1891 / 273 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 19 Nov 1891 18:00:01 GMT) scan diff

Der New-⸗JYork Herald“ vom 17. d. M. veröffentlicht über die Vorgänge in Brasilien das nachstehende Telegramm seines Korrespondenten in Valparaiso:

Aus Rio de Janeiro wird gemeldet, daß Marschall Deodoro da Fonseca alle Kabeltelegramme unterdrückt, welche auf die Revo⸗ lution Bezug baben. Von Buenos Aires kommt die Kunde, daß eine Anzahl Offiziere der uruguayschen Armee sich den Insurgenten in Rio Grande do Sul angeschlossen haben. Der Posten als Oberstkommandirender wurde dem General Astrojello angeboten, welcher über den Vorschlag noch nicht schlüssig ge⸗ worden ist. Die Insurgenten in Porto Alegre riefen Senhor Barrelto Liete zu ihrem Gouverneur aus. Die Rebellen haben in Santa Anna das Zollhaus erobert und auf die Zölle Beschlan gelegt. Ber Bericht über die Besetzung von Itagui bestätigt sich. Die 300 Mann starke Garnison will sich jedoch nicht ergeben und hat in dem Arsenal Zuflucht gesucht. Der Commandeur des Uruguay Fluß⸗ geschwaders erklärt, daß er nur die Regierung von Rio de Janeiro an⸗ erkennt und daß seine Schiffe die Stadt bombardiren sollen, wenn die Insurgenten nicht die Waffen niederlegen. Im Staat Rio Grande Ferrscht die wildeste Anarchie. Dr. Brazil lehnte den ihm angebotenen Vorsitz in der Junta ab. Der Vicomte Pelotas hat Unterhand⸗ lungen mit dem Diktator eröffnet und gegenseitige Zugeständnisse als geeignetes Mittel zur Beilegung der jetzigen Wirren vorgeschlagen. Der Vicomte wurde hierzu unzweifelhaft durch die Thatsache bewogen, daß die Truppen sich bis jetzt der revolutionären Bewegung noch nicht angeschlossen haben.“ ] ;

Der Londoner „Times“ wird aus Santiago u. d. 16. November gemeldet:

Aus Rio Grande gelangen fortwährend einander widersprechende Telegramme hier an, von denen einige berichten, daß die Flotte zu den Infurgenten übergegangen ist, während andere wieder melden, daß die Flotte das von dec Opposition bedrohte Itaqui vertheidigt. Ein Blick auf die Karte dürfte den scheinbaren Widerspruch der Telegramme löfen. Es handelt sich wahrscheinlich um zwei Geschwader, von denen das bei Porto Alegre befindliche gemeinschaftliche Sache mit den Rebellen gemacht hat, während das andere im Uruguay-⸗Fluß dem Diktator treu geblieben ist. An der Grenze von Uruguay sind Rebellentruppen unter dem Kommando von General Osorio ein— getroffen. Die Orpositionsjunta ist unter sich uneins und es scheint, als ob Monarchisten und Republikaner, welche der Widerstand gegen den Staatsstreich Fonseca's vereinigte, sich, was die endeültige Lösung der Wirren anbetrifft, mit gleichem Argwohn gegenüberstehen.

Parlamentarische Nachrichten.

In der heutigen (121) Sitzung des Reichstages, welcher der Staatssekretär Dr. von Boetticher beiwohnte, wurde zunächst an Stelle des aus dem Amte geschiedenen Abg. Freiherrn von Buol-Berenberg auf Vorschlag des Abg. Dieden der Abg. Krebs durch Akklamation zum Schrift— führer gewählt.

Darauf begann das Haus die zweite Berathung des Ent— wurfs eines Gesetzes über die Abänderung des Gesetzes, be⸗ treffend die Krankenversicherung der Arbeiter, vom 15. Juni 1883, auf Grund des in Nr. 82 des „R. u. St. A.“ auszugsweise mitgetheilten Berichts der XII. Kommission. Berichterstatter ist der Abg. Merbach. Zu 5.1, der die dem Versicherungszwang unterliegenden Personen aufführt, sind

Abänderungsanträge von den Abgg. von Strombeck, Dr. Hirsch, Goldschmidt, Eberty und Auer eingebracht. Abg. Goldschmidt befürwortete seinen Antrag, das

Handelsgewerbe aus dem Gesetz herauszulassen. ;

Staatesekretär Dr. von Boetticher setzte die Gründe auseinander, aus denen die Regierung die Ausdehnung des Krankenversicherungszwanges auf die. Handlungs⸗ gehülfen vorgeschlagen habe. Angeregt sei diese Ausdehnung burch die Handlungsgehülfen selbst. Daß diese gleichfalls der staatlichen Fürsorge bedürften, habe bereits das Alters⸗ und Invaliditäis⸗Versicherungsgesetz anerkannt. Es handle sich darum, Noth und Elend in diesem Stande auch auf dem Wege des Versicherungszwanges zu ver⸗ mindern. Das sei lediglich eine Bedürfnißfrage. Was dem Einen recht sei, sei dem Anderen billig. Die Selbsthülfe werde durch die Vorlage nicht beeinträchtigt; nur müßten die freien Kassen mindestens ebensoviel leisten wie die Zwangs⸗ kassen. Der Reichstag werde ein gutes Werk thun, wenn er die Vorlage annehme.

Abg. von Strombeck begründete seinen im Interesse der Uebersichtlichkeit des Gesetzes gestellten Antrag und empfahl

dessen Annahme. Abg. Bruhns nahm bei Schluß des Blattes das Wort

zur Begründung des Antrags Auer.

Der gestern erwähnte Entwurf eines Gesetzes, betreffend . Zu satz zu Artikel 31 der Reichsverfassung, autet:

Dem Art. 31 der Reichsverfassung wird folgender vierter Absatz hinzugefügt: Auf die Zeit einer Verkagung des Reichstages, welche die Frist von dreißig Tagen übersteigt, finden die vorstehenden Be— stimmungen keine Anwendung.

