Osnabrück, Daniels, Pr. Lt. von der Juf. J. Aufgebots des Landw. Bezirks Lüneburg, diesem als Hauptm. mit der Landw. Armee Uniform, Bretz, Ser. Lt. von der Inf. 2. Aufgebots des Landw. Bezirks Siegen, Schmidt-Polexr, Pr. Lt. von der Cav. 2. Aufgebots des Landw. Bez. Fran fußt a. M., diesem mit der Erlaubniß zum Tragen der Landw. Armer⸗Uniform, Drehwald, Ser. Lt. von der Inf. 2. Aufgebots desselben Landw. Bezirks, Ruhl, Pr. Lt. von der Inf. 2. Aufgebots des Landw. Bezirks J. Cassel, Bonh ard, Pr. Lt. von der Inf. 2. Aufgebots des Landw. Bezirks Worms, Fraeß le, Ser, Lt. von der Res. des 7. Bad. Inf. Regts. Nr. 142, behufs Uebertritts in Königl. Württemberg. Militärdienste, Bucher, Sec. Lt. von der 87. 1. Aufgebots des Landw. Bezirks Karlsruhe, Sartorius Frhr. v. Wr gr, narf en, Sec. Lt. von der Kav. 2. Aufgebots des Landw. Bezirks Straßburg, Fleck, Sec. Lt. von der Inf. 2. Aufgebots des Landw. Bezirks Hagenau, Hildebrand, Pr. Lt. von der Feld⸗Art. 1. Aufgebots des Landw. Bezirks Straßburg, diesem als Hauptm. mit der Landw. Armee-Uniform, Hackbarth, See. Lt. von der Res. des Gren. Regts. König Friedrich J. (4. Ostpreuß.) Nr. 5, Bisch off, Pr. Lt., von der Int. 1. Aufgebots des Landw. Bezirks Schlawe, Mirau, See. Lt. von der Inf. 2. Auf⸗ gebots des Landw. Bezirks Neustadt, Salomon, Pr. Lt. von der eld-Art. 2. Aufgebots des Landw. Bezirks Marienburg, Conrades, 6 Lt. von den Jägern 2. Aufgebots des Landw. Bezirks Meschede, Zoch, Hauptm. von der Garde⸗Landw. Fuß-Art. 1. Aufgebots, mit seiner bisherigen Uniform, — der Abschied bewilligt. . Evangelische Militär⸗Geistliche.
14 Januar. Vahrenkamp, Divisions-Pfarrer der 22. Div. in Mainz, als Divisions-Pfagrrer der 353. Div. nach Mörchingen zum 1. Februar d. J. Versetzt. Die Versetzung des Divisions⸗ Pfarrers der 33. Div. Schmidt von Mörchingen nach Metz tritt erst zum 1. Februar d. J. in Kraft.
Kaiserliche Marine.
Offiziere, ꝛc. Ernennungen, Beförderungen, Ver⸗ setzungen ꝛc. Berlin, 16. Januar. Plehn, Ser. Lt., bisher von der Inf. 1. Aufgebots des Landw. Bezirks Kiel, bei den beur— laubten Offizieren der Marine, und zwar mit seinem Patent als Sec. Lt. bei der Seewehr 1. Aufgebots der Marine⸗-Inf. angestellt. .
18. Januar. Arenhöold, Lt. zur See der Seewehr 1. Auf— gebots im Landw. Bezirk Kiel zum Capitän-Lt., der Scewehr 1. Auf— gebots; die Unter Lts. zur See der Res. der Matrosen-Art.: Flohr im Landw. Bezirk Frankfurt a. M., Sellerbeck im Landw. Bezirk Mülheim a. R,, Reichert im Landw. Bezirk Mergentheim, Köllner im Landw. Bezirk Ratibor, Denecke im Landw. Bezirk Altona, Kreutzberg im Landw. Bezirk Andernach, — zu Lts. zur See der Res. der Matrosen⸗-Art.,, Lemm, Vice-Seecadett im Landw. Bezirk]. Breslau, zum Unter⸗Lt. zur See der Res. der Matrosen-Art.,, Hart— mann, Maschinen Unter-Ingen. der Res. des Maschinen-Ingen. Corps im Landm. Bezirk Hamburg, zum Maschinen-Ingen. der Res. des Maschinen⸗Ingen. Corps, — Left rt.
Haus der Abgeordneten. 4. Sitzung vom Freitag, 22. Januar.
