.
Seiner Majestät des Kaisers und des Reichskanzlers geflossen
sind. Ich habe hier eine Aufzeichnung von Ausgaben, die lediglich
für Zwecke der Kunst in den verschiedenen Jahren gemacht sind, und diese Ausgaben beziffern sich auf eine ganz erhebliche Summe. Das wird auch weiter geschehen. Das Reich wird sich gewissen künst⸗ lerischen Aufgaben gegenüber nicht passiv verhalten dürfen, und ins⸗ besondere wird das Reich — und damit komme ich auf einen Punkt, den der Herr Vorredner berührt hat, — sich nicht enthalten können, bei seinen eigenen Bauwerken, jetzt bei der Herstellung des Reichs tags⸗ gebãudes, der ausübenden Kunst auch ein ausgiebiges Feld einzurãumen. Der Herr Vorredner ist des Glaubens gewesen, daß die Betheiligung der Kunst bei dem Reichstagsgebäude nur eine untergeordnete s ein werde, und daß es sich da mehr um eine Anwendung kunstgewerblicher Arbeiten handeln werde. Das ist nicht richtig Es sind jetzt schon acht oder zwölf Bildhauer für das Reichstagsgebäude beschäftigt, darunter die ersten Namen: Begas, Schaper, Lessing, sodaß also die Bildhauer⸗ kunst in ausgiebigem Maße, und soweit das überhaupt nach Maßgabe der vorhandenen Mittel möglich ist, betheiligt sein wird. Ebenso steht es mit der Malerei. Ein ungefährer Ueberschlag über die künstlerischen Darstellungen, welche die Malerei im Reichstagsgebäude zu fertigen haben wird, hat doch schon die Summe von 15 Millionen Mark ergeben. Guruf) — Ja, wir sind noch nicht so weit, wir machen überhaupt im Reichs⸗ haushalts⸗-Etat keine speciellen Ausführungen über die einzelnen Theile des Reichstagsgebäudes, sondern wir fordern hier nur in einer Summe das Pauschquantum, was in dem betreffenden Jahre verbraucht werden soll, und darin stecken natürlich auch die Ausgaben für die Kunst. Damit kann ich diesen Gegenstand verlassen.
Was sodann die Bemerkungen des Herrn Vorredners anbetrifft über das Kaiser Wilhelm-Denkmal, so hat er die historische Ent⸗ wicklung der Angelegenheit richtig geschildert. Der Reichs⸗ tag hat bekanntlich Seiner Majestät dem Kaiser überlassen, den Platz zu bestimmen und die Art der Ausführung, und Seine Majestät hat befohlen, es solle noch zu einer engeren Con— currenz — gegenüber der, wie ich mit dem Herrn Vorredner einer Meinung bin, nicht sehr ergiebigen Vorconcurren; — geschritten werden, um einen brauchbaren Entwurf zu erlangen. Zu dieser Con⸗ currenz wurden neben den preisgekrönten Künstlern der Vorconecurrenz aus allen Theilen Deutschlands Künstler zur Betheiligung aufgefor— dert; es waren deren, wie der Herr Vorredner ebenfalls richtig hervor— gehoben hat, zehn. Was der Grund gewesen ist, weshalb von diesen zehn Künstlern sich nur vier an der Concurrenz betheiligten, ist mir nicht recht klar geworden; ich habe einen vernünftigen Grund nicht erkennen können. Das allerdings ist mir bekannt, daß ein Theil der Künstler, die aufgefordert waren, große Bedingungen stellten und namentlich eine Bedingung, daß dem Sieger in der Concurrenz auch die Aus— führung des Denkmals oder wenigstens die Mitbetheiligung an der Ausführung gesichert bleiben sollte. Mir ist es zweifelhaft, ob eine solche Mitbetheiligung an dem Werk eines anderen Künstlers, der schließlich mit der Ausführung der Sache beauftragt wird, über haupt möglich ist; aber abgesehen davon, bin ich der Meinung, daß ein Bauherr, der sich ein Kunstwerk bestellt oder dazu übergeht, Entwürfe zu fordern für ein Kunstwerk, sich niemals für die Ausführung derartig die Hände binden kann, daß er von vornherein erklärt: wer das relativ Beste liefert, der soll die Ausführung bekommen, — denn dieses relativ Beste kann immer noch den Bedürfnissen und Anschauungen des Bau— herrn nicht genügen. Namentlich, wenn es sich um ein so wichtiges Bauwerk handelt, wie das Denkmal für den Hochseligen Kaiser Wilhelm J., dann glaube ich, kann das Reich sich gar nicht die Hände dahin binden, daß ein noch unbekannter Entwurf zur Aus— führung bestimmt werden sollte.
Ich beklage es, daß die Herren an der Coneurrenz nicht theil— genommen haben, wir hätten ja dann vielleicht eine größere Anzahl von Entwürfen vor uns. Allein nun liegt die Sache augenblicklich so: vier von den Herren haben sich betheiligt, die Entwürfe sind in der Ruhmeshalle des Zeughauses ausgestellt, Seine Majestät hat die Entwürfe in Augenschein genommen, hatSSich aber die Entscheidung über die definitive Gestaltung des Denkmals noch vorbehalten. Aber selbst wenn die Kaiserliche Entscheidung in diesem Augenblicke bereits ergangen wäre, so würde der Wunsch des Herrn Vorredners, nun eine Summe für eine neue Concurrenz in den Reichshaushalts⸗Etat einzustellen oder gar schon den Antrag auf Bewilligung der Summe für die Ausführung des Denkmals vor sich zu haben, doch nicht in Erfüllung gehen können.
Meine Herren, was die neue Concurrenz anlangt, so glaube ich eigentlich, daß es mit zwei Concurrenzen genug ist; ich habe wenigstens keinen Anhalt für die Annahme, daß nun eine dritte Concurrenz ein Werk ergeben würde, mit dem männiglich im Reich zufrieden wäre, — das wird man ja überhaupt nicht erreichen, die Kritik wird immer dies oder jenes an dem Entwurf auszusetzen haben und man wird ein vollständig auf allen Seiten Beifall findendes Werk schwerlich erreichen.
