1891 / 265 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 10 Nov 1891 18:00:01 GMT) scan diff

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der bevorstehenden Generalsvnode eine Gesetzesvorlage zu machen, in welcher die Verlegung der kirchlichen Feier des Bußtages auf den Mitt⸗ woch vor dem letzten Trinitatie⸗ Sonntage ausgesprochen wird. Der Herr Minister betrachtet es als selbstverständlich, daß die Sanktion dieses Kirchengesetzes nur zu erfolgen baben werde, wenn die bereits früber von der Generalspnode ausgesprochenen Vorausetzungen nämlich, daß auch die anderen norddeutschen Staaten sich dem Vorgehen anschließen und dem neuen Tage ebenfalls der volle staatliche Schutz gesichert wird erfüllt sind Darauf, daß die Zustimmung der Generalsynode zu der Verlegung in Form eines Kirchengesetzes erklärt wird, legt der Herr Minister deshalb Gewicht weil bei den Berathungen im Haufe der Äbgeord⸗ neten von einzelnen Seiten verlangt wurde, daß, bevor durch Staats—⸗ gesetz dem neuen Bußtage der staatliche Schutz verliehen würde, das Zustandekommen des Kirchengesetzes wegen der Verlegung der kirch- lichen Feier sichergestellt sein müsse.

Für Lie in näckster Zeit zusammentretenden Synoden der evan⸗ gelisch⸗lutherischen Kirche der Provinz Schleswig⸗Holstein, der evan— gelisch reformirten Kirche der Provinz Hannover sowie der evangelischen Landes kirche im Provinzialbezirk Wiesbaden sind gleichfalls entsprechende Kirchengesetzentwürfe in der Vorbereitung begriffen.

In erster Linie wird aber die weitere Verfolgung der Sache in der von dem Hause der Abgeordneten angeregten Richtung von der Beschlußfaffung der Generalsynode der älteren preußsschen Provinzen abhängen. Leicht wird eg derselben nicht sein, von der früher in diefer Frage eingenommenen Stellung zurückzutreten. Wenn gleichwohl der Evangelische Ober⸗Kirchenrath zu dem Entschluß gelangt ist, der Generalsynode den Entwurf eines der Resolution des Haufeäß der Ab— geordneten entsprechenden Kirchengesetzes zur verfassungsmäßigen Zu— stimmung vorzulegen, so gründet fich dies im Intereffe der evan— gelischen Kirche auf nachfolgende Erwägungen:

1 Wegen der von Jahr zu Jahr zunehmenden Steigerung des Ver— kehrs ist die baldige Herbeiführung eines mit den benachbarten Gebieten gemeinsamen Buß und Bettages bei der weitumfasfenden Berührung der preußischen Lande mit anderen deutschen Staaten eine Nothwendigkeit. Die Erlangung des für die Erreichung diefes Zieles unentbebr— lichen staatlichen Schutzes ist bei dem Festhalten' an dem von der Eisenacher Konferenz vorgeschlagenen Tage für absehbare Zeit aus- sichtslos. 3) Den aus wirthschaftlichen Grunden gegen die Wahl eines Freitags und der letzten Woche vor der Adventtzeit er⸗ hobenen Einwendungen ist einiges Gewicht nicht abzusprechen. 4) Einen anderen Mittwoch, etwa nach dem Sonntag Invocavit, zu Beginn der Passionszeit zu wählen, wäre zwar an' fich angãngig, würde sich aber völlig von den in Eisenach gefaßten Beschlüffen entfernen und nach den Erklärungen des Herrn Ministers der geistlichen Angelegenheiten und dem Beschluß des Abgeordneten⸗ hauses gegenüber dem Antrage des Abg. Schultz Lupitz wenig Aus— sicht auf Erfolg geben. 5) Der Mittwoch vor dem letzten Trinitatis Sonntage ist als ein ebenfalls durchaus geeigneter Tag anzuerkennen. Er liegt dem in Eisenach vorgeschlagenen Tage nahe. Für Wahl eines Mittwochs statt eines Freitags hatte der Evangelische Sber⸗ Kirchenrath bei den Verhandlungen der Eisenacher Konferenz ur— sprünglich seine Stimme abgegeben (gl Verh. von 1875 S. 1148). 6) Die General synode der älteren preußischen Provinzen ist be— rufen, die Initiative bezüglich der Stellungnabme der evangelischen Kirchen zu dem Beschluß des preußischen Hauses der Abgeordneten zu ergreifen. Für die eingeleiteten Verhandlungen mit den betheiligten deutschen Bundesstaaten wird ihre Entscheidung von maßgebender Be— deutung sein, wie denn in den früheren Verhandlungen mit den deutschen Kirchenregierungen mehrere ihre Zustimmung ausdrücklich an das Vorgehen der preußischen Landeskirche gebunden haben. ) Das kirchliche und das vaterländische Interesse, das deutsche Volk in Demüthigung, Vitte urd Dank vor Gott an einem gemeinsamen Feiertage, im Blick auf den Ernst der Zeit in den Sotteshäusern zu vereinigen, steht so hoch, daß demselben auch berechtigte Empfindungen und Wünsche geopfert werden müssen, soweit durch Entgegenkommen gegen die Resolution des Haufes der Abgeord⸗ neten nicht erhebliche kirchliche Interessen geschädigt werden.

Vorstehende Erwägungen haben den Evangelischen Ober- Kirchenrath bewogen, in Selbstverleugnung das Ziel auf einem nenen Wege in das Auge zu fassen. Allerdings wird die Generalsynode, Falls sie in Aner— kennung dieser Gründe dem vorgelegten Gesetzentwurf ihre Zustimmung ertheilt, auch die Erwartung des Evangelischen Ober⸗Kirchenraths theilen, daß nach erfolgter Vereinbarung der evangelischen Kirchen⸗

regierungen in Norddeutschland der staatliche Schutz fuͤr den kirchlicher⸗ seits angengmmenen Tag nicht versagt werden wird, auch wenn die katholische Kirche in ihrer ablehnenden Haltung gegen Verlegung des bisherigen Feiertages beharren follte.

Martin Butzer.

Die epangelische Kirche des Elsaß begeht morgen, den II. November, die vierhundertjährige Geburtsfeier ihres Re⸗ formators Martin Butzer. Eine kirchliche Feier war auf Anordnung des Straßburger Konsistoriums bereits mit dem diesjährigen Reformationsfest verbunden worden. Bei dieser Gelegenheit wurde für den Bau einer „Butzer-Kirche“ in Molsheim kollektirt. Die Ausführung anderweitiger Gedächt⸗ nißdenkmale, insbesondere in der Thomas⸗-Kirche zu Straß— burg, ist ebenfalls ins Auge gefaßt worden.