Der. Sitzung wohnen der Präsident des Staats— Ministeriums, Reichskanzler Graf von Caprivi, der Justiz— Minister hr. von Schelling, der Minister für Handel und Gewerhe, Freiherr von, Berlepsch, der Finanz-Minister Dr. Miquel, der Minister für Landwirthschaft xc. von Heyden, der Minister der geistlichen c. Angelegenheiten Graf von Zedlitz und der Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen bei. . ;
Auf der Tagesordnung steht die Fortsetzung der ersten Berathung des Staatshaushalts-Etats für 1892/93.
Abg. Graf zu Limburg⸗-⸗Stirum (cons.): Er habe nicht den Auftrag erhalten, über das Schulaufsichtsgesetz oder die Polenfrage zu sprechen; er werde sich nur über die Finanzlage äußern. Ueber die Ziffern selbst könne er nach der vorzüglichen Einleitungsrede des Finanz⸗Ministers hinweggehen. Er sei mit ihm auch im allgemeinen darin einverstanden, daß der Etat unter der Signatur der Spar— samkeit beurtheilt werden müsse. Der Abg. Freiherr von Huene habe ausgeführt, in früheren Zeiten sei er auch ein Anhänger der Sparsamkeit gewesen, habe aber damit kein Glück gehabt und fie jetzt ganz aufgegeben. Die größte Sparsamkeit des Abg. von Huene hänge mit der Jeit zusammen, wo er und seine Freunde in der radicalsten Opposition gegen die Regierung gestanden hätten. (Oho! im Gen— trum. Jetzt aber, wo ein sanfterer Wind zwischen der Regierung und Herrn von Huene wehe, finde er die Sparsamkeik nicht mehr praktisch. Das Hohngelächter der Linken könne ihn Redner) auch nicht abhalten, den schlechten Stand der Domainen hervorzuheben. Von 40 Doiainenverpachtungen hätten 109 Verpachtungen vorzeitig aufgelsst werden inü sen, weil die Pächter in Concurs gerathen gewesen sfeien. Was die Ein“ kommensteuer betreffe, so werde man e, erst in dieselbe eimeben müssen, bevor man ihren Effect beurtheilen könne. Eins werde aus den Einschätzungen hervorgehen, daß es der Landwirthschaft der öft— lichen Provinzen schlecht, gehe. (Zustimmung rechts. Die Ein— kommensteuer wirke wie eine großeartige in diefer Richtung angestellte Enquete. (Erneute Zustimmung rechks. Die Landmwirthschaft habe in den letzten Jahren nichts erübrigt, sondern in pielen Fällen Schulden gemacht. (Sehr wahr! rechts.) Seitens des Finanz⸗ Ministeriums sei eine Anweisung erlaffen worden über die Inter— pretgtion des 5 27 der Einkommensteuer. Dieser Paragraph enthalte die Anweisung, daß in den Fällen, wo das Einkommen nicht fest⸗ gestellt werden könne, die Grundlagen des Vermögens angegeben werden könnten und daß daraufhin eingeschätzt werde. Seine Partei habe das so aufgefaßt, daß dieses Einkommen nicht hur in der Natur des Einkommens liege, sondern in den Verhältnissen des Censiten liegen könne, und fie würde dem Gesetz nicht zugestimmt haben, wenn sie darüber nicht vollkommen im Klaren gewesen wäre. Er werde auf die Sache nochmals zurück⸗ kämmen und. bitten, daß die ÄAnwelsung ctwa geändert werde. Bei der Eisenbahnverwalkung sei es ihm aufgefallen, daß den Eisenbahnarbeitern höhere hne gezahlt würden, als es in . betriehen zer Fall sei. Er, möchte den Technikern ans Herz legen,
daß sie nicht einseitig die ihnen zum Verfügung stehenden Mittel . diese Zwecke ausgäben, . uch auf die anderen Betriebe ücksicht nähmen, namentlich auf die Landwirthschaft. Der Abg. rivateisenbahnen Ausgezeichnetes bitteren Klagen Über die über die Rücksichtslosigkeit nur daran dächten, große Dividenden
Rickert habe so gethan, als ob die P ihn hätten. Wenn man sich der chlechte Behandlung des Publikums,
66 in der 6 zus erötelen, so werde man dankbar sein, wenn dieser Zustand beseitigt werde. Er bedauere, daß zur Zeit mit der Erhöhung der . 6. nicht weiter fortgeschritten werden könne, im Lande werde man diefe
