1891 / 293 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 12 Dec 1891 18:00:01 GMT) scan diff

Seiner Gewohnheit gemäß brachte der Herr Abgeordnete diese Frage in Verbindung mit der Getreidefrage, und er sagte: ich kõnnte mich schon mit der Herabsetzung, ich glaube, er sagte sogar der Auf⸗

gabe der Getreidejõlle vertraut machen, wenn man mir die Dopvel⸗

währung gäbe; denn die Getreidezölle, wie sie jetzt find, bleiben immer ein Agitationsmittel. Der Herr Abgeordnete wolle mir gestatten, ihn dagegen ju bemerken, daß auch die Doppelwährungsfrage ein Agitationsmittel ist, was in die Massen und in die landwirthschaft · lichen Kreise geworfen wird, ohne auf ein weitgehendes Verständniß rechnen ju können. (Heiterkeit. Sehr gut! links) Man sagt der Landwirthschaft und sagt den Bauern: wenn wir nur die Doppel währung hätten, dann würdet ihr gute Geschäfte machen. Was aber Doppelwäbrung ist, ahnt der Bauer nicht, und ich glaube, daß selbst von den politischen Freunden des Herrn Abg. von Kardorff der Eine oder Andere im Innersten seines Herzens in Bezug auf die Wirkung der Doppelwahrung auf das Wohl seiner Landwirthschaft Zweifel hat. (Heiterkeit. )

Der Herr Abgeordnete hat sich dann noch darauf bezogen, daß der Herr Staatssekretär des Auswärtigen Amts ja Bimetallist sei und an einer früheren Aktion der Bimetallisten theilgenommen habe. Ich bin will ich weiter noch sagen nicht durch den Freiherrn von Marschall, wie ich ausdrücklich betone, sondern auf dem Wege meiner Studien auf eine Konferenz in Köln im Jahre wenn ich nicht irre 1882 gestoßen, Herr von Kardorff wird mich rektiftziren, wenn das nicht richtig ist an der, glaube ich, Herr von Kardorff, Herr Arendt und mein verehrter Herr Kollege theilnahmen. In dieser Kon⸗ ferenz ich muß mich wieder auf mein Gedächtniß verlassen, weil ich auf diese Debatte heute nicht vorbereitet war ist anerkannt worden, daß in Bezug auf unsere Währung nichts geändert werden könne, wenn England nicht dabei wäre. Also wollen wir uns, wenn ich mir den Vorschlag erlauben darf, dahin einigen, auf diesem Standpunkt stehen zu bleiben und abzuwarten, was England thut. ( Heiterkeit.)

Herr von Kardorff kam von dem Gold und dem Silber auf die Schweine (große Heiterkeit) und wirft uns vor, in Bezug auf den Vertrag mit Amerika wenn man das einen Vertrag nennen will nicht das erreicht zu haben, was wir hätten erreichen können. Wenn man Plus und Minus in Bezug auf diesen Vertrag gegen“ überstellt, so muß ich bitten, von vornherein außer Rechnung zu lassen die Zulassung des amerikanischen Schweinefleisches in Deutschland. Es bleibt die Meiflbegünstigung Amerikas und die Rübe übrig. Ich stelle die Bitte, die Einfuhr des Schweinefleisches außer Betracht zu lassen, weil das deutsche Verbot, wie alle diese Ver⸗ bote, nicht mit dem Bedürfniß unserer Landwirthschaft Amerika und der Welt gegenüber motivirt worden war, sondern pure und aus— schließlich immer nur aus veterinären Rücksichten. Wie konnten wir da, wenn nun die amerikanische Regierung sagt: wir sind jetzt im Stande, Anstalten zu treffen, um die Gefahren zu beseitigen, ein⸗ wenden: nein, jetzt wollen wir doch bei unserem Verbote steben bleiben, denn die Aufhebung desselben paßt unserer Landwirthschaft nicht! Das war unmöglich. Jetzt mußten wir das Motiv, auf dem wir Jahre lang geritten haben, weiter reiten und mußten anerkennen, daß es nicht mehr stichhaltig sei. (Heiterkeit) Ich erkenne vollkommen den Werth der Schweine für den kleinen Mann an. Ich glaube aber nicht verkennen zu können, daß die Schweinezucht für den kleinen Mann von einer Menge von Umständen abhängt, und daß, wenn sie jetzt etwa zurückgeht, dies nach meinem Dafürhalten nicht sowohl die Folge der kaum wirksam gewordenen amerikanischen Schweineeinfuhr ist, als vielmehr davon, daß unter den nicht verhältnißmäßig glänzenden Umständen dieses Jahres der kleine Mann nicht im Stande ist, Schweine aufzuziehen. (Sehr richtig) Ich habe also auch in dieser Beziehung Mitleid mit dem kleinen Mann, ich glaube aber andererselts. daß die Zulassung des amerikanischen Schweine⸗ fleisches auch vorwiegend kleinen Leuten zu Gute kommt. Große Leute wählen ihre Nahrung meist anders. (Sehr richtig h

Ich kann also den weiteren Vorwurf, den der Herr Abgeordnete machte, die Regierung hätte auf das Schwein des kleinen Mannes nicht hinreichend Rücksicht genommen, nicht auf uns sitzen lassen.

Was im Uebrigen den Kampf der Rübe gegen das Schwein angeht, so wird der Herr Abgeordnete, glaube ich, wenn man diese erste Frage ausscheidet, doch mit uns einverstanden sein, daß wir ihn schließlich in einer Weise geführt und zu Ende gebracht haben, bei

der die Rübe sich ganz wohl befindet.

