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wendung aus zuschließen. Papiere, welche durch den Trocen⸗ stempel in eine niedrigere Verwendungsklasse eingereiht sind, dürfen von den Behörden nur für diese Verwendungsklasse angenommen werden. . . .
Ergiebt sich bei der amtlichen Prüfung, daß die durch die Verwendungsklasse gegebenen Vorschriften durchweg nur sehr knapp erfüllt oder geringe Abweichungen nach unten vor⸗ handen sind, so darf die Versuchsanstalt auf den generellen Antrag des durch das Wasserzeichen genannten Firmen⸗ inhabers diesem das Prüfungsergebniß mittheilen.
§. 10. .
Zur Erklärung des Wesens der Prüfungen und der in den vorstehenden Tabellen, sowie in den auszugebenden Prüfungszeugnissen gebrauchten technischen Ausdrücke ist Folgendes zu bemerken: .
Die Ausdauerfähigkeit und Güte eines Papiers ist im Wesentlichen durch seine Stoffzusammensetzung und seine Festigkeitseigenschaften bedingt.
Zur Feststellung der Stoffzusammensetzung dient vor⸗ nehmlich die mikroskopische Untersuchung. Zur Zeit gilt die Erfahrung, daß die Lumpenfasern das ausdauer fähigste Material geben; am Wenigsten ausdauerfähig sind die Papiere mit Holz- schliff. Die mikroskopische Untersuchung kann auch zugleich angenähert die Mengenverhältnisse der Faserstoffe feststellen.
Der Aschengehalt giebt diejenigen Papierbestandtheile an, welche beim Verbrennen und darauf folgendem Glühen als unverbrennlich zurückbleiben; sie betragen bei Papier, dem keine mineralischen Füllstoffe zugesetzt sind, höchstens drei Pro— zent. Die mineralischen Füllstoffe dienen dazu, das Papier im Aussehen und Griff besser, es druckfähiger, billiger oder schwer zu machen. Die zulässigen Grenzen sind in den „Vor— schriften“ gegeben. .
Das zu Schreibzwecken dienende Papier muß leimfest sein, damit es sich gut beschreibt und die Tinte nicht durchläßt.
Zu den Festigkeitseigenschaften rechnet man Festigkeit gegen Zerreißen, Dehnbarkeit und Widerstand gegen Zer— knittern und Reiben. .
Die Festigkeit des Papiers wird in zwei aufeinander senk— rechten Richtungen (Maschinenrichtung und Querrichtung) be⸗ stimmt; als Grundlage für die Beurtheilung dient das Mittel aus beiden Bestimmungen, die sogengnnte mittlere Reißlänge. Man versteht unter Reißlänge diejenige Länge eines Streifens von gleichbleibender Breite und Dicke, bei welcher er, an einem Ende aufgehängt gedacht, in Folge seines eigenen Gewichts abreißen würde. .
Die Reißlänge, welche also von der Dicke und der Breite des Streifens unabhängig ist, nimmt zu mit der Güte des Papiers. . ö
Die Bruchdehnung wird bei der Bestimmung der Reiß— länge mitgemessen; sie drückt die Verlängerung des Probe— streifens bis zum Zerreißen aus und wird in Prozenten seiner ursprünglichen Länge angegeben. Sie nimmt ebenfalls zu mit der Güte des Papiers.
Die Widerstandsfähigkeit gegen Zerknittern und Reiben kann nicht durch Zahlenwerthe ausgedrückt werden, weil dieser Versuch nicht mit Hülfe von Apparaten, sondern durch Knittern und Reiben mit der Hand ausgeführt wird. Die zur Be⸗ messung des Widerstandsgrades angenommene Skala, von den geringeren Sorten zu den besseren aussteigend, ist folgende:
0 — außerordentlich gering, 12 fehr gering. 2 — gern, 3 — mittelmäßig, 4 — ziemlich groß, O9
11.
Die Behörden sind verpflichtet, die durch Tabelle III der „Vorschriften“ gegebenen Grenzwerthe für die Stoff- und . ihren Lieferungsbedingungen zu Grunde zu egen.
In die über die Papierlieferung abzuschließenden Ver⸗ träge ist die Bestimmung aufzunehmen, daß der Lieferant sich allen in den „Vorschristen“ ihm auferlegten Verpflichtungen zu unterwerf en habe.
Die „Vorschriften“ sind jedem Lieferungsvertrage anzu— heften und zu dem Zweck von der Königlichen mechanisch⸗technischen Versuchsanstalt (Charlottenburg, Technische Hochschule) im Ab⸗ druck auf Verlangen abzugeben.
Berlin, den 17. November 1891.
Königliches Staats-Mini sterium.
Per sonalver änderungen.
Königlich Preußische Armee.
Dffisiere, Portepee⸗-Fähnriche ze. Ernennungen, Beförderungen und Versetzungen. Im aktiven Heere. Berlin, 24. November. v. Estorff, Ser. Lt. vom Inf. Regt. Herzog Friedrich Wilhelm von Braunschwelg (Ostfries.) Nr. 78, zum Pr. 3. Jö
eues Palais, 26. November. Frhr. v. Hou wald, Hauptm. und Comp. Chef vom Inf. Regt. von erde (2 e n Mn 19, unter Beförderung zum Major und Stellung à Ia suits des 2. Niederschles. Inf. Regts. Nr. 47, zum Eisenbahnlinien ⸗Kommissar in Hannober ernannt. Freyer, Pr. Lt. vom Inf. Regt. von Cour—⸗ bière (2. Posen) Nr. 19, zum Hauptm. und Comp. Chef, v. Ku⸗ nowski J., Sec. Lt. von dems. Regt, zum Pr. Lt, Frhr. von Steinäcker, Hauptmann à la suite des Infanterie ⸗ Regiments Graf Tauentzien, von Wittenberg (3. Brandenburg) Rr. 30 und Gisenbabn⸗Kommissar, kommandirt zur BDienstleistung bei der Eisen⸗ bahn ⸗Abtheilung des Großen Generalstabes, zum Major, vorläufig ohne Patent, — befördert. Etz dorf, Hauptm. und Comp. Chef vom Garde-Pion. Bat, unter Beförderung zum Major und unter Ueberweisung zum Großen Generalstabe, in den Generalstab der Armee, Stieler, Sec. Lt. vom 4 Bad. Inf. Regt. Prin; Wil helm Nr. 112, in das Inf. Regt. Nr. 99, Graf Strachwitz v. Groß- Zauche u. Cam m in etz, Sec. Lt. vom Brandenburg. Jäger⸗ Bat. Nr. 3, in das Inf. Regt. Nr. 136, — verfetzt. Hummelshain, 28. November. Herzog von Sach sen⸗ Altenburg Hoheit, Gen. der Inf, Cheß des 1. Bats. 7. Thüring. Inf. Regts. Nr. 95 und des 2 Schles. Jäger⸗Bafts. Nr. H, fowie à la suite deg 1. Garde- Regts. zu Fuß, auch à Ja suite des Thüring. Huf. Regts. Nr. 12 gestellt. Frhr. v. Gagern, Hauptm. und Flügel Adjutant des Grofberzogs von Baden Koͤnigliche Hoheit, zur Dienstleistung bei dem Großen Generalstabe kommandirt. Abschiedsbewilligungen. Im aktiven Heere. Berlin, 24. November. r. We del l, Pr. Lt. vom Inf. Regt. Herzog Friedrich Wilbelm von Braunschweig (Ostfrief.) Rr. 78, als Haupim. mit Pension nebst Aussicht auf Anstellung im Civildienst, v. Binzer, Sec. Lt. vom Gren. Regt. Graf Kleist von Nollendorf (1. Westpreuß.j
Nr. 6, mit Pension, v. Kaehne, See. Lt. vom 1. Thüring Inf. Regt Nr. 31, als Pr. Lt. mit Pension, v Lilienhboff⸗Zwowitzkv, Sec. Lt. vom 1 Nassau. Inf. Regt. Nr. 87, mit Pension, v. Platen, Sec. Lt. vom Großherzogl. Mecklenburg. Gren. Regt. Nr. 89, mit , . nebst Aussicht auf Anstellung im Civildienst, — der Abschied ewilligt. ᷣ
hu es Palais, 26. November. Delhees, Oberst⸗Lt. A la suite des 4. Magdeburg. Inf. Regts. Nr. 67 und Eisenbahnlinien Kommissar in Hannover, mit Pension und seiner bisherigen Uniform der Abschied bewilligt.
