1891 / 296 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 16 Dec 1891 18:00:01 GMT) scan diff

weil in ihnen das Handwerk und auch die Landwirthschaft . Er wiffe nicht, wie der Reichskanzler neulich damn gekommen lei, ihm vorzuhalten, er bätte ein handels- holltisches System vorgeschlagen, das dabin ginge, Deutschland olle sich mit hohen 5 umgeben, dann würden die anderen

ationen ebenso verfahren und dann solle man mit ihnen in Ver⸗ handlungen treten. Er (Redner) wünsche nur eine Revision des 1879er

olltarifz nach der Richtung vorgenommen zu seben, daß man nnter⸗ a. wie die Zölle auf Rohprodukte, auf Halbfabrikate und Ganz fabrikate abjumessen seien. Darüber habe man 1879 keine Er⸗ fahrung gehabt. Jetzt, an der Hand einer zehn Jahre umfassenden Sitatistik, könne man die vorhandenen Incongruenzen ausgleichen. Er Jabe an maßgebender Stelle dies schon vor Jahren angeregt, damals aber habe man darauf nicht eingehen können, weil man mit der folialpolitischen Gesetzgebung vollauf beschäftigt gewesen sei. Auch pie mit den Induffrieverhältnissen Vertrautesten könnten nicht angeben, welche Wirkung die in den Handelt verträgen enthaltenen Tarife auf die Entwickelung der Industrie baben würden. Hier sei die Mitwirkung der Parlamente ülusorisch geworden. Der Abg. Freiherr von Huene versichere, die Mehrheit des Reichstags werde ihn davor bewahren, daß man im Großen und Ganzen die Bahn der Schutz zollpolitit verlasse, er (Redner) habe nur kein großes Vertrauen zu dieser seiner Versicherung. Der Reichskanzler bemängele, daß er eine Reihe so verschiedenartiger Gegenstände, wie Gold und Silber, Schweineeinfuhr, Geflügelzucht, Eier u. s. w. berührt habe; daran sei aber die Vorlage schuld, die fo viele und so heterogene Gegenstände umfasse. Er habe ferner gesagt, er (Redner) Hätte eine Revision des Tarifs, der in den Handelsverträgen stehe, im Interesse der kleineren Landwirthe verlangt; das thue er auch jetzt noch. Er glaube, daß ein Geflügelzoll im Interesse der Landleute liege, jetzt mehr als früher, wo namentlich aus Rußland früher nicht fo viel Gänse eingeführt worden feien als jetzt. Man habe wiederholt von Bauern gesprochen; es sei gewiß ein guter Kern der Bevölkerung, aber neben den Bauern, die nur ähr eigenes Feld bearbeiteten, gebe es auch viele, die eine kleine Freistelle besäßen, daneben aber unter Umstaänden sich als Arbeiter bei Änderen verdingten. In diesen Leuten liege ein großer Schatz von Gottesfurcht, Vaterlandsliebe, Familiensinn, Treue zu König und Vaterland und Anhänglichkeit an die Scholle. Das sei ein fester Hort gegen die Verfühcungen der Sozialdemokratie gewesen. Wenn aber hier gesagt werde, durch den Getreideoll hätten die Groß⸗ grundbesitzer und die Bauerngutsbesitzer nur für sich selbst gesorgt, so gebe man damit der sozialdemokratischen Agitation bei diesen Leuten die Waffen in die Hand. Man habe früher die Sozialdemokratie bekämpfen können als antinational, als religionslos und damit schließen, daß deswegen ja die Sozialdemokratie gesetzlich verboten sei. Jetzt liege die Sache ganz anders. Jetzt kämen die Sozialdemokraten zu der ländlichen Bevölkerung und sagten, man thut uns Unrecht, es find ganz erlogene Vorwürfe, wir sind gute Leute, wir wollen nur bem kleinen Mann helfen. Der Letztere sage sich dann, es müsse doch wohl etwas an diesen Reden sein, denn sonst hätte man das Sogzlalistengesetz nicht aufgehoben. Das Beklagenswertheste an den Verträgen fei, daß der Landwirthschaft für die Getreidezollverringerung gar keine Entschädigung gegeben werde. Unter diesen Umständen sei eg natürlich, daß die Abgeordneten von der linken Seite die gänz— liche Befeitigung der Zölle anstrebten. Er wisse ja, daß man auf die politische Seite der Verträge großes Gewicht lege. Diese habe aber für ihn nicht genug Gewicht, um den Handelsverträgen des⸗ wegen seine Zustimmung zu geben, und er werde dagegen stimmen, wenn nicht bis zur dritten Lesung Erklärungen von der Regierung abgegeben wurden, die ihm die Zustimmung ermöglichten.

Reichskanzler von Caprivi:

Ich will auf einige Einzelheiten, die der Herr Abgeordnete angeführt hat, nicht weiter eingehen, um den Kreis der Debatte nicht noch zu erweitern. Wenn er auf seine alten Waffen zurückgegriffen hat, wie das Sozialistengesetz, so glaube ich im Interesse des Hauses zu handeln, wenn ich auch dies nicht noch in die Debatte hineinziehe, in die schon eine Menge anderer Dinge hineingezogen sind, die nicht hineingehören. (Sehr richtig!)

Wenn der Herr Abgeordnete von Neuem das Geflügel unter eine schützende] Fittiche genommen hat, so finde ich darin, daß wieder⸗ holt darauf zurückgekommen ist und daß ähnliche Details einen solchen Umfang gewinnen, doch ein Anzeichen davon, daß der Werth der Dinge, um die es sich hier im Ganzen handelt, in dem Bilde, das das Haus sich macht, immer mehr zurücktritt gegen die kleinen Details, die in den Vordergrund gestellt werden.

Wenn der Herr Abgeordnete die Schätze, die an Familiensinn und Religiosität in unserem Bauernstande liegen, hoch schätzt, so gebe ich ihm darin nichts nach, ich gehe vielleicht noch etwas weiter wie er. Ich schätze sie so hoch, daß ich glaube, sie werden selbst durch den partiellen Schaden, den sie an den 1550 erleiden könnten, nicht alterirt werden. (Sehr guth

Der Herr Abgeordnete verwahrt sich Eingangs seiner Rede da—⸗ gegen, ich hätte ihm imputirt, er habe ein System mit hohen Mauern empfohlen. So wie der Herr Abgeordnete sagt, daß er das nicht empfohlen hat, versteht es sich von selbst, daß ich revoeire; ich bin dann aber noch nicht im Stande, zu erkennen, was er eigent⸗ lich empfiehlt. Denn wenn er sagt: wir wollen unsere Tarife jetzt revidiren, so wird ein Mann wie Herr von Kardorff doch nicht glauben, daß damit die gegenwärtige Frage aus der Welt geschafft wäre, daß, wenn wir unsere Tarife revidiren und einige Zölle, wie er wünscht, in die Höhe gesetzt hätten, wir damit um die kolossale Frage, vor der wir stehen, herumgekommen wären. (Sehr richtig!