Martin Butzer wurde geboren zu Schlettstadt als der Sohn armer Eltern. Um sich wissenschaftlichen Studien hin— geben zu können, ging er ins Kloster. Nachdem er jedoch mit der freieren Richtung des Erasmus bekannt geworden und in Heidelberg Luther persönlich kennen gelernt hatte, beengten ihn die Fesseln des klösterlichen Lebens. Durch Fürsprache einflußreicher Freunde ward ihm ein päpstlicher Dispens von den Klostergelübden zu Theil. Zunächst fand er einen starken Halt in Sickingen, in dessen Diensten er Pfarrer des Städtchens Landstuhl wurde, wo er sich mit einer ehemaligen Nonne verehelichte. Seines Schirmherrn Mißgeschick zwang ihn, nach Weißenburg zu gehen, wo er äußerst rührig für das Werk der Reformation arbeitete. Sein Eifer zog ihm den kirchlichen Bann zu. Unter den Segenswünschen der Bürger verließ er Nachts die Stadt. Er wandte sich nach Straßburg, wo ihn und seine Frau der reformatorisch gesinnte Pfarrer Zell aufnahm. Nach einer Zeit der Noth wurde er Helfer am Münster, später, als der Rath offen für die Re— formation Partei ergriff, Pfarrer an St. Aurelien. Seine Thätigkeit war rastlos und mannigfaltig. Fast täglich predigte er, daneben hielt er lateinische Vorlesungen und verfaßte zahlreiche theologische Schriften. Er wurde der Organisator nicht nur des kirchlichen Lebens, sondern auch des Schul—⸗ und Armenwesens. So wurde er der thatkräftige, umsichtige Führer der Reformation. Seine Thätigkeit nach außen war nicht gering; am Rhein und in Süddeutschland wirkte er mit roßem Geschick organisirend, er sandte Evangelisten nach elgien und schrieb theologische Bücher ür Italien. Dem Sekten⸗ wesen trat er mit Entschiedenheit entgegen. Abhold allen Gewaltmaßregeln er war Gegner der Hexenprozesse und

Ketzerhinrichtungen drängte er doch die wiedertäuferische Bewegung, deren Führer sich zeitweise in Straßburg sammelten, zurück. Als 3090 revolutionäre Bauern gegen Straßburgs Mauern vorrückten, ritt er ihnen entgegen und mahnte sie zur Besonnenheit. Dies geschah unweit Molsheim, wo sich demnächst die Kirche, die seinen Namen tragen soll, erheben wird. Als Theologe war er nach

Er schrieb über hundert Bücher. Dogmatische Fragen aber, wie die Auffassung des Abendmahls, lagen ihm ferner. Anfangs neigte er in dieser Lehre zu Zwingli, später suchte er sich Luther's Anschauung anzueignen mehr aus kirchenpolitischem als aus theologischem Beweggrunde. In der Herbeiführung einer Union zwischen Reformirten und Lutheranern sah er seine Lebensaufgabe, er war „ein Fanatiker des Friedens“ An dem Religions gespräch zu Marburg nahm er lebhaftesten Antheil, jedoch ohne Erfolg, außer daß er sich das vollste Vertrauen Luther s erwarb. Mit dem Landgrafen Philipp von Hessen verhandelte er über ein Schutz, und Trutzbündniß der Evangelischen. In diesem Briefwechsel zeigt sich ein seltenes Wissen und Urtheil über die religiösen und politischen Zeitfragen. Das religiöse Interesse trat gegen das diplomatische hier so weit zurück, daß sich Butzer wie Martin Luther zur Billigung der Doppelehe Philipp's entschließen konnte. Auch diese Friedens⸗ verhandlungen schlugen fehl. Ein Gleiches gilt von den Wiedervereinigungsversuchen zwischen Protestanten und Katho⸗ liken, an denen Butzer lebhaften Antheil nahm. Der Lebensabend Butzer's war getrübt. Nach der Niederlage der Protestanten im Schmalkaldischen Krieg sollte durch das Augsburger Interim das protestantische Deuischland dem Papst wiedergewonnen werden. Butzer verweigerte, obwohl ihm große. Gnadengeschenke in Aussicht gestellt wurden, seine Zustimmung. Das Gleiche that die Straß— burger Geistlichkeit. Der Kaiser bedrohte die freie Reichs— stadt und forderte Butzer's Ausweisung, welcher der Rath schweren Herzens nachgab. Butzer, der inzwischen seine Gattin verloren hatte, ging nach England, wo ihn Erzbischof Cranmer und der König freudig aufnahmen. Er wurde Professor an der Universität en fn e, und wirkte einige Jahre mit großem Erfolge, der Ausbreitung der Reformation in England große Dienste erweisend. Er starb am 28. Februar 1551. Königin Maria ließ fünf Jahre später seine Gebeine ausgraben und verbrennen. Elisabeth stellte sein Gedächtniß durch einen feierlichen Akt wieder her.

Das Reichs⸗Versicherungsamt, Abtheilung für Invaliditäts⸗ und Altersversicherung,

hält jetzt monatlich zweimal je eine Woche hindurch Spruch— sitzungen in Reyisionssachen ab. In letzter Zeit ist eine Reihe von grundsätzlichen Fragen zur Entscheidung gelangt, wobei die Auslegung und Anwendung wichtiger Bestimmungen des Invaliditäts⸗ und Altersversicherungsgesetzes vom 22 Juni 1889 in maßgehender Weise festgestellt wurden. Den Vorsitz führte der Direktor im Reichs⸗Versicherungs mt Gaebel; außer je zwei ständigen Mitgliedern und einem Richter nahmen als nicht ständige Mitglieder aus dem Bundezrath der Königlich bayerische Ober⸗Regierungs-⸗Rath Landmann bezw. der Großherzoglich badische Gesandte von Brauer, sowie als Vertreter der Arbeitgeber der Landrath und Ritter— gutsbesitzer Graf von Wartensleben aus Genthin und als Vertreter der Versicherten der landwirthschaftliche Arbeiter Jacob aus Dresden Theil.

Besonders erwähnenswerth sind folgende Entscheidungen:

In zwei Fällen, in denen es sich um die Versicherungspflicht der „Kornmesser' in Emden handelte, wurde erörtert, ob der Umstand, daß diese nach §. 36 der Gewerbeordnung im Allgemeinen zu den selbständigen Gewerbetreibenden zu rechnenden Personen zu einer mit einem Statut versehenen sogenannten „Compagnie“ vereinigt und in gewissem Umfange unter die Aufficht der Stadtobrigkeit gestellt sind, die Folge habe, sie zu unselbständigen Arbeitern zu machen. Der Gerichtshof verneinte diese Frage und sprach in Folge dessen, in Uebereinstimmung mit dem Staats⸗-Kommissar, dem einen der beiden Betheiligten die Altersrente ab, während in dem zweiten Falle, in welchem außerdem ein anderweites versicherungspflichtiges Arbeitsver⸗ hältniß konstatirt wurde, die Revision Zurückweisung fand. In einem andern Falle wurde die in der Literatur und Praxis sehr bestrittene Frage, wie die Worte des §. 159 des Invaliden und Alterversicherungs— gesetzes „durchschnittlicher Fahresarbeitsverdienst des Versicherken während der im 5§. 157 bezeichneten 141 Wochen“ auszulegen sind, dahin entschieden, daß darunter der durchschnittliche Arbeitsverdienst aus den drei letzten Kalender jahren vor dem Inkraftreten des wlseffe 1888, 1839 und 1890 zu verstehen sei. Bei Festsetzung der Lohnklaffe, nach der sich die für die Höhe der Rente maßgebenden Steigerungs— sätze aus der vorgesetzlichen Zeit berechnen, kommen also alle Arbeits bescheinigungen aus den drei Kalenderjahren, nicht blos diejenigen, ,, auf die im 5§. 157 bezeichneten 141 Wochen beziehen, in

etracht.

