten. Eingeschlossen in den Kauf ist das Recht der Expropriirung gegen Entschädigung der auf dem Terrain angesessenen Privat⸗ besitzer. Ich habe nun sosort mit dem Bau eines provisorischen Blockhauses, 16 m lang, 5m breit, beginnen lassen. Morgen erwarte ich den Frére der katholischen Mission mit Sämereien, der uns gleich einen Garten unterhalb der Gebäude anlegen will. Raum zur Ausdehnung haben wir nach dem Gesagten in jeder Richtung, und diese Station wird demnach auch ihre eigenen Bedürfnisse, wie das schon heute die katho— lische Mission im Wesentlichen thut, sich bei richtigem Betrieb bald selbst produziren können. Moschi mache ich in Zukanst zur Neben station, mit einem Posten besetzt. Posten von je sechs Mann Stärke lasse ich ferner nach Kahe und Aruschawa schini legen. Zum Schluß weise ich noch darauf hin, daß wit von unserm Platz aus, auf welchem

wir seit gestern Nachmittag lagern und arbeiten, mit dem Glase den Platz

sehen können, an dem die geplante Beücke nördlich von Ugueno über den Pangani gebaut werden soll. Die Verbindung von hier nach der Küste ist um einen Tag kürzer als von Moschi. Sie vollziebt sich in folgenden Etappen: 1) Vom Zoll zur Brücke; 2) von der Brücke nach Butu (Ugueno); 3) von Butu nach der Steppe (an einem Platz, wo man Wasser aus den Bergen käuflich bezieht); 4) von der Steppe nach Kisiwani; 5) von Kisiwani nach Gonja; 6) von Gonja nach Kihungwe; 7) von Kihungwe in die Steppe (kein Wasser); 8) nach Masinde. An den angeführten Etappen wurde ich ständige Lager plätze, sogenannte Campis, wie auf der Tabora Straße, anlegen lassen. Für die von mir bier begründete Station bitte ich gehorsamst den Namen „Kilimandscharo⸗Station“ genehmigen zu wollen. Den Aus sichtshügel von Kilema habe ich zu Ehren des ersten Erwerbers dieser Länder, des im Dienst für die koloniale Sache gefallenen Dr. Jühlke, Iühlkes Höhe“ benannt.

Oesterreich⸗ Ungarn.

Wien, 3. November. Der Kaiser machte gestern, wie „W. T. B.“ meldet, dem König und der Königin von Griechen⸗ land einen längeren Besuch. Der König geleitete sodann den Kaiser bis zum Wagen und verabschiedete sich auf das Herz— lichste. Unmittelbar darauf stattete der König dem Kaiser einen Gegenbesuch ab.

Am 11. d. M. wird der Kaiser die Delegationen empfangen, und zwar die ungarischen um 12 Uhr Mittags, die österreichischen um 1 Uhr Nachmittags.

Einem gestern Abend ausgegebenen Bulletin zufolge dauert die Besserung in dem Befinden der Erzherzogin Margarethe Sofie an. .

Im Finanzausschuß des ungarischen Unter⸗ hauses wies gestern der Abg. Pazmandy darauf hin, daß die Umschrift der österreichischöin Münzen immer noch mit der staatsrechtlichen Lage im Widerspruch stehe. Der Fi nanz⸗ Minister erwiderte, er habe die Frage bereits bei dem öster⸗ reichischen Finanz-⸗Minister in Anregung gebracht; eine Lösung sei bei der Umprägung der österreichischen Münzen zu ge— wärtigen. Der Finanzausschuß erledigte sodann das Finanz—⸗ budget und begann die Berathung des Kultusbudgets. Auf bezügliche Anfragen der Abgeordneten Helfy und Falk erwiderte der Kultus⸗Minister Csaky, für die Primatial⸗ würde habe die Regierung, seitdem sie sich mit der Angelegenheit befasse, nur einen Kandidaten im Auge gehabt, der auch thatsächlich vom Monarchen ernannt worden sei. Die vollzogene Ernennung sei auf diplomatischem Wege dem Papst notifizirt worden; es könne demnach von fremder Einmischung keine Rede sein. In Betreff der Weg— taufenfrage halte er an seinen früheren Erklärungen fest. Die Reise des Erzbischofs von Erlau nach Rom im vorigen Jahre sei aus Gesundheitsrücksichten unter— nommen worden. Der Erzbischof habe die Ge— legenheit benutzt, um den maßgebenden vatikanischen Kreisen gegenüber seine Gedanken über die Wegtaufen zu äußern, die mit den Ansichten des Ministers überein⸗ stimmten. Eine Mission hierzu habe der Erzbischof nicht gehabt; er habe ganz auf eigene Verantwortung ge⸗ handelt. Wegen der Verlegung des Primatialsitzes nach Pest werde der Minister demnächst dem Reichstage einen Gesetzvorschlag unterbreiten.