Parsamkelt verstehen und billigen. Er freue sich, daß der Finanz ⸗Minister in Bezug auf die Bauverwaltung ö, als hn und Ehre der Techniker hinstelle, die nöthigen Gebäude ohne überflüssige Eleganz zu errichten. Seine Partei werde den Minister darin unterstũ en, daß seine Ideen, nicht die der Techniker, durchgeführt würden. Hei der jetzigen Fine ge werde man darauf sehen müssen, obe der Neubau für das Ministerium für Handel und Gewäörbe nicht noch a n n werden könne. Zur Förderung der Landwirth— schaft in den östlichen Propinzen seien 139 Hoh 6 vorgesehen. Allen= dings wisse er, daß man bei der jetzigen Finanzlage nicht mehr geben könne. Aber wenn man der Fandwirthschast den Schutzzoll nehme, 0, sei ihr auch mit ., Geldmitteln überhaupt nicht zu helfen. Die Ausgaben für, den LÜinterricht begrüße seine Partel immer mit
keuden, namentlich sei ihr die ,, der Oberlehrergehäl er ehr sympathisch. Sie sei dringender, als die der übrigen Be⸗ mten, weil der Beruf die Lehrer
weil der . zwinge, sich ewig mit en Generationen von Jungen
abzugeben, von denen
ein großer Proeentsatz dem Meal nicht gerade nahe kemme (Heiterkeit) — ein sehr e, Beruf! Auch die Ablösung der Stolgebühren sei dringend nöthig und könne nicht in Parallele ge— stellt werden mit der Erhöhung der Beamtengehälter, weil jene sich darstelle als Ersatz für etwas, was den Geistlichen genommen sei. Im Extraordinarium werde eine große Ausgabe ür den Berliner Dom verlangt bei der gegenwärtigen Finanzlage werde man sich doch sehr überlegen müssen, eb diese Ausgabe nicht doch noch verschoben werden könne. Der Ausfall an Zöllen treffe nicht direct den Staat, sondern die Communen, die ländlichen Bewohner hätten also den doppelten Schaden, daß sie einmal den Schutz der gandwirthschaft verlören und zweitens die Ceęmmunalausgaben durch Erhöhung der Steuern decken müßten. Durch die ungünstige Stel— lung der Landwirthschaft entvölkere sich das platte Land immer mehr, die ländlichen Arbeiter strömten , der Stadt und würden Social⸗ demokraten. Dieser Proceß mache sich langsam, gleichsam gleitend geltend. Wesentlich in Folge dieser ungünstigen Lage der Landwirthschaft sei auch die ganze Finanzlage zwar nicht schlecht, aber unbehaglich, weil die Tendenz da sei, die Ausgaben wachsen, die Einnahmen aber eringer werden zu lassen. Da könne auch der genialste Finanz⸗ ghlnnftr die Bilanz nicht dauernd aufrecht erhalten. Unter diesen Umständen müsse man einer, Verminderung der Eisenbahntarife ent⸗ gegentreten und darum erschienen ihm auch die Berliner Vororts⸗ Tarifermäßigungen unangebracht. (Beifall rechts.)
Finanz⸗Minister Dr. Miquel:
Meine Herren! Ich habe ja nur aus der Rede des Herrn Grafen zu Limburg-Stirum eine zustimmende Erklärung zu den Auffassungen, die die Staatsregierung in Beziehung auf unsere Finanzlage bezw. auf das Verhalten der Staatsregierung in Betreff unserer Finanz— verwaltung befolgt hat, zu meiner Freude herausgehört. Ich bin nur veranlaßt, auf zwei Punkte mit kurzen Worten einzugehen, welche derselbe in Beziehung auf die Einkommensteuer und namentlich auf den § 27 und die Aut legung, die derselbe nach den Anweisungen des Finanz⸗Ministers gefunden hat, zurückzukommen. Ich nill von vornherein bemerken, daß über den Sinn dieses Para— graphen doch seitens der Staatsregierung bei der Be— rathung des Einkommensteuergesetzes keinerlei Zweifel, gelassen worden sind. Ich habe das, was in der Anweisung steht, sogar in einer Bemerkung im Hause fast wörtlich ausgesprochen, aber auf der anderen Seite ist zuzugeben, daß die striete Durchführung der Auffassung für den Sinn dieses Paragraphen jedenfalls in den ersten Jahren der Einschätzung außerordentlich schwierig ist. Es handelt sich um die ja allerdings sehr entscheidende Frage: unter welchen Voraus— setzungen soll das Gesetz dem Steuerpflichtigen das Recht geben, die ziffermäßige Angabe thatsächlicher Verhältnisse zu unterlassen und die Schätzung desselben der Commission anheimzustellen? Unter welchen Voraussetzungen ist der Steuerpflichtige dazu berechtigt? Wenn Sie sagen: da, wo der Steuerpflichtige keine Aufzeichnungen gemacht hat über thatsächliche Verhältnisse, wo er das unterlassen hat, da braucht er auch diese ziffermäßige Angabe nicht zu machen, — dann heben Sie die Verpflichtung, zu declariren, thatsächlich auf. (Sehr richtig! links.)