Der Herr Abgeordnete sagt weiter, er getraue sich nicht über irgend eine Industrie ein Urtheil abzugeben, klagt aber gleichzeitig darüber, daß das Parlament nicht mitgewirkt habe. Ja, meine

Herren, wenn nun viele der Herren in derselben Lage wie der Herr Abgeordnete sein sollten, würde ich meinen, daß der erste Satz, den er ausgesprochen hat, den Werth des zweiten Satzes wesentlich ab⸗ schwächt. Er vermag nicht abzusehen, wie ein Tarif wirkt, klagt aber darüber, daß man diese Tarife überstürzend hier eingebracht hat. Die verbündeten Regierungen haben in langen Jahren noch keinen Tarifvertrag und sie haben schon manchen hier eingebracht in anderer Weise eingebracht, noch keiner ist anders behandelt worden. Wenn also in dem Verfahren etwas läge, was Seitens der Regie⸗ rungen den Abgeordneten eine Ueberstürzung oder eine Pflichtverletzung zumuthete, so würde doch auch der Reichstag an diesem Vorwurfe in⸗ sofern einen gewissen Theil haben, als er die früheren Verträge nicht anders behandelt hat.

Endlich meint der Herr Abgeordnete und ich glaube, er hat mir den Vorwurf neulich schon gemacht, ich kann mich aber darin irren man hätte den Reichstag vorweg zu Rathe ziehen sollen. Nun giebt unsere Verfassung meines Wissens kein Mittel dazu. Wenn der Herr Abgeordnete Mittel und Wege fände, einen Gesetzes⸗ vorschlag einzubringen, der dahin ginge, daß dem Reichstag, schon ehe die verbündeten Regierungen in Verhandlungen mit anderen Regierungen eintreten, eine Mitwirkung zugestanden werden soll, und wenn dieser Gesetzesvorschlag den Beifall des Hauses fände, so würden Seitens der verbündeten Regierungen dem keine Schwierig⸗ keiten entgegenstehen. Ich halte das einfach für unmöglich.

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branche sel der . en fr sol enthalten, zu denen in Deutschland

versteuerter Alkohol benutzt werden müffe, woraus sich für sie eine pe Belastung ergebe, wahrend sie, z. B. im Hamburger Freihafen⸗ gebiet dargestellt, aus völlig steuerfreiem Alkohol fabrizirt würden und naturgemäß viel weniger belaftet seien. Vielleicht sei hier eine Erleichterung der Fabrilate durch Art. 9 zu ermöglichen, wo von inneren Steuern die Rede sel. Nach dem österreichischen Tarif sollten raͤßifionginftrumente zollfrei eingeführt werden. Dies geschehe eltfamerwelfe aber nur für die für öffentliche Staatzanstalten eingehen- den Cxemplare, alle Übrigen müßten verzollt, werden. Zweitens weise er auf die in feinem Wahl kreife so hoch entwickelte Spiel waarenindustrie hin, die mehr als 20 00 Arbeiterfamilien lohnenden Erwerb gebe und einen Ausfuhrartikel von 30 Millionen Mark darstelle. In Folge der deutschen Schutzzollpolitik hätten auch die Nachbarländer ein Absperr⸗ fystem errichtet, und namentlich die Spielwaarenindustrie sei dadurch fehr geschädigt. Er hätte es sehr gern gesehen, wenn bei. Gelegen⸗ heit der Handels verträge hier eine Besserung erreicht wäre, könne sich aber wohl denken, daß es hei den verschiedenen abzuwãgenden Intereffen und bei dem ersten Schritt, den man hier gethan habe, dorläufig nicht möglich gewesen sei. Er bitte die Regierung aber, ihr Augenmerk diesem Punkte zuzuwenden und in baldiger Zukunft, wenn irgend möglich, hier Abhülfe zu schaffen. Geheimer Keglerungs⸗Rath Henle: In Bezug auf die alkoholischen Präparate sei allerdings durch Art. 9 des Vertrages eine Abhälfe gegeben. Was die Spielwaarenindustrie anlange, so habe immerhin eine geringe Besserung sich ermöglichen lassen, hoffent⸗ lich werde in Zukunft mehr dafür geschehen können. ö Abg. Birk: In der ersten Lesung fei bemerkt worden, durch die ganzen Handels verträge ziebe sich wie ein rother Faden die Benach⸗ theiligung der Landwirihschaft. Die Zölle seien eingeführt worden, um die Matrikularbeiträge der einzelnen Staaten zu verringern oder ganz zu beseitigen. Diese Wirkung sei aber nicht eingetreten. Er bedauere, daß der Gerstenzoll so hoch geblieben sei; das schädige Bayern außerordentlich, wo keine Surrogate, wie in Norddeutschland, verwendet würden, sondern nur Malz, Hopfen und Wasser. Der Staatsfekretär Dr. von Boetticher habe gefagt, man habe vor Abschluß der Verhandlungen bei den Handelskammern Erkundigungen einge zogen. Da hätte man sich aber bei einigen bayerischen Bierbrauern und Biertrinkern erkundigen sollen; man würde einen solchen Bescheid bekommen haben, daß man diesen hohen Gerstenzoll nicht hätte beibehalten können. Er glaube, in Folge der . Zollsätze werde eine ernste Zeit hereinbrechen. Der Abg. Freiherr von Pfetten habe statistisch nachweisen wollen, wie hoch die Getreideproduktion in Bayern zu stehen komme. Solche statistischen Nachweise seien un⸗ gemein schwer zu führen. In Bayern seien 1888 und 1889 insge⸗ fammt 2820 landwirthschaftliche Anwesen vergantet worden, und davon entfielen über 81 M' auf die Anwesen unter 10 ha. Der Abg. Pr. Orterer habe seiner Partei vorgeworfen, sie wolle den' kleinen Grundbefitz und kleinen Gewerbestand zu Grunde richten. Was sei da noch zu Grunde zu richten? Das feien die Folgen der Getreidezölle und der indirekten Steuern auf die nothwendigsten Lebensmittel. Der Großgrundbesitz und der Militarismus hätten den größten Vortheil aus den Zöllen gezogen. Die Bauern wünschten eine Steuerrevision, denn die, welche in Gegenden wohnten, wo sie schlecht verkaufen könnten, müßten dieselben Steuern zahlen wie die, denen man ihre Erzieugnisse aus dem Hause abhole. Durch Ausfuhrprämien schaffe man billigen Zucker für England; zunächst sollte man aber billige Lebensmittel im Inlande schaffen. ; . Abg. Graf von Kanitz möchte wissen, wie es mit der Ver zollung derjenigen Getreidemengen gebalten werden solle, die vor dem J. Februar 1597 in Transitlaͤger und in zollfreie Niederlagen auf genommen würden. Solle dies Getreide den ermäßigten Zoll tragen, so müsse man zwischen dem aus Meistbegünstigungsländern und dem aus Rußland gekommenen Getreide unterscheiden, was technisch schwer sein werde. Die Lagerinhaber mit russischem Getreide kämen dann in sehr mißliche Lage gegenüber denen, die aus Meistbegünstigungsländern Getreide einführen. Die Sache habe eine nicht, unerhebliche finanzielle Bedeutung. Es werde schon eine Agitation eingeleitet, und eine Petition von ,,,, sei eingegangen, um für dieses Getreide den ermäßigten ollfatz zu erlangen. Das wünsche er im Interesse der Konsu⸗ menten nicht, der Nutzen werde lediglich in die Taschen der Lager inhaber fließen, und der Getreidehandel habe schon in diesem Jahre ein recht gutes Geschäft gemacht. Alles jetzt eingeführte Getreide werde bis zum 1. Februar in die Läger aufgenommen werden, um dann niedriger verzollt zu werden, dadurch werde bis dahin das Angebot auf dem Markt geschwächt und die Preise gesteigert. Ferner frage er, ob nicht irgendwie die Provenienz des Getreides bei der Einfuhr festgestellt werden solle. Sonst könnte in der Ecke, wo Schlesien, Rußland und Oesterreich zusammenstießen, das russische Getreide über die österreichischen Bahnen nach Deutschland kommen.

