, e, , .
Ankündigung babe sogar in einem Wider spruch mit den Ausführungen der Freilagsrede selbst gestanden, insofern sie vor einer Ueberschätzung der Quantität gewarnt habe. Es sei ja allerdings nur angedeutet werden, daß män werde suchen müssen, die steigende Bevölkerungsziff er für die Heeresorganisation nutzbar zu machen. Danach sollte man glauben, daß solche Nutzbarmachung bisher nicht stattgefunden hãtte oder vernacklässigt worden sei. Das sei nickt der Fall. Die Bevölke⸗ rung habe in den zebn Jahren von i830 — 50 nicht in dem Maße ugenommen wie die Ausbebung verstärkt, worden sei. Wenn man bie Freiwilligen in den amtlichen Uebersichten über die Aushehung unberücksichtigt laffe, ergebe sich. daß 1880 die Aushebung 140 006, 1855 161 505 und isgö 183 6600 Mann betragen habe. Es sei ja möglich, daß die Aushebung von 1891 det wegen so besonders groß gewesen sei, um die einmalige Heeresverstärkung mit einem Schlage durchführen zu können. Im Sommer 1890 seien bei der letzten Heeresverftärkung auf Antrag des Centrums gewisse Resolutzonen an= genommen, die eine Verkürzung der Präsenzzeit und eine Verminde⸗ rung der Präsenzstärke, anstrebten. Es möge ja sein, daß die mweijährige Dienstzeit, um die Kadres. wieder autzu⸗ füllen, eine vorübergehende Verstärkung der Aushebung mit sich bringen müsse, aber in ihrem Wesen liege es durchaus nicht, daß auch nur die jetzige Präsenz aufreckt erhalten werden müsse. Daß auch der Reichskanzler trotz der Ankündigung einer neuen Militãrvorlage hiervon nicht gesprochen, habe ibn etwas befremdet; ebenso be— fremde ihn die Forderung für außerordentliche Uebungen, nachdem solche in den beiden letzten Jahren in großem Umfange mit dem neuen Gewehr stattgefunden hätten. Außer der Aussicht auf die neue Militärvorlage habe man ja guch noch das Verlangen einer Ver slärkung der Marine um 3099 Mann, und es sei doch dasselbe Volk, aus dem man beiderlei Verstärkungen berausnehmen müsse. Die Aus⸗ führungen des Reichskanzlers über Militãrpessimismus und Chauvinismus bätten ihn (den . Redner) mit großer Genugthuung erfüllt, er unterschreibe sie voll und, ganz. Auf die Eröͤrterur gen über die auswärtige Politik gehe er nicht ein, weil er für die Kritik keine Handhabe finde und in der Hauptsache esinverstanden sei. Er könne sonach die Rede des Reichskanzlers mit Arsschaltung des Punktes über das Militär untgrschreibin. Es würde aber grundfalsch sein, an zunehmen, daß der Reichskanzler sich freisinnigen Anschauungen genähert habe. Ber Reichskanzler habe verschiedene Fronten zu vertheidigen. Seine Freitaggrede habe sich auf einer anderen Front befunden, sie sei nach Friedrich ruh gerichtet worden. Es sei in den letzten Tagen ein Buch eines Verehrers des früheren Reicskanzlers erschienen: ‚Fürst Bismarck in Ruhestand. ; da seien alle Aeußerungen gesammelt, die Fürst Bismarck gegen seinen Nach, folger in Bezug auf innere und auswärtige Politik seit seinem Austritt aus dem Amte gethan habe. Seit dem Erscheinen dieser Schrift habe der Reichskanzler, besonders in seiner letzten großen Rede, Blume auf Blume aus dem Strauße der früberen Politit gepflückt, Doch wolle er (Redner) die Gegenjätze hervorheben, die seine Partei von dem Reichskanzler schieden. Die Freisinnigen Fseien nicht, wie die Nationalliberalen, Gegner der in der Polenpolitik eingeschlagenen Richtung, wenigstens sei ibm eine Spposition dagegen inner— balb seiner Partei nicht bekannt geworden; er seinerseits mache dem Kanzler dabei nur den Vorwurf, daß die Konsequenz der neuesten Maßnahmen doch dazu hätte führen müssen, auch das andere Inventurstück der bisherigen Polenpolitik, das Hundert⸗ millionen gesetz und die Ansiedelungtkommission zu beseitigen. Das scheine aber nicht beabsichtigt zu sein. Die übrigen Gesetze lägen auf dem Gebiet der Einkommensteuer und der Rentengüter. Seine Partei bedauere, daß der Reichskanzler die sozialpolitische Gesetzgebung als Erbschaft sein's Vorgängers übernommen und die Novelle zum Krankenkassengesetz gebracht habe, statt an Stelle dieses Gesetzes ein gan; neues vorzufchlagen; diese Novelle bedauere die Partei deshalb, weil sie darin eine Verdrängung der freien Hülfskassen sehe und weil daraus Ansprüche an den Staat erwachsen würden, die kein Staat erfüllen könne. Ferner seien die Freisinnigen Gegner des Reichskanzlers auf dem Gebiete der Kolonialpolitik. Sie bedauerten, daß auf dem Gebiete des Marinewesens der Reichskanzler den Staatssekretär Hollmann, die Zügel bei seinen Forderungen in einer Weise schießen lasse, die weif über den der Marine gesteckten Rahmen hinausgehe. Sie seien vor allen Dingen darin Gegner des Reichskanzlers, daß er trotz der hohen Kornpreise die Kornzölle aufrecht erhalten habe; sief euten sich, daß hierin durch die Handelsverträge eine Aenderung herbeigeführt werde, hielten diese aber nicht für genügend zur Beseitigung der schweren Schäden.
Reichskanzler von Caprivi:
Der Herr Abgeordnete hat den Versuch gemacht, mir nachzu— weisen, daß ich mich in meiner Rede neulich gegen jwei Fronten ge— schlagen hätte, und er führte dann eine Schrift an, aus der ich nach seiner Ansicht einen Anlaß entnommen haben soll, meinen Herrn Amts⸗ vorgänger anzugreifen. Ich habe diese Schrift nicht mit einem Auge gesehen, vermeide auch Alles, was es mir schwer machen könnte, trotz Allem, was geschieht, die Stimmung der Dankbarkeit gegen den großen Mann, der so wesentlich an der Schöpfung Deutschlands be⸗ theiligt war, mir nicht zu trüben. (Bravo.)