So weit kann man nicht gehen; das ist unmöglich, wenn man einmal das Princip der Declaration anerkennt. Andererseits ist ja nicht zu verkennen, daß in dem ersten Jahre der Durchführung der Einkommensteuer, wo die Steuerpflichtigen auf die Nothwendigkeit, bestimmte Deeclarationen über thatsächliche Verhältnisse abzugeben, noch nicht vorbereitet sein konnten, man diese Vorschrift nicht mit ungemessener Strenge und Rücksichtslosigkeit durchführen kann. Das sieht auch die Anweisung ausdrücklich vor, denn sie sagt:
Die vorstehende Bestimmung ist in Ansehung der Einnahmen und Ausgaben aus der Zeit vor dem Inkrafttreten des Einkommen— steuergesetzes, sofern bisher die Aufzeichnung derselben von den Steuerpflichtigen unterlassen ist, noch nicht mit Strenge zu hand— haben.
Weiter, meine Herren, kann man nicht gehen. Ich kann dem Herrn Grafen Limburg-Stirum versichern, daß wir über den Inhalt dieser Anweisung hervorragende Landwirthe gehört haben, and wir haben von sehr hervorragenden Landwirthen — ich möchte die Namen nicht nennen — die dringende Bitte gehört, hierbei stehen zu bleiben, weil es einen gewaltigen Werth für das Gedeihen der Land— wirthschaft habe, auf diese Weise einen gewissen Zwang auf die
über Einnahmen und Ausgaben zu machen. (Bewegung rechts.) Meine Herren, es ist geradezu gesagt, es müsse als Regel vorausgesetzt werden, daß jeder Landwirth in der Lage ist, die Menge der Naturalerträge seines Betriebes ziffermäßig anzugeben. Hiernach wird also nichts weiter
langt werden können, als daß über die baaren Geldeinnahmen und Ausgahen ziffermäßige Aufzeichnungen stattfinden, und daß der be— treffende Steuerpflichtige diese kennt. Ich glaube, es wird sich über⸗ haupt zeigen, daß eine der großen, heilsamen Wirkungen der jetzigen Einkommensteuer die ist, daß die Steuerpflichtigen sich viel mehr als bisher ihrer eigenen Verhältnisse bewußt werden, und das ist die erste Voraussetzung einer geordneten Witrthschaft in jedem Haushalt.
Meine Herren, was den zweiten Punkt betrifft, so muß ich aber in dieser Beziehung allerdings dem Herrn Grafen durchaus Recht geben. Wir haben auch schon die Erfahrung gemacht, daß die Be— stimmungen über die Diäten allerdings nicht aufrecht zu erhalten sind. Man ist bei Aufstellung des Gesetzentwurfs nicht da⸗ von ausgegangen, daß in diesem roßen Maßstabe die Voreinschätzungsbezirke aus einer erheblichen Anzahl mehrerer Gemeinden zusammengelegt würden; das hat sich aber als durchaus praktisch und in sich nothwendig erwiesen, und es ist daraus allerdings die unangenehme Folge hervorgegangen, daß sehr bedeutende und aller— dings nach unserer Meinung auch zu hohe Beträge an Diäten haben gezahlt werden müssen. Man wird Vorsorge treffen, in dieser Be⸗ ziehung eine Correctur eintreten zu lassen, und ich glaube, es wird das ja auch an und für sich auf keinerlei Schwierigkeiten stoßen. Meine Herren, ich wollte noch ein Wort sagen bezüglich meiner Stellung zur sogenannten Tarifreform bei den Eisenbahnen. Herr Rickert hat gestern ein sehr wahres Wort gesprochen; er sagte: eine Herabsetzung von Tarifen muß nicht nothwendig eine Verminderung der Einnahmen herbeiführen. Das unterschreibe ich vollständig. Es giebt gewiß sehr viele Fälle, wo Tarifherabsetzungen finanziell vortheil— haft sind und die Einnahmen erheblich steigern. Es giebt aber auch unzweifelhaft Tarifherabsetzungen, die unbedingt zu Einnahmeverlusten und zu einer Verminderung des Reinertrags auch sogar dauernd führen; aber jedenfalls giebt es solche, welche für Jahre einen solchen Ein-; nahmeverlust herbeiführen. Und daß man dabei doch sehr be—⸗
kleineren Landwirthe namentlich zu üben, auch solche Aufzeichnungen
verlangt und wird auch in Zukunft in der Regel nichts weiter ver⸗
wohl in der Natur der Sache liegen. (Sehr wahr) Dez— wegen braucht man noch keineswegs ein grundsätzlicher Gegner der Tarifherabsetzung zu sein oder alle derartige Reformen zu perhorreseiren, sondern man muß nach Lage der Sache und dem Umfarg dabei ver⸗ fahren und fragen, ob im einzelnen Falle eine Tarifherabsetzung für die großen wirthschaftlichen Interessen so dringlich ist, daß man über einen solchen Einnahmeverlust hinwegzugehen verantworten kann. Das ist nun allerdings auch bei verschiedenen Fällen geschehen, und ich glaube, das Abgeordnetenhaus wird diesen Standpunkt auch nur billigen können, und ich bin erfreut, daß Herr Graf Limburg-Stirum sich auch in diesem Sinne hier ausgesprochen hat.
