schließlich auf bestimmte Parteien stützt. Es tritt in unserer Partei- bildung das Moment, die wirthschaftlichen Motive hervorzukehren, stark hervor, und je mehr dies geschieht, um so mehr liegt in der Thätigkeit der Parteien eine gewisse Gefahr, daß das Ganze außer Acht gelassen wird, daß man zu Extremen komnit, die nachher in andere Extreme ebenso schnell umschlagen. Ich glaube auch, daß in einem wesentlich monarchischen Staate, wie der unsrige es ist, eine Regierung sich niemals verpflichten kann und darf, auf die Dauer mit gewissen Parteien zu gehen, und ich halte noch heut an dem Standpunkt fest: man soll das Gute nehmen, wo man es findet. Die Herren von der freisinnigen Partei haben mir diese Aeußerung bei jeder Gelegenheit, wo sie glaubten, daß das Gute mehr nach ihrer Seite lag, vorgehalten. Nun, wo der Pendel nach der An⸗ schauung des Herrn Abg. Rickert etwas mehr nach der anderen Seite schwingt, — und ob er darin Recht hat und wieweit dies begründet ist, das wird sich bei der Debatte über das Volksschulgesetz zeigen — nun sollen wir an dem Grundsatz, das Gute zu nehmen, wo es sich findet, nicht mehr festhalten.
Finanz⸗Minister Dr. Miquel:
Meine Herren! Beide Herren Vorredner zum Etat haben im großen und ganzen meine Auffassung über die Finanzlage und die daraus zu ziehenden Consequenzen für die Finanzverwaltung gebilligt. Ich kann damit also sehr zufrieden sein und mich darauf beschränken, auf einzelne Fragen etwas näher einzugehen, die die beiden Herren Vorredner im wesentlichen berührt haben.
Die Hauptfrage, die in den Vordergrund getreten ist, ist das Verhältniß der Eisenbahnverwaltung zur allgemeinen Finanzverwal⸗ tung. Der Herr Abg. Rickert, seinem von jeher innegehaltenen Standpunkt getreu, will aus der jetzigen Entwickelung des Finanz⸗ wesens in Preußen nun eine nachträgliche unwiderlegliche Bestätigung seines Standpunktes gegen die Verstaatlichung der Eisenbahnen her— leiten. Vom finanziellen Standpunkt aus kann ihm das unmöglich gelingen, denn unsere Staatsbahnen verzinsen, auch selbst nach dem vorliegenden Etat, nicht bloß die gesammte Staatsschuld, auch die⸗ jenige, welche nicht unmittelbar für Eisenbahnzwecke contrahirt ist, und decken die gesetzliche Tilgung derselben, sondern liefern außerdem noch in die allgemeine Staatskasse einen Ueberschuß von 116 Millionen ab. Nun, meine Herren, im gewöhnlichen Leben wird man sagen: das war ein sehr gutes finanzielles Geschäft bisher. Wenn der Abg. Rickert nun aber weiter sagt, dies System der Staatseisenbahnen habe bankerott gemacht, weil es sich nicht im stande gezeigt habe, wirthschaftliche Reformen durchzuführen, so will ich an die Ausführungen des früheren Herrn Ministers von Maybach erinnern, welche lange Liste von Reformen auf dem Gebiet des Tarif— wesens, die hunderte Millionen oder wenigstens über hundert Millionen betrugen, gerade unter dem System der Staatsbahnen zur Durch— führung gelangte. (Sehr richtig! rechts.)
Meine Herren, wenn Herr Rickert nun sagt, für die Landeswohl— fahrt, für die Meliorationen in den verschiedenen Landestheilen sei seiteus der Eisenbahnverwaltung nicht genug geschehen, so steht er im Widerspruch mit seinen Warnungen gegen das Uebermaß von Secundär— bahnen, mit welchen der Minister die Landestheile beglückt habe, und mit seinem Tadel gegen das Abgeordnetenhaus, den Minister in dieser Beziehung noch mehr bestärkt zu haben. Darüber kann gar kein Zweifel sein, daß, wenn der Staat nicht die großen rentablen Linien
in Händen gehabt hätte, er nun und nimmer in der Lage gewesen wäre, so viele schwach rentirende Bahnlinien zu bauen in solchen Gegenden, in denen eine solche Aufhilfe seitens des Staates unbedingt nothwendig war. (Sehr richtig! rechts) Meine Herren, soviel hierüber.
Nun komme ich als Finanz⸗Minister allerdings auf die andere Seite der Sache. Meine Herren, gewiß, und das haben diejenigen, die da— mals — zu denen ich selbst gehört habe — für die Verstaatlichung des Eisenbahnwesens eingetreten sind, niemals verkannt, liegt in der großen Ausdehnung der Betriebsverwaltungen für die gesammte Staats- verwaltung ein Element großer Unsicherheit, ein Element großer Schwankungen, und es war allerdings das Bestreben angezeigt, deese
Schwankungen möglichst klein zu machen (hört, hört!), nicht alle Ueberschüsse, die das eine Jahr brachte, in dem einen Jahre auch zu verzehren und zu verbrauchen und gar darauf dauernde Staatsausgaben zu basiren, sondern die Möglichkeit von Ausgleichungen durch Ansammlung entsprechender Fonds von Jahr zu Jahr herzu⸗ stellen. Das Gesetz von 1882, das sogenannte Eisenbahn-Garautie— gesetz, hat diese Aufgaben seinem Inhalt nach nicht voll erfüllen können, und heut, wo wir in so erheblichem Maße — übrigens mit Zustimmung aller Parteien des Hauses ohne Ausnahme — dauernde Staatsausgaben auf diese Ueberschüsse basirt haben, ist die Correctur in dieser Beziehung außerordentlich schwierig geworden. Ich würde mich allerdings, wenn ich dazu noch Gelegenheit habe, gern mit dem Herrn Minister für die öffentlichen Arbeiten darüber ins Benehmen setzen — das ist sogar zum Theil schon geschehen — um Erwägungen anzustellen, was in der bezeichneten Richtung noch zu geschehen hat. Denn wie in allen andern Beziehungen, so möchte ich nochmals betonen, ist auch hier das Interesse der allgemeinen Finanz verwaltung durchaus nicht selbst den Ressortinteressen der Eisenbahn⸗ verwaltung entgegen. Ich kann aber nicht vorhersagen, welches Resultat diese Erwãgungen haben. Daß etwa ähnlich allerdings die großen ueberschiysse der Vorjahre auf die allgemeine Staatsverwaltung in J . . . wie die lieberweisuugen nach der lex
auf uche Kreise, das kann nicht in Abrede gestellt werden,
und das ist auch kein Vorwurf, den man den Einzelnen daraus machen kann, weder der Staatsregierung noch dem Abgeordnetenhause . und den verschiedenen Parteien, es liegt vielmehr in der Natur der Sache, es ist ein Fehler der Organisation gewesen. Nun haben wir allerdings in den letzten fünf bis sechs Jahren fur die verschiedensten, durchaus nützlichen und theilweise nothwendigen zwecke unseren Ausgabe⸗Etat in einer ganz außerordentlichen Weise erhöht. Ich brauche Ihnen, die ja selbst . 3. die einzelnen Summen nicht zu nennen.