In der Begründung wird ausgeführt:

Bie Frage, ob die Bestimmungen im Artikel 31 der Reichs verfaffung auch für Fälle der Vertagung des Reichstages auf längere als dreißigtägige Dauer (Artikel 265 Geltung baben, wird von den Gerichten verfchieden beantwortet, und es macht sich dies als ein Mißstand füblbar, der zur Abhülfe drängt. Dazu bedarf es eines Eingreifens der Gesetzgebunz. Mögen nun auch derjenigen Auslegung des bestehenden Röchts, welche die Immunität bestimmungen für jegliche Vertagung ohne Rücksicht auf deren Yauer in Anspruch nimmt, beachtens— werthe Gründe zur Seite stehen, so läßt sich doch nicht verkennen, daß eine so weit reichende Immunität weder ein Bedürfniß noch auch un— bedenklich ist. Die Immunität der Abgeordneten bezweckt die Sicher stellung der Geschäfte des Reichstages und ist deshalb nicht für die ganze Legislaturperiode, sondern nur für die Dauer der Sessionen, d. h. für diejenige Zeit vorgesehen, in der der Reichstag thätig ist. Es macht keinen Uͤnterschied, ob die Einstellung der Thätigkeit des Reichstages auf einer Schließung oder ob sie auf einer Ver: tagung der Session beruht. Dazu kommt, daß die Immunität während der Vertaaung eine ganz andere Bedeutung gewinnt, als während der Sitzungszeit. Die in ihr liegende Kollision verschiedener öffentlicher Interessen soll ihr Korrektiv darin finden, daß der Reichstag, wo nach Lage des Falles sein Interesse an der Mitwirkung feiner Mitglieder hinter dem Interesse an der Verfol— gung einer Strafthat zurücksteht, durch Ertheilung der Genehmigung zur Verfolgung die Immunität aufheben kann. Im Falle der Vertagung aber versagt dieses Korrektiv, und die Immunität

gestaltet sich zu einer unbedingten, denn eine Zusammen⸗— berufung des Reichstages lediglich zu dem Zwecke, damit er über die Genebmigung einer Strafverfolgung beschließe, kann wohl nicht in Frage kommen. Die Immunität verliert bierdurch ihren eigentlichen Charakter als Privilegium des Reichstages und ver⸗ ändert sich zu einem persönlichen Privilegium der Abgeordneten. Dies ift in hohem Grade bedenklich. Es sei nur darauf hingewiesen, daß selbst die schwersten Verbrechen und Vergehen, wenn sie durch die Preffe begangen werden, einer nur sechsmonatigen Verjährung unterliegen, daß diese Verjäbrung läuft, auch wenn das Siraf⸗ verfahren durch Artikel 31 der Verfassung gehindert ist, und daß diese Verfassungsbestimmung es nicht einmal zuläßt, durch richterliwe Handlungen die Verjährung zu unterbrechen, sowie daß auch bei anderen als Preßdelikten die Sicherung der Beweise ausgeschossen oder gefährdet ist.

Ihre prattische Bedeutung haben diese Bedenken zum Theil erst durch die Gesetzgebung gewonnen, wie sie nach der Errichtung ver Verfassung sich entwickelt hat. Aber auch hiervon ahgesehen, glauben die verbündeten Regierungen, daß es nicht im Sinne des Reich?⸗— tages liegt, für seine Mit4lieder die Immunität in einer Ausdehnung zu beanspruchen, in der sie kein Bedürfniß ist und in anderen Ver fassungsstaaten nicht besteht.

Die konservative Fraktion des Reichstages hat sich in ihrer gestrigen Sitzung mit der Frage beschäftigt, was hinsichtlich der jüngsten bedenklichen Vorgänge im Bankwesen Seitens der Frak⸗ tion im Reichstage zu geschehen habe. Man war einstimmig der An⸗ sicht, daß es nothwendig sei, an die verbündeten Regierungen das Er— suchen zu richten, noch in gegenwärtiger Session eine Gesetzesvorlage dem Reichstage zu unterbreiten, in welcher der Geschäftsverkehr an der Börse der staatlichen Aufsicht unterstellt und Bestimmungen auf strafrechtlichem Gebier und in der Richtung des Bürgerlichen Gesetzbuchs geiroffen werden, um dem unsoliden Zeitgeschäft entgegenzufreten. Ob der Weg einer Interpellation D'der eines Initiativantrages gewählt werden wird, die Entschei⸗ dung darüber ist noch nit getroffen worden.

Nach Schluß der Redaktion eingegangene Depeschen.

Königsberg i. P., 19. November. (W. T. B.) . Bei der gestrigen Reichstags-Ersatzwahl. im Wahlkreise Rastenburg-Gerdauen-Friedland sind bis jetzt für den konservativen Kandidaten Ober⸗-Präsidenten Grafen Stolberg 5242, für den freisinnigen Kandidaten Papendieck 4767, für den Sozialisten Lorenz 339 Stimmen gezählt.

München, 19. November. (W. T. B) Der Prinz⸗ Regent hat den Fürsten Karl von Fugger-Baben⸗ hausen zum Präsidenten der Kammer der Reichsräthe ernannt.

Stuttgart, 19. November. (W. T. B) Der russische Minister des Auswärtigen von Giers empfing gestern Vor⸗ nittag die Besuche einiger ihm persönlich befreundeten Per⸗ sonen und begab sich Nachmittags nach Maxienwahl und Ludwigsburg, um dem König und der Königin einen Besuch abzustatten. Abends folgte der Minister einer Ein⸗ ladung des russischen Gesandten, Barons Fredericks zum Thee. Heute früh ist Herr von Giers mit dem Orientzuge nach Paris abgereist.

(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.)

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Wetterbericht vom 19. November, Morgens 8 Uhr. 5 6 H ang? Uhr

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Stationen. Wetter.

in 1 Vorspiel und 5 Aufzügen von Friedrich v. Schiller. 2 so 771 ssen 57 1 4 1 2 . ö 9 * In. Scene gesetzt vom Ober-Regisseur Max Grube. Eurg. Freitag.? Dr. Jojo. Schwank in 3Akten 76 Ubr: Große Kemiker. Vor stellung, Auftreten der ; ; Deutich von Sonnabend: Opern haus. 242. Vorstellung. Car. Regie: Emil Lessing. Vorher: men. Oper in 4 Atten von Georges Bizet. Text von 1 bis 3 uhr Nachmittags (de 1h. à 3). mann, S. Watne, Adolf und Alfred Delbosqt. von Henry MeilhaFe und Ludovie Halsvppy, nach iner Lastspiel in 1 Att von Abraham Dreyfuß. Deutsch Novelle des Prosper Méörimée.

von Albert Carré.

