Parlamentarische Nachrichten.
Bei der gestrigen Reichstagswahl im 10 Han⸗ noverschen Wahlkreise (Hildesheim) an Stelle des ver— storbenen Abgeordneten Freiherrn von Hake erhielt, wie „W. T B.“ meldet, nach den bis heute Vormittag eingelaufenen Jachrichten Sander (nationalliberal) 577 Stimmen, B aue r⸗ merster (Centrum) 4655 Stimmen, Bertram (Sozial- demokrat) 3385 Stimmen, Oehlmann (Antisemit) 1546 Stimmen und Quensel (freisinnig) 1712 Stimmen. Eine Stichwahl zwischen Sander und Bauermeister gilt als wahr—⸗
scheinlich.
jede, wenn auch nur vereinzelt dafstebende Unmäßigkeit im Effen und Trinken. Dafür, daß die Gewerbeordnung dem Worte einen engeren Sinn beigelegt habe, feblt es an jeglichem Anbalt, es spricht vielmehr für das Gegentheil die Erwägung, daß sonst der Schutz, welchen der 8. 33 Nr. 1 bezw. S 53 Abs. 2 gegen die den Gemeinwohl aus dem übermäßigen Genuß geistiger Getranke erwachsende Gefahr ju gewähren vermöchte, nur ein sehr unvoll⸗ kommener sein würde. Auch ergiebt sich aus den Bestimmungen des §z. 33 Über das Erforderniß eines vorhandenen Bedürfnisses, daß dem übermäßigen Genuß geistiger Getränke überhaupt, nicht bloß einem solchen Genuß von Seiten derer, die bereits Trunfenbolde sind, oder bloß der Ausbildung zu Trunkenbolden, eine Schranke gesetzt
werden soll.
Entscheidungen des Ober⸗Verwaltungsgerichts.
Ein Landrath in der Provinz Hannover hatte einem Jagd⸗ vorstand, weil einzelne Feldmarkgenossen bei der Beschlußfassung über die Jagdrerpachtung nicht zugejogen waren, aufgegeben, nochmals über die Verpachtung e,, ,, Bei der wa, er. s. Verfügung kam in Frage, ob sie als eine volüieiliche i . § 127 des S. V. G. anzusehen sei. Das D- V.. G. hat sich in einer Entscheidung vom 12. November 1891 UlII 1009) im verneinenden Sinne, wie folgt, ausgesprochen: Die Fassung der Verfügung läßt nicht erkennen, daß der Landrath die Absicht gehabt gat, sie in seiner Eigenschaft als Verwalter der Jagdpolizei zu er. lassen, namemlich ist dies weder ausdrũcklich aus gesprochen, noch durch Bezugnahme auf entsprechende Gesetzesstellen oder sonst kundgegeben. Auch der Inhalt betrifft keinen polizeilichen Gegenftanz. Ein polizeilich zu schützendes Interesse wurde nicht verletzt, wenn der Ver⸗ trag trotz feiner eiwaigen Ungültigkeit besteben blieb. Cs it allerdings zuzugeben, daß an und für sich auch ein vol izeiliches Interesse für die Be. anstandung eines Jagdrachtvertrages vorhanden sein kann, j. B. wenn die Feldmarksjagd an mehr Personen verpachtet ist, als die Jagdordnung gestattet, allein ein solcher Fall liegt hier nicht vor; die Wahrung des den Jagdgenossen zustebenden Rechts auf Zoziebung zu der Beschlußfassung über die Veiwaltung der Feldmarksiagd ist nicht Aufgabe der Polizei, sondern der zuständigen Auf sichts bebörde in Jagdfachen. Das letztere wird dann unter Higweis auf den 8 11 der Pannoverscken Jagdoidnung vom 11. März 1859 und die Aus jubrungs⸗ anweisurg zur Jagdordnung von demselben Tage näber begründet.
— In einer Verwalturgestreitsacke batte der Rerisionskläger be— bauptet, daß unter Völlerei im Sinne der S5. 53 und 33 der Gewerbeordnung die Gewohnheit, unmäßig zu essen oder zu
trinken, zu verfteben sei; eine solcke Sewobnbeit könne naturgemäß
nur bei bestimmten einzelnen Personen besteben und nickt darin ge— funden werden, daß sich gelegentlich irgend welcke Personen in einer Schankwirtbschaft betrunken bätten. Dieser Ausführung ist das S.-V. G. in dem Urtheil vom 19. November 1891 (II 1027) ent- gegengetteten. Denn nach dem gewöbnlien Sprachgebrauch, so heißt es dort, fällt unter den Begriff der Völletei eine
Mannigfaltiges.
Die ‚Deutsche Marinestiftung«, die beute im Geschäfts⸗ lokale der Deutschen Vereine vom Rothen Kreuz ihre dreizehnte Jahresversammlung abhielt, bat, wie die . N. A. Z. berichtet, im letzten Jahre 4690 Æ zur Unterstützung von Hinterbliebegen der bel der Katastrophe des Panzerschiffes Großer Kurfürst? Ver⸗ unglückten verausgabt. Es verblieb am Schlaß des Jahres ein Baar⸗ bestand von 1484 M und 180 200 Æ an Effekten.
Die Firma Siemens u. Halske hat nach einer Mittheilung der . Tägl. R. den zuständigen Behörden nunmehr den abgeänderten Entwurf einer elektrischen Stadtbahn durch die südlichen Theile Berlins zur weiteren Berathung überreicht. Außer der schon rüher nitgetheilten Hauptlinie Warschauerstraße Bahnhof Zeologischer Garten enthält der allgemeine Plan noch Abzweigungen von der Hauptlinie: I) vom Osten her nach dem Potsdamer Bahnhof (Ring bahnbof), 2 vom Westen her nach dem Pots damer Bahnhof (Wann · seebahnhof), 3) eine Fortsetzung der Hauptlinie über die Stadtbahn bei Bahnhof Soologischer Garten hinweg nach Charlottenburg mit dem Endpunkt auf dem Wilhelmeplatz und schließlich 4) eine Fort⸗ setzung der Hauptlinie vom Zoologischen Garten nach dem Grune wald hinaus.
