1891 / 282 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 30 Nov 1891 18:00:01 GMT) scan diff

Land und Forstwirthschaft.

Am 24 d. M. sind auf Veranlassung und Kosten des Deutschen ischereivereins Sterletts in die Oder ausgesetzt worden. Die . zu Frankfurt a O. hat beschlossen, für das Fangen bejw. Verkaufen eines Sterletts bis zum Jahre 1894 eine Strafe von 15 30 ƽ für jeden Fall und Fisch anzusetzen. Einen ähnlichen Beschluß hatte die Innung auch bezuglich der vom Deutschen Fischerei⸗ verein kürzlich in die Oder ausgesetzten Zander gefaßt. Den schwie⸗ rigen Transport der Fische hat, wie die „Frankfurter Oder— Zeitung“ mittheilt, Herr Huth aus Chemnitz i. S. ausgeführt. Wie vorguszuseben war, starb ein Theil der Fische auf der langen Reise, sodaß das bestellte Quantum von 15 Centner verringert eintraf. Aus diesem Grunde und weil durch einen weiteren Transport nene Verluste und bedeutende Transportkosten entstanden wären, schließlich aber auch keine Gewähr vorhanden war, daß die Fischer im Weichselstromgebiet die ausgesetzten Sterletts schonen würden, ging der Ausschuß des Deutschen Fischereivereins von seinem früher gefaßten Beschluß, die Sterletts zu gleichen Theilen in die Oder und in die Weichsel aussetzen zu lassen, ab und ließ das ganze Quantum in die Oder aussetzen.

NMannigfaltiges.

In der reich geschmückten Matthäikirche fand heute Vormittag um 10 Uhr die Trauerfeier für den verstorbenen Korsistorial— Vräsidenten a D. D. Hegel statt. Am Fußende des Sarges lag der aus kostbaren Blumen und Palmen gewundene Kranz, den die Kaiserlichen Majestäten dem Entschlafenen gewidmet hatten; die breiten weißen Schleifen zeigten die goldenen Monogramme des Kaisers und der Kaiserin. Seine Königliche Hoheit der Prin; Alexander hatte einen Kranz wit weißen Blumen übersandt und das Präfidium der Generalsynode einen großen Kranz am Sarge niederlegen laffen. Das Konsistorium der Provinz betrat in corpore das Gotteshaus, um einen Kranz zu überbringen, den Präsident Schmidt am Sarge nieder legte. Für den Evangelischen Ober ⸗Kirchenrath überbrachte Präsident D. Barkhausen eine duftige Blumenspende. Im Auftrage Ihrer Majestäten erschienen der General à 14 suite und Kommandant von Berlin, General Lieutenant Graf Schlieffen, die Ober-Hofmeisterin Gräfin von Brockeorff und der Ober ⸗Hofmeister Freiherr von Mirbach, für Seine Königliche Hoheit den Prinzen Alexander General von Winter— feldt. Das Kultus. Ministerium war durch die Ministerial⸗Direktoren Dr. Bartsch und de la Croix vertreten. Die Generalsynode wohnte nahezu vollzählig der Feier bei. Der Kirchenchor eröffnete die Feier mit einer Motette. Nach dem Gemeindegesang . Christus, der ist mein Leben“, nahm der General⸗Superintendent D Braun das Wort zur Trauerrede, die an das Bekenntniß des Verewigten anknüpfte, das er vor fünf Jahren bei seinem Jubiläum so freudig abgelegt: Wer mich bekennt, den will ich wieder bekennen“. Mit dankerfüllten Worten feierte der Geistliche das ehrliche Streben und Wirken Hegel's und spendete den Hinterbliebenen den Trost der Kirche. Nach dem Gesang: ‚O, Jerusalem, Du schöne“*, erfolgte die Ueberführung nach dem Matthäi Kirchhof, wobei der Vorstand der Brandenburgi— schen Provinzialsynode noch ein Palmenarrangement dem Sargschmuck binzufügte. Die geistlichen Funktionen bei der Beisetzung verrichtete Pastor Fischer.

Für Errichtung eines Findelhaues sind, wie die N. Pr. 3. erfährt, dem Magistrat von Berlin wiederum 270 000 vermacht worden. Es steigert sich hiernach der Gesammtbetrag, der dem . . den gedachten Zweck zur Verfügung steht, auf 13 Mil ionen Mark.

Auf der Berlin⸗Potsdamer Eisenbahn hat man, wie die Voss. Z. schreibt, seit Freitag für die direkten Vorortszüge nach Potsdam Wildpark ⸗Werder und zurück die Neuerung getroffen, daß man Wagen vierter Klasse, die aber die Bejeichnung . 3. Klasse“ tragen, eingestellt hat. Für diese Züge ist es gestattet, größere Gepäckstücke, Kiepen u. s. w. mitjunehmen, ohne daß man einen be⸗ sonderen Fahrschein zu lösen bat. Für die nach Berlin zu Markt fahrenden Gärtner und Landleute, die bisher nur die wenigen Fern= züge nach und von Magdeburg, die vierte Klasse führen, benutzen konnten, ist diese Neueinrichtung von großem Vortheil.

Der Frauen ⸗Beschäftigungs verein der St Bartho⸗

lo mäusgemeinde bat heute in der Wohnung der Frau Prediger Freidank, Am Friedrichshain 12, einen Bazar eröffnet, der zugleich den von den armen Frauen der Eemeinde gefertigten Sachen den

erwünschten Absatz bieten soll. Man findet dort in reicher Fülle

Bett. und andere Wäsche jeder Art. Die Sachen, die sich auch wieder zu Armenbescheerungen eignen, werden bis zum Mittwoch jum Selbstkostenpreise verkauft.

Zum Besten der Kinderpflege und Erziehungsanstalt Zions⸗ bülfen zu Schöneberg wird, wie alljährlich so auch diesmal, und zwar vom 10. bis 12 Dezember, ein Verkauf in den Räumen des Herrenhauses, Leipzigerstr. 3, stattfinden. Die ‚Zionshülfe“, die arme, meist mutterlose Kinder verpflegt und erzieht, bittet auch in diesem Jahre, die Freunde und Wohlthäter möchten durch reichliche Gaben aller Art die Sache freunolichst unterstützen.