Da der Herr Abgeordnete die Sache einmal zur Sprache gebracht hat, so will ich auch hier auf die Trichinenfrage, soweit ich, ohne das Material zur Hand zu haben, dies kann, eingehen. Wenn eine Regierung sich vertragsmäßig verpflichtet, die Aufsicht über die Fabrikation eines Nahrungsmittels zu übernehmen, so hat eine andere Regierung schwerlich das Recht, zu behaupten: „Du wirst das nicht können“, so lange bis der Nachweis geführt ist. Daß in Amerika alle Dinge, die Handel und Wandel betreffen, andere Proportionen annehmen als bei uns, ist zweifellos, und wenn die Rechnung des Herrn von Kardorff, daß man in Chicago 400 Veterinäre anstellen müsse, richtig ist, so glaube ich nicht, daß für die Vereinigten Staaten von Nord⸗Amerika die Anstellung von 400 Veterinären ein Moment ist, an dem sie eine ihnen sonst vortheilhaft erscheinende Maßregel würden scheitern lassen.

Es ist über die Einfuhr von Schweinefleisch aus Amerika bei uns eine gewisse Beunruhigung dadurch entstanden, daß man in einigen Städten am Rhein Fleisch eingeführt und darin Trichinen gefunden hatte. Dies Fleisch war aber noch nicht von der amerikani⸗ schen Regierung amtlich untersucht, sondern dieses, sowie das erste, was nach Hamburg gekommen war, war Fleisch, welches die Fabri⸗ kanten privatim ärztlich batten untersuchen lassen, welche Thatsache zum Theil von den deutschen Konsuln attestirt war; aber die amerlkanische amtliche neue Kontrole hatte dies Fleisch noch nicht passirt. Die eine unserer Behörden ließ dies Fleisch ein, an einer anderen Stelle wurde es abgewiesen; da, wo es eingelassen war, stellten sich Trichinen heraus und es wurde angehalten; auf einer anderen Stelle ist es auf andere Weise verwandt worden. Es liegt also auch in diesem Umstande kein Anlaß zur Beunruhigung.

Dem Herrn Abgeordneten weiter zu folgen auf den wissenschaft⸗ lichen Boden der Trichinenbehandlung, auf die Untersuchung darüber, unter welchen Bedingungen die Trichinen lebensfähig sind, einzugeben, darf ich mir versagen. Ebenso möchte ich mir erlauben, auf die Details, die der Herr Abgeordnete in Bezug auf Eier und Geflügel, Eisenbahnrefaktien und eine Menge anderer Dinge vorgebracht hat, erst an dem Ort antworten zu lassen, wohin dieselben gehören,

nämlich bei ber zweiten Lesung. Wir konnen aber doch dem Herrn Abgeordneten dankbar sein, daß er diese Sachen schon bier erwãhnte, denn wir sind dadurch umsomehr in die Lage versetzt, hier im Plenum ohne alles Weitere diese Einwände zurückweisen zu können. Die Kommissarien werden sich darauf vorbereiten.

Der Herr Abgeordnete war dann der Meinung, wir würden in einen Zollkrieg mit Oesterreich, auch wenn wir eine Mauer gebaut

hätten und die Desterreicher auch, nicht gerathen sein. Ich muß dem

Herrn Abgeordneten bemerken: ziemlich dicht an einem solchen Krieg war der Zustand, aus dem wir jetzt herauszukommen suchen, ohnehin schon. Unsere Ausfuhr nach Desterreich nahm allmählich immer mehr ab, und wenn auch die Maßregeln getroffen wären, die der Herr Abgeordnete im Auge hat, und wenn es dabei zu keinem Kriege gekommen wãre, das Faktum steht nur zu fest: wenn Oesterreich uns die Aufnahme unserer Produkte und Waaren versagt hätte, wir würden immer nicht umhin gekonnt haben, österreichisches Getreide bei uns zuzulassen.

Endlich eine kurze Bemerkung in Bezug auf den Wein. Dat, worum es sich hier in der Hauptsache handelt, wenn man Frankreich und Italien einander gegenüberstellt, sind die Verschnittweine. Wir wünschen Verschnittweine aus Italien zu beziehen, Italien wünscht dasselbe. Verschnittweine bei uns einzuführen, ist Frankreich außer Stande. In dieser Beziehung ist also eine Ueberschwemmung unseres Landes ausgeschlossen, denn franzoͤsische Verschnittweine kommen nicht.

Am Schluß seiner Rede machte der Herr Abgeordnete die Be merkung, er würde sich auf fünf Jahre den Vertrag gefallen lassen. Ich kann mich in dieser Beziehung auf die Erwiderung beschränken, daß die verbündeten Regierungen den Vertrag auf fünf Jahre sich nicht würden gefallen lassen. (Bravo! und Heiterkeit)

Abg. Dr. von Kom ierowts ki: Seine Parteigenossen seien der Meinung, daß es ein ethisches Moment von hoher Bedeutung sei, daß am Ende des 19. Jahrhunderts die Pölker noch einmal zu⸗ sammengefaßt würden, um ein gemeinsames Wirthschaftsgebiet berzu⸗ stellen. Wünschenswerth wäre es gewesen, wenn. der Schutz der Landwirthfchaft etwas höher belassen wäre; aber seine Partei stimme auch so den Verträgen zu. Die Landwirthschaft müsse auch Qpfer bringen, wie das der Übg. von Koscielski schon bei der Zucker steuer auge sührt habe. Die Landwirthschaft könne außer durch Zölle auch anderweitig unterstutzt werden; in seiner Heimath fehle es an Fluß regulirungen, an der Ausbildung von Wegenetzen, an Wasserstraßen, Entwäfferungen ꝛ.; auch für die Anstedelung der Arbeiter könnte Manches geschehen. Daß die Ueberweisungen aus der lex Huene zurückgehen würden, set allerdings zu befürchten, aber sie seien ja in den ersten Jahren auch schon niedriger gewesen als jetzt