Tanz von Emil von Schelcher. Anfang 74 Ubr.

Nestdenz Theater. Direktion: Sigmund Lauten ·

Circus Renz. Karlstraße. Freitag, Abends

Karl Lindau. Clowns C. Godlewesky, Paul, und Williams, 3 Ge Sprechstunde brüder Briatore, Gebrüder Dianta, Gebrüder Krone⸗

Veldemann und Rosche, Herrmann, Misco ꝛzc, in ihren komischen Entises und Intermezzos. Außer

in O Celsius

* O I So C. = 40 R

Temperatur

2

u. d. Meeressp red. in Millim

Mullaghmore Aberdeen .. Kopenhagen. Stockholm. Haparanda. St. Petersburg Moskau. ..

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Bar. auf 0 Gr.

Swinemünde Neufahrwasser Memel ...

Paris.... Münster . Karlsruhe.. Wiesbaden. München .. Chemnitz.. Berlin. Wien ... Breslau K R,, 2 halb bed. 3 still heiter Uebersicht der Witterung. Die Depression, welche gestern westlich von Ir— land lag, ist nordostwärts nach den Hebriden fort⸗ geschritten und veranlaßt über den britischen Inseln vielfach starke Südwestwinde. Am böchsten ist der Luftdruck über Oesterreich und der Alpengegend. In Deutschland dauert das milde, vorwiegend trübe Wetter allenthalben fort; vielfach ist Regen gefallen; die Temperatur liegt in den westlichen Gebiets theilen bis zu 8 Grad über dem Mättelwerthe. Im nördlichen Rußland herrscht strenge Kälte. Deutsche Seewarte.

2 bedeckt 3 Regen 2 Nebel 4 bedeckt still wolkig still bedeckt 3 halb bed

2 bedeckt

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2 wolkenlos

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—— Theater⸗Anzeigen.

Nänigliche Schauspiele. Freitag: Opern. baus. 741. Vorstellung. Cavalleria rusti- cann ö Oper in 1 Aufjug, nach dem gleichnamigen Volksstück von Verga. Musik von Pietro Maßeagni. In Seene gesetzt bom Qber⸗ Regiffeur Tetzlaff. Dirigent: Kapellmeister Wein gariner. Vorher: Doktor und Apotheker. Ko⸗ mische Over in 2 Akten von Carl Ditters von Dittersdorf. Text nach dem Franiösischen von Stephani. In Scene gesetzt vom Ober⸗Regisseur * Dirigent: Kapellmeister Kahl. Anfang

T.

Schauspielhaus. 252. Vorstellung. Die Jung

fran von Orleans. Eine romantische Tragödie

Graeb. In Scene gesetzt vom Ober ⸗Regisseur Tetz⸗ laff. Dirigent: Kapell meister Weingartner. An— fang 7 Uhr.

Schauspielhaus. 253. Vorstellung. Der kommende Tag. Schauspiel in 4 Aufzügen bon Hugo Lubliner. In Scene gesetzt vom Ober ⸗Regisseur Max Grube. Anfang 7 Uhr.

Deutsches Theater. Freitag: Goethe Cnelus. IV. Abend. Zum 1. Male: Torquato Tasso. Ein Schauspiel in 5 Aufzügen. . Sonnabend: Der Pfarrer von Kirchfeld. Sonntag (außerhalb des Abonnements): Stella. Hierauf: Clavigo.

Berliner Theater. Freitag: 12. Abonn.Vorst. i mn die Seiner Durchlaucht. Anfang * Sonnabend: Esther. Der Geizige. Sonntag: Nachmittags 23 Uhr: Der Hütten besitzer. Abends 75 Uhr: Hamlet.

Tessing - Theater. Freitag: Satisfaktion. Schauspiel in 4 Akten von Alexander Baron von Roberts. Anfang 7 Uhr.

Sonnabend? Die Großstadtluft. Schwank in ; Akten von Otcar Blumenthal und Gustav Kadel⸗ urg.

Sonntag: Satisfaktion. Schauspiel in 4 Alten von Alexander Baron von Roberts.

Wallner ⸗Qhenter. Freitag: Zum 4. Male: Immer zerstreut! Posse in 3 Akten von Barrière und Gondinet. Neu bearbeitet von Franz Wallner Vorher, zum 4. Male: Nur drei Worte. Lustspiel in 1 Akt von Leopold Adler. Anfang 7 Uhr.

Sonnabend u. die folg. Tage: Dieselbe Vorstellung.

Friedrich - Wilhelmstãdtisches Theater. Freitag: Mit neuer Ausftattung und verstärktem Drchefter: Zum 13. Male: Die Basoche. Komische Oper in 3 Akten von Carré. Deutsch von R. Gente. Mustk von Andrs Messager. In Seene gesetzt von Julius Fritzsche. Dirigent: Kapellmeister Federmann. Anfang 76 Ubr.

Sonnabend: Dieselbe Vorstellung. ĩ

Donner stag, 2b. November: Mit neuer Ausstattung: Zum 1 Male: Polnische Wirthschaft. DOperetie in 3 Akten von H. West und Rich. Gen ée. Musik

von Hermann Lumpe (Komponist des „Farinellt'). Für das Friedrich ⸗Wilhelmstädtische Theater be— arbeitet bon Louis Herrmann. In Scene gesetzt von Jul. Fritzsche. Dirigent: Kapell meister Federmann. Die ersten zwei Akte spielen in der Starostei Horodin an der polnischen Grenze, der dritte Akt zu Karlsbad in Böhmen. Zeit: 1712. Die Dekarationen aus dem Atelier Fall. Die neuen Kostüme vom Garderobe⸗

Inspektor Venzkv.

Sonnabend: Dieselbe Vorstellung.

Dienstag, 22. November: Einmalige Aufführung von: Die arme Löwin. Schauspiel in 5 Akten von Emile Augier.

Belle Alliance Theater. Freitag: Zum 113. Male: Mit durchweg neuer glänjender Aus stattung von Dekorationen, Kostumen, Ballets, Waffen, Requisiter, Beleuchtungseffekten ꝛc. Jun g⸗ Deutschlend zur See. Großes Ausstattungs-Zeit⸗- bild mit Gesang und Tanz in 4 Akten (6 Bildern) von Ernst Niedt. Musik vom Kapellmeister G. R. Kruse. Anfang 73 Ubr.