Also ich würde doch recht zweifelhaft sein, ob es gerathen ist,
nun noch eine dritte Concurrenz auszuschreiben. Und was die Bildung
einer neuen Jury anlangt, ja, meine Herren, da habe ich nun in der alten Jury gesessen und habe die Erfahrung gemacht, daß in einer solchen Jury die Ansichten ganz unversöhnlich sich gegenüber⸗ treten, und daß es außerordentlich unsicher ist, wohin das Zünglein der Wage, namentlich bei einer stark besetzten Jury, sich neigt. Ich halte es für viel richtiger, daß man sich einen Entwurf ausarbeiten läßt und ihn prüft, daß man sein eigenes Urtheil fragt: genügt der Entwurf, erfüllt er das, was von solchem Denkmal zu fordern ist? und daß man dann den Auftrag ertheilt. Dieser Auftrag aber wird, glaube ich, auch noch, wenigstens soweit er hier durch den Etat zur Entscheidung kommt, etwas auf sich warten lassen; denn, meine Herren, die Errichtung des Denkmals und namentlich, wenn Seine Majestät an der Auffassung festhält, daß das Denkmal auf der Schloffreiheit errichtet wird, macht eine ganz erhebliche Reihe von Vorarbeiten er— forderlich: es muß der Spreelauf regulirt werden, es muß mit der Stadtverwaltung, es muß mit dem preußischen Fiskus verhandelt werden, und das sind alles Dinge, die nicht dazu beitragen, daß man schon in naher Frist mit einem voll⸗
ständigen Project hervortreten kann. Also ich bitte den Herrn Vor⸗
redner, Geduld zu haben mit der Ausführung. Ich zweifle gar nicht — und ich erblicke die Gewähr auch in dem bisherigen Verlauf der Angelegenheit — daß schließlich ein Denkmal zu Stande kommen wird,
wie es den Anschauungen und den Bedürfnissen der Nation entspricht, und das Seiner Majestät dem unvergeßlichen Kaiser zur Ehre gereicht.
Außerdem aber glaube ich auch, den Herrn Vorredner darüber beruhigen zu können, daß das Reich davon ab⸗ lassen wird, für Kunstzwecke weiter thätig zu sein. Wir werden nach Maßgabe der vorhandenen Mittel auch weiter die Kunst nicht vergessen und auf diesem Gebiete thun, was rechtens ist; ich er⸗ innere z. B. daran, daß wir gerade für das Reichstagsgebäude und jetzt wieder für Chicago doch auch Summen in Aussicht genommen haben. Im übrigen stelle ich ganz anheim, ob der Herr Vorredner uns mit weiteren Mitteln für diese Zwecke bedenken will. Ich für meine Person würde dagegen nichts zu erinnern haben; wie die ver— bündeten Regierungen darüber denken, weiß ich nicht.
Abg. von Meyer scons.): Er spreche dem Staatssecretär zunächst seinen Dank aus für seine eingehenden Mittheilungen; was aber den Vorwurf anlange, daß er seine Ausführungen an einen Titel angeknüpft hätte, zu dem sie nicht gehörten, nämlich zum Germa⸗ nischen Museum“, so bemerke er, daß er sich zu dem ganzen Kapitel 7a „Allgemeine Fonds“ zum Wort gemeldet habe. .
Titel 1 „Unterstützung für das Germanische Museum in Nürnberg 48 900 e wird darauf bewilligt, desgleichen ohne 82 eine Reihe weiterer Positionen dieses Kapitels.
Für Postdampferverbindung en sind ausgeworfen: nach Ost⸗Asien und Australien 4400 000 (6, nach Ost-Afrika 900 000 M. . ö .
Abg. Dr. Bamberger (dfr. : Das Reich sei vertragsmäßig verpflichtet, für die subventionirten Dampfer, die nach Ost⸗Asien und Australien gingen, eine jährliche Summe, von 4400 000 60 während fünfzehn Jahren zu zahlen. Daran sei nichts zu ändern. Es sei aber lohnend, die Ergebnisse dieser Subventionen nach den bekannt ge— wordenen, freilich recht dürftigen Nachweisen zu untersuchen. Er sei überrascht von den geringen Erfolgen, welche die Dampfersubvention aufzuweisen habe. Er habe immer geglaubt, daß die 69 Millignen, die das Reich für Dampfersubventionen ausgebe, eigentlich eine Geld⸗ verschwendung seien und daß der solide Handel auch ohne diesen Zu⸗ schuß seinen Weg nach den östlichen Ländern finden könne. Aber er habe gehofft, daß, wenn diese Schiffe in Bewegung gesetzt würden, dies doch wenigstens einen Zufluß von Waaren bewerk⸗ stelligen werde. Das sei nun nach den porliegenden Zahlen durchaus nicht der Fall.. Er könne allerdings die vor— liegenden Ziffern nicht klar übersehen, denn der Reichs-Anzeiger“, auf den er sich stütze, unterscheide nicht genau zwischen Raumtonnen und Gewichtstonnen. Wenn er aber auch die vortheilhaften Ziffern zu Grunde lege, so finde er doch noch immer einen Widerspruch zwischen den Zahlen des Generalberichts des Bremer Lloyd und denen des Reichs-Anzeigers!. Ihn interessirten ausschließlich diejenigen Zahlen, die sich bezögen auf, die Ausfuhr deutscher Waare nach diesen 6stlichen Ländern. Der „Reichs-Anzeiger' gebe an, daß die Ausfuhr deutscher Waaren im Jahre 1890 34 600 Tonnen betragen habe. Es werde dabei rühmend hervorgehoben, daß die Zunahme gegen zwei Jahre zurück etwa 20 66 ausmache. Das beweise aber wenig, wenn die vorhergehenden Zahlen gering gewesen seien. Die Berichte des Bremer Lloyd schwankten, je nachdem sie sich auf Raum⸗ tonnen oder Gewichtstonnen bezögen, zwischen 90 700 und 90 59090. Selbst wenn er annehme, daß dabei nicht mit⸗ gerechnet sei, was in Antwerpen noch mit eingeschifft sei, und wenn die vom ‚Reichs-Anzeiger“ aufgeführten 34009 t richtig seien, so bleibe immer noch die Benutzung dieser subventionirten Schiffe nach 44 Jahren eine recht geringfügige gegenüber dem zur Verfügung stehenden Raum. Der Bremer Lloyd erkläre allerdings in seinem Generalbericht, die Schiffe seien voll befrachtet werden, aber nicht mit Waaren, sondern mit Reisenden. Unter den 149090 Fahrgästen aber, die in diesem Jahre hinaus⸗ und hereingegangen seien, hätten sich sehr wenig Deutsche befunden, und man müsse eigentlich froh sein, daß es sehr wenig Deutsche seien, denn der Haupttheil dieser Rei⸗ senden sei ohne Zweifel Auswanderer. Es würden also fremd— ländische Auswanderer mit deutschen Reichszuschüssen unterstützt. Hätte man wenigstens den Trost, daß der Bremer Lloyd, dieses außerordentlich gut geführte Unternehmen, dabei auf seine Kosten käme, dann ließe sich noch über die Sache reden, aber leider habe. der Bremer Lloyd bedeutend zugesetzt bei diesen sub⸗ ventionirten Dampfern, und zwar 7211 900 4. Dazu komme der Verlust der Oder“ mit 1400 000 166. Rechne man dazu den Reichs—⸗ zuschuß während der 45 Jahre mit 19 3809 000 e so kämen im e, 283 Millionen heraus, die das Reich, ins Wasser geworfen
abe. Das Reich habe jährlich im Durchschnitt 6310 000 S zu⸗ e ., Rechne man nach dem günstigsten Jahre die deutsche Aus⸗ uhr auf 24 Millionen Mark, so zahle das Deutsche Reich jähnlich eine Ausfuhrprämie von 25 6/9 der ausgeführten Waaren. Man werde gut daran thun, daraus eine Nutzanwendung für die Zukunft zu ziehen. Der Bremer Lloyd habe mit der Subvention recht herzlich schlechte Geschäfte gemacht. Die Actien ständen unter pari. Er wolle allerdings nicht ungerecht sein und zugeben, daß daran auch die Ungunst der Zeitverhältnisse schuld sei. Er wolle nun nicht sagen, daß man den Vertrag gütlich in der Weise lösen könnte, daß das Reich seine Subvention zurückziehe und der Lloyd seiner Dienste enthoben werde, Aber es wäre möglich, daß das Reich seine Subvention herabmindere und, der Lloyd von einem Theil seiner Lasten enthoben würde. Es wäre vielleicht nützlich, wenn die Commission diese Frage prüfte. Man habe schon einmal eine Remedur eintreten lassen, indem man eine Mittelmeerlinie anders gelegt habe. Der Linie nach Samoa könnte in erster Linie die Subbention entzogen werden. Von Deutschland nach Samoa sei im Jahre 1890 im ganzen für 107 000 ausgeführt worden. Vielleicht werde in der Commission darüber nähere Auskunft gegeben und erwogen werden, ob es wirklich zu spät sei, um noch eine Remedur ein⸗ treten zu lassen, um das Reich von unnützen Verlusten zu befreien.