Der Verein ehemaliger Einjährig- Freiwilliger der Kavallerie veranstaltet Mittwoch, Abends 8 Uhr, im Leipziger Garten einen „Geselligen Abend', zu dem die Angehörigen und Freunde des Vereins eingeladen werden. Eintrittskarten sind bei dem Vorsitzenden Herrn Vickor Laverrenz, Steinmetzstr. 44, dem Schatz meister Herrn G. Hoepke, Mittelstr. 12, sowie jedem Vereinsmitglied zu haben. Gäste sind willkommen.

Das alte Vogelhaus des Zoologischen Gartens enthält jetzt unter den vielen seltenen Stelz! und Hühnervögeln, die es neben den kleinen Säugethieren verschiedener Ordnungen beherbergt, als inter- essanteste Art der wilden hühnerartigen Vögel ein australisches Großfuß⸗ oder Talegallahuhn, das, abgesehen von manchen Ab— weichungen im Bau des Körpers, sich auch in der Lebens weise nicht nur von seinen Familiengenossen, sondern von den meisten Vögeln überhaupt auffallend unterscheidet. Es brütet nämlich nicht selbst, sondern baut sich aus trockenem Laub und Geäst, das es zu einem hohen Haufen zusammenscharrt und in dem es seine zahlreichen Eier unterbringt, eine Art von selbstthätigem Brutofen, aus dem durch die: Sonne unde die von selbst sich entwickelnde Wärme die sehr weit ausgebildeten und rasch sich völlig befiedernden Jungen ausschlüpfen.

Prag, 29. November. Heute entgleisten laut Meldung des W. T. B. auf der Strecke zwischen Falkenau Elbogen Neusattel der Buschtiehrader Babn mehrere Wagen eines Güter⸗ zu ges, wobei ein Bremser getödtet wurde. Der von Eger fällige Courierzug erlitt hierdurch eine Verspätung von zwei Stunden.

Paris, 29. November. Ein mit dreißig Personen bemanntes Boot ist, wie W. T. B.“ meldet, bei Etret at (Departement Seine⸗Inferieure) untergegangen.

Orel. Zur Katastropbe auf der Orel⸗Griasi⸗Bahn (vergl. Nr. 75 d. Bl.) bringt die Now. Wr.“ eine Original Correspondenz, der Folgendes entnommen ist: Der Zug bestand aus

vollkommen zerstört. ; te waren mit dem Schreck und einigen leichten Stößen davongekommen,

24 Waggons. darunter 18 Waaren⸗Waggong, einem BagageWaggo

und fünf Passagier Waggons, die sebr zahlreich besetzt waren. Nachden

die erste Halbstation Domnino“ passirt war, sprang plötzlich beir

letzten Waaren· Waggon die Bandage eines Rades, der Waggon entgleist

und setzte die Fahrt Dank dem festgefrorenen Boden ohne erheblich; Sprünge fort; nur die Ballastlage des Damms wurde etwa 6 Wersch

von jeder Schiene entfernt aufgewühlt. Der Zug ging sehr rasch, und da zwischtn den Passagier Waggons und dem entgleisten Waaren- Waggon noch der Bagage Waggon ging, so bemerkte das Zugpersonal die Entgleisung nicht, nur ein Bahnwärter, der beim Pafsiren des Zuges den Schaden sab, versuchte durch Schreien und Schwenken der rothen Flagge den Zug zum Halten zu bringen. Da er sich jedoch hinter dem Zuge befand, so sah ihn Niemand. und der Zug setzte in rasender Eile die gefäbrliche Fahrt fort. Als der entgleiste Waggon die Brücke mit ihren weitspurigen Schwellen erreichte, begann er so starke Sprünge von Schwelle zu Schwelle zu machen, daß er den Bagage⸗Waggon aus dem Geleise herausschlug und sich selbst von ihm losriß. Der Bagage Waggon stürzte nun aus der Höhe von acht Faden in den Fluß hinab, ihm folgte sofort ein Waggon dritter Klasse, dann ein anderer zweiter Klasse und wiederum einer der dritten Klasse. Letzterer stürzte übrigens nicht sofort hinab, da er eine Zeit lang mit den Nothketten am letzten Waggon erster Klasse hängen blieb, der durch einen glücklichen Zufall sich quer auf. das Geleise hingestellt hatte und sich so auf der Brücke erhielt. Einige Sekunden blieb der Waggon dritter Kilasse in der furchtbaren Lage schweben, dann rissen die Ketten und er stürzte den anderen drei nach. Das Eis barst unter dem Gewicht der abstürzenden Waggons und sie verschwanden sofort unter dem Wasser. Das entsetzliche Bild der furchtbaren Katastrophe ist unbeschreiblich Auf der Brücke stand noch quer auf dem Geleise der Waggon 1. Klasse, aus dem Fluß ragten die Räder der drei Passagier⸗Waggons und die Trümmer des zersplitterten Bagage Woggons. In einiger Entfernung bielt der Zug mit dem letzten unglückfeligen Waaren⸗Waggon, der die ganze Kataftrophe berbeigeführt hatte; er selbst war nicht entgleist, jedoch Die Reisenden des letzten Waggons 1. Klasse

von den Reisenden der drei anderen Waggons sollen sich zwei oder drei dadurch gerettet haben, daß sie im Moment der Katastrophe auf die Brücke absprangen.

Nach Schluß der Redaktion eingegangene Depeschen.

St. Petersburg, 30. November. (W. T. B.) Nach einer amtlichen Mittheilung ist die Ausfuhr von Hülsen— früchten und Oelsamen nicht verboten. Die „Börsen⸗ zeitung“ meldet gerüchtweise, daß zur Sicherstellung der Volks— verpflegung in den vom Mißwachs betroffenen Gouvernements in mehreren derselben private Getreidevorräthe, welche den Jahresbedarf einer einzelnen Familie mit Einschluß der Dienstboten und Arbeiter übersteigen, von der Krone zu den am Tage des Erlasses des Weizenausfuhrverbots gezahlten Preisen aufgekauft werden sollen.

Moskau, 30. November. (W. T. B.) Nach der „Mos⸗ kauer Zeitung“ soll der Finanz-Minister Wyschnegrads ky in Folge einer vom Stadthaupt von Libau gegebenen An— regung geneigt sein, eine Aufhebung des Ausfuhrverbots hinsichtlich des sogenannten schwarzen Hafers zu befür⸗ worten.

(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.)

. .