Sonnabend: Jung ⸗Deutschland zur See.

Nachmittags 35 Uhr: Auf vielseitiges Verlangen: Kinder-Vorstellung zu bedeutend ermäßigten Preisen. Die Heinzelmännchen. Märchen ⸗Komädie mit Gesang und Tanz. ö

Vorverkauf von heute ab an der Tages kasse.

Adolph Ernst-Theater. Freit as: Zum 81. Male: Der große Prophet. Gesangsposse in 4 Akten von Leon Treptow. Gouplets von Gustav

örß. Musik von Gustar Steffenz. Mit voll⸗ ständig neuen Kostümen. Die neuen Dekorationen sind aus dem Atelier der Herren Wagner und Bukacz. In Seene gesetzt von Adolph Ernst Anfang 74 Uhr.

Sonnabend: Dieselbe Vorstellung.

Thomas -Theater. Alte Jakobftraße 30. Direktion: Emil Thomas. Sensationserfolg dieser Saison. Freitag: Zum 15. Male: Der Kun ft⸗ Bacillus. Novität! Posse in 4 Akten von Rudolf Kneisel. In Seene gesetzt vom Ober Reagissenr Adolf Kurz. (Igelfisch: Emil Thomas,.) Anfang 795 Uhr.

Sonnabend: Dieselbe Vorstellung.

Coneerte.

Sing Akademie. Freitag, Anfang 8 Uhr: Concert von Alfred Sormann mit dem Phil harmonischen Orchester.

Concert Jaus. Freitag: Karl Merder · Goncert. II. Strauß Suppe⸗Millöcker Offenbach ⸗Abend. An⸗ fang 7 Uhr. ;

Neu! Richard Wagner⸗Saal. Neu!

Urania, Anstalt für volksthümlicke Naturkunde Am Landeg⸗Ausstellungs⸗ Park Cehrter Bahnhof) Geöffnet von 12 11 Uhr. Täglich Vorstell ung im r er ghaftl ick Theater. Näheres die Anschlag⸗ jet el.

dem: Eine Vergnügungsfahrt mit verschiedenen Hin⸗ dernissen, originelle, höchst komische Scene von der neu engagirten The Eltons:-Troupe (5 Personen). Horaz und Mertur, zusammen vorgeführt von Herrn Ernst Renz (Enkel). Coriolan, geritten von Frl. Occkang Renz. Auftreten der rorzüglichsten Künstlerinnen u. Künftler. Zum Schluß der Vor⸗ stellung: ‚Auf Helgoland, oder: Ebve und Fluth“, große hydrologische Ausstattungs Pantomime in 2 Abtheilungen mit National-Tänzen (60 Damen), Aufzügen 2c, Dampsschisff ˖ und Bootfabrten, Wasser⸗ fällen, Riefenfontänen mit allerlei Lichteffekten ꝛc., arrangirt und inscenirt vom Dir. E. Renz. Kunst⸗ schwimmerinnen drei Geschwifter Jobnson. Schluß Tableau: Grande Fontaine Lumineuse, Riesen- Fontaine, in einer Höhe von mehr denn 80 Fuß ausstrahlend.

Täglich: ‚Auf Helgoland“.

Sonntag (Todtenfest): Abends 7 Uhr nur eine Votstellung.

Familien⸗Nachrichten.

Verlobt: Frl. Friedchen Boerger mit Hrn. Pfarrer Friedrich Wemper (Hattingen Ankausen bei Neuwied). Frl. Alexandra von Collrepp mit Hrn. Hauptmann Erich Frhr. von Hausen (Dresden)

Verehelicht: Hr. Lieut. Mortimer Frhr. von Maltzahn mit Anna Gräfin von der Schulenburg (Bectzendorf). Hr. Hans Frhr. von Eckardstein mit Frl. Ella von Leonhardi (Berlin)

Geboren: Eine Tochter: Hrn. Major Ernst ven Scheele (Hannoper)) Hrn. Haupimann Johannes Frhrn. von Forstner (Berlin). Hin. Pastor Hubert Barchewiz (Vielguth bei Bern stadt i Schl). Hin. Gymnasiallehrer Dr. Schneider (Glatz. Hrn. Karl von Arnim (Prossen).

Gestorben: Hr. Rittergutsbesitzer Lothar Herold

(Rittergut Schlettmin) Fr. Amt rath Pauline Hagen, geb Tiede (Sobbowitz . Verw. Fr. Bergrath Julie Voigtel, geb. Schmid (Hettstedt). Hr. Superintendent a. D. Wilbelm Voigt Zahna). Frl. Anna von Holstein (Schwerin i. M). Sr. Justiz Rath Ernst (Brteg) Verw. Fr. 1a Ottilie Lange, geb. Hirsch (Liednitz bei Bcieg) He. Telegraphen⸗Direktor a. D. Dtto Vitzthum von Eckstaedt (Dres den). Hr. Hans Carl von Thielau aus dem Hause Lampertswalde (Dresden)

Redacteur: Dr. H. Klee, Direktor.

Berlin: Verlag der Expedition (Scholy.

Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verla Anstalt, Berlin 8sW., Wilhelmstraße Nr. 32. 9)

Sechs Beilagen leinschließlich Börsen⸗Beilage).

Erste Beilage

zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.

M 273.

Königreich Preußen.

Königliche Landwirthschaftliche Hochschule zu Berlin. Invalidenstraße 42.

Unterrichts curse für praktische Landwirthe.

1892.

Die Curse beginnen am Montag, den 8. Februar, und endigen mit Sonnabend, den 13 Februar 1892. Theilnehmer baben gegen Zablung des Honorars Karten für die zu hörenden Vor⸗ träge zu lösen, die den betreffenden Docenten vorzuzeigen sind. Es ist geftattet, die erste Stunde zu hospitiren, zur Theilnahme an der zweiten und den folgenden Stunden ist dagegen die vorherige Lösung einer Karte erforderlich.