Staatssecretär Dr. von Boetticher:
Es ist richtig, daß die Erwartungen, die vielfach an die Ent— wicklung der subventionirten Linien geknüpft worden sind, sich nicht in dem erhofften Maße erfüllt haben; allein so ganz trostlos, wie der Herr Vorredner die Sache anzusehen scheint, liegt sie doch nicht. Wir haben, was das Gesammtgeschäft betrifft — hätte ich gewußt, daß der Herr Vorredner diesen Gegenstand eingehender besprechen würde, so würde ich noch das weitere Material zur Stelle geschafft haben —, nach der mir vorliegenden Gesammtübersicht doch immerhin gegen die Vorjahre eine Steigerung des Verkehrs zu verzeichnen. Ich gebe dem Herrn Vorredner durchaus zu, daß es bei diesem Verkehr der subventionirten Dampfer mehr auf das ankommt, was aus Deutschland exportirt wird, als auf das, was nach Deutschland ein—⸗ geführt wird. Aber auch was die Ausreise anlangt, weist die Ueber⸗ sicht, die ich hier in der Hand habe, nach, daß der Verkehr der Ausreise auf der ostasiatischen und australischen Linie zusammen von 58 477 Tonnen — d. h. Gewichts⸗Tonnen — (Zuruf links) — oder vielmehr auf der Ausreise und Heimreise zusammen genommen — auf 10503 gestiegen ist. Die Ausreise hat allerdings etwas weniger an Fracht gebracht als die Heimreise, indem die Ausreise 34 097 Tonnen umfaßt hat, während die Heimreise 36 411 nachweist.
Nun hat aber der Herr Vorredner selber schon zugegeben, daß die Verhältnisse für die Entwicklung der Rhederei und für den fruchtbaren Betrieb der Rhederei im vergangenen Jahre nicht günstig gewesen sind, und ich möchte deshalb glauben, daß man die freilich geringe Steigerung des Verkehrs doch nicht in dem Sinne nutzbar machen kann, daß man, weil diese Steigerung eine zu geringe ist, nun dazu über—⸗ geht, zu erklären: das ganze Unternehmen ist nichts werth, denn es hat uns keinen ausreichenden Nutzen verschafft.
Meine Herren, der definitive Erfolg der Subventionirung 2 Dampferlinien nach Ost⸗Afrika und Australien kann meines . heute noch gar nicht übersehen werden. (Sehr richtig! rechts)
Was das für einen Einfluß auf die Entwicklung unseres Erportz nach jenen Ländern haben wird, das werden wir erst ermessen können wenn die fünfzehn Jahre, auf die wir die Subvention bewilligt haben abgelaufen sein werden, und nun das Facit gezogen ist, wie sich a. ersten Jahre ab der Ertrag gesteigert hat. Wollte man heute damn übergehen, was der Herr Vorredner zu empfehlen scheint, nämlich . Vertrag aufzulösen, um den Lloyd vor weiterem Deficit zu bewahren und das Reich vor einer Weiterzahlung der Subvention zu behüten, so würde man sich, wie ich glaube, von Seiten der Freunde dieses Unternehmens dem sehr berechtigten Vorwurf auszusetzen, daß man zu früh einen Entschluß gefaßt hat, der dazu führt, daß das Kind, das man in die Welt gesetzt hat, nicht zur Reife gekommen ist. Also möchte ich empfehlen, einen solchen Antrag heute zu unterlassen. Wir sind bereits in Verhandlungen eingetreten mit dem Bremer Lloyd um gemeinsam zu erwägen, was zu thun ist, um das unternehmen zu beleben ünd es namentlich in ertragreicheren Fluß zu bringen. Ob diese Verhandlungen, bei denen ja auch die Interessen vielfach collidiren, zu einem erwünschten Resultat führen werden, vermag ich heute nicht zu übersehen; aber sie werden fortgesetzt und dann nament— lich auch, was ich beiläufig bemerke, das Interesse der Post in aus- reichendem Maße zur Geltung gebracht werden. Ich hoffe, daß wir in wenigen Jahren dem Herrn Vorredner glanzvollere und mehr ge— steigerte Zahlen vorführen können, als wie das zu meinem eigenen Bedauern heute der Fall gewesen ist.