Der letzte Woblthätigkeitsbazar in dieser Saison, der Zabl nach der 35. ist, wie die Neuest. Nachr. mittheilen, heute eröffnet worden. Der Beschäftigungs verein von St. Petri hat ihn im Gemeinde⸗ bause, Wallstraße 81, veranstaltet, um den Rest der von armen Frauen angefertigten Wäsche und Bekleidungsartikel zu verkaufen. Feine und einfachere Leibwäsche, Schürzen, Strümpfe, Frauen! und Kinderkleider und andere Artikel finden die Besucher des Bazars in großen Mengen und zu sehr billigen Preisen.
Die Weihnachtsbescheerung für die kleinen Patienten des Kaiser und Kaiserin Friedrich-⸗-Kinderkrankenbauses, Reinickendorferstraße 32, wird, wie die Voss. Z.“ berichtet, am Donnerstag, um 2 Uhr Nachmittags, im Bꝛisein des versammelten Comiteéz erfolgen. Ihre Majestät die Kaiserin Friedrich hat
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die Pfleglinge dieser unter Ihrem Schutz stebenden Krankenanstalt . 46 Kleidungsstücken und ef cl in liebevollster Weise bedacht. Bei der großen Zabl der in diesem Augenblick in Pflege befindlichen Kleinen würden weitere Gaben von mildthätigen Mit⸗
bürgern recht erwünscht sein.
Nach Schluß der Redaktion eingegangene Depeschen.
Wien, 19. Dezember. (W. T. B) Die heutigen Morgen⸗ blätter fahren mit der Erörterung der Berufung eines Mit⸗ gliedes der vereinigten deutschen Linken als Minister ohne Portefeuille ins Kabinet fort. Die „Presse“ betont, bei dem von dem Minister-Präsidenten Grafen Taaffe immer befolgten Grundgedanken der Vermeidung einer wirklich partei⸗ mäßigen Ausgestaltung des Kabinets sei hierzu selbst oerständlich kein ausgesprochener Parteiführer ins Auge gefaßt worden. Das Blatt hofft, bei Wiederzusammentritt des Abgeordneten⸗ hauses werde dasselbe die Bildung einer Majorität aus den drei großen gemäßigten Gruppen des Hauses als Thatsache vor⸗ finden. — Das „Fremdenblatt“ hebt hervor, durch die neue Ergänzung werde das Kabinet kein parlamentaxisches, im Sinne der Vorherrschaft einer Partei. Graf Taaffe in⸗ augurire die loyale Mitwirkung aller konservativen Par⸗ lamentsgruppen. — Das „Vaterland“ erklärt, der Kurs bleibe der in dem alten Wahlprogramm der Regierung vorgezeichnete. — Die „Deuische Zeitung“ sagt, die Schaffung einer politischen Organisation zwischen der Regierung und den Deutschliberalen Behufs Bildung einer Majorität bedeute nichts weniger als ein Parteiregiment der deutschen Linken. Ein Gleiches erklärt die „Neue freie Presse“ mit dem Hinzufügen, daß die Regierung ihre Selbständig⸗ keit noch stärker hervorkehren müsse.
Pest, 19. Dezember. (W. T. B.) Das Unterhaus begann die Berathung der Handels verträge. Referent ist Alexius Perlaky. Gaal (Nationalpartei) betonte, die Verträge schüfen nichts wesentlich Neues und ertheilten nur dem bisherigen Schutz zoll eine freihändlerische Legitimirung, was seiner Richtung nicht zusage. Allein wegen des Vortheiles der Stabilität in dem Fortschritte der freihändlerischen Richtung, sowie der ver⸗ mehrten Aussicht auf Abschlüsse von Verträgen mit den Drientstaaten, endlich wegen der politischen Tragweite, die er trotz seiner oppositionellen Stellung gern anerkenne, nehme er die Vorlage an.
(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.)
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Wetterbericht vom 19. Dezember, 8 r Morgens.
7 Uhr.
Stationen. Wetter.
Temperatur in oO Celsius
56 wolkig
.
Bar. auf Gr.
Mullaghmore 7 Uhr.
Aberdeen. Christiansund Kopenhagen. Stockholm. / aranda . t. Petersburg Moskau... Torf Queens town... Cherbourg. elder
5666 8 38
still wolkenlos 2 wolkenlos 1Lbedeckk —1 . 2 Schnee —12 ron P. Hertel.
886 * 3 J
8.
GGG
ö 3 wollenloz . wolkig
ö,, wolkig Hamburg.. 1 bedeckt Swinemünde WNW 4 bedeckt Neufahrwasser 7 NNO 1 Schnee Memel ... 7 halb bed. Paris... wolkenlos
ö 2 beiter Karlsruhe.. 2 wolkenl. ij) Wiesbaden. still heiter?) München .. 5 bedeckd) Chemnitz. . 18 2 Schnee Berlin ... 780 3 bedeckt) Wien.... 4 Schnee Breslau. . 1Schnee Ile d' Alx .. halb bed. , wol gen los Triest .... wolkenlos
) Gest. Schnee *) Gest. Vorm. Schnee, Nachts Relf. ) Nachts Schnee. ) Nachts Schnee.
Nebersicht der Witterung.
OG 2
. : 6s
Anfang 7 Uhr.
2 H. 0.
—
dem südlichen Nordseegebiete und dem westdeutschen
Binnenlande, ein anderes von fast gleicher Höhe Ludw. Stahl 9. Del: Nachm. 2 Uhr: Die
Tber Finniand. Am niedrigsten ist der Luftdruck Sonntag,
auf dem Ocean nordwestlich von Schottland und Journalisten.
über der Balkanhalbinsel. Bei, schwacher, vor— wiegend nordöstlicher bis nordwestlicher Luftbewegung ist das Wetter in Deutschland kalt, im Westen
land herrscht ziemlich strenge Kälte, Karlsruhe meldet
minus 10, Kaiserslautern minns 11 Grad. Deutsche Seewarte.
mem ᷣᷣ—ᷣ—Q—r . ᷣ, e e e ᷑ 3 3
Theater⸗Anzeigen.
Dienstag:
baus. 259. Vorstellung. Lohengrin. Romantische
Rapellmeister Weingartner. Anfang 7 Uhr.
Schauspielbaus. 282. Vorstellung. Der nene SHerr. Schauspiel in? Vorgängen von Ernst von Wildenbruch. In Scene gesetzt vom Ober⸗Regitsseur Max Grube. Anfang 7 Uhr.