Eine Versicherungsanstalt hatte einer Arbeiterin auf Grund einer Bescheinigung, der zufolge sie in den Jahren 1888 bis 1890 wöchentlich 4 M einschließlich des freien Unterhalts“ bezogen, mittels ordnungsmäßig ausgefertigten und zugestellten Bescheides eine Altersrente zugebilligt. Später entzog sie ihr diese aber wieder durch neuen Bescheid, nachdem sich inzwischen herausgestellt hatte, daß der Arbeiterin als Entgelt nur freier Unterhalt gewährt worden war (§8. 3 Abs. 2 des Inv. und Alt ⸗Vers.Ges.). Diese Wieder entziehung der Rente erklärte das Reichs ⸗Versicherungsamt für unzu—⸗ lässig. Der erste, rechtskräftige Bescheid würde vielmehr gemäß s. 82 4. 4 O. nur nach den Vorschriften der Civilprozeßordnung über die Wiederaufnahme des Verfahrens (88. 54] ff) angefochten werden können. Diese aber greifen hier nicht Platz, wo es sich um einen Irrthum der Versicherungsanstalt handle, der durch die vielleicht un⸗ genaue, nicht aber fälschlich angefertigte Arbeitsbescheinigung herbeigeführt sei, und wo auch der erste Bescheid von der Arbeiterin nicht durch eine Handlung erwirkt worden sei, welche mit einer im Wege des gerichtlichen Strafverfahrens zu verhängenden öffentlichen Strafe be⸗ droht ist. Derartige, immerhin bedauerliche Fälle würden nur Ab— bülfe finden können, wenn dazu in einer nach §. 8z des Gesetzes zu erlassenden Kaiserlichen Verordnung über die Erweiterung des Wieder⸗ aufnahmeverfahrens die geeignete gesetzliche Handhabe geboten wäre. In einer Reihe von Fällen beschäͤftigte sich der Gerichtshof mit der Auslegung und Anwendung der namentlich für die Uebergangtz⸗ zeit wichtigen Bestimmungen der §8§. 1195 und 158 des Gesetzes, nach denen, wenn ein zwischen einem Versicherten und einem Pbe— stimmten Arbeitgeber bestehendes Arbeits ; oder Dienstverhältniß der⸗ art unterhrocken worden ist, daß Ersterer aus der Versicherungepflicht borübergebend ausschied, diese Unterbrechung einem Ärbeits. oder Dienstverhältniß im Sinne des §. 157 gleich geachtet, also in An—⸗ rechnung gebracht werden soll, soweit die Unterbrechung während eines Kalenderjahres den Zeitraum von vier Monaten nicht überstiegen hat. In einem der zur Entscheidung gelangten Falle hatte der Acbeiter, welcher zu einem bestimmten Arbeitgeber in einem festen Arbeits⸗ verhältniß stand (Saison⸗ Arbeiter) während der durch Witterungsverhältnisse herbeigeführten Unterbrechung dieses Ver— hältnisses bei einem anderen Arbeitgeber hin? und wieder Beschäftigung gefunden. In Uebereinstimmung mit dem Schiedsgericht hat das Reichs -⸗Versicherungsamt beschloffen, daß der letztete Umstand der Anwendung der §§. 119, 158 an sich nicht entgegenstehe; selbstverständlich könnten aber die bei dem zweiten Arbest— geber geleisteten Dienstwochen nicht nochmals auf Grund der Unter—⸗ brechung in Anrechnung kommen. Die entgegengesetzte Auffassung würde die vorgedachten Bestimmungen für die Mehrzahl der sog.

war bei einer ftaatlichen Chausseebauverwaltung seit Jahren stãndig beschäftigt und das Arbeits verhältniß nur infoweit unterbrochen worden,

Eine rechtliche Verpflichtung der Verwaltung, dem befreffenden Arbeiter zur en, Zeit wieder Arbeit zuzuweisen, sowie eine kontraktliche Obliegenheit des Arbeiterz, auf An⸗ weisung der Bauverwaltung seine Arbeit wieder aufzunehmen, war nicht festgestellt. Gleichwohl hatte das Schiedsgericht die Be⸗ stimmungen der 55. 119 und 158 des Inv., u. Alt. Verf. Gef. für anwendbar erachtet, weil die thatsächliche Gestaltung der Ver⸗ hältnifse ergebe, daß auf beiden Seiten jedenfalls die Ab ficht be⸗ standen habe und regelmäßig auch bethätigt worden sei, bei günstiger Witterung das frühere Arbeitsverhältniß fortzufetzen Dem⸗ gegenüber sei es unerheblich, daß diese Atsicht nicht in Form eines die Betheiligten rechtlich bindenden Aßb— kommens zum Ausdruck gelangt sei. Das R. V. A. hat sich dieser Ansicht des Schiedt gerichts angeschlossen. In einem weiteren Falle ist angenommen worden, daß eine an sich den 5§5. 119 und 158 a. a. O. entsprechende Unterbrechung des Arbeite ver hãltniss es auch dann in Anrechnung kommt, wenn die Unterbrechung bereits vor dem 1 Januar 1888 eingetreten sei und der Arbeiter seine Beschäftigung bei demfelben Arbeitgeber erst einige Zeit nach diesem Zeitpunkte wieder aufgenommen habe. Obgleich im Allgemeinen für die Beurtheilung der Altersrenten⸗ ansprüche nur die Jahre 1888, 1889 und 1890 in Betracht kämen, fo würden doch, dem Geiste des Gesetzes zuwider, die Saisonarbeiter unbillig geschädigt werden, wenn ihnen die erste Zeit des Jahres 1888, wäbrend deren sie ihre Arbeit hätten ausfetzen müffen, in Verbindung mit dem vorhergehenden Jahre nicht angerechnet werden sollte.

Rekursentscheidungen des Reichs⸗Versicherungsamts.

