gebe jzu, daß jede Zabl, die man bezüglich der Antragsteller vorschreibt, immerhin einen gewissen Werth hat, die höhere Zahl natürlich einen höheren Werth, als die niedrigere Zabl. Und die höhere Zahl glaube ich um deshalb empfehlen zu sollen, weil es ja bekannt ⸗ lich, namentlich in großen Städten, Krankenkassen mit einer außer ordentlich großen Zahl von Mitgliedern giebt, und wenn man die Zahl niedrig greift, die Folge sein kann, daß nun die Behörden unausgesetzt in Bewegung gesetzt werden, um deßwillen, weil ein Paar Mitglieder nicht mit den Dispositionen des Krankenkassenvorstandes zufrieden sind, indem sie vielleicht einen bestimmten Arzt unter die Zahl derjenigen aufgenommen zu sehen wünschen, welche von dem Krankenkassenvorstand
Deutscher Reichstag. 127. Sitzung vom Donnerstag, 26. November, 1, Uhr.
Am Tische des Bundesraths der Staatssekretär Dr. von
Boetticher.
Die zweite Berathung des Krankenkassengesetzes wird fortgesetzt, und zwar beim 8. 53, nach Ark geber berechtigt sind, die für die Arbeiter gezahlten Eintritts⸗ gelder und Beiträge vom Lohne abzuziehen. ö .
Abg. von der Schulenburg beantragt, den 5. 53 dahin zu fassen, daß die Arbeiter verpflichtet sind, sich die Eintritts⸗ gelder und Beiträge bei der Lohnzahlung abziehen zu lassen. Streitigkeiten in dieser Angelegenheit sollen von dem Gewerbe⸗ gerichte entschieden werden. .
Der Antragsteller bemerkt zur Begründung: Theil seines Antrages habe er gestellt. weil die bisherige Fassung Zweifel darüber lasse, ob die Arbeiter sich den Abzug gefallen lassen Der zweite Theil aber fülle eine in der Vorlage enthaltene Lücke aus, indem er Bestimmung treffe über das im Falle eines Streites einzuschlagende Verfahren; die] Verbindung dieses Punktes der Vorlage mit den kürzlich geschaffenen Gewerbeschiedsgerichten sei nach der ganzen Natur der letzteren wohl empfehlenswerth, und er bitte, auf diese bequeme Weise die Lücke zu beseitigen.
Staatssekretär Dr. von Boetticher:
Ich kann, was die materielle Bedeutung des Antrags des Herrn Abg. von der Schulenburg⸗Beetzendorf anlangt, keinen Unterschied zwischen seinem Antrag und der betreffenden Fassung der Vorlage In der Vorlage ist gesagt, rechtigt sind, Arbeiter geleisteten Zahlungen. auch die Verpflichtung für die Arbeiter ausgesprochen, sich diese Ab⸗ Es kann also nach meiner Ueberzeugung nach dem Wortlaut der Vorlage kein Zweifel über die Verpflichtung der Arbeiter obwalten, die von dem Arbeitgeber eingezahlten Beiträge beim Empfang des Lohns zu erstatten. über ist und der Antrag des Herrn von der Schulenburg materiell ganz dasselbe sagt wie die Vorlage, so habe ich Nichts dagegen, daß, wenn das Haus der Faffung des Herrn von der Schulenburg den Vorzug giebt, diese Fassung in das Gesetz aufgenommen wird.
Was den zweiten Antrag anlangt, die Einfügung eines Absatzes 3, welcher das Verfahren in Streitfällen regeln soll, so bin ich mit Der 5§. 1202 der Gewerbeordnung existirt nicht mehr, und es ist ganz zweckmäßig, an dieser Stelle an diejenigen Bestimmungen anzuknüpfen, welche schon in dem Gesetz über die Gewerbegerichte vorgesehen sind.
Abg. Spahn: Er bitte, den Antrag Schulenburg für jetzt ab⸗ Sein erster Theil sei überflüssig und sein zweiter Theil würde die üble Folge haben, daß danach das erst in dieser Session geschaffene Gesetz über die Gewerbegerichte schon wieder geändert werden müßte; er würde den Mangel an Bestimmungen über das Streitverfahren insofern nicht beseitigen, Landheeres und der Marine diesen Gerichten nicht unterworfen seien, sie also auch keine Regelung dieser Frage werde Gesetzgebung überlassen.
Der Antrag von der Schulenburg wird darauf abgelehnt, der Kommissionsvorschlag angenommen. ;
S. 55a, der von der Kommission eingefügt ist, kann die höhere Verwaltungsbehörde auf Antrag von dreißig be— theiligten Versicherten anordnen, daß auch weitere als die von der Kasse bestimmten Aerzte und Apotheken in Anspruch ge— nommen werden können, wenn durch die von der Kasse ge— troffenen Anordnungen eine dem Bedürfniß der Versicherten entsprechende Gewährung der Kassenleistungen nicht gesichert ist.
Abg. Dr. von Dziembows ki beantragt, daß die Verwaltungs⸗ bebörde schon auf Antrag von zwanzig Betheiligten diese Bestim⸗ mung zu treffen habe; im Falle einer Ablehnung sollten die Gründe Der Antragsteller führt aus, daß ein solches Kor rektiv gegenüber dem Aerztezwange nothwendig sei. Die Zahl von dreißig Betheiligten sei etwas hoch gegriffen und die ganze Be— fugniß allzusehr in das Belieben der Bebörde gestellt. der Ablehnung eines solchen Antrags die Gründe angegeben werden Sonst werde die Ablehnung große
dem die Arbeit⸗
Krankenkassen⸗
Dziembowẽki des Herrn Hitze nicht etwa die Berücksichtigung einer solchen An— regung aus der Mitte der Krankenkassenmitglieder in das subjektive, gewissenhafte und sachgemäße Ermessen der Behörde, die darüber ent⸗ scheiden soll. Diese beiden Anträge verlangen, daß ein solcher Antrag nur abgelehnt werden kann aus ganz bestimmten Gründen. meine Herren, hat aber seine Bedenken. daß eine gewisse Direktive gegeben und ein Zwang durch das Gesetz dem Vorliegen dem Antrage stattgegeben werden muß, dann würde ich es für über flüssig halten, daß die höhere Behörde noch damit befaßt wird; ich würde es dann für ausreichend halten, einfach die Vorschrift dahin zu geben, daß der Krankenkassenvorstand einem solchen Antrage, wenn er von 30 Mitgliedern gestellt wird, stattzugeben hat, sofern nicht die⸗ jenigen Gründe vorliegen,
Wenn die Herren wollen,
statuirt wird, indem bei Verhãältnisse
Arbeitgeber be⸗ zu machen wegen der von Damit ist selbstverständlich
s d
das Gesetz für züge gefallen zu lassen.
nur bier bliebe der höheren Behörde die Prüfung anheimgegeben, ob die Ablehnung zu Recht oder zu Unrecht geschehen ist.