Folgende Vorträge werden stattfinden:

f Landwirthfchaft, Gartenbau: Professor Dr. Lehmann: Die Fütterung der Mastthiere. Vom 8. bis 13. Tebruar 121 Uhr. Zimmer 33. Honorar 10 66 Professor Dr. Orth: Neuere Er— fahrungen über Düngung. Vom 8. bis 13. Februar 11 12 Uhr. Auditorium IJ. Honorar 6 6 Professor Dr. Werner: Die Wirthschaftseinrichtung nach Maßgabe der veränderten volkswirth— schaftlichen und naturwissenschaftlichen Gesichtspunkte. Vom 8. bis 153. Februar 19 —– 11 Uhr. Zimmer 33. Honorar 9 Ce Derselbe: Lehre des Körperbaues vom Rinde mit praktischen Demonstrationen. Vom 8. bis 11. Februar —3 Uhr. Zimmer 33. Honorar 6 6 Seheimer Reglerungẽ⸗Rath, Professor Dr. Wittmack: Züchtung der Kulturpflanzen! Am 11. und 12. Februar 4— 6 Uhr. Zimmer 3. Honorar 6 M Garter-⸗Inspektor Lindemuth: Ueber Obstbau auf Landgütern. Vom S8. bis J3. Februar von 3— 4 Uhr. Zimmer 33. Honorar J M Dr. G. Weigelt: Weinbau, Kellerwirthschast, Weinbereitung. Vom 8. bis 10. Februar 4—– 6 Uhr. Zimmer 35. Honorar 5 S Ingenieur, Geheimer Rechnungs ⸗Rath Schotte: cher Beurtheilung landwirtbschaftliche Maschinen im All. gemeinen unter besonderer Berücksichtigung der erforderlichen Schutz⸗ vorrichtungen Am 12. und 13. Februar 1— 3 Uhr. Auditorium VI. Honorar 6 Meliorations ⸗Bauinspektor Gerhardt: Die Kultur der Grünlafds⸗Moore. Vom 8. bis 10. Februar 2 —3 Uhr. Auditorum II. Honorar 4,50 A6

7 Raturwissenschaften. a Botanik und Pflanzen physiologie: Professor Dr. Frank: Ueber Stickstofferwerbung durch Gründüngungspflanzen. Vom 8. bis 12. Februar 9-10 Uör. Zimmer 33. Honorar 750 MA b. Bodenkunde: Professor Fr. Gruner: Bas Aufsuchen von Mergel und Kalk im, rord— deuischen Flacklande. Am 8. und 9. Tebruar 9 10 Uhr. Minerglo= gisches Institurß. Honorar 3 S6 Derselbe: Die hauptsächlichsten Bodenarten Norddeutschlands und ihre rationellste Kultur. Vom 10. bis 13. Februar 9. 10 Uhr. Mineralogisches Institut. Honorar 6 M c. Zoologie, Thierphystologie und Thierbeil kunde: Professor Pr. Nehring: Ueber die Altersbestimmung der Schweine auf, Grund des Zabnwechsels. Am 8. und 9. Februar 12 —1 Uhr. Auditorium VI. Honorar 3 υς Professor Dr. Zuntz: Ernährung der Arbeitsthiere. Am 9. und 10. Februar 4— 6 Uhr. Auditorium TI. Honorar 6 6 Roßarzt Dr. Hagemann: Die Schädigung der Landwirthschaft durch die Maul. und Klauenseuche und die Mittel zu ihrer Verhütung. Am 8. Februar 4—- 6 Uhr. Auditorium II. Honorar 3 M,

3) Volkswirthschaft. Professor Dr. Sering: Die Ent— rölkerung der östlichen Provinzen und die ländliche Arbeiterfrage. Vom 8. bis 11. Februar 1—2 Uhr. Auditorium J. Honorar 6 (,

Meldungen nimmt entgegen sowie Auskunft ertbeilt der Rechnungs⸗Rath Müller im Sekretariat der Landwirthschaftlichen Hochschule, Berlin N., Invalidenstraße 42, bei dem auch die Theil⸗ nehmerkarten zu lösen sind.

Berlin, den 14. November 1391. .

Der Rektor der gans ich Hochschule.

Kny.

Dritte ordentliche Generalsynode.

Im weiteren Verfolge der gestrigen (J.) Plenarsitzung gelangte der Antrag des Syn. Pfeiffer, betreffend die Anregung und Organisirung der vorhandenen geistlichen Kräfte zu intenstverer Arbeit durch die General Superintendenten und Super intendenten, zur Berathung.

Der Antrag, dessen Verweisung an die Kommission für die Geschäftsordnung und Verfassungsfragen der Referent in längerer Darlegung empfiehlt, hat folgenden Wortlaut: ‚Hochwürdige General⸗ synode wolle beschließen: In der Erwägung, daß viele unserer evan⸗ gelischen Landeskirche amtlich zu Gebote stehenden geistlichen Kräfte für Hebung des christlichen Vollslebens, sowie für die Bekämpfung der religiösen, sittlichen und sozialen Nothstände des Gemeinde lebens nicht in entsprechender Weise Verwendung finden —, ersucht die Generalsynode den Evangelischen Ober ⸗Kirchenrath, nach⸗ drücklich dahin wirken zu wollen, daß den General-⸗Superintendenten und, Superintendenten der evangelischen Landeslirche die Möglichkeit geschaffen werde, die dieset Kirche zu Gebote stehenden geistlichen Kräfte zu intensiverer Arbeit persönlich anregen und zu geordneter Arbeit amtlich organisiren zu können. Zu diesem Zwecke beantragt General svnode: 1), daß die General Superintendenten in den Konsistorien nicht mit denienigen Amtsgeschäften belastet werden, welche von den geist—⸗ lichen Räthen genannter Behörden zu bearbeiten sind; 2) daß die er⸗ forderlicken Mittel bereit gestellt werden, damit die Genteral⸗ Superintendenten regelmäßige amtliche Konferenzen mit den Evphoren ihres Sprengels halten können; 3) daß den Superintendenten die erforderlichen Mittel gewährt werden, zur Ausführung der im Ephoral⸗ amte erforderlichen Arbeiten eine Schreibhülfe zu halten“

Nachdem auf Vorschlag des Synodalen von Kleist⸗Retzow der auf die Flüssigmachung von zur Durchführung der vorgeschlagenen Maßnahmen erforderlichen Mitteln abzielende Passus an die Finanz- Kommission, der übrige Theil des Antrages, aber an Lie Kommijsion für die Geschaͤftsordnung und Verfassungs-— fragen verwiesen worden, folgte die Berathung des An— trages des Synodalen Schott, betreffend die Erstattung eines Berichts Seiteng des Evangelischen Ober⸗Kirchenraths an die zu sammentretende Generalsynode über den Fortgang des religiös sittlichen Lebens in der Landeskirche; der von dem Referenten zur Annahme empfohlene Antrag lautet: Hochwürdige Generalsynode wolle beschließen: an den Evangelischen Ober ⸗Kirchenrath das Ersuchen zu rickten, der Generalsynode beim Zusammentritt ihrer ordentlichen Versammlungen jedes Mal einen Bericht über den Fortgang des religiös sittlichen Lebens in der Landeskirche zugehen zu lassen.