Abg. Dr. Hammacher (nl): Die an die australische Dampferlinie gehängte Dampferverbindung zwischen Spdney und Samoa entspreche den in sie gesetzten Erwartungen nicht. Die Subvention für diese Linie beziffere sich auf 250 000 S, der Werth des deutschen Handels belaufe sich nur auf 109 000 M, es handele sich also hier um eine unfruchtbare, unöconomische, nicht länger zu rechtfertigende Ausgabe. Er unterstütze die . des Abg. Dr. Bamberger, soweit sie auf diesen Punkt Bezug hätten, voll= ständig, allerdings nicht zu dem Zwecke, daß das Reich diese Subventionssumme einziehe, sondern um reiflich zu erwägen, ob nicht diese Summe in anderer Weise für das vaterländische Interesse nützlich verwendet werden könne. Auch er bedauere, daß der Reichstag über die Wirkungen der Subventionen so wenig Mit— theilungen erhalte. Bis jetzt seien dem Reichstag amtliche Nachrichten darüber nicht zugegangen, die einzige Erkenntnißquelle seien mehr oder weniger flüchtige Mittheilungen in den Zeitungen gewesen. Er möchte den lebhaften Wunsch äußern, daß die verbündeten Re— 6 sich veranlaßt sähen, bei der Vorlage des nächstjährigen FLtats dem Reichstag eine Denkschrift zugehen zu lassen über di Entwickelung des Postdampferverkehrs auf den aus Reichsmitteln subventionirten Linien. Er sei seiner Zeit ein lebhafter Befürworter der Dampfersubventionen im Interesse der Entwickelung des deutschen Verkehrs und der Vermehrung der Arbeitsgelegenheit in Deutschland gewesen. Er gebe auch heute die Hoffnung nicht auf, daß diese Anlage sich bewähren werde. Die verflossenen vier Jahre reichten nicht aus, um ein abschließendes Urtheil über die wirthschaftliche Bedeutung der Vostrampferverbindungen zu gewinnen. Seither seien von Jahr zu Jahr die Gütertransporte und die Personenbeförderungen im Steigen gewesen. In Ost⸗Asien und Australien entwickele sich der wirthschaftliche Verkehr riesenhaft, sodaß eine erhebliche Steigerung des Verkehrs für die Zukunft zu erwarten sei. Man dürfe zur Geschicklichkeit des Norddeutschen Lloyd das Vertrauen hegen, daß er bemüht sein werde, diesen Verkehr nach Möglichkeit zu fördern. Zur Zeit habe es keinen Zweck, in eine commissarische Berathung einzutreten, auf welchem Wege eine Besserung herbeizuführen sei. Die Regierungen hätten den richtigen Weg eingeschlagen, und er hoffe, daß sie dem Reichs— tag im nächsten Jahre eine bessere Grundlage für die Beurtheilung dieser Frage liefern würden.
Abg. Richter (ofr): Der Staatsseeretär meine, man müsse hoffen, daß die Sache künftig sich besser entwickle. Man brauche nicht erst die fünfzehn Jahre abzuwarten, um ein Urtheil zu gewinnen; schon nach diesen 4 Jahren könne man einen gewissen Rich) ziehen, und dieser Rückschluß gestalte sich in jedem Jahre ungünstiger. Es sei bezeichnend, daß der Abg. Dr. Hammacher, der damals mit warmer Begeisterung die erste Rede hier für die Subvention gehalten habe, einen so resignirten Ton in dieser Sache angeschlagen habe. Es sei nicht richtig, daß die Ver kehrsziffern sich von Jahr zu Jahr steigerten. Auch er (Redner) wünschte bessere amtliche Ziffern. Schon vor zwei Jahren habe der Abg. Dr. Bamberger eine Denkschrift verlangt; damals sei sie von der anderen Seite nicht gewünscht worden, weil sie mit dem Geschäftsinteresse des Norddeutschen Lloyd in Widerspruch stehe. Der Geschäftsbericht des Norddeutschen Lloyd sei von einer muster⸗ haften Knappheit und hüte sich, die ungünstige Lage der subven⸗ tionirten Linien irgendwie klarzustellen. Gewiß leide die Rhederei an einer gewissen Ungunst, aber die billigen Frachten, die dadurch entständen, würden doch die Ausfuhr geradezu erleichtern. Der Abg. Dr. Bamberger habe die Sache noch viel zu günstig dargestellt. Er habe . daß das Reich und der Lloyd in den 4 Jahren 285 Millionen, 25 Procent des Ausfuhrwerthes der dentschen Waaren, zugeschessen hätten. Die ostafrikanische Subvention habe der Abg. Dr. Bamberger nicht mit in Rechnung gezogen. Sie betrage 900 000 66, während sich der Werth des gwanzen Ausfuhr⸗ und Einfuhrhandels zwischen Deutschland und den ost— afrikanischen Colonieen nur auf etwa 820 000 M beziffere. Und dafür gewähre das Reich eine Subvention von 990 900 „, schieße außer⸗ dem für Ost-Afrika 25 Millionen zu, unterhalte dort ständig Kriegs schiffe und debattire noch mehrere Tage darüber im Reichstag. Bei der Berechnung des Ausfuhrwerthes auf den Subventionslinien dürfe nicht mitgerechnet werden, was in Antwerpen und England verladen werde; er (Redner) habe herausgerechnet, daß Deutschland nicht , sondern 36 o des Ausfuhrwerthes an Subventionen zuschieße. Bei den einzelnen Linien liege dieses Verhältniß verschieden, am günstigsten für die ostasiatische und am ungünstigsten für die ö Linie; bei der letzteren schieße das Reich über 50 (G zu. Die Samoalinie habe früher für die Krönung des ganzen Gebäudes gegolten, damals sei noch eine große Samoapolitik für diese Linie mit—= bestimmend gewesen. Der Dampfer der Zweiglinie Sydney⸗Samoa habe für 18000 1 Laderaum, sei aber immer nur mit 30090 befrachtet. Von dieser Fracht habe aber nur der Theil Interesse, der von der laustralischen Hauptlinie nach Samoan übergeführt werde, nicht aber die Fracht des Lokalverkehrs, möchte er sfagen, zwischen Australien und Samoa. Was von der Hauptlinie nach Samoa ehe, nehme von den 18 000 t nur 1005 t in Anspruch. Die
ost habe überhaupt kein Interesse an der Samoalinie, der Post= verkehr nach diesen Inseln vollziehe sich schneller über San Francisco, als über Australien. Er habe im vorigen Jahre beantragt, die Samoalinie ganz aufzugeben, und es schienen in Folge dessen au schon Verhandlungen gepflogen zu sein, denn man habe Zeitung?. nachrichten aus Australien gelesen, daß diefe Linie nächslens auf⸗ gehoben werden würde. Offenbar könne man dort nicht begreisen, daß das Deutsche Reich soviel Geld für diefe Schiffe ausgebe. Ein Beschluß des Reichstags sei wegen Ablaufs der Session nicht mehr iu Stande gekommen. 9 verwahre sich aber entschieden dagegen, daß, wenn diese Linie aufgegeben werde, das Geld fur irgend eine neue Linie verwendet werde, um dieses unglückliche Subventionssystem, das
; h nach keiner Seite bewährt habe, noch weiter auszubilden. g.
Pr. Hammacher scheine den Grundsatz zu haben, es müßten unter allen Umständen 4] Millionen ins Wasser geworfen werden, und wenn es in Samoa nicht tief genug sei, dann an anderer 53.