Reichskanzler von Caprivi:

Die Frage der Transitlager läßt sich doch nicht ganz so einfach, als Herr Graf Kanitz zu denken scheint, erledigen. Es handelt sich dabei nicht bloß um die Transitlager, sondern es handelt sich auch um die Mühlenlager und um die Zollausschlüsse. (Sehr richtig! links) Es handelt sich nicht bloß um Getreide, sondern auch um andere Waaren. (Sehr richtig! links.) Es handelt sich nicht bloß um die Kaufleute in Danzig, es handelt sich auch um die Konsu⸗ menten. (Sehr richtig! links.) Es ist also eine außerordentlich schwierige Frage. Die verbündeten Regierungen sind in die Be⸗ handlung dieser Frage eingetreten und noch heute Morgen hat eine Staats ⸗Ministerialsitzung des preußischen Staats⸗Ministeriums sich damit beschäftigt.

Ich bin nicht im Stande, zu sagen, zu welchen Entschließungen die verbündeten Regierungen kommen werden, ich kann aber versichern, sie werden auch hier der ausgleichenden Gerechtigkeit soweit als möglich Rechnung tragen. (Bravol links)

Was der Herr Abg. Graf Kanitz über die Nothwendigkeit, den Ursprung des Getreides festzustellen, anführt, so ist die Frage ja auch keine neue; die Schwierigkeiten, die damit verbunden sind, sind oft genug klargelegt worden, und ich darf mich hier auf die Bemerkung beschränken, daß der österreichische Einfuhrzoll für russisches Getreide nach Oesterreich 1 Gulden 50 Kreuzer beträgt ein Zoll, der es nicht wahrscheinlich macht, daß fürs Erste in großer Menge russisches Getreide diesen unbequemen Weg gehen sollte, abgesehen von der Sperre, die zur Zeit stattfindet.

Abg. Graf von Kanitzt Es sei ihm von vornherein klar ge—⸗ wesen, Mühlenlager ebenso behandelt würden wie Getreidelager, und es sei ihm auch bekannt, daß andere Artikel ebenfalls auf Transit⸗ läger gelegt wurden, aber da man jetzt speziell über die Getreidezölle berathe, habe er nur von Getreide gesprochen.

Abg. Rickert: Der Abg. Graf Mirbach thue so, als ob die Regierung die Urheberin der Agitation gegen die Getreidezßlle sei. Er habe keine Ahnung, daß diese Agitation längst im Lande bestehe. 1887 habe er in seinem Organ des Vereins der Steuer⸗ und Wirth⸗ schaftsreformer alle Mitglieder aufgefordert, mit Petitionen an den Reichstag zu kommen, aber die Fl nen mit einer kurzen Be⸗ n, selbst zu formuliren, damit der Schein einer künstlichen

assenproduktion mit gleichlautenden Exemplaren vermieden werde. Der Abg. Graf von Mirbach babe gewünscht, sich in den Weih⸗ nachtgferlen mit seinen Vertrauengmännern zu besprechen, wolle glso sein Votum von der Ansicht seiner Vertrauensmänner abhängig machen. Er (Redner) babe eine andere Ansicht von den Aufgaben der Volks⸗

für die Anträge nach seiner Neberzen auch auf die Gefahr, sein Mandat zu verlieren. Der frühere er e r habe seine Rede am 7. Mai i879 bei Ginbringung des Zolltarifs folgendermaßen ge⸗ schloffen: Bis dat, dani eito äÿat, und gui non eito dat, schädigt unfere ganje Vollswohlfahrt. Das Volk müsse vor Allem Gewiß⸗ heit Über seine wirthschaftliche Jukunft haben; selbst eine schnelle Äbiehnung fei immer noch günstiger als ein Himiehen und die Un, . 2 25 . möge ihm jetzt folgen; besser sei eine ehnung als ein Hinauszögern. ; Abg. Hol tz: Bei so umfangreichen Tariffragen habe man bisher noch immer Kommissionsberathungen gehabt, nur kleinere Handels- verträge, z. B. mit Serbien, selen im Plenum erledigt werden. Man könne nun mit seinen Wählern keine Fühlung nehmen. Die bestehenden Zölle seien 1887 von der Regierung und dem Reichs⸗ fag reiflich erwogen und von den Wählern bei der Neuwahl 1890 bestätigt worden. Noch im Januar dieses Jahres habe der Reichstag zu jwei Dritteln gegen den Antrag Auer auf Zollermäßigung ge⸗ stimmt. Run solle der Reichgztag in wenigen Tagen das Ergebniß jahrelanger Prüfung umstoßen. Ver Konsument werde durch die Zölle nicht belastel. daz Ausland trage sie, wie Jeder bestätigen müsse, der die Verhältniffe an der russischen Grenze kenne. Jede Grmäßigung des Zolls sel ein Geschenk an das Ausland. Die Roggenzollermãßigung komme Oesterreich nicht zu Gute, Rußland habe 1889/90 56 Mal fo viel Roggen nach Deutschland eingeführt wie Oesterreich. Der Reichskanzler habe auf die wünschenswerthe Stetigkeit der Verhält⸗ nisse hingewiesen. In den Zoll von 5 Æ habe man sich eingelebt. auf ihn habe fich das Ausland eingerichtet, ebenso auch die Steuer⸗ jahler. Der Zoll von 3.50 M6. gewähre aber keine Stetigkeit, denn der Zoll sei nur nach oben gebunden. Die wirthschaftliche Seite folltè mit der politischen nicht verquickt werden. Es ware eine Schwäche, wenn Deutschland wirthschaftliche Vortheile aufgäbe, um ein politisches Bändniß zu erkaufen. Deutschland sollte nicht einen Bundesgenoffen stärken, während es sich selbst schwäche. Er sfehe auf dem alten Boden des Schutzes der nationalen Arbeit. 5 Y fei ein mäßiger Schutz gewesen, 3 50 S sei kein Schutz. Die Vaterlandeliebe der kleinen Leute, auf die sich der Reichskanzler berufen babe, sollte man nicht auf die Probe stellen. Bei den kleinen Leuten spielten diese kleinen Unterschiede eine weit größere Rolle, als bei? den großen Leuten. Der kleine Besttzer sei sich der Schädigung voll und ganz bewußt. Der Reichskanzler dürfe auch nicht übersehen, daß der kleine Besitzer gerade durch die Schutzzollpolitik mit der konservativen Partei verbunden sei. Er (Redner) habe zur Regierung im Allgemeinen das größte Ver⸗ trauen, könne ihr aber nicht zustimmen auf Kosten seiner besseren Ueberzeugung. Er werde die Verträge ablehnen im Interesse der Produzenten, der Konsumenten und des Staatswohls. ;