Abg. Freiherr von Hue ne (Centr): Für den kleinen Landwirth werde das Einkommensteuergesetz eine Wohlthat werden, wenn er feine Ein⸗ nahmen und Ausgaben schwarz auf weiß nachweisen könne; sonst werde ibm immer gesagt werden, er müsse ein höheres Einkommen haben. Daß die Handelsverträge eine Einnahmeperminderung von 163 Mil⸗ lionen Mark zur Folge haben würden, wisse er noch nicht. Jedenfalls könne er dem System der Handelsvertcäge nicht Widerstand leisten, wenn sie zum Wehle des Ganzen dienten. Das Land habe bei Fünf⸗ markzöllen die schlechtesten Einnahmen gehabt; wenn es gute Ernten habe, genügten 3,50 M6 und wenn es schlechte Ernten habe, hülfen auch 10 6 nicht, wenn man nichts verkaufen könne. Die Sparsamkeit seiner Partei sei durch den Abg. Grafen Limburg⸗Stirum verdächtigt worden, weil sie zur Regierung in der Opposition gestanden habe. Sei das ein Grund, die sachliche Fr lun eines Antrags auf Ersparungen zu unterlassen 3 Seine Partei habe das vertreten, was sie für richtig halte; aber trotz aller Mißhandlungen, die ihr zu theil geworden seien, habe sie sich niemals zurückgehalten, wenn es gegolten habe, das Wohl des Ganzen zu fördern. Wer habe die wirthschaftliche Politik der Regierung unterstützt? Könne man einer solchen Partei eine radicale Qpposition vorwerfen? Er bedauere, daß der Abg. Graf Limburg⸗ Stirum das gesagt habe. Seine Partei werde immer ihre Ansicht pertreten, möge der Wind wehen, wie er wolle. (Zustimmung im Centrum.) — Abg. Freiherr von Zedlitz freie): Der Abg. Freiherr von Quene habe erklärt, daß der Volksschulgesetz⸗ Entwurf die christliche Schule verwirkliche. Das bedeute, daß der vorjährige Entwurf das nicht gethan habe, Dagegen müsse er Widerspruch erheben; auch der frühere Entwurf habe die christliche Schule geschaffen, er habe nur der Geistlichkeit keinen so großen Spielraum gelassen. Es sei auch gesagt worden, daß der gegenwärtige Entwurf erst voll die Vor— schriften der Verfassung zum. Ausdruck bringe; das könne er nur dahin verstehen, daß, der diesjährige Entwurf mehr Artikel der Verfassung zur Ausführung bringe als der vorjährige, der im übrigen ebenfalls auf dem Boden der Verfassung stehe. Der vorjährige Entwurf habe eigentlich noch mehr auf dem Boden der Verfassung gestanden, denn der diesjährige enthalte Bestimmungen, welche nicht durch die Verfassung gedeckt seien, ja ihr zum theil widersprächen. Es sei auch nicht richtig, daß der diesjährige Entwurf eine Codification der bestehenden Vorschriften über die Schule sei. Es seien Bestim— mungen aufgenommen, die nur vorübergehende Geltung gehabt hätten, und die nun verewigt werden sollten. Man, werde dahin streben müssen, den Entwurf im Sinne des vorfährigen zu ändern, weil man dabei auf dem Boden der christlichen Schule und der Verfassung stehe. (Beifall links. Wenn auf die Gesetzgebung die ausschlag⸗ gebende Stellung des Centrums von Einfluß sei, dann treffe die Schuld zum Theil die freisinnige Partei, welche diese Stellung des Centrums habe sichern helfen. Der Minister-Präsident habe doch den Kernpunkt nicht getroffen. Denn es koinme nicht darauf an, daß man das Gute nehme, wo es sich finde, sondern darauf, daß die Ansichten der⸗ selben Regierung, innerhalb