Was die vorgesehenen Gründe der Ablehnung anlangt, so will der Herr Abg. von Dziembowski die Behörde ausdrücklich ver—⸗ pflichten, diese Gründe den Petenten anzugeben. Ja, wenn Herr von Dziembowski sich damit einverstanden erklärt, daß 5. 55 a im übrigen und abgesehen von seinen beiden Amendements in der von der Kommission vorgeschlagenen Fassung verbleibt, dann ist es für die vorgesetzte Be—⸗ hörde außerordentlich leicht, die Gründe anzugeben, — aber, wie Denn diese Gründe ergeben sich schon aus dem Gesetze selber dahin, daß das Petitum abzuweisen ist, wenn eine dem Bedürfniß der Versicherten entsprechende Gewährung der Und darüber, ob eine solche Ge—⸗ währung der ärztlichen Hülfe gesichert ist, wird immer das subjektipe Ermessen entscheiden können. Die Angabe der Gründe wird sich also auf die Mittheilung zu beschränken haben: daß dem Bedürfniß der ärztlichen Leistungen Genüge geschehen ist.
Anders liegt die Sache freilich bei dem Antrage Hitze. soll vorgesehen werden, daß die Ablehnung der Ausdehnung der ärzt⸗ lichen Hülfe zulässig ist, wenn die Interessen der Vermögenslage der Kasse nicht entgegenstehen. Ja, meine Herren, was sind Vermögens interessen der Kasse? Es giebt, wie ich Ihnen schon neulich auszufüh— ren die Ehre hatte, eine ganze Reihe von Kassen, die aktives Ver mögen überhaupt nicht haben, und bei denen die Vermögensinteressen der Kasse sich dabin charakterisiren lassen werden, daß es die Inter essen der Mitglieder an der Höhe der Beiträge sind. lich kann man beispielsweise theurere Aerzte engagiren, wenn man die Mehrkosten für diese teureren Aerzte aufjubringen bereit ist. kann aber ebenso gut sagen: weil die Heranziehung fernerer Aerzte theurer ist, deshalb sind wir Angesichts der Fassung des Antrags Hitze ⸗ Spahn berechtigt, das Petitum auf Erweiterung des Kreises des ärztlichen Personals abzulehnen, denn die Mitglieder wärden höher belastet werden.
Nun hat aber dieser Antrag noch eine ganz besondere und — ich glaube — in Ihrem Sinne bedenkliche Seite. Nehmen Sie folgenden Fall: es sind bei einer großen Krankenkasse zehn Aerjte engagirt und diese zehn Aerzte erhalten ein bestimmtes Fixum nach Verabredung mit dem Krankenkassenvorstand; es sind an dem Orte, wo die Krankenkasse residirt, eine Reihe jüngerer Aerzte, die sich sehr nach Praxis sehnen und denen es als ein begehrenswerthes Loos erscheint, auch als Aerzte in der Krankenkasse fungiren zu können. Diese jüngeren Aerzte treten mit Mitgliedern der Krankenkasse in Verbindung und machen ihnen klar, daß das Honsrar, das die Krankenkasse an ihre engagirken Aerzte bezahlt, viel zu hoch ist, und daß sie selbst, die nicht zur ärztlichen Fürsorge für die Krankenkassen⸗ der Hälfte des Satzes
Aber weil kein Zweifel dar⸗
diesem Antrag einverstanden.
mir scheint, auch überflüssig.
ärztlichen Leistungen gesichert ist.
d, , , .
als die Angehörigen des wir sind der Meinung,
getroffen würden.
Bestimmungen z besser einem späteren Stadium der
Selbstverstãnd⸗
angegeben werden.
müßten, sei selbstwverständlich. Unzufriedenheit hervorrufen.
Abg. Hitze hält ebenfalls ein solches Korrektiv, wie §. 55 a. es bietet, für nothwendig; es sei vielleicht auch angemessen, die Zahl der Personen, die einen solchen Antrag stellen müßten, auf zwanzig zu damit das Korrektiv wirksam werde, daß die letzte Bestimmung: „wenn durch die von der Kasse getroffenen Anordnungen eine dem Bedürfnisse der Versicherten ent Kaffenleistungen gestrichen werde; die Behörde solle den Anträgen nachgeben, sofern nicht die Vermoͤgensinteressen der Kasse entgegenstehen“.
Staatssekretär Dr. von Boetticher:
Ich werde mich über die Frage der freien Aerztewahl nicht weiter äußern. Ich halte die freie Aerztewahl für ein schönes Ideal, was aber praktisch nicht durchzuführen ist, und ich möchte die Anhänger der freien Aerztewahl, die jetzt darauf hinstreben, daß sie in die Gesetz⸗ gebung eingeführt werde, auf den Trost verweisen, der darin liegt, daß das Bessere der Feind des Guten ist, daß durch unsere Kranken kassengesetzgebung doch in Bezug auf die ärztliche Fürsorge für die arbeitende Bevölkerung sehr viel geschehen ist und daß der Zustand in Bezug auf die Zuziehung der Aerzte zur Behandlung von Krank— beiten ein wesentlich besserer geworden ist als der Zustand, der vor dem Krankenversicherungsgesetz bestanden hat.
Ich will mich nur mit einigen Worten über die beiden Antrãge der Herren von Dziembowski und Hitze ⸗Spahn äußern, und da will ich gleich sagen, daß ich mich für beide Anträge nicht sebr erwärmen kann. Ich glaube auch nicht, daß die Herren Aatragsteller damit etwas wesentlich Besseres schaffen, als es durch den Kommissions⸗ Meine Herren, der Kommissionsbeschluß beruht ganz einfach auf der Erwägung, daß es sehr gut und nützlich und namentlich für die Mitglieder der Krankenkassen angenehm sein kann, wenn über den Kreis derjenigen Aerzte hinaus, die von der Kranken kasse engagirt worden sind, noch weitere Aerzte im Falle eines vor⸗ handenen Bedürfnisses zur Behandlung der Krankenkassenmitglieder zugezogen werden.