ö leicht Betrag von etwa 150 Millionen dauernder
. Mehrausgaben, die aus den verschiedenen Bewilligungen der letzten sechs Jahre hervorgegangen sind, herausrechnen können. Dement— , , , , , nicht gewachsen ssehr ri htig); wir hoffen allerdings, daß es gelingen wird. die Ueberschüsse der Eisenbahwnen wieder erheblich zu steigern. Ich habe ein Element für diese Hoffnung hergeleitet aus der bis jetzt . durchaus günstigen Entwickelung der ECinnahmeseite, und auf der anderen Seite halte ich die Heffnung fest, daß ein erheblicher Theil der in den letzten zwei Jahren vorzugsweise so rapide
Natur, sondern nur vorübergehender Natur sein werde. Was ergiebt sich mn aus dieser Lage? Es ergiebt sich einmal, daß wir die Ausgaben bei der Eisenbahnverwaltung genau daraufhin prüfen müssen, ob ohne Gefährdung der Gesammtaufgabe, welche die Eisenbahnverwaltung zu erfüllen hat, an diesen Ausgaben selbst Er— sparungen möglich sind, und sodann, daß wir in der allgemeinen Finanz⸗ verwaltung auch bezüglich der Ausgaben einigermaßen vorsichtiger sein müssen, wie es uns in den Vorjahren nöthig zu sein schien. Wenn die Herren mir nicht neue Einnahmequellen eröffnen können innerhalb des preußischen Staates, wenn die Ausgaben zur Zeit nicht voll— ständig gedeckt werden durch die Einnahmen, so ergiebt sich für den verständigen Menschen von selbst, daß er sich nach der Decke streckt, und daß das, was in den Vorjahren vielleicht zu viel geschehen ist, nun in den nachfolgenden Jahren vorsichtiger erwogen wird.
Meine Herren, einer der Herren Abgeordneten — ich glaube, es war der Herr Abg. Rickert — hat gemeint, es habe sich in dieser Be— ziehung die Welt einigermaßen geändert, auch aus den Vertretungs— körpern gehe heute ein starkes Drängen nicht nach Verminderung von Ausgaben und sparsamer Verwendung, sondern nach Steigerung der Ausgaben, ferner das Greifen auf den allgemeinen Beutel sei stärker geworden. Ich kann ihm dies, ohne daran einen Vorwurf gegen irgend jemand zu knüpfen, allerdings aus meiner Erfahrung bestätigen. Nicht bloß in dem Staatsleben, sondern auch in unserm Communalleben haben wir vielfach genau dasselbe. (Sehr richtig Während die Stadtverordneten⸗Collegien früher diejenigen waren, welche Sparsam⸗ keit predigten und handhabten gegenüber den naturgemäßen vorwärts— treibenden Wünschen der Executive, findet man auch in manchen großen Städten und in den Gemeinden heute vielfach das gerade Gegentheil. (Sehr richtig!! Wenn die Vertretungskörper in dieser Beziehung im Staat und in der Commune sich wieder mehr auf ihre Saupt⸗ aufgabe besinnen, so wird das eine große Garantie für eine dauernd solide Finanzverwaltung sowohl im Staat als in den Communen sein. (Sehr richtig!)
Meine Herren, ich habe ausgesprochen, daß die Grundlagen unserer preußischen Finanzverwaltung trotz dieser momentanen, hoffent⸗ lich vorübergehenden Schwierigkeiten durchaus gesund und solide sind, und ich habe zu meinem Erstaunen in den Zeitungen gelesen, daß man dies für unvereinbar hält mit meiner Gesammtauffassung von dem jetzt vorliegenden Etat und mit den Aufforderungen zur Sparsam— keit. Nun, ich habe Ihnen schon gezeigt, was unsere Eisenbahnen heute noch leisten selbst in diesen Jahren geringeren Erträgnisses. Ich brauche nicht daran zu erinnern, daß außerdem der preußische Staat ein reiches Domanium, gewaltige Forstkomplexe mit sehr bedeutenden Ueber— schüssen besitzt und große Beträge aus seinen Bergwerken zieht. Es braucht für die Verzinsung der Staatsschulden weitaus nicht ein Pfennig einem Steuerpflichtigen in Preußen abgefordert zu werden. Wo ist ein anderer großer Staat, der solche soliden und festen Finauz⸗ grundlagen hat? Ich wiederhole, wir brauchen diese soliden Finanz⸗ grundlagen, die wir unsern Vorfahren verdanken, nicht zu schaffen, sondern wir haben nur die Aufgabe, aber auch die Pflicht und Schuldig⸗ keit, sie zu erhalten. (Bravo)
Meine Herren, wir sollen heute nicht bloß auf dem moralischen Gebiet, auf dem Gebiet der nationalen Gemeinsamkeit und des inneren lebendigen Bewußtseins dabon, sondern auch auf deim finan— ziellen Gebiet unsere Kräfte schonen und zusammenhalten. (Sehr gut!) Die Jeiten sind dazu angethan, daß die Nation in ihrer Gesammt— heit ihre Kräfte zusammenzuhalten und zu verstärken bestrebt sein muß. (Bravo!) .