Montag: Oxernbaus. 20. Vorstellung. Ca- und Gondinet, Se . er Vorher, neu einstudirt: Die Haun weint der vallerin rusticana (Baneru⸗-Ehre). Oper ö,
in 1 Aufzug, nach dem gleichnamigen Volksstück von
an. In S Jacques Offenbach. Anfang 71 Uhr. Verga. Musik von *r Mascagni. In Scene Fe tas, Tribe Ver nnn g,
Am 25., 26. und 27. Dezember: theker. Komische Oper in 2 Akten von Carl! Nachmittags ⸗Vorstellungen zu bedeutend ermäßigten
geseßßt vom Ober⸗Regisseur Tetzlaff. Dirigent: Kapell⸗
meister Weingartner. Vorher: Doktor und Apo⸗ Veranzeige.
Schauspiel haus. Lustsviel in 2 Akten, nach der gleichgamigen Novelle don Edmond Abouts, von F. Jell. In Scene gesetzt vom Regisseur
3 bedeckt Dienstag. Opernhaus. 271. Vorstellung. Ca- 1 bedeckt valleria rusti ana (Bauern · Ehre). Oper Sonntag: 1 bedeckt in 1. Aufzug von Pietre Masgagni. Tert nach dem Faron. Operette in 3 Aiten nach P. Jokans . n n,, . Volksstück von Verga. Vor zer: Die Grzäblüng von Me. Schnitzht. Mufit von Jobann
ahres zeiten. 7 Bildern von E. Taubert und E. Graeb. Musik Rax ell n eister Federniann. Anfang Anfang 7 Uhr.
Beutsches Thrater. Sonntag: Tie Mit- schuldigen. Hierauf: Die Kinder der Excellenz.
Mentag: Egmont. godin. Dienstag: Der Compagnon.
Mittwoch: Der Pfarrer von Kirchfeld. Der Verkauf der Abennementskarten zum III. Goethe fang 7 Uhr Cyclus beginnt am Montag.
Ludw. Barnay.
Der Väter Erbe.
Montag: Kean. Anfang 7 Uhr.
Dienstag: Die Journalisten. kw Feiertags Repertoire:
Freitag. 25. Dez: Nachm. 35 Uhr: Hamlet.
Abends 73 Uhr: Der Väter Erbe.
Tesstng - Theater. Sonntag: Die Groß ⸗ vielfach beiter, im Osten meist trübe; stellenweise stadtluft. Schwank in 4 Akten von Oscar Blumen- haben leichte Schneesälle stattgefunden. In Deutsch,! thol und Guftav Kadelburg. Anfang 7 Uhr. Mentag: Satisfaktion. Schauspiel in 4 Akten von Alexander
Wallner ⸗ Theater. Sonntag: Zum 34 Male: Immer zerftrent! Posse in 3 Alten von Barriere
Ditters von Dittersdorf. Text nach dem Franiösischen Preisen. J. Parquet 1 M 202. von Stephani. In Scene gesetzt vom Ober ⸗Regisseur i Tetzlaff. Dirigent: Kapellmeister Kahl. Anfang Engels. Anfang 4 Uhr. Abend ˖Vorstellungen am 25, 25 u. 27. Dez. Freitag und Sonnabend: Der Mann mit 100 8 Uhr.
283. Vorstellung. Die Büßfte. Köpfen. — Immer zerstreut.
A. Plaschke.
Neu einstudirt:
Tanz., Posm in 2 Akten, und Strauß. Regie? Hert Binde?
Der Mikado.
Montag: Dieselbe BVorstellung.
Sonntag, den 27.: Marquise.
begonnen.
Belle Alliance Theater. mäßigte Gintrittspreise! Zum
: Zhre Familie. Volksstück mit Gesang in 3 Akten von Stinde und
Triedrich — Wilhelmstädtisches Theater.
Der Zigenner⸗
Mittwoch, den 23., Freitag, den 25, Sonnabend, den 26., Sonntag, den 77. Dezember: Neu einstudirt:
Nesidenz Theater. Direktion: Sigmund Lauten . burg. Sonntag: Zum 22. Tale: Madame Mon Schwank in 3 Akten von Ernest Blum und Raoul Tochs. Deutsch von Emil Neumann In Scene gesetzt von Sigmund Lautenburg. An⸗
Sonnabend, den 26 und Sonntag, den 27. De⸗ Zerliner Theater. Sonntag: Nachm. 23 Uhr: n fe. Nachmittags 3 Ubr t Zu bedentend ermäßigten große bvdrologiche Ausstattungs⸗Pantomime in Der Hüttenbefsitzer. (Nuscha Butze, Agnes Sorma,
Sonnabend, den 26.: Die arme Löwin. Ludw. Stahl.) Abends 7 Uhr:
Coneerte.
Concert Jaus. Sonntag: Karl Meyder· Concert. 4. Abend vom Raff ⸗Cvelus. Anfang
DOuv. „Die Hebriden von Mendelssohn. ‚Tann⸗
n 2 Sonntag; Hanni weint — Hansi lacht. — häuser' von Wagner. Rapfiodie Nr. 1' von Lisit. Die Prüfung. Gewagt Mütel. Anfanz 7. Uf. ; p Lustspiel in 1 Aufzug von Lothar Clement. Anfang
Serenade in Frdur von Volkmann. Symphonie G-moll Nr. 4 von Raff. Montag: Karl Meyder⸗Concert. Anfang 7 Uhr. Donnerstag, 31. Dezember (Syl yester): Familien ˖ Ball ⸗ Fest. Billets à 3 M im Bureau des Hauses.
Dirigent: Hert
Monta Zum Besten des nn, der y. ; ö ) ; ontag: Zu n Schauspiel baut. 284. Vorstellung Was ihr wollt, Hamburger Vorstadt. Der Zigeunerbaron. Lustspiel in 4 Aufzügen von Shakespeare, nach Schlegel's Uebersetzung. In Scene gesetzt vom Ober⸗ Regifseur Max Grube. Anfang 7 Uhr.
Herwarthstraße 4 am Königsplatz. „Das alte Rom“.
9 Geöffnet v. Morg. 3 Ubr bis zur Dunkelheit. L Eintritt 50 8, Militär u. Kinder 25 8.
[a ur noch bis 31. Dezember. ö National ⸗Panorama.