Mir gefällt an dem Kommissionsvorschlage auch nicht recht die Votschrift, daß auf Antrag von 30 Mitgliedern die Behörden in Bewegung gesetzt werden sollen, um die Frage zu prüfen, ob durch die Distposition der Krankenkassen ausreichend für Mitglieder gesorgt ist. Denn, meine Herren, wir wissen ja Alle, wie leicht es beut zu Tage ist, Unterschriften zu erhalten. Antrag, den man beabsichtigt, mache ich mich anheischig, eine Anzahl von Unterschriften zu erhalten, wenn er nur irgend einen Sinn bat und nicht von vornherein thöricht ist. Anträge, für die Unterschriften zu haben sind. (Heiterkeit) Aber ich
me .
vermindern. Nothwendig sei aber,
Gewãhrung nicht gesichert
herangezogenen Aerzte, zufrieden sein Daß ein solches procedere möglich ist und auch die Wahr— scheinlichkeit des Erfolges, namentlich bei großen und zahlreich bevölkerten Krankenkassen, für sich hat, darüber kann unmöglich ein Zweifel sein, — und dann haben Sie ein Unterbietungeverfahren, welches im Interesse des ärztlichen Standes äußerst bedenklich
Also, meine Herren, lassen Sie es beim Kommissionsvorschlage, die Anträge führen Sie nicht weiter, und lassen Sie wenigstens das subjektive Ermessen der höheren Behörde frei darüber entscheiden, ob Anlaß vorliegt, einem solchen von 20 oder 30 Mitgliedern gestellten Antrag stattzugeben, dann haben Sie wenigstens eine verantwortliche Instarz, die angefaßt werden kann, wenn sie etwas verfügt, was nicht den Interessen der Kasse entspricht.
Mit Ihren Anträgen schaffen i keine Besserung nach meiner Ueberzeugung, im Gegentheil, Sie bringen sowohl die Kassen wie die Aerzte in eine bedenkliche Lage.
Abg. Eberty: Er sei diesmal in der Punkten mit dem Staatssekretair überein ö ger fg mm daß die
ein schönes Ideal sei, da Man könne sich aber, wie in ! diesem Ideal möglichst nahezu für die freie Arztwahl, nicht von den von den Aerzten ins Werk gesetzt worden 61 Ort, krankenkassen beschlossen, daß vom ibre Mitglieder in den Fällen, wo die Beh Krankenhause, sondern zu schnitten der Stadt die Wahl unt freistehe, und dies nur bei eine Kopf und das Jahr. Aber Mitglied die Befugniß haben, er nicht für berechtigt halten. Aerztehonorars zwischen den Vereinigungen andererseitz würde zu
beschluß gegeben ist.
angenehmen Lage, in allen zustimmen. Auch der Abg. Durchführung der durchaus 8 nie erreicht werden würde. vielen menschlichen Dingen, Als in e. ö. ondern ausschließlich habe die K 1. Januar 1897 ab für andlung der Kranken nicht erfolge, in bestimmten Ab= er mindestens drei bis sechs Aerzten r Mehrumlage von 406 J für den durch Geseßz augjusprechen, es solle jedes e zu wählen, das könne Das Kämpfen um die Höhe des einerseits und den ärztlichen den allerschlimmsten Preis-
Dr. Virchow freien Arztwa
das Interesse der
sich felbst einen Arzt
Ja, es giebt sogar thörichte
koalitionen Veranlassung geben, ja fur die allerärgerlichsten und häß⸗ lichsten Dinge den Ausgangspunkt bilden können, was seine Partei vermeiden möchte. Wie die sogenaunte freie Aerjtewahl finanziell auf die Kassen wirke, darüber einige Zahlen Die große biesige Kaffe der Buchdrucker habe beschlossen, die Aerzte frei wählen za lassen; in Folge deffen sei sie im vorigen Jahre aus dem Gewerkekrankenverein in Berlin ausgetreten. Als sie dem Gewerkekrankenverein 1890 an gehört, habe sie in einem Viertelsahr für Heilmittel 1614 6 aus- gegeben, in dem entsprechenden Quartal des Jahres 1891 4225 , an Krankengeld 1890: 198 386 4A, für das Vierteljahr 1891: 25 110 416, an Aerztehonorar 1890: 1258 , 1891: 4818 6 Die Herren bedienten sich der Zahl von 21 Aerzten und 10 Spezia sisten, darunter sei auch Herr Dr. Kanitz, der in seinen (des Redners) Augen kein Arzt sei, und ein Homöopath. Aehnlich lägen die Verhältnisse bei den Schuhmachern und Schnei⸗ dern. Was heiße denn Arzt des Vertrauens? Das könne auch ein nichtapprobirter Arzt sein, ein Homöopath u. s. w. Solche Aerzte könnten der großen Mehrheit der Kasse aufgedrungen werden, wenn nur eine geschickte Agitation in Szene gesetzt werde. Es sei ja mög⸗ lich, daß man sich die Sache bis zur dritten Lesung überlege und statt einer festgesetzten Zahl eine Verhaͤltnißabl, oder 4 oder 13 der Kaffenmitglieder einführe, damit die Rechte auch der Minderheit ge⸗ wahrt blieben. Die Kommission habe hier die Bestimmungen so getroffen, wie sie innerhalb der Grenzen des Möglichen, Zweck mäßigen, des Ausführbaren und Wünschenswerthen lägen, er bitte also, es in allen Punkten bei den Kommissionsvorschlägen zu belassen.
Abg. Möller: Der vorliegende Paragraph sei aus einer An⸗ regung des Abg. Stoetzel hervorgegangen, der bemerkt habe, daß bei gewissen Knarpschaftskassen in unangemessener Weise für die Aerzte— wahl gesorgt sei. Jedenfalls wenn ihm (dem Redner) auch Svenial⸗ fälle nicht mitgetheilt seien, könnten solche ungünstigen Verhältnisse eintreten. Er sei auch ein Freund der freien Aerztewahl, die er nicht für unerreichbar balte. In Krefeld und, wie er höre, auch in anderen Städten sei die freie Arztwahl durchgeführt; damit müsse freilich eine Ehcenrathekontrole der Aerzte verbunden sein, damit nicht etwa im Interesse einzelner Apotheken eine Vertheuerung der Behandlung eintrete. Grundsätzlich sei er gegen den Paragraphen überhaupt, weil er nur in wenigen Fällen ein Bedürfniß erfülle, in vielen Fällen aber mißbräuchlich angewandt werden könne. Diese Mißbräuche würden aber Lurch die Annahme der gestellten Anträge noch vermehrt werden. Allenfalls könnte er dem Eventualantrag Hitze beitreten, aber besonderen Werth brauche man auch auf ihn nicht zu legen. Der Antrag Dꝛiembowski sei ihm absolut unannehmbar; wollte man den in ihm liegenden Gedanken durchfübren, dann wäre es in der That besser, einen Pro4 zentbetrag der Kassenmitalieder zu bestimmen. Unter diesen Um⸗ ,., könne er sich nur für die Annahme des unveränderten §. 55 a erklãren.