Meine Herren, der Herr Abg. Rickert hat dann ein Streiflicht geworfen auf die vermuthlichen Resultate der Einkommensteuer— einschätzung. Namentlich hat er Befürchtungen ausgesprochen, daß diese Resultate mangelhafte und unrichtige sein würden in den ländlichen Bezirlen. Nun, wir im Finanz⸗Minsterium wür— den uns gegenwärtig ein solches Urtheil nicht erlauben, denn wir kennen diese Ergebnisse noch gar nicht. Einzelne Nachrichten, die in den Zeitungen erscheinen, können kein Gesammthild geben und können auch die Verhältnisse im einzelnen sehr vielfach gar nicht
wir vorher gewußt, und ich habe das mehrfach bei der Berathung des Einkommensteuergesetzes ausgesprochen —: daß die Einschätzung und die Durchführung dieses neuen Verfahrens naturgemäß viel schwieriger und daher auch vielleicht im Anfang unvollkommener sein wird be— züglich des Eintommens aus landwirthschaftlichen Betrieben als aus Capital und aus Gewerbebetrieben; es liegt dies in der Natur der Sache, nicht vorzugsweise in einer mangelhaften Organisation, sondern in den Schwierigkeiten der Dinge selbst. Davon bin ich aber fest überzeugt, daß sowehl in der Stadt als auf dem Lande nach und nach die Veranlagung eine immer bessere und sicherer werden wird. Heute sind sowohl die Behörden als die gesammte Bevölkerung noch unerfahren; Tausende von zweifelhaften Fragen schwirren herum. Ebe nicht in diefer Beziehung, namentlich durch die demnãächstigen Ent⸗ scheidungen des Ober-Verwaltungsgerichts bestimmte Prineipien zur festen Norm geworden sind, kann unmöglich ein solches Werk im ersten Jahre schon vollendete Resultate ergeben. In den übrigen Ländern in Deutschland, in denen die Selbstdeclaration eingeführt ist, hat man dieselben Eifahrnngen gemacht, und erst heute ist man in Sachsen nach vielen Jahren anf einen Standpuntt gekommen, von dem die Sachverständigen sagen, daß man annähernd richtig das volle Ein— kommen der Steuerpflichtigen erfaßt.
Meine Herren, so viel aber allerdings hat sich schon bisher, bis zum gestrigen Tage, da herausgestellt, woe wir es haben unmittelbar beurtheilen können, daß kein Gesetz nothwendiger war als die Reform der Siaatssteuern. (Sehr richtig! Es hat sich schon jetzt ergeben, daß fehr große Sunsmen des Einkommens bisher völlig dunkel und unversteuert blieben. (Sehr richtig Daß dies in höherem Grade der Fall ist bei dem Capitaleinkommen, welches nicht sichtlich vor uns liegt, als bei dem Einkommen aus Grundbesitz und Gewerbebetrieben, wo man wenigstens über die Quelle nicht zweifelhaft ist, das liegt auch in der Natur der Sache. Aber, meine Herren, die Gerechtigkeit steht nicht still vor bestimmten Klassen und Cinkommengrten. Wie die Veranlagung der neuen Grundsteuer das iel einer gleichmäßigen Heranziehung der Grundbesitzer zur Grundsteuer verfolgte, so war es auch an der Zeit, nunmehr mittels der allgemeinen Einkommenstener rück⸗ sichtslos das Ziel durchzuführen, alle Klassen ohne Ausnahme gleichmäßig an den Staatslasten contribuiren zu lassen. Ein alter Schriftsteller sagt in einem gewiß mangelhaften Latein; Justitia fundamentum egnorum, er etiam in distributione onerum pfnblicorum.“
gestiegenen Ausaaben der Eisenbahnverwaltung nicht dauernder
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richtig darstellen. So viel steht aber gewiß fest — und das haben!
und mittleren Einkommen erheblich entlastet worden. Das halte ich auch für eine Wohlthat. Es werden die höheren ihrer größeren Leistungsfähigkeit entsprechend in maßvoller Weise stärker belastet. Aber daran wird man sich auch gewöhnen und es als ein Gebot der Gerechtigkeit erachten. Ich glaube also, daß diejenigen Herren, welche für die Reform der Einkommensteuer gestimmt haben, welche nicht direct oder indirect bemüht gewesen sind, diese Reform zu erschweren, die—⸗ jenigen Herren, welche ihr nicht, sei es mit der Faust oder mit kleinen Fingerspitzen, Hindernisse bereitet haben, — werden diese Stellung nicht bereuen, und das Land, wenn auch momentan der Einzelne sich etwas stärker angespannt fühlt, wird ihnen schließlich Recht geben. (Bravo!)
Meine Herren, der Herr Abg. Rickert hat nun noch von seiner engeren Heimath einige Worte gesprochen und hat gemeint, die Reise zweier Minister in die östlichen Provinzen habe dort sehr große Hoffnungen erweckt. Die beiden Minister haben sich wohl gehütet, Hoffnungen zu erregen, die sie nicht erfüllen können; es war lediglich eine Informationsreise, welche allerdings den Zweck hatte, der Frage näher zu treten, ob und was für diese Provinzen durch die Ein— wirkung des Staates geschehen könnte. Meine Herren, die Schwierig- keit dieser Provinzen liegt in ihrer Lage, in ihrem Klima und in der wirthschaftlichen Politik des Nachbarn. Diese Schwierigkeit kann keine Staatsregierung beseitigen, und es konnten daher unmöglich an unsere Reise selbst ungemessene Hoffnungen geknüpft werden. Aber doch sind schon aus den Erfahrungen und Kenntnissen, die wir dort gesammelt haben, eine Reihe von Maßregeln getroffen, und ich glaube auch noch immer, daß die versuchsweise Einführung des Staffeltarifs im großen und ganzen der Provinz in erheblichem Maße zu gute kommen wird. Wenn sich herausstellen sollte, daß die Seestädte da⸗ durch geschädigt werden, was bis jetzt nicht vorliegt und noch nicht nachgewiesen ist, dann wird die Staatsregierung gewiß in Erwägung nehmen, wie man einen solchen Schaden von diesen schwergeprüften Handelsstädten abwenden kann.