Äbg. Dr. Kropatfcheck: Er stehe wie die Abgg. Broemel, Dr. Bötticher und Br. Reichensperger auf dem Standpunkt des Kon- sumenten, komme aber zu entgegengesetzten Schlußfolgerungen. Als Konsument könnte er auch ein persönliches Interesse daran haben, daß alle Zölle auf ein Minimum herabgesetzt oder vielleicht ganz befeitißt würden. Er habe aber von jeher, und zwar zu einer Zeit, ehe man in Deutschland zu einer gemãßigten Schutz⸗ zollpolitik übergegangen sei, in seinen theoretischen Studien den Grund und Boden zu einem ganz entschiedenen Schutz söllnerthum ge= funden. Wenn er für saͤmmtliche Schutzzollanträge gestimmt habe, so habe ihn davon weder die Sorge, daß er vielleicht zu theuer lonsumire, abgeschreckt, noch der Wunsch ihn geleitet, irgend einen Großgrundbesizer oder Großindustriellen aufzuhelfen, sondern es babe ihn das Interese für das Ganze und das Intereffe für die Landwirthschaft geleitet, ohne die dem Vater ⸗· lande jede Grundlage einer gedeihlichen Existen entzogen fei. Deshalb habe ihn auch der Passuß in der Rede des Neicht· kanzlerz, der die Bedeutung der Landwirthschaft würdige, mit reinster Freude erfüllt. Aber seine thatsächlichen Folgerungen könne er nicht ziehen; er gestehe sogar, es sei für ihn unerfindlich, wie man bei einer solchen warmen Anerkennung der Bedeutung der Landwirthschaft dazu kommen iönne, in diesem Handelsvertrag Opfer eigentlich nur von der Landwirthschaft zu verlangen. Er wolle auf die ganze Spfertheorie, die der Reichskanzler entwickelt habe, nicht ein⸗ gehen; er halte sie für falsch, er weise es ganz eatschieden zurück, wenn, man sage, irgend welche Konsumenten hätten der Landwirthschaft Opfer zu bringen. Die Opfer, die Der oder Jener gebracht, habe er im Interesse des Vaterlandes, nicht der Land⸗ wirthschaft gebracht. Wenn er sich aber den Vertrag ansehe, so würden hier Qpfer verlangt nur von der Landwirtbschaft bis in die allerkleinsten Nebenindustrleen hinein, die etwas damit zu thun hätten. Erklaͤrlich werde das nur, wenn die Industrie höher ge. schätzt werde, als die Landwirthschaft. Wenn es in der Rede des Reichttanziers heiße, Handel und Industrie seien die wesentlichsten Duellen des Woblstandes, so müffe er diesen Satz mit dem Abg, von Kardorff für jetzt noch bestreiten, und wenn es selbst der Fall wäre, müßte man erst recht für die Landwirthschaft sorgen. weil ihre Bedeutung auf einem ganz anderen Gebiete liege, als nur auf dem des Erwerbs und des zunehmenden Wohlstandes. Der Reichs⸗ lanzler habe ein Wort Friedrich's des Großen an einen Regiedirektor von der Induftrie als der Nähramme des Staats erwähnt. Das Wort von Der Rähramme liege in seiner Entstehung viel weiter zurück, es habe sich damit manche interefsante Wandlung vollzogen. Zuerst finde man bei Sully unter Heinrich IV.: le labourage et le pätu- rage sont les mamelles de Etat; später unter dem Merkanti- lismus Colbert's komme dann auch neben lagriculture l'industrie hinju. Wenn nun der Reichskanzler sich jetzs so entschieden auf diese Aeußerung Friedrich's des Großen berufe, so wisse er (Redner) nicht, ob er die eine jener Brüste abschneiden oder verkümmern laffen wolle. Er finde das jedenfalls sehr bedenklich und theile jenen Standpunkt, der sage, Landwirthschaft und Industrie seien beide Nährmütter des Vaterlandes und müßten den Schutz des Staats, verlangen, die Landwirthschaft noch mehr als die Industrie. Weshalb die offenbare Begünstigung der In⸗ dustrie7 Die ungünstige Handelsbilanz sei erst in den allerletzten Jahren hervorgetreten, und man müsse bei ihrer Betrachtung doch binjunehmen, was das Ausland an Zinsenzablung bringe; danach

stelle sich die Handelsbilanz befser. Der Reichskanzler babe aus- geführt, daß seit der 89 Zölle die einheimische Industrie erstarke. Also habe die Industrie durch die Zölle mehr Vortheil ee als die Landwirthschaft. Daher hätte man richtiger die ndustriellen Zölle herabsetzen, als der Landwirthschaft ein Opfer zu⸗

Der Reichskanzler habe auf die Industriearbeiter Wenn irgend Jemand, so theile er (Redner) die sotialen Fürsorge für die Arbeiter; aber man habe auch ländliche Arbeiter, deren Wohl an das Wohlsein der Landwirthschaft gelnüpft sei. Könne die Land- wirthschaft nicht mehr existiren, so drängten die Arbeiter noch mehr in die großen Städte. Der Reichskanzler schildere das bessere Familienleben und die größere Sittlichkeit auf dem Lande gegenüber den Stãdten. Aber . durch die ye ,. Industrie auf Kosten der Landwirthschaft erziehe man in den Städten ein Prole⸗ tariat, an dem man so geringe Freude habe. Prosperiren werde die Landwirthschaft bei dem ermäßigten Zoll nicht mehr. Der Reichs⸗ kanzler wolle keine Garantie dafür geben, daß nicht während der zwölf Jahre die Zölle noch weiter ermäßigt würden. Aber sei der Zoll erst auf 3,50 M herabgesetzt, dann werde der Sturm gegen die agrarischen Zölle erst recht losgehen. Die Gegner der Zölle würden sich dann auf die Regierung selbst berufen können. Wenn auch der Reichskanzler an eine weitere erabsetzung nicht denke, könnten doch einmal die Verhältnisse staäͤrker sein als er. Der

muthen sollen.