Abg. Sa mhamm er (dfr.: Die Leute seien schon vielfach ven
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. 1 26 ö . a c. zi Tarn fer e dee gn, 61 . fer führen zum Theil langsamer und schlechter ls die englischen 363 er. Auf seine Heimath be, me , ,. en von ssubvention für die Dampferlinien jährlich Vb , Ven irgend einem kleinen Landta wäre die Bewilligung pon jährlich 20 00 M auf fünfzehn Jahrs selbst für den allerbesten nur unter den a 12 Umständen zu erreichen. Es
ebe eine große Menge von nah eliegenden Zwecken, für die eine solche umme verwendet werden könnte, wie Verkehrswege, Eisenbahn⸗ verbindungen 2c. Für solche Reichssubvention sollte man kein Geld
„so lange nicht die nächstliegenden Bedürfnisse im eigenen Lande gedeckt seien. . ö .
Abg. Dr. Bamberger (iæfr): Bezüglich seines Wunsches auf
urückverweisung an die Commission sei er durch die Erklärung des 3e , r. über neue Verhandlungen befriedigt. Warum solle man mit dem Urtheil bis nach Ablauf der fünfzehn Jahre warten, die abgelaufenen 45 Jahre seien ein genügender Maßstab für das Urtheil, und er könne ruhiß annehmen, daß auch das Jahr 1891 keinen besseren Erfolg ergeben werde. Er wünsche auch ausführlichere Be⸗ richte über diese Verhältnisse. Es wäre, z. B. sehr interessant, zu wiffen, welches Personal, woher und wohin man mit deutschen Sub⸗= pentionsgeldern auf deutschen Schiffen nach Australien befördere. Was würde man sagen, wenn man hören würde, daß die deutschen Post⸗ dampfer hauptfächlich dazu dienten, fremde Auswanderer aus fremden Ländern nach fremden Colonien zu befördern? Das stimme mit den Folonialideen in keiner Weise. Er sei auch nicht der Ansicht, daß aus eingezogenen Linien erspartes Geld für andere Linien verwendet werden ie Er warne angesichts der bisherigen Erfahrungen vor allzu sanguinischen Hoffnungen. Bei neuen Vorschlägen auf neue Bewilligungen werde er an diese Erfahrungen erinnern.
Abg. Br. Ham macher (nl): Er habe nicht das Geld für die etwa aufzuhebende Samoalinie für eine andere neue Linie verwenden wollen; über den Verwendungszweck dieser Summe werde er sich ein Urtheil bilden, wenn die Frage an den Reichstag herantrete. Ein Vergleich der Erträgnisse der abgelaufenen vier Jahre ergebe eine sortsteigende Erhöhung der Einnahmen. Bei der wirthschaftlichen Ungunst, mit der die Dampfergesellschaften zu kämpfen hätten, habe er an die hohen Kohlenpreise und an die politischen und wirthschaft⸗ lichen Störungen in Ost⸗Asien und China gedacht, die zweifellos der deutschen Ausfuhr dorthin nachtheilig seien. Strenge Kritik müsse der Reichstag an der Wirkung der Postdampfersubvention üben, aber die finanziellen Ergebnisse und der gegenwärtige Verkehr allein seien nicht maßgebend, man . auch die mittelbaren Vortheile für Deutsch⸗ lands Ansehen und Deutschlands wirthschaftliche Entwicklung in Betracht zu ziehen. Und das Erscheinen der deutschen Postflagge in fremden Meeren habe zur Hebung des deutschen Ansehens und Handels beigetragen. Eine bessere Informirung des Reichstags wünsche er ebenfalls, aber die Zeit sei zu früh, um nach der positiven oder negativen Seite hin die Frage zu entscheiden.
Abg. Richter (dfr.): Die hohen Kohlenpreise hätten dem Nord—
deutschen Lloyd allerdings sehr viel Schmerzen verursacht, sodaß er schon daran gewesen sei, Lieferungen von amerikanischen Kohlen ab⸗ zuschließen, um den hohen Preisen der westfälischen Kohlen zu ent— gehen. Er möchte dem Abg. Dr. Hammacher anheimgeben, seine alnstrengungen mit denen der freisinnigen Partei zu vereinigen, um Alles zu beseitigen, was eine Vertheuerung der Kohlen namentlich im rheinisch⸗westfälischen Distriet nach sich ziehe. Abg. Dr. Hammacher (nl): Er wisse nicht, weshalb der Abg. Richter diese Bemerkung gerade gegen ihn richte, als ob ihm auf die Gestaltung der Kohlenpreise außerhalb des Hauses ein Einfluß zustände. Er habe immer den Anträgen des Abg. Richter, den aus⸗ ländischen Kohlen dieselben Tarife zu gewähren wie den inländischen, zugestimmt und würde es auch in Zukunft thun.
Abg. Richter (dfr.: Er habe nicht auf die Beziehungen des Abg. Dr. Hammacher außerhalb des Hauses Bezug nehmen wollen. Bekanntlich seien die hohen Kohlenpreise ein Ergebniß der Begünsti⸗ gung der inländischen Kohlen bei der Ausfuhr, und zur Beseitigung dieser Ungleichheit habe er den Abg. Dr. Hammacher anrufen wollen.
Abg. Dr. Hammacher (nl): Er werde abwarten, ob der Abg. Richter eine Abänderung der Kohlentarife beantrage, und dann darüber urtheilen.
Die Positionen für die Postdampfersubventionen werden bewilligt.
Bei dem Titel „Kosten der Maßregeln gegen die Reblaus⸗ krankheit 5000 “ bemerkt
Abg. Dr. Buhl (nl.: Der Verkehr in Trauben mit Italien werde feit dem Abschluß des Handelsvertrages lebhafter, und die Gefahr der Reblausverseuchung damit sich steigern. Es herrsche die Unsitte, daß die Fässer, in denen Trauben transportirt würden, als Unterlage alte Reben hätten. Diese seien aber besonders gefährliche Träger der Reblauskrankheit; die Infizirung auf solche Art sei also viel leichter. Die verbündeten Regierungen hätten das Recht, die Zollbehörden anzuweisen, Fässer mit solchen Unterlagen zurückzu— weisen, und er bitte die Reichsregierung, daß sie eine solche An⸗ weisung an die Zollbehörden ergehen lasse.
Staatssecretär Dr. von Boetticher:
Ich habe zwar den Glauben, daß es kaum noch nöthig sein wird, die Zollbehörden zu immer sorgfältigerer Beobachtung der Vorschriften, die zur Abwendung der Reblausgefahr erlassen sind, besonders aufzu— fordern. Aber die Frage der vermehrten Reblausgefahr hatte schon die Aufmerksamkeit der Regierung erweckt, und es ist gar nicht zu zweifeln, daß wir alles das thun werden, was erforderlich ist, um die Gefahren von dem heimischen Weinbaue fernzuhalten.
Der Tit. 15 wird bewilligt.
Zu Tit. 16 (Ausgaben für die Ueberwachung des Aus— wanderungswesens) bemerkt .