Meine Herren, es finden sich aber auch vor im Etat eine ganze Reihe von Positionen, welche vorzugsweise den am meisten bedrängten Provinzen zu gute kommen, und es ist die Staatsregierung im vollen Maße durchdrungen davon, daß der Gesammtstaat Preußen die Ver⸗ pflichtung hat, und sein eigenes dringendstes Interesse es erfordert, diesen durch die besonderen Verhältnisse der Gegenwart am schwerst⸗ betroffenen Provinzen auch nöthigenfalls mit finanziellen Opfern zu Hilfe zu kommen. (Bravo! rechts.)
Meine Herren, der Abg. Rickert hat sich nun über die Einstellung einiger Positionen in den Ausgabe⸗-Etat beschwert, von denen er glaubte, daß sie nicht nothwendig gewesen seien.
Meine Herren, was die Position von 750 000 „SM für die Unter⸗ stützung der evangelischen Kirche in ihrem Bestreben, die Stolgebühren zu beseitigen, betrifft, so habe ich schon angeführt, daß die Staats— regierung in dieser Beziehung vor allem dem fast einstimmigen Be— schluß beider Häuser des Landtags in der vorigen Session gefolgt ist. Wenn eine solche Frage vorliegt, wie diese, von der man sich sagen muß: sie muß doch einmal zu irgend einer gegebenen Zeit gelöst werden; wenn die Staatsregierung in dieser Beziehung in Uebereinstimmung mit dem Landtag ist, welcher ausdrücklich gewünscht hatte, daß diese Summe in den jetzigen Etat eingestellt werde, — so war keinerlei Grund vorhanden, hier sich ablehnend zu verhalten, umsomehr, als nan ja doch die Ausgabe dauernd nicht würde von sich abwehren können, und es nicht wahrscheinlich ist, daß wir im nächsten Etat in einer viel günstigeren Lage uns befinden werden. .
Ich glaube also, ein Vorwurf gegen den Finanz-Minister, daß er in dieser Beziehung seine Grundsätze nicht innegehalten und durch⸗ geführt habe, kann hieraus in keiner Weise abgeleitet werden.
Meine Herren, der Finanz-Minister hat gewiß neben der Auf⸗ gabe, mit den Mitteln des Staates sparsam umzugehen und die dauernde feste Grundlage der Finanzverwaltung aufrecht zu erhalten, noch eine viel schwierigere Aufgabe, die doppelt schwierig ist in knappen Zeiten, nämlich mitzuwirken an der distributiven Gerechtigkeit bei der Verwendung aus dem allgemeinen Staatssäckel, und ich glaube, wenn Sie den Etat hierauf ansehen, so werden sie finden, daß dieser dis— tributiven Gerechtigkeit im vollen Maße Genüge geschehen ist. Mit den mäßigen Mitteln haben wir da hauptsächlich gekargt, wo es sich um Ausgaben handelte, die nicht den Charakter nothwendiger oder sonst dringend gebotener Meliorationsausgaben hatten, das wird der Herr Abg. Rickert namentlich erkennen, wenn er das Extra— ordinarium in seinen einzelnen Positionen genau prüft. Sollten aber die Herren noch unnöthige Ausgaben in dem Etat finden, sollten sie uns aufmerksam machen können, wo ohne Schaden für das Land weitere Ersparungen durchgeführt werden können, so werden die Herren bei mir ein sehr williges Ohr finden. (Heiterkeit Wenn ich aber die Erfahrungen der letzten Jahre unserer Etatsberathung hier in Rücksicht ziehe, so habe ich nicht gefunden, daß es dem Ab— geordnetenhause gelungen ist, die Ausgabepositionen in irgend einer erheblichen Weise herunterzusetzen (sehr richtig), und ist die Hauptlast und die Hauptaufgabe doch hier immer beim Finanz-⸗Minister ge— blieben. (Bravo! Ich fürchte, meine Herren, es wird diesmal wieder so gehen, als in dem Vorjahre. (Bravoh
Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten Graf
zes ' ra eh etlich J Meine Herren! Es kann nicht meine Aufgabe sein, bei dieser Debatte eine eingehende Rede über das Volksschulgesetz zu halten. Ich war deswegen schwankend, ob ich auf die Provocationen des Herrn Abg. Rickert in dieser Beziehung überhaupt antworten sollte oder nicht. Wenn ich mich bejahend eutschieden habe, so geschieht es nur, um in einigen kurzen Ausführungen thatsächliche Behauptungen, die der Herr Abg. Rickert aufgestellt hat, nach meiner Auffassung richtig⸗ stellen zu können.
Meine Herren, zunächst ist an meine Adresse gerichtet der Vorwurf, daß jetzt wieder erneut die officiöse Presse in Gang gesetzt würde, nur mit dem Unterschied, daß sie nicht mit demselben Geschick inscenirt wäre, wie das früher der Fall war. Mir ist dieser Vorgang unbekannt. Wenn eine Reihe von Zeitungen vor der Veröffentlichung des Wortlauts des Entwurfs gewisse Mittheilungen aus dem Junhalt des Volksschulgesetzes gebracht haben, so lag das einfach daran, daß ich es für meine Pflicht erachte, die Thür des Cultus⸗Ministeriums für niemanden verschlsossen zu halten, und daß, wenn Herren zu mir konnnen und sich über so wichtige Dinge mit mir unterhalten, ich offen und ehrlich denselben meine Meinung sage. Ich kann vielleicht hierbei in einzelnen Fällen mißverständlich aufgefaßt worden sein, in
Durch dieses Einkommensteuergesetz werden aber auch die geringeren
anderen Fällen richtig, aber ich glaube, das kann man nicht eine Be⸗
verdacht werden. Der Umstand ist ja doch auch charakteristisch, daß
zu können.
einflussung der Presse nennen und kann ebensowenig einem Minister
diese Mittheilungen in Zeitungen der allerverschiedensten Richtungen stattgefunden haben. Ich erinnere daran, daß mich Herren der eonservativen, der freisinnigen und nationalliberalen Presse mit ihrem Besuche beehrt haben, und daß ich mich allen diesen Herren gegenüber ganz in derselben Weise und offen soweit ausgesprochen habe, als ich glaubte, dies ohne Verletzung des Amtsgeheimnisses thun
Meine Herren, der Tenor der Ausführungen des Herrn Abg. Rickert ging aber nach einer anderen Richtung; er sagte: mit diesem Gesetzentwurf, den das Ministerium vorgelegt hat, wird das Schulwesen Preußens, ein Glanzpunkt der preußischen Cultur⸗ entwickelung — so ungefähr wird der Gedankengang gewesen sein — zurückgeschraubt auf einen Zustand, der hinter den großen Friedericlanischen Traditionen liegt. (Heiterkeit rechts.)