Abg. Dr. Langerhans: Große grundsätzliche Aenderungen des Gesetzes werde man, nachdem man mit seiner Berathung soweit ge⸗ kommen, nicht mehr vornehmen können. Also möge man sich begaügen mit dem Paragraphen und versuchen, die freie Aerztewahl durch anderweite Einrichtungen zu ersetzen. Allerdings sei dieser 5. 55 a ein höchst merkwürdiger. Er lege der Behörde einen Nimbus bei, den sie bei so kleinen Dingen nicht brauche. Warum müsse sie einschreiten, wenn die Kassenverwaltung ohne Widerspruch und Streit einen anderen Arzt zu nehmen beschließe? Aber es sei auch willkürlich, wenn dreißig oder zwanzig von 3000 Mitgliedern einer Kafse den übrigen 2970 eine Aenderung in der Wahl des Arztes aufgeben dürften; andere dreißig verlangten wieder einen anderen und die wahre Mehrheit komme darüber doch nicht zum Ausdruck ihres Willens. Dadurch, daß man von Anfang an von der freien Aerzte⸗ wahl abgegangen sei, habe man eine Unzahl gesetzlicher Bestimmungen widerwillig und im Bewußsein ihrer Undurchführbarkeit schaffen müssen. Freilich so, wie sie der Abg. Eberty u. A. auffaßten, könne man die freie Aerztewahl nicht einführen wollen, man könne nicht sagen:; „die Krankenkassen gestatten sie ß“. Nein, wenn
an sie gestatte, könnten die Kaffen überhaupt nur Kranken geld geben und jeder Einzelne möge sich danach ein⸗ richten. Aber das sei nun einmal eine abgemachte, todte Sache, auf die man jetzt nicht mehr zurückkommen dürfe, da das ganze Gefetz auf einem anderen Grunde aufgebaut sei. Nur eins noch: Man spreche immer über Aerzte, die sich so eifrig bewürben; jeder junge Arzt freue sich, wenn er eine solche Stelle bekommen könne. Aber wenn die Zwangsversicherung jetzt immer mehr ausgedehnt werde, dann werde sie bald die halbe Bevölkerung Deutschlands umfassen. Früher, als es kleine Kassen gegeben habe — er sei noch ein janger Arzt gewesen — scei er in solchen gewesen, nebenbei habe er noch Anderes zu thun gehabt, und das sei ganz gut ge— gangen. Jetzt werde es vielfach die Hauptbeschäftigung sein. Die Kassenärzte würden die meiste Beschäftigung haben für einen so unzureschenden Lohn, daß es nicht zu verantworten sei: bis 1 für den Besuch; für 1 könne ein Arzt nicht einen Besuch machen, davon könne er nicht leben; auch nach der Taxe von 1815, vie darüber hinausgehe, könne er nicht leben und dem Anspruch genügen, daß er ein wissenschaftlich und gesellschaftlich gebildeter Mann fein solle. Damit werde der ärztliche Stand in unerhörter Weife herab= gedrückt. Dabei seien die Anforderungen an einen bejahlten Art viel größer als an den Arzt seines Vertrauens, den man sich selbft suche. Bei der nächsten Novelle zum Gesetz werde man beffer thun, die freie Arztwahl einzuführen, wie sie die freien Hülfg— kassen früher gebabt. und zum Theil heute noch baͤtten. Abg. Wurm: Die Frage, ob ein Arzt gut behandelt babe oder nicht, könne nicht nach materiellen Bestimmungen entschieden werden, sondern nur nach dem subjektiven Empfinden des Einzelnen; es komme auf das Vertrauen der Kranken an, und darum könne ein „kluger Mann“ oder eine weise Frau‘ wirklich Erfolge haben, die ein Arzt nicht erreiche. Professor Forel habe selbst öffentlich gesagt, aller Patienten würden von selbst gesund, 3 der übrigen verfielen dem Tode oder blieben unheilbar, und bei den wirklich Geheilten müsse man sich immer fragen, habe man nicht mehr geschadet als genützt, und was sei es denn gewesen, das wirklich genützt habe? Professor Nothnagel habe sich auf der Naturforscherverfammlung in Halle in demselben Sinne ausgesprochen. Damit sei das Todes⸗ urtheil über die Zwangsärzte gesprochen; denn zu dem Arte, der ihm (dem Redner) aufgeiwungen werde, habe er kein Vertrauen, und auf das Pertrauen komme es heutzutage sehr viel an, wo die Kunst des Arztes wesentlich in der Ertheilung von Verhaltungsmaß⸗ regeln bestehe. Hier aber bemühe man sich, ein neues Proletariat zu schaffen, nämlich die proletarisirten Aerjte. Der Zwangsarzt werde in einer ganz unwürdigen Weise bezablt. Gerade in Berlin habe man Kassenärzten früher 1200 „, jetzt 1500 S bezahlt. Als es sich herausstellt habe, daß für einen gewissen Bezirk zwei Aerzte nöthig seien, seien sie endlich angestellt worden und jeder habe nun 1566 M erhalten, während der früher angestellte keine entsprechende Zulage be⸗ kommen habe. Der Kassenarjt bekomme für den Besuch nicht einmal 1916, sondern viel weniger. Würde der Arzt das Rezept nicht selbst jum Kranken tragen, sondern durch einen Dienstmann hin⸗ schicken, so würden die Kosten verdreifacht werden. Ein Dienstmann sei in der That besser gestellt als ein Arzt. Eine sehr wichtige Frage sei auch die des Apothekenzwgnges, über die inan sich bei der Berathung des Antrages auf Verstaatlichung der Apotheken noch genauer auszusprechen haben werde. Man spreche von den Apothekern als Neunundneunzigern, aber sie verdienten weit mehr al 20 MC. Sine halbjährliche Apothelerrechnung einer hannoverschen Krankenkasse babe er von einem Apotheker nachrechnen lassen; danach habe der Verkaufspreis der Heilmittel 269, 8. 6, der Kaufpreis nur 50. „S betragen, es seien also 437 /o verdient worden; die Her⸗ stellungskosten in der Apotheke berechneten sich zu 159 A, nach dem Werth der Arbeitekraft des Provisors betrügen sie nur 50 A, die Tekturen, Gläser, Papler, Korken u. s. w. kosteten 81 M, der Apotheker habe aber nur 21 M Auslagen darauf gehabt, also wieder 288 og Verdienst. Dabei sei nach der Angabe hervorragender Aerzte der Werth der Heilmittel für die Heilung ein minimaler — da sei der Apothekenzwang doppelt ungerecht. Dem Kranken müsse die Wahl des Arztes und der Apotheke freigestellt sein. Den Grund