Circus Renz. Karlstraße. Sonntag: 2 Vor⸗ stellungen. Nachmittags 4 Ubr (1 Kind frei: Leben und Treiben auf dem Eise“. Großes Aus⸗ ftattungsstück mit Ballet. arrangirt und inscenirt rom Dir. E Renz. Abinds 73 Uhr: Sen Auf Helgoland Wwe oder: Ebbe und Fluth“,
Abtbeilungen mit National- Tänzen (60 Damen), Aufjügen z, Dampfschisf ⸗ und Bootfabrten, Wasser⸗ fällen, Riesenfontänen mit allerlei Lichteffekten ꝛc.,
Der Vorverkauf zu den Weibnachtäf:iertagen bat arrangirt und inscenirt vom Dir. E. Renz. Kunft⸗
schwimmerinnen drei Geschwister Jobnson. Schluß⸗ Tableau: Grande Fontaine Luminsuse, Riesen- Fontaine, in einer Höbe von mehr denn 80 Fuß
Sonntag: Er ⸗ ausstrablend. In beiden Vorstellungen: Auftreten . ! 3 ; 2. Male; Der der vorzüglichsten Künstlerinnen und Känstler, sowie , Nachm. 23 Uhr: Wilhelm Revisor. Komödie in 5 Aufjügen von Nicolaus Reiten und Vorführen der bestdressirten Schul⸗ und
e 1 en
j j 1 über 780 lLieat i 77 Uhr: Der Hütten besitzer. . e, , ommnsbe dnn,,, Ein barometrisches Maximum über 780 liegt über Iünscha Br, Rane Zorn, Tuba, Burna, ö Deutsch bearbeitet von W. Lange nfang Freibeitepfe che En J zz
Montag; Dieselbe Vorstellung. Abends 75 Uhr: Kean. Voranzeige
Thomas- Theater. Alte
Direktion: Emil Thomas.
Anfang 735 Uhr.
Montag: Dieselbe Vorstellung.
Bearbeitet ron Franz Wallner.
Donnerstag: Geschlossen.
Dienstag: Zum 1. Male: Pech
Schulze. Posse mit Geiang und Tan in 3 Aftten —— —— — . von H. Salingrs. Musik von A. Lang. 1.
ö. 7. ß 4 reitag: Male: Der Tanzteufel. Gesangs⸗ an itz Feeihe 0 Oldenbur Drei Nachmittags. Vor tel tir gen pressen kiff en fen me, Ge n g m, , e, , ,
rei Nachmittags · Vorstellungen zu kleinen Preisen stadt. Couplets von Gust. Görz. usi von Gust. . ; n 79 libel (Parquet 2 M u. . w.) finden an den Weihnachte⸗ ö Gestorben: Hr. Fornmeister a. D ilbelm
5 iele. itag: Opern⸗ t statt. (1. .Die Ehren. 2. . Der Probepfeil“. Rãniglig⸗ chan pie e, . ar n vierte Gebot“) Vorverkauf ohne Aufgeld
; 6 b. Dyer in 3 Akten von Richard Wagner. In Scene ine, . 1 J 4 ff ir ö „Die Großstadtluft! wird als Abendrorstellung gefetzt vom Ober ⸗ Regisseur Tetzlaff. Dirigent: ge, an, , n, m,
Steffens. In Scene gesetzt von Adolxh Ernst.
Jakobstraße 30. z Sonntag: Zum 18. Male: Fliegende Blätter. Humoriftische Bilder mit Gesang in 3 Akten und einem Vor und einem Nachspiel, arrangirt von Alfred Schönfeld.
Mittwoch: Zum 1. Male: Kläffer. Posse mit Gesang in 4 Alten von Heinrich Wilken. Cour lets Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlagz⸗ von A. Bender. Musik von Bial und Joh. Doet ber.
Freitag, Sonnabend, Sonntag: Kläffer.
von sãmmtlichen Clowns. Täglich: ‚Auf Helgoland“.
Familien⸗Nachrichten.
Adolph Ernst-Theater. Sonntag (letzte Auf⸗ . . . en . 5 ; . ö z —⸗ führung); Zum 111. Male: Der große Prophet. Verebelicht:; He Regierungs. Baumeister Rober Die nech vorhandenen Jubiläams- Noten beste ge. Geboren; Ein Sobn: rn. Professor Dr
Baron von Roberts. Hierauf: ; , ; Cavallerin rusticana. Stzilianisches Volks- en, m rl ee. . . Vorstellung zur
schauspiel in 1 Akt von Giovanni Verga. Das vierte Gebot. Volksschau⸗ spiel in 4 Akten von Ludwig Anzengruber.
Elkisch mit Frl. Else Kohn (Charlottenburg).
Sering (Berlin). — Hrn. Professor Einst Herter (Berlin) — Gine Tochter: Hrn. Major Kuno Hoyer von Roten heim (Berlin). — Hrn. Haupt⸗
i. Gr) — Hin. Hauplmann Nusche (Glatz).
von Jorquieres (Frankfurt a. O). — Hr. Rechts⸗ anwalt a. V Gustav Studt (Charlottenburg). — Hoftame Lilly Frelin von. Berg (Oldenburg). — Fr. Domänen pächter Lida Felgentreu, geb. Demmler (Dambitsch bei Reisen).
Nedacteur: Dr. H. Klee, Direktor.
Berlin —— — Verlag der Expedition (Scholy.
Anstalt, Berlin SW. , Wil helmstraße Nr. 32. Fünf Beilagen (einschließlich Börsen⸗ Beilage).
Erste Beilage
zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.
M 299.
Bersonalveräunderungen.
Töniglich Prenßische Armee.
Offtiiere, k XX. Ernennungen, Beförderungen und Versetzungen. Im aktiven OSeere.
Neues Palais, 3. Dezember, v. Schgrfenort, Hauptm. vom Invalidenbause zu Berlin, die bei diesem Hause erledigte Comp. Cbefstelle, v Borries, Major z. D, zuletzt Platzmajor in Magde⸗ burg, die bei dem Invalidenhause zu Berlin erledigte Hauptmanns⸗ stelle, — verliehen.
Stettin 14. Dezember. v. Hegen er, Hauptm. und Comp. Chef vom Gren. Regt. König Friedrich Wilhelm 1V. (1. Pomm.) Nr. 2, dem Regt, unter Verleihung des Charakters als Major, aggregirt. v. Breitenbach, Sec. Lt. von demselben Regt., zum üͤberzaͤbl. Pr. Lt. befördert.