Der Herr Abgeordnete hat es im Eingang seiner Rede bemängelt, daß Kundgebungen des Deutschen Kaisers und des Königs von Preußen veröffentlicht seien, ohne Contrasignatur eines Ministers bejw. im Reich des Reichskanzlers zu finden. Die Kundgebungen, auf die er abzielt, betreffen Dinge, in denen der Monarch seine Anschauungen dem StaatsMinisterium oder dem Reichskanzler kund thut. Ich bin nicht leichtfertig in diesen Dingen verfahren; es sind Rechtsgelehrte und die berufenen Rechtsinstanzen gehört worden, um festzustellen: wie weit ist rechtlich eine Contrasignatur solcher Kundgebungen des Monarchen nothwendig? und ich bin in Uebereinstimmung mit der Königlich preußischen 89 Kundgebungen, auf die d Contrasignatur nicht bedurften.
Der Artikel 4 der Preußischen Verfassung sagt:
Alle Regierungsakte des Königs bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Gegenzeichnung eines Ministers, welcher dadurch die Verant— wortlichkeit übernimmt.
und der Art. 17 der Reichsverfassung:
Die Anordnungen und Verfügungen des Kaisers werden im Namen des Reichs erlassen und bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Gegenzeichnung des Reichskanzlers, welcher dadurch die Verant— wortlichkeit übernimmt.
Nun bin ich der Meinung, daß, wenn der Monarch dem Staats Ministerium eine Anregung zu seiner Thätigkeit giebt, wie es in diesem Falle geschehen ist, das nicht Regierungsakte sind, die der Gegenzeichnung bedürfen. Zu solchen werden sie erst dann, wenn das Ministerium in die ibm nun aufgegebene Berathung eingetreten ist und auf Grund dieser Berathung dann dem Monarchen seine Vor— schläge macht, der sie entweder billigt oder ändert. Dann erst tritt die Gegerzeichnung des Ministe riums oder des Reichskanzlers ein, dann erst ist sie nöthig
Auch der Umstand, daß diese Allerböchsten Kundgebungen im amtlichen Theile des Reichs ⸗ Anzeigers‘ erschienen sind, ändert daran nichts. Es hat diese Publikation keinen anderen Zweck und keinen anderen Effekt, als den authentiscken Text der Kundgebungen festzu— stellen und bekannt zu geben. Der Monarch kann ebenso gut mündlich seinen Ministern diese Kundgebungen mittheilen, im Kronrath
d er Herr Abg. Richter abzielte, einer solchen
egierung der bestimmten Ansicht, daß die
aussprechen, was er will, als er es schreiben kann. Ich weiß nicht, was dem im Wege steht, solche Aeußerungen des Monarchen, wenn sie seinen Ministern kundgegeben sind und ihrer Natur nach eine Ge— heimhaltung nicht erfordern, zu veröffentlichen. Ich komme dann auf eine zweite Aeußerung des Herrn Abge— ordneten. Er sagte, ich hätte, indem ich von bevorstehenden Mehr⸗ forderungen für die Armee gesprochen hätte, die zweijährige Dienstzeit in Aussicht gestellt (Widerspruch links) — nun, oder von der zwei⸗ jährigen Dienstzeit gesprochen (Widerspruch links) — dann habe ich ihn mißverstanden. Ich wollte feststellen, daß ich das nicht gethan habe. Er fügte aber hinzu, ich hätte die Qualität der Truppen in den Vordergrund gestellt und käme nachher doch wieder mit Mehrforde— rungen. Ich möchte mir hier nur die kurze Bemerkung erlauben, daß die Qualität der Truppen im Wesentlichen von ihrer Jugend bedingt wird. Jugend ist niemals ein militärischer Fehler und jeder Offizier wird viel lieber mit einer jungen Truppe ausrücken, als mit einer von Großvätern. Wenn wir also die Qualitat der Truppen verbessern wollen, ist das Erste, was wir thun können: wir müssen sie verjüngen. Um sie aber verjüngen zu kznnen, müssen wir mehr junge Leute als bisher einstellen. Das war der Zusammenhang, den ich zwischen Qualität und Quantität finden würde. Der Herr Abgeordnete hat gemeint, es wäre auffällig, daß ich von dieser künftigen Mehrforderung gesprochen hätte — und ich will ihm sagen, warum dies geschehen ist. Ich habe neulich gesprochen, um zu beruhigen; nichts beunruhigt aber mehr als dunkle umlaufende Gerüchte. (Sehr richtig!) Ich habe gesagt, wie die Sache liegt, daß die verbündeten Re— gierungen vielleicht im nächsten Jahre vor das Haus treten würden. Hätte ich von der Sache geschwiegen — und der Herr Abg. Richter selbst ist ja oft ausgeleichnet in militaribus unterrichtet —, und wären dann auf dem einen oder anderen Wege in das Publikum die Ge— rüchte gedrungen: da geht wieder was vor, — so würde mit un⸗ endlichen Zahlen gerechnet worden sein, und es würden eben solche Gerüchte zur Beunruhigung beigetragen haben. Ich bin der Mei⸗ nung, wenn ich hier öffentlich ausspreche, daß die verbündeten Regierungen Rath pflegen nach einer oder anderer Richtung hin, dann übers Jahr mit diesem Rath vor Sie hintreten, so ist von meinem Standpunkt Alles geschehen, was einer Beunruhigung vorbeugen kann. (Bravo!) Weiter habe ich nichts damit gewollt. Wenn nun der Herr Ag. Richter für das nächste Jahr in Aus—Q stellt, daß in Folge meiner vorgestrigen Rede die Verhandlungen über Militaria mehr als früher nüchtern, ruhig und sachlich würden geführt werden, so acceptire ich das mit Dank. Lebhafter Beifall.) Abg. Dr. von Frege erklärt, daß er auf dem Kongreß der Steuer“ und Wirthschaftsreformer, der stets der konservativen Strömung seine Unterstützung zugewandt habe und noch jetzt zuwende, aufgetreten sei gegen eine dunkle allgemein verlangte Ermäßigung der Getreidezölle. Bei den Handelsverträgen sei nichts zu machen; da heiße es annehmen oder ablehnen. Bezüglich der Preisbildung bleibe Redner dabei, daß der Schwerpunkt bei der Börse liege und leider nicht mehr bei den Produzenten, es müsse eine direkte Ver⸗ bindung zwischen Produzenten und Konsumenten des Getreides hergestellt werden. Die Agrarier hätten durch ihren Widerspruch gegen die Ermäßigung der Zölle die Stellung der Regierung bei den Handelsrertrags⸗Verhandlungen verstärkt, ohne dafür Dank zu erwarten, wie fie denn Überhaupt bei ihrem Verhalten nicht von Räcksichten auf Dank oder perfönlichen Nutzen, sondern auf das öffentliche Wohl geleitet würden; sie hätten bewiesen, daß sie sich von der Regierung nicht beeinflessen ließen.