den vom Gesetz ausgesprochenen Zwang enthülle der Antrag 1 in drastischer Weise. Die Beröskerung sei zu arm, um die Rosten für einen Arzt aufzubringen, die Massen seien proletarisirt, die Aerzte würden eg ebenfalls. Die Verstaatlichung der Aerjte sei das einzige Mittel zur Abhülfe, sonst könne man allerdings die freie Arzt wabl nicht durchführen, denn sonst würden sich nur die billigeren Kräfte zur Verfügung, stellen, nicht aber die Professoren. Gin Konkurrenzkampf sei bei den heutigen sozialen Zuständen zwischen
den Aerzten unvermeidlich. Der Arbeiter habe felbst ein Interesse daran, daß der Arzt gut bezablt werde, denn nur ein gut bezablter Arzt könne dem Kranken die nöthige Fürsorge widmen. Aber die Rejepte des Arztes allein hülfen dem Arbeiter noch nicht, dazu gehöte das Rezept, das einmal der Kaiser Joseph von Oesterreich gegeben habe: so und so viele Gulden und Beefsteaks; nur eine Besserung ber Lebengverbältnisse känne helfen. Die Wärde des ärztlichen Standes, von der so viel gesprochen werde, könne nur der verstaatlichte Arzt wahren. Wenn man frage, wie denn bei der Verstaatlichung der Aerzte bestimmt werden solle, an welchen Arzt sich ein Kranker zu wenden habe, so beiße das künstlich Schwierigkeiten hineintragen. Eine ähnliche Institutlon besttze man ja schon in den Militärärzten. Der Einzelne wähle einfach seinen Arzt selbst, da werde kein Konkurrenzkampf eintreten. Man habe ja auch schon die Ver⸗ staatlichung der Aerzte der Seele; wenn auch der eine Beichtvater einem lieber sei als der andere, so finde doch kein großer Zusammen⸗ fluß von ihnen an bestimmten Stellen statt, es regele sich Alles von selbst, und so werde es auch bei den verstaatlichten Aerzten sein. Jedenfalls würde dann dem Unfug ein Ende gemacht werden, daß die Leistungen der Aerzte so schlecht bezahlt würden, daß sie ihre Pflichten nicht gewissenhaft erfüllen könnten, denn darunter leide nicht nur der Arzt, sondern auch der kranke Arbeiter. Der Antrag Hitze verbessere wenigstens die Kommissionsfassung. Die Kosten einer voll ständig freien Aerztewahl könnten allerdings von den Kassen nicht getragen werden, es sei aber nicht Geld genug da, um dem Arbeiter die nöthige Fürsorge zu gewähren. Die Unzufriedenheit werde durch solche Zwangsmaßregeln im großen Maße geschürt. .
Abg. Dr Hirsch: Die Sozialdemokraten nützten ihrer Sache nicht durch Verquickung dieser Frage mit dem utopischen Zukunftt⸗ bild der Verstaatlichung der Aerzte. Man habe es lediglich mit der Gestaltung der Dinge auf Grund der heutigen Staats. und Gesellschaftsordnung zu thun. Das Streben nach freier Aerzte⸗ wahl gehe nicht allein von den Aerzten aus, die ihre materielle Lage verbessern wollten, sondern von den Versicherten selbst, die, so lange er denken könne, über die Bebandlung Seitens der Zwangs—⸗ kassenärzte klagten. Uebrigens sei das Streben der Aerzte, die nicht die nötbige Protektion hätten, um Kassenärzte werden zu können, nach Beschäftigung durchaus berechtigt. Die Kaffenärzte hätten in ihren Sprechstunden funfzig, sechsig und mehr Personen zu untersuchen und müßten, um ihre Familie zu erhalten, noch nebenbei eine Praris haben. Da sei eine maschinenmäßize Behandlung des Kranken natürlich. Da sei es erklärlich, wenn die Kranken sich an den ersten besten Quacksalber wendeten, wenn sie von dem wissenschaftlich k Mann nicht die nöthige Hülfe erhielten, und daß sie das
ertrauen zur Wissenschaft selbst verlören. Manche Kassenärite ver= ständen sich nicht dazu, den Kranken im Hause zu besuchen. Es sei wenigstens schon anerkannt, daß eine Besserung in dieser Hinsicht notbwendig sei. Wenn die freie Aerztemahl in Krefeld. Magdeburg und Leipzig schon möglich sei, könne sie auch für das ganze Deutsche Reich eingeführt werden. Seine Partei wende sich mit ihren Anträgen immer an den Staat, aber zuerst müßten die Kassen selbst auf eine freie Aerztewahl hinwirken. Ihre Mitglieder hätten ja selbst bei den Vorstandswahlen das letzte Wort zu sprechen. Die jetzige Regelung sei nur ein Anfang zur Besserung; nur wenn die Kassen sich selbst ablehnend verhielten, müßte der S. 55a eintreten. Alle Wünsche ließen sich natürlich nicht befriedigen, es bleibe Alles noch Stückwerk. Er vermisse aber in dem 5. 55a — und er behalte sich einen entsprechenden Antrag für die dritte Lesung vor —, daß man hierbei von der Vorrichtung der Generalveisammlung der Kassen ganz abgesehen habe. Erst wenn auf diesem naturgemäßen Weze nichts zu erreichen sei, müsse die Be⸗ hörde eintreten. Mit dieser Aenderung könnte seine Partei für §. 55a stimmen. Von den Anträgen Dziemboweki und Hitze habe ein jeder auch seine Mängel, und er könne sich heute noch nicht entschließen, für welchen der beiden er schließlich stimmen solle. Mehr und mehr müsse man eine Annäherung an die freie Aerztewahl erreichen.
Abg. Hitze will die Regelung den Kassen allein nicht über lassen, denn die Minderheit müsse auch gegenüber der Mehrbeit der Arbeiter geschützt werden Redner vertheidigt das Zwangẽkaffen⸗ system gegen die erhobenen Angriffe; es müsse mit der Thatfache gerechnet werden, daß die Verhältnisse der Arbeiter eben befchränkt seien. Der Vergleich der Verstaatlichung der Aerzte mit derjenigen der Aerzte der Seele treffe nicht zu, denn Geistliche seien keine Staatsheamten. Dem Staatssekretãr erwidere er, daß er (Redner) es für kein Unglück ansehe, wenn jüngere Aerzte genommen wärden. Es stehe Jedem frei, sich einen billigeren Arzt zu nehmen.
Abg von der Schulenburg: Er sei für die Streichung des ganzen Paragraphen, weil er überflüssig und unklar sei. Biefer Paragraph enthalte einen Schrei nach der Polizei, aber die Kranken kassen seien ein Stück Selbstverwaltung der großartigsten Art und könnten dabei erreichen, was der Paragraph wolle. Ünklar fei der Paragraph, weil ein Bedürfniß von Versicherten schwer festzustellen sei: gerade bei der Wahl des Arztes sprächen Antixathieen und Sympathieen mit. Was heiße ferner weitere Aerzte? Es solle heißen mehr Aerzte“, es könnten aber auch Naturärzte darunter ver⸗ standen werden. Er bitte also, den Paragraph abzulehnen.