Durch Verfügung des Kriegs⸗Ministerium s. 30. No— vember. Julius, Zeug Hauptm. vom Art Depot in Saarlouis, zum Art. Depot in Ulm. Weichbrodt, Zeug Pr. Lt. vom Art. Depot in Posen, z. Art. Devot in Saarlouis, Strelow, Zeug Lt. vom Art. Depot in Straßburg i. E, zum Art. Depot in Posen, Galley, Zeug. Hauptm. vom Art. Devot in Darmstadt, zum Art. Devot in Neisse, Un ver druß, Zeug Pr. Lt. vom Art. Depot in Spandau, zum Art. Depot in Darmstadt, Melmor, Zeug ⸗Lt. von der 4 Art. Depot ⸗Insp., zum Art. Devot in Spandau, — rersetzt.
Nachweisung der beim Sanitäts-⸗-Corps im Mona November 1831 eingetretenen Veränderungen. Durch Verfügung des General Stabsarztes der Armee. 23. November. Dr Neuhaus, Unterarzt vom 2. Bad. Gren. Regt. Kaiser Wilhelm . Nr. 110, Dr. Seele, Unterarzt vom Niederrhein. Füs. Regt. Nr. 39, — Beide mit Wahrnehmung je einer 1 den betreffenden Truppentheilen offenen Assist. Arztstelle be⸗
r
agt.
Evangelische Militär⸗Geistliche.
Durch Allerhöchste Kabinets Ordre. 3. Dezember. Strack, Div. Pfarrer der Großherzogl. Hess. (25) Div., der Charakter als Militär⸗Oberpfarrer verlieben
Beamte der Militär⸗Verwaltung.
Durch Allerhöchste Bestallung. 3. Dezember. Dr Seiden pinner, Geheimer Kriegsrath, vortragender Rath im Kriegs n Ministerium, zum Wirklichen Geheimen Kriegsrath ernannt.
Durch Verfügung des Kriegs Mi nisteriums. 6. No— vember Krüger, Proviantamts⸗-CGontroleur in Wandsbeck, unter Ernennung zum Probiantamts-⸗Rendanten, nach Ißzehoe versetzt.
7. November. Wolff, Beyer, Pebviantamtsanwärter, als Proviantamts - Assistenten in Diedenhofen bezw. Magdeburg angestellt.
234 November. Hitschfeld, Ober⸗Roßarzt vom Kür. Regt. Graf Geßler (Rhein) Nr. 8, auf seinen Antraz mit Pension in den Ruheftand versetzt'
29. Nopem ber. Holm, Zahlmstr. vom 1. Bat Großherzogl. Mecklenburg. Füs. Regts. Nr. 95 auf seinen Antrag mit Penfsion, Heubes, Zahlmstce. vom 1. Bat. Oldenburg. Inf Regts. Nr. 91, auf seinen Antrag zum 1. Januar 1892 mit Pension, — in den Ruhestand versetzt. Goerl ach, Zahlmstr. Aspir, zum Zahlmstr. beim IV. Armee ⸗Corps ernannt.
5. Dezember. Jaerisch, Betriebs⸗Insp. der Munitions fabrik Spandau. mit dem 1. Januar 1892 zum ersten Revisions— beamten, unter Beleihung mit dem Titel Fabriken⸗Kommissarius und unter Belassung bei derselben Fabrik, Schulz, Büchsenmacher vom 1. Bat, Gren. Regts. König Friedrich J. (4. Ostpreuß) Nr. 5, mit dem 1. Januar 1887 zum Ober-Büchfenmacher bei der Gewehr— fabrik Danzig, — ernannt. Kna be, FabrikenKommissarius und erster Reoisionsbeamter von der Munstionsfabrik Spandau, zur Gewehrfabrik Srfutt, Wisotz ki, Ober⸗Büchsenmacher von der Gewmehrfabrik Erfurt, zu derjenigen in Danzig, Ditzel, Ober— Büchsenmacher von der Gewehrfabrik Dam ig, Schneider, Sber— Büchfenmacher von der Gewehrfabrik Erfurt, — zu derjenigen in Spandau, — sämmtlich mit dem 1. Januar 1892 versetzt.
Durch Perfügnng des General⸗Kommandos. Zahl— meister. a) Verletzt: Adolph vom Füf. Bat. Kaiser Alexander Garde Gren. Regts. Ne. 1, zum 2. Garde lan. Regt. ; b) in Folge Ernennung überw esen Herich der 2. Abtheilung Wesipreuß. Feld Art. Regts. Nr. 16, Kah lau dem 1. Bat. Inf. Regts. von der Marwitz (6 Pomm) Nr. 6L. Meyer dem 3. Bat. 2 Bad. Gren. Regts. Kaiser Wilhelm J. Nr. 110, Nordmann dem 2. Bat. 6. Bad; Inf. Regt, Kaiser Friedrich III. Nr. 114, Frank dem 3. Bat. Inf. Regls. von Lützow (1. Rhein) Nr. 25, Grimm dem 3. Bat. 3. Bad, Inf. Regts Nr. 11, Göoerlach dem 2. Bat. Inf. Regts. Prinz Loui Ferdinand von Preußen (2. Magdeburg.) Nr. 27.
Deutscher Reichstag. 144. Sitzung vom Freitag, 18. Dezember, 10 Uhr.
Am Tische des Bundesraths der Reichskanzler von Caprivi und die Staatssekretäre Dr. von Boetticher, Freiherr von Maltzahn und Freiherr von Marschall.
Vor Eintritt in die Tagegordnung beschwert sich der Abg. Freiherr von Münch darüber, daß der Präsident bei der zweiten Lesung des Vertrages mit Oesterreich⸗ Ungarn die Besprechung über Artikel III, ohne das Haus zu befragen, geschlossen habe, obwohl er sich noch zum Wort gemeldet habe. Es sei das Recht jedes Abgeordneten, ohne Rücksicht auf seine Persönlichkeit, der Geschäfts ordnung gemäß bebandelt zu werden. Ohne sich eine Kritik der Geschäftsführung des Präsidenten zu erlauben, halte er es doch für seine Pflicht, im Interesse seiner Wähler sein Recht noch nachträglich zu wahren.
Präsident von Levetzow: Wenn er irgend einem Mitgliede des er, die weiteste Latitude zu reden gelassen habe, so sei es der Abg. Freiherr von Münch. (Allgemeine Zustimmung.) Das Haus gebe ihm durch seine Zustimmung Recht, und er weise deshalb jede Kritik seiner Geschäftsführung zuruck. (Beifall.)
Das Haus tritt nunmehr in die dritte Berathung der Handelsverträge ein.