Der Präsident des Evangelischen Ober-Kirchenraths Dr. Bark— hausen äußerte gegen den Modus der hier geforderten Bericht vsteftung. I zu einer Wiedergabe der Kreissynodalverhandlungen führen 3 welche zweifellozs ihr Mißliches haben würde, auf Zweck . mäßigkeitsgründen beruhende Bedenken, welche den Referenten ver—⸗ anlassen, seinen Antraz zursckjuziehen.

3 96. hl e ö. .. der i i 6 . b en e U U . Bie mera sgabe un eröffen ng

Berlin, Donnerstag, den 19. November

Nachdem der Kommissar des Eyxangelischen Ober ⸗Kirchenraths D. Freiherr von der Goltz unter Erörterung der entsprechenden Einzelheiten auseinandergesetzt, daß die ganze Angelegenheit ihrem Abschlusse nahe sei und sodann jum Schlusse seiner Ausführungen betont hatte, daß die Lösung der Frage, ob es gelingen werde, dem betreffenden Texte die Bedeutung eines allgemein benutzten Textes für sämmtliche evangelischen Landeskirchen Deutschlands zu verschaffen, noch in weitem Felde stehe, wurde der Antrag für erledigt erklärt, da die Synede sich zu der Ansicht bekannte, daß mit den gegenwärtigen Aut—⸗ führungen des Herrn Kommissars des Evangelischen Qber⸗Kirchen⸗ raths dem Antrage des Synodalen D. Hegel, den Evangelischen Ober⸗Kirchenrath um Auskunft über die Lage der Herausgabe und Veröffentlichung der reridirten Bibel und über die Stellung des Kirchenregimenfes zur Einführung derselben in den Gebrauch der fare ligen Gemeinden der Landeskirche zu ersuchen, Genüge ge

ehen sei.

Darauf ging die Synode zur Berathung eines Antrages des Synodalen Fab er, betreffend die Offenhaltung der Kirchen in den größeren Städten außerhalb des Gottes dienstes, über; der Antrag des Referenten ging dahin, zu beschließen, den Gemeinde ⸗Kirchenräthen der größeren Städte zu empfehlen, die Kirchen zu bestimmten Stunden täzlich offen zu halten und dadurch die Möglichkeit zu stiller Sammlung und Gebetseinkehr einem großen Theile unseres Volkes darzuhieten.

Diesen Antrag eignete sich die Synode mit dem von dem Sya. Grafen Rothkirch-⸗Trach eingebrachten Amendement an, die ge— sperrt gedruckten Worte zu streichen, um sodann in die zweite Be— rathung des Entwurfs eines Kirchengesetzes, betr. Verlegung des Buß- und Bettages, einzutreten, welche eine erneute lebhafte Debatte veranlaßte.

Nach kurzer Befürwortung der Vorlage Seitens des Synodalen Trümpelmann brachte Synodale Freiherr von der Reck einen Gegenantrag ein, in welchem die Generalsynode unter eingehender Motivirung ersucht wird. den Beschluß zu faßsen, den vorgelegten Gesetzentwurf abzulehnen und an das hohe Kirchenregiment die Aufforderung zu richten, mit den übrigen deutschen Kirchezregierungen einen auf einen Sonntag zu legenden allgemeinen deutschen Buß und Bettag zu vereinbaren, daneben aber den jetzigen Landetszbußtag so lange bestehen zu lassen, bis etwa künftig zwingende Gründe für seine Beseitigung hervortreten.

Der Präsident des Evangelischen Ober ⸗Kirchenraths Dr. Bark hausen bekämpfte sehr entschleden unter erneuter Hervorkebrung der im Laufe der ersten Berathung wiederbolt zur Geltung gebrachten gewichtigen Gründe, welche unbedingt für die Genehmigung der gegenwärtigen Vorlage sprächen, den von dem Syno— dalen Freiherrn von der Reck vertretenen Standpunkt und gah seiner festen Ueberzeugung dahin Ausdruck, daß, wenn die Vorlage des Ober ⸗Kirchenraths in dieser Synodalperiode nicht zur Annahme gelange, die hier gewährleistete Aussicht auf das Zustandekommen einer auf die Gewinnung eines nationalen deutschen Bußtages gerichteten Vereinbarung zwischen sämmtlichen betheiligten Landeskirchen als für alle Zeiten geschwunden erachtet werden könne. (Beifall)

Nachdem di⸗se Meinungtäußerung des Herrn Präsidenten des Evangelischen Ober⸗Kirchenraths dem Syn. D. Schultze Ver—⸗ anlaffung zu der Erklärung gegeben, daß er unter prinzipieller Auf— rechterhaltung seines gegnerischen Standpunktes nunmehr aus Opportunitätsgründen für die Vorlage stimmen werde, brachte Syn. D. Erdmann den bereits bei der ersten Berathung abgelehnten An— trag, für den Fall des Zustandekommens eines allgemeinen deutschen Bußtages den alten preußischen Bußtag beizubehalten, von Neuem ein.

Das Endergebniß der zweiten Berathung des Entwurfs war die in namentlicher Abstimmung erfolgegde definitive An— nahme desselben mit 144 gegen 33 Stimmen. Das schon in der ersten Berathung genehmigte Amendement Stöcker, daß die Ver— legung des Buß'ages erst zur praktischen Ausführung gebracht werden möge, nachdem zuvor wenigstens im Wesentlichen eine Verständigung mit den norddeutschen Landeskirchen erzielt worden, gelangte zu er— neuter Annahme, während der Antrag Erdmann von Neuem ab— gelehnt wurde.