(1061) Ein Arbeiter verlor bei der Beschäftigung in einer Gewehrfabrik den Zeigefinger der rechten Hand. Mit der ihm wegen dieser Verletzung zugebilligten Entschädigung von 20 ͤα der Rente für völlige Erwerbsunfähigkeit erklärte er sich aus dem Grunde un zufrieden, weil er bei einer etwaigen Entlassung aus der Gewehrfabrik wieder das von ihm erlernte und früher betriebene Schuhmacher⸗ handwerk ergreifen müsse; gerade bei diesem aber sei ihm die Ver⸗ letzung in weit höherem Grade für die Arbeit hinderlich. Das Reichs ⸗Versicherungsamt hat durch Rekursentscheidung vom 27. Oktober 1890 es abgelehnt, die Rente aus dem bezeichneten Grunde zu er höhen. Das Unfallversicherungsgesetz will dem verletzten Arbeiter eine Entschädigung für die Einbuße gewähren, welche er durch die Ver⸗ letzung für die Zukunft gegenüber demjenigen Verdienst erleidet, welchen er in dem Betriebe, in dem der Unfall sich ereignet hat, während des letzten Jahres seiner Beschäftigung tbatfächlich be— zogen hat. Hieraus ergiebt sich, daß der Arbeiter eine Entschädigung nicht dafür verlangen kann, daß er durch die Verletzung in der ferneren Ausübung solcher besonderen persönlichen Kenntniffe und Fertigkeiten verhindert beziehungsweise beschränkt ist, welche er während seiner Thätigkeit in jenem Betriebe nicht anzuwenden vermochte, und welche daher auch in dem dort bezogenen Verdienste nicht zum Ausdruck ge⸗ langt sind. Das Gegentheil würde eine Unbilligkeit gegen die ent—⸗ schädigungepflichtige Berufsgenossenschaft in sich schließen, welche in den von dem Betriebe zu zahlenden Beiträgen keine Gegznleistung für jene besonderen, im Betriebe sich nicht bethätigenden Eigenschaften des Arbeiters erhält. Hiermit steht die Rekursentscheidung 457 (Amtliche Nachrichten des R. Ve A.“ 1888 Seite 70) nicht in Widerspruch. Denn sie bringt nur zum Ausdruck, daß bei der Be⸗ urtheilung der einem Verletzten verbliebenen Erwerbsfähigkeit nicht allein darauf Rücksicht zu nehmen ist, ob und was er nach dem Unfalle in derjenigen Betriebsthätigkeit, in der letzterer ihn betroffen hat, noch im Verhältniß zu seinem früher dort bezogenen Verdienste zu erwerben vermag. Vielmehr ist darnach zu prüfen, welchen Erwerb der Verletzte unter Benutzung der ihm nach feinen gesammten Kenntnissen und körperlichen wie geistigen Fähigkeiten auf dem ganzen wirth⸗ schaftlichen Arbeitsmarkt sich bietenden Arbeitsgelegenheiten überhaupt noch erzielen kann. In dieser Beziehung wird aber Derjenige, welcher noch Erfahrungen und Fertigkeiten in anderen Berufsthäͤtigkeiten besitzt, in der Regel von vornherein gerade günstiger, niemals aber ungünstiger gestellt sein als der Arbeiter, welchem solche Kenntnisse und Fertig⸗ keiten abgehen. Ersterer kann daher dieserhalb auch nicht die Zu⸗ billigung der einem höheren Grade von Erwerbzzunfähigkeit entfprechenden Rente beanspruchen.

Statistik und Volkswirthschaft.

Industrie und Handel. Wie aus dem Regierungsbezirk Frantfurt geschrieben wird, ist die Steingutfgbrik in Vordamm, welche im Laufe diefes Jahres wiederholt eine Verringerung der Arbeiteranzahl um die Hälfte vor⸗ nehmen mußte, seit dem Wiederaufblühen des Exportgeschäftes nach Süd Amerika (Chile) vollbeschäftigt und hat jetzt die alte Arbeiterzahl (150) wieder eingestellt. Die Ma schinenbau⸗Industrie, speziell der Dampfkessel⸗ und Maschinenbau, war in den letzten Monaten andauernd gut be⸗ schäftigt, besonders blühte der Export landwirthschaftlicher Maschinen nach dem Orient. Auf der unter Leitung des landwirthschaftlichen Ministeriumz in Bukarest veranstalteten internationalen Konkurrenz ür Dampfdreschmaschinen erhielt die PNaschinenbau⸗Anstalt und Eisengießerei. Aktiengesellschaft Th. Flöther in Gassen, Kreis Sorau den ersten Preis, die goldene Staatsmedaille. Die Leinen -⸗Indu strie war, wie bisher, gut beschäftigt. In Sorau wurde mit der Errichtung einer neuen größeren mechanischen 8 .

e Teppich-Industrie in Kottbus wendet sich jetzt auch der Herstellung gewebter Läuferartikel mit Erfolg zu und bee fc eine abermalige Vergrößerung ihrer Anlage im Sktober d. J.

Vertheilung, der Berliner Bevölkerung. Der vom Statistischen Amt der Stadt Berlin soeben her⸗ ausgegebenen Schrift über die Volks ählung vom 1. Dezember 1890 liegt ein Pl⸗an von Berlin und den Vorgrten bei, der gerade gegenwärtig bei der Behandlung der Frage der Einverleibung Inter⸗ esse erwecken muß. Es ist darauf die Bevölkerungszunahme und Abnahme in Berlin in 72 Bezirken, in einzelnen Bezirken von Charlottenburg und den derschiedenen Vororten in Farben dar⸗ gestellt, s9g daß man die Verschiedenheis diefer Verhälknifse in den einzelnen Theilen des Gebietes sofort überblickt. Während die innere Stadt eixe prozentuale Bevölkerunggabnahme aufweist, zeigen die übrigen Bezirke eine Zunahme, die im Allgemeinen um so größer ist, je mehr man sich der Grenze nähert. Die Standerämler!] und II, die im Innern liegen, wiesen 1871 noch Josh 372 Einwohner auf; bei der letzten Zählung nur nech 126 1256. Von den äußeren Stadttheilen sei dagegen Moabit hervorgehoben, welches 1871 nur 19 351, 1890 dagegen 93 463 Einwohner zählte. Auf den Kopf kommen in Berlin 1890 nur noch 414mm, während diese Zahl zehn Jahre vorher och 5? be¶ trug. Die Fläche von Berlin bedeckt übrigens nur 6453 ha, während andere deutsche Städte viel „größer“ sind! 3. B. bedeckt Köln jetzt eine ,. von 11106, Frankfurt a. M. von 435, Straßburg i. E. bon 7820 ha, Groß ⸗Berlin, d. h. Berlin mit den Vororten im Umkreis von eiwa einer deutschen Nieile um die vormalige Ringmauer, also mit. Rummelsburg, Weißensee, Stralau Lichtenberg. Tegel. Friedrichsfelde, Reinickendorf, Dber Schon weide, Hohen. Schönhausen, Pankow, Heinersdorf, Nieder Schönhaufen, Biesdorf, Grunewald, Schöneberg, Treptow Tempel hof, Schmgrgendoꝛf, Wilmersdorf, Rirdorf, Steglitz, Friedenau, Dablem, Britz, Nieder. Schönweide und Charlottenburg umfaßte am 1. Dezember 1890 1 847 586 Einwohner, wovon 268 792

Döllinger's Zeugniß der Gelehrteste unter den Reformatoren.