Abg. von Helldorff: Daß gerade der Landwirthschaft sich eine roße Erregung bemächtigt habe, sei nicht wunderbar. Habe sie doch 8 re lang unter der Ungunst der Zeiten und Mißernten gelitten. Wenn er trotzdem für seine Person den Handelsverträgen zustimme, so thue er es aug allgemeinen Gründen und weil er die Bedenken bezüglich der Wirkung der Verträge auf die Landwirthschaft nicht in vollem Umfang theile. Er halte die Zollpolitik, die im Großen und Ganzen die Regierung mit diesen Verträgen einschlage, für richtig und nothwendig. Das Schutz ollsystem sei seiner Zeit nothwendig gewesen Angesichts der Wirkungen des Eisenbahnwesens, aber ohne Verkehr, ohne Austausch mit anderen Völkern könne Deutschland auch nicht leben, nur müsse das richtige Maß eingehalten werden. Deutschland můsse Schutzzölle haben und behalten, aber ihr Bestand sei erst gesichert, wenn es sie maßvoll zu gestalten verstehe. Der Reichtkanzler habe überzeugend dargethan, daß das Reich auf dem System der Abschließung nicht beharren könne, daß es zu einem System von Tarifverträgen, welche die Möglichkeit der Handels beziehungen zwischen den zunaͤchst liegenden Kationen, und zwar mit möglichster Stabilität, für einige Zelt feststellten, übergehen müffe.
Berlin, Sonnabend, den 19. Dezember
Daß Deutschland die Initiative darin ergriffen babe, sei ein politischer Gewinn für die Verkehrsbeziehungen West ˖ Europas, und daß es durch diese Initiative anderen Ländern den Rang abgelaufen habe, werde überall im Lande anerkannt. Dem gegenüber träten wirthschaftliche Bedenken zurück, und man handele richtig, wenn man für das, was man für nothwendig halte, auch stimme, sich nicht darauf verlasse, daß Andere dafür stimmten, und das imperative Mandat, welches die Abgeordneten von der Gesammtheit empfangen hätten, auch ausübe und die Verantwortung mitübernehme, die mit diesen Vorlagen ver⸗ bunden sei. (Zustimmung) Er halte die Gefabr dieser Verträge für die Landwirthschaft nicht für so groß, wie ein Theil seiner Partei⸗ genossen. Die Ansichten, daß das Ausland oder das Inland den Zoll trage, halte er beide für falsch. Im ersteren Fall würden die deutschen Getreidepreise nicht steigen, denn es komme auf die Ver— hältnisse an, unter denen der Zoll wirke. Bei großem Angebot wirkten die Zölle fast gar nicht preissteigernd, bei mangelndem aber um so schärfer und würden dann auch für die Landwirtbschaft selbst recht unbequem und zugleich ein Agitationsmittel gegen die Getreide⸗ zölle überhaupt. Er halte sie für nothwendig, weil sie dem Auslande gegenüber die deutschen Inlandprodukte marktfähig erhielten. Ein Zustand, in dem kein größeres Mühlengeschäft in der Nachbarschaft Getreide kaufe, weil es viel bequemer sei, sich russisches Getreide von der Eisenbahn in die Mühle fahren zu lassen, ver— schwinde in dem Augenblick, wo Deutschland Zölle babe, und darum habe auch der Bauer ein Verständniß für die Getreidezölle. Diese Wirkung werde aber auch bei einem Zoll von 3,50 „ erreicht. Man beklage sich über die Festlegung der Zölle auf zwölf Jahre und möchte eigentlich die Getreidezölle beweglich erhalten, um die Möglich keit offen zu haben, die Getreidezölle auch zu erhöhen. Eine solche Bebandlung wäre eine Gefahr für die Existenz der Getreidezölle überhaupt, ebenso wie die zeitweise Suspension. Es sei ein Gemein platz immer von dem ersten Schritt zum Freihandel, von der ab— schüssigen Bahn u. s. w. zu sprechen. Die einzige Garantie für die Beibehaltung eines vernünftigen Schutzzolls liege in der Erhaltung der gemeinsamen Ueberzeugung von seiner Nothwendigkeit, wie sie in der Vereinigung der 204 bestanden habe, welche die Zollpolitik von 1879ů eingeleitet hätten. Man habe einen Artikel der „Freisinnigen Zeitung“ als Unterstützunz für ein ablehnendes Votum angeführt. Er verfolge diese Zeitung sebr genau und habe allen Respekt vor dem Scharfsinn des Abg. Richter. Früber habe er eine andere Tonart an— geschlagen und gesagt, die neuen Verträge hätten das Gute, Agrarier und Industrieschutzzöllner zu trennen. Mit den Agrarzöllen müßten auch die Industriezölle ermäßigt werden. Das sei die eigentliche Meinung des Abg. Richter, aber den Gefallen thue man ibm nicht. Er hoffe, daß in dieser Beziehung Alle einig sein würden. Es sei falsch, die Getreidezölle als Finanizölle zu behandeln. Er spreche es offen aus: so gut die lex Huene ihrer Zeit gewirkt habe, so wünsche er doch. daß diese Einrichtung so bald wie möglich beseiligt werde, denn sie stelle eine unorganische Vertheilung der Staatsgelder dar. Man sei in Preußen auf dem Wege einer rationellen Reform des direkten Steuersystems durch Beseitigung der Gewerbe- und Grundstener als Staatssteuer Hier müßten die Agrarier ihre Kraft einsetzen. Zu den nichts sagenden Schlagworten geböre auch der Hinweis auf den Industriestaat und den Ackerbauftgat. Die Industrie müsse geschützt werden, denn an ihrer Existenz und Exportfähigkeit habe das ganje Vater land ein Interesse. Der Ackerbau aber sei die Grundlage der ganzen wirthschaftlichen Entwickelung, der nationalen Selbstständigkeit. Der Reichskanzler habe in Bezug auf die Landwirtbhschaft in einer schönen Ausführung eine voll beruhigende Erklärung abgegeben. Man werde Mittel und Wege finden müssen, um dem Zusammenströmen der ländlichen Bevölkerung nach den großen Städten Halt zu gebieten. Er erblicke darin eine nationale Gefahr, zu deren Bescitigung sich alle Parteien die Hand bieten müßten. Daneben müsse die Frage der Zollkredite, der zollfreien Lager, der Stellung der Mühlenindustrie, namentlich der kleinen, im Interesse einer Erhaltung der Absatzgebiete im Auge behalten werden. Die Mißbräuche beim Produktenhandel, unter dem die gesammte Landwirthschaft und der Handel leide, würden hoffentlich recht bald beseitigt werden. Getreideankäufe für Staats zwecke müßten direkt bei den Produzenten gemacht werden. Daneben werde das Erbrecht reformirt und den Bestrebungen zur Hebung der Landeskultur, überhaupt allen Organisationsbestrebungen auf landwirthschaftlichem Gebiete, in denen die Sozialdemokratie mit Recht eine große Gefahr für sich erblicke, eine größere Aufmerksamkeit zugewendet werden müssen. Auf diesem Gebiet möge die Reichs—⸗ regierung ihr Wohlwollen für die Erhaltung des Ackerbaues be— thätigen. Hier müßten die Agrarier und die Konservatipen überhaupt, sowie Alle, welche ein Verständniß für die Landwirthschaft hätten, zusammenarbeiten für den Stand, der die Grundlage der nationalen Selbständigkeit sei.