Schließlich überwies die Synode einen Antrag des Synodalen D. Schmidt ⸗Breklau beir. Einräumung des Rechts an die theolo— gischen Prüfungskommissionen, Kandidaten, die bezüglich ihrer Reife Anlaß zu Bedenken geben, zur Erlangung ihrer Wahlfähigkeit den Nachweis einer bis auf drei Jahre zu erstreckenden prak tischen Vorbildung aufzuerlegen, der Kommission für das VicariatswesF.en und einen Antrag des Synodalen Faber, betr. Ergänzung des Gesetzes über das Dienstalter der Geistlichen bezuglich der Anrechnung der Militärdienstzeit derselben, der Finanz— kommission.

Statistik und Volkswirthschaft.

Beaufsichtigung der Fabriken.

Im Verlag von W. T. Bruer ist soeben ein zum Zweck der Vorlegung an den Bundesrath und den Reichstag im Reichsamt des Innern zusammengestellter starker Band „amtlicher Mittheilungen aus den Jahresberichten der mit Beaufsichtigung der Fabriken betrauten Beamten, TV. Jahrgang 1890, mit Tabellen und Abbildungen er—⸗ schienen. Pr. 6.765 „½, geb. 7.45 „S Diese Mittheilungen be⸗ ziehen sich auf das ganze Reich, nachdem Anfang Juli die Berichte der preußischen Gewerbe ⸗Inspektionen (vgl. die Nummern 155 und 157 des „R.“ u. St. -A.) veröffentlicht worden sind. Nach der jetzt vorliegenden Zusammenstellung hat sich die Zabl der Aufsichtsbesirke, die 31 beträgt, dem Vorjahre gegenüber ebenso wenig verändert wie ihre Eintheilung; dagegen hat sich die Zahl der den Aufsichtsbeamten beigegebenen Hülfskräfte (in Hamburg und Chemnitz) wiederum vermehrt. Im Großherzogthum Baden ist im Berichtsjahre durch eine Verordnung vom 6. Juli 1880 eine Fabrikinspektion errichtet worden, die zugleich die technische Auf⸗ sicht über die einer staatlich anerkannten Ueberwachungsgesellschaft nicht angehörenden Dampkkessel und Dampfapparate zu führen hat.

Im Jahre 1890 hatten die Aussichtsbeamten ihre Aufmerksam⸗ keit haupfsächlich auf folgende Fragen zu richten und darüber ihre Wahrnehmungen in den Jahresberichten mitzutheilen:

1) Welche Einrichtungen sind von Arbeitgebern oder unter ihrer Mitwirkung für die Verabfolgung billiger Lebensmittel an die Ar— beiter getroffen worden? .

27) Sind in denjenigen Fällen, in welchen derartige Einrichtungen nicht in der Form selbständiger Konfumvereine getroffen worden sind, auß der Bestimmung des §. 115 Abs. 2 der Gewerbeordnung, wonach die Kreditirung von' Lebensmitteln nur mit der Maßgabe gestattet ist, daß die Verabfolgung der Lebenzmittel zu cinem die nschaffngeesten nicht Üübersteigenden Preife erfolgt, Schwiertgkeiten für die Wirksam · eit solcher Einrichtungen entstanden? ö k n, e. rn gebt error, daß wesentlich die Sage der Fabritbetriebe Und die Sntsernung der Webnsitz. er Arbeiter von diefen dazu beiträgt, ob von den Arbeltgebern solche Einrichtungen getroffen worden sind. Wohnen die Arbeiter sehr entfernt, sodaß

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ihre Verpflegung von der Wohnung aus nicht möglich oder mit Un⸗ zuträglichkeiten verknüpft ist, so sind dergleichen Einrichtungen vielfach getroffen worden. Auf der anderen Seite kommt in Betracht, daß viele Arbeitgeber keine Räumlichkeiten dafür haben und daß in großen Städten die Möglichkeit für die Arbeiter, sich selbst zu beköstigen, eine sehr umfangreiche ist; die bestehenden Konsumvereine und Handels⸗ geschäfte drücken durch ihren Wettbewerb die Preise schon sehr ber= unter, sodaß der Arbeitgeber kaum im Stande fein würde, zu gleich billigen Preisen zu liefern. Dagegen erweisen sich solche Einrichtungen auf dem Lande als sebr zweckmäßlg. Im Ganzen ist die Zahl solcher Veranstaltungen von Arbeitgebern verhältnißmäßig gering, das Be⸗ dürfniß dazu nicht groß. Aber duch da, wo geeignete Vorbedingungen vorhanden sind, fehlt es an solchen Einrichtungen, und viele Aufsichts⸗ beamten betonen, daß die Thätigkeit der Arbeitgeber auf diesem Gebiet eine regere sein könnte. Nach dem Bericht für den Aussichts-⸗ bezirk Düsseldorf „scheint die Ueberzeugung, daß hier noch ein reiches und lohnendes Feld der Arbeiterfürsorge der Bebauung harrt, in den Kreisen der Fabrikanten im Zunehmen begriffen zu sein, wie sich daraus ergiebt, daß von mebreren Seiten die Absicht geäußert wird, der Errichtung von Konsumanstalten näher zu treten.“ Der Aufsichtsbeamte für den Bezirk Oberbavern ꝛc. erblickt die Ur⸗ sachen, aus denen die Arbeitgeber sich zurückhaltend zeigen, mitunter in ihrer Abneigung gegen derartige mit Mühen und Kosten verbundene Einrichtungen, häufiger in einer das vorhandene Bedürfniß verkennenden Gleichgültigkeit?“ Nicht selten aber sind auch die Bestrebungen wohlmeinender Arbeitgeber erfolglos geblieben, weil die Arbeiter sich ablehnend verhielten. Manche derartige Ein richtungen haben wegen mangelnder Lebensfähigkeit aufgegeben werden müssen, so in Ost⸗ und Westpreuken. Die in, der Umgebung der Fabriken liegenden Wirthschaften, die durch billige Kaufeinrichtungen ihre Kundschaft verlieren, suchen die Arbeiter durch Gewährung längeren Kridits, durch Herabsetzung der Preise auf Kosten der Güte der Waare und andere Mittel an sich zu fesseln. Viel trägt zu den Mißerfolgen die bekannte Abneigung der Arbeiter gegen alle Einrich⸗ tungen des Arbeitgebers bei, welche die freie Entschließung der Arbeiter irgendwie beschränken oder auch nut den Anschein erwecken, als ob sie einen Zwang in der Verwendung des Arbeitslobhns auf— erlegen wollten. Der Aufsichtsbeamte für den Bezirk Potsdam⸗Franlfurt be⸗ merkt weiter: ‚Zu allen diesen Gründen kommt noch hinzu, daß die Arbeiter durch die steten Hetzereien und Verdrehungen der Thatsachen Seitens gewisser Preßorgane voreingenommen gegen alle Wohlfahrtseinrichtungen geworden sind, wodurch sowohl ihnen als den Arbeitgebern die Lust an dergleichen Einrichtungen verleidet wird. Dieselben Beobachtungen sind in Württemberg. Baden, Hessen II., in der Pfalz ꝛc. gemacht worden. Auch die Rücksicht auf den Kleinhandel, dem man das Geschäft nicht verderben will, hat an manchen Orten die Arbeitgeber veranlaßt, von dergleichen Wohlfahrtseinrichtungen Abstand zu nehmen.