Abg. Ebert vy: Die Zwangskassenärzte in Berlin bätten keines wegs eine geringere Qualifikation, als andere Aerzte sie hätten. Das Beste sei hier gerade gut genug für die Arbeiter. Wenn man nur Vertrauensärzte haben wollte, so würde man schließlich dahin kommen, nur durch Suggestion zu heilen. In dieser Frage spiele ein gut Theil Uebertreibung und vielleicht Mißvergnügen solcher Herren mit, die bemüglich eines Wunsches nach einer Krankenarztstelle nicht glücklich gewesen seien. Ganz unbegründet fei die Behauptung, daß die Zwangskassenärste Hunger litten. Ein junger Berliner Kassenarzt fange mit 500 Thalern an und habe nur einige Stunden des Tages zu thun. Durchschnittlich erhalte jetzt der Krankenkaffen⸗ arzt 1959 66. Die Zahl der Gewerksärzte fei seit 1885 mehr als verdoppelt worden, und die Aerzte würden im nächsten Jahre genau das Doppelte von dem erbalten, was sie 1885 bekommen hätten. Entkleide man die Sache des Nebels und Dunstes der Agitation, fo stelle sich heraug, daß keineswegs Hungerlöhne gezahlt würden. Ehe mgn die freie Aerztewahl gesetzlich einführe, wolle seine Partei doch erst den Berliner Versuch abwarten.
Abg. Singer: Der Abg. Eberty stehe der Berliner Verwaltung zu nabe, als daß man es ihm übelnehmen könnte. wenn er sie bei jeder Gelegenheit in ein günstiges Licht stelle. Aber er habe des Guten ju viel gethan, und es fei unvorsichtig von ihm gewefen, dag Loblied dieser Einrichtungen in Gegenwart von Leuten zu singen, welche die Dinge auch kennten. Daß die Kassenärjte in Berlin nach neun Jahren mehr Gehalt bekämen, werde hier keinen Eindruck machen. In Folge der Vertheuerung der Lebensbedürfnisse hätten Staat und Gemeinden eben die Lage ihrer Beamten verbessern müssen. Die Berliner Krankenkassenärzte könnten nur dann eine Nebenpraxis ausũben, wenn . gewissenlos genug seien, um die ihnen von den Kassen auferlegte Pflicht zu vernachläfsigen. Es fei ihm nicht etwa von jungen Aerzten, die keine Stelle hätten erhalten können, sondern von alten Aerzten versichert worden, daß die Stelle eines Yen f ru sena unn die volle Zeit eines Mannes in Anspruch nehme.
5 Nebel und Dunst, von dem der Vorredner gesprochen babe, liege f so gan wo anderg. Bei der Vergebung der Krankenkassenarztstellen 2 sprächen Rücksichten mit, die weit über das hinaus. gingen, was man vernünftiger und anständiger Weise eigentsich srwarten müßte. Sie Sieken seien auch vergeben worden an Leute, die es gar nicht nöthig hätten, einen anderen Erwerb k suchen, und die fich in diese . nur hineinbegäben, um nachher in Kreise ju kommen, in denen sse beffer bezahlt wuͤrden. Also fo engel=
—
rein, wie der Abg. Eberty die Dinge in Berlin geschildert habe, seien sie leider nicht.
Abg. Eberty: Diese Art der Taktik des Abg. Singer überlasse er der Beurtheilung des ganzen Reichstags. Er (Redner) für seine Person werde sich auf eine derartige sachliche Behandlung niemals einlassen. Bei Allem, was er gesagt habe, bleibe er. Jeder Ein⸗ richtung, auch den Berliner Einrichtungen, bafteten Mängel und Fehler an Er für seine Person stehe auch in dieser Frage nur als Vertreter der Interessen der arbeitenden Klassen und keiner andern hier. Der Abg. Singer babe dann dunkle Anden⸗ tungen darüber gemacht, wie es bei den Wahlen der Krankenkassen⸗ ärzte zugehe. Man babe mit allen zu Gebote stebenden Mitteln — er (Redner) selbst habe eine direkte amtliche Einwirkung bierauf nur in beschränktem Maße — gesucht, dahinter zu kommen, ob unlautere Mittel zur Erlangung dieser Stellen angewendet worden seien, und zur Ebre der Aerzte und Kassenmitglieder stelle er fest, daß auch nicht eine einzige dieser dunkeln Behauptungen irgendwo Gestalt gewonnen babe. Trotzdem bitte er den Abg. Singer, ihm (dem Redner) alle die Thatsachen, die ihm objektiv bekannt seien, mitzuatheilen, er werde sie weiter verfolgen.
Bei der Abstimmung wird §. 55a angenommen unter Streichung des Passus: „Wenn durch die von der Kasse getroffenen Anordnungen eine dem Bedürfniß der Versicherten entsprechende Gewährung der Kassenleistungen nicht gesichert ist.“
Zum §. 56 beantragen die Sozialdemokraten, den frühe⸗ ren §. 56 beizubehalten, wonach die Krankengelder nicht ver— pfändet, nicht übertragen, nicht gepfändet und nur auf ge— schuldete Beiträge aufgerechnet werden dürfen. Die Vorlage will die Aufrechnung auch gegen Eintrittsgelder und Geld⸗ strafen gestatten und außerdem die Unterstützungsansprüche in zwei Jahren verjähren lassen.
Abg. Mol kenbuhr empfiehlt den Antrag, weil das Gesetz den Kranken die Unterstützungsgelder in erster Linie sichern müsse.
Der Antrag der Sozialdemokraten wird abgelehnt.
Abg. Rintelen. beantragt die Einschaltung eines S. 57J aa, wonach in Fällen, in denen ein Kassen⸗ mitglied innerhalb der ersten drei Wochen seiner Zugehörigkeit zu einer Kasse an einem Leiden erkrankt, zu dem schon während seiner Zugehörigkeit zu einer anderen Kasse der Grund gelegt war, die gegenwärtig betheiligte Kasse die für Behandlung und Unterstützung dieses Mitgliedes verauslagten Kosten von der Kasse soll einziehen können, der der Betreffende früher angehörte, um Abschiebungen von Mitgliedern, bei denen eine Erkrankung zu erwarten ist, und hierdurch hervor— gerufene Schädigungen der Kassen zu vermeiden.
Dieser Antrag wird abgelehnt.
Gegen 5 Uhr wird die Verhandlung abgebrochen.