Damit schließt die Diskussion; nach einer Reihe von per⸗ sönlichen Bemerkungen werden die meisten Spezial-Etats der Budgetkommission überwiesen.
Schluß 5! Uhr.
Dritte ordentliche Generalsynode.
In der Sonnabendsitzung wurde betreffs de Regelung des Volksschulwesens folgender Beschluß gefaßt:; ‚Der konfessionelle Charakter der Volksschule ist grundsätzlich zu wahren namentlich auch durch folgende Bestimmungen:; a fur jede konfessionelle Schule ist ein konfessioneller Schulvorstand zu erhalten, bezw. zu bilden; 3 iefem Schulvorstand ist in der Regel der Vorsitz einem Göistlichen der betreffenden Konfession zu über—⸗ tragen; c. die Volksschullehrer sind auf konfessionellen Lehrer⸗ bildungsanstalten für ihren Beruf vorzubereiten; d. konfessionellen Minderheiten ist beim Vorhandensein einer möglichst gering zu be: messenden Minimalzahl von schulpflichtigen Kindern das Recht auf eine konfessionelle Schule zuzuerkennen; E. da, wo den evangelischen Minderheiten in der Diaspora wegen einer zu geringen Minderzahl eine Bffentliche Schule nicht zugestanden werden kann, ist di Errichtung konfessioneller Privatschulen nicht s und hierbei eine doppelte Belastung der Eltern zwecken möglichst zu vermeiden; f. die aus der Schule ist in möglichst enger Verbindung mit der Konfirmation
zu erhalten und deshalb die doppelte Schulentlassurg nicht zur all
gemeinen Vorschrift zu machen; g. die Lokal-⸗Schulinspektion für die konfesssonelle Volksschule ist in der Regel einem Geistlichen der be— treffenden Konfession zu übertragen und auch die Kreis⸗Schulinspektion möglichst konfefsionell zu orbnen; h. das für Schulzwecke benutzte Vermögen der Kirchen und Kirchengemeinden ist den letzteren unter allen Umständen zu erhalten.
Ferner wurde in der Trunksuchtsfrage eine längere Resolu— tion beschlossen, in welcher der Staatsregierung Dank für den Gesetz— entwurf zur Bekämpfung des Mißbrauchs geistiger Getränke ausge— sprochen und die zuversichtliche Hoffnung ausgedrückt wird, „daß es durch die kräftige Unterstützung Aller, die von der Ueberzeugung er— füllt sind, daß ohne durchgreifende Maßregeln des Staats eine wirk— same Hülfe gegen diesen furchtbaren Schaden in unserem Volke nicht möglich ist, der Königlichen Staatsregierung gelingen werde, die Be— denken gegen den vorgelegten Gesetzentwurf, welche an das Maß des durch die Trunksucht unserem Volke bereiteten Elends nicht heranreichen, zu überwinden. Die Generalsynode erwartet, daß die Aemter der Kirche in dem energischen Vorgehen der Staatsregierung in jedem Falle die ernste Mahnung finden müssen, alle Mittel der Seelsorge und der barmherzigen Liebe aufzubieten, um der Unmäßig— keit und Völlerei entgegenzuwirken und die an Leib und Seele schon Geschädigten zu heilen. Vemnach stellt die Generalsynode dem Evangelischen Ober ⸗Kirchenrath zur Erwägung anheim, zu geeigneter Zeit die Geistlichen und Gemeinde⸗Kirchenräthe der Landeskirche hierauf hinzuweisen.
In der Montagssitzung wurde das Kirchengesetz über Abände— rungen des Gesetzes wegen des Ruhegehalts auf. Grund eines Kommissionsberichts berathen. Die Debatte drehte sich vornehmlich um die Frage, ob, wenn noch dienstfähige Geistliche aus disziplina⸗ rifchen Gründen emeritirt werden müssen, ihnen geeigneten Falls ein mäßiges Ruhegehalt auf Zeit oder Lebensdauer bewilligt werden kann. Bie Kommission hatte diese Frage bejaht und einen bezüglichen §. 2 formulirt. Die Vorlage des Evangelischen Ober · Kirchenraths
dagegen empfahl die Aufhebung dieses 5. 2, und Präͤsident
Barkbausen bat, sich in diesem Sinne zu entscheiden. Es wurde schließlich folgender Antrag angenommen: „Durch Beschluß des Ober Kirchenraths soll außer dem Falle des § 11 i 2 des Kirchen⸗ gefetzes, betreffend die Dienstvergehen der Kirchenbeamten, solchen Geistlichen, die sich ihrer aus disziplinarischen Gründen erforder⸗ lichen Amtsentsetzung zur Vermeidung eines förmlichen Disziplinar⸗ verfahrens freiwillig unterwerfen, auch wenn sie noch dienstfähig sind. ein mäßiges Ruhegehalt auf Zeit oder Lebensdauer be willigt werden können, Falls Umstände vorliegen. welche ein Abstandnehmen von einem förmlichen Disziplinarverfahren im kirchlichen Jateresse erscheinen lassen. — Ferner wurde auf Antrag der Kommission folgender Artikel 3 angenommen: „Falls die Lage des Pensionefonds es gestattet, wird durch kirchliche, vom Landes⸗ herrn zu erlassende Verordnung, welche in der dem 8 6 der General⸗ Synodalordnung entsprechenden Form zu verkünden ist, den der neuen Penfiongsordnung nicht beigetretenen Geistlichen der sieben östlichen Provinzen eine neue Anschlußftist von einem Jahr gewährt werden.“ Schließlich gelangte auch noch folgende Reso⸗— lution zur Annahme: Mit Rücksicht darauf, daß die in 5. 14 des Ruhegebaltsgesetzts vom 26. Januar 1880 fest⸗ gesetzte achtjährige Abgabe von einem Viertel des Pfründen⸗ oder etatsmäßigen Einkommens an den Pensionsfonds und insbesondere die Abgabe diefes Viertels auch nach dem Tode des Emeritus als etwaß fehr Drückendes empfunden wird, diese Einnahme des Fonds aber zur Zeit durchaus nicht entbehrt werden kann, ersucht die General- synode den Eyangelischen Ober⸗Kirchenrath, in Erwägung zu nehmen, ob nicht eine Erleichterung durch anderweitige Vertheilung dieser Last zu ermöglichen sei und eventuell in diesem Sinne der nächsten General synode eine Vorlage zu machen.“
Schließlich wurde das Kirchengesetz wegen Abänderung des Ge— setzes über die Fürsorge für die Wittwen und Waisen der Geist lichen mit einigen Abänderungen genehmigt.