1 reude an jeder

Reichskanzler meine, man fahre E den Wagen nur in ein anderes, neben den alten liegendes Geleise hinüber, gi dabei könnten leicht Entgleifungen vorkommen. Dag politische Bundniß solle durch das

rtikel

den Artikel erst gestern nach der Rede kanzlers elesen habe. Der Reichskanzler sehe den Artikel als einen 3 an, das Ausland fenen die eigene Regierung ins Feld zu rufen. Der Artikel enthalte nichts welter als die Thatsache bah ich blen In Berlin ein Commit gebildet babe, in der Meinung, daß man in Deutschland über die Strömung in Oesterreich Ungarn gegenüber dem Handels vertrag nicht unterrichtet sein könne, weil man mit den sprach⸗ lichen Verhältniffen nicht genügend vertraut sei. Die hierher kommende öͤsterreichische Presse bringe die den Verträgen abgeneigten Stimmen nicht zur Geliung, man solle daher bei den dortigen Ge- werbekammern und in landwirthschaftlichen Kreisen umfragen. danach die Stimmung den Verträgen nicht günstig., so folge daraus nicht eine Verbefferung des politischen Verhältnifses durch den Handels- vertrag, der im Gegentheil Mißstimmung zwischen beiden Theilen hervorrufe. Dieser Gedanke sei nicht überraschend und werde auch von anderen, über die Verbaäͤltnisse Unterrichteten getheilt. Der Reichs⸗ kanzler habe allerdings einen wirkungsvollen Eindruck auf den Reichstag gemacht, besonders mit der Bemerkung, daß man sich an alle moglichen Nationalitäten in Oesterreich, nur nicht an die Magyaren und Deutschen wenden wolle. vermuthlich den Artikel selbst nicht gelesen. In dem Artikel seien nicht Magyaren und Denische ausgenommen, sondern Magyaren und Juden Liberale, und er werde doch nicht Juden Liberale und Deutsche sdentifiziren? Dieser Irrthum des Reichskanzlers habe dem Artikel eine ganz andere Bedeutung gegeben, die Deutschen seien darin nicht ausgenommen. Am Tiefsten habe ihn gekränkt, daß der Reicht ianzler von der Neuen Preußischen Zeitung- bemerkt habe er fönne nicht sagen, ob sie das Parteiblatt der Konservativen sel oder nicht. Die ‚„Kreuzzeitung? habe nie ein Parteiorgan sein wollen, fondern fei immer ihre eigenen Wege gegangen, aber in dieser Frage habe sie die Mehrheit der Fraktion und die Mehrheit der Kon⸗ fervativen draußen im Lande jweifelloz auf ihrer Seite. Ebenso ge⸗ kränkt habe ihn die Aeußerung, die Neue Preußische Zeitung“ bean⸗ spruche, preußischer zu fein als andere. Er habe die Vergangenheit der Zeitung nicht zu vertheidigen. Itder wisse. wag sie für Preußen gewesen fei; niemals sei ihr der Vorwurf gemacht, lein Herz für Preußen zu besitzen. Er beklage diese Angriffe aufs Tiefste und würde cs noch mehr beklagen, wenn in Zukunft solche Polemik weiter um sich griffe. Seine Fraltion werde die Kommifsions beratung beantragen. Klle dies Fragen könnten nur in einer Kommission ihre sachliche Er⸗ a. finden, und er bitte möglichst Viele, dem Antrage zuzu⸗ immen.

Reichskanzler von Caprivi:

Was zunächst die Bemerkung angeht, ich hätte gesagt, die Kreuj⸗ zeitung! mache den Anspruch, preußischer zu sein als andere Leute, so war ich dazu berechtigt. Jedenfalls hat sie den Anspruch gemacht, preußischer zu sein als ich; denn es ist noch nicht lange her, daß sie mir vorgeworfen hat, ich verkröche mich binter dem König, etwas, was ein preußischer Offinier noch nie gethan hat. (Bravo!

links.)

Was weiter den Werth und die Stellung dieses Artikels angeht, so haben ihn auch Andere so geschätzt, die Redaktion hat ibn auf der ersten Seite aufgenommen, und ich will dem Herrn Abge⸗ ordneten sagen: ich glaube ihn zuerst ohne Einleitung in den Hamburger Nachrichten gelesen zu haben. (Hört, hört! links) Ich ließ mir dann die Kreuzzeitung“ geben und las ihn nach. Wenn ich aus dem Artikel, ohne ihn vor mir in haben, die Deutschen und die Juden ˖ Liberalen“ mit einander verwechselt habe, so war dies nicht ganz fernliegend. Denn, wenn gewisse Zeitungen sich mit den Deutschen in Oesterreich, namentlich wie hier mit der deutschen Presse beschãftigen, so fehlt das Wort. Juden · Liberale in der Regel nicht, sie laufen beide neben einander, und es waren überdies in einem Satze vorher alle Nichtdeutschen aufgeführt, ausgenommen die Magvaren.

Wenn der Abgeordnete meint, dies wäre erklärlich gewesen, weil gerade die Sprachen dieser Völker nicht verstanden würden, so ist das Magyarische uns auch nicht geläufiger. (Heiterkeit)

Nach 5 Uhr erhält unter großer Unruhe des Hauses und mehrfachen Rufen nach Vertagung das Wort

Abg. Dr. Simonis, der sich gegen die Ermäßigung der Wein⸗ zölle auzspricht, die namentlich den elsaͤssischen Weinbauern die französische Konkurrenz auf den Hals ziehen werde; auch die vermehrte italienische Konkurrenz würde bedenklich werden, namentlich da diesmal eine Üüberreiche Ernte gewefen fei. Die Italiener warteten nur auf ö. 96 des neuen Zollsatzes, um Deutschland mit Wein zu überschwemmen.