Im Beurlaubtenstande. Berlin, 24. November. Westphal, Sec. Lt. von der Res. des 6. Bad. Inf. Regts. Kaiser Friedrich II. Nr. 114, der Abschied bewilligt.
Evangelische Militär⸗Geistliche.
23. November. Wiehe, Pastor in Borckhorst, zum Div. Pfarrer der 15. Div. in Köln ernannt.
24. November. Dr. Trepte, Rektor in Greifenhagen, zum Div. Pfarrer der 18. Div. in Rendsburg ernannt.
Evangelische Marine⸗Geistliche.
2. November. Andreae, Pfarrverweser in Großbeeren, zum
Marine ⸗Pfarrer der Ostseestation in Kiel ernannt. Marine · Justizbeamte.
Durch Verfügung des General ⸗Auditeurs der Kaiser⸗ lichen Marine. 27. November. Anschütz, Marine⸗Auditeur in Wilbelmsbaven, zur Marinestation der Ostsee bom 1. Januar 1892 ab versetzt.
Deutscher Reichstag. 131. Sitzung vom Dienstag, 1. Dezember, 1 Uhr.
Am Tische des Bundesraths der Reichskanzler von Caprivi und die Staatssekretäre Dr. von Boetticher, Freiherr von Maltzahn und Freiherr von Marschall.
Auf der Tagesordnung steht zunächst die erste Berathung des Gesetzentwurfs über die Einnahmen und Ausgaben der Schutzgebiete.
Staatssekretär Freiherr von Maltzahn:
Meine Herren! Für die Finanzverwaltung der deutschen Schutz gebiete bildet der Abschnitt II. der Reichs verwaltung keine genügende Grundlage. Zur Zeit der Emanation der Verfassung besaß Deutsch⸗ land keine überseeischen Länder und die Artikel unserer Verfassung sind durchweg auf heimische, deutsche Verhältnisse zugeschnitten. Es ist daher wohl begreiflich, daß über die Gestaltung des Etats der deutschen Schutzgebiete verschiedene Meinungen sich gebildet haben, verschiedene Meinungen innerhalb des Reichätags zur Aeußerung ge— kommen sind und bisher eine volle Kongruenz der Anschauung des Reichstags, wie sie sich durch Majoritätsbeschlüsse bekundet hat, und derjenigen der verbündeten Regierungen noch nicht hat erzielt werden können.
Die Vorlage, welche Ihnen gemacht ist, stellt sich als ein Versuch dar, der Finanzverwaltung der Schutzgebiete eine neue gesetzliche Grundlage zu geben, und diesen Versuch werden Sie zu prüfen haben. Die Vorlage kommt — und es ist dies die ausdrückliche Absicht, mit der sie eingebracht ist, — den Wünschen des Reichstags, wie sie wiederholt zum Ausdruck gelangt sind, nach Möglichkeit entgegen. Wenn dieselbe auf die Finanzverwaltung der Schutzgebiete nicht voll und ganz dieselben Grundsätze anwendet, welche nach Abschnitt XII. unserer Reichsverfassung bei der Verwaltung der Reichsfinanzen gelten, Eso liegt dies daran, daß die eigenthümlichen Verhältnisse dieser Gebiete eine derartige gleichmäßige Regelung nicht ge— statten. Die räumliche Entfernung jener Gebiete vom Vater—
land und die Besonderheit ihrer staatsrechtlichen Stellung bedingen Abweichungen von dem allgemeinen Finanzrecht
des Reichs, welche in der Vorlage zum Ausdruck gekommen sind. Zur Zeit bildet die Grundlage für die Gestaltung der Finanzver— hältnisse der Schutzgebiete der 5. 1 des Gesetzes vom 17. April 1886, betreffend die Rechtsverhältnisse der deutschen Schutzgebiete, nach welchem der Kaiser im Namen des Reichs die Schutzgewalt in den Schutzgebieten ausübt. Diese Schutzgewalt enthält auch die Finanz hoheit. Mit dem Reichttag sind die verbündeten Regierungen darüber einig, daß es ein erstrebenswerthes Ziel ist, diese Angelegen—⸗ heit etwas spezialisirter zu ordnen. Wenn das auf dem Boden der Ihnen gemachten Vorlage erfolgen kann, wenn die Vorlage demgemäß Ihre Billigung findet, so glauben die verbündeten Regierungen, daß sie damit die Möglichkeit entstehender Differenzen verringert haben werden, und ich kann daher die Vorlage Ihrer wohlwollenden Prüfung
empfehlen.