Saisonarbeiter unanwendbar machen. Ein anderer Arbeiter

auf. diese Umgegend kommen. Von den Nachbarstädt hatte Charlottenburg eine Bevölkerung 96 rte;

als die Witterung die Ausführung der Bauarbeiten nicht gestattete.

ahre vorher nur 30 56, Spandau von 45 364, Pets dam * 54 16. In Berlin wurden 21 614 bewohnte Grund⸗ ftücke und 722 unbewohnte ermittelt mit 27 864 eigentlichen Wohn gebäuden. Die Zahl der auf ein Grundstück entfallenden Einwohner ist auf 73 Personen gestiegen. Vor 10 Jahren betrug diese 3ab! nur 61, in den Arbeitervierteln am Görlitzer Bahnhof kamen 1277 Men- schen auf ein Grundstück, eine Zahl, deren Höhe allein auf ungesunde Wohnverhältnisse hinweist. Von sämmtlichen Grundstücken gehören 557 dem Staat und 312 der Stadt, das sind 186 und 88 mehr als

10 Jahre zuvor.

Zur Arbeiterbewegung.

Die Kündigungsfrist der Buchdruckergehülfen ist in den meisten den en Städten am letzten Sonnabend ab⸗ gelaufen, und in der That traten die Arbeitnehmer, so weit bie Forderungen nicht bewilligt wurden, fast ausnahmslos in den Au sstand ein. Es hat sich aber herausgestellt, daß nicht nur hier in Berlin, sondern auch an anderen Orten die Ver⸗ suche, Ersatz für die Ausständigen zu schaffen, erfolgreich ge⸗ ,, sind. Wir stellen in dem Folgenden die vorliegenden auswärtigen Nachrichten über die Bewegung zusammen:

Hier in Berlin fand gestern eine zahlreich besuchte Versammlung des Bundes Berliner Buchdruckereibesitzer statt. Die Ausführungen des Votsitzenden, daß alle dein Bund bei—⸗ getretenen Zeitungen so genügend mit Setzern vom Lokal ausschuß versorgt seien, daß sie erscheinen könnten, daß eine Buchdruckerei, die wirklich in Noth sei, dem Ausschuß nicht bekannt geworden, daß der Ausstand, kaum begonnen, auch schon überwunden sei und schon Gedrücktheit bei den Gehülfen bestehe, wurde aus der Versammlung bestätigt. Die Versammlung beschloß, keine Entgegnung gegen das von den Gehülfen ausgegebene Flugblatt zu veröffentlichen. .

In Posen hatte die Decker sch t Hof⸗Buchdruckerei . der Posener Zeitung) ihren Gehülfen, die sie im eigenen

nteresse sich gern erhalten hatte, vor der Kündigung in bestimmtester Weise erklärt, daß eine abermalige erhebliche Steigerung der Betriebe kosten mit der gegenwärtigen Geschãftslage nicht vereinbar sei und daher unbedingt abgelehnt werden müͤsse. Zugleich hatte die Druckerei auf Grund eines von den Prinzipalen getroffenen Abkommens den Ge—⸗ hülfen eröffnet, daß der Austritt aus dem Verbande zur Vor⸗ bedingung der Wiederaufnahme einzelner Setzer in das Geschäft ge— macht werden müsse. Nachdem dann, wie die Pos. Ztg. mittheilt, die Merjbach'sche Druckerei in Posen unter Nichtbefolgung des ge⸗ troffenen Uebereinkommeng die Rücknahme der Kündigung erwirkt hatte, sah sich die Decker'sche Druckerei, da überhaupt nur in den beiden größten deutschen Druckereien am Orte eine Kündigung erfolgt ist, den ausständigen Gehülfen gegenüber vereinzelt. Sie verharrte indeß bei dem Entschluß, sich von den fortgesetzten Ausstandsandrohungen des Allgemeinen Buchdrucker verbandes endgültig zu befreien, und traf rasch die erforder⸗ lichen Maßregeln zum Ersatz der ausgetretenen Gehülfen. Ein späterer Versuch der Gehülfen, nunmehr unter Aufgabe aller Mehrforderungen die Kündigung rückgängig zu machen, konnte keinen Erfolg mehr haben, da bereits eine ausreichende Anzahl ven Setzern neu engagirt war; nur fünf der alten Setzer, welche dem deutschen Buchdruckerverbande nicht angehören, sowie einige ältere Setzer, Familienväter, welche die Zugehörigkeit zum Verbande preisgaben, konnten wieder eingestellt werden. 24 Gehülfen traten in den allge⸗ meinen Ausstand ein. Die Löhne in der Decker'schen Offizin bewegen sich gegenwärtig zwischen 20.50 und 45 S6. (Durchschnitt 26 . wöchentlich).

ö Gmettin sind die Setzer der Ostssee⸗Zeitung. in den Ausstand eingetreten. Verleger und Redaktion dieser Zeitung ver⸗ öffentlichen eine Erklärung, daß sie nach Möglichkeit für Ersatz Sorge getragen hätten; sie bitten aber um Nachsicht, wenn während der nächsten Zeit eine Einschränkung in dem Umfang des Blattes erfolgt, und hoffen in kurzer Frist die Arbeiterzahl soweit vervoll⸗ ständigt zu haben, daß sie den Ansprüchen der Leser wieder voll ge— nügen können.

In Halle wurde in einer Buchdruckerversammlung am Sonntag festgestellt, daß im Ganzen 46 Gehülfen ihre Forderung bewilligt er · halten haben und daß 60 im Ausstand sind. 35 Nichtverbandsmit glieder und 17 Verbandsmitglieder sind, wie der ‚Mgdb. Ztg.“ be⸗ richtet wird, nicht ausständig. . ö ö

In Frankfurt a. M. wurden, wie der „Vorwärts“ mittheilt, 30. Gehülfen die Forderungen bewilligt und 280 legten die Arbeit nieder. In der Sozietätsdruckerei, in welcher die Frkf. gta. er⸗ scheint, ist, wie dieses Blatt mittheilt, der größte Theil der Gehülfen am Sonnabend ausgetreten. ;

In Oberhaufen haben die beiden vorhandenen Buchdruckereien der Köln, Ztg.“ zufolge die Forderungen der Gehülfen bewilligt.