Dieser Schulgesetzentwurf ist eine der weitgehendsten Concessionen an den Ultramontanismus, an die Kirche. Die Schule, die Staats— schule Preußens wird mit diesem Gesetzentwurf eine Kirchenschule, und der Einfluß der Kirche ist in Kürze der maßgebliche.
Meine Herren, nach solchen Ausführungen möchte ich beinahe glauben, daß der Herr Abg. Rickert den Gesetzentwurf doch noch nicht ganz durchgelesen hat (Heiterkeit), sonst müßte es ihm doch klar sein, daß das wesentlichste Hoheitsrecht, das der Aufsicht, in diesem Gesetz⸗ entwurf völlig für den Staat unangetastet bleibt. Und dann, meine Herren, müßte es dem Herrn Abg. Rickert doch auch klar geworden sein, daß das vorliegende Gesetz an keine Partei und an keine Con⸗ fession eine Concession macht, sondern lediglich eine Concession an das Verfassungsrecht des preußischen Staats ist (Lebhaftes Bravo im Centrum und rechts), und sich unmittelbar anlehnt an das, was alle meine Amtsvorgänger auf diesem Gebiete als Verwaltungsrecht practisch durchgeführt haben. (Bravo Von Concessionen an Parteien oder Confessionen ist absolut nicht die Rede, und wenn der Herr Abg. Rickert glaubt, daß hier ein Bruch mit der Entwickelung un— seres gesammten Schulwesens vorliege, dann weiß ich nicht, wie eine solche Behauptung begründet werden soll, wenn der Gesetzentwurf lediglich das gesetzgeberisch festlegt, was seit hundert Jahren Praxis in Preußen gewesen ist. (Lebhaftes Bravo rechts und im Centrum.
Widerspruch links.) Abg. Hobrecht (ul): Die Finanzverhältnisse seien bedenk— lich; sie fordern zur Norsicht auf, aber e . seien sie nicht erade. Wünschenswerth würde es sein, daß die Finanzen etwas osgelosst würden von den Eisenbahnen. Aber die verschiedenen Versuche, die gemacht worden seien, seien nicht . Etwas würde dadurch vielleicht geholfen werden, daß man die Ueber⸗ schůsse, welche man dauernd für Staatgausgaben verwenden wolle, für eine ji von Jahren fixire. Denn die Ansammlung eines Reservefonds sei schließlich nicht viel besser als die Eintragung guter Vorsätze, die nachher doch nicht ö würden, in ein Tagebuch. Der Eisenbahn⸗Etat solle nach einem Antrage seiner politischen Freunde einer besonderen Kom— miffion sberwiesen werden, um diese Frage zu erörtern. Der Reichs⸗ kanzler habe von dem unbegründeten Pessim uus enen, Aller⸗ dings habe die Landgemeindeordnung immer mehr Anhänger ge⸗ unden, die Handelsverträge hätten allgemeine Billigung erhalten. Aber trotzdem bestehe ein großer Pessimismus, der auch einen festen Inhalt gefunden hahe. Ueber das Volksschulgesetz werde in den nächsten Tagen eingehend verhandelt werden, jetzt näher einzugehen auf die Vorlage, sei nicht in ö Aber unerwähnt lassen könne man diese Frage nicht. Die erste Lesung des Etats sei ja beinahe die einzige Gelegenheit, w. man einmal ohne besondere Fesseln über die allgemeine Lage ; könne. Als der Kampf um die Maigesetze beendet gewesen sei, habe Windthorst seinen Schulantrag eingebracht, gegen den die Staatsregierung und die Mehrheit des Hauses sich durchaus ablehnend verhalten hätten. Der Entwurf erfülle aber im wesentlichen die Forderungen des Windthorst'schen Schulantrags. (Sehr wahr! bei den Nationalliberalen und Freisinnigen.) Die Verfassung gehe davon aus, daß Staat und Kirche sich völlig einig seien in . auf die religiöse und sittliche Erziehung der Kinder. Ueber dieses ständen große Meinungsverschiedenheiten. Die Entscheidung des Streites werde nun in die Brust des Lehrers gelegt, und da es sich um die Existenz handele, so werde er gezwungen, Heuchler und Augen⸗ diener zu sein; denn er könne nicht jweien Herren dienen. Daß die Schule zwei Herren habe. werde ja in dem Gesetz, ausgesprochen. Cebhafte Zustimmung links.) Er sei sich mehr wie je bewußt, daß er hier im Namen weiter Kreise des Volks spreche. Er tadele es nicht, daß die Regierung in Bezug auf die polnischen Ginwanderer sich einer milderen Praxis bel eig; er sei auch zufrieden mit der Be—= rufung des Herrn von Stablewski zum Erzbischof von Posen und Gnesen, aber eine prineipielle Bedeutung habe die Oeffnung der Voltsschule für den polnischen Privatunterricht. Mit der Förderung der deutschen Cultur in den polnischen Landestheilen erfülle der Staat ein Gebot der Selbsterhaltung und wende auch der polnischen Bevöl⸗
Das sei aber durchaus nicht der . R
kerung eine große Wohlthat zu. Jedes Abweichen von diesem Stand⸗
punkt habe sich immer bitter gerächt. (Justimmung links.) Fractions—⸗ interessen sollten bei dem Volksschulgesetz nicht entscheidend . seine Freunde wollten alles aufbieten, um die Volksschule richtig zu ge⸗ ftalten und die Autorität des Staats aufrecht zu erhalten. Er habe die Hoffnung, daß sie auch unter den Conservativen fi nicht ver⸗
ebens nach Kampfgenossen in dieser Beziehung umsehen würden.