kurzer Zeit gewechselt hätten. (Zustim⸗ mung links.) Die Politik der freien Hand bringe die Gefahr, in das Treiben der Tagespolitik zu gerathen und der gerade entscheidenden Pertei dienstbar zu, werden. Hoffentlich würden die Erklärungen des Cultus⸗Ministers in zweisprechigen Provinzen Beruhigung schaffen; aber der Spracherlaß habe doch die Wirkung gehabt, daß der Aus—⸗ schluß der polnischen Sprache aus der Volksschule illusorisch gemacht sei. Auf den Etat wolle er nur ganz kurz eingehen. Er sei einver⸗ standen mit den Ausführungen des Finanz⸗-Ministers und des Grafen zu Limburg Stirum über die Lage des Eisenbahn-Etats und ie dadurch, bedingte. Finanzlage, Man werde noch einige Jahre dieselben Erfahrungen mit den Eisenbahnen machen. Fr glaube auch, daß die Domänenperwaltung recht er⸗ hebliche Mindereinnahmen infolge des neuen Zuckersteuergesetzes haben werde. Auch der Holzverkauf der Forsten werde beeinträchtigt werden durch die Herabsetzung der Holzzölle. Er möchte den Finanz⸗ Minister bitten, die Grundsätze der Sparsamkeit auch im Reiche zum Arsdruck zu bringen. Aber sparsam sein dürfe man nicht bei Aus— gaben, welche zur Hebung des Volkswohlstandes dienten. Auf die Handelsverträge wolle er nicht eingehen; die Landwirthschaft habe sich mit einem Zoll, von 3,599 (66 eLinzurichten, und er wolle nur hoffen, daß man ihr für die nächsten zwölf. Jahre wenigstens Ruhe lassen werde. Die Landwirthschaft müsse, weil Preußen sich immer mehr zum Industriestagt entwickele, gefördert werden auf jede Weise; ss werde dies mehr geschehen müssen, als im Etat geschehen sei. Die Ausgaben für solche . seien dringender Natur und dürften nicht zurückgestellt werden. . Mit dieser Ausnahnne sei er einverstanden mit der vom Finanz⸗Mminister proelamirten Sparsamkeit.
Präsident des Staats⸗Ministeriums, Reichskanzler Graf von Caprivi:
Zu meiner Freude kann ich mich mit dem, was der Herr Vor— redner in Bezug auf die Unterschiede zwischen dem diesjährigen Ent— wurf zu einem Volksschulgesetz gegenüber dem vorjährigen angeführt hat, insofern nur einverstanden erklären, als auch ich diese Unter— schiede nicht für so tiefgehende halte, als wie nach Aeußerungen, die gestern hier gefallen sind, scheinen möchte. Der jetzige Entwurf geht in seiner Ausdehnung, wie der Herr Vorredner ganz richtig anführte, über den vorjährigen Entwurf hinaus. Es ist nicht möglich, sich über die Einzelheiten schon jetzt hier in einer generellen Debatte über den Etat zu verständigen und klar zu werden. Ich glaube aber, daß diese meine Auffassung — und ich kann den Anspruch machen, diese Dinge auch mit einem gewissen Interesse zu behandeln und ernstlich damit zu Rathe zu gehen — daß diese meine Auffassung, wenn es zu einer Specialberathung des Schulgesetzes kommen wird, mehr Anhänger finden wird. Der jetzige Entwurf ist dem Umfange nach erweitert; aber auch da bringtJ er in so fern nichts Neues, als er, wie der Herr Cultus-Minister wiederholt angeführt hat, sich auf eine, seit langer Zeit bestehende Praxis stützt, und ich weiß, daß der Herr Cultus-Minister in der Lage sein wird, hierfür einen eingehenden Beweis zu führen an der Stelle und an dem Orte, wo das erforderlich sein wird.