In Dresden haben sich die Druckereien des „Dresdener Anzeigers“ und der Dresdener Nachrichten“ entschließen müssen, die Forderungen der Buchdruckergehülfen zu bewilligen. Der Dres dener Anzeiger ist Stiftungseigenthum die Firma E. Blochmann u. Sohn ist durch Kontrakt gebunden, das Blatt in einem ganz bestimmten Um⸗ fang und ohne Zurückweisung von Inseraten bei durch Verzögerung verschuldeter hoher Konventionalstrafe herzustellen Da es nun aber der Blochmann'schen Druckerei nicht gelungen war, an Stelle der bei ihr in Kündigung befindlichen 55 Schriftsetzer, welche die Arbeit niedergelegt hätten, ausreichenden Ersatz zu finden, so mußte sich die Firma zur Bewilligung der Ge— hülfenforderungen entschließen. Aus naheliegenden Gründen, nament⸗ lich auch aus Rücksicht auf Anzeigen, welche keine Verzögerung erfah— ren dürfen, und in Anbetracht des hohen Werthes, welchen das Publikum auf das schnelle Erscheinen seiner Anzeigen in den „Dres dener Nachrichten‘ legt, hat sich auch die Verlagsfirma dieses Blattes zu denselben Zugeständnissen bereit erklärt. ö

In Plauen hat, wie die ‚Lpz. Ztg.“ berichtet, die Königliche Staatsanwaltschaft gegen den Gauvorstand des Unter⸗ stützungs vereins deutscher Buchdrucker in Chemnitz, welcher mittels Schreibens vom 3. d. M. am vorigen Mittwoch die Mitglieder des Unterstützungsvereins in der Buchdruckerei von Moritz Wieprecht in Plauen mit sofortigem Ausschluß be— drohte, wenn sie sich der allgemeinen, auf Erreichung der neunstündigen Arbeitszeit gerichteten Bewegung nicht anschließen, d. h. nicht kündigen sollten, Anklage wegen Bedrohung und Nöthigung erhoben; die Unter⸗ suchung ist bereits eingeleitet. ö -

In Weimar ist der Ausstand der Buchdruckergehülfen gleich falls eingetreten. Ausgenommen sind nur zwei, eine kleinere und die Drugeerei der Zeitung „Deutschland‘, deren Besitzer sich mit den Gehülfen verständigt haben. Die „Weimar. Ztg.“ eischeint trotz des Autstandes in der Hofbuchdruckerei weiter, da Ersatz für die aus— 4 Arbeitskräfte zur Herstellung des Blattes beschafft worden ist.

In Wien beschloß, wie der Voss. Ztg. telegraphisch gemeldet wird, eine Versammlung von Handelshülfsarb eitern ( Geschäfts· dienern) den Anschluß an die sozialdemokratische Partei, ferner die Auf⸗· stellung folgender Forderungen: Einführung der gesetzlichen Normalarbeits ˖ zeit, unbedingte Sonntagsruhe, einen Mindestwochenlohn von 10 Gulden, Krankenversicherung und Unfailversicherung. Eine Vertrauens mãnner⸗ versammlung der Oppofition der österreichischen Sozial—⸗ demokratle nahm zustimmend die Mittheilung entgegen, daß der Redaeteur der Volkspresse, Hanser von der Leitung des Blattes zurücktrete, um den grundsätzlichen Kampf gegen die sozialdemokratische Parteileitung big zu deren Sturz zu führen. .

Unter den Kornträgern zu Dublin ist, wie der, Köln. Ztg.“ aus London berichtet wird, ein Aus stand ausgebrochen.

Arbeiterversichexung und Arbeiterschutz in Norwegen

(FE) Die norwegische Regierung bat beschlofsen, eine Kommission niederzusetzen, welche die Bildung von Unfallverficherungs«, Kranken und Altersversorgungskassen für Seeleute fowie eine mögliche Ver—

besserung der bygienischen Verhältnisse auf den norwegischen Handels⸗ schiffen in Erwägung nebmen soll. Ferner wird die Regierung zwei Delegirte nach dem Auslande entsenden, die sich mit den Bestimmun⸗ gen über die Arbeitszeit für industrielle Arbeiter sowie mit der Beaufsichtigung der Fabriken bekannt machen sollen.

Branntweinsteuer in Kopenhagen.

Nach einer Uebersicht des Magistrats der Stadt Kopenhagen haben die Einnahmen der Stadt aus der Branntweinsteuer während der Jahre 1888, 1889 und 1890 resp 354 000 Kronen, 348 000 Fronen und 343 060 Kronen betragen. Am 1. April d. J. hatten in der Hauptstadt die Berechtigung zum Branntweinhandel oder Branntwein ausschank: 120 Großkaufleute, 11 Branntweinhändler, 72 Weinhändler, 1214 Kleinhändler, 797 Wirthshaushalter (Budiker), 74 Restaurateure, 122 Gastwirthe (Hotelwirthe ꝛe,), 14 Konditoren und 20 sonstige Ausschankberechtigte. Der Magistrat hat jetzt den Stadtverordneten vorgeschlagen, die bisherige Steuer für die Jahre 1892 1894 beizu behalten, und zwar: 400 Kronen für Gastwirthe, 200 Kronen für Konditoren, Restaurateure, Wirthshausbalter und Ausschankberechtigte und 100 Kronen für diejenigen, die mit Branntwein handeln, ohne k oder ohne das Recht zu haben, sitzende Gäste zu halten.

Land⸗ und Forstwirthschaft.

Ernte. Die diesjährige Getreideernte im Regierungsbezirk Potsdam darf im Allgemeinen eine mittlere genannt werden. Der Stroh⸗ ertrag ist ein durchaus befriedigender, und auch der Körnerertrag ist weit besser ausgefallen, als das ungünstige Frühjahr erwarten

ließ. Der Ertrag des Weizens und Roggens ist im Großen und

Ganzen der durchschnittliche. Allerdings ist das Korn stellenweise in Folge Lagerns klein und leicht; dazu kommt, daß bei dem regnerischen Wetter im Juli und August der Roggen mehr oder minder feucht eingefahren werden mußte, sodaß er meist erst nach längerer Bearbeitung auf den Getreideböden marktfähig trocken geworden sein wird. Andererseits ist erfreulicher Weise tropñz des Regens fast nirgends Auswuchs vorgekommen. Gerste lohnt recht gut; ebenso meisten⸗ theils der Hafer und das Mengegetreide.

Handel und Gewerbe.

Tägliche Wagengestellung für Kohlen und Koks an der Ruhr und in Oberschlesien. An der Ruhr sind am 9. d. M. gestellt 10 299, nicht recht⸗ jeitig gestellt keine Wagen.

Sub hastations⸗Resultate. Beim Königlichen Amtsgericht JI. Berlin stand am 9. November 1891 daz Grundstück, in der Pankstraße 326 belegen, dem Kaufmann Wil belm Hühner hier gehörig, zur Versteigerung; das geringste Gebot wurde auf 71135 festgesetzt; für das Meist⸗ gebot von 200 000 1M wurde die Dorotheenstädtische Kredit⸗ Actien⸗Bank“ zu Berlin Ersteherin.