*
Der Generalsynode, die voraussichtlich am Freitag geschlossen wird, liegt noch folgender Antrag über die öffentliche Sittlichkeit zur Berathung vor: Synode wolle in ebrerbietiger und dankbarer Be— grüßung des vor Kurzem ergangenen Allerhöchsten Erlasses, betreffend die öffentliche Sittlichkeit, beschließen: 1) allen Organen der Kirche zur Pflicht zu machen, gegenüber dem in erschreckender Weise zu⸗ nehmenden und am Marke unseres Volkes in allen Ständen zehrenden Verderben der Unzucht, gegenüber der Macht der unser öffentliches Leben vergiftenden Verführung zur Unzucht, gegenüber der fast zur öffentlichen Meinung gewordenen Entschuldigung und Rechtfertigung der Unzucht von dem heiligen Ernst des sechsten Gebots, welches die Unzucht in jeder Form als Sünde verurtheilt, Zeugniß abzulegen; 2) durch den Evangelischen Ober-Kirchenrath an den Kaiser die Bitte zu richten, es möge ihm als Schutz! und Schirmherrn unserer evangelischen Kirche gefallen, bei den zum Zweck der Bekämxfung der Prostitution zu fassenden Entschließungen solche Maß— nahmen abzuwehren, welche eine Verwirrung der sittlich religiösen Anschauungen unseres christlichen Bolkes im Gefolge haben müßten; 3) die Hoffnung auszusprechen, es werde den Organen der Staats⸗ gewalt doch noch gelin zen, die Unzucht und Unsittlichkeit durch ener⸗ gifche Unterdrückung ihrer öffentlichen Bethätigungen erfolgreich zu bekämpfen; zugleich aber auch die Staatsregierung zu ersuchen, um die Quellen der Verführung so viel als möglich zu verstopfen: a eine Verschärfung des 5. 184 des Reichs ⸗Strafgesetzbuch in der Weife herbeizuführen, daß nicht blos die Verbreitung sondern auch die Herstellung und Anbietung unsittlicher und sittlich anstößiger Darstellungen, Bilder und Schriften nachdrücklich verfolgt werde; b im Hinblick auf die Angriffe, welche auf zahl reichen Theatern fortdautrnd auf Sittlichkeit und Scham⸗
gefühl, namentlich unserer Jugend, gemacht werden, eine schärfere Ueberwachung der Theater ins Auge zu fassen; e. endlich dem immer weiter um sich greifenden Unfug der Anlockung und Ver führung durch weibliche Bedienung in Schanklokalen entgegen zutreten; 4 den Evangelischen Oker ⸗Kirchenrath zu bitten, weil die Rettung der Verfübrten und Gefallenen eine unabweisbare Auf— gabe der barmherzigen Liebe ist, alle Veranstaltungen zu fördern, welche diesem Rettungswerke dienen, insonderheit die Anregung zur Gründung von Zufluchtsstätten für Gefährdete und Gefallene zu geben, auch ibm hierfür durch Bewilligung einer Landeskollekte die erforder—
lichen Mittel zur Verfügung zu stellen.
Statiftik und Volkswirthschaft. Die einst weiligen Ergebnisse der Volkszählung om 1. Dezember 1890 in der Stadt Berlin. e Zabl der bebauten Grundstücke in Berlir betrug
ztatistischen Amt der Stadt veröffentlichten einstweiligen Ec—
139 f Marr. z 99 222 7 gebnissen der letzten Volkszählung 22335, von denen indessen nur 21 614 (gegenüber 18473 in 1880 und 19615 in 1835) bewohnt waren. Die auf das bewohnte Grundstück entfallende Bewohnerzah stieg von 61 im Jahre 1880 auf 67 in 1885 und 73 in 1890. In
der jenseits des Kanals belegenen östlichen Laisenstadt betrug die durchschnittliche Bewohnerzabl sogar 127. Von den Grund⸗ stücken gehörten 1890 552 dem Staat Reich, 312 der Gemeinde, 798 Korporationen, Stiftungen und Gesellschaften, 11 594 Privaten im Hause und 9170 Privaten außerhalb des Hauses. An bewohnten Gebäuden waren 23 765 vorhanden. Neben
Grundstücken kamen noch 1184 Schiffe in Betracht, auf Menschen gezählt wurden. Die Zahl der Haushaltungen
369 027 ermittelt, die der ortsanwesenden Bevölkerung auf 1!
(759 623 m. und 819 171 w.), nter ware en
gehend anwesend, 10 8265 waren vorübergehend ar ltung ab⸗ wesend, sodaß sich eine Wohnbevölkerung v 38 005 und nach Absetzung von 19 596 aktiven Militärpersonen ein 8 409 ergiebt. Die Zunahme der Bevölkerung gegen die V ;
zember 1885 hat 20 ( oder durchschnittlich jährlich 3 65 00 de mittleren Bevölkerung betragen. Daushaltung kamen 1890
4.28 Einwohner gegen 4,31 in 1885 un
jenseits des r c am auf dem Geschlecht hatte in den Ja ͤ einem Ueberwiegen des weiblichen Geschlechts geführt Nach Zählung von 1890 ist das zwar noch der Fall, aber nicht mehr f Fedeutend wie 1835 Während im letztgenannten Jahre 1000 Ein⸗ wohnern 480 männlichen und 520 neiblichen Geschlechts waren, waren in 1890 481 männlichen und 519 weiblichen Geschlechts. Dem Civilstand nach waren 452 837 Personen männlichen Geschlechts ledig, 277 874 ver zeschieden und 1310 ohne Angabe, 452 013 weibliche Personen ledig, 429 ver⸗ heirathet, 76 829 verwittwet, 5188 gesch eden und 78? Angabe. Ver Äntheil der Ledigen männlichen Geschlechts in dem Alter von 2) bis 35 Jahren ist seit 15385 etwas zurückgegangen, von 947 auf S31 unter Jo600 im Alter von 20 bis 25 Jahren und von 583 auf 5664 in' dem Alter ron 25 bis 30 Jahren. Die Zahl der Ver⸗ heiratbeten ist von 59 auf 65 unter 1000 in den ersteren, von 409 auf 473 in der letzteren Klasse gestiegen. Den größten Antheil an Verhetratheten wies 1896 wie 1885 beim männlichen Geschlecht die Altergklafe von 45 bis 50 Jahren auf mit Söß bez. 854 0 / , beim weiblichen die Klasse von I5 bis 40 Jahten mit 743 bez. 733 0 ο. Nach der Konfefsion befanden sich unter den Einwohnern im Jahre 1596 1 356 648 evangelische, 135 0931 römisch⸗katholische, 378 griechisch⸗ katholische, 4899 deutschkatholische, freireligiöse und Dissidenten, 79 2385 Juden, 18375 anderen Religionen Angehörige, und 717, deren religiöse Zugehörigkeit nicht bekannt war. Gegenüber der durchschnittlichen Bevölkerungszunahme von 20 0jo gegen 1885 ergab sich eine Zunahme bei der evangelischen Bevölkerung von 18,4 o, bei der römisch-⸗katho⸗ lischen von J6, 1 Jo und bei der jidischen von 23,2 oso. Die Zahl, der