Abg. Br. Hammacher (nal): Er möchte bei der Regierung anfragen, ob das angekündigte Gesetz über das Auswanderungswesen bald fertig sei. Bereits zu Anfang der siebziger Jahre habe der frühere Abg. Kapp sich mit der gesetzlichen Lösung dieser Frage be⸗ schäftigt. Ohne Zweifel helfe ein solches Gesetz einem dringenden Bedürsniß ab. Mit dem Gesetz allein sei es aber nicht ahgethan, es entstehe vielmehr die Frage, werde es sich darauf beschränken, die polizeilichen Grundlagen für die Thätigkeit der Agenten festzu⸗ stellen, oder suche es umfassend die Frage der deutschen Auswanderung zu lösen. Während früher die Auffassung bestanden habe, daß jede Auswanderung ein Verlust an Kapital und Menschenkräften bedeute, sei man jetzt zur Ansicht durchgedrungen, dh wenn überall die Länder colonisirend vorgingen, auch das Deutsche Reich seinen Auswanderern bei und nach der Auswanderung eine gewisse Fürsorge zuzuwenden habe. Andere Staaten hätten es längst anerkannt, daß sie e fi tet seien, den Auswanderern zur Seite zu stehen. In Eng⸗ land, Belgien, in der Schweiz beständen seit lange Bureaux, deren Aufgabe es sei, diejenigen, welche auswandern wollten, über den Cultur⸗ zustand des gewählten Landes und über die, zweckmäßigsten Wege dahin zu unterrichten; England habe sogar eine eigene Agentur in Argentinien. Wenn sich die verbündeten Regierungen die Berichte über die Thätigkeit dieser Bureaux kommen ließen, so würden sie überzeugt fein, daß sie dem Vaterlande zum Segen an Be⸗ sonders wichtig sei dies für ö, deshalb, weil hier durch ein Reseript des Herrn von der Heydt aus dem Jahre 1859 für Preußen die Auswanderung nach Brasilien untersagt worden sei, was in vieler Beziehung heute bedauerlich erscheine, denn von sachkundigen Per⸗ sonen werde versichert, daß die subtropischen Provinzen Brasiliens in on ther 86 icht durchaus genügten; und dann ware die deutsche Kolonie in Brasillen, die damals 150 600 Menschen betragen habe, schon jetzt wohl auf eine halbe Million angewachsen und hätte bei den großen dolitischen Umwäljungen in Brasilien dem deutschen Geist den ihm e reden a fz können. Da außerdem die Verhältnisse, auf denen das Refeript von der Hevdt's beruht habe,
sich jezt fehr verändert hätten, liege kein Grund dazu vor, jenes
Rescript beizubehalten. Er frage alse die verbündeten Regierungen auch, wie es mit der Beseitigung jenes Rescripts stehe.
Staatssecretãär Dr. von Boetticher:
Für die verbündeten Regierungen bin ich außer Stande, eine solche Erklärung abzugeben, denn die verbündeten Regierungen haben sich bisher weder mit der Frage des Erlasses eines Auswanderungs⸗ gesetzes, noch mit der Frage der Nützlichkeit oder Unnützlichkeit des von der Heydt'schen Reseripts beschäftigt. Ich kann nur das sagen, was seitens der Reichsverwaltung auf diesem Gebiete ge⸗ schehen ist, und die Thätigkeit der Reichsverwaltung bewegt sich auch lediglich auf dem Felde, welches der erste Theil der Ausführungen des Herrn Vorredners berührt hat, nämlich auf dem des Erlasses eines Auswanderungsgesetzes. Der Entwurf eines Gesetzes ist fertiggestellt, er unterliegt gegenwärtig der commissarischen Berathung zwischen den betheiligten Reichs- und preußischen Ressorts, und die Herren Commissarien haben den Auftrag, ihn bis Mitte Februar zur Berathung an den Bundesrath fertig zu stellen. Ich zweifle nicht, daß diesmal die Hindernisse, die früher der Fertig⸗ stellung eines solchen Gesetzes entgegentraten, sich werden beseitigen lassen, und daß ein Entwurf dem Reichstag voraussichtlich noch in dieser Session zugehen wird. Ob so zeitig, daß er noch durchberathen werden kann, das lasse ich dahingestellt. Ueber den Inhalt des Entwurfs, und namentlich über die Frage, ob nach der von dem Herrn Vorredner betonten Richtung hin der Entwurf auch Vorsorge treffen wird, kann ich in diesem Augenblick, wo es sich um geheime Verhandlungen handelt, mich nicht äußern.
Was die Frage des von der Heydt'schen Reseripts anlangt, so ist das bekanntlich eine preußische Maßregel, und ich möchte glauben, daß, wenn die Aufhebung dieser Maßregel begehrt und für nützlich erachtet wird, zunächst in Preußen der Versuch zu machen ist, sie auf— zuheben. Mit einem Reichsgesetz dürfte sie schwerlich im Widerspruch stehen, und da der Reichskanzler bloß die Aufsicht über die Ausübung der Reichs gesetze, nicht aber über diejenige der Landesgesetze hat, und im übrigen in Bezug auf die Landespolitik der Regierung keinen Einfluß hat, so würde der Reichskanzler nicht in der Lage sein, seinerseits auf eine Aufhebung des von der Heydt'schen Rescripts einen entscheidenden Einfluß nehmen zu können.
Abg. Dr. Lingens (Centr.): Er freue sich, daß jetzt Verhand⸗ lungen über das Auswanderungsgesetz schwebten und damit den Bestrebungen, die der Raphaelverein seit langer Zeit verfolge, von Reichswegen Folge gegeben werde, daß namentlich das sittliche Interesse der Auswanderer wahrgenommen werden selle, so wie es in den von Bremen und Hamburg erlassenen Vorschriften schon geschehen sei. Die Stellung der verbündeten Regierungen zu der Frage der Auswanderung habe sich inzwischen wesentlich ändert. Es sei jetzt bei der erfreulichen Vermehrung des deutschen Volkes eine Ueberfülle an Volkskraft vorhanden. Wenn sich nun dafür eine nutzbringende Unterkunft biete, solle dem deutschen Volke die günstigste Ableitung des Ueberschusses ermöglicht werden. . .