Äbg. Goldschmidt: Der Abg. Graf von Mirbach habe im Jahre 1887 beantragt, den Gerstenzoll über die Regierungvorlage. Findus zu erhöhen. Er habe den Zoll zu niedrig gefunden, er (Redner) zu hoch. Es sei damals mit Recht hervorgehoben worden, daß nicht seder Boden, und möge er der beste sein, sich für den Anbau der befferen Qualitäten eigne, wie sie die Brauereien brauchten. Wenn die Herren diefen Unterschied sijwischen den Qualitäten nicht machen könnten, fo müsse die Frage auftauchen, ob nicht häufig mangelnde Berufskenntniß mehr an der vermeintlichen Noth der Landwirthschaft schuld fei, als die mangelnde Hülfe von Seiten der Steuerzahler.

Abg. von der n n rn. Die Landwirthschaft könne nicht genug den verdienstvollen Männern danken, die 1879 den J Is Zoll beantragt und durchgesetzt hätten. Dieser Zoll habe die Grundlage der spaͤteren Erhöhung auf b S gebildet. Die Land⸗ wirthschaft sei bei dem 5 M Zoll auf ihre Rechnung gekommen, sie wolle damit nur eine billige Verzinfung ihrer Cinlagen und Anlagen und einen geringen Entgelt für ihre Mühe und Arbeit erzielen, und protestire auf das Allerentschiedenste dagegen, daß sie mit Hülfe dieses Zolls den jetzigen, ungesund hohen Preis erhalten wolle, der nur in der augenblicklichen Konjunktur begründet sei. Der 3,60 S Zoll werde ebenfowenig genügen, wie s. 3. der 3 M ⸗-Zoll, ja noch weniger, denn die Landwirthfchaft sei durch die neue soziale Gesetzgebung auf das Aeußerste belaftet worden. Gerade in dieser Stabilität für zwölf Jahre liege eine große Gefahr, denn die wohlwollendste Regierung fönne, wenn einmal die Noth der Landwirthschaft überhand nehme nicht mehr helfen, denn sie sei gebunden. Bestreiten müsse er, daß die Bauern sich den Großgrundbesitzern nicht anschlössen. Er gehe sonst den Aeußerungen der Presse nicht nach. Aber ein Wort einer freisinnigen Zeitung in Berlin dürfe hier im Reichstag nicht unerwähnt bleiben. Bie betreffende Zeitung habe die Haltung eines Theils seiner Parteigenossen gegenüber den Handelsverträgen als Fronde be⸗ zeichnet. Fronde bedeynte ein unbotmäßiges Auflehnen gegen den König. Dieses Wort sei hinübergerufen über die hiesige Schloß brücke an eine ganz bestimmte Adresse. Aus diesem Grunde legten feine Parteigenossen und er auf das Allerentschiedenste und Be⸗ stimmteste Verwahrung gegen diese Insinuation ein, auf deren Kenn⸗ zeichnung er verzichte. Nach bestem Wissen, und Gewissen kämpften fie für das Vaterland, auch indem sie nicht für die Vorlage stimmten, und so hofften sie, daß an der Stelle, deren Einsicht sie in jeder Hinsicht gelten ließen, der sie das größte Vertrauen entgegenbrächten, auch ihre Ansichten hinreichend gewürdigt würden. ;

Abg. Freiherr von Münch: Die verbündeten Regierungen hätten sich 15 Jahre lang mit den Handelsverträgen beschäftigt, der Reichtztag habe nur 13 Wochen dazu. Bis zum Montag der vergangenen Woche sei ihm von dem gefammten Inhalt der Handelsverträge nur die Herabsetzung des Zolleß auf Roggen und Weizen auf 3,50 bekannt gewesen. Er werde für die Verträge stimmen, nachdem er seiner Zeit den Richter'schen Anträgen zugestimmt habe. Durch den gegenwärtigen Vertrag würden die süddeutschen Staaten erheblich geschädigt. Es siege ihm fern, dem Reichskanzler die Absicht unterzuschieben, daß er die Intereffen der füddeutschen Bundesgenossen habe verletzen wollen. Er sei zu der Ansicht gekommen, daß die Verletzung der süddeutschen Interessen dadurch eingetreten sei, daß der Reichskanzler nicht in staatsmännischen Aemtern vorher thätig gewesen sei.

Präsident von Levetzow: Er möchte den Redner bitten, zu den Getreidezöllen zu sprechen.

Abg. Freiherr von Münch (ortfahrend) versucht nunmehr einen Exkurs auf das Gebiet der Zuckersteuer, wird jedoch von dem Präsi⸗ denten daran verhindert. Redner wendet sich darauf den Getreidezöllen zu. Die Herabfetzung der Getreidezölle sei ein Fehler, weil sie nicht Oesterreich, sondern namentlich Rußland und Amerika, den beiden Kolossen, gegen welche die Zollvereinigung gerichtet sein solle, zu Gute kämen. Die Verträge brächten eine Verminderung der Reichseinnahmen, die zur Folge haben würde, daß man die Steuern in den Einzelstaaten und in den Gemeinden erhöhen müsse. Wenn die eigenen Cinnahmen des Reichs nicht mehr ausreichten, dann sollte das Reich eine Reichs ⸗Cinkommensteuer einführen.

Abg. Wiffer: Der Behauptung, daß durch die Kornzölle der Bauer dem Großgrundbesitzer in die Arme getrieben werde, müsse er entschieden widersprechen.

Ueber die Tarispositionen Weizen, Roggen und Hafer ist eine gesonderte Abstimmung beantragt, die bei der Abstimmung über den Art. 3 vorgenommen werden soll.