Großbritannien und Irland. Die Königin Victoria wird, der „A. C.“ zufolge, am 21. November von Schloß Balmoral nach Windsor über⸗

siedeln. Der Erbgroßherzog von Hessen, der gegen⸗ ,, Besuch bei Ihrer Majestät in Schottland weilt, wird die Königin nach Windsor begleiten, dann aber nach dem Konti nent zurückreisen. Am Sonntag fand im Schlosse Balmoral die Taufe des Sohnes des Prinzen und der Prinzessin Heinrich von Battenberg in Gegenwart der Königin und sämmtlicher zur Zeit in Balmoral weilenden Fürstlichleiten statt. Dr. Cameron Lees in Edinburg vollzog die feierliche Handlung; der Madrigal⸗-Chor von Aberdeen sang die Kirchenlieder. Der junge Prinz erhielt die Namen en e Victor Donald; die Königin hielt ihn selbst über ie Taufe.

Der Leiter des Unterhauses und Erste Lord des Schatz⸗ amts Balfour ist einstimmig zum Kanzler der Universitaͤt Edinburg erwählt worden.

Der „Standard“ befürwortet trotz aller politischen Gegen⸗ sätze, die Rußland und England trennen, Sammlungen für die russischen Nothleidenden; denn Hungersnoth sei eine jener schmerzlichen Heimsuchungen der Natur, der die Welt als eine einzige Familie gegenüberstehen müsse.

Frankreich.

Paris, 2. November. Der von dem Berichterstatter Marusjouls der Kammer übergebene Gesetzentwurf über die Beförderung der Sicherheit auf den Eisenbahnen besteht nach der „Köln. Ztg.“ aus fünf Artikeln.

Art. 1 lautet: Jedem Ingenieur, der mit der Aufsicht über den technischen Betrieb der Eisenbahnen beauftragt ist, werden, abgesehen von den gegenwärtig sich im Amt befindenden Hülfsarbeitern, Contro—- leure beigegeben, die den Zustand des Geräths, die Dauer der Ar— beit der Angestellten und überhaupt alles, was die Sicherheit anbelangt, zu überwachen haber. Die Controleure werden aus den Chefs und Unterchefs der Depots, den Mechanikern, die zum wenigsten fünf Dienstjahre haben, und den in Dienst stehenden oder in Ruhestand versetzten Angestellten entnommen? Art. 2 verfügt, daß diese Beamten vom Minister der öffentlichen Arbeiten ernannt werden, der die An— stellungsbedingungen, die Zeit, während deren sie jede Woche beschäftigt sind, und ihre Gehälter bestimmt. Nach Art. 3 muß der Sicherheits -Controleur von den sich im Depot befindenden Maschinen und von den Diensttagebüchern Kenntniß nehmen, die Ursachen der Verspätung, die Ueberladung und übermäßige Schnelligkeit, den Zu⸗ stand der Maschinen und die auferlegte Dauer der Arbeit der Beamten beaufsichtigen und im Allgemeinen die Anwendung der Vorschriften überwachen. Der Controleur hat wöcheagtlich einen Bericht anzu— fertigen, der durch den Ingenieur dem Minister zugeht. Art. 4 be—⸗ timmt, daß jeder bei einer Eisenbahngesellschaft angestellte Staats— Ingenieur drei Monate nach seinem Eintritt in dieses Amt als aus dem Staatsdienst entlassen betrachtet wird. Die nämliche Frist für ihre Wabl wird den gegenwärtig im Dienst der Compagnien befind⸗ lichen Staats-Ingenieuren bewilligt. Art. 5 bestimmt, daß Niemand Zugführer oder Weichensteller werden darf, der nicht mit einem von dem Ingenieur und zwei Sicherheits-Controleuren unterzeichneten Befähigungszeugniß versehen ist.. . . ; 3.

Das Befinden des Kardinals Lavigerie hat sich, wie „W. T. B.“ meldet, erheblich gebessert.

Wie der „Magd. Ztg.“ telegraphisch aus New-York ge— meldet wird, ist französischerseits zwangsweise von einigen in der Nähe von Neu-Caledonien belegenen Inseln Besitz ergriffen worden.

Rusland und Polen.

Der Kaiser und die Kaiserin trafen auf der Reise nach Livadia mit ihrer Fürstlichen Begleitung gestern Vor— mittag auf der Station Spassow-Skit in der Nähe von Borki ein und besichtigten, wie „W. T. B.“ berichtet, die daselbst zum Andenken an die am 17. Oktober 1888 vor⸗ gefallene Eisenbahn-Katastrophe im Bau begriffene Kirche und andere kirchliche Gebäude.