Es ist hier von dem Volksschulgesetz viel geredet werden. Man hat, scheint mir, fast vergessen, was im vorigen Jahre gesagt und gethan ist; man vergißt die Motive, die für den vorjährigen Schulgesetzentwurf angeführt worden sind und die in der⸗ selben Weise für den jetzigen Entwurf gelten; ich will auf das Verfassungsrecht nicht zurückkommen; es ist Ihnen das aus—⸗ führlich dargelegt worden. — Aber auch in anderer Beziehung. Ich darf doch wohl daran erinnern, wie im vorigen Jahre — ich glaube in der Commission — auf das allerausführlichste nachgewiesen worden ist, wie verworren die Zustände in Preußen in Bezug auf die Volks—
denklich ist in Zeiten so knaxper Finanzlage, das wird doch
schule waren, wie die allmähliche Gestaltung der Dinge sich nicht nur
provinziell, sondern nach Ortschaften verschieden entwickelt hatte und wie ein festes Recht in dieser Beziehung nicht bestand. Klagen über Schulräthe sind mir schon laut geworden, ehe ich mich mit diesen Dingen noch beschäftigte, und in größerem Um⸗ fange, als vielleicht über andere Beamte. Ich habe das darauf zurückgeführt, daß eben in dieser Beziehung eine feste Gesetz⸗ gebung fehlte, und daß die Willtür einen Spielraum hatte weiter als auf anderen Gebieten des staatlichen Lebens. Ich möchte an die Herren auf dieser Seite des Hauses (links) die Bitte stellen, den Ent⸗ wurf einmal von dieser Seite anzusehen. Sie sind doch sonst geneigt zu codificiren; es ist gerade auf Ihre Veranlassung sehr viel codifieirt worden; sollte es nicht der Prüfung werth sein, der Frage nahezugehen, ob nicht aus rein praktischen Interessen eine Codificirung sich dringend empfiehlt?
Neben diesen Motiven, den Gesetzentwurf einzubringen, hat die Staatsregierung im vorigen wie in diesem Jahre das Motiv geleitet, soweit als es möglich ist, mit unseren katholischen Mitbürgern zum Frieden zu gelangen und einen Zustand in der Schule zu schaffen, mit dem auch die katholische Kirche, soweit es möglich ist, zufrieden sein ann. Die jetzige Regierung hat den Culturkampf nicht geführt; wir haben das Ende, den Abbruch des Culturkampfes übernommen. Wir haben das Bewußtsein, daß wir in einer sehr schweren Zeit stehen. Wir stehen einer Entwickelung von Kräften im Innern des Staates gegenüber, wie ich mir schon wiederholt erlaubt habe auszuführen, gegen die wir alle Mittel zusammen nehmen müssen. ((Sehr richtig! rechts und im Centrum.) Daß zu den wesentlichsten Mitteln dieser Bewegung gegenüber die Schule gehört, ist keine Frage. Daß aber die Schule auch gerade von diesem speciellen Gesichtspunkte aus der Religion nicht entbehren kann, wenn sie ihre Aufgabe erfüllen soll, ist ebenso sicher. (Bravo! rechts und im Centrum.) Braucht die Schule die Religion, so wird für die überwiegende Mehrzahl aller Preußen keine Frage sein, daß die Schule das Christen⸗ thum braucht. Braucht die Schule aber das Christen— thum, so kann sie es nicht ergreifen und erfassen ohne Confessionen. (Sehr richtig! im Centrum.) Braucht die Schule Confessionen, so braucht die Schule den Zusammenhang mit den Kirchen, von welchen die Confessionen ausgehen und ge— handhabt werden. (Bravo! rechts und im Centrum.) Es scheint mir das eine logische Schlußfolgerung zu sein, gegen die gar nichts einzuwenden ist. Es kann ja um das Maß gestritten werden, thun Sie das in der Commission, treten Sie dem Entwurf näher, beleuchten Sie die einzelnen Fragen; aber diese Grundsätze sind nach meiner Ueberzeugung nicht aus der Welt zu schaffen. (Sehr wahr! im Centrum.) Ich habe in einem Blatt, welches vielleicht über die freisinnige Partei noch etwas hinausgeht, eine ebenso eonsequente Deduction gefunden, die aber dazu kam: Machen Sie die Schulen religionslos! Wenn Sie das machen wollen, dann verstehe ich die generellen Angriffe, die von dieser Seite gegen den Entwurf gerichtet worden sind. Wenn Sie das aber nicht wollen, dann stellen Sie sich mit uns auf den Boden der confessionellen Schule; es wird Ihnen nichts Anderes übrig bleiben. (Sehr richtig! rechts.)