Bei der Position ‚Glaswaaren“ bemerkte Abg. Graf Arnim, daß die Glasinduftrie geschädigt werde durch die Herabsetzung der Glaszölle; namentlich leide darunter die Glatzindustrie der Lausitz. Wenn man die Getreidezslle nicht so diskreditirt hätte, dann haͤtie die Reglerung diefe Konzessionen nicht zu machen brauchen, die der Reichstag jetzt gezwungen sei anzunehmen. Die österreichische Glas⸗ industrie sei ohnedies in gewissen Punkten der deutschen überlegen; sie könne mit Holifeuer viel feinere Arbeiten ausführen, als die deutschen Glashütten mit den theuren Kohlen. Auch Über diese

rage wäre eg erwünscht, Vertrauens manner zu hören, damit man ehen könne, ob es nothwendig sei, diese Opfer zu bringen. Die Re⸗ gierung habe verschiedenen Staaten gegenüber Verpflichtungen über⸗ nommen, deshalb könne man die Verträge nicht gut ändern, denn das würde eine Krisis im Innern herbeiführen und das Ansehen der Re⸗

vertreter. Ein Freisinniger würde das nicht thun; er (Redner) stimme

gierung im Auslande schädigen.

j mer Ober · Reglerunge Rath von Hub er: Die Kon en, die

aus rreich in Bezug auf Glaswaaren gemacht seien, seien keines⸗ wegs ungenũgend. Er bebe hervor, daß die Position Butzenscheiben um bo Mo, farbiges Glag um 37 so, Glasknöpfe um 37 60 ermäßigt worden sei. Er müsse einige Bemerkungen von gestern richtig stellen. Es sei zuerst gesagt worden. daß Deutschland in der Textilindustrie lauter Konzessionen gemacht babe; das sei nicht richtig, sondern nur bei einem Titel der Textilindustrie habe es eine Konzession gemacht, Oesterreich aber solche an sehr vielen Punkten, die einen Import- werth von 3 Millionen hätten. Ferner habe es geheißen, Oesterreich habe nur in seinem eigenen Interesse liegende Konzessionen gemacht, namentlich also solche Halbfabrikate günstiger gestellt, die in Oester⸗ reich der vollen Fabrikation zugeführt würden; allerdings erstreckten sich viele Zollerleichterungen auf solche Halbfabrikate, aber auch bei Ganfabrikaten verschiedenster Art, die einen Einfuhrwerth von 11 bis 12 Millionen darstellten, seien Ermäßigungen eingetreten.

Beim Titel „Nutzholz“ bemerkt

Abg. Goldschmidt: Seit zehn Jahren habe sich in Folge der Leuischen Zollpolitik die Großböttcherindustrie in Oesterreich erst entwickelt. Daran trage der Reichstag keine Schuld. Der Bundesrath habe am 1. Juli 1886 die Faßdauben fünfmal höher besteuert, als es früher der Fall gewesen sei. Vergeblich habe man versucht,. den alten Zoll herbeizuführen, und in Folge diefer Zustände habe Oesterreich⸗ Ungarn den Markt in Schweden, Norwegen, Rußland, Brasilien voll⸗ ständig genommen. Nun könne eine solche Industrie ja nicht plötz⸗ lich wieder vernichtet werden, aber trotz der nur geringen Fortschritie, die der Handelsvertrag auf diesem Gebiet bringe, begrüße seine Partei ihn dennoch freudig, weil seit seiner Vorlegung durch die gewerbliche Bevölkerung ein Zug freudigen Lebens und froher Erwartung einer besseren Zukunft gehe.

Abg. Grum bt: In Oesterreich werde das Holz vor seiner Ver⸗ arbeitung so getrocknet, daß es viel leichter werde, als das Durch⸗ schnitts verhältniß zwischen Festmeter⸗ und Gewichtsangaben annehme; trotzdnem sei nun dieses Doppelverhältniß beibehalten worden, er be⸗ dauere das, denn hiernach werde durch den Mangel an Voraussicht, den die deutschen Unterhändler gezeigt hatten, ein Ausfall an Steuern eintreten, der sich in den zwölf Jahren der Geltung des Vertrages auf neunzehn Millionen belaufen werde. Er möchte auch fragen, ob Oesterreich genügend Sicherheit gebe, daß es keine Eisenbahnrefaktien einführen wolle.

Staatssekretär Dr. von Boetticher:

Der Herr Vorredner hat ein etwas düsteres Bild entfaltet über den Ausfall, welchen die Reichskasse haben wird auf Grund der Duplizität, die bezüglich der Verzollung des eingehenden Holzes in dem Tarif ermöglicht ist, und er hat den Kommissaren, die wir nach Wien entsandt haben, den Vorwurf gemacht, daß sie einen Mangel an Voraussicht und an Vorsicht gezeigt hätten dadurch, daß sie nicht auf die Uebelstände, die diese Duplizität mit sich führt, auf⸗ merksam geworden wären. Nun, meine Herren, habe ich schon gestern hervorgehoben, daß die Kommissare in dieser Beziehung nicht der leiseste Vorwurf trifft; denn es ist diese Duplizität in dem uns vorliegenden Tarif nichts Neues, sie ist bereits in dem Tarif von 1879 enthalten und seitdem bezüglich der Verzollung des Holzes in Geltung gewesen. Es ist richtig, der Fmporteur von Holz hat nach unserem Tarif die Wahl, ob er nach Festmetern verzollen will oder nach dem Durch⸗ schnittsgewicht, und es ist weiter richtig, daß, obwohl das Verhältniß des Zolles für das Gewicht zum Zoll für den Festmeter nach dem Durchschnittsgewicht des Holzes zutreffend bemessen ist, das leichte Holz, das ins Land kommt, wenn es nach Gewicht verzollt wird, einen relativ geringeren Zoll entrichtet, als wenn es nach Fest— metern verzollt wäre. (Sehr richtig! rechts) Allein diese Art der Verzollung, die es zur Wahl des Importeurs stellt, nach welchem Modus er das Holz verzollen will, findet nur statt bei den Transporten, die mit der Eisenbahn eingehen; auf dem Wasserwege, das habe ich gestern ebenfalls schon gesagt, findet nur die Verzollung nach Maß, nach Festmetern statt. Und ebenso ist es beim Holz, das auf dem Landwege eingeht. Man hat an der Zulässigkeit der Verzollung nach Gewicht um deswillen fest⸗ gehalten, weil bei kleineren Transporten die Verzollung nach Fest metern sich schwer durchführen läßt. Herrn Vorredners, daß man mit der Aufrechterhaltung der Duplizität in der Verzollung lediglich den Oesterreichern einen Gefallen gethan habe, trifft nicht zu. Ich erlaube mir, in dieser Be— ziehung daran zu erinnern, daß er selbst ja auch aus Oester⸗ reich Holz einführt, daß er selbst also auch, wenn ihm die Verjollung nach Gewicht die günstigere zu sein scheint, von der Wahl, die ihm gegeben ist, Gebrauch machen kann. (Sehr richtig! rechts) Dem deutschen Importeur wird also ganz dieselbe Wohlthat in dieser Be⸗ ziehung zu Theil wie dem Ausländer. Es liegt darin mithin keine Benachtheiligung des deutschen Importeurs. Und was die Benach⸗ theiligung der Reichskasse anbelangt, so ist ja allerdings richtig, daß bei sehr leichtem Holz der Zoll ein geringerer ist, wenn die Ver⸗ zollung nach Gewicht vorgenommen wird, als bei der Verzollung nach Maß ; allein ich habe mir schon gestern erlaubt auszuführen, daß man im Interesse der Zollabfertigung und ohne daß man dabei eine wesentliche Schädigung der Reichskasse besorgen müßte, diesen zweiten Modus der Abfertigung beibehalten muß.