Abg. Let ocha: Durch die Tarifirung der Handelsverträge werde die oberschlesische Industrie fehr benachtheiligt, wie denn überhaupt die Tarife mebr den Wünschen Oesterreichs, Italiens und Belgiens entsprächen als denen Deutschlands. Die Kohlenpreise seien so hoch, daß die Eisenindustrie, die ohnehin nach Oesterreich wenig absetze, nunmehr der österreichischen wehrlos gegenüberstehe. Bis 18789 habe sie sich in einer sehr prekären Lage befunden, dann habe sie sich entwicelt und müsse nunmehr vor der Gefahr des Rückganges durch die Ver— träge geschützt werden. ; ö
Abg. von Kardorff: Die Meinung, daß die Handelsverträge bis zum 1. Februar 1892 erneuert sein müßten, weil bis dahin die in Geltung befindlichen abliefen, sei irrig, denn nach den Stipulationen gälten sie bei nicht erfolgter Tündigung weiter; eine Kündigung sei nur von Frankreich und der Schweiz erfolgt, und hier sei Deutschland durch die Meistbegünstigungeklausel des Frankfurter Friedens gedeckt. Eine Erneuerung der Verträge mit Oesterreich und Italien sei schon deswegen nicht nöthig, weil die Handelsbilanz mit diesen beiden Ländern zu Ungunften Deutschlands stehe und dieses ein Interesse gehabt habe, sie zu kündigen. Vielleicht wäre es besser gewesen, Handelsverträge erst abzuschließen, wenn Deutschland den Zolltarif autonom nach den heutigen Bedürfnissen festgestellt und damit die so nothwendige Korrektur an dem Zolltarif von 1879 an der Hand der Erfahrung geübt hätte. Nun aber komme die Regierung mit, einem fait accompli vor den Reichstag, und die Sache werde gleichsam als Vertrauensfrage für sie hin— gestellt. Das lasse er sich nicht octroyiren, er gebe seine Meinung nach wirthschaftlichen Gründen ab, nicht nach politischen. Die Regie⸗ rung könne ja auf eine große Mehrheit rechnen und die Presse werde Jubelhymnen darüber anstimmen. Aber die Mitglieder dieser Mehr⸗ heit stimmten aus ganz verschiedenen wirthschaftlichen und politischen Gründen. Die Freisinnigen sähen darin den ersten Schritt zum Frei⸗ handel, dem andere folgen müßten, dafür nähmen sie alle sonstigen Unannehmlichkeiten des Vertrages in den Kauf. Die Nationalliberalen hätten gegen den Vertrag auf landwirthschaftlichem und industriellem Gebiet viel einzuwenden, aber sie unterstützten die Regierung aus politischen Gründen, um ein großes wirthschaftliches mitteleuropäisches Bündniß herzustellen. Die Mitglieder vom Centrum benutzten diese Gele= genheit, um der Regierung zu zeigen, wie nothwendig sie es habe, sich auf diese ö. zu stuͤtzen und ein wie wichtiger Faktor im parlamentarischen eben sie sei. Auch die Zustimmung der Polen beruhe auf politischen Gründen, die nach der Kichtung der Ernennung eines Polen zum Erzbischof hindeuteten. Auf anderem Gebiet liege die Ursgche der Zu⸗ stimmung der Deutsch⸗Hannoveraner; sie wünschten eine Rücklthr zu den Zuständen des alten Bundestages unter Realisirung der Aspira⸗
1891.
tionen, die die Herren noch in Treue festhielten. Wie komme nun die Regierung dazu, auf einmal diesen nenen Weg in der Handelspolitik einzuschlagen. Er lege sich die Sache so zurecht: sie babe eine heftige Agitation gegen die bisherigen Getreidezölle, welche die Zabl der An⸗ bänger der Sozialdemokratie vermebrt habe, gesehen. Etwas habe also geschehen müssen. Hätte man eine dauernde Ermäßigung der Zölle vorgeschlagen, so würde es fraglich gewesen sein, ob der Reichstag dem zustimmte. Auch eine Suspension hätte die Zölle leicht ganz und gar in Frage stellen können. So sei man dazu gekommen, diese Ver⸗ träge abzuschließen. Wenn nur das Exempel richtig sei, wenn nur nicht das, was zur Beruhigung der öffentlichen Meinung dienen solle, ins Gegentheil ausschlage. Es sei schon jetzt eine große Beunruhigung darüber vorhanden, daß in den nächsten Jahren eine Herabsetzung der Preise der landwirtbschaftlichen Produkte ein⸗ treten könne. Wenn er nun auch das nicht befürchte, so sei doch die Bindung des Zolles auf zwölf Jahre bei der schwankenden Valuta sehr bedenklich. Vie Beunruhigung der Landwirthschaft könne aller— dings keine so große sein, weil sie sich mit dem Gedanken der Er— mäßigung der Zölle schon lange vertraut gemacht habe. Aber er habe in diesen Tagen förmliche Stöße von Petitionen und Briefen aus allen Theilen Deutschlands erbalten, denen zufolge die Industrien in ganz Deutschland große Bedenken gegen die Handelsverträge begten. In der chemischen Industrie, die in Oesterreich sehr wenig entwickelt sei, werde. Deutschland allerdings Vortheile haben, aber der Textil und Eisenindustrie drohten Nacktheile. Bei der Lederindustrie, Knopf— fabrikation, Papier- und Glasindustrie seien die Bedenken gegen die Verträge sehr erbeblich. Nachdem man den Reichstag gezwungen habe, die Berathung in vier Tagen vor⸗ zunehmen, sei man nicht in der Lage, zu prüfen, ob diese Klagen berechtigt seien und welches Bild die Industrie über— haupt später darstellen werde. Wirkliche Schädigungen würden aber nur der Sozialdemokratie zu Gute kommen. Die Landwirthschaft habe ihr Hauptbedenken weniger wegen der Herabsetzung der Zölle, als vielmehr wegen der Nichtberücksichtigung der kleinen Leute bezuglich