Wetterberi vom 30. November,

richt s Uhr Morgens. gartner.

Leon. Königliche

Stationen.

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Hamburg .. Swinemünde Neufahrwasser .

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Geizige.

Regisseur Tetzlaff. Dirigent: Kapellmeister Wein Vorher: Coppelia. Phantastisches Ballet in 2 Aufzügen von Ch. Nuitter und A. Saint⸗ Musik von Leo Delibes. Bühne bearbeitet von Dirigent: Musikdirektor Hertel.

Schauspiel haus. Lustspiel in 5 Aufzügen von Franz von Anfang 7 Uhr.

Mittwoch: Opern haus. 253. Vorstellung. Carmen. Oper in 4 Akten von Georges Bizet. Henry Meilhac und Ludovie Halsvy, nach einer Novelle des Prosper Mérimẽée. Graeb. In Scene gesetzt vom Ober ⸗Regisseur Tetz⸗ . Dirigent: Kapell meister Weingartner.

t. Schauspiel haus 264. Vorstellung. Was ihr wollt. Lustspiel in 4 Aufzügen von Sbakespeare, nach Schlegel's Uebersetzung. In Scene gesetzt vom Ober Regisseur Max Grube.

Zeutsches Theater. Dienstag: Die Kinder

der Excellenz. ä , Goethe · Cyclus. 8. Abend. Faust' s 0

Ponnerstag: Der blaue Brief. Am Freitag beginnt der II. Goethe Cyelus.

Berliner Theater. Dienstag: Esther. (König Ludwig: Barnav. Esther: Agnes Sorma) Der (Harpagon: Agnes Sorma.) Anfang 7 Uhr.

Mittwoch: Ver Hüttenbesitzer. Butze, Sorma, Barnay, Stahl .)

Mit

Dienstag: Polnische

6. Male:

neuer

Für die hiesige Paul Taglioni. Anfang 7 Uhr.

263. Vorstellung. Roderich

Jul. Fritzsche.

Tert von Anfang 7 Ühr.

Tanz von Emil

Anfang burg Dienstag: Zum 1. Male: godin. und Raoul Tochs.

Anfang 7 Uhr. fang 75 Uhr.

Belle Alliance Theater.

von Ernst Niedt. Kruse. Anfang 785 Uhr Mittwoch: Neu einstudirt: stattung zum 1. Male: Der R Sameln.

Catenhusen.

Adolph Ernst - Theater.

Ferdinand Suske. Elise:

Friedrich - Wilhelmstãdtisches Theater. Ausstattung: Wirthschaft.

in 3 Akten von H. West und Rich. Gense. von Hermann Zumpe (Komponist des „Farinelli‘). Für das Friedrich Wilhelmstädtische Theater be arbeitet von Louis Herrmann. In Seene gesetzt von Dirigent: Kapellmeister Federmenn. Die neuen Dekorationen aus dem Atelier Falk. Die neuen Kostüme vom Garderobe ⸗Inspektor Venzky.

Mittwoch: Dieselbe Vorstellung.

Nesidenz · Theater. Direktion: Sigmund Lauten⸗ Madame Mon Schwank in 3 Akten von Ernest Blum Deutsch von Emil Neumann. In Seene gesetzt von Sigmund Lautenburg. An—

Mittwoch: Dieselbe Vorstellung.

Dienstag: Er⸗ mäßigte Eintrittspreise! Zum letzten Male: Jung⸗ Deutschland zur See. Großes Ausstattungs⸗Zeit ˖ bild mit Gesang und Tanz in 4 Akten (6 Bildern) Musik vom Kapellmeister G. R.

Mit neuer Aus- . ; attenfänger von ö Weihnachts Märchen Komödie mit Ge⸗ sang in 10 Bildern von C. A. Görner.

Dienstag: 72. Male: Der große Prophet. Gesangsposse in 4 Akten von Teon n,. 6 Gustav Görß. Musik von Gustav Steffeng. Mit

Römischer Jof. Dienstag, Anfang 8 Uhr: Concert von Hedwig Müller (Sopr.) unter gefälliger Mitwirkung der Pianistin Fräul. Helene Leubuscher und des Königl. Kammermusikers Herrn Felix Meyer

(Violine). Dienstag:

Concert- Zaus. Concert. Anfang? Uhr.

Ouv. Penthesilea“ von Goldmark. „Die diebische Elster! von Rossini. Stradella. von Flotow. Phantasie aus „Cavalleria rusticana“ von Magcagni. Phantasie aus „Charles VI.“ von Halevy. „An der schönen blauen Donau“, Walzer von Strauß. J. Concert für Cello von de Swert (Herr Schmidt).

Zum Operette Musik

Karl Meyder

Urania, Anstalt für volksthümliche Naturkunde.

Am Landes ⸗AusstellungsZs Park (Lehrter Bahnhof) Geöffnet von 12 —11 Ubr. Täglich Vorstellung im m,, Theater. Näheres die Anschlag⸗ zettel.

Circus Renz. Karlstraße. Dienstag, Abends 76 Uhr: „Auf Helgoland, oder: Ebbe und Flutbh', große hydrologische Ausstattungs ⸗˖ Pantomime in Abtheilungen mit National- Tänzen (60 Damen), Aufjügen 2c. Dampfschiss⸗ und Bootfabrten. Wasser⸗ fällen, Riesenfontänen mit allerlei Lichteffekten ꝛc. arrangirt und inseenirt vom Dir. E. Renz. Kunft⸗ schwimmerinnen drei Geschwister Johnson. Schluß— Tableau: Grande Fontaine Lumineunse, Riesen. Fontaine, in einer Höhe von mehr denn 80 Fuß autstrahlend. Außerdem: Eine Vergnügungsfahrt mit verschiedenen Hindernissen von der neu engagirten Elton Tronpe. Eine Schulquadrille, geritten von 8 Herren. Agat (Feuerpferd), dressiri und vor⸗ geführt von Herrn Franz Renz. Jeu de la rose, Fantasie eguestre, geritten von Frl. Clot. Hager und Mlle. Theresina. 3 Gebrüder Briatore.

Musik von

Zum

Couplets von

Uebersicht der Witterung.