Durch den schon gestern erwähnten Kaiserlichen Ukas ist das im August für Roggen ergangene Ausfuhrverbot auf alle Getreidearten, mit Ausnahme des Weizens, sowie auf Kartoffeln, Mehl, Malz, Grütze, Teig und gebackenes Brot ausgedehnt worden. Das Verbot ist gestern in Kraft getreten, doch ist noch bis Donnerstag die Ausfuhr der davon betroffenen Nahrungsmittel gestattet, wenn letztere zur Beendigung einer vor dem 1. November begonnenen Schiffsbefrachtung bestimmt, oder wenn sie vor diesem Zeitpunkte auf der Eisenbahn zur Ausfuhr über Landzollämter abgefertigt worden sind.

Im Laufe der ersten sieben Monate dieses Jahres gingen nach der „A. R. C.“ im Vergleich zu derselben Periode des Vorjahres folgende Staatseinnahmen ein:

1891 1890

Ordentliche Einnahmen: Millionen Rubel Im Innern des Reich;. . . 460,583 465,948 ö 2, 605 2022

1687. dd 46 75,

Außerordentliche Einnahmen: Im Innern des Reichs.. 27,708 15, 057 Im Auslande. ö 6,414 5, 635 T. T7 Iss

. ö Insgesammm 487310 1838, 662,

d. b. in den ersten sieben Monaten dieses Jahres ein Plus in den Einnahmen von 8548 Mill. Rbl.

Die starke Vermehrung der außerordentlichen Einnahmen um ca. 13169 Mill. Rbl. ist hauptsächlich bedingt worden durch die Zurück ahlung von Darlehen im Juli d. J. im Betrage von 14,208 Mill. Rbl., welche die Krone den Eisenbahn⸗ gesellschaften gewährt hatte.

Die Ausgaben waren in den ersten sieben Monaten der Jahre 1891 und 1890 folgende:

Ordentliche Ausgaben: Im Innern des Reichs. Im Auslande .

1891 1890 Millionen Rubel 444203 145, 763

19,910 28,076

. Dm T ds Außerordentliche Ausgabe: n:

Im Innern des Reet öl 12, 987

ande, 17,987 42,532

Vd. bo 5 ĩd

ö Im Ganzen 97, vᷓ 529, 354. In den ersten sieben Monaten 1891 weniger 35,153 Mili. Rbl. Rechnet man zu der verausgabten Summe von 494.161 Mill. Rbl. noch die Ausgaben der Vergünstigungsfrist und der abgelaufenen Bud gets mit 63,366 Mill. Rb. hinzu, so erhält man für die ersten sieben Monate dieses Jahren die

Gesammtausgg be von 557,527 Mill. Rbl. gegen S560, gh

Mill. Rbl. in derselben Periode von 1890, d. h. in diesem Jahre bisher 23,262 Mill. Rbl. weniger. Die 1 .

Ausgaben ist vorzugsweise erzielt durch die bisher vorgenommenen Konversionen.

Italien. In der gestrigen Verhandlung des rozesses Lagnassi⸗Livraghi behauptete, wie dem „W. * * . Massovah berichlet wird, der der Verleumdung Adam

Agag's angeklagte Cassa, daß der Dolmetscher Freda ihn be—

auftragt habe, den kompromittirenden Brief an Ras Alula zu schreiben. Ihm seien ferner 500 Thaler versprochen worden, wenn er sich der Verleumdung El Akkad's schuldig bekennen würde; wer ihm diese Summe zahlen sollte, wisse er nicht anzugeben. Der Vertreter der Militärbehörde Invrea habe ihn dazu gedrängt, gegen Cagnassi auszusagen. Beim Schluß der Verhandlung pro⸗ testirte der anwesende Vertreter der Militärbehörde auf das Entschiedenste gegen die Anschuldigungen, die Cassa gegen Invrea vorgebracht hatte. Ebenso wiesen der die Untersuchung führende I und der Dolmetscher Freda die Anschuldi⸗ gungen Cassa's zurück. Cassa beharrte auf seinen Behauptungen.

Schweiz.

Der Bundesrath hat in seiner Sitzung vom 30. Okto—⸗ ber beschlossen, den Oberst Divisionär Künzli, seinem Gesuche entsprechend, des Ko]mmandos der IV. Division „unter An⸗ erkennung der dem Vaterlande und der Armee geleisteten ausgezeichneten Dienste“ zu entheben. Das Kommando der J. Division wurde (wie schon telegraphisch in Nr. 256 d. Bl. gemeldet) dem Oberst⸗Divisionär David, das der II.. Di— vision dem Obersten Techtermann, das der VI. Division dem Obersten Meister, das der VIII. Division dem Obersten ö und das Kommando der IV. Division dem

bersten im Generalstabe Alex. Schweizer übertragen. Ferner wurde eine Reihe Ernennungen von Offizieren der Sanitäts- truppen (Aerzte) vorgenommen.