Abg. Dr. Bamberger: Allerdings sei früher in der Budget— kommission mehrfach der Wunsch geäußert worden, statt eines all— gemeinen Pauschquantums in Zukunft speziellere Posten für die Ver waltung der Schutzgebiete in den Etat einzustellen, und diesem freilich zu keinem Beschluß verdichteten Verlangen habe die Regierung Er— füllung in Aucssicht gestellt Ob die Erfüllung durch Aufstellung eines besonderen, vom sonstigen Reichs-⸗Etat unabhängigen Kolonial-Ctats eine richtige sei, erscheine ihm zweifelhaft, endgültig schlüssig habe er sich darüber noch nicht gemacht. Man sehe in der Benkschrift die schon bei der Aufnahme der Kolonialanleibe Ppor— gebrachte. Regierungsauffassung wiederkebren, daß die aus dem Koheitsrecht in den Kolonien abgeleiteten Finanzfragen den Reichstag gewissermaßen nichts angingen, daß jedes Kolonialgebiet gleichsam eine juristische Person fei, die selbstaͤndig Anleihen aufnehmen könge. Er beanstande ferner, daß die Ueber? schüsse des einen Kolonialgebiets nicht zur Deckung des Fehlbetrages eines anderen verwandt werden sollten, sondern nur für dieses eine aufbewahrt werden müßten. Das könne dem Reich nur Lasten, aber nie Gutes bringen. Besser würde es sein, den ganzen Kolonial ⸗Ctat mit seinen Einnahmen und Ausgaben in den (llgemeinen Etat ein ˖ zustellen. Unter den Ursachen der allgemeinen Mißstimmung sollte sich nach dem Reichekanzler auch die Kolonialpolitik der Regierung befinden. Er (Redner) sei gegenüber diesen Klagen über wert ver breitete Beklemmungen sehr skeptisch. Jeder sehe, was er sehen wolle, und am Meisten sprächen die von Unruhe, die wünschten, daß man sich beunruhige. . In der großen Masse sei von Unruhe nicht mehr die Rede als früher. Ein wirk⸗ licher Grund allgemeiner Sorge sei das Naturereigniß an dem Alle unschuldig seien, der Mißwachs, dessen Folgen noch Lurch die Zölle verstärkt würden; ferner die Kriegs beunruhigung und die stetig wachsende Militärlast. Doch das sei nichts Neues, das bestehe Alles schon seit 1371, und das Wort, daß in dieser Hinsicht normale Zustände in absehbarer Zeit voraussichtlich nicht eintreten würden, sei auch be⸗ kannt. Am Geringsten sei die Beunruhigung wegen der Kolonial fragen, denn von Allen, die durch die Leipzigerstraße gingen, dürfte wohl Niemand auf die Frage nach der Ürsache seine: Beklem⸗ mung Antworten; weil wir zu wenig Afrika haben, oder weil wir zu wenig Geld für Afrika ausgeben. Die wenigen wirklichen Kolonial= interessenten säßen hier im Hause oder, zu Ghren dieser Besprechung, auf den Tribünen. Wirklich unzufrieden über die Kolonialpolitik sei nur die linke Seite dieses 6 und deren Beunruhigung dürfte dem Reichskanzler wohl die Nachtruhe nicht stören, und daz zu seiner
(des Redners) Zufriedenheit, denn er beklage eben, daß die Kolonial.
angelegenheiten im Verhältniß zu der Geringfügigkeit ihrer Bedeutung neben den sonstigen Angelegenheiten nicht nur zu viel Geld, und Menschenopfer, sondern auch von der Reichsregierung viel zu viel Mühe und Sorgen verlangten. Grundsätzlich sei der Standpunkt feiner Partei gar nicht so sehr verschieden von dem des Reichskanzlers. Er habe gesagt, man könne dem Reich keine größere Unannehmlichkeit bereiten, als wenn man ibm ganz Afrika schenkte; er (Redner) sage: Je weniger Afrika wir haben, um so besser. Er befürchte ja nicht eine extravagante Kolonialpolitik wie unter dem früheren Regi⸗ ment, die in Sprüngen auf- und abwärts gegangen sei, je nach dem Agitationsbedürfniß auf die Massen. Er babe das Vertrauen zu der gegenwärtigen Regierung, daß sie die Kolonialpolitik nach rein sach—⸗ lichen Gesichtspunkten führe und auch auf die Richtung des öffentlichen Geistes in diesen Dingen achten werde, der in ein so ruhiges Geleise zu kom men scheine, daß die Reichsregierung darauf Bedacht nehmen könnte, sich in Bezug auf die aktive finanzielle Betheiligung des Reichs immer mehr rückwärts zu konzentriren Selbst die Kolonial- Entbusiasten würden zugeben, daß die öffentliche Meinung eine andere geworden sei. Ein untrügliches Zeichen dafür sei, daß in sechs Monaten kein Gymnasiast seinem Vater oder Erzieher durchgegangen sei, um nach Kamerun zu laufen. In letzter Zeit habe man nur Ungünstigez er- fahren, nur Nackenschläͤge, nur Mißlingen in Dingen, die hoffnungsvoll und sanguinisch auspofaunt gewesen seien. In Kamerun sei juletzt von Gravenreuth, ein geübter Führer wie Wenige, gefallen, und soviel er ihn aus der Entfernung kenne, ein tüchtiger und höchft schãtzens⸗ werther Mann von anziehendem Charakter, als Opfer für eine Sache, die dessen nicht werth gewesen sei, gerade wie der unvergeßliche Nachtigal, das erste Opfer dieser Kolonialpolitit. Seine Partei habe davor gewarnt im Interesse der Erweiterung von Handels beziehungen, solche Unternehmungen einzuleiten, die offenbar nur einen kriegerischen Charakter tragen könnten.
Mit Südwest -Afrika schleppe man sich seit sechs oder sieben Jahren herum, immer mit denselben allgemeinen Betrachtungen und Verheißungen. Trotz der vollständigen Unfruchtbarkeit dieses Gebiets würden immer dieselben ansehnlichen Posten dafür verlangt und be⸗ willigt; auch diesmal würden wieder 282 000 4 als Zuschuß ver⸗ langt. Die Begründung fehle wie früher. Lüderitz habe den Reichs- kanzler und der den Reich tag dahin geführt, seitdem sitze man da fest und bewillige Jahr für Jahr, obne daß ein Mensch sehen könne, warum man dort nicht blos Schildwache stebe, sondern die Steuer zahler immer zu neuen Zuschüssen veranlasse. Vor drei oder vier Jahren habe der frühere Reichskanzler gesagt, es sei dort eine große Gesellschaft im Besitz großer Werthe und Schätze, und er (Redner) hätte durch seine unzeitige Information gehindert, daß diese Schätze an den Mann kämen. Wenn wirklich dort solche Schätze lägen, dann würden Kaufleute und Unternehmer, die sonst nicht an Schätzen vorüberzugehen pflegten, sich gefragt haben, ob sich das lohne. Wenn eine ernste Gesellschaft da wäre und die Sache lohnte, so würde das Geschäft nicht so lange in der Schwebe bleiben, und man würde endlich etwas Bestimmtes davon erfahren. Der jetzige Reichskanzler habe vor zehn Monaten mit Anspielung auf diese schwebenden Verhand⸗ lungen gesagt, er wolle nur noch ein Jahr warten, dann würde er sich schlüssig machen, wie er sich zur Sache stellen solle. Diese Frist sei allerdings noch nicht abgelaufen, aber man werde dem Reichttag wohl schon jetzt sagen können, was in ieser Zwischenzeit gescheben sei, daß wirklich ein Objekt von Werth vorliege und dort Industrie und Ackerbau nutzbringend und im nationalen Interesse betrieben werden könnten. Sollte dort eine englische Gesellschaft