Eine tiefe barometrische Depression liegt nordwest⸗ lich von Schottland und kat ihren Wirkungskreis südostwärts nach Westdeutschland ausgebreitet, wo bei trüber im Nordwesten regnerischer Witte: ung die Temperatur allenthalben gestiegen ist. Im übrigen Deutschland ist es bei vielfach heiterer Witterung kälter geworden und liegt die Temperatur unter dem Gefrierpunkt, in München um H, in Chemnitz um 6 Grad. Ein barometrische? Maximum hat sich über Südwest - Europa ausgebildet. Ueber Rügen waldermünde ziehen die oberen Wolken aus West, während der Unterwind aus Südost weht, sodaß Ausbreitung des Depressionsgebietes mit Trübung und Erwärmung ostwärts wahrscheinlich ist.

Deutsche Seewarte. 5 Theater⸗Anzeigen.

Königliche Schauspiele. Dienstag: Opern⸗ haus. 252. Vorstellung. Cavalleria rusti- camn (Gauen. Oper in 1 Aufzug, nach dem gleichnamigen Volksstück von Verga. Mustt b on Pietro Mascagni. In Seene gesetzt vom Dber⸗

Donnerstag: Esther. Der Geizige.

Tessing - Theater. Dienstag: Die Grof stadtluft. Schwank in 4 Akten von Oscar Blumen⸗ thal und Gustav Kadelburg. Anfang 7 Ubr.

Mittwoch und Donnerstag: Die Grosßfstadtluft. Schwank in 4 Akten von ODtzcar Blumenthal und Gustav Kadelburg.

Freitag: Zum 1. Male: Cavalleria rusti- amn. Steilianisches Volksschauspiel in 1 Akt von G. Verga. Vorher: Die Bekehrung. Lustspiel in 1 Akt von Charles de Coureh. Zum Schluß:

Ritterdienste. Lustspiel in 1 Akt von E. Labiche.

Wallner ⸗Thrater. Dienstag: Zum 165. Male:

Jmmer zerftreut! Posse in 38 Akten von Barriere und Gondinet. Bearbeitet von Franz Wallner. Hierauf, neu einstudirt: Die Hanni weint der Hansi lacht. Komisches Singspiel in 1 Akt von Jacques Offenbach. Anfang 71 Uhr.

Mittwoch: Dieselbe Vorstellung.

vollständig neuen Kostümen. Die neuen Dekorationen sind aus dem Atelier der Herren Wagner und Bukacz. In Seene gesetzt von Adolph Ernst. An fang 75 Uhr.

Mittwoch: Dieselbe Vorstellung.

Thomas-Lheater. Alte Jakobstraße 30.

Direktion; Emil Thoumas. Sensationgerfolg dieser Saison. Dienstag: Zum 26. Male: Der Kunst⸗ Bacillus. Novität! Posse in 4 Akten von Rudolf Tneisel. In Scene geseßt vom Ober. Regiffeur Adolf Kurz,. (Igelfisch: Emil Thomgs.) Anfang 73 Uhr.

Mittwoch: Dieselbe Vorstellung.

Donnerstag: Jubilqumè⸗Festvorstellung Fliegende Blätter. Humoristische Bilder mit Gefang in 3 Akten und einem Vorspiel, arrangirt von Alfred Schönfeld. Anfang dieser Vorstellung 7 Uhr.

Concerte.

Sing Akademie. Dienstag, Anfang 8 Uhr: Concert von Elisabeth von Mühler, unter Mit- wirkarg der Violinvirtuosin Frl. Frieda Scætta, des Nicolai Kirchen. Chors, unter Leitung des Diri⸗ genten Herrn Musikdirektor Krause.

Der Ueberschuß ist für Stiftungszwecke bestimmt.

Sisters Lawrence am fliegenden Trapez Auftreten der vorzüglichsten Reitkünstlerinnen und Reitkünstler. Komische Entrses von sämmtl. Clowns ꝛc.

Täglich: ‚Auf Helgoland“. r Familien⸗Nachrichten.

Geboren: Ein Sohn Hrn. Friedrich von Nathusius (Uchovoo bei Obornik).

Gestorben: Fr. Anna von Bülow, geb. Schmidt (Berlin) Fr. Geh. Justiz⸗Rath Caroline Taehrn, geb. Kaehler (Salzwedel⸗. Hrn. Geh.

Justiz Rath Kgehrn Tochter Marie (Salzwedelj. Hr. Landegältester Richard Hoff mann (Scha. benau, Kreis Guhrau) Fr. Kanzlei⸗Rat Amalie Braun, geb. Latzel (Görlitz. Fr. Rittergutsbesitzer Anna Meven, geb. Dzielansky (Broder).

Redacteur: Dr. H. Klee, Direktor. Berlin: Verlag der Expedition (Sch oly.

Drug der Narddeutschen Buchdruckerei und Verlags

Anstalt, Berlin 8SW., Wil helmstraße Nr. 33. Sechs Beilagen

(einschließlich Börsen⸗ Beilage). (19019)

1

Erste Beilage

zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.

M 282.

Deutscher Reichstag. 129. Sitzung vom Sonnabend, 28. November, 1 Uhr.

Am Tische des Bundesraths der Reichskanzler von Caprivi, die Staatssekretäre Dr. von Boetticher, Dr. von Stephan, Freiherr von Maltzahn, Freiherr von Marschallt und Hollmann sowie der Königlich preußische Kriegs⸗Minister von Kaltenborn⸗Stachau.

Die erste Etatsberathung wird fortgesetzt.