Da gegen das Bundesgesetz vom 3. Juni 1891 über die Vertheilung der Reine innahmen des Alkohol— monopols wahrend der Uebergangsperiode 1891. 1895, dessen Einspruchsfrist mit dem 16. Sertember abgelaufen ist, kein Referendumsbegehren gestellt wurde, so wurde dieses Gesetz in Kraft erklärt. Der Entwurf einer Verordnung, über die Aufstellung einer Landesvertheidigungs-Kommission ist genehmigt worden.

Am nächsten Sonnabend findet in Bern eine Konferenz zwischen dem Bundesrath Welti und den Delegirten der Kantone Bern, Freiburg, Waadt und Wallis in Betreff des Simplontunnels statt.

Serbien.

Belgrad, 2. November. Das Entlassungsgesuch des Finanz⸗Ministers Vuic ist laut Meldung des, W. T. B.“ heute definitiv angenommen worden. Auch der Bauten— Minister Velimirovie und der Unterrichts-Minister Nicolic haben ihre Entlassung genommen. Mit der Ver— waltung des Finanzressorts ist einstweilen Pasic betraut. Wie es heißt, wäre indeß auch die De mission von Pasie als nahe bevorstehend anzusehen.

Bulgarien.

Sofia, 2. November. In der letzten Sitzung der Sobranje wurde der zur Beantwortung der Thronrede vor— gelegte Adreßentwurf mittels Akklamation genehmigt. Nach Verifikation der Wahlvollmachten beantragte der Prä— sident, die Sobranje möge über das Hinscheiden des Ministers Beltscheff, der als ein Opfer für die Freiheit Bul— gariens gefallen sei, Trauer und Theilnahme ausdrücken. Die Versammlung kam dieser Aufforderung durch Erheben von den Sitzen einhellig nach.

Amerika.

Vereinigte Staaten. Der Vertreter Chiles in Washington, Senor Pedro Montt, hat, einem Kabel— Telegramm aus New⸗Hork zufolge, dem Staatssekretär Blaine erklärt, Chile wolle durchaus gerecht und billig ver— fahren; befinde es sich im Unrecht, so wolle es Genugthuung leisten. Die Regierung der Vereinigten Staaten will Chile eine Frist zur Untersuchung der Rechtsverletzungen ge— währen. Wahrscheinlich werde Admiral Gherardi mit dem Kriegsschiff „Philadelphia“ nach Chile segeln und dort den Be— fehl über das amerikanische Geschwader übernehmen.

Eine neuere Meldung des „R. B.“ aus Valparai so besagt, die infolge des Zwischenfalls mit den Matrosen des amerikanischen Kriegsschiffs „Baltimore“ entstandene Exrregt— heit habe sich gelegt. Die Präsidentschaft der Republik sei George Montt angeboten worden. Die Eröffnung des Kon— gresses sei auf den 16. d. anberaumt. Von den politischen Gefangenen würden die meisten in Freiheit gesetzt werden. Die Regierung sei bereit, berechtigten Forderungen der Aus— länder entgegenzukommen.

Bei Indian Head in Maryland werden gegenwärtig Versuche angestellt mit Panzerplatten, die in Amerika fabrizirt worden sind. Der Marine⸗Inspektor Tracy und die Marine⸗-Attachés der britischen, spanischen und japanischen Gesandtschaft wohnten den Versuchen bei, die, dem „R. B.“ zufolge, bis jetzt ein ziemlich befriedigendes Resultat ergeben haben. Am Besten hat sich die Nickelstahlplatte bewährt. Die Harvey'sche Platte, die kein Nickel enthält, zeigte nor— male Widerstandskraft; man hatte geglaubt, daß sie Sprünge bekommen würde. Eine Verbindung des Harvey'schen Pro— zesses mit dem Nickelverfahren dürfte, wie der Berichterstatter hinzufügt, vielleicht die besten Resultate erzielen.

ö V Asien.

Chäna. Aus London gehen der „P. C.“ über die Zu— sammensetzung der chinesischen Kriegsflotte folgende An—⸗ gaben zu:

Die Flotte besteht derzeit aus vier Geschwadern, von denen die auf dem Pei ⸗Ho konzentrirte 4 Panzerschiffe, 3 Kreuzer, 8 Kanonen boote, 1 Aviso⸗Dampfer und mehrere Transyortschiffe zählt. Fast ebenso stark ist das Futschau⸗Geschwader mit 7 gepanzerten Kreuzern, Kanonenbooten und 2 Kreuzerschiffen neuester Bauart. Als das bedeutendste gilt das Geschwader von Kanton, welches 7 Kanonen— boote, 1 Aviso⸗· Torpedoboot, Torpedoboote für die hohe See, 13 Tor- pedos erster und 9 zweiter Klasse für die Küstenvertheidigung zählt. Außerdem besteht noch ein Reserve. Geschwader. Fast sämmtliche Schiffe wurden auf europäischen Werften, zumcist in Stettin, Kiel

und Elbing, gebaut und sind mit Krupp'schen und Armstrong ⸗Geschützen ausg erüstet.