gegründet werden, so könnten die Deutschen ruhig zusehen, auch wenn es gelänge, dort Goldbergwerke zu erschließen. Auf jeden Fall handele es sich dort nicht um eine bequeme Goldernte, wie in Kalifornien, sondern um einen bergmännischen Betrieb, der in diesen Einöden ohne Weg und Steg ebenso schwierig wie ergebniß⸗ arm sein würde. Beiläufig werde auch diesmal wieder ein Zuschuß für eine Ackerbaustation verlangt; im vorigen Jahre habe man 25 000 M bewilligt, in der Meinung, daß das ein für alle Mal ge⸗ schehen solle. Warum solle man mit solchen unfruchtbaren Verfuchen fortfahren? Wenn der Reichstag heute diese Forderung bewillige, werde man immer mit neuen kommen. In Ost-⸗Afrika sei die Nieder⸗ lage des Corps Zeleweki die größte und schwerste gewesen, die Deutsch= land überhaupt bis jetzt in seinen kolonialen Unternehmungen erlebt habe. Wer sei dafür verantwortlich? Das sei ein dunkler Punkt, über den man bis jetzt keinen Aufschluß habe und nur schwer erhalten werde. An sich beklagenswerth, werfe dieser Unglücksfall ein eigent bümliches Licht auf die Führung dieser Angelegenheit, und zwar, um nicht miß⸗ verftanden zu werden, nicht in dem Sir ne, daß er Jemand Vorwürfe daraus, mache, daß sich hier Mißstände zeigten, fondern daß diefe Mißstände eingeborener Natur seien, und daß sie von Hause aug un= vermeidlich seien bei Unternehmungen dieser Art. Die ganze Kolonial⸗ politik stehe ja im Zeichen der Begeisterung, und wo Begeisterung sei, da würden auch Idole zerbrochen; sei das eine Idol untauglich geworden, so werde es wieder zerbrochen. Das erste Idol sei Lüderitz gewesen Darauf sei Stanley gekommen. Als er von England nach Deutsch⸗ land gekommen, seien ihm in Köln beinahe die Pferde ausgespannt worden. Dann sei er mit Emin Pascha zusammen gekommen, und nicht lange darauf sei Emin das Idol geworden, und Stanler, der sich mit ihm nicht habe vertragen können, sei in Acht und Bann ge⸗ than und für einen Verräther an Deutschland erklärt worden Als er (Redner) vor zwei, drei Jahren hier auf dem Siedepunkte der Emin -⸗Begeisterung seine Zweifel ausgesprochen habe, nicht als wenn er gegen diesen Ehrenmann irgend welche Bedenken vom Standpunkte des Charakters oder seiner Fähigkeiten hätte, sondern weil er nur gesagt habe, diese Kolonialabenteurer und -Unter ehmer dürfe man nicht wie gewöhnliche Menschen beurtheilen, fie mar schirten nicht nach einer vorgeschriebenen Linie, und er traue auch derrn Emin, so hoch er wissenschaftlich dasteben möge, nicht mehr zu, als allen Kolonialpolitikern dieser Art, da sei er stark zurück⸗ gewiesen werden. Man habe gehofft, Emin würde ein neues Reich in Deutsch Ostafrika gründen und die Geschäfte der Deutschostafrikani⸗ schen Gesellschaft zu neuer Blüthe bringen. Was fei aus Emin geworden? Man wisse es nicht. Aber so viel scheine festzuftehen; in aktivem deutschen Reichsdienst befinde er sich nicht mehr und im deutschen Schutzgebiet ebenfalls nicht. Er (Redner) glaube, daß Emin optima fide handele. Er werde dorthin gegangen sein, wohin ihn sein afrikanisches Gewissen gejogen habe. Man fehe, daß selbft diefer größte Heilige der kolonialen Begeisterung doch ein ganz profaner Mensch sei, wie andere auch. Was Wissmann und Peters betreffe, so habe er sich im Februar in einer gewissen Weise anerkennend über Herrn Peters ausgesprochen, und das habe ihm von Kollegen anderer Fraktionen einen ganz übermäßigen, unverdienten Dank eingetragen. Er ei sich bewußt, mẽöglichst gerecht zu sein, auch gegen Mitglieder anderer Parteien. Aber er habe nicht sagen wollen, Herr Peters hätte sich in objcktioer Weise um das Deutsche Reich ein Verdienst erworben. Er erkenne in ihm einen tüchtigen, tapferen, unerschrockenen Mann von außer⸗ ordentlicher Zähigkeit, der sich durch keine Gefahr und keine Unfälle abhalten lasse. Uebrigens könnten sich diefe Irole auch unter einander nicht vertragen, wie ja zwischen dem Major von Wissmann und dem Gouverntur von Soden nicht immer Alles klar und liebsam gewesen fei. lle diese Mißstände lägen nicht in den Menschen, sondera in der Sache Man habe eben mit ungenügenden Mitteln sich on solche Unternehmungen gemacht, und jetzt ernte man, waz man ge⸗ säet hahe. Es spiele ja die Phantasie in allen diesen Dingen eine'so— große Rolle, daß ein regelmäßig geführtes Reich nichts Wife thun könne, als sich bon diesen phantastischen Objekten möglichst loszusagen. Ursprünglich habe man sich geschützt und sicher am Küstensaume halten wollen, davon sei man jetzt abgegangen, und die Porstöße nach dem Innern müßten immer zu Rückschlägen führen. Die inländische fata morgana, die inländische Seenspiegelung habe auf alle Kolonialschwärmer einen unwiderstehlichen Zauber autz⸗ geübt, so in Ost-⸗A Afrika, so in West⸗Afrika. Wie die Deutschen mit ihrer Unternekmung nach dem Tschadsee, den Niederlagen von Zintgraff und Gravenreuth, so hätten die Franzosen mit Camp- bell traurige Erfahrungen gemacht, und so gehe es Deutschland jetz
mit der Unternehmung Zelewski. Ausreichende Mittel, um ein solches Land nach allen Seiten zu beruhigen, seien beim besten Willen von Seiten des Dęeutschen Reichs nur mit unverhältnißmäßigen Opfern zy beschaffen. Nach einem glänzenden Mahl von Kolonialfreunden sei beschlossen worden, ein Dampfboot herzustellen. In England mache man für die Reden, nach dem Mahle in der Weinlaune ge—⸗ halten, Niemanden verantwortlich. Aker eliwas Anderes sei es, wenn man gleich solche Beschlüsse fasse. Da die Sammlungen für den Dampfer nicht genügt bätten, sei man auf den unglücklichen Gedanken der Afrika Lotterie verfallen, dem Namen nach zur Be⸗ frelung der Sklaven, in Wahrheit, um den afrikanischen Unter nehmungen zu Hülfe zu kommen. Der Reichskanzler selbst habe diese Lotterie neulich ein zweifelhaftes Unternebmen genannt; für ihn (den Redner) sei sie mehr als zweifelhaft; nach der Reichsgesetzgebung hätte sie nicht gestattet werden sollen. Man habe die Spiel höllen durch Reichegesetz beseitigt, man habe 1871 die unschuldigsten aller Lotterien, die sogenannten Prämien Lotterien von Privatgesellschaften verboten, bei denen kein Kapitalverlust, sondern nur ein geringerer Zins genuß stattfinde. Danach verstoße es mindestens gegen den Geist des Gesetzes, Yrivatzwecke in so großem Stil durch eine Lotterie zu unterstützen. Es babe für ibn etwas Beschämendes gehabt, überall die großen Anzeigen zu sehen, auf denen mildthätige Frauengestalten sich der Krankenpflege widmeten, weil darin doch offenbar eine Unwahrheit gelegen habe. Man wende sich damit nicht an die Gewinnsucht der Spieler, sondern an ihr utes Herz. Das gereiche der ganzen Strömung nicht zur Ehre.