Bei den Ausgaben für die Reichs-Schulcommission beantragte der Abg. Richter: Die verbündeten Regierungen zu ersuchen, in Ausführung der Bestimmung des Reichs⸗Militär⸗ gesetzes vom 2. Mai 1874 (Die Vorschrift lautet; Ein Gesetz wird die Vorbedingungen regeln, welche zum'einjährigen Dienst berechtigen“ dem Reichstage einen Gesetzentwurf, vorzulegen zur Regelung der Vorbedingungen, die zum einjährig-frei— willigen Dienst berechtigen, . — Abg. Richter (dfr. : Er erinnere die Regierung an die Er— füllung einer Verpflichtung, die sie beim Erlaß des Reichs Militär⸗ gesetzes im Jahre 1874 eingegangen sei; der damalige Reichstag habe durch Resolutionen und eine Bestimmung im Gesetz selbst die gesetzliche Regelung der Anforderungen gefordert, die an die Be— rechtigung zum einjährig⸗-freiwilligen Militärdienst zu knüpfen seien. Die Bevölkerung habe ein größeres Interesse an diesem Gesetz als die Regierung, welche die Materie auch durch Verordnungen regeln könne. Bisher sei eine wesentliche Aenderung in den Berechtigungẽ⸗ bedingungen nicht erfolgt, und darum habe man ruhig das Gesetz abwarten können; jetzt solle aber in Preußen zu Ostern d. J, eine Prüfung in Unter-Sceunda eingeführt werden, von, deren Ausfall die Berechtigung zum einjährig⸗freiwilligen Dienst abhängen solle, und der sich alle Unter-⸗Secundaner unterziehen müßten, auch diejenigen, die das Gymnasium noch weiter besuchen wollten; Diese Prüfung sei nicht im Interesse der Schule, sondern nur in dem der Militärverwaltung eingeführt, die für die Einjährig-Freiwilligen eine möglichst abgeschlossene Bil⸗ dung wünsche; dann wäre es aber praktischer gewesen, für die ein⸗ jäührige Berechtigung die Absolvirung der sechsklassigen Schule zu fordern, oder das Gymnasium in zwei möglichst getrennte Theile, eine sechsklassige Unterstufe und eine dreiklassige Oberstufe zu sondern; die Prüfung habe aber keinen Zweck, sie bindere nicht einmal das Ersitzen der Berechtigung. Diese ganze Prüfung habe eine rein formale Bedeutung. Sie sei eine Folge der vorjährigen preußischen Schulconferenz, und auch da hätten sich mehrere Referenten dagegen erklärt, und der Referent, der sich für die Prüfung ausgesprochen, habe darunter etwas Anderes verstanden, als was jetzt, ein⸗ geführt werden solle, nämlich nur die Prüfung der von. Unter⸗ Secunda abgehenden jungen Leute. Eine, solche Abänderung der Bestimmungen über den einjährig-freiwilligen Dienst sei aber ungesetzlich, sie widerspreche dem Sinn des Ge⸗ setzes von 1854; denn da stehe deutlich, daß die Bedingungen für den einjährig⸗freiwilligen Militärdienst durch ein Gesetz geregelt werden follten, und der damalige Referent Abg. Lasker habe dabei ausgeführt, daß diefes Gesetz früher kommen müsse, als eine wesentliche Aende— rung in den jetzt bestehenden Bedingungen erfolge. Seine Partei wolle sich ja über den materiellen Inhalt der Prüfung gar nicht mit ihrem Antrag äußern, sie wolle nur, daß eine so wichtige Aenderung nicht durch Verordnung, sondern durch Gesetz eingeführt werde. Glaube man, daß eine solche Prüfung nöthig sei, so möge man diese in dem Gesetze vorschlagen. Freilich glaube er, daß eine genaue Prüfung hier im Hause diese Anforderungen zurũckweisen werde, denn diese . sei nur ein Ballast, der die Schüler schädige und das Bildungswesen hindere.
Staatssecretär Dr. von Boetticher:
Ich habe die Verabredungen, welche in der preußischen Schul— conferenz gepflogen worden sind und welche demnächst durch die regle⸗ mentarischen Bestimmungen des Königlich preußischen Herrn Ministers der geistlichen Angelegenheiten zum Ausdruck kommen, doch etwas anders aufgefaßt als der Herr Vorredner. Es hat sich bei der An— ordnung einer Prüfung für den Uebergang aus der Unter-Secunda nach der Ober⸗Secunda nicht allein darum gehandelt, die Qualification für den einjährig- freiwilligen Dienst festzustellen, sondern es ist das eine generelle Maßregel gewesen, welche dahin geht, daß jeder ohne; Rücksicht darauf, ob er demnächst als Einjährig⸗Frei⸗ williger in die Armee eintreten will oder nicht, wenn er die Reife für Ober⸗Secunda nachzuweisen wünscht, sich einer solchen Prüfung zu unterziehen hat. Ich glaube also, nicht annehmen zu sollen, und es fehlt mir an jedem Anhalt für das Gegentheil, daß es sich darum gehandelt hat, eine Erschwerung in der Ableistung des einjährig⸗frei⸗ willigen Dienstes herbeizuführen.
Meine Herren, die Wehrordnung schreibt vor, daß der Nachweis der wissenschaftlichen Befähigung durch Schulzeugnisse
erbracht werden kann bei denjenigen, welche gewisse darin näher bezeichnete Anstalten besucht haben: durch einen er⸗ folgreichen einjährigen Besuch der Unter⸗-Secunda resp. bei ge⸗ wissen anderen Anstalten durch einen erfolgreichen Besuch der ersten Klasse. Wie der erfolgreiche Besuch festzustellen ist, darüber zu be⸗ stimmen ist nach der bisherigen Anschauung lediglich Sache der Schul⸗ verwaltung; ob zu diesem Zwecke eine Prüfung abgelegt werden muß oder nicht, bleibt der Schulverwaltung überlassen. Die Reichs⸗ Schulkommission hat die Aufgabe, diejenigen Anstalten zu be⸗ zeichnen, deren absolvirter Cursus die erforderliche Gewähr für die Qualification der zum einjährig - freiwilligen Dienst übergehenden jungen Leute bietet. Es ist in dieser Bestimmung der Wehrordnung bisher nichts geändert, und ich halte deshalb dafür, daß die Besorgniß, es sei nun lediglich darauf abgesehen, den Eintritt in die Armee zum einjährig-freiwilligen Dienste zu erschweren, eine unbegründete ist; ich kann wenigstens nach den mir bekannten Ver⸗ hältnissen keine Begründung hierfür finden.
Im übrigen ist es ganz richtig, was der Herr Abg. Nichter sagt und was er auch in seinem Antrage zum Ausdruck gebracht hat, daß es eine Forderung des Reichs-Militärgesetzes sei, daß die VoVbedingungen für den einjährig⸗freiwilligen Dienst im Wege der Gesetzgebung festgestellt werden. Wenn das bisher noch nicht geschehen ist, so liegt das einfach daran, daß eben die Ausbildung der Schulverhältnisse in den verschiedenen einzelnen Staaten eine außerordentlich verschieden—⸗ artige ist. Wir stehen ja jetzt unter anderen in Preußen vor einer größeren Schulreform, und man wird, glaube ich, wohlthun, mit dem Erlaß jenes Gesetzes zu warten, bis man in Bezug auf die Organi⸗ sation der Schulen zu einem gewissen Abschluß innerbalb der ein⸗ zelnen deutschen Staaten gekommen sein wird. Es wird dann um so leichter sein, sich über diejenigen Bedingungen zu verständigen, welche für die Zulassung zum einjährig⸗freiwilligen Dienst maßgebend sein sollten.