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Entscheidungen des Reichsgerichts.

Als Betriebs- oder Arbeitsaufseher im Sinne des 8. 96 des Unfall versicherungsgesetztz vom 6. Juli 185, wonach diese' für den in Folge eines Unfalls erlittenen Schaden den Ünfallgenossen— schaften und Krankenkaffen gegenüber Tur dann haftbar find, wenn gegen sie durch strafgerichtliches Urtheil festgestellt worden ist,

daß sie den Unfall vorfätzl ich oder durch Fahrläffig— keit mit Außerachtlafsfung der fchuldigen Berufs

aufmerksam keit herbeigeführt haben, sind, nach einem

Urtheil des Reichsgerichts, VI. Civilsenats, vom 4 Juni 1891, nur diejenigen Betriebsbeamten arnzusehen, die vom Betriebsunter⸗ nehmer angestellt sind. Ein von dem Bauberrn mit Zustim⸗ mung des Bauunternehmers (des den Bau ausführenden Maurer meisters) aufgestellter Aufsichtsbeamter fällt nicht unter diese begünstigte Beamtenkategorie, seine Haftung regelt sich nach 5 98 des Unfallversicherungsgesetzes, betreffend die Haftung Dritter.

Kunft und Wissenschaft.

Der Schloßbrunnen von Reinhold Begas.

In dem am vergangenen Sonntag feierlich enthüllten Schloßbrunnen * dem Schloßplatz hat unsere Reichs Hauptstadt die erste wahrhaft monumentale Schmuckanlage dieser Art erhalten. Das in Bronze ausgeführte kolossale Werk des Professors Reinhold Begas zeugt von groß— artiger Kühnheit der Einbildungskraft und hervorragender Sicher⸗ heit des bildnerischen Könnens. Auf zerklüftetem Felssitz thront die achtunggebietende Gestalt des in jugendlicher Vollkraft mit weich herabfließendem Bart⸗ und Haupthaar dargestellten Meer— gottes, umspielt von neckischen Kindergestalten, die sich in dem feuchten Element in zwei zur Seite des Gottes befindlichen Muschelbecken tummeln. Die letzteren werden getragen von vier aufbäumenden Meer-Centauren, phantastischen Mischwesen aus Menschen-; und Hippokampenleibern und mit einer an Böcklin's Meeresgeschöpfe erinnernden abenteuerlichen Keckheit des physiognomischen Ausdrucks. Während sich in den stillen fast elegischen Zügen des Erderschütterers selbst der Ernst des weiten gewaltigen Meeres ausspricht, verkörpern diese grotesken Gesellen den Uebermuth, das Sprunghafte des feuchten Elements und seiner Launen. Seegethier aller Art haftet an dem Felsen, zu dem aus dem eigentlichen Brunnen— becken eine Schildkröte, ein Seehund, eine Schlange und ein Krokodil Wasserstrahlen emporsenden. Auf dem Rande des in kräftiger Vierpaßgliederung gestalteten Granit— beckens, dessen rother schwedischer Stein aus Warberg stammt, haben sich die weiblichen Gestalten der vier deutschen Ströme Rhein, Elbe, Oder und Weichsel in anmuthig lässiger Haltung gelagert, aus ihren Urnen dem Hauptbecken neue Wasser⸗ nahrung zuführend. Der Versuch, in diesen Gestalten das Wesen der vier Hauptströme Deutschlands durch Tracht, Aus— druck und Attribute zu kennzeichnen, ist als nicht ganz geglückt zu bezeichnen. Die etwas zu zierlichen Köpfe, die Einförmig— keit des Gesichtsausdrucks beeinträchtigen die angestrebte Wirkung, die am ehesten noch in der Gestalt der Weichsel er— reicht sein dürfte.

In seiner durchaus malerischen Haltung, der mytho— logischen Gestaltenfülle und den kühnen Motiven erinnert Begas' Schöpfung an die ähnlichen Arbeiten Bernini's auf der Piazza Navona in Rom und an Raphael Donner's Brunnen auf dem Neumarkt zu Wien. Der in gothischer Zeit und auch während der Frührenaissance beliebte architekto⸗ nische Aufbau des Monumentalbrunnens hat seit der Mitte des XVI. Jahrhunderts einer malerischen Breite der Schilde— rung und Freiheit der Linienführung weichen müssen, die vor— zugsweise durch die Anlage derartiger Brunnenbauten in den Palastgärten der Spätrenaissance gerechtfertigt war. Die Brunnen Tribolo's, Ammanati's und Giovanni da Bologna's in Florenz lehren uns diesen allmählichen Entwickelungsgang kennen. Die Anpassung dieser frei bewegten Figurengruppen an einen strenggegliederten architektonischen Hintergrund, wie ihn das Königliche Schloß bildet, hat begreiflicherweise ihre Schwierigkeiten, zumal die mächtigen Baumassen der Schloßfassade auch auf die kolossalen Maße des Brunnens leicht erdrückend wirken können. Man wird durch angemessene gärtnerische Schmuckanlagen die zunächst noch empfindlichen Gegensätze ausgleichen müssen, um einen vollen harmonischen Eindruck des bedeutenden Bildwerks zu erzielen. Gleichwohl kann man schon heute den durchschlagenden Erfolg dieser neuesten monumentalen Schöpfung unsers gefeierten Bildhauers konstatiren, die zugleich als ein schönes Denkmal von Unterthanentreue und edlem Bürgersinn einen hervorragenden Platz unter den öffentlichen Kunstwerken der Reichs-Hauptstadt einnimmt.