an deute die Sache so als hätte man durch die Konferenzen der ver— schiedenen Mächte, die sich verpflichtet hätten, dem Sklavenhandel ent⸗ gegenzutreten, nun auch selbst diese Arbeit zu thun übernommen. Aber wenn Deutschland zu bewaffneten Maßregeln gegen den Sklaven— handel verpflichtet wäre, so dürfte es die Mittel dazu nicht durch eine Lotterie aufbringen. Das sei aber die Folge davon, daß man überall mit unzureichenden Mitteln und ohne Uebersicht die Unternehmungen begonnen habe. Und was sie bis jetzt eingebracht hätten, davon sehe man noch nichts. Mit Auß— nahme des kleinen Gebiets von Kamerun und Togo, das schon vor der Kolonialpolitik rentirt babe, babe man überall nur Unan⸗ nehmlichkeiten gehabt, und es habe sich bestätigt, daß das Klima in Afrika ein unerbittlicher Feind sei. Jede Post bringe Nachrichten von neuen Opfern des Klimas. Selbst Major Wiffmann — er erinnere sich noch, wie er mit seinem reckenbaften Körper hier gestan— den und sich gerühmt habe, alles, was man von Afrikas Klima fage, sei eitel Dunst, er hätte es kräftig und ungehindert überstanden — auch er habe es an seiner Gesundheit fühlen müssen, was es heiße, sich so lange in diesem anstrengenden Klima zu be— wegen, auch er habe anerkennen müssen, was er damals mit einer kleinen Spitze gegen ihn (den Redner) bestritten habe, daß man berechtigt sei, etwas zaghaft über diese Dinge zu sprechen, und daß mit einigen hundert Poltzeisoldaten die Sache nicht zu machen sei, daß vielleicht Armeen nöthig wären. So oft eine Hiobspost komme, wie die über die Niederlage Zelewski's, sage man seiner Partei: Nun, Ihr freut Euch, daß es schlecht geht. Das sei durchaus nicht wahr, aber die Freisinnigen müßten feststellen, daß ihre Warnungen, mäßiger in der Kolonialpolitik vorzugehen, sich bestätigten. Von einer Ernte könne in absehbarer Zeit keine Rede sein. Die Ostafrika. nische Gesellschaft sei zwar eine lh ts r ft aber so lange sie Kostgängerin des Reichs sei, müsse sie sich gefallen lassen, daß ge— urtheilt werde Ihr letzter Geschäftsbericht schließe mit einem Verlust von 123 9000 „S ab. Aber alle Ziffern, die darin rechts und links ständen, seien bloße Schemen, es sei weder Etwas verloren, noch Etwas verdient, es finde überhaupt nichts statt, was Gegenstand einer Gewinn oder Verlustbilanz sein könnte. Er mache daber keinen Gebrauch davon. Das einzige Geschäft, das einen Gewinn gebracht habe, seien die 27 0900 S aus der Münzprägung, weil der Gesellschaft die Münzhoheit großmüthig vom Reich überlassen sei. Man wolle, wie es heiße, die Gesellschaft weiter dadurch begünstigen, daß man die Einfuhr aus dem ostafrikanischen Gebiete nach Deutsch⸗ land zollfrei mache. Er könnte nur eifrigst davor watnen. Man würde der gesammten deutschen Ausfuhr nach anderen Ländern ganz gefährlich schaden; man dürfe wegen der geringfügigen Dinge, die man aus den afrikanischen Kolonien nach Deutschland einführe, nicht die Ausfuhr nach anderen Kolonien ge— fährden. Der Abg. Oechelhäuser habe im vorigen Jahre feine An— gaben über die Geringfügigkeit der Einfuhr und Äusfuhr in den Kolonien bestritten, aber die genauen Zahlen blieben noch weit hinter seinen damaligen Vorstellungen und Darstellungen zurück. Früher hätten das Statistische Amt und die Hamburger Statistik die Aus— fuhr und Einfuhr der deutschen Kolonialgebiete nicht be— sonders behandelt, man habe immer mit der Ausfuhr und Ein— fuhr vom Gesammt - West- Afrika und Gesammt , Ost -Afrika gerechnet, und da seien schon die Ziffern nicht überwältigend gewesen. Nun habe zum ersten Mal die Hamburger Statistik die Ziffern der ugmittelbaren Einfuhr und Ausfuhr zwischen Hamburg und dem ostafrikanischen Deutschland oder dem deutfchen Ost-AUfrika besonders verzeichnet. Die Reichsstatistik sei damit noch im Räck— stande. Aber diese werde doch nur Kleinigkeiten hinzubringen, da wohl der gesammte Handel über den Hamburger Hafen verschifft werde Vie ganze Ziffer der deutschen Ausfuhr aus Hamburg nach Deutsch-Ostafrika betrage 1390 nur 158 000 6 und die Zufuhr be trage ebenfalls nicht mehr. Die Ausfuhr aus Ost⸗Afrika nach anderen Ländern als Deutschland sei bedeutend stärker und gebe über das Zehn. und Zwanzigfache hinaus. Die eigentliche Triebfeder und der Ausgangspunkt der ganzen Kolonialbewegung habe in der Hebung der deuischen Industrie gelegen, was werde nun aus den Kolonien nach Deutschland ausgeführt, was sei das Ergebniß nicht nur der Kolonial⸗ politik überhaupt, sondern auch des ersken Halbjahres, in dem die ostafrikanische Dampfschiffahrts· Gesellschaft mit 900 069 S0 jährlich vom Reich subventionirt werde. In einem Jahre seien für 158 050 Waaren ausgeführt worden, und in einem halben Jahre habe die Dampfschiffahrts⸗Gesellschaft 450 000 ½é Subventlon bekommen. Die Bedeutung der ganzen Kolonialpolitik sei nach Allem bis jetzt gleich Null. Werde es sich in Zukunft bessern? Alle Hoffnung beruhe nur auf Ost -Afrika, und da nicht einmal auf einem schwung⸗ haften Handel, sondern auf Plantagenbau mit Baumwolle, Sesam, Gummi u. s. w. Aber wieviel Jahre müßten ins Land gehen, wieviel Opfer gebracht werden, ehe soviel herauskomme, daß Geld. und Menschenopfer wohlangebracht erschienen! Zwar könne die Reichs— regierung nach der Vergangenheit nicht Knall und Fall Ost-Afrika ganz aufgeben, aber sie müsse auf diesem Gebiete zurück. und nicht vorwärtgz gehen. Nach der Vorlage gehe man aber vorwärts. Im vorigen Jahre seien 33 Millionen Mark für Ost -Afrika bewilligt, wovon 1 Million durch Zolleinnahmen direkt gedeckt worden seien. Diesmal würden allerdings nur 25 Millionen verlangt, aber die Zoll⸗ einnahme werde auf 43 Millionen vorgefehen. Der Vortheil treffe also nicht das Reich, sondern nur die Sst.Afrikanische Gefellschaft. Man stelle sogar in AÄussicht, daß in Folge der Niederlage Zeleweki'z noch weitere Forderungen kommen könnten. So sei es immer von Niederlage zu Niederlage gegangen. Man dürfe daher die Interessensphaͤre nicht ausdehnen, sondern müsse sich mit der Bewachung der Grenzen begnügen, selbst auf die Gefahr geringerer Zolleinnahmen. Gegenüber den großen Ausgaben Deutschlands für Heer und Marine seien diese Summen hier zwar geringfügig, aber man müsse überall die Lasten des Volkes erleichtern. Daß die Ausgaben für die Marine fo ungeheuer wüchsen, daran sei die Kolonialpolitik nicht ganz ohne Schuld. Der Reichstag müsse ein Zurückgehen in der Kolonialpolitik verlangen. Seine Partei fürchte dabei keinen hartnäckigen Widerstand der Reichsregierung. Der Reichekanzler habe oft erklärt, kein Kolonialschwärmer zu sein; er sehe die Kolonialangelegenhelten ganz nüchtern an, und. werde Konzessionen machen, wenn der Reichstag es wünsche. Die eigentlichen verantwortlichen Träger der Kolonial' politik im Reichttag seien die Abgeordneten vom Centrum. Sie Fentrumtzpartei sei durchautz nicht kolonialschwärmerisch, fie möge aber Gründe haben, in gewissem Maße mit den Kolonialschwärmern zu gehen, besonders aus humanitärem Intereffe. Es möge ihr dabei weniger daran liegen, ob noch eine oder zwei Millionen mehr aug