Nr. 47 des „Centralblatts der Bauverwaltung“, herausgegeben im Ministerium deröffentlichen Arbeiten, vom 21. November hat folgenden Inhalt: Geschichte des Eisenbahn⸗ Geleises. — Landhaus Charlottenau bei Zehlendorf. — Protestan⸗ tischer Kirchenbau. — Vermischtes: Technische Sekretäre und König liche Bauschreiber in der allgemeinen Bauverwaltung. — Aus dem Reichs hausbalt für 1892/93. — Preisbewerbung für den Entwurf zum Bau eines Thurmes für die altstädtische evangelische Kirche in Tborn. — Preisbewerbung für Entwürfe zu einer Hofscheune. — Preisbewerbung um ein Schlachthaus mit Schlachtviehmarkt in Jassy. — Ueber Langer'sche Brückenträger. — Themsetunnel bei Blacwall. — Selbstthätige Kupplungen und durchgehende Bremsen an Güter⸗ wagen in Nord⸗Amerika.
Statiftik und Volkswirthschaft.
Zur Arbeiterbewegung.
ur Lohnbewegung unter den deutschen Buch— druckern scheibt, wie wir nach dem „Vorwärts“ mittheilen, der Correspondent für Deutschlands Buchdr. u. Schriftg.“
Am vergangenen Montag fanden unter Vorsitz des Herrn Dr. Freund, Magistrats / Asseßsors in Berlin, Besprechungen zwischen den Herren Büxenstein und Häbringer einerseits, Döblin und Bh. Schmitt andererseits, über einen etwaigen Friedensschluß im Buchdruckgewerbe statt. Von den Prinzipalen wurde vorgeschlagen, die Gehülfen follten die Arbeit zu den alten Bedingungen aufnehmen und dann sollte nochmals die Tarifkommission zusammentreten. Dieser Vorschlag fand eine durch⸗ aus unzweideutige Ablehnung. Die Herren Prinzipale konnten sich aber überzeugen, daß die Gehülfen keineswegs unnabbar sind, und so hatte die Besprechung das eine Resaltat, daß man in Prinzipals— kreisen demnächst zu geeigneteren Vorschlägen kommen dürfte.
Aus Liegniß wird der ‚Voss. Ztg. telegraphisch gemeldet, daß die ausständigen Handschuhmacher dort auf Geheiß des Central⸗ vorstandes der Fachverbände die Arbeit wieder aufnahmen. Dreizehn Gehülfen wurden aber nicht wieder eingestellt.
Aus Hanau wird der „Frkf. Ztg.“ geschrieben, daß unter den ausständigen Arbeitern der Kohn'schen Biamantfchleiferei, namentlich den verheiratheten, bereits ein recht fühlbarer Nothftand eintritt. Die Unterstützungen sind niedrig bemessen, und es ist darum an die Genossen die Aufforderung ergangen, im Interesse der Ausständigen Sammlungen zu veranstalten. Trotz alledem blieb die in den Lokal⸗ blättern publizirte Aufforderung zur Wiederaufnahme der Krbeit bis jetzt erfolglos. Die Arbeiter behaupten, der Gefchäftsführer habe einige ihm unliebsame Persönlichkeiten maßregeln wollen und so die Nebrigen zur Arbeitseinstellung veranlaßt. Bie Ausständigen machen die Wiederaufnahme der Arbeit von der Entlaffung des Geschäfts« führers abhängig, doch dürfte wohl der in Antwerpen wohnhafte Ge⸗ schäftinhaber, deffen Eintreffen erwartet wird, jenem Änfinnen kaum entsprechen. (Vgl. Nr. 277 d. Bl.
Ueber den Bergarbeitergutzstand im Norden Frank⸗ reichs liegen folgende Telegramme des Wolff'schen Bureaus vor:
Aus Paris wird berichtet, daß nach einer telegraphischen Mit- theilung Basly's die Grubenarbeiter im Devartemenk Pas de Calais
ch weigern, das von den Bergwerksgesellschaften vorgeschlagene Schiedsgericht anzuerkennen. — Ein Telegramm aus Lourches meldet, daß gestern Vormittag in den Kohlengruben von Douchy Dexartement du Nord) ein allgemeiner Autstand ausgebrochen fei. D Seit Mittwoch treffen in Roubaix und Tourcokng zabireiche Sendungen deutscher und belgischer Kohlen ein. Im Kohlen becken von Pas de Calaig ist in der Racht jum Donnerstag kein hemerkengwerther Zwischenfall eingetreten. Dagegen ist in einigen Kohlengruben des Departement du Nord, wo der Theilausftand fort⸗ dauert, eine lebhafte Erregung bemerkbar. ; . .
Wie der „Frkf. Zig.“ aus Brüss el berichtet wird, ist auf der Kohlengrube „Produits“ in Floͤnu (Becken des Borinage) ein Ausstand eingetreten; 430 Bergleute legten die Arbeit nieder und fordern eine Lohnerhöhung.
In Lyon ist gestern der neunte Kongreß der nationalen Arbeiter- Partei eröffnet worden; es sind 284 Arbeitersyadikate vertreten. Den Vorsitz führt der neue Deputirte von Lille, Lafargue.
die Anbabnung einer Reform irung des dortigen Ausstellungs⸗ wesens bestimmte Gesichtspunkte feftzustellen. Man hofft, auf diesem Wege der Ueberschwemmung der Münchener Ausstellungen
in Pleschen ist, wie die P. Z.“ mittheilt, am 18. d. M. ein thönerner Topf, gefüllt mit alten Münzen, aufgefunden worden. Arbeiter,
früheren Zweithalerstückes und gegen 1000 kleinere Silber
halten, das Gepräge ist deutlich zu erkennen, die kleineren mußten erst gereinigt werden. Die Münzen stammen sämmt—⸗ lich aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Mehrere Geldstücke tragen die Jahreszahl 1564, also des Jahres, in dem Kuifer Maximilian IJ. Ferdinand J. auf dem deutschen Kaiserthrone folgte. Die Münzen sind theils deutsche beziebungsweise österreichische, theils polnische. Die meisten österreichischen tragen die Namen Ferdinand J. und Rudolf II; Münzen mit dem Namen Maximilian, also des Kaisers, der zwischen den beiden genannten regierte, sind nicht vor— banden. Vie polnischen Munzen scheinen etwas älteren Ursprungs zu sein, so trägt ein Goldstück die Zabl 1535.