(Beifall links.)
Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:
Wenn ich mir gestatte, meine Herren, an die Ausführungen, die mein Ressort betreffen, hier einige kurze Bemerkungen anzuknüpfen so veranlaßt mich hierzu der Wunsch, schon heute Ihnen wenigstens übersichtliche Aufklärungen über diejenigen Gründe zu gewähren, die in erster Linie dazu beigetragen haben, das Ergebniß des Staats⸗ eisenbahnbetriebes im laufenden Jahre ungünstiger zu gestalten, sodann aber auch die Pflicht, die Annahme nicht Raum gewinnen zu lassen, als ob dieses minder gůnstige Ergebniß des Staatseisenbahnbetriebes hervorgerufen sei
durch unwirthschaftliche Maßnahmen oder Unterlaͤssungen der Verwal⸗
tung. Meine Herren, die umsichtige, thatkräftige und zielbewußte Leitung der Staatseisenbahnen durch meinen hochverehrten Herrn Amtsvor⸗ gänger, dessen Verdienste um die wirthschaftliche Entwickelung des Landes im Lande selbst wie im hohen Hause stets mit aller Wärme anerkannt worden sind, dürften schon von vornherein diese Annahme als irrig erscheinen lassen. Meine Herren, der Staatseisenbahnbetrieb ist ein gewagtes Geschäft, wie jedes andere Erwerbsunternehmen auch; er unterliegt denselben Bedingungen und Gesetzen seines Gedeihens wie die Privaterwerbtzunternehmungen auch. . Nun begegnet es gar keinem Zweifel und bedarf meinerseits keiner Ausführung, Sie wissen es Alle, daß in allen Erwerbsunternehmungen des Landes die Ansgaben eine unverhältnißmäßige Höhe in den letzten Jahren erreicht haben; in der Landwirthschaft wie im Bergbau, in der Industrie wie im Handwerk sind die Ausgaben gestiegen und haben mindergünstige Renten des Unternehmens hervorgebracht. In dem Riesenunternehmen der Staatseisenbahnverwaltung drückt sich
roblem be⸗
Beziehung noch eine größere Bedeutung dadurch, daß erfahrungsgemäß in allen sinkenden Conjuncturen die Einnahmen viel rascher eine flache Linie einnehmen als die Ausgaben. Die Ausgaben verfolgen noch eine Zeit lang eine aufsteigende Linie. Es gleicht sich das im Laufe der Zeit, wenn wir wieder zu einer anschwellenden Fluth des Ver⸗ kehrs kommen, aus.
Meine Herren, wenn ich mir nun gestatte, auf die einzelnen hauptsächlich hier in Betracht kommenden Momente einzugehen, so glaube ich mich Ihres Einverständnisses damit erfreuen zu können, daß heute nicht die Zeit und nicht der Ort ist, in Zahlenangaben einzutreten. Den breitesten Raum bezüglich der Mehrausgaben gegen den An⸗ schlag im laufenden Jahre nehmen die Personalausgabhen ein. Die Gründe für diese Erscheinung sind sehr übersichtlich. Sie liegen ein⸗ mal darin, daß die Löhne der Arbeiter und die Besoldungen der Diätarien sehr erheblich erhöht sind und erhöht werden mußten. Die Staats⸗ eisenbahnverwaltung konnte sich und wollte sich nicht der allgemeinen Erhöhung der Löhne entziehen. Die Erhöhung der Personalkosten wird aber ferner dadurch begründet, daß eine ziemlich erhebliche Ver⸗ mehrung des Personals hat stattfinden müssen. Der Verkehr hat an sich zugenommen und hat naturgemäß dementsprechende Vermehrungen des Personals herbeigeführt. Wir haben aber auch die Dienststunden den vielfachen Anregungen des Landes und des Hauses hier entsprechend beschränkt; wir sind in der Ausdehnung der Sonntagsruhe weiter gegangen, und auch in dieser Beziehung sind erhebliche Mehrausgaben in den Personalkosten erwachsen. t
Der zweite Grund der Erhöhung der Kosten liegt in der Ver⸗ mehrung der Ausgaben für die Züge, und zwar sind es auch in dieser Beziehung zwei Momente, die hauptsächlich hervortreten. Es hat einmal eine ziemlich große Vermehrung der Züge stattgefunden und stattfinden müssen. Bezüglich des Güterverkehrs liegt die Sache ja so, daß die Züge lediglich entsprechen der jeweiligen Lage des Verkehrs überhaupt. Bezüglich des Personenverkehrs sind die Verhältnisse nicht so einfach. Wir hatten nicht nur der Vermehrung des Verkehrs uns anzuschließen, sondern wir waren im Personenverkehr allmählich dahin gekommen, daß auf einer großen Anzahl unserer Hauptlinien die Personenzüge absolut überlastet waren. (Hört, hört) Wir haben auf eine Reihe der Hauptlinien eine Anzahl Personenzüge und ins⸗ besondere Schnellzüge fast regelmäßig mit zwei Maschinen fahren müssen. Meine Herren, das entspricht nicht dem Bestreben, die Sicherheit und die Pünktlichkeit des Ver⸗ kehrs in jeder Beziehung zu erhöhen. Im Gegentheil entspricht es diesen Rücksichten, die Züge nicht zu stark anwachsen zu lassen. Wir sind daher auf den Hauptlinien zu einer Vermehrung der Züge übergegangen.