der Schweine und Geflügeljölle. Er böre ja, daß Rußland gegen⸗ über die Einführung des Gänsezolls möglich sei, und er werde sich bemühen, ihn zu schaffen. Von allen Kompensationen für die Land wirthschaft, die man hier vorgeschlagen habe, könne keine helfen, die Abhülfe liege nur in der Währungsfrage. Er freue sich, daß der Reichskanzler sich mit dieser Frage beschäftigt habe und bei seiner sehr in Anspruch genommenen Zeit noch weiter damit be— schäftigen wolle, aber es sei ein Irrthum, daß die Währungs— frage so schwer zu verstehen sei. Diese Meinung hätten nur die Goldfanatiker aufgebracht. Wenn ihm der Reichs—⸗ kanzler vorgehalten habe, daß er 1882 die Remonetisirung des Silbers nur unter der Mitwirkung Englands für möglich gebalten, daß er aber jetzt darauf verzichte und der Initiative des Reichs in dieser Frage genügende Kraft zutraue — nun, so habe er eben seit jener Zeit etwas zugelernt, und das sei keine Sande. Der Abg von Helldorf motivire die Sckutzjollpolitik von 1879 durch die Entwickelung der Verkehrsmittel, welche neue Wege der Handelspolitik zu betreten gezwungen babe; ja, wenn diese Wege nur die richtigen wären! Der Abg. von Helldorf habe auch großen Respekt vor dem Abg. Richter, er (Redner) habe keinen Respekt vor ihm, denn seine „Freisinnige Zeitung“ zeige ein ganz ungewöhnliches Maß von Un— wahrbaftigkeit. Die Handelsoerträge hätten noch den Mangel, daß mit ihnen die Regierung den Weg selbständigen Vorgehens beschreite und das Parlament sich seines Einflusses auf die Gestaltung der Tarife begebe; ferner den, daß sie der erste Schritt auf der Bahn des Freihandels seien und die freie wirthschaftliche Bewegung zwölf Jahre lang hemmten, im Gegensatz zum Fürsten Bismarck, der ge⸗= sagt habe: wirthschaftliche und politische Interessen gingen aus— einander. Hätte er die jetzt beliebte Verquickung und Wirth— schaft geübt, so hätte man die Lombardirung russischer Papiere in Berlin nicht verbieten und vorausgesetzt, daß man es gewellt hätte, Differentialtarife gegen Rußland nicht einführen können. Kein Land verfolge seine wirthschaftlichen Intertssen rücksichtsloser als Nord⸗ Amerika, aber darum verfolge es in der Mac Kinley ⸗Bill keine politischen Interessen. Die Zulassung des deutschen Rohbzuckers in Amerika brauche man nicht als eine Begünstigung anzusehen Man habe sie nach der Aufhebung des Schweineeinfuhrverbots auf Grund der Meistbegünstigungsklausel zu fordern. Das Bindende der Handelsverträge bei schwankender Valuta mache es ihm unmöglich, ihnen zuzustimmen. Unter diesen Umständen, bei den schwankenden Geldverhältnissen in für den Handel sehr wichtigen Staaten und bei den so vielfach bestehenden Meistbegünstigungs—⸗ verträgen sei die Herstellung eines mitteleuropäischen Handels— vereins eine Phantasmagorie. Die Verminderung der den Einzelstaaten zufließenden Einnahmen glaube man in Preußen durch die Ueberweisung der Geund und Gebäudesteuer kom— pensiren zu können. Aber dazu werde der Staats ⸗Minister Dr. Miquel nur schwer zu baben sein, da er durchweg mit Mindereinnahmen zu rechnen habe. Er (Redner) wolle nur wünschen, daß nicht seine Be⸗ fürchtungen, sondern die segensreichen Wirkungen, die die Herren von den Verträgen erhofften, eintreten mögen.
Reichskanzler von Caprivi:
Zu meinem aufrichtigen Bedauern — und ich glaube, ich stehe mit diesem Bedauern im hohen Hause nicht ganz allein — ist der Herr Abg. von Kardorff von der meines Erachtens so löblichen Ten— denz, die er gestern bekundete, die Verhandlungen nicht unnöthig in die Länge zu ziehen, zurückgekommen. (Sehr gut!)
Noch einmal hat er an dem inneren Gesicht dieses Hauses alle seine Schmerzen vorüberziehen lassen. Ich kann dem nichts entgegen— setzen als meine Hoffnungen, und ich glaube, diese Hoffnungen werden zum großen Theil von der Majorität dieses Hauses und auch von der Majorität des Landes getheilt.
Im AUebrigen sind es nur wenige Punkte, die ich kurz erwähnen möchte. Er klagt, daß er durch Aeußerungen von mir enttäuscht worden wäre. Nach dem, was ich bis jetzt von dem Herrn Abg. von Kardorff gehört habe, muß ich zu meinem Bedauern gestehen, daß ich die Befürchtung habe: ich werde ihn noch öfter enttäuschen. (Hört! hört! links.)
Er unterstellt dann — und das ist das, was mich nöͤthigt, das Wort zu ergreifen — den verbündeten Regierungen Motive, die diese
weder in der Denkschrift, noch in den Aeußerungen, die bier gefallen sind, jemals dargelegt haben. Ich spreche dem Herrn Abgeordneten jede Berechtigung hierfür ab. Ich nehme dies Schicksal aber nicht tragisch, weil die verbündeten Regierungen es mit einer großen Menge von Parteien im Hause theilen (sehr richtig) welchen er ebenfalls Motive unterstellt hat, von denen ich bisher nichts gehört babe. (Sebr richtia) Der Herr Abgeordnete schadet damit weder der Sache, noch den verbündeten Regierungen, noch den Parteien. Ich glaube also, auch hierüber leicht hinweggehen zu können. (Sehr gut In dem Theil seiner Rede, in welchem er die auswärtige Politik berührte und
abfertigte, hat er geäußert, er erkenne in der Mac Kinley ⸗Bill keine
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