Unter⸗Staatgsekretär von Schraut: Wenn der Wein ein Ge= tränk in werteren Kreisen bleiben und werden solle, dann sei es noth⸗ wendig, die leichten deutschen Weine mit den alkobolreicheren Weinen Itallenz zu verschneiden; es sei durchaus nicht gesagt, daß er. der deutsche Weinbau geschädigt werde; beschränkt werde dadur nur die Fabrikation des Kunstweins und die künstliche Vermehrung des Weines durch Wafferjufatz Die Vermehrung des Konsums werde jeden etwa eintretenden Schaden ausgleichen. Die Weinernte Deutschlands fei trotz gleichbleibender Anbaufläche großen Schwan⸗ langen unterworfen. Immer mehr zeige sich im Reichslande das Bedürfniß nach leichten Rothweinen, weil Frankreichs Pro⸗ duktion zurückgegangen sei. Der Vertrag lasse herein jum niedrigen Zoll rothe Raturweine zum Verschnitt unter Kontrole; sie machten nicht Konkurrenz auf dem freien Markte, sondern dürften nur als Zusatz verwendet werden. Die Frage des Geschmacks spiele hierbei cine große Rolle; wer einen guten mittleren Wein bisher ge · trunken habe, werde nicht gemischten Wein trinken. well er etwas billiger sei. Die Kontrole werde so eingerichtet werden, daß jeder Mißbrauch ausgeschlossen sei. Verschnittweine würden nur aus Italien som men, denn die Franzosen brauchten ihre Weine zum Verschnelden felbst. Weiter auf die Cinzelheiten einzugehen, könne wohl der Spenial⸗ berathung überlassen werden. .

Um 6 Uhr wird die weitere Berathung bis Sonnabend

11 Uhr vertagt.

Eutscheidungen des Reichsgerichts.

. einem wen,, mit , aten (sowo mem gezogenen

echsel) ut n . Urtheil des Reichsgerichts, III. Givilsenats. vom 25 September 1831, die rechtzeitige Erhebung des Prote stes Mangels 3*

dem Äutzsteller gegenüber nicht erforderlich; gegen diese geht der wechselmäßige An spruch durch die Vergbsäumung der Protest · erhebung am Dom fert nicht verloren. Die Formel: zahlbar au f de m Comptoir c im Domnilwechsel macht diesen nicht zu einem Dominilwechsel mit benanntem Domizillaten (em Inhaber des Tompioirg), fondern zu einem solchen mit unbenanntem Dominliaten.

Der Reichskanzler habe

lung dem Acceptanten . beim eigenen sel

M 293.

Zweite Beilage zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.

Berlin, Sannabend, den 12. Dezember

Den tsches Reich. nebersicht

1891.

der in den deutschen Münzstätten bis Ende November 1891 stattgehabten Ausprägungen von Reichsmünzen.

1) Im Monat November GSoldm üünnen

Silber münzen

Nickelmünzen Kupfer münzen

1891 sind geprãgt worden in:

Doppel⸗ Halbe kronen Kronen M6 M6

Kronen

Fũnf⸗ Zwei⸗ Ein⸗ erg. Zwanzĩ g⸗ markstictemarkstũcke markstůcte . S6

stũcke 060 A6 6. 3

pfennigstuͤcke

hn. Zn · Zwei Ein · pfennigstũcke pfennigstücke pfennigstücke pfennigstücke

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Zwanzig⸗ Zehn⸗

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) Vergl. den Reichs⸗Anzeiger vom 10. November 1891 Nr. 265.

Berlin, den 11. Dezember 1891.

K Reichs⸗Schatzamts.

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T Ss ĩĩd J3ꝰ . T Vr, T

Statistik und Volkswirthschaft.

Invaliditäts⸗ und Altersversicherung. Wie die Schweidnitzer „Tägliche Rundschau' berichtet, beträgt im Kreise Schweidnitz die Zahl der Personen, welche die Wohlthaten der Altersversicherung genießen, bereits 367.

ESrrichtung von Schlachthäusern.

Wie die Schweidnitzer Tägliche Rundschau“‘ berichtet, sind im Laufe dieses Jahres in der Provinz Schlesten in einer ganzen Anzabl Städte Schlachthäuser neuerbaut und dem Betriebe übergeben worden. So wurden vor einigen Tagen die städtischen Schlachtbhäuser zu Freiburg, Tarnowstz und Lüben eröffnet. In mehreren anderen Städten der Provinz feht die Errichtung gleicher Institute für die nächste Zeit bevor. So wird in Guhrau der Bau des dortigen städtischen Schlachthauses Anfang k. J. fertiggestellt sein.

Arbeiter fürsorge.

Die Gerresheimer Glashüttenwerke bei Düsseldorf be—⸗ absichtigen, das frühere Bahnhofsterrain zu einem Park für ihre Arbeiter und deren Familien umarbeiten zu lassen. Ein Turnplatz und ein Spielplatz für die kleinere Jugend werden sich dem Park an⸗ schließen. Der ehemalige Güterschuppen wird umgebaut und erweitert werden, um den Turnern der Glasfabrik als Turnhalle zu dienen und das Lesekabinet und die Volksbibliothek aufzunehmen. Außerdem wird die Aktiengesellschaft einen neuen großen Saal an das Wirths⸗ haus der Glasfabrik anbauen, welcher zusammen mit dem bereits be⸗ stehenden Saale einen Flächeninhalt von rund 570 4m haben wird, und für Versammlungen der Vereine, Musikfeste und andere gesell⸗ schaftliche Zusammenkünfte dienen soll.

In Thüringen hat eine Anzahl von Fabriken die Gewährung eines war men , eingerichtet. Sämmtliche Theilnehmer bilden eine Genossensckaft. Der Becher von drei Achtel Liter Inhalt kostet 1 8 für Kaffee, 6 3 für Bouillon.