Fernerhin liegt ein Hauptgrund zu der Vermeh⸗ rung der Kosten der Züge in der Erhöhung der Kohlenpreise. Ursächlich und der Zeit nach ist diese Erhöhung der Kohlenpreise auf den großen Bergarbeiterausstand im Herbst 1890 zurückzuführen. Die Frage ist so vielfach erörtert worden, daß ich hier auf dieselbe nicht mehr einzugehen brauche. Ich bemerke nur noch, daß die Mehrausgabe infolge der Erhöhung der Kohlenpreise ungefähr einen Betrag von vier Millionen erreicht. Wir sind auch genöthigt worden, zu der Zeit des Bergarbeiterstrikes und zu der Zeit, die ihr unmittelbar folgte, und die mit sehr wesentlichen Erschwerungen des Verkehrs, namentlich in den Kohlenrevieren zu kämpfen hatte, die Kohlen zu nehmen, wo wir sie finden konnten Wir haben daher im Auslande zu sehr hohen Preisen Kohlen kaufen müssen. Daß wir dabei die Erfahrung gemacht haben, daß unsere einheimischen Kohlen trotz der vielfachen Anpreisungen der fremden, namentlich der englischen Kohle für unsere Zwecke doch noch immer besser sind, hat zwar unsere Erfahrungen bereichert, aber einstweilen haben wir doch die hohen Preise für die englischen Kohlen bezahlen müssen. (Hört! hört!)
Meine Herren, unter den Nachwehen dieser Zeit leiden wir heut⸗ zutage immer noch. Wir haben noch immer unter unseren Vor⸗ räthen einen großen Theil, der zu sehr theueren Preisen angekauft worden ist.
Dann kommt ferner das des Betriebsmittelparks, welches ebenfalls zu sehr erheb⸗ lichen Mehrausgaben gegen den Etat Veranlassung gegeben hat. Meine Herren, wir sind in den Etat des laufenden Jahres am 1. April 1891 mit einem Betriebsmittelpark eingetreten, der durch die unmittelbar vorhergegangene Periode alleräußerster Anstrengungen abgesetzt war. Wir konnten die Wiederherstellung der Locomotiven und Wagen nicht in dem Maße vornehmen, wie es eigentlich nothwendig gewesen wäre, wie es namentlich nothwendig ge⸗ wesen wäre, wenn man lediglich wirthschaftliche Rücksichten hätte wollen gelten lassen. Wir haben die Betriebsmittel, Locomotiven sowohl wie Wagen, bis zum letzten Athemzuge in Betrieb halten müssen. Die außerordentlich großen Kosten der Herstellung haben sich dadurch naturgemäß zum großen Theil abgewälzt auf das laufende Jahr. Wir haben auch diefe Wiederherstellung, nachdem die Fluth des Verkehrs einigermaßen ablief, sofort in die Hand nehmen müssen. Wir haben dabei gleichzeitig eine Verbesserung unseres Betriebsmaterials, der Güterwagen, vornehmen können und nach unserer Auffassung auch vornehmen müssen, das ist die Erhöhung der Tragfähigkeit der Güter⸗ wagen. Meine Herren, wir sind heute so weit, daß wir von unseren Güterwagen bereits gegen 30000 Wagen in der Tragfähigkeit erhöht haben, und zwar um 25 o, sodaß wir also 7000 Wagen à 10 t damit mehr gewonnen haben.
Es wäre unwirthschaftlich gewesen, diese Maßnahmen etwa hinauszuschieben und allmählich vorzugehen, unwirthschaftlich einmal deswegen, weil durch diese Maßregel große finanzielle Erfolge zu erzielen sind, und zweitens unwirthschaftlich deswegen, weil gerade die vorhin geschilderten Verhältnisse es zu wege gebracht haben, daß wir eine
Capitel der Unterhaltung
ziehen müssen. Die 7000 Wagen, die wir auf diese Weise gewonnen haben, haben uns verhältnißmäßig außerordentlich wenig gekostet. Das Rangiren und an Befördern derselben kostet, so zu sagen, gar nichts. Es ist also dadurch ein sehr wesentlicher Erfolg erzielt worden. Es sind endlich die Kosten für die Vermehrung der Betriebs⸗ mittel und die Unterhaltung und Erneuerung des Oberbaues auch über den Etat ziemlich bedeutend hinausgegangen. Dieselben Um⸗ sftände, die dazu geführt haben in den letzten Monaten des Etats⸗ jahres 1890/91, den Betriebsmittelpark in außergewöhnlicher Weise in Anspruch zu nehmen, haben naturgemäß auch dahin geführt,
große Anzahl von unseren Güterwagen in die Werkstätten haben
elementaren Ereignisse außerordentlich ungllnstig auf den Zustand der
Bahnen gewirkt haben. Es haben auch in dieser Beziehung sehr erhebliche Mehrausgaben angelegt werden müssen, und zwar um so erheblicher, als auch hier die Erhöhung der Löhne und die Erhöhung der Materialpreise eine große Rolle spielen.
Meine Herren, angesichts der unbestreitbaren Thatsache, daß das Ergebniß der Staatseisenbahnverwaltung ein minder günstiges ge⸗ worden ist, stimme ich mit dem Herrn Finanz⸗Minister darin voll⸗ ständig überein, daß hierin eine dringende Mahnung zur Sparsamkeit liegt, und ich bin mir der Pflicht in vollstem Maße bewußt, daß es meine Aufgabe ist, in Uebereinstimmung mit dem Herrn Finanz⸗Minister dieser Sparsamkeit auch praktischen Aus⸗ druck zu geben. Ich stimme mit dem Herrn Finanz⸗Minister auch darin überein, daß wir durchaus nicht aus Neigung sparsam werden, sondern nur nach den Geboten der Vernunft. Namentlich würde es ja für einen neu eintretenden Minister der öffentlichen Arbeiten eine viel lohnendere und viel dankbarere Aufgabe sein, an die Reform und Ausgestaltung der Eisenbahnen mit offener Hand heranzutreten, als vorsichtig zurückzuhalten.
Meine Herren, eine solche Periode hat aber doch andererseits auch eine gewissermaßen wohlthätige Wirkung, und zwar insofern, als sie Veranlassung giebt, von oben nach unten und von unten nach oben genau zuzusehen und zu prüfen, ob auch noch alles in Ordnung und so ist, wie es erwartet werden muß, ob auch noch jedes Organ der großen Verwaltung seine Schuldigkeit thut und nach der bestehenden Ordnung der Dinge in vollem Maße thun kann. Auch in der Beziehung erkenne ich die mir obliegende Pflicht an und werde bemüht sein, dieselbe nach meinen besten Kräften zu erfüllen. Die gegenwärtige Situation legt aber andererseits der Staatsverwaltung auch die Verpflichtung auf, in der Aus⸗ gestaltung und Vervollkommnung des Verkehrswesens, sofern damit eine erhebliche Verminderung der Einnahmen oder Vermehrung der Ausgaben oder gar beides verknüpft ist, eine vorsichtige Zurückhaltung zu beobachten. Unter diesen Gesichtspunkt fallen zunächst zu meinem lebhaften Bedauern auch die bereits vielfach geplanten und in Vor⸗ bereitung begriffenen umfassenderen Reformen und Ermäßigungen im Personen⸗ und Gütertarif.