Wenn nun schließlich der geehrte Herr Vorredner noch zurück⸗ gekommen ist auf die Refaktien, so werde ich ihm an dieser Stelle nicht auf seine Ausführungen antworten. Ich glaube, beim Artikel 15 des Vertrages, bei dem wir uns über das Eisenbahnwesen im Allge⸗ meinen zu unterhalten haben werden, wird sich die Gelegenheit finden, die Frage zu beleuchten, ob ausreichende Sicherheit dafür vorhanden ist, daß Refaktien nicht im früheren Umfange im Gebiete der öster⸗ reichisch⸗ungarischen Monarchie bewilligt werden. Ich behalte mir vor, dann darauf zurückzukommen.

Abg. Grumbt: So lange er hier als Abgeordneter sitze, ver⸗ trete er nicht sein eigenes Interesse, sondern das des Volkes.

Abg. Graf von Mirbach: Die letzten Worte des Staats sekretärs verriethen ja einen ganz freihändlerischen Gedankengang. Auf Verlangen von Sägemühlenbesitzern, die über die Ueberschwem⸗ mung mit russischem Holz klagten, wodurch ostpreußisches Holz ganz unverkäuflich werde, bitte er die Regierung, dafür zu sorgen, daß diese Neberschwemmung sich nicht vermehre. Er habe dem Getreide⸗ ausfuhrverbot Rußlands, wenn es nicht auf der Nothlage Rußlands beruhe, sondern eine Feindseligkeit gegen Deutschland bedeute, den Vorschlag entgegengestellt, die Einfuhr russischen Holzes zu verbieten. Das habe er nicht im Interesse der Sägemühlenbesitzer und ihrer Arbeiter gethan, fondern um Rußland zur Aufhebung des Getreide⸗ ausfuhrverbotes zu veranlassen, er selbst habe nur wenig Holz ver⸗ kauft und habe an dem Holzzoll kein so großes Interesse.

Abg. Graf Arnim: Der Holzzoll habe nur als Finanzzoll ge⸗ wirkt, nicht als Schutzjoll, denn unter seiner Geltung sei der Preis des Bolzes nur wenig ef Wenn der Zoll herabgesetzt werde, dann werde eine große Ueberschwemmung mit fremdem Holz, nament⸗

lich . eintreten.

Abg. Rickert: Er habe von dem Einfuhrverbot für Holz aus Ruhland gesprochen und bemerke, daß es im Interesse der Wald⸗ besitzer liege; nach dem Wortlaut eineg vom Abg. Grafen von Mir⸗

Das Bedenken des geehrten

bach . Artikels habe er dies annehmen müssen, nicht daß

es 1 um die Ginwirkung auf Rußland zur Aufbebung des Getreide einfuhrverbots handle. Man habe doch 1879 genug gehört von dem

Recht der Waldbesitzer auf Rente. Die Staatẽforsten hätten steigende

, aufzuweisen, deshalb hätten sie eines Zollschutzes nicht edurft.

Abg. Graf von Mirbach: Sehr schön sei die Bemerkung über die Waldbesitzer nicht gewesen; er werde sie aber tragen. Er beabsichtige mit dem Einfuhrverbot nur Rußland zur Freigabe der Getreide⸗ ausfuhr zu veranlassen, was ja auch der Abg. Rickert im Interesse der billigeren Brodversorgung der Seinen wünsche.

Nach einigen persönlichen Bemerkungen wird um 5. Uhr die weitere Berathung vertagt.

Etatiftik und Volkswirthschaft.

Produktion der deutschen Eisen in dustrie.

Der Verein deutscher Eisen⸗ und Stahlindustrieller bat für die letzten drei Jahre die Produktion der deutschen Eisenindustrie, deren Werthe und die Zahl der beschäftigten Arbeiter zusammengestellt. Danach betrug: Bie Eisenerzproduktion im Jahre 1888: 10 664 307 t im Werthe von 39 961 120 MS zusammen und 3.74 . pro Tonne, im Jahre 1389: 11002187 t im Werthe von 46 468 515 4 bezw. 422 S, und im Jahre 1890: 11406132ᷓt im Werthe von 47 829 019 M bezw. 4,19 4 Die Roheisenprodu ktion belief sich im Jahre 1888 auf 4337121 t im Werthe von 191 320 270 S zusammen und pro Tonne 44,11 S, im Jahre 1889 auf 4524558 t im Werthe von 217 370 533 M oder 48,04 ƽ pro Tonne, im Jahre 1890 auf 4 6658 451 t im Werthe von 267 579 842 oder 57, 44 pro Tonne. Die Produktion der Fabrikate bezifferte sich im Jahre 1888 auf 4375 811t im Werthe von 570 050 071 M oder 130,79 S pro Tonne, im Jahre 1889 auf 4 864 359 t im Werthe von 689 681 957 S oder 141,78 S pro Tonne, im Jahre 1890 auf 4 8651 359 t im Werthe von 753 700 012 AMS oder 155,36 S6 pro Tonne. Die Gesammtzahl der in der Eisenindustrie beschäftigten Arbeiter betrug im Jahre 1888 206416, im Jahre 1889 223 6091 und im Jahre 1890 234 436.

Brände in Berlin 1861 90.

Im neuesten Bericht über die Verwaltung der Feuerwehr und des Telegraphen von Berlin' im Jahre 1890 werden, wie bisher, die Brände nach ihrem Umfange unterschieden, für dessen Gliederung die Thätigkeit der Feuerwebr maßgebend ist. Als „groß“ bezeichnet man ein Feuer, wenn zu dessen Bekämpfung mindestens zwei Spritzen in Betrieb gesetzt werden mußten, als mittel“ bei der Jnbetrieb⸗ setzung mindestens einer Spritze und als „klein“, wenn Überhaupt eine Spritze nicht in Betrieb gesetzt zu werden brauchte. Unter Be—⸗ nutzung älterer Berichte im Kommunalblatt“ u. s. w, welche nicht durchweg dieselben Angaben entbalten, verzeichnen wir für die ganze seit der Neugestaltung der Berliner Feuerwehr verflossene Zeit nach⸗ stehende Anzahl von Feuermeldungen im Durchschnitt:

im Weichbilde der Stadt:

in den Jahren groß mittel Hein F'untt kKfinder

mit ohne z Feuer Alarmirung darm

J 447 23 1866-657... 33 35 511 .

auswärts: groß mittel klein Feuer

1871—75 .... 39 69 767 . 1876—- 890... 25 52 413 756 55 1881 85 2979 653 521 1235 72 4 2 5 1886 565 .... 35 164 771 235361 6 6 5 7.

Am stärksten gestiegen ist die Zahl der kleinen Brände, welche von Privaten ohne Anrufung der Feuerwehr gelöscht worden sind; vielleicht wird diese Zunahme großentheils auf eine Vervollkommnung des Meldewesens zurückzuführen sein.

ö

Auswanderung.