Abg. Dr. Buhl: Die gestrigen Auslassungen des Reichskanzlers über die Verkehrserleichterungen in Elsas ⸗Lotbringen seien erfreulich und deckten sich mit den Bestrebungen Petri's und den allgemeinen Wahrnehmungen. Seine Aeußerungen über die auswärtige Lage, die militärische Stärke des Deutschen Reichs und entschiedene Friedens- politik würden überall beruhigend wirken. Die Stelle, daß die ver bündeten Regierungen sich im nächsten Winter mit dem Reichstag über eine bessere Ausnutzung der Bevölkerungszunahme für das stehende Heer ins Einvernehmen setzen würde, sei bedeutsam, da sie doch so verstanden werden zu sollen scheine, die Regierung wolle der zweijährigen Dienstzeit näher treten, was bei seiner (des Rednert) Partei wie beim ganzen deutschen Volke freudige Zustimmung finden werde. Zu den Quellen der Beunruhigung im deutschen Volk zäble auch der Rücktritt des Fürsten Bismarck; er habe eine beispiellose Stellung innegehabt, und alle Bevölkerungskreise, auch die mit allen Regierungsmaßregeln unzufriedenen, hätten in dem ausgeschiedenen Kanzler den Mann gesehen, der dem Deutschen Reich Elsaß Lothringen und die nordische Grenzwarte wiedererobert babe, und mit dessen Rathschlag das Deutsche Reich wiedererrichtet worden sei. Er sei überzeugt, daß das deutsche Volk dem Fürsten Bismarck dauernde Dankbarkeit bewahre; daß man aber auch dem gegenwärtig herrschenden Pessimismus energisch entgegentreten müsse. Seine Partei werde darum, wie in den letzten 17 Jahren, so auch weiter für die Vorschläge der verbündeten Regierungen zur Sicherstellung des Reichs nach Möglichkeit eintreten. Der Etat selbst liege nicht sehr erfreulich: die Ausgaben wächsen rascher als die Einnahmen, das Reich werde 1892 eine Anleiheschuld von rund 1600 Mill ionen haben, und nicht wie in den Einzelstaaten als werbendes Kapital. Die Ver minderung der Schuld, durch die Münzüberschüsse begonnen, müfsse in größerem Umfange fortgesetzt werden. Was für die Wehr⸗ fähigkeit nöthig sei, werde seine Partei stets bewilligen, aber was nicht durchaus nötbig und unaufschiebbar sei, z. B. gewisse Kasernenbauten, ablehnen. Bei den vermehrten Militärübungen werde man prüfen müssen, ob die Einziehung die Einzelnen wirthschaftlich nicht mehr schädige, als die Uebung selbst militärisch nutze. Die Marine ver— diene jede Rücksicht, aber sei man wirklich reich und steuerkräftig genug, neben den Ausgaben für ein großes Landheer auch die für eine Flotte in diesem Umfange zu tragen? Wenn das Reich, was Gott verhüte, seine Grenze vertheidigen müsse, so habe die Flotte zwar auch ihre Bedeutung, aber sie könne sich mit der des Land— heeres nicht vergleichen. Im Reichsamt des Innern seien 900 000 M für die Ausstellung in Chicago gefordert; bei aller Sparsamkeit trete er für diesen Posten ein, denn diese Ausgabe sei werbendes Kapital. Trotz der jetzigen zollpolitischen Verhältnisse in den Vereinigten Staaten habe Deutschland doch dort immer noch große Interessen, und die amerikanische Tarifpolitik könne leicht wechseln. Auf die Handelsverträge einzugehen, habe er jetzt keine Veranlassung; es sei schwer, über Verträge zu urtheilen, deren Inhalt man nicht kenne. Ausgaben zur Stärkung der Wehrkraft werde seine Partei bewilligen, denn sie sehe mit dem Reichskanzler in der Stärke des Deutschen Reichs noch immer die mächtigste und kräftigste , die man überhaupt habe. (Beifall bei den National⸗ iberalen.

Abg. Bebel: Wenn wirklich die Regierungen den Frieden aufrecht erhalten wollten, warum träten sie nicht mit einander in Verbindung und spürten den Urfachen des gegenwärtigen Uebels nach, um dann das richtige Heilmittel anzuwenden? Die Presse sei an dem Pessimismus nicht allein Schuld. Die jetzigen Lasten seien geradezu kolossale: im Ordingrium des Militär-Etats 188182 344 Millionen, jetzt 427 Millionen. Der Marine ⸗Ctat fordere 46 Millionen gegen 27 im Jahre 1881/82. Der allgemeine Pensionsfonds sei von 13 700 000 Mαν auf 42 600 000 s gestiegen. Dementsprechend sei auch die Reichsschuld gewachsen. Wie solle man künftig den Krieg nach zwei Staaten führen und die ungeheuren Massen fortschaffen? Wie werde es mit dem Kredit stehen? Die 40 Millionen im Juliusthurm reichten doch nur für ein paar Toege. Die Verproviantirung sei schon in Frarkreich schwierig gewesen, werde aber im nächsten Kriege kaum möglich sein, da obne Zweifel die Zufuhr seewärts erschwert und die von russischem Roggen ab— geschnitten sein werde. Die Lebensmittel würden so tbeuer werden, daß das Volk den Preis nicht werde erschwingen können. Bei der kolossalen Vervollkommnung der Schußwaffen würden die Verwun⸗ deten in den Lazarethen nicht untergebracht werden können, und die Aerzte würden nicht ausreichen, wie Professor Billroth anerkannt habe. Alle zurückbleibenden Arbeiter in den Exportindustrien würden natürlich brotloz, wenn der gesammte Gzport stocke. Durch die Zeitungen gingen Aeußerungen, daß man eine starke Armee vielleicht auch gegen den inneren Feind gebrauchen könne. Die sozialdemokratische Partei sei die stärkste in Deutsch⸗ land und so wachse auch die Zahl ihrer Anhänger in der Armee. Da sollten die herrschenden Klassen nicht mit solchen An— sichten hervortreten. Der Abg. Rickert sehe in allen Par⸗ teien auch Kriegebetzer. Aber er selbst habe immer die Milltär—⸗ forderungen mit Hinweis auf die äußere Gefahr bewilligt. Der Reichskanzler sage, keine Macht sei so überlegen, um sicher auf einen Sieg zu rechnen. Aber Niemand wisse auch, wie die soziale 6ökonomische Lage der Bevölkerung in einem Krieg sein werde. Wenn er (Redner) so nüchtern die Dinge schildere, wie sie seien, sage man, er blase die Kriegstrompete, und die Sozialdemokratie sei mit den herrschenden Klassen zu einem Krieg gegen den äußeren Feind entschloffen. Aller dings würden die Sozialdemokraten in einem solchen Kriege auch ihre Schuldigkeit thun. Aber nicht nur eine immer größere physische Kraft der Nation durch Vermehrung der Militärpflichtigen werde verlangt, sondern auch eine höhere materielle Belastung. Besonders die Zölle und indirekten Steuern müßten diese Ausgaben decken. Neben den Unruhen und dem Mißbehagen über die militärischen Zu⸗ stände trügen auch die allgemeinen wirthschaftlichen und sozialen Ver⸗ hältnisse eine immer größere Mißstimmung und Beunruhignng in Reitere Kreise. Weder im Ausland noch auf dem Inlandsmarkt seien noch Absatzgebiete für die ungeheuren Vorräͤthe zu ermitteln. Die Zahl der Bevölkerung habe mit der Produktions steigerung nicht entfernt Schritt gehalten; die Kaufkraft der Bevölkerung nebme stetig ab. Nothwendig müffe also die Krise sich verschäͤrfen. je länger sie wirke, und so müsse denn auch das Unbehagen, die Noth, das Elend und die Gedrücktheit des Volkes stetig wachsen. Die Lage der deutschen industriellen Bevölkerung, fowohl eines großen Theils der Unternehmer, als befonders der Arbeiter, der Kleinbandwerker und Kicinbauern, sei eine äußerst. ge⸗ drückte, obne jede Aussicht auf Befferung. Das Angebot von Handen sei übergroß, der Verdienst geringer als se, und das in einer Zeit, wo gleichzeitig ungemein hohe Lebensmittelpreife herrschten! Bie zko⸗ nomische Depression mache sich aber in viel weiter greifendem Umfange geltend und bringe auch in der bürgerlichen Gesellschaft