Abg. Dr. Hartmann: In dem Antrage Richter werde zweifel⸗ los nichts gefordert als die Durchführung einer Bestimmung des Reichs-Militärgesetzes. Ob der Zeitpunkt, dies jetzt zu fordern ge⸗ eignet sei, erscheine ihm zweifelhaft. Ja, bei den umfassenden Re— formen im Schulwesen, die jetzt im Werden seien, halte er mit dem Staatssecretär den jetzigen Zeitpunkt für durchaus ungeeignet. Das sei aber kein Grund, gegen diesen Antrag zu stimmen. Und da in dem Antrage des Abg. Richter kein Zeitpunkt genannt sei, wann der Bundesrath diefes Gesetz vorlegen solle, so werde dem Bundesrath die Bestimmung des Zeitpunktes überlassen bleiben können, und in diesem Sinne bitte er, für den Antrag zu stimmen.
Abg. Richter (dfr.): Die Darstellung des Staatsseeretärs, als ob es sich hier nicht um eine Maßregel handle, die im Interesse der Militärverwaltung erlassen sei, stehe im Widerspruch zu Allem, was man über diefe Angelegenheit bisher gehört habe. Die Prüfung sei eingeführt worden, nachdem ein Commissar des Kriegs-Ministeriums, der zu diesem Zweck der Schulconferenz beigewohnt habe, sich über diesen Punkt eingehend geäußert habe. Richtig sei es ja, daß es sich hier nicht nur um die zum Militär⸗ dienst Geeigneten handeln solle, sondern um alle Unter⸗Secundaner, aber man werde eben in diesem Alter nur selten Diejenigen erkennen können, die sich aus körperlichen Ursachen zum Militärdienst nicht eigneten, d. h. alle Unter-Secundaner wollten eben den einjährigen Berechtigungsschein sich erwerben. Für seine Auffassung spreche auch die Thatsache, daß auch diejenigen jungen Leute der Prüfung sich unterziehen sollten, von denen die Lehrer überzeugt seien, daß sie die Reife für Ober⸗Secunda hätten. Der Abg. Dr. Hartmann sage, man solle mit der Sache warten, bis die jetzt in Fluß gekommene Schulreform beendet sei. Das möchte er (Redner) gerade nicht, denn diese Schulreform werde eben im Ver⸗ waltungswege geordnet, und dann werde sich die gesetzliche Regelung nach dieser Verwaltungs-Organisation richten müssen, während seine Partei gerade eben jetzt die ganze Angelegenheit gesetzlich geregelt sehen wolle. Richtig sei ja, daß in seinem Antrag kein Zeitpunkt für das Gesetz bestimmt sei. Daraus folge aber, daß dieser Antrag in dem Sinne aufgefaßt werden solle, wie damals das Reichswehr⸗ gesetz die Bestimmungen nach der unwidersprochenen Meinung des Abg. Lasker aufgefaßt habe, daß nämlich das Gesetz eher erlassen werden solle, als eine wesentliche Aenderung der Bedingungen für den einjährig⸗freiwilligen Dienst im Verwaltungswege eintrete.
Staatssecretär Dr. von Boetticher:
Ich muß zu meinem Bedauern gestehen, daß mich die Aus— führungen des Herrn Vorredners nicht davon überzeugt haben, daß ich mit meiner Auffassung auf dem unrechten Wege bin.
Wie liegt denn die Sache? Die Wehrordnung bestimmt, daß junge Leute, die gewisse Schulen ganz oder bis zu einer bestimmten Stufe erfolgreich absolvirt haben, zum Einjährig⸗ freiwilligendienst zugelassen werden sollen. Das ist bisher rechtens und wird auch ferner rechtens bleiben. Die preußische Schulreform hat, so wie ich sie verstehe, nicht bloß die Absicht, die Qualification zum Einjährigfreiwilligendienst zu reguliren, sondern überhaupt die ganze höhere wissenschaftliche Ausbildung unserer Jugend zu regeln. Die Prüfung zum Zwecke des Ueberganges aus Unter-Secunda nach Ober-Secunda ist nicht bloß vorgeschrieben als Vorbedingnng für den Einjährigfreiwilligendienst, sondern sie ist hin— gestellt als Vorbedingung für die Carrière der jungen Leute in einer ganzen Reihe von anderen Fächern, beispielsweise im Subalterndienst.
Nun sage ich, wenn jetzt ein Gesetz erlassen wird, wie es der Herr Abg. Richter durch seinen Antrag anstrebt, und wie es das Militärgesetz erfordert, und wie ich es bezüglich seiner Nützlichkeit an sich gar nicht bestreite, so wird sich dieses Gesetz wahrscheinlich damit zu befassen haben, daß es materiell die Bedingungen feststellt, die erfüllt werden müssen, um zum Einjährigfreiwilligendienst zu be— fähigen. Also man wird, da nicht jeder junge Mensch dieselbe Anstalt besucht, der nachher als Einjährigfreiwilliger in den Militärdienst treten will, materiell umschreiben müssen, welches Maß von Kenntnissen jemand haben soll, der in die Armee als Einjährigfreiwilliger eintreten will. Ob die Bedingungen, welche das Gesetz vorschreibt, nun erfüllt sind, und wie ihre Erfüllung festgestellt wird, das, meine Herren, glaube ich, wird Sache der Schulverwaltung sein müssen. Denn Sie werden, wenn Sie, wie es schon bisher der Fall ist, vorschreiben, jeder junge Mensch, der erfolgreich ein Jahr in der Secunda gesessen hat, darf einjährig⸗freiwillig dienen, — dann werden Sie das Urtheil, ob er ein Jahr erfolgreich in der Secunda gesessen, seinen Lehrern überlassen müssen, und Sie werden auch den Modus der Feststellung dieses er— folgreichen Besuchs nicht durch das Gesetz reguliren können. Wenn also der preußische Cultus⸗Minister vorschreibt, daß, wenn jemand ein Jahr in der Secunda gesessen hat, die Frage, ob er erfolgreich in der Secunda gesessen hat, durch eine Prüfung festgestellt werden soll, so, behaupte ich, bewegt er sich auf dem Gebiete des gesetzlich Zulässigen und auf einem Gebiet, in welches wir schwerlich durch die Reichsgesetzgebung werden eingreifen können. Wie würde sich ein Gesetz ausmachen, welches vorschreibt: der junge Mann muß ein Jahr in der Secunda gesessen haben, aber bei Leibe darf er nicht
geprüft werden, ob der Besuch ein erfolgreicher gewesen
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