Die nachirägliche Feier des siebzigsten Geburtstages des Wirklichen Geheimen Raths, Professors Hermann von Helmholtz schloß gestern mit einem großen Festm ahl im Kaiserhof, über das die Nat -Ztg.“ das Nachstehende berichtet: Vier lange Tafeln ge— nügten kaum, um allen Festgästen Platz zu bieten. Vor der Kaiser⸗ büste war der bekränzte Ehrenplatz für den Jubilar. Rechts von ihm saßen der Staats ⸗Minister Dr. von Boetticher, der Bruder des Gefeierten, Direktor Helmholtz aus Ruhrort, Professor Zeller, der Gesandte Phelpz, der Geheime Legations⸗Rath von Mohl, links der Staats⸗Minisfter Graf von Zedlitz, Oberst von Mohl, Geheimer Regierungs- Rath Förster. der Gesandte Dr. Krüger, der älteste Sohn des Jubilars, Ober-Ingenieur von Helmboltz, Geheimer Regierungs⸗ Rath von Hofmann und Professor Menzel. Gegenüber dem Jubilar saßen Geheimer Regierungs⸗Rath Professor Dr. Auwers, General Arzt Br. Graßnick, Geheimer Regie⸗ rungs-Rath Dr. von Siemens, Professor du Bois⸗Reymond, Staats⸗ Winister Dr. Delbrück, Präsident Weymann, der Wirkliche Geheime Ober-Regierungs Rath Professor Dr. von Sybel, der Schwiegersohn des Jubilars Arnold von Siemens und der Geheime Medizinal⸗Rath Professor Dr. Virchow. Im Uebrigen waren alle die Herren an⸗ wesend, die gestern früh ihre Glückwünsche abgestattet hatten, und ihnen reihten sich noch viele andere Verkreter der Wissen— schaft und des öffentlichen Lebens an, wie die Professoren von Treitschke, Bastian, von Richthofen, Reuleaux ꝛc. Den ersten Toast auf Seine Majestät den Kaiser brachte Staats. Minister Dr. von Boetticher aus, worauf Piofessor Zeller den Jubilar und seine Methode der Forschung und der wissenschaftlichen Erkenntniß feierte. Professor von Helmholtz antwortete darauf in längerer Rede, indem er zugleich ein fesselndes Bild seiner wissenschaftlichen Entwickelung gab. Er dankte zunächst für die ihm erwiesenen Ehren und führte etwa Folgendes aus:

Mein Landesvater ist vorangegangen, andere euroyväische Souveräne, u. A auch der Präsident der französischen Republik, haben mich mit Ehrenbezeugungen überhäuft. Ich weiß nicht, wie ich für all dieses Liebe und Gute danken soll, ich fühle mich eigent . lich verwirrt in meinem Urtheil, ich fühle den Dank, den ich Ihnen schuldig bin, aber ich begreife nicht, wie das so ge— kommen. Ich bin ja ursprünglich ein kränklicher Knabe gewesen, ich war aber wissensbegierig, oder wie man auch sagen kann, nervös. Freilich war ich in meinem Wissensdrange ehindert durch einen Mangel, der eigentlich die wesentliche Quelle ür meine spätere Thätigkeit war, ich hatte ein ziemlich schlechtes Gedächtniß. Ich hätte nicht Historiker, auch nicht. Philologe werden können. Nun hatte ich freilich das Bedürfniß, mich zu unterrichten, und da war es in der Schule zuerst. die Geometrie, die mich anregte; das war, zusammenhängendes Wissen, dag konnte ich mit meinem Gedächtniß erfassen, da lernte ich die Mittel, kennen, die Dinge in qesetzlichen Zusammenhang