Mischehen ist bei den evangelischrömifch -katholischen von 20 587 in
1835 auf 26 083 in 1890, bei den evangelisch⸗jüdischen von gl9 auf 1175, bei den römisch -katholisch jüdischen von 81 auf 118 gestiegen. Die Zahl! der geborenen Berliner belief sich auf 305 308 männliche und 356 325. weibliche Personen, gegenüber 453 415 männlichen und 482 845 weiblichen außerhalb Geborenen. Auf 10607 Einwohner amen 1890 403, geborene Berliner männlichen und 411 weiblichen Geschlechts, in 1835 429 bez. 427 und in 1889 427 bei. 440. Der Antheil der geborenen Berliner, der übrigens beim weiblichen Geschlecht ständig ein größerer ist, hat also gegenüber den beiden Vorjäblungen eine Verminderung erfahren. Dem Alter nach kamen auf 1000 Unerwachsene 857, auf 1900 Erwachsene 249 geborene Berliner. Reichsgusländer wurden 1890 17866 ermittelt, 10 642 männliche und 7224 weibliche, etwa die gleiche Zahl wie in 1885. Das stärkste Kontingent bildeten die Oesterreicher, auf die allein 7295, ausschließlich 920 Ungarn, entfielen; es folgten Rußland mit 2416, die Vereinigten Staaten von Nord ⸗ Amerika mit 1462, England mit 1173, die Schweiz mit 747, Italien mit 557 Staate angehörigen. Die Zabl der Familienhäupter, 589 365, ist von 4010/0 sämmtlicher Haushaltungsmitglieder im Jahre 1880 in 1885 auf 405 ίσõ— und in 1890 auf 41600 gestiegen. In der Zunahme der einzelnen Kategorien, aus welchen sich die Haushaltungen zusammensetzen, zeigen sich große Unterschiede. So sind die Dienfiboten, einschließlich der Wirilhschafterinnen, zwar in größerer Zahl vorhanden als bei den Vor— zählungen, relativ haben sie aber abgenommen; während sie nälich 1880 57, 40 00 der Bevölkerung ausmachten, betrugen sie 1885 nur 55,9 Cοο und 1890 nur 51,4 0,o0o. Die Zahl der Schlafgänger hat von 59 087 im Jahre 1880 auf 84687 in 1885 und 95 365 in 1890 zugenommen. Im Vergleich mit der Gesammtheit sind sie dagegen weniger zahlreich als früher. Der Antheil war 1890 60, 8o o gegen 64,4 90 in 1885. Die Verschuldung des ländlichen Grundbesitzes in Preußen.
In einem Artikel in der ‚Deutschen Landw. Presse“ fübrt der Geh., Ober Reg ⸗Rath Dr. H. Thiel aus, daß die freie Dik— positionsbefugniß, die das Edikt vom 14. September 1811 über das Grundeigenthum einführte, nicht von den wohlthätigen Folgen in Bezug auf die Befreiung von Schulden begleitet gewesen sei, die man damals erhofft hatte, und er wirft die Frage auf, wie dem Uebel zu steuern sei.
„Auch die Uiheber des Edikts haben den schuldenfreien Zu— stand des ländlichen Besitzes für den normalen gehalten; sie sind sich der schädlichen Folgen der dauernden Verschuldung für die all⸗ gemeine Landeskultur wohl bewußt gewesen, und es wäre auch schwer zu begreifen, warum sie mit so energischen, fast revolutionären Maß— regeln die Befreiung des Grundbesitzes von allen feudalen Lasten und sonstigen Betrieb sbemmnissen durchgesetzt hätten, wenn sie gegen die Schuldknechtschaft gleichgiltig gewesen wären. Auch ihr Ideal war im Gegentheil der freie Mann auf freier Scholle, in dem sie mit Recht den werthvollsten Theil der ganzen Bevölkerung und die säicherste Grundlage der staatlichen ohlfahrt und der politischen Freibeit erblickten, sie irrten nur in dem Mittel zum Zwecke. Denn wer wollte heute, gestützt auf eine nunmehr S0 jährige Erfabrung, noch behaupten, daß die freie Dispositionsbefugniß den Grundbesitz in der That vor Verschuldung bewahrt habe. Die stetig steigende Vermehrung der Schulden ist ihrem ganzen Betrage nach leider stztistisch nicht nach⸗ weisbar, da wir seit den 40er Jahren aufgehört haben, die Summe
der hypothekarischen Belastung jährlich festzustellen, aber geleugnet
wird dieses Zunehmen auch von denen nicht, die unsere Azrar— verfassung in jeder Beziehung für vortrefflich finden und sich über die Vermehrung der Schulden mit dem Steigen des Werthes von Grund und Boden trösten. Wenn wir auch keine statistischen Zahlen über die Gesömmtsumme der Verschuldung besitzen, so haben wir doch seit fünf Jahren Dank einer vom Landes Oekonomie Kollegium ausgegangenen Anregung eine Art von Barometer für die Zu⸗ oder Abnahme der Verschuldung in den jährlichen Aufzeichnungen der Summe der hypo— thekarischen Eintragungen und Löschungen getrennt nach städtischen und 1 Bezirken. Die betreffenden Zahlen sind für den ganzen Staa .