Die Bevölkerung des Regierungsbezirk, Marienwerder hat sich in den Monaten August, Seytember und Oktober d. JI durch Überseeische Auswanderung um 635 Köpfe (in der gleichen Zeit des Vorjahres um 622 Köpfe) vermindert; wie fast immer, war auch jetzt wieder das polnische Element unter den Auswanderern viel e (mit 218 Köpfen) vertreten wie das deutsche (mit 417

öpfen).

Wohlfahrts⸗Einrichtungen.

Die Stadt Thorn hat mit einem Aufwande von 7500 M Volks⸗ küchentãume im . des Rathhauses ausgebaut und für weitere 2 500 M eine Kocheinrichtung beschafft, während der eigent⸗ liche Volksküchenbetrieb durch einen Verein übernommen worden ist.

Die Schweidnitzer Tägliche Rundschau“ berichtet: In Bolten ha in ist die mit dem vom Verein für innere Mission neu erbauten Siechenhause verbundene Herberge zur Heimath nach Fertigstellung der betreffenden Räume eröffnet und dem Verkehr übergeben worden. In Gleiwitz wird die Errichtung eines Siechenhauses beabsichtigt. Der dafür bestehende Fonds beträgt 7275 M In Gereiffenberg fand kürzlich die Einweihung des von dem Rittergutsbesitzer Prenzel⸗Wiggert erbauten Diako⸗ nissenhauses statt, wobei Bürgermeister Opitz eine Ansprache und Superintendent Güntzel⸗Flinsberg die Weihrede bielt. In Hoyerswerda brabsichtigt der Kreisverein für innere Mission, ein Siechenhaus zu erbauen. In Jauer ist der Erweiterungsbau des Evangelischen Vereinshauses beendet; er hat einen Kostenauf⸗ wand von 17 000 M erfordert. In Haide vorwerk, Kreis Glogau, hat der Majoratsbesitzer Freiherr von Tschammer⸗Quaritz eine Kleinkinder⸗Pflege⸗ und Bewahr⸗Anstalt ins Leben gerufen. In Neustadt O.⸗S. wird auch in diesem Jahre vom Vaterländischen Frauen Zweigverein warmes. Frühstück an arme Schulkinder vertheilt. Jedes Kind erhält eine Tasse warmer Milch und ein Brötchen. Außerdem wird der Verein für etwa 300 Schulkinder warme Bekleidung beschaffen. In Liegnitz wird in diesem Jahre die Volksküche am 14. d. M. eröffnet. In Groß⸗Wartenberg wurde vor einigen Tagen vom Vaterländischen Frauen ⸗Zweigverein die Volksküche wieder eröffnet. Im vorigen Winter wurden von Ende November bis Ende April an Schulkinder und arme kranke Personen an 42 Kochtagen 5690 Portionen Essen unentgeltlich vertheilt. In Friedland OS. ist der Bau des Malteser⸗Krankenhauseg bereits soweit vorgeschritten, daß die Auf⸗ setzung des Dachstuhles erfolgen konnte. In Landeshut beab⸗ sichtigt der Verein für innere Mission, den Bau eines neuen Vereins⸗ hauses auszuführen. Der Bau ist auf ungefähr 40 000 veranschlagt. In Murowana⸗Goslin ist auf ,, des Bürgermeisters Hartmann zum Zwecke der Speisung armer Schulkinder eine Suppen⸗ anstalt errichtet worden. In Schneidemühl ist die vom dortigen Zweigverein des Vaterländischen Frauen Vereins ins Leben gerufene Volksküche nunmehr eröffnet worden. In Gnesen ist vom Zweigverein zur er en. für entlassene Strafgefangene in Stadt und Kreis Gnesen eine Arbeitsstube zur Beschäftigung ent⸗ laffener Strafgefangenen und sonstiger arbeitsuchenden Personen eröffnet worden. Der Zweigverein des Baterländischen Frauen⸗ Vereins hat eine Volksküche eingerichte. In Samter wird in der evangelischen Volksschule armen Schultindern, die wegen . ern Wegs über Mittag in der Schule bleiben, warme Milch erabreicht.

Wohlthätigkeit. Der verstorbene Landeg⸗Sekonomie ˖ RKath Korn aus Breslau hat der Stadtgemeinde res lau 100 000 Æ mit der Bestimmung J umsonst, a r n, 3 2 und Kindern der unteren Volks-

klassen freistehen soll.

e mr. des elsaß⸗ Lothringischen Sparkassen⸗ we sens seit dem Jahre 1889.

Am Schlusse des Jahres 1889 bestanden in Elsaß Lothringen 70 Sparkassen mit 22 Zweiganstalten, insgesammt 92 Sparstellen. Hiervon kamen auf den Bezirk Unter⸗Elsaß 30 Sparkassen und 9 3 nnr auf den Bezirk Ober ⸗Elsaß 18 Sparkassen und 4 Zweiganstalten und auf den Bezirk Lothringen 22 Sparkassen und 9 Zweiganstalten. Seitdem hat sich die Zabl der Spar⸗ kassen nicht unerheblich verwehrt. Die Zunahme beträgt im Bezirk Unter⸗Elsaß 8, im Bezirk Dber⸗Elsaß 11 und im Bezirk Lothringen 13, im Ganzen 32 Spakkassen und außerdem im Bezirk Lotbringen 2 Zweiganstalten, wogegen in Folge der Errichtung von selbständigen Sparkassen in den betreffenden Gemeinden je eine Zweiganstalt in den Bezirken Unter ⸗Elsaß und Ober ⸗Elsaß eingegangen ist Hiernach bestehen zur Zeit in Elsaß⸗ Lothringen 102 Sparkassen mit 22 Zweiganstalten, im Ganzen 124 Sparstellen. Während im Jahre 1859 auf je 17 604 Einwohner und 157,1 km eine Sparstelle kam, besteht gegenwärtig eine Spar⸗ stelle auf je 12 931 Einwobner und 117,91 4km Im Bezirk Unter ⸗Elsaß kommt eine Sparstelle auf je 13620 Seelen und 103587 4km, im Ober ⸗Elsaß eine auf 14758 Seelen und 169,53 km, in Lothringen eine auf 11055 Seelen und 135,28 4km

Das von der Landespeiwaltung erstrebte Ziel, wenigstens in jedem Kanton und in allen Gemeinden mit mehr als 2500 Ein— wohnern, in deren Nähe sich Sparkassen nicht befinden, die Errich⸗ tung von Sparstellen herbeizuführen, ist nahezu erreicht. Gegen- wärtig fehlen Sparstellen nur noch in den Kantonen Andolsheim und St.Amarin im Bezirk Ober ⸗Elsaß und im Kanten Wolmünster im Bezirk Lothringen, während die Zahl der Gemeinden über 2500 Seelen, welche keine Sparstellen besitzen, im Untei⸗Elsaß 4, im Ober ⸗Elsaß 5, in Lothringen 6, im Lande somit 15 beträgt, gegen 20 dem Schlusse des Jahres 1889.