Eine anerkennenswerthe Einrichtung hat der märkische Fabrik⸗ besitzer G. Stitter in Driesen getroffen, indem er in Anbetracht der theuren Lebensverhältnisse jedem seiner verbeiratheten Arbeiter während der Wintermonate wöchentlich einen Centner Kohlen unent⸗ geltlich verabfolgen läßt.

Aus Anlaß des 26 jährigen Bestehens der Firma Leopold Engel⸗ hardt u. Biermann in Westfalen hat der Chef derselben, F L. Bier⸗ mann, Bremen, für seine Arbeiter am 1. Oktober ein Geschenk von 106000 6, zunächst als Grundstock einer Stiftung für Ersparnisse seiner westfälischen Arbeiter, gegeben. Der Stifter strebt an, dem einzelnen Arbeiter beim vollendeten 50. Lebensjahr ein Kapital von ungefähr 1000 M, zu dem deiselbe successive auch feinerseits beigetragen haben muß, zu beschaffen. Die Verwal⸗ tung dieser Sparkasseneinrichtung und der zufließenden Gelder untersteht einer Kommission, bestehend aus einem Prokuristen oder Fabrildirektor der Firma, den diese beauftragt, einem älteren Werk führer der Firma. den diese und die Arbeiter gemeinschaftlich bestimmen, und einem älteren Arbeiter der Fabrik, den die Arbeiter allein wählen. Aus den Statuten sind bemerkenswerth: §. 4. Jedem Arbeiter, der monatlich 1 zu sparen sich entschließt, wird Seitens der Firma am Schluß des Jahres der gleiche Betrag von 12 6 gut geschrieben. 5. 6. Jeder Arbeiter, der 25 Jahre in der Fabrik gearbeitet, erhält 100 4. §. 7. Alle Spareinlagen, sowie die nach 5 jähriger Thätigkeit dem Ärbeiter zugewandten 100 „M, welche bis zum b0. Jahre verzinst werden, sind dem Inhaber des Sparbuches mit dem vollendeten 56. Lebensjahre unverkürzt auf Verlangen aus zuzahlen. Im Todesfalle wird der volle Saldo an die Erben aus— bezahlt. Rach der beigegebenen Skala würde im 50. Lebensjahre, nach 26 jäbriger Arbeit, der Sparbetrag 899 M 70 3, nach 30 jähriger Krbeit i154 60 3, nach 36 jähriger Arbeit 1516 M 90 sein. Es ist letzterer Betrag angenommen, wenn die Ersparnisse bereits im 14. Jahre beginnen und mit dem 56. Jahre enden.

Zur Arbeiterbewegung.

Die ausständigen deutschen Buch drucker nehmen in einem vom „Vorwärts“ mitgetheilten 1 die Unter⸗ agen der Arbeiter aller Länder in Anspruch. Der

ufruf ist zumeist in den übertriebenen Ausdrücken ab⸗ efaßt, die die sozialdemokratischen ähnlichen Schrift⸗

cke zu kennzeichnen pflegen. Inzwischen ist der Vor⸗ itzende des Ünterstützungsvereins, deutscher Buchdrucker, Herr Döblin nach England geschickt worden, um die eng⸗ Uschen Arbeiter für die Unterstuͤtzung des Aus standes zu ge⸗ winnen. Aus London liegen bereits folgende Nach⸗ richten vor: ;

Gine Versammlung der Delegirten des Gewerkschaftsratht berieth, wie das . D. B. H.“ berichtet, am Donnerstag über die Unterflützung der ausständigen deutschen Buchdruckergehülfen. Die hierzu erschienenen deutfchen Delegirten gaben Auskunft über die Entstehung des Augstandegz und die Zahl der Ausstaͤndigen. Ihren Angaben jufolge sind 25 000 Pfd. Bierl. erforderlich. um den Ausstand noch einen Monat . Zu diesem Behuf ersuchten . die englifchen Gewerkschaften um eine Anleihe, wobei sie die Mit⸗ theilung machten, daß ihnen aus Frankreich ebenfalls Hülfe zugesagt fei, Gine Resolutton, die englischen Gewerkschaften zur Beihülfe ju verpflichten, wurde unter großem Beifall angenommen. Sodann

wurde eine Drahtmeldung aus Amerifa verlesen, welche auch von dort den Ausständigen Hülfe in Aussicht stellt.

Der „‚Fekf. Ztg.“ wird gleichfalls aus London unter dem 109. d. M. geschrieben: Das London Trades Council veranstaltet am nächsten Montag eine öffentliche Versammlung zur Unterstützung der ausständigen Setzer in Deutschland. Herr Emil Döblin, welcher der Versammlung beiwohnen wird, hat, dem „Daily Chroniele. zufolge, an die englischen Gewerkvereine ein Schreiben gerichtet, in welchem er u. A. behauptet, daß innerhalb eines Monats von den Ausständigen 6000 Mitglieder mit Zustimmung des Verbandes zur Arbeit zurückgekehrt seien, weil ihnen der neunstündige Arbeitstag bewilligt sei. 10 G00 seien noch gusständig. Die Kameraden in ver= schiedenen Ländern hätten 700 Pfd. Sterl. (14 000 M) beigesteuert und die arbeitenden Mitglieder hulfen ebenfalls; allein Angesichts des hartnädtigen Widerstandes vieler Firmen“ und der sonstigen Schwierig keiten füble sich der Verband veranlaßt, sich an die Gewerkvereinler in Großbritannien um Unterstützung zu wenden, da die von dem Verbande angesammelte Summe von 30 000 Pfd. Sterl. (600 9000 C) in Kürze verstärkt werden müsse. Herr Döblin schließt mit der Bemerkung, daß alle Bewilligungen, wenn nöthig, binnen sechs Monaten zurückgejahlt werden, und daß zu diesem Zwecke eine schriftliche Verpflichtung von den Mitgliedern des Comitès unter- jeichnet werden sollte. Es bandelt sich also eigentlich um eine Anleihe in England. . ; .