An bielen Orken aber haben die Arbeiter selbst für die nöthigen Einrichtungen gesorgt So bestehen in dem Bezirk Potsdam-Frank: furt zwei von den Ärbeitern selbst gegründete Konsumvereine, die mit gutem Erfolge wirken; ferner in Merseburg - Erfurt, in Köln-Koblenz je ein Konsumverein; der letztere, in Engelskirchen, der 1871 von Arbeitern gegründet ist, wird von ihnen in tadelloser Weise geleitet. Auch sonst sind zahlreiche Arbeiter ⸗Konsumvereine he— gründet worden, und zwar von Arbeitgebern und unter ihrer Mitwirkung; so in Potsdam Frankfurt, Oppeln, Magdeburg, Arnsberg, Vüsseldorf, Aachen Trier, Oberbayern, Zwickau, Bautzen, Meißen, Baden, Hessen, Elsaß Lothringen, die meist in Blüthe stehen. Ferner haben viele Arbeitgeber besondere Konsumanstalten errichtet. Andere haben durch besondere Abmachungen mit Geschäftstreibenden den preiswürdigen Bezug von Lebensmitteln und anderen Gebrauchs gegenständen für ihre Arbeiter zu erreichen gefucht. Besondere Er— waͤhnung verdient die großartige, ohne Mitwirkung der Arbeiter er— richtete und verwaltete Konsumanstalt der Firma Krupp. Ferner haben viele Fabriken Kantinen und Speisewirthschaften errichtet. die namentlich von unverheiratheten Arbeitern benutzt werden. Die Frage, ob der Errichtung der bezeichneten Wohlfahrtéeinrichtangen aus 5. 115, 2 der Gewerbeordnung Schwierigkeiten etwachsen, wird von der Mehrzahl der Aussichtsbeamten verneint; gleichwohl wird bier und da dem 5§. 115, 2 eine Einwirkung zuerkannt. Viele Arbeitgeber wenden sich gegen diesen Paragraphen, da viele derjenigen Betriebe, welche den Arbeitern die Lebensmittel gegen Baarzahlung liefern, durch gerichtliche Erkenntnisse hierzu veranlaßt wurden; nach einem Bericht aus Kassel- Wiesbaden wirkt die Befürchtung, gegen die Bestimmung der Gewerbeordnung zu verstoßen, hinderlich auf die Beschaffung billiger Lebensmittel für die Acbeiter, und es wird eine etwaige Zweifel ausschließende Fassung des Paragraphen befür—⸗ wortet. Auch in Köln Koblenz, Düsseldorf, Oberbayern, Mittel * Oberfranken fühlt man sich durch den 5. 115, 2 vielfach be⸗ indert.

Wohlfahrts-⸗Einrichtungen in Schlesien.

Die Schweidnitzer ‚Tägliche Rundschau“ berich'et: In Grott⸗ kau wird beabsichtigt, hülfsbedürftigen Schülern während der kalten Jahreszeit warmes Frühstück zu verabreichen. In Leobschütz wird mit dem 1. Dezember d. J. eine Volksküche eröffnet werden. In Brieg wird für arme Schüler der dortigen Volksschulen eine Suppenanstalt eingerichtet In Polkwitz ist die Verabreichung warmen Mittagessens an die von Auswärts die dortigen Schulen be⸗ suchenden Schulkinder geplant. In Münsterberg wird auch in diefem Winter die dortige Suppenanstalt wieder eröffnet werden. Der Vaterländische Frauen Zweigverein in Friedland O. S. hat beschlossen, vom 1. Dezember ab zu Mittag wiederum warme Suppen an arme Schulkinder und arme altersschwache Personen zu ver⸗ abreichen.

Wohlthätigkeit.

Das Victoriastift zu Kreuznach hat auch in diesem Sommer in der segengreichsten Weise gewirkt. Es wurden ca. 600 kranke Kinder aufgenommen. Der neue Speisesaal hat sich vor züglich bewährt und wird bei ungünstiger Witterung auch zum Spiel saal benutzt. . .

Das Biakonissenhaus zu Sobernheim mit seiner Filiale Kreuznach fährt fort, Lehrfchwestern zu ihrem Berufe auszubilden und feine segensreiche Thätigkeit an Kranken und Blödsinnigen auszuũben.

Sparkassenwesen. . ;

Die Nachweisungen Über den Geschäftsbetcieb der Sparkassen im Regierungsbezirk Arnsberg im Jabre 1890 91 baben, ergeben, daß die Zabl der Sparbücher von 240 g02 am Schluß des Vorjabres auf 251 D5§ und dse Höbe der Einlagen auf 298 804 2005 * oder um 16 286 197,24 M gestiegen ist. Die von den handarbeitenden Klafsen genommenen Spar -ücher baben, sich von 106 316 auf 112487 und die Einlagen dieser Personen von 76 147 960,98. ½ auf 83 088 840, 60 .

vermehrt. w

Zur Arbeiterbewegung. Der erste Parteitag der Sozialdemokratie des Saarreviers, der am 165. d. M. in Dudweiler statt⸗ sinden sollte und zu welchem aus 62 Ortschaften etwa 360 Vertreter erschienen waren, wurde, wie der Vorwärts“

mittheilt, noch ehe er begonnen hatte, aufgelöst. Der Zutritt