Städtische Bezirke Tändliche Bezirke . . Mehr⸗ Mehr⸗ Eintra⸗ Löschun⸗ betrag der Eintra . Löschun⸗ hetrag d. gungen gen Eintran⸗ gungen gen Eintra⸗ . ungen gungen in Millionen in Millionen **
1886‚87? 100481 570352 4 dsc] 624, 168 491,00 4 133, 1857335 1123,55 561.27 36,378 557 567 479. 55 4 18565 89 1348,45 62411 23, d 583.17 46316 4 1 1885/86 1484.59 676 o 4 3 651.33 47730 1 1856 51 1380 335 6655 09 77. 651,59 46527 * 1
Ade
80 1 9 h., Zusammen 346,21 3096,80 4 3249, 41 3048,47 2370,Bz5 4 677,71 Beim ische Besitz betragen demnach die Löschungen Durchschnitt 48.8 C0 der Eintragungen, beim ländlichen Besitz gegen 77,8 o/o. Dieser letztere Prozentsatz ist in den meisten Ober⸗
83
Landesgerichtsbezirken ziemlich gleichmäßig, nur in Posen und Kassel erhebt sich die Summe der Löschungen über die der Entragungen, weil im ersten Bezirke bei den Ankäufen seitens der Ansiedelungs⸗ kommission alle Hypotheken getilgt und im letzteren Bezirke bei Regu— lirung des Grundbuchs alle absolet gewordenen Verpflichtungen ge— löscht wurden. In den Bezirken Frankfurt a. M. und Köln ist der Prozentsatz der Löschungen 974 bezw. 91,4 ½ der Eintragungen die Verschuldung hai in diesen Gegenden mit parzellirtem Besitz be⸗ reits eine solche Höhe erreicht, daß eine Art von Beharrungèzustand eingetreten ist. Man mag nun die absolute Bedeutung dieser Zahlen noch so sehr abschwächen wollen durch den Hinwels auf die bekannte Thatsache, daß vielfach hypothekarische Schulden abbezahlt, aber nicht im Grundbuch gelöscht werden, man mag auch hervorheben, daß die Eintragungen vielfach nicht eine Vermehrung der gesammten Schulden, sondern nur eine Umwandlung der Personalschulden in Realschulden darstellen — was Üützteres übrigens ein schlechtes Zeichen für die Lage der Landwirthschaft ist, denn diese Umwandlung tritt meistens dann ein, wenn die Personalschulden unsicher werden und nicht mehr abgezahlt werden können —, so wird man doch nicht leugnen können, daß die nach allen diesen Abzügen übrigbleibende Vermehrung der hypothekarischen Schulden in den ländlichen Bezirken ein um so be— drohlicheres Symptom darstellt, als ihr nicht, wie in den städtischen Bezirken, besondere Wertherhöhungen gegenüberstehen. In den Slädten werden durch Neubauten fortwährend neue Werthe geschaffen — von den 3249 Millionen Mehreintragungen fallen allein auf das so kolossal wachsende Berlin ungefähr die Hälfte; aber wer möchte wohl behaupten, daß in den letzten fünf Jahren der ländliche Grundbesitz überhaupt im Werthe gestiegen sei, oder daß der Mehrperschuldung irgend beträchtliche Werthsteigerungen durch produktive Anlagen von Gebäuden, Meliorationen c. gegenüberständen. Selbst wenn man zu⸗ geben wollte, daß die Zunabme der Verschuldung keine besonders nelle und daß sie gegenüber den Gesammtwerthen des Grund und Bodens noch keine direkt bedrohliche sei, muß man doch die Thatsache der zunehmenden Verschuldung für eine sehr bedenkliche erklären. Fur solche krankhaften Prozesse, welche am innersten Marke des Staats n ,, es ein schlechter Trost, daß di⸗ Sache nicht gar zu akut ist . n . , . Uebel darstellt; ein Uebel bleibt es trotz . Diem f . Untergang führen muß, wenn ibm nicht gesteuert , Lahlt . schon so sehr die Empfindung für die Be— ,, Win ig unabhängigen Gutsbesitzer, und Bauernstandes bar de df z ar r n Staats leben verloren haben, daß wir den nee n e, geen ür den normalen ansehen und nichts Bedrohliches ,,, . daß schließlich der ganze Grundbesitz alt n gehn; zn er sogenannte Besitzer nur noch ein schlechter a , mr des kapitalistischen Gläubigers Hisel chats otrn es vielleicht besser gewesen, es bei der feudalen
ung zu belassen. Sieht man aber in der steigenden
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Verschuldung des ländlichen Grundbesitzes eine der bedenklichsten Er— scheinungen, dann muß man auch . schreiten, aten, es überhaupt noch Zeit ist, solange also die Widerstandskraft der jetzigen Jesitzer noch nicht so geschwächt ist, daß sie zur Mitwirkung bei der Schuldentlastung unfähig geworden. Bevor man sich zu irgendwie schärfer eingreifenden Maßregeln entscheidet, muß freilich die Thatsache der Verschuldung in ihrer absoluten Höhe und ihrer steigenden Tenden; so festgestellt sein, daß keine Ausflüchte irgend welcher Art mehr möglich sind. Zunächst wäre da eine Vervollständigung unferer Ovpothektenstatistit unentbehrlich, welche es ermöglichte, die gesammten, wirklich zu Recht bestehenden Schuldverhältnisse und die hieraus ent— springende Zinsenlast genau zu übersehen, dann eine längere Fort— führung der jetzigen Aufnahmen über Eintragungen und Löschungen, um den Einfluß guter und schlechter Ernte und Preis jahre konstatiren zu können. Sind diese Thatsachen unleugbar sestgestellt, und kein Geld dürfte zu tbeuer sein, um in dieser Fandamentalfrage der Beurtheilung unserer volkswirthschaftlichen Verhaäͤltnisse Den egen zu verschaffen, dann würde man sich auch den Konsequenzen nibt entziehen können, die aus den wirthschaftlichen Resultaten der bestehenden Erwerbs“ Veräußerungs⸗ und Verschuldungsfreiheit und des damit im engsten Zusammenhang stehenden Erbrechtes für die Aenderung diefer Gesetze gejogen werden müßten.“
Wohlfahrtseinrichtungen in Schlesien.
. Die Schweidnitzer Tägliche Rundschau' berichtet: In dem Kinderheim in Alt-Seidenberg haben nach dem dieser Tage aus— gegebenen Jahresbericht bis jetzt überhaupt 26 Kinder Aufnahme ge— funden. Von 5 Kindern waren die Väter oder Mütter bestrafte Verbrecher, von 4 Kindern die Väter oder Mütter ganz dem Trunk ergeben, 5 Kinder waren verwaist, 4 aus geschiedenen Eben und 9 unehelich. Gegenwärtig sind 9 Geitweise 10) Pfleglinge im Heim. Von ihnen jahlen nur 2 das volle Pflegegeld mit jährlich 100 S, die anderen die Hälfte und zwei gar nichts. Dem Verein tritt dadurch eine Sorge nahe, daß das als Heim stätte erpachtete Haus kontraktlich nur bis zum Juli 1892 ge— sichert ist, und bis dahin kann es nebst Obstgarten und Ackerland für 2400 6 käuflich erworben werden; wird es jedoch bis dahin nicht angekaust, fo kann nicht nur die Herberge verloren gehen, sondern auch noch etwa 600 , die schon hineingebaut werden mußten. — Der vaterländische Frauen Verein für den Kreis Grottkau hat eine Verloosung von verschiedenen Gegenständen zu Gunsten des Siechenheimß und der Unterstützung Nothleidender gespendet. Ihre Mgjestäten die Kaiserin Auguste Victorig und die Kaiserin Friedrich hatten für die Verloosung Geschenke ge⸗ spendet. — In Neustadt O.⸗Schl. beabsichtigt der vaterländische Frauen-Zweigserein die Errichtung einer Volksküche. Die städtischen Behörden haben dazu einen Beitrag von 590 e gewährt. — In Oels ist der Frauenverein mit seinen Einrichtungen für die Unter⸗ bringung der Krankenpflegerinnen, der Suppenanstalt u. s. w. bisher auf unzureichende Miethsräume angewiesen gewesen. Jetzt beabsichtigt er die Erbauung eines eigenen Heims, das zur Aufnahme einer An— zahl von Schwestern aus dem Mutterhause in Kraschnitz und zur sonstigen Erweiterung der mildthätigen Wirksamkeit des Vereins die nöthigen Räume enthalten soll. Die Baukosten sind auf 50 000 S veranschlagt und sollen darlehnsweise aufgebracht werden. Als Beitrag zur Sicherstellung der Amortisation und Verzinsung haben die städti— schen Körperschaften einen jährlichen Zuschuß von 300 M aus Kämmereimitteln widerruflich bewilligt. .