Hier in Berlin fand gestern Nachmittag wieder eine all⸗ gemeine Buchdruckerversammlung mit den Hülfsarbeitern statt, Über die wir nach der „Voss. Ztg.“ Folgendes mittheilen:

Der frühere Gehülfenvertreter Herr Be st ed erklärte, es sei auf lange Zeit keine Aussicht vorhanden, daß die ausständige Gehülfenschaft die Arbeit wieder aufnehmen werde. Die Arbeiterschaft Englands und Amerikas rühre sich, um die deutsche Gehülfenschaft in großartiger Weise zu unterstützen. Von dem in London weilenden Vorsitzenden des. Unterftuͤtzungs vereins Herrn Döblin, sei folgende Drabtnachricht eingelaufen: Die Vertreter von 1460 Trade Unions haben weitgehendste Unterstützung zugesichert. Es hat sich ein nationales Comits, darunter fünf . lamentsmitglieder, gebildet. Montag findet Massenmeeting für uns statt. Unterstützung über Weibnachten hinaus zugesichert. Wie der Kassirer des Vereins mittheilte, sei nach einer Meldung des Re— dacteurs deg „Trade Unionist· Nash von den Londoner Setzern bereits ein Beitrag von 500 Pfd. Sterl. für den Ausstand den deut⸗ schen Buchdruckern bewilligt worden. Auf 20 000 Pfd. Sterl. könne die Gehülfenschaft von Seiten der Londoner Kollegen sicher rechnen. Der Vorsitzende Pbil. Schmitt theilte mit, daß seit Donnerstag die völlige Cinigkeit der Sehülfenschaft mit der gesammten Berliner Ärbtiterschaft erzielt sei. Die Ausstandskontrolkommission werde die Arbeiterschaft auffordern, die Buchdrucker zu unterstüßtzen. Es wurde sodann der (oben erwähnte) Aufruf verlesen, den die Ber liner Arbeiter an die Arbeiter aller Länder richten.

In Königsberg i. Pr. beschlossen, wie das D. B. H.“ meldet, die ausständigen Setzer, den Ausstand, wenn nöthig, bis April 1892 fortzusetzen. Die Arbeitgeber beharren gleichfalls auf ihrem bisherigen Standpunkt. In Hamburg haben, wie der Vorwärts. berichtet, fast sämmtliche Maurer die Arbeit niedergelegt wegen eines Streites um die Arbeitszeit.

Endgültige Ergebnisse der Viol kszählung vom 1. Dezember 1isgo0 im Herzogthum Anbalt.

Die gesammte ortsanwesende Bevölkerung des Herzog⸗ thums Anhalt belief sich am 1. Dezember 1890 auf 271 963 Personen (134 (71 männlichen und 137 852 weiblichen Geschlechts) gegen 248 166 am 1. Dezember 1885; sie hat mithin um 23 797 Personen oder 96 o.,, zugenommen. Die seohte Zunahme der Bevölkerung in den Städten Anhalts weist Bernburg mit 30,9 0 auf, dann folgt Dessau mit 2,8 olg. Von den Dörfern zeigt Roschwitz mit 31200 den größten Zuwachs, dann Leopoldshall mit 6932 0. Auffallend ist die geringe Bevölkerungszunahme im Kreise Cöthen, 1400. und namentlich die bedeutende Abnahme der Bevölkerung in den länd⸗ lichen Distrikten dieses Kreises. Die Zabl der bewohnten Wo hn; häu ser ist seit der Zählung am 1. Dezember 1885 von 31 009 auf 33 085 angewachsen, also um 67 d. Der größte Zuwachs von 8041 auf 8830, also um 9.8 Co, ergiebt sich für den Kreis Bernburg, der kleinste von sz auf 6s, aifo nur um 3, ; iso, für den Kreis Cöthen. In der Stadt Dessau hat 9 die Zahl der be⸗ wohnten Wohnhäuser von 1877 au 2140, also um 15,9 0. erhöht, in der Stadt Bernburg von 1942 auf 2364, also jogat um 21, so. Finen besonders großen Zuwachs der bewohnten Wohnhäuser, nämlich von 215 auf 3465, also um 62, 30so, weist das Dorf Leopoldshall auf, während in der Stadt Sandersleben nur 2 bewohnte Wohnhäuser mehr als im Jahre 1885 gezählt sind. Die Gesammtjahl der Haushaltungen im Herzogthum Pat sich in der Zäblungsperiode von 6 4195 auf 62 5865, also um 10,8 o, ver- mehrt. Davon stellt die Stadt Deffau, wo sich die Zabl von 6639 bis auf S532, alfo um 25. 5 oo vermehrt hat, das größte Kontingent. Dann folgt die Stadt Bernburg, wo die Zahl der Haushaltungen 6393 gegen 4874 nach der vor; Zählung beträgt; das ergiebt eine Vermehrung um 31,2 Oso. ch dem Religions bekenntni waren 261 315 Personen (128 117 Perfonen männlichen und 1330 weiblichen Gefchlechls) evangelischer Konfession. S875 Fatholifen Gos

männlichen und ss weiblichen Geschlechts), 281 (168 männlichen und

1II3 weiblichen Geschlechts) andere Christen, 1580 (739 männlichen und S841 weiblichen Geschlechts) Israeliten und 12 (10 Männer, 2 Frauen) ohne bestimmte Angabe des Religionsbekenntnisses. Der israelitische Tbeil der Bevölkerung läßt während der letzten Zählungsperiode eine kleine Abnahme erkennen, und zwar um 21 Köpfe (4 männlich und 17 weiblich) oder 1,B3 vo, während sich im Kreise Bernburg eine Vermehrung der Juden um 31 Köpfe (6,7 o/o) ergiebt. Doch bleibt auch hier der Zuwachs gegen die sonstige Vermehrung der Bewohner des Kreises im Verhältniß zurück. Zu der bedeutenden Zunahme des katholischen Theils der Bevölkerung Anhalts von 5492 auf 8875 (also um 61,6 0) stellt der Kreis Bernburg weitaus das größte Kontingent; denn hier haben sich die Katholiken von 2559 auf 4431 Köpfe, also um 73,2 Go, vermehrt. Eine besonders auffallende Vermehrung hat im Herzogthum während der letzten Zählungsperiode die Zabl der. jenigen Bewohner erfahren, die unter der Rubrik „andere Christen“ zusammengefaßt worden sind, die auf 281 gegen 8989 am 1. Dejember 1885, oder um 215,7 Cso, stieg.