Meine Herren, die Reform des Personentarifs ist in der letzten Zeit mit einer Wärme in den Vordergrund geschoben worden in der Presse, wie in öffentlichen Versammlungen, daß man glauben sollte, es wäre das erste Postulat socialer Staatsweisheit, nun diese Reform sofort einzuführen, und es wäre jeder Tag verloren, der uns noch trennt von der Einführung des allein seligmachenden Zonentarifs, und zwar des Zonentarifs in der allerradicalsten Form. Meine Herren, ich hege nicht die Ueberzeugung, daß die Reform des Personentarifs so überaus dringend ist, daß sie auch in Zeiten einer minder günstigen allgemeinen Finanzlage des Staats unbedingt durchgeführt werden muß. Ich bin zu dieser Ueberzeugung gekommen erstens durch die Thatsache, daß auch unter der Herrschaft des gegenwärtigen Personentarifs der Verkehr noch sehr erheblich gewachsen ist und fortwährend im Wachsen begriffen ist. Es führte mich aber auch fernerhin zu dieser Ueberzeugung der Um⸗ stand, daß im Lande, wie in den betheiligten und gehörten wirth⸗ schaftlichen Kreisen zur Zeit die Frage, in welcher Hauptrichtung und in welchen Hauptpunkten eine Reform des Personentarifs durchzuführen sein würde, noch nicht genügend geklärt ist.
Mein Herr Amtsvorgänger hat seiner Zeit ein Project einer Reform des Personentarifs herausgegeben und namentlich die Bezirks⸗ Eisenbahnräthe darüber um ein Gutachten ersucht. — Jeder Bezirks⸗ Eisenbahnrath aber hat ein anderes Gutachten abgegeben. Es hat zwar keiner den Entwurf, wie er vorgelegt worden ist, sich voll⸗ ständig zu eigen gemacht, es hat aber auch jeder immer wieder etwas anderes gewollt, wie der andere. Der eine wollte die Retourbillets abschaffen, der andere sie beibehalten. Die vierte Klasse ist von einzelnen als zu beseitigen angesehen während Andere behaupten, sie wären absolut unentbehrlich. Der eine will die Gepäckfreiheit vollständig abgeschafft wissen und einen niedrigeren Tarif einführen, der andere will in der Beziehung einen Mittelweg gehen, der eine will Zuschläge für die Schnellzüge, der andere verwirft die Zuschläge.
Es geht also daraus hervor, daß man sich im Lande selbst darüber noch nicht klar ist, nach welcher Richtung die Reform gehen soll. Nach meiner Ansicht würde die Reform wesentlich darin zu suchen sein, daß der Personentarif auf einfache und über⸗ sichtliche Normen und auf Preise zurückgeführt wird, die mit der Art der Beförderung thunlichst im Einklange stehen, und daß endlich, namentlich im Nahverkehr, Erleichterungen geschaffen werden, die Jedermann zu gute kommen.
Inzwischen hat die Staats⸗Fisenbahnverwaltung, wie Sie wissen, meine Herren, einen Versuch bezüglich des Nahverkehrs gemacht. ich meine die Einführung des Vorortstarifs für Berlin. Alle Wünsche haben wir damit auch nicht befriedigt, wie das ja im Eiseubahnleben überhaupt nicht möglich ist. Aber ich glaube doch, ohne Ueberbebung sagen zu können, daß im großen Ganzen dieser sehr einfache, sehr übersichtliche Tarif als eine große Wohlthat anerkannt worden ist.
Mehr noch als im Personenverkehr bedauere ich, daß die gegen⸗ wärtige allgemeine Finanzlage des Staates es zur Zeit wenigstens nicht gestattet, mit größeren Reformen und Ermäßigungen im Güter⸗ verkehr vorzugehen. Es ist vorhin vielfach der Getreide⸗Staffeltarif erwähnt worden; es ist ja auch der Staffeltarif, wenn Sie wollen, gewissermaßen der Versuch einer theilweisen Reform des Gütertarifs. Ich habe mich nur darüber gewundert, daß der Herr Abg! Rickert, der bei der ersten Lesung des Etats im vorigen Jahre es hier aufs dringendfte empfohlen hat, man möge sich nach den Vorschlägen des jetzigen Bürgermeisters und früheren Mitgliedes einer Eisenbahnverwaltung Brösicke richten (Widerspruch des Abg. Rickert) — daß der heute den Staffeltarif durchaus verurtheilt hat. Die Ausführungen, die sich seitens des Herrn Abg. Rickert daran geknüpft haben, und die sich auf angebliche Abstirnmungen in dem Bezirks⸗Eisenbahnrath Bromberg beziehen, und welche darauf hinausgingen, daß die Majorität einmal
soll, — diese Ausführungen richtig zu stellen, bin ich heute nicht in der Lage, da mir vorläufig die Protokolle noch nicht vorliegen. Aber soweit ich unterrichtet bin, haben nicht bloß der Bezirks- Eisenbahn⸗ rath in Bromberg, sondern auch der ebenfalls gehörte in Berlin und auch in Breslau sich dahin ausgesprochen, daß der Staffeltarif für Ge⸗ treide, wenn auch unter gewissen Modifieativnen und Bedingungen bei behalten werden solle. Ich muß aber nochmals betonen, daß mir die maß
daß der Oberbau der Bahnen in dieser Periode ganz außer⸗
das nur viel schärfer aus, und es gewinnt das in finanzieller
ordentlich in Anspruch genommen worden ist. Dazu kam, daß die
gebenden Protokolle noch nicht vorliegen. Wenngleich also nach den
für die Beibehaltung umd das andere Mal dagegen gestimmt haben