gegeben würden, wenn sie nur Konzessionen auf anderem Gebiete erreiche. Das sei einfach eine politische Aktion, die keinen Vorwurf perdiene. Die Nationalliberalen, die früher etwas empfindlich gewesen seien gegen die Stellung der Centrumspartei, müßten doch zugesteben, daß alle ihre nationale Begeisterung für die Koloniaspolitik ihnen nichts belfe, wo sie nicht mit der Centrums partei darin verbündet seien. In der Hand des Centrums liege das Schicksal der Kolonialpolitik. Welche Gründe das Centrum auch dafür babe, fo sei es doch nicht an jede hier geforderte Ziffer gebunden. Hätte der Reichstag nicht das Unglück gehabt, den Abg. Windthorst zu früh zu verlieren, fo würde er sicher hier moderirend wirken. Er habe ihn in allen objektiven Fragen auf dem Wege ruhiger Vernünftigkeit geseben, und so würde er sich auch hier verhalten. Er bitte die Kolonialfreunde, sich diesen Maßstab zum Muster zu nehmen für ihr Verhalten in der Kolonialpolitik, die sich wirtbschaftlich als unzulänglich erwiefen habe und zu einer Aussicht für die Zukunft viel zu wenig Anhaltspunkte biete. Er hoffe, daß man mit gutem Willen Seitens des Centrums und der Regierung dahin kommen werde, sich in der Kolonialpolitik die Einschraͤnkung aufzuerlegen, die alle Verhältnisse verlangten und an der er dann selbst mitzuwirken bereit sei.
Direktor der Kolonial-Abtheilung, Wirklicher Geheimer Legationg⸗ Rath Dr. Kayser. Richtig sei. daß man bisber nichts Räheres über den Tod des Herrn von Gravenreuth erfahren habe und babe erfahren können; richtig sei aber ebenso, daß es sich nicht um einen Sieg der Eingeborenen handeln könne, denn die telegraphische Rach— richt spreche nur davon, daß außer Gravenreuth noch drei Eingeborene gefallen seien. Es dürfte sich also nur um eine Erkundung gehandelt haben. Mit den Voraussagungen des Abg. Dr. Bamberger im vorigen Jahre habe die es traurige Ereigniß auch keinen Zusammen— bang. Herr ron Gravenreuth sei mit der Anlegung don Wegen nach dem Norden und mit der Anlegung von Stationen ju ihrer Sicherung beaufttagt gewesen. Zintgraff habe bereits drei solcher Stationen auf dem Wege nach Norden angelegt; die neueste Nummer des Kolonialblattes mache Mittheilungen von einem Schutz, und Trutzbündniß, das von der deutschen Regierung mit dem König eines im Hinterlande ansässigen Stammes abgeschlossen sei, wodurch ein Anfang zur Erweiterung der Einflußsphäre nach Norden gemacht sein werde. (S. Deutsche Kolonien? im Haupt— blatt. D R) Nicht bei dieser Thätigkeit sei Gravenreuth ums Leben gekommen. Er habe dafür Träger gesammelt und diese auch bewaffnet; gefallen aber sei er bei einer kriegerischen Unter nehmung, die er begonnen habe, von der die Regierung im Augenblick gar keine Kenntniß habe; wahrscheinlich habe er irgend einen Stamm be— strafen wollen. Bezüglich Südwest ⸗ Afrikas sei bekanntlich am 14. April v. J. ein Vertrag zwischen einem Hamburger Konsortium und der Deutschen Kolonialgesellschaft für Südwest⸗Afrika geschlossen, wonach die letztere dem ersteren ihre Gerechtsame nördlich vom 260 veräußert habe. Der Kaufpreis betrage 3 Millionen; das Konsortium habe sich eine Frist bis zum 14. Februar n. J, vorbehalten, um eine neue Gesellschaft für den nördlichen Theil zu gründen. Diese Gesellschaft sei zunächst noch nicht begründet, das Konsortium habe aber bereits eine Anzahlung von 200 000 M gemacht, die als Konventionalstrafe verfallen solle, wenn bis zum 14. Februar die Gesellschaft nicht zu Stande gekommen sei; man werde diese beträchtliche Summe doch nicht verfallen lassen. Die Verzögerung liege daran, daß das Konsortium sich mit englischen Kapitalisten in Verbindung gesetzt babe, daß Werth darauf gelegt werde, einen erheblichen? Theil des Geldes aus England selbst zu ziehen. Dort mache nun die Finanzirung größere Schwierigkeiten, weil die Gesellschaft nicht in England ge⸗ gründet werde, sondern ibren Sitz in Hamburg babe und die Leitung in der Mehrheit aus Deutschen bestehen solle. Die hier durch die verschiedene Gesetzgebung entstehenden juristischen Schwierigkeiten seien sehr beträchtlich. Bei der Subvention für die landwirthschaftliche Station handle es sich um nichts Neues, sondern um die Restforde— rung des schon im vorigen Etat beantragten Titels. Den weiteren Ausführungen des Vorredners, bezüglich Ost. Afrikas glaube er nicht folgen zu sollen. Daß Unglücksfälle sich zutrügen, sei nicht zu ver— meiden; es handle sich für Deutschland nur um die Folgen. Die Niederlage der Unternehmung Zelewski habe auf die Sicherheit und den Bestand der Kolonien nicht den geringsten Ein— fluß. Der Abg Dr. Bamberger habe gesagt, bei der Beurtbeilung dieser Kolonialdinge spicle die Phantasie sehr mit. Seine Rede habe dafür einen klassischen Beweis geliefert. Die Phantasie könne eine rosige, sie könne auch eine düstere sein; er habe die Sache von der düsteren Seite betrachtet. Sonst würde ihm nicht entgangen sein, daß Deutschland trotz aller Schwierigkeiten und Mühen schon eine ganze Masse geleistet habe. In Kamerun hätten sich Einnahmen und Nus— gaben nahezu verdoppelt, es seien neue Plantagen zu den alten hinzugekommen. Seit Jahren schon habe die Jaluitgesellschaft in der Südsee sogar Dividenden vertheilt; die Neu⸗Guinea⸗Gompagnie habe bereits eine erbeblich Menge von Produkten nach Deutschland ein- geführt. In Ost Afrika seien allerlei Unternehmungen im Gange, es habe sich unter Anderen die Usambara⸗Eisenbahngefellschaft gebildet; demnächst solle auch eine größere Einfuhr von Taback aus Ost. Afrika erfolgen. Die Ergebnisse mögen ja gering sein, aber aller Anfang sei schwer.