Nach Mittheilung des Statistischen Amts der Stadt Berlin sind bei den hiesigen Standesämtern in der Woche vom 29. November bis inkl. 5. Dezember er. zur Anmeldung gekommen: 290 Ebeschliesungen, 976 Lebendgeborene, 36 Todtgeborene, 923 Sterbefãllt.

Die Mittheilungen der Großherzoglich hessischen Centralstelle für die Landesstatist ik“ haben in der Nr. 504 vom November 1891 folgenden Inhalt: Verzeichniß der Gemarkungen und Gemeinden mit Angabe der ortsanwesenden Bevölkerung nach der Zählung vom 1. Dejemkber 1890. Preise der gewöbnlichen Verbrauchsgegenstände. September 1891. Betrieb der Eisen⸗ bahnen September 1891.

Literatur.

Volks wirthschaft.

Von der Sozialpolitischen Rundschau, Monatsschrift für die Geschichte und Kritik der sozialen Bewegung, berausgegeben von Dr. Karl Munding in Friedenau, (Verlag von Fr Richter in Leipzig) ist das 2. Heft erschienen. Es enthält die Fortsetzung des Aufsatzez; ‚Zur Theorie und Praxis des Heirathens- von Alexander von Oettingen, ferner einen Aufsatz von dem Pastor Adolf Jäger in Werder: Rechte und Pflichten in der Sozialpolitit'. Die Aufnabme dieses Auffatzes kann der jungen Zeitschrift kaum zur Empfeblung dienen. Zwar macht die edaktion an manchen Stellen ibre Vorbehalte; diese können aber unmöglich die Verkehrtheiten der Grundlage ins Gleichgewicht bringen. Man braucht mit dem Verfasser nicht wegen der Tendenz, die er hierbei verfolgt: Hebung der Bodenrente! zu rechten; diese ist gewiß berechtigt, wenngleich er keine bestimmten Vorschläge macht; es scheint nur andeutungsweise hervorzugehen, daß er sie sich von der Silber⸗ währung verspricht. Indeß, was dem Aufsatz nicht zur Empfehlung 6 ist die Thatsache, daß seine politische Weltanschauung und seine Urtheile über die historische und gegenwärtige Entwickelung auf sehr geringen bistorischen Kenntnissen beruhen. Seinen Auffassungen don der geschichtlichen Stellung des Adels und seinen Rechten und Pflichten im 18. und in diesem Jahrhundert liegen so agrarisch und streng konservativ er erscheint doch nur liberale Traditionen zu Grunde, die durch neuere wissenschaftliche Untersuchungen völlig widerlegt worden sind und als ein überwundener Standpunkt gelten können. Nahezu naiv ist die Auffassung, daß die wirthschaftliche Prosperität unter Friedrich II. in der Münzverschlechterung wurzelte; offenbar sind dem Verfasser die treibenden Kräfte der Fridericianischen Wirthschaftepolitik völlig unbekannt. Nicht anders steht es mit den Urtheilen über die politische Entwickelung dieses Jahrhunderts und der Gegenwart, die historisch nicht haltbar sind und denen wohl mehr politische Schlagwörter als eine wirkliche Kenntniß der Verhältnisse zu Grunde in; namentlich gilt dies auch von seinen Urtheilen über die Landgemeindeordnung und Die Invalivitäts⸗ und Altersversicherung. Von diesem mehr politisch tendenziösen, als wissenschaftlich objektiven Aufsatz sticht ein anderer Aufsatz von dem italienischen Nationalökonomen Luigi Sbrojavacea über die soziale Bewegung in Italien“, der wissenschaft⸗ lich orientirend ist und eine eingehende Kenntniß der Verhaltnisse verräth, wohlthuend ab: es wird darin ausgeführt, daß die ländliche Bevölkerung Italiens fast mehr als die städtische sich mit den Marx⸗ schen Ideen befreundet hat, und daß die sonalistischen wie sozial⸗ reformatorischen Richtungen sich vom Ausland dorthin übertragen

baben, daß aber von einer eigentlichen soztalistischen Partei noch nicht

die Rede sein kzune, die Sozialdemokratie sich vielmehr nur erst in

dem Stadium der vorbereitenden Propaganda befinde. Weiter wird

darin cine Ueberficht gewährt von den neueren Gesetzen und Gesetz⸗

entwürfen, die sich mit der Besserung der Lage der arbeitenden Klassen

Italiens befassen. Von dem übrigen Inhalt des Heftes heben wir

Fervor, daß auch diesmal die Chronik der sozialen Bewegung“ eine

i. sehr reichhaltige itt Minitärisches.

Die Deutsche Armeezeitung“, Garnisonblatt für das

esammte Deutsche Heer, herausgegeben vom Lieutenant d. S. C. von irn Verlag von R. F. W. Krahl, Berlin, Preis vierteljährlich 7 M, erscheint wöchentlich einmal, erinnert regelmäßig an die vater ländischen Gedenktage der auf ihr Grscheinen folgenden Woche, bringt alle neuen und wissenswerthen Nachrichten über die militärischen An gelegenheiten des In und Auslandes und kann desbalb den Mit- gliedern und Freunden des Soldatenstandes angelegentlichst empfohlen

werden.