Berlin, Montag, den 30. November

außerhalb der Arbeiterklasse die größte Beunruhigung hervor. Er weise bin auf die Skandalbankerotte der jüngsten Zeit, namentlich in Berlin; in Moabit säßen augenblicklich acht Banquiers. Gewiß sei der frühere Ausspruch des Reichskanzlers richtig, daß die Regie— rung auf die ökonomische Gestaltung der Dinge keinen maßgebenden Einfluß auszuüben in der Lage sei, denn die bürgerliche Gefellschaft habe ja die Regierung nicht deswegen eingesetzt, daß sie sich in die geschäftlichen und privaten Angelegenheiten des Einzelnen mischen solle. Im Großen und Ganzen sei zuzugeben, daß die Regierung Macht. mittel auf diesem Gebiete nicht habe, aber bis zu einem gewifsen Grade könne sie mit ihren Mitteln doch mildernd eintreten, z. B. in der Frage der allgemeinen Lebenshaltung, der Ernährung des Arbeiters, der Lebensmittelpreise. Die Zollpolitik babe den Preis der noth wendigen Lebensmittel ganz erheblich in die Höhe geschraubt; man habe doch auch mit dem Schutzzoll nichts weiter beabsichtigt, als die außerordentlich gesunkenen Getreidepreise im Inlande möglichst zu erhöhen. Der Preisstand sei ja nicht allein die Wirkung des Zolles, sondern zunächst der letzten Mißernte und des selbst— verständlich auf die Preisbildung zurückwirkenden russischen Ge— treideausfuhrverbots. Daß aber der Roggenzoll von 50 S6 pro— zentual den Preis steigere, unterliege gar keinem Zweifel. Die russische Regierung babe aus guter AÄbsicht das Ausfuhrverbot erlassen; ob die Maßnahme dem Volke die beabsichtigte Wohlthat erweisen werde, lasse er dahingestellt. Frankreich babe, als die Theuerung im Anzuge gewesen sei, sofort die Zölle auf die Hälfte herab— gesetzt, die Notirungen an der Pariser und Berliner Börse ent svrächen in ihrem Unterschied genau der Zollermäßigung für Weizen. Auch nach der völligen Abschaffung des Zolles würden Getreide; und Brotpreise noch sehr hohe sein, aber die herrschenden Klassen und die Regierung würden dann wenigstens nicht das Odium auf sich laden, daß sie absichtlich durch den ungeheuren Zoll die Getreidepreise hochhielten. Der Fleischverbrauch nehme ab, nur das Roßfleisch, das der Proletarier esse, wenn er kein anderes erschwingen könne, zeige eine Konsumsteigerung. Nicht die Zulassung des amerikanischen Fleisches hahe einen Preisstur; für Vieh herbeigeführt, sondern der hohe Getreidepreis und der Kartoffel⸗ mißwachs, die den Landmann außer Stan) setzten, Vieh zu mästen, er müsse es jung und mager verkaufen, und dieses große Angehot lasse den Preis sinken, und man habe daher bald Viehmangel und Viehpreissteigerung zu gewärtigen. Die Ermäßigung des Ge— treidezolles durch den Handelsvertrag mit Oesterreich werde sich un2— zweifelhaft in den Preisen ausdrücken, daher Stockung der Einfuhr, bis der Vertrag in Kraft trete, folglich Preissteigerung. Diese trüben Verhältnisse wirkten an sich agitatorisch, sodaß es keiner Auf— hetzung bedürfe Die Theuerung vermehre die Sterblichkeit, die Vergehen und Verbrechen, vermindere die Eheschließungen und die Wehrfähigkeit.