Zur Wohnungsfrage.
Aus Braunschweig wird gemeldet, daß die dortigen Bäckergesellen vor einiger Zeit eine Eingabe an die PelizeiDirektion richteten, in der auf die dürftigen und ungesunden Verhältnisse der Wohn und Schlafräume der Bäckergesellen hingewiesen wurde. Auf Ver— anlassung des Herzoglichen Staats-Ministeriums wurden durch die Pollzei die Schlafräume der Bäckergesellen untersucht. Es haben sich dabei große Mißstände herausgestellt. Zum Theil befanden sich die Schlafräume der Bäckergesellen über Backräumen, Aborten, Pferdeställen und sogar in der Mebhlkammer. Aus gesund—⸗ heitlichen und baupolizeilichen Gründen wird nun gegen die betreffen⸗ den Bäckermeister vorgegangen und ihnen aufgegeben, entweder die Schlafräume zu verbessern oder ihren Leuten andere Räume anzu— weisen. — Großindustrielle auf Steinwärder bei Hamburg haben den Plan gefaßt, auf den benachbarten kleineren Elbinseln für ihre zahl— reichen Arbeiter gesunde und freundliche Wohnungen zu erbauen ie nach und nach in den Besitz der Arbeiter übergehen ; In Br nber wurde ein Volksbauverein gegruͤndet, der sich die Anlage einer „Heimstätten⸗Kolonie' zur Aufgabe stelll. Es ist zunächst der Bau von 209 solcher massiver Heimstätten in Aussicht genommen. — Die gemeinnützige Aktienbau— gesellschaft in Solingen hat drei an verschiedenen Enden d gelegene Grundstücke angekauft und auf d wohnhäuser für Arbeiter und Handwerk
n der Sta iesen fünf schmucke Doppel er erbaut, die auch schon
ben Doppelhäusern ab. Für idstück und Bauten
hat der Verein 64 000 MS verausgabt, er jetzt eine neue Ein—
zahlung von 14 000 MS — 10060 des Aktienkapitals veranlassen und 1f s
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1. 1 6 uf dem eingeschlagenen Wege rüstige
Zur Arbeiterbewegung. In Bochum fand am Sonntag eine Bergarbeiter—
entnehmen, die Unterstützung der ausständigen französischen Bergarbeiter beschloß. Zu diesem Zweck sollen Sammlungen veranstaltet werden. Die Vertrauensmänner senden die ein— gegangenen Gelder an den Verbandskassirer Meyer, der die Weiterbeförderung zu besorgen hat. Die in den einzelnen Bezirken abgehaltenen Ve sammlungen waren sehr schwach besucht. (Vgl. Nr. 281 d. Bl.) . .
Aus dem Saarrevier wird der „Frkf. Ztg.“ über das publizistishe Organ des Rechtsschutzvereins geschrieben:
Die Vorstandsmitglieder des bergmännischen Rechisschutzvereins sind nicht in der Lage gewesen, das Bergarbeiterblatt und die Druckerei im Bezirk am Leben zu erhalten. Das Blatt wird jetzt
chdem die sozialdemokratische Mannbeimer „Volksstimme“ ein ge
e den Text geliefert, in Gelsenkirchen als Filiale der „Zeitung er deutschen Bergleute? (Verbandsorgan) herausgegeben, die in der gleichen Richtung zu arbeiten scheint. ;
Der Correspondent bemerkt zur Lage der Bergarbeiter— bewegung im Saarrevier, daß, da der äußerlich parteilose „Rechtsschutzverein“ durch seinen Führer ins Wanken gerathen
. Versammlung statt, die, wie wir der Berliner „Volkeztg.“
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habe, der Mangel einer richtigen Organisation der Bergarbeiter empfunden werde; es wäre zu wünschen, daß es gelänge, eine solche bald zu Stande zu bringen.
In Schwarzenbach a. S. hat, wie der „Vorwärts“ berichtet, das Malerperfonal der Porzellanfabrik Oskar Schaller u. Co. wegen Lohn und sonstigen Differenzen die Arbeit eingestellt.
In Wien verhandelte vor einigen Tagen eine Versamm⸗ lung von etwa 1600 Damen und Herren über den Brüssel 'r Studentenkongreß, und faßte, wie der „Vorwärts mit⸗ theilt, eine Resolution, die den „Kopfarbeilern und Arbei— terinnen“ den Anschluß an die sozialdemokratische Partei empfiehlt. Außerdem wurde mit 45 gegen 19 Stimmen unter Begründung folgender Beschluß gefaßt: . ö
Die Verfammlung erklärt: Es ist völlig belanglos, eine politische Studentenbewegung ins Leben ju rufen oder zu föDedern, vielmehr ist
341K. .
es nothwendig, daß sich die proletarischen Elemente unter den Stu denten mit den Organisationen der übrigen Intelligenz ⸗Proletarier, der Arbeiterbewegung eines jeden Landes anschließen unter der steten Betonung der Interessengemeinschaft aller Arbeiter.
Nach telegraphischen Nachrichten vom gestrigen Tage darf der Bergarbeiter-Ausstand in Nordfrankreich, nachdem der Kongreß der Delegirten der Bergarbeiter gestern beschlossen hat, daß die Arbeit heute früh in allen Gruben wieder aufgengmmen werden sollte, als beendigt betrachtet werden. In Lourches (Departement Nord) und Marles (Departement Pas de Calais) wurde von vielen Bergleuten die Arbeit bereits gestern wieder aufgenommen. Die Situation in Auzin (Departement Nord) ist andauernd günstig.