Abg., Graf Arnim: Er müsse der Art, wie der Abg. Dr. Bam— berger seinen Spott über die Opfer der Kolonialpolitik ausgegossen habe, entgegentreten. Er (Redner) wisse nicht, ob, was diefe Spfer anlange, namentlich die Expedition des Freiherrn von Gravenreuth der Schwere ihrer Aufgabe entsprechend ausgerüstet gewesen sei. Aber dieser Unglücksfall könne Deutschland nicht von seiner Kolonial— politik abbringen, denn er sei eine Folge des Zusammentreffens un— glücklicher Umstände gewesen; namentlich sei zu betonen, daß Graven— reuth's beide weiße Begleiter Krankheiten erlegen seien, fodaß der Führer sich übermäßig habe aussetzen müssen. Was Süd west. Afrika anlange so seien dort große Kapitalien investirt und sie könnten sich wohl rentiren, denn nach dem Bericht des Herrn Uechtritz habe dort die Landwirthschaft, namentlich die Weidewirthschaft, große Aussicht auf Erfolg. Die Regierung sollte die jetzt so ausgedehnke brafilia— nische Auswanderung nach Südwest-Afrika lenken, wo ein sehr gesundes Klima sei. Er hoffe, daß die Regierung dem deutschen Einfluß dort einen erheblichen Antheil sichern werde. In Betreff Ost Afrikas spreche er der Regierung Dank dafür aus, daß sie, nachdem Herx ano Wiss mann die Buschiri'sche Revolution fo energisch niederen en habe, zu dem System des Herrn von Soden übergegangen sei. Weil dort eine Expedition unglücklich geendet, habe man keinen Anlaß, die Sache sofort aufjugeben. Das sei leider auf dem kolonialen Gebiete unvermeidlich, und man habe so viel Angebot von Weißen zu Führer stellen, daß, wenn auch einer oder der andere Führer unglücklich enden sollte, doch nie geeignete Führer fehlen könnfen. Freilich verstehe er es, wenn Abg. Dr. Bamberger die Sache rein vom mate riellen Standpunkte aus betrachte und für einen gewissen Wagemuth kein Verständniß habe. Ganz besonders müsse er Dr. Peters in Schutz nehmen, dem man doch schließlich Helgoland ver danke, da er zuerst nach Sansibar gegangen sei und dort die deutschen Interessen vertreten habe. Er (Redner) hoffe, daß Deutschland zu festen Verhältnissen dort komme und daß die Ostafrikanische Gesell⸗ schaft eine gesunde Basis ihrer Thätigkeit bekomme. Es fehle dort nicht an Leuten, denn der preußische Unteroffizier gehe gern nach Afrika. Manchem sei der Exerzierplatz hier zu staubig und zu monoton. Man habe keinen Grund, hinter anderen Bölkern, die Afrika erschließen wollten, zurückzubleiben, namentlich da man die vom Centrum so sehr betonten humanitären Rücksichten in den Vorder⸗ grund stelle und sich bemühe, das Christenthum dort zu verbreiten und dem Negerthum entgegenzuarbeiten. ⸗
Wirklicher Geheimer Legations⸗Rath Dr Kavser: Um einer etwaigen Legendenbildung vorzubeugen, stelle er gegenüber dem Aba. Grafen Arnim fest, daß die fragliche Unternehmung zuerst dem Premier ⸗Lieutenant Morgen habe übertragen werden sollen, der auf mehrjährige Erfahrungen in Afrika habe blicken können. Bekanntlich habe sich Morgen verlobt und der ,,. Carrtère Valet ge⸗ sagt (Heiterkeit), nachdem er die Kosten dieser Expeditien festgestellt und für mehr als oo 000 M Ausrüstungsgegenstaͤnde besorgt habe. Danach habe sich unter anderen Bewerbern Freiherr von
Gravenreuth gemeldet, und trotzdem ihm kein Zwang auferlegt und trotzdem er mehrmals gefragt worden sei, ob r sich zum Fährer auch wirklich geeignet fühle, habe er sich bereit und die angeschaffte Auzrütung für mebr als austeichend erklärt. Später sei er freilich noch mit einer ganzen Reibe von Forde⸗ rungen hervorgetreten. Er babe die Anwerbung von vielen Sudanefen und größere Ausrüstungsmittel verlangt. Er babe dieselbe Anzahl von Trägern bekommen wie Morgen und mehr Sffiziere und Ünter⸗ beamten, als Morgen für erforderlich erachtet Fab? Herr von Graven⸗ reuth habe noch auf dem von ihm (dem Redner) für überwunden gebaltenen Standpunkt der Expeditionen durch Kollekten und Spenden gestanden; er babe sich, nachdem er von der Regierung ausgerüstet worden, an eine Privatgesellschaft um Unterstützung in der Ausrüstung gewendet — dem sei er (Redner) immer entgegengetreten, denn Jemand, der vom Deutschen Reich beauftragt und ausgerüstet werde, solle sich nicht zur Unterstützung an Andere wenden. Er bringe diese Dinge mit Bedauern bier ror — o tapfer Derr von Gravenreuth gewesen sei, so wenig Bescheid habe (er mit der Verwaltung gewußt. Beispielzweise hake söm 7dem Redner) die Schriftführerin des Frauenvereins für Krankenpflege in den Kolonien nach der Abreise des Herrn von Gravenreuth mitgetbeilt, daß sie ihm auf seine Bitte ejne Axotheke zusammengestellt babe; es sei dem Verein schwer gefallen, denn die Apotheke habe 800 M ge⸗ kostet, nun sei sie aber fertig und man möge sie ibn nachsenden. Er (Redner) habe sofort in Gegenwart der Dame den Lieutenant Morgen bolen lassen und ihn ganz erstaunt gefragt, ob in der Ausrüstung sich keine Apotheke befinde; gewiß, habe er gesagt, eine sebr gute für 1000 6. — wag man nun mit der zweiten hake begingen sollen, babe man nicht gewußt. So seien dann die Gerüchte von der ungenügen⸗ den Ausrüstung der Expedition entstanden. Er sei zu seinem Be⸗ dauern zu diesen Mittheilungen genöthigt, aber er befinde sich gleich⸗ sam in einer Nothwehr und müsse diesen Vorwürfen um so mehr entgegen treten, als die Regierung ohne das Vertrauen der Männct, welche die afrikanische Kolonialpolitik leiteten, nichts machen könne.