Abg. Dr. von Frege: Er spreche im Namen seiner Partei dem Reichskanzler den Dank für die gestrigen Worte aus, die das Niveau der Verhandlungen wesentlich höben, für die Worte. daß das Deutsche Reich mit seinen Alliirten den Frieden halten wolle und werde. In Bezug auf den Etat selbst mache auch seiner Partei das hohe Extra ordinarium große Sorge, und sie werde jeden seiner Punkte in der Kommission sorgfältig prüfen müssen. Also beim Extraordinarium werde man die größte Sparsamkeit üben müssen, beim Ordinarium habe er kaum einen Punkt gefunden, wo man einen Abstrich vornehmen könnte. Er freue sich, daß die Ungerechtigkeiten in den Beamten besoldungen nach Möglichkeit beseitigt werden sollten. Beim Aus wärtigen Amt werde seine Partei bei der halben Million für ge— heime Ausgaben in der Kommission genauere Angaben erbitten müssen, ebenso bei einigen Titeln des Reichsamts des Innern. Zu den Streichungen bemerke er, daß, wenn in der Kommission seine Partei Streichungen versucht habe, dies von der anderen Seite ver— hindert worden sei, z. B. bei Postbauten, die oft noch einige Zeit hätten warten können. Wie könne man sparen, wenn das neue Reichstagsgebäude mit einem der ganzen Lage nicht angemessenen Luxus errichtet werde. Hier habe der frühere Abg. Reichensperger ganz Recht mit dem Versuch, Ersparnisse zu machen. In dem großen Militär⸗Etat rage die Umänderung in der Artillerie bervor; er (Redner) habe als Nichtmilitär kein Urtheil darüber und hoffe auf genaue Auskunft durch die Militärverwaltung er fürchte, man werde wenig daran streichen können, wenn man die Wehrfähigkeit nicht schädigen wolle. Bei der Marine, so großes Interesse seine Partei ihr auch entgegenbringe, werde sie ebenfalls genau zusehen müssen, daß nicht etwa kostspielige Versuche, die sich dann als verfehlt erwiesen, gemacht würden; da sei Abwarten besser. Bei der Post dürfe man nur die Bauten bewilligen, von denen eine Entwicke⸗ lung des Postverkehrs in kleineren Orten abhänge. Der Abg. Rickert habe nicht nur die landwirthschaftlichen, sondern auch die Indastrie— zölle als etwas sehr Schlechtes hingestellt, aber hoffentlich werde die Regierung sie nicht ermäßigen. Wie denke sich der Abg. Rickert die Lage der Reichsfinanzen, wenn der Freihandel wieder eingeführt werde? In den letzten zwölf Jahren erst babe man die deutsche Arbeit und die deutsche Landwirthschaft zu schützen begonnen. Die Fleisch— preise in Deutschland seien seit dem Bestehen der Zölle fast überall gesunken, die Grenzen, innerbalb deren die Preise in Folge der Konjunktur schwankten, seien bedeutender, als der Betrag der Zölle. Angebot und Nachfrage machten sich überall so bemerklich, daß er (Redner) erstaunt sei, das ein so erfahrener Volkswirth, wie der Abg. Bebel, nicht sehe, daß seine ganze Agitation nur die Folge haben müsse, die Leute in die großen Städte zu treiben und so in Folge des großen Angebots die Preise zu drücken; auf dem Lande würden ian Folge Feblens der Arbeits kräfte so hohe Preife gefordert, daß die Landwirthe sie heute nicht zahlen könnten. Ber Hauptgrund, daß die Leute nach der Stadt zögen, sei Vergnügungssucht; die Sittlichkeit in den unteren Ständen sei sehr gesunken, hier müsse in erster Linie Abhülfe geschaffen werden. Deutschland könne, weil es im Herzen Europas wohne, seine schwere Rüstung noch nicht ablegen; zur Rüstung aber gehöre vor allen Dingen, daß es mit der Ernährung vom Auslande unabhängig sei. Nach einer Broschüre des Abg. von Kardorff sei das Reich jetzt noch mit /i des Bedarfs an Brodfrucht auf das Ausland angewiesen; behalte es die Zölle bei, so werde es in einigen Jahren den ganzen Bedarf selbst hervorbringen. Seine Partei hoffe, daß die Regierung bei den Handelsverträgen diesen Ge⸗ sichtspunkt nicht aus den Augen lasse. Die Aufmerksamkeit des Staatssekretärs des Innern möchte er (Redner) auf die Einfuhr trichi⸗ nöser amerikanischer Schweine lenken. Es sei große Vorsicht nothwendig, und die Untersuchung der Schweine müßte so gründlich wie möglich vorgenommen werden. Der deutsche Arbeiter bezahle lieber die deutsche Waare um wenige Prozent theurer, als daß er g n Schinken beziehe. Der Börsenantrag seiner Partei hänge so eng mit den Reichseinnahmen zusammen, daß es ein Mangel einer Aussprache über den diesjährigen Etat sein würde, wenn die konservative Partei nicht ihre tiefste Entrüͤstung über die Vorgänge an der Produktenbörse hier zum Ausdruck bringen würde. Er er⸗ innere an den Terminhandel, der die Unkenntniß Einzelner ausbeute. Mit Recht habe man die öffentlichen Spiel. banken aufgehoben, aber die Spieltempel, die sich mit einem Schein von Ehrbarkeit umgäben, sollte man auch aufheben. Es müsse mit den Grundsaätzen der Börse gebrochen werden, wenn in dem deutschen Volk nicht das Rechtsbewußtsein leiden und nicht immer wieder Succurs in die sozialdemokratischen Reihen geführt werden solle, denn nichts fördere die Sozialdemokratie mehr, als dieser unverantwortliche

1891.

Reichthum, der in wenigen Tagen oder Monaten an der Börse von den Leuten erworben werde. Wenn die Getreidepreise in diesem Jahre stiegen und im nächsten wieder herunterfielen, dann schwinde das Interesse des arbeitenden Volks an seinen Gütern, und man dürfe sich nicht wundern, daß Unzufriedenheit Platz greife. Nach alledem glaube er, daß man mit größter Sparsamkeit vor⸗ gehen. müßse, und er bitte die Regierung, alles Aufschibbare für günstigere Zeiten zurückzustellen, denn auch er erblicke in der steigenden Schuldenlast eine ernste Seite. Das einzige Heilmittel dagegen werde die Wiederherstellung des Silbers sein. Seine Partei werde die ver⸗ bündeten Regierungen unterstützen, wenn sie eine nationale Groß machtspolitik trieben, und die beste Bürgschaft dafür habe man gestern in den Worten des Reichskanzlers gefunden. Von diesem Stand- punkte aus werde seine Partei wahrscheinlich in der Hauptsache dem Etat zustimmen. (Lebhafter Beifall rechts.)