Mit der Vermehrung der Sparkassen hat gleichzeitig eine be trächtliche Zunahme der Spareinlagen sowohl wie der Zahl der Einleger stattgefunden. Die Guthaben der Spareinlagen betrügen am 31. März 18389 im Ganzen 53 114728 S und sind bis zum 31. März 1891 auf 64 845 490 MS, also um einen Betrag von 11 830 762 M, gleich 22,27 o, gestiegen. In gleicher Weise hat sich während desselben Zeitraumes die Zahl der Sparkassenbücher von 163 861 auf 193 bas, also um W 667, gleich 17,49 0, vermehrt. Auf einen Einleger traf am 31. März 1839 ein Guthaben von durchschnittlich 324,15 M, am 31. März 1891 ein solches von durch⸗ schnittlich 337 33 4. Die Zunahme betrug im Bezirk Unter-Elsaß 13,90 6, im Ober ⸗Elsaß 7, 84 „M, in Lothringen 15.389 6 Les durch schnittlichen Einlagebetrages.

Zur Arbeiterbewegung.

Der Jahresbericht des Vereins für die bergbaulichen Interessen im Ober-Bergamtsbezirk Dortmund für 1890 bemerkt zur Arbeiterbewegung:

Die im letzten Jahresbericht ausgesprochene Hoffnung, daß die niederrheinisch⸗westfälische Bergwerksindustrie auf lange Zeit hinaus von ähnlichen Krisen verschont bleiben würde wie sie die Jahre 1889 und 1890 gezeitigt haben, hat sich leider nicht verwirklicht. Viel mehr hat die einmal hineingetragene ! Agitation unter den Belegschaften angebalten und auch in diesem Jahre zum Ausbruch eines allerdings kurzen Ausstandes geführt. Bereits die Bemühungen der zwei sich gegenüberstehenden Bergmannsvereine, des „alten“ (sozialdemokratischen) und des „neuen“ Verbandes, die , zu sich herüberzuziehen, standen der Beruhigung der Arbeiter entgegen.

Ueber den Ausstand-Versicherungsverband theilt der Bericht Folgendes mit:

Das Gesammtvermögen des Ausstand⸗Versicherungsverbandes betrug am 1. Januar 1891 1454 924,40 ½½ Der Verband wurde vom 1. Februar 1891 ab auf ein weiteres Jahr verlängert. Aus⸗ getreten ist die Zeche Graf Moltke; neu hinzugetreten sind die Zechen Trappe, Sell erbeck, Hercules, König Ludwig und Heisinger Tiefbau (Rhein. Anthraeit ⸗Kohlenwerke). Darnach gehörten dem Verbande im Juli 1891 106 3echen an, mit einer Förderung von 30 975 847 t im Jahre 1888, welches dem Ausstand-Versicherungsverbande überhaupt jzu Grunde gelegt worden ist. In Folge der Vorgänge bei Beendigung des Aus⸗ standes auf Zeche Blankenburg, deren Verwaltung, obgleich sie durch die Mittel des Verbandes im Ausharren gegen die Forderungen der Belegschaft unterstützt war, nachträglich alle Forderungen be— willigte, wurde den Statuten folgende Bestimmung eingefügt: Der Anspruch auf Schadenersatz der von einem Ausstand be⸗ troffenen Zeche wird hinfällig, wenn die Beendigung des Ausstandes dadurch herbeigeführt wurde, daß die da⸗ von betroffene Zeche die von der Belegschaft erhoben gewesenen Forderungen. deren Ablehnung den Ausstand veranlaßte, nachträglich vollstãndig oder im Wesentlichen anerkannt hat, oder wenn die Be⸗ endigung des Ausstandes durch Maßnahmen der Zechenverwaltung herbeigeführt wurde, welche im regelmäßigen, durch einen Aus⸗ stand nicht unterbrochenen Betrieb nicht stattgefunden haben würden. Ob ein Fall dieser Art vorliegt, entscheiden die Organe des Verbandes. An Entschädigungen wurden im Jahre 1891 rund 230 000 M gezahlt. Zur Ausstandsbewegung unter den deutschen Buchdruckern theilen wir folgenden Bericht der Berliner „Volksztg.“ über die angekündigte Arbeiter⸗Massenversamm— , . ö .

ie Arbeiterversammlung zur Unterstützung des deutschen Buch⸗ druckerausstandes wurde am Montag Abend in der großen er uri Hall (Farrington Street) abgehalten. Drum m ond, der Sekretär der Londoner Schriftsetzer ˖ Gesellschaft, präsidirte; Shipton, der Sekretär des London Tradesg - Council, verlas die Zu— schriften und Depeschen der Leipziger und Berliner Gesell⸗ schaften, ebenso der französischen Socists Lypographidue, die den Ausständigen ihre Hülfe verspricht. Die Belegirten Döblin und Heifler berichteten über den deutschen Ausstand. Die Versammlung nahm folgende Resolution unter lautem Beifall an: ‚Die Versamm⸗ lung der Londoner Arbeiter erkennt durchaus den internationalen Charakter des Ausstandes für Verkürzung der Arbeitsstunden an; sie verpflichtet sich, Alles zu thun, um den Buchdruckerausstand in Deuischland zu einem günstigen Ende zu bringen, besonders um den Neunstundentag zu erzielen. Die Versammlung erkennt ferner an, daß das Ziel des Ausstandes die Hülfe aller Trades -Unionisten ver⸗ dient Die Londoner Setzer-Gesellschaft hat mit einer Majorität von über 3009 Stimmen bo0 Pfd. Unterstützung für den Buchdrucker⸗ ausstand bewilligt. . Aus Düsseldorf wird der Köln. Ztg.“ unter dem 14. d. M. geschrieben: In der Hofbuchdruckerel von Voß legten saͤmmt liche Gehülfen, von denen ein Theil an zwanzig Jahre in Deensten der Firma stand, die Arbeit nieder, weil ihre Forderung eines neun⸗ stündigen Arbeitstages abgeschlagen wurde. Die Londoner „Allg. Corr.“ theilt folgenden von den gern e veröffenilichten Brief des früheren englischen

remier⸗Ministers Gladstone über den Achtstunden⸗ tag mit: ; ö Ich habe mit herzlicher Befriedigung die Verkürzung der Arbentszeit in vielen Indastriejweigen in den letzten Jahren bemerkt. Es ist' dies geschehen ohne Eingriffe in die individuelle Freiheit. Auch zweifle ich nicht, daß mehr ich hoffe, viel mehr geschehen kann. Wenn man mich jedoch ersucht, gesetzliche Strafen aufzuerlegen, wenn ein Arbeiter mehr als acht Stunden arbeiten will in einem bestimmten Gewerk, so . ich mich erst be⸗ finnen, ehe ich der Zumuthung nachgebe, und mich erst, fragen, ob bas auch ruhig hingenommen werden würde. Ich entnehme aus Ihrem Bricht daß Sie für solche Strafen sind, und gchte den Freimuth Ihrer Ansicht. Dennoch glaube ich, daß der Arbeiterstand Englands, der ui glücklich das

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Wahlrecht besitzt, während er seine eigenen Wün stetig geltend macht, doch auch die allgemeinen Interessen der Nation

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