zu bringen. Für derartiges Wsssen zeigte sich, daß mein Gedächtniß

genügte. Die Wirklichkeit war schon damals das Endziel in meinen Gedanken. Später kam ich zur Physik. Ich hätte ja gern Phyvsik studirt, aber die galt damals noch für eine brotlose Wissenschaft, und so entschied ich mich für die Medizin. Hier lernte ich die Thatsachen der Natur in breiterer Weise kennen. Ich wurde dabei vorzugsweise auf die Physiologie hingewiesen und suchte in ihr vhysikalische Begriffe geltend zu machen. Ich stieß da auf das Problem der Lebenskraft, das damals die Köpfe noch sehr bewegte, und kam so auf meine Theorien von der Erhaltung der Kraft. Ich glaubte, etwas ganz Selbstverständliches aufgestellt zu haben, und war sehr überrascht, daß u. a. auch die Akademie der Wissenschaften es für eine unsinnige und thörichte Spekulation hielt. Auch meine Untersuchungen über die Fortpflanzungsgeschwindigkeit des Pervenagens fanden nur das Lächeln der damaligen Pbysiologen. Ich kam so in argen Konflikt mit meiner Selbstschätzung. Es ist überbaupt außerordentlich schwer für den Autor einer Er— findung, für deren Werth selbst einen Maßstab zu ge— winnen. Der Autor ist immer geneigt, nach dem Maß der auf gewendeten Mühe zu urtheilen, und die war beispielswesse bei der Entdeckung des Augenspiegels sehr gering. Der Jubilar schloß mit einem Hoch auf das Festeomits.

Der Geheime Regierungs-⸗Rath von Hofmann toastete sodann auf Frau von Helmholtz; der -Gäste gedachte Professor Kundt, der Nachfolger dez Jubilars in der Leitung des physikalischen Universitäts—⸗ instituts, in dem letzten offiziellen Toast.

H. Z. In der letzten Sitzung der Kunstgeschichtlichen Ge⸗ sellschaft berichtete zuerst Herr Geheimer Regierungs⸗Rath Bode über das vor Kurzem durch den Kaiser von Oesterreich eröffnete zweite Hof⸗Museum in Wien. In dem bekannten von Gottfried Semper entworfenen und von Baron Hasenauer ausgeführten Prachtbau an der Bellaria sind die bisher in der Hofburg und dem oberen und unteren Belvedere untergebracht gewesenen kunsthistorischen Sammlungen des österreichischen Kaiserhauses vereinigt worden. Es ist dadurch ein Museum geschaffen worden, das den ersten Sammlungen von Paris und London sich gleichwerthig zur Seite stellen kann. Das unterste Geschoß enthält die antiken Skulpturen, deren größerer Theil bisher in der Ambraser Sammlung aufgestellt war, ferner das Münz und das Antikenkabinet. Die kostbare, vielleicht überreich zu nennende künstlerische Ausstattung der neuen Räume hat in dieser Abtheilung die am wenigsten günstige Wirkung. Die nicht gerade bedeutenden Wiener Antiken sind zumeist in ziemlich schlechtem Zustande erhalten. Der dadurch entstehende Eindruck der Minderwerthigkeit wird durch die prunkvolle Umgebung, den glänzenden Hintergrund der Marmor— wände nur noch erhöht. Im naͤchsten Stockwerk sind die zwei her⸗ vorragendsten Abtheilungen des Hofmuseums, die Waffen und die kunstgewerblichen Kostbarkeiten und Skulpturen der Renaissance, untergebracht, und in wissenschaftlicher Anordnung durchaus ge⸗ schmackvoll aufgestellt. Die Waffensammlung, von Kaiser Maximi⸗ lian J., Karl V. und Erzberzog Ferdinand von Tirol begründet, findet in künstlerischer Bedeutung ihres Gleichen nur in der Armeria real zu Madrid, mit der sie früher auch vereinigt gewesen. Wahrhaft überraschend, auch auf Kenner des Kaiserlichen Kunstbesitzes, wirkte in der neuen Aufstellung die Renaissancesammlung. In der Schatzkammer der Hofburg wie in den Räumen des unteren Belvedere waren früher zahllose Kostbarkeiten in einer Weise magazinirt, daß sie für die Besichtigung verloren waren. Das Alles, Gefäße und Geräthe aus Edelmetall, Krystall und Halbedelsteinen, Email und Juwelen ist nun erst in seinem vollen Werthe zu Tage gekommen und bildet eine Sammlung, die das Grüne Gewölbe in Dresden wie die Apollogalerie des Louvre weit übertrifft. In der Hofburg sind die Kronjuwelen, die Reichsinsignien der Habsburger und einige historisch bedeutende Stücke zurückgeblieben. Sehr wenig befriedigt äußerte sich Geheimer Rath Bode über die Ausstellung der Gemälde aus der Belvedere⸗Galerie. Es ist dabei weder ein historisches Prinzip zu Grunde gelegt oder eingehalten worden, noch auch haben Rücksichten des Geschmacks sich als entscheidend erwiesen. Gute Bilder hängen hoch, schlechte in Augenhöhe; die Schulen sind vielfach durcheinander gebracht. Die Sammlung ist um zahlreiche Stücke aus den Depots des Belvedere vermehrt worden. Es ist anzunehmen, daß späterhin, bei einem Wechsel in der Leitung, hier wieder eine Umstellung vorgenommen werden muß.