Berlin, 7. November. (Wochenbericht für Stärke, Stärke fabrikate und Hülsenfrücte von Max Sabers kv.) Ia. Kartoffelmehl 33 5 34 S9, La. Kartoffelstärke 335— 34 , Ua. Kartoffelstärk; und Mehl 31—33 6, feuchte. Kartoffel stärke loco und Parität Berlin 19 66, Fahriken bei Frankfurt a. O. zahlen frei Fabrik 18 M, gelber Spyrup 37 38 4, Favillair⸗ Export 395 40 S6, Capillair - Sprup . 38 39 4, Kartoffel cker gelber 37 38 , do. Caxillair 385 389 4, Rum⸗Couleur 46 - 47 S, Bier⸗ Couleur 45 - 45 A, Dextrin, gelb und weiß, Ia. 40-42 S, do. sekunda 37-39 A, Weizenstarke (kleinst.) 42 45 A8, Weizenstärke (großst.) 49 50 MM, Hallesche und Schlesische 49 51 6, Relsstärke (Strahlen 47— 18 M, do. (Stücken) 441 45 M, Mais⸗Stärke 386— 37 *, Schabe⸗ stärke 35 == 36 ½ , Victoria ⸗Erbsen 256—– 26 Æ, Kocherbsen 253— 26M, grüne Erbsen 23— 25 S, Futtererbsen 183—195 4, Leinsaat 27 28, Linsen, große 48 - 64, do. mittel 38 48, do. kleine 28 38 M, gelb. Senf 18-28 ½0, Kümmel 34 40 M, Mais loco 17-17 ½, Pferde⸗ bohnen 18 185 6, Buchweizen 185 20 4, inländische weiße Bohnen 22— 25 S, weiße Flachbohnen 24—27 M, ungarische Bohnen 19— 21 , galizische und russische Bohnen 17–— 19 0, Wicken 153 165 4, Hanfkörner 223 24, Leinkuchen 185 193.½ , Weizenschale 13— 135, Roggenkleie 14— 145 , Rapskuchen 15 163 *, Mohn, blauer 50 - b0 S, do. weißer 69 80 S, Hirse, weiße 22— 25 M Alles per 100 kg ab Bahn bei Partien von mindestens 10 000 ke.

Ueber die Verhältnisse der insolventen Firma H. Fried⸗ länder und Sommerfeld liegen noch keine näheren Angaben vor. Der zweite der Gebrüder Sommerfeld ist gestern Morgen gleichfalls seinen Wunden erlegen. Die Aktiengesellschaften, welche mit der Firma in Verbindung standen, machen in den Börsenblaͤitern Mittheilungen über die Höhe ihrer Guthaben. Wir haben gestern bereits über die Beziehungen der hiesigen Weißbierbraueret⸗Gesellschaft Hilsebein und der Posener Spritbank berichtet und fügen noch Folgendes an; Die Falkensteiner Garpinen⸗Weberei und Bleicherei erklärt sich für gänzlich unbetheiligt, und auch die Thüringische Nadelfabrik in Ichtershausen meldet, daß sie bei dem Zusammen⸗· bruch der Firma Friedländer u. Sommerfeld nicht betheiligt sei; dasselbe gilt von der Birkenwerder Aktiengesellschaft für Baumaterial. Die Aktiengesellschaft Hein, Lehmann u. Comp. theilt mit, daß sie kontraktmäßig verpflichtet war, ihre sämmt-⸗ lichen Banguiergeschäfte durch die Berliner Wechselbank Hermann Fried- länder u. Sommerfeld zu machen. Durch den Ankauf des Düssel dorfer Etablissements ist die Aktiengesellschaft gegen das Bankhaus in größere Verpflichtungen gekommen, die theilweise durch Accepte, theilweise durch Hypotheken gedeckt sind. Die Aktien gesellschaft deckt aus eigenen Mitteln ihre laufenden Ver . das Geschäft nimmt seinen geregelten Fortgang. Aus

nlaß des Zusammenbruchs der Firma Friedländer u. Sommerfeld sind in Berlin anwesende Mitglieder des Aufsichtsrathes der Berlin—⸗ Gubener Hutfabrik, Akt.“ Ges., vo rm. A. Cohn, mit dem Vorstande zu einer Besprechung zusammengetreten, deren Ergebniß fol⸗ gendes ist: Die Gesellschaft ist bei der insolventen Bankfirma mit einem dort deponirten Effektenbestande von 190 000 A 30½ Hamburger Rente, deren Werth nach dem gegenwärtigen Coursstande 155 8060 M beträgt,

außerdem nur mit einer Buchforderung von ca. vierhundert Mark be⸗ tbeiligt. Der Bestand der Gefellschaft ist. falls das Depot veruntreut sein sollte, in keiner Weise gesäbrdet. Die Schiff und Maschinen: bau -⸗Aktiengesellschaft Germania tbeilt mit, daß sie bei dem Zusammenbruch, der Berliner Wechselbank Friedländer u. Sommerfeld in Mitleidenschaft geiogen worden ist. Die Germania hat mit der Firma zwei Lombardgeschäfte in Höhe von 300 000 4A ge. macht und dürfte, da die Deckung in 180 000 4 erststelliger Hypothek auf ein Haus in der Leipziger Straße und in einem größeren Effekten · depot besteht, ein Verlust aus diesen Geschäͤften voraussichtlich ihr nicht er⸗ wachfen. Dagegen ist aus einer Bürgschaft, welche die Firma Friedländer & Sommerfeld, noch aus der Zeit dakirend, bevor die Germania ihre jetzige Bankverbindung mit der Dresdner Bank einzing, für ein Lieferungs- geschäft an die türkische Regierung gegeben hat, ein größerer Verlust zu erwarten. Die Germania hat für dieses Aval ein Depot von 590 000 , in Effekten bestellt. darunter befinden sich aber 300 0900 M Aktien der Norddeutschen Dampf⸗ schifffahrtß - Gesellschaft in Kiel, die keinen börsenmäßigen Cours haben und sich wahrscheinlich noch vorfinden werden. Außer dem ist noch eine ungedeckte Buchforderung von ca. 30 000 4 vorhanden. Die Germania besitzt einen ordentlichen Reservefonds, der bereits 587 245 M beträgt und die statutarische Höhe überschritten hat, ferner einen Extra⸗Reserbefonds von 115 532 ½ ; selbst im ungünstigsten Falle würden diese Reserven zur Deckung des Verlustes vollständig aus- reichen. Im Uebrigen wird die geschäftliche Lage der Germania durch diese Angelegenheit in keiner Weise beeinträchtigt.

Der Einlösungscurs für in Deutschland zablbare össterreichische Silber“ Coupons und verlooste Stücke ist auf 172,50 M für 100 Fl. festgesetzt worden, hat somit gegen die letzte Notiz eine Ermäßigung um 50 4 erfahren.