schreibt, in Abukir, wenige Meilen östlich von Alexandria, inter= essante Alterthumgfunde gemacht. Unter der Leitung des ge— lehrten Daninos Pascha, dem man die Entdeckung verdankt, werden die Ausgrabungen dort fortgesetzt, und Falls die Regierung die nöthigen Geldmittel bewilligt, koͤnnen die Arbeiten an dem bisher von den Archäologen völlig unbeachteten Platze noch vieles Werih— volle ju Tage fördern, besonders aus der griechisch⸗ römischen Periode. Zwischen vier und sechs Fuß unter der Oberfläche fand man drei Statuen in Rosengranst, jebn Fuß boch, mitten unter Tempeltrümmern auf den Gesichtern liegend; von dem Tempel wurde ein Theil der , Säulenreste und mehrere , bloßgelegt. Die Statuen ste
und die Königin Hentmara, seine Schwester und Gattin, sitzend dar; die dritte Figur zeigt Ramses II. stehend; er trägt eine Tunika, Arm⸗ spangen, die Kriegs krone und einen Gürtel mit der Aufschrift; . Geliebt von Seth. Mit der Linken bält er den Szepterstab, der in den Kopf seines Sohnes Menepta (des Pharao im Exodus der Bibel) ausläuft; das Zeichen Menepta's ist in den Stab gravirt. Auf der Thronsessellehne be findet sich ein Bas⸗Relief der Königin Hentmara im Profil; über ibrem Kopf steht die Jaschrift: Tochter des Königs, geliebt von ibrem Vater — Gemahl des Königs — des großen Lieblings des Seth. Auf der Rückseite der Lehne ist das Königliche Banner des Ramses in vertiefter Arbeit zu sehen, sammt allen Titeln des
Kunst und Wissenschaft.
GSesammt⸗Uebersicht der im Prüfung siabr 189091 bei den Königlich preußi⸗ schen mediminischen und xbarmazeutischen Prüfungs⸗ Kommissionen geprüften Doktoren und Kandidaten der Medizin und Kandidaten der Pharmazie.
Bei den Prüfungs⸗Kommissionen zu
22 8
2 2 SS —
2 2 2 6321 2 8 — 2 2 2 S 282 3388 * D 2 — 8 — 2 8 3 388 31 d d 838 SSS 85S * 65 29 * 3 — — — 8
L. Doktoren und Kan- didaten der Medizin: aus dem Vorjahre. . 6881 10631 8 3525 6 745 243 neu eingetreten. ; 149 9853243 78 68 88388 9 3620
— 865
zusammen T T dd R TT TJ TT davon bestanden
6
Prüfungs⸗Kommission 8 821
= 6
2 mit der Cenfur genügend? 43 71714 25281218 9223135 . (gut ⸗! .. Gios 69 21 18 57 35 72 3222 335 432 . *sehr gut!. 6 2 2 8 3341 82
; zusammen TT N TJ VF F TJ nicht bestanden bezw, zurück— J iii. 2
II. Kandidaten der
Pharmazie: 1 aus dem Vorjahte .. 1 3 — — — 1— 12 neu eingetreten. 66 2A 36 3 25101 2331 22265 zusammen 65 22 39 3 23 160 11 73 55 78286
davon bestanden ö mit der Censur genügend . 17 6 5 11 3 3— 318 10 66 . . gut.. . 32 1220 1 17 7 61022 12139 ö. ö sehr gut. 2 3 7 =. 2 — 5 7 8 7 42 zusammen 1 2132 2 27 ii 2zdaIs 28 247
nicht bestanden bezw. zurück⸗ —̃ 14 getreten J 12 117 1 3— 3 6 — 33
— Die Gesellschaft für Rheinisce Geschicktskunde setzt aus der ihrer Verwaltung unterstellten Mevissen⸗ Stiftung für die Lösung folgender Aufgaben die unten angegebenen Preise aus:
1) Nachweis der im Anfang des 16. Jabrbunderts in Köln vor— handenen Straßen und Plätze, sowie aller Befestigungen, öffentlichen Gebäude, Kirchen, Kapellen, Klöster und Wohnhäuser, nebst Entwurf eines möglichst genauen Stadtplans, auf Grundlage der gleichzeitigen Pläne und Ansichten, der Schreinsbücher und der Urkunden. Es wird der Wunsch ausgesprochen, die für das 16. Jahrhundert fest⸗ gestellten Straßen. Gebäude u. s. w. nach Möglichkeit zeitlich zuräck zu verfolgen. — Die Arbeit ist einzusenden bis zum 31 Januar 1897 einschließlich. Preis 4000 A160
2) Entwickelung der kommunalen Verfassung und Verwaltung Kölns von den Anfängen bis zum Jahre 1396. — Die Arkeit ist einzusenden bis zum 31. Januar 1894 einschließlich. Preis 2009 S6
3) Ursprung und Entwickelung der Verwaltungsbezirke (Aemter) in einem oder mehreren größeren Territorien der Rheinprovinz bis zum 17. Jahrhundert, — Die Arbeit ist einzusenden bis zum 31. Januar 1895 einschließlich. Preis 2000 .
Die Bearbeitungen können unter dem Namen der Bewerber oder anonym mit einem Sinnspruch eingereicht werden. In letzterem Fall ist ein mit demselben Sinnspruch beschriebener versiegelter Zettel bei⸗ zulegen, der Namen, Stand und Wohnort des Verfassers enthält. Die Entscheidung über die Verleihung der Preise erfolgt durch den Vorstand der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde; es ist hierbei nach der Vorschrift der Stiftungsurkande neben der Be— herrschung des bearbeiteten Stoffeß der Stil und die künst— lerische Form der Arbeiten wesentlich mit in Betracht zu ziehen. Erscheint keine der über eine Frage eingerei hten Arbeiten preis⸗ würdig, so kann doch ein Honorar bis zur halben Höhe des Preises zugebilligt werden. Die preisgekrönten Arbeiten werden Eigenthum der Gesellschaft, die nicht preisgekcönten können binnen eines Jahres nach. Veröffentlichung der Entscheidung zurückgefordert werden; ge schiebt dies nicht, so werden sie ebenfalls Eigenthum der Gesellschaft. Die Arbeiten sind einzusenden an den Vorsitzenden der Geselischaft ', , . Geschichtskunde, Herrn Landgerichts ⸗ Direktor Ratjen in Köln.
— Wie die Münchener „Allg. Zig.“ bört, bat am Sonnabend bei Herrn Professor von Lenbach eine Verfammlung ron über fünfsig der bedeutenderen Künst ler Müncens stattaefanden, um für
mit mittelmäßigen Bildern, namentlich des Auslandes, vorzubeugen. — In dem Garten des Schwarzviehhändlers Anton Ciazynski
die in dem Garten einen Kartoffelschober anlegten, fanden beim Aus—⸗ werfen der Erde in einer Tiefe von vur einem Fuß den hier vergra—= benen Schatz. Der Topf enthielt 38 noch ziemlich gat erhaltene Goldmünzen, 23 Silbermünzen von der Größe eines
münzen. Die größeren Silbermünzen sind noch gut er⸗
— Im vorigen Monat wurden, wie man der „Frankf. Ztg.“
llen den hieroglypbischen nschriften zufolge König Ramses II., den Sesostris der Griechen,
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Königs. Der Stil der drei Statuen ist derjenige der zwölften Dynastie. Der Korrespondent der Times“ in Kairo vermuthet,
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