Die Kunstgeschichtliche Gesellschaft beschloß ferner, im Frühjahr des nächsten Jahres wieder eine Ausstellung von Kunstwerken aus Berliner Privatbesitz zu veranstalten. Es waren die Zeit der Renaissance und das 18. Jahrhundert in Vorschlag gebracht worden. Da für die erstere Periode der Besitz in Berlin noch ein beschränkter ist, wurde für eine Rococo ⸗Ausstellung entschieden. Diese foll nicht nur Bilder und Skulpturen des 15. Jahrhunderts, sondern auch Möbel, Porzellan, Bronzen und andere kunstgewerbliche Arbeiten ent halten. Der Custos der Königlichen Schlösser, Herr Dr. P. Seidel, glaubte eine Betheiligung des Kunstbesitzes des Königlichen Hauses in Aussicht stellen zu können. Damit würde eine breite Unterlage für die Ausstellung gegeben sein, da der Reichthum an Kunstwerken aus der Zeit König Friedrich's Il, beinahe unübersehbar ist.

Zum Schlusse berichtete Herr Professor Lessing über die Auktion der Sammlung Vincent in Konstanz, die zum größten Theil aus Schweizer Glasmalereien des 16. und 17. Jahrhunderts bestanden hatte. Es gelang der Schweiz mit großen Opfern, einen Theil der Scheiben in ihr altes Vaterland zurückzuerwerben, wofür die Rüchsicht auf das im Entstehen begriffene National Museum in Zürich maßgebend war. Die Preise haben in Folge des lebhaften Wett streits die bisher übliche Höhe weit überschritten.

Herr Professor A. von Heyden gab einen Ueberblick über die Kunstabtheilung und die retrospektive Sammlung von kunstgewerb— lichen Gegenständen auf der Landesausstellung in Prag. Das Studium war durch die mehr als mangelhafte Durchführung der Zweisprachig⸗ keit im Katalogisiren und Etiguettiren für Nichtslawen wesentlich erschwert. Der Gesammteindruck war ein wenig erfreulicher.

—s. In der Freitags Sitzung des Vereins für Volks⸗ kunde hielt Herr Dr. He us ter einen Vortrag über die Bur gunder in der Schweiz. Er erklärte zunächst, daß es nicht seine Absicht sei, die Frage nach dem Wesen des deutschen Sprachgebiets in der südwestlichen Ecke der Schweiz lösen, sondern nur über deren Inhalt orientiren zu wollen. Auf Grund der diesen Gegenstand be— handelnden spärlichen Literatur besprach er die vorhandenen Spuren eines burgundischen Elementes in der Schweiz gegenüber dem alemannischen und betonte, daß es zur Zeit noch nicht ge— lungen, sei, auf sprachlichem Gebiete die Scheidegrenze zwischen den beiden hier in Betracht kommenden Mundarten zu ziehen. Längere Zeit verweilte Redner bei der von ihm als unwahrscheinlich erachteten

vpothese, daß die Burgunder gleichzeitig mit den Alemannen in das

and gekommen oder auch noch früher, und daß sich die Römer ihrer gewissermaßen als einer Schutzmauer gegen die Alemannen bedient hätten. Eben so wenig wie die kargen Sprachreste reichen die nach—⸗ weisbaren burgundischen Eigenthümlichkeiten in Bezug auf den Haus bau, die Holzschnitzerei und das Brodbacken aus, genügenden Aufschluß über die Herkunft und die Verwandtschaft des burgundischen Elements in der Schweiz zu geben. Nach einer Vergleichung der Mundarten in der östlichen und mittleren Schweiz mit denjenigen der westlichen gelangte Redner zu dem Ergebniß, daß eine Zahl von Lauten, die den Alemannen große Schwierigkeiten bereiteten, von den Burgundern spielend ge⸗ sprochen wurden. Da die auf diesem Gebiete vorgenommenen Forschungen bei weitem noch nicht erschöpfender Natur gewesen, so gab er anheim, diese ,,, fortzusetzen, die sicherlich einen ent sprechenden Erfolg haben würden. Darauf folgte ein Vortrag des Vorsitzenden Geheimen Regierungs⸗ Raths, Professors Dr. Weinhold zu Goethe's Paria-Legende. Unter Aus— scheidung der. Gedichte „Paria“ (des Paria - Gebet) und „Dank des Paria“ beschäftigte sich der Vortragende ausschließlich mit dem mittleren Gedichte, der Legende, die den Haupttheil des drei⸗ getheilten Werkes bildet, und die er zur Verlesung brachte. Ent— kleidet man die Legende des eigenen dichterischen Schmuckes, so ergiebt

sich folgender Vorgang: Die schöne Frau eines hohen Brahmanen geht