Die Allgemeine Elektrizitäts⸗Gesellschaft und die Firma Siemens u. Halske haben die gemeinschaftlich gegen die Aktiengesellschaft Seel geführte Schadensklage zuruͤck⸗= genommen, nachdem das Reichsgericht in dem bekannten Prozeß der Swan ⸗Gesellschaft die Bedeutung des Edison'schen Glühlampenfaden⸗ patents eingeschränkt hat, die Seel ⸗Gesellschaft aber wegen Verletzung des der Allgemeinen Elektrizitäts⸗Gesellschaft gehörigen Maximpatents zu Schadenersatz verurtheilt ist.

Wie die Köln. Ztg.“ meldet, hat der Essener Berg werksverein „König Wilhelm“ in den Monaten Januar bis September inklusive einen Reingewinn von 1563 887 erzielt. Der Reingewinn, der im Jahre 1896 sich auf 2260 490 4 belaufen habe, werde auch in diesem Jahre auf Über zwei Millionen Mark geschätzt. Die Gesellschaft verfüge über reichliche flüssige Mittel, bei der Reichs- bank allein seien 1365 337 S in Konsols hinterlegt. Von der fur 18982 in Aussicht genommenen wesentlich höheren Förderung sei ein Viertel bereits zu sehr guten Preisen verkauft.

Leipzig, 9. November. (W. T. B. Kam mzug-Termin⸗ bandel. La Plata. Grundmuster B. per November 3,50 A, per Dezember 3,60 Æ, per Januar 3,225 4A, per Februar 3,65 A, per März 3,577 M, ver April 3,0 M, ver Mai 3,70 A, ver Juni 3,5 „M, per Juli 3,75 υς, per August 3,75 66, per September 3, 5 Æ Umsatz 115000 kg. Schwach.

London, 9. November. (W. T. B.) An der Küste 3 Weizen⸗ ladung en angeboten. . ;

10. November. (W. T. B.) Dem Reuter'schen Bureau wird aus Rio de Janeiro gemeldet: Durch ein amtliches Dekret vom 8. d. M. wird das Gesetz aufgehoben, nach welchem die bisher auf Papier lautenden 5prozentigen Apolice s (innere Staatsschuld) in Gold-Obligationen umgewandelt werden sollten.

Glasgow, 9. November. (W. T. B.) Die Verschif fungen von Roheisen betrugen in der vorigen Woche 6216 Tons gegen 5881 Tons in derselben Woche des vorigen Jahres.

Wien, 9. November. (W. T. B) Dem „Fremdenblatt“ zufolge soll der Vertreter des Hauses Rothschild an der heutigen Börfe auf eine an ihn gestellte Anfrage erklärt haben, daß bisher zwischen der Südbahn und der Regkerung über die eventuelle Pacht übernahme keine Verhandlungen stattgefunden haben; von einem Regierungsvertreter sei lediglich eine private Anfrage in diesem Sinne an die Südbahn ⸗Verwaltung gerichtet worden. Der Vertreter des Hauses Rothschild habe weiter versichert, daß, Falls es zu Verhand⸗ lungen mit der Regierung komme, die Interessen der Südbahn Aktionäre dabei ihre vollste Wahrung finden würden.

St. Peters burg. 9. November. (W. T. B.) Die Börse war heute wegen der Feier der silbernen Hochzeit des Kaisers und der Kaiserin von Rußland geschlossen.

Warschau, 9. November. (W. T. B.) Nach einer von dem russischen Finanz-Ministerium auf eine Anfrage des hiesigen Börsen ⸗Comités ertheilten Auskunft werden Raps, Oel saaten und alle Arten von Hülsenfrüchten von dem vor einigen Tagen erlassenen russischen Getreideausfuhrverbot nicht betroffen.

Madrid, 9. November. (W. T. B.) Wie verlautet, soll der Aufsichtsrath der Bank von Spanien beschlossen haben, den Zinsfuß für Darlehen auf Staatspapiere auf 4500 zu erhöhen, dagegen den Zinsfuß von 4 , für auf 90 Tage laufende Wechsel bei⸗ zubehalten. Außerdem wurde beschlossen, den Gouverneur der Bank zu ermächtigen, im Auslande eine Anleihe von 50 Millionen auf— zunehmen.

New⸗York, 9. November. (W. T. B.) Die Börse eröffnete in schwacher Tendenz und verblieb so bis zum Schluß. Der Umsatz der Aktien betrug z54 009 Stück. Der Silbervorrath wird auf 400 000 Unzen geschätzt. Die Silberverkäufe betrugen 245 006 Unzen, die Silberankäufe für den Staatsschatz 89 006 Unzen zu Fo . gh. 2b. .

Visible Supply an Weizen 38 972 000 Bushels, do. an Mais 2 812 000 Bushels.

Verkehrs⸗Anstalten.

Entwickelung des Verkehrs auf der Berliner Stadt- und Ringbahn.

Im Anschluß an die Mittheilungen über die Berliner Stadt- bahn im Jahrg. 1888 S. Lff. des „Archivs für Eisenbahnwesen“ bringt diese Zeitschrift folgende Uebersicht über die weitere Ent- wickelung dieses Verkehrs mit Ausschluß des Fernverkehrs

in den Betriebsjahren 18838 / 89 bis 1890/91.

—— x

Zahl der Reisenden

Einnahme

Betriebs Verabfolgte 1 jahr Karten Stadt⸗ und Ring Vorort.

verkehr

Stedt. Stadt. and Ringverken. Boro. Summe verkehr . 9h verkehr

. U verkehr Ring⸗ verkehr verkehr

e nen d 836 3227 1 496, 33565,

rbeiter⸗

1888 / g karten 185 398 140 066 105 467 137546,

Fahrkarten 13 135 2658 3174 490 3 425 687 1435 028 21 170460

4. J

16968 568 527

q

Summe 1 z29 39 3 317783 3 5532 644

Zeitkarten 11298 3713 1663 3530 1889 / go Arbeiter

karten 180 099 18490999 121 837 184 717

Fahrkarten is zi 312 3 862 290 3 79 341 160 ig n a 3,

1575 989 21 755 9552 094 424, 95 619 oc. oo 29 495, 360 1 020 678,75 4 264 293,50 /

20 204 700 743

Summe 15 hoz 200 3 7650 012 3 952 841

ö 19 096 494 4879 115 4463 185 1 855 924

eitkarten 12 241 3 453 1 9. 3 g50

. 203 8185 278 663 216 802

1890/91

30 263 813

/ 1793 33 999 27612 360 926, 15 778 118,55 609 263, 05 1 199 235,66 4 947 543,41

21 .

351 183 10509483 ͤ

Summe

. I Ii7 ↄꝰo hᷣ 165i zi 4671 923 219019731 335 801 5 ga a 94 d g, 45 739 335, 35 1 548 197, 21 5 874 233,44