Vom Paxteitag der schweizerischen Sozialdemo— kraten in Olten berichtet man der „Frkf. Ztg.“:
. Am Sonntag Nachmittag wurde die Reuorganisation der sozial de mokratischen Partei fertig berathen, und die verhandelten Vorschläge wurden im Wesentlichen unverändert angenommen. Von den weiteren Beschlüssen sind zu erwähnen: In der französischen Schweiz soll ein neues Parteiorgan „Le Socialiste“ gegründet werden. Zum Parteivoroart wurde nahezu einstimmig Basel gewählt, zum Parte ⸗Präsidenten: Redacteur Wullschläger (Baseh. Das Recht auf Arbeit soll auf dem Wege der Volksinitiative in die Bundesverfassung aufgenommen werden; die hierzu usthigen Arbeiten
8 1 9.
2 212 r* 2 * wurden dem neuen Parteicomits übertragen. Den nächsten inter—
nationalen Arbeiterkongreßort hat das Parteicomils zu bestimmen doch ist Zürich gesichert. .
Kunft und Wissenschaft.
. t In den. Ausstellungsräumen des Vereins Berliner Künstler im Architektenhause sind zur Zeit eine Reihe von Arbeiten unserer Berliner Landschaftsmaler ausgestellt, unter denen wir nur kurz zwei sehr feingestimmte Waldinterieurs von Müller-Kurzwelly, ein? Frühlings— idylle von Walter-Leistikow, das Schloß Runkelstein bei Botzen von Otto von Kamecke, zwei nordische Fjordland— schaften von Normann, ein außerordentlich reichfarbiges schwedisches Dorf bei Abendstimmung von Bergström sowie kleinere Bilder von Marr, Do uzette, Müller-Käm pf, Junghenn, Köhnzert, Pflugradt, Lessing, Günther— Naumburg und Frenzel nennen. Besonderes Interesse nimmt eine phantastische Komposition von Hermann Hendrich in Anspruch, die der Künstler „Seemärchen“ genannt hat. Auf einer Klippe sehen wir, vom freien Meere durch ein wunderliches Felsenthor abgeschnitten, eine Najade sitzen, deren feuchtes Blondhaar in allen Farben des Regen— bogens schillert; durch den Eingang naht ihr ein phantastisches Seeungethüm in Drachengestalt. Aus der Gro heraus, deren Lichtspiel vorzüglich wiedergegeben blick man auf ein hellbeleuchtetes Felsenschloß Ufer. Da. der Darstellung kein näher bezeichneter Inhalt zu Grunde liegt! und die Handlung selbst ihn nicht klar ausspricht, wendet sich die Aufmerksamkeit nothwendigerweise lebhafter den Einzelheiten der Schilderung zu, und hier ist es, wo der Beschauer enttäuscht wird. Böcklin versteht es, uns durch die Intensität der Farbenstimmung auch bei einem unergründlichen Räthselinhalt zu entschädigen, er fesselt unserẽ Aufmerksamkeit durch rein künstlerische Mittel so stark, daß wir unmillkürlich in den Be seiner Räthselgestalten gerathen. Hendrich versteht das r
nicht in dem Maße; Erfindung und Darstellungskraft stehen nich uf gleicher Höhe. Insbesondere fühlt man 3 be Vergleich des Meeresspiegels in seinem Bilde mit den leuchtenden Wogenmassen, wie sie Böcklin's Pinsel auf die Leinwand zu zaubern versteht. Der Märchenapparat scheint bei ihm einem an sich gleichgültigen Vorgange äußerlich hin zugefügt. Damit sollen dem Werke Hendrich's keineswegs bedeutende malerische Qualitäten abgesprochen werden. Nur wandelt er nicht ungestraft auf den Pfaden der Märchenpoesie eines Böcklin. — In demselben Oberlichtsaale begegnet uns noch neben den schon früher an dieser Stelle besprochenen Werken Oswald Achenbach's, Skramstad's und Zonaro's ein venezia⸗ nisches Marktbild von Ettore Tito, das recht lebendig und frisch in der Farbenwirkung ist, Hochmann's „am Ziel“, zin Momentbild vom Rennplatz von überraschender Schärse der Beobachtung, sowie eine ältere Arbeit von C. Röchling „Schwarz⸗ wälder Flößer an der Enz“ mit hübschem mittelalterlichen Stadtprospekt im Hintergrunde, eine an Ribera erinnernde
große Studie von Leuenburger und mehrere kleinere Ar— beiten von Seitz, Theuerkauf, Feldmann, Dannen— berg u. A. Unter den Bildwerken fallen einige Statuetten von Brütt und Lepke in gelungenem, gut patinirten Bronze
guß der Firma Schäffer und Walcker auf.
sche Gesellschaft. der letzten Sitzung wurde von Herrn A. mond ein Experimentalvortrag gehalter des galvanischen rom für die Technik aan J,, 8
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mehr anderen statt. Vorzüge
hin werden niemals betrieben werden, da in diesem Falle eine ökonomische werden kam Es ist nämlich de— Arbeitskraft, den man dadurch erfährt, daß sich auf eine langen Drahtleitung ein Theil des Stromeg in Wärme umsetzt, al hängig von der berutzten Spannung. Ist die Spannung der Elektrizität eine hohe, so erfährt man beim Uebertragen eines gewissen Quantums von Arbeitskraft einen geringeren Verlust als bei niedriger Spannung. Dies gilt unter der Voraussetzung, daß man in beiden
Fallen gleich starke Drabtleitungen benutzt; fübrt man den Strom durch
ö do * z 105 z s. ß sei und an Vertrauen bei den Mtgliedern bedeutend verloren (ine dünne Leitung, fo wird zwar in beiden Fällen der Vrrlust aröher,
doch fällt das offenbar für die hobe Spannung weniger ins Gewicht, da eben bei ihr der Verlust überhaupt nicht so groß ist, Aehnlich wie man — um ein vielbenutztes Beispiel anzuführen — bei einer Wasserleitung Rohre von verhältnißmäßig kleinem Querschnitt jur Fortführung der Wassermassen verwenden kann, falls der Druck hin= fänglich stark ist, so kann man nach dem Vorangegan zenen einen stark gespannten Strom auch auf weite Strecken hin durch verbältniß mäßig bünne Leitungen fortführen, und in dieser Beziehung erfüllt also der Strom von hober Spannung die wichtigste Bedingung der Rentabi— sstät. Denn diese ist in erster Linie von den Kosten des Leitungs— materials abhängig. Hat man z. B. einen Strom von 1000 Volt, d. h. von einer solchen Spannung, daß man 10 der üblichen Glühlampen hintereinander in den Stromkreis einschalten und zum Leuchten bringen kann, so würde hierfür die Uebertragung in die Ferne böchstens für Strecken von 10 km rentabel sein; für größere Ent⸗ fernungen reicht diese Spannung nicht aus. Die Gleichstrom⸗