Diese Männer, die ihr Leben in die ScHanze schlügen, müßten , . daß sie sich vollständig auf die Verwaltung hier rerlafsen
nnten.
Abg. von Stromheck: Es sei nicht richtig, daß das Centrum die Kolonialpolitik als Deckmantel für andere Zwecke benutze. Es sei nicht der Schöpfer dieser Bewegung, fei alss auch nicht für die Opfer, die sie erfordert habe, verantwortlich; erst nachdem die Initiative von anderer Seite ergriffen worden sei, habe der Abg. Windthorst bestimmte Forderungen an die Kolonialpolitik geknüpft. Allerdings habe die Kolonialpolitik bis jetzt viel Geld gekostet, aber, wenn auch die Zukunft einen Sprung ins Dunkle darstelle, fo fei doch wahr⸗ scheinlich, daß die Verhältnisse sich beffern würden. Namentlich zeige der Etat, daß in Kamerun die Einnahmen stetig stiegen. Aber dieser materielle Gesichtspunkt babe dem Aba. Wink torst gar nicht vor Augen gestanden, er habe moralische und humanitäre Absichten gehabt. Die Geldforderungen würden von seiner Partei eingehend geprüst werden, und * sie hoffe auf das weit gehende Entgegenkommen der Regierung hierbei. Er beantrage, die Vorlage der Budgetkommission zu überweisen. Im Einzelnen sei an der Vorlage zu bekämpfen, daß sie die Kolonieen staatsrechtlich als juristische Personen hinstelle, worüber die Rechtsprechung noch nichts festgestellt habe. Freilich werde sich in der Praxis die Sache nicht so gefäbrlich gestalten, aber man müsse die Sache doch etwas vor— sichtiger redigiren. Auch seien die Ausgaben zum Theil als dauernde, zum Theil als vorübergehende hingestellt, und er glaube, es wäre besser, die Ausgaben letzterer Art in einem besonderen Gesetz zu⸗ sammenzufassen. Er erkenne an, daß die Verwaltung der Kolönten nicht so speziell etatisirt werden könne, wie es hier mit dem Haupt⸗ Etat geschebe.
Abg. Seipio: Auch seine Partei werde für die Ueberweisung der Vorlage an die Budgetkommission stimmen. Er freue sich, daß die Vorlage das Bedürfniß der weiteren Konfolidirung der Kolonien, anerkenne. Der Handelsverkehr nach Ost-Afrika sei nicht o unbe— deutend, wie es auf den ersten Blick scheine. Bis zum vorigen Jahre, wo man den ersten Subventionsdampfer von Hamburg nach Sst— Afrika geschickt habe, sei der ganze Handels verkehr Fiber Sansibar gegangen, und selbstverständlich könne dieser Verkehr sich nicht so schnell eine neue Straße suchen, ein Theil gehe noch über Sansibar. Daß der Handel nicht fo unbe- deutend sei, bewiesen die gegen Ost Afrika früher gesteigerten Zoll⸗ einnahmen. Er hedauere, daß man dort so schwere Verluste an Beamten erlitten habe, und er glaube im Sinne des ganzen Hauses und der ganjen deutschen Bevölkerung zu sprechen, wenn er sage, daß das Deutsche Reich den Herren von Geavenreuth und von Je lewski eine ehrende Erinnerung bewahren werde. (Beifall.)
Damit schließt die Debatte.
Persönlich bemerkt
n . amberger: Er habe über die Opfer der Kolonial— politil zurchaus nicht, wie der Abg. Graf Arnim meine, feinen Spott ausgegossen — im Gegentheil, er halte diese Opfer für viel zu schade im Vergleich zu der Kolonialpolitik; wie Fürst Bismarck einmal gesagt habe, Bosnien sei nicht die Knochen eines pommerschen Grena⸗ diers werth, so meine er, ganz Afrika sei nicht die Knochen der Herten von Zelewtki und von Gravenreuth werth.
Darauf wird die Vorlage der Budgetkommission zur Vor⸗ berathung überwiesen.
Alsdann werden die allgemeine Rechnung für 1887 bis 1888 und die Uebersicht der Einnahmen und Ausgaben für 1890 bis 1891 der Rechnungekommission überwiesen, wobei Abg. Meyer⸗Berlin anregt, daß eine bereits von der Kommission erledigte allgemeine Rechnung demnächst auf die Tagesordnung gesetzt werden möge, weil dabei eine wichtige staatsrechtliche Frage zu erledigen sei, deren Beantwortung für die Arbeiten der Rechnungskommission eine Direktive abgeben werde.
Präsident von Levetzow stellt die Berathung der be— treffenden allgemeinen Rechnung für nächsten Sonnabend in
Aussicht.
In erster und zweiter Berathung wird der Gesetzentwurf, betreffend die Kontrole des Reichshaushalts für 1891/92, ge⸗ nehmigt und darauf die Denkschrift über die Ausführung der Anleihegesetze durch Kenntnißnahme für erledigt erklärt.
Schluß nach 4 Uhr.
Dritte ordentliche Generalsynode.
In der gestrigen Sitzung wurde der Gesetzentwurf Über die Sterhe⸗ und Gnadenzeit bei Pfarrstellen und mit ibm eine Resolution der Kommission: „Die Generalspvnode spricht die Er⸗ wartung aus, daß die Wiederbesetzung der durch den Tod ihrer In— haber zur Erledigung kommenden Pfarrstellen von den kirchlichen Be⸗ börden möglichst innerbalb der Sterbe⸗ und Gnadenzeit berbeigeführt werde“ angenommen. Welter wurde ein Antrag Rogge wegen Be— willigung von Diäten an die Mitglieder der Kreis- und Provinzialspnoden in folgender Fassung genebmigt: Den Mit⸗ gliedern der Kreissvnoden und Kreissynodalvorstände gebühren, soweit ö nicht am Qrte der Versammlung wohnbaft sind. Tagegelder und Reisekosten Den Mitgliedern der Provinzialsvnoden und Provinzial synodalvorstände, sowie den Abgeordneten zur Prüfungskommission (58 65 Nr. 9) gebühren Tagegelder, und soweit sie nicht am Orte ihrer synodalen Wirksamkeit ihren Wohnsitz baben, Reisekosten. Die Tagegelder und Reisekosten gehören zu den Svnodalkosten.“
In zweiter Lesung wurden sodann das Kirchengesetz, betreffend die Abänderung des Rubegehaltsgesetzes, und das Kirchengesetz, betreffend die Abänderung des Kirchengesetzes über die Fürforge für die Wittwen und Waifen der Geistlichen, aage— nommen.
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