Abg. Payer: In Bezug auf den Militär-Etat seien die weit gehendsten Befürchtungen wieder übertroffen worden. Beim Marine⸗ Etat räche sich schwer, was im vorigen Jahre gesündigt worden sei. Diese Mehrforderungen und die wachsenden Schulden und Anleihen reichten vollständig aus, um die starke Verstimmung im Deutschen Reiche begreiflich zu machen. Die Beunruhigungen seien da, und es sei ein verdienstliches Werk von dem Reichskanzler, daß er den Beunruhigungen und der Stelle, von der sie ausgingen, entschieden gegenübergetreten sei. Wo solle es aber mit den fortwährenden Rüstungen ein Ende haben? Was helfe es, wenn die Diplomaten und Höfe sich noch so sehr bemühten, den Frieden durch persönliche Be— ziehungen zu schützen. Sie thäten allseitig, was sie könnten, und Niemand werde ihnen dieses Verdienst absprechen. Wenn solche Versicherungen immerfort wiederholt würden, so verlören sie an Werth und brächten nur eine Beruhigung für vierzehn Tage oder drei Wochen hervor. Verstimmend wirke auch, daz die Erleichterungen auf militärischem Gebiete als Ausgleichung für die Mlitärlasten nicht oder nicht in nennenswerther Weise gewährt worden seien. Der Reichskanzler babe für den kommenden Winter die Einführung der zweijährigen Dienstzeit angedeutet, aber mehr als eine Andeutung sei es nicht gewesen. Das Volk wolle eine klare Erklärung, daß es so kommen werde innerhalb eines gegebenen Zeitpunktes. Was die Schutzzoll politik betreffe, so werde auch der Abg. Dr. von Frege nicht verkennen, daß für die künstlich in die Höhe geschraubte Industrie jetzt Tage des Fastens kommen würden. Dieser Rückschlag wirke natürlich doppelt und dreifach schwer, wenn er zusammentreffe mit einer außerordent⸗ lich scharfen Anziehung der Steuerschraube und der Vermehrung der öffentlichen Schuld. Die Aufhebung der Getreidezölle würde das einzig Richtige sein. In einer Zeit, wo man so kümmerlich durch komme, sollte man die hochfliegenden Marinepläne beschneiden. Die Bevölkerung sei sehr dankbar, wenn man ihr nur den guten Willen zeige und mit kleinen Mitteln entgegenkomme. Auch die Handelsverträge würden hoffentlich beruhigend auf die Bevölkerung wirken, insefern als man sich damit von der langjährigen bisherigen Politik lossage. Ferner sollte man das Friedensstreben' mehr bethä— tigen durch Thaten als durch Worte, indem man besonders absehe von der Umwandlung der Marine zu einer Schlachtflotte ersten Ranges, und indem man offen und frei erkläre, daß mit der zweijährigen Dienstzeit endlich einmal im nächsten Winter Ernst ge— macht werden solle. Allerdings lägen viele Ursachen zur Ver— stimmung vor, aber durch dieses Entgegenkommen würde eine bessere und gesundere Stimmung im Volke Platz greifen.

Abg, von der Decken: Er wolle nur auf die Mehrforderung von 500 900 6 für geheime Zwecke des Auswärtigen Amts eingehen, die der Reichskanzler im preußischen Abgeordnetenhause bereits vorher begründet habe. Er habe damals ausgeführt, daß beim Fortfall des Welfenfonds für die geheimen Ausgaben des Auswärtigen Amts nicht gesorgt sei. Die Verwendung der Gelder des Welfenfonds für Reichs« zwecke stehe in Widerspruch mit der Beschlagnahme-Verordnung, welche die Verwendung der Gelder nur gestatte zur Abwehr feindlicher Urternebmungen des Königs Georg gegen Preußen. Für das Vorhandensein solcher feindlichen Unternehmungen sei kein Beweis erbracht. Mit dem Tode des Königs Georg hätte die Beschlagnahme aufhören und die Einkünfte des Fonds seinem Erben und Rechtsnachfolger, dem Herjog von Cumber— land, übergeben werden müssen. Jedenfalls hätte aber keine weitere Verwendung aus dem Fonds gemacht werden dürfen. Daß von dem Herzog von Cumberland jemals Angriffe auf das Deutsche Reich gemacht seien, hahe man nie behauptet. Wie komme das Reich dazu, sich an dieser Gesetzesverletzung zu betheiligen und sich an den Depots des Privatvermögens der depossedirten Fürstenhäufer zu ver— greifen? Der Reichskanzler wolle durch den Welfenfonds die Wahlfreiheit der welfisch gesianten Bevölkerung indem er im Abgeordnetenhause den jetzigen Augenblick nicht für geeignet gehalten habe, den Welfenfonds als Waffe gegen die welfische Agitation in der Prorxinz Hannover aus der Pand zu geben. Er (Redner) könne es dem Urtheil des Reichstags überlassen, ob er es für beilsam ansehe, daß eine Summe von Is Milliotzen Thalern der Regierung ausgeantwortet werde, um die Wabl⸗ freiheit einer einzigen Partei zu beschränken. Die welfisch gesinnte Bevölkerung solle verantwortlich dafür gemacht werden, daß der Fonds nicht den berechtigten Eigenthümern übertragen werde. Mit dem Privatvermögen des hannöverschen Königshauses habe die welfische Partei nichts zu thun. Sie vertrete die Grundsätze des menschlichen und göttlichen Rechts, wie es vor 18565 in Geltung gewesen sei; sie wolle nur auf friedlichem und gesetzlichem Wege der Erfüllung ihrer Hoffnungen entgegensehen. Haussuchungen gegen ihre Parteigenossen würden in großer Zahl vorgenommen; das sei eine Waffe aus der Rüstkammer der früheren Regierung. werde als Märtyrer erscheinen. Geffcken sei ins Gefängniß gesperrt worden, aber das Tagebuch Kaiser Friedrich's besage, daß Fürst Bismarck den Krieg gegen Oesterreich angefangen habe, um fich von inneren Schwierigkeiten zu befreien. Warum werde seine Partel jetzt vom Reichskanzler gemaßregelt? Für die geheimen Ausgaben könne sie nicht eher stimmen, bis eine bestimmte Erklärung gegeben fei, daß sie mit diesem Gelde nicht bekämpft werden solle.

Reichskanzler von Caprivi: .

Der Rede des Herrn Abgeordneten scheint mir ein merkwãrdiger Irrthum zu Grunde zu liegen. Er richtet sich an mich und ist der Meinung, daß ich eine neue Art von Cbristen verfolgung gegen die Welfen veranlaßt hätte. Die Beweise, die er dafür anführt, treffen mich aber sämmtlich nicht. Ich habe weder den Grafen Arnim eingesteckt, noch den Herrn Geffcken. Jemand aber, der unter mir von Seiten der Welfen zum Märtyrer geworden wäre, zu nennen, hat der Herr Abgeordnete unterlassen. .

Er hat dann als eine böse Maßregel gegen die Welfen den Krieg von 1866 angeführt und sich auf das Tagebuch des Kaisers Friedrich berufen. Meines Wissens bin ich an dem Kriege von 1866 völlig unschuldig.

Er sagt dann, es sei, seit ich im Amte bin, eine Verfügung gegen die Welfen erlassen worden. Ich kann dem Herrn Abgeordneten versichern, daß ich gar keine Verfügung gegen die Welfen erlassen habe,

einschränken,

Arnim

daß das auch nicht meine Sache ist, sondern das ist