Der Herr Vorredner hat dann die Regierung ermahnt, festen Curs einzuhalten. Was meine Person angeht, so bin ich mir, so lange ich die Ehre habe, an dieser Stelle zu stehen, einer Schwankung nicht bewußt geworden. Wir haben die Gesichtspunkte, die wir für Recht erkannt haben, verfolgt, soweit wir es konnten.. Wenn Herr von Zedlitz daran die Ermahnung knüpfte, daß wir nicht vergessen möchten, daß wir dabei von der überwiegenden Majorität der Volksvertretung — so ungefähr sagte er — nicht abweichen dürften, daß wir von ihr unterstützt werden müßten, so kann ich mich vielleicht darauf berufen, daß die gegen⸗ wärtige Regierung hier und im anderen Hause die wesentlichen Ge— setze, die sie vorgebracht, auch durchgesetzt hat, woraus der Rückschluß berechtigt ist, daß wir uns bei diesem Gesetz immer mit einer Ma— jorität der parlamentarischen Körperschaften im Einklange befunden haben. Daß das nicht immer dieselbe, oder der einen oder der anderen Partei wünschenswerthe Majoritãt gewesen ist, läßt sich ganz und gar nicht ändern. Ich habe schon gestern mir anzudeuten erlaubt, daß unsere ganze Entwickelung, die den Parteien immer mehr einen wirthschaftlichen Charakter giebt, es der Regierung einer Monarchie immer schwer machen wird, mit gewissen Parteien zu gehen. Sie sehen die Consegquenzen wirthschaftlicher Regierungen jenseits des Ozeans; mit jedem Aufkommen einer anderen wirthschaft— lichen Partei auch eine andere Regierung. Wirthschaftliche Parteien leben ihrer Natur nach in einer bestimmt begrenzten Interessensphäre; sie widerstreiten sich; verschiedene wirthschaftliche Parteien haben verschie⸗ dene Interessen; jede hat naturgemäß das Bestreben, dieses ihr Interesse durchzusetzen und soweit als möglich zu fördern. Daraus folgen Collisionen zwischen den Parteien, und wenn eine wirthschaftliche Partei, wie es in dem einen oder andern Falle wohl geschieht, auch bei uns zur ausschließlichen Herrschaft kommen sollte, so habe ich nicht den min—⸗ desten Zweifel, sie würde in ihrer Herrschaft über das Ziel hinaus— schießen und zu Uebertreibungen kommen, und es würde dann das entstehen, was ein Gelehrter, der sich mit wirthschaftlichen Fragen beschäftigt, dahin zusammengefaßt hat: er habe auf wissenschaftlichem Wege die Erfahrung gemacht, daß freihändlerische und schutzzöllnerische Perioden in Zeiträumen von etwa zwölf Jahren mit einander abwechseln. Es würde dann, wenn eine solche Periode, mögen nun zwölf Jahre richtig oder falsch gegriffen sein, zu Ende wäre, zweifellos der Umschlag in entgegengesetzter Richtung er— folgen. Daß das allemal nicht bloß mit politischen, sondern auch mit den tiefsten wirthschaftlichen Erschütterungen verbunden wäre, ist zweifellos. Es muß nach meinem Dafürhalten die preußische Regierung zur Zeit bestrebt sein, solchen Excessen vorzubeugen; sie kann also die wirthschaftlichen Gründe der Parteien auch immer nur bis zu einem gewissen Grade sich aneignen.
Nun würde ich mir ja die Ermahnung des Herrn von Zedlitz, die Regierung möge sich an bestimmte Parteien halten, sehr gern zu Nutzen machen. Die erste Frage ist aber immer, an welche Parteien sich wenden? und: wie sehen diese Parteien aus? und ich bin im ganzen der Meinung, soweit ich einen Einblick in diese Verhältnisse habe, daß die innere Gestaltung unserer gegenwärtigen Parteien nicht dazu angethan ist, einer Regierung eine so feste Stütze zu bieten, daß die Regierung sich ausschließlich auf sie gründen könnte, geschweige denn sich etwa gar von ihr ins Schlepptau nehmen lassen.
Der Herr Abgeordnete ist schließlich auch auf die Handelsverträge ge⸗
kommen; er hat den Zweifel ausgesprochen, ob auch die Sache zwölf
Jahre halten werde. Es gehört zu den charakteristischen Kennzeichen der zur Zeit grassirenden Beunruhigungsepidemie, daß, wenn man der gegen⸗ wärtigen Regierung positive Sünden nicht nachweisen zu können glaubt, auf dem einen oder anderen Boden, man dann hypothetische Politik treibt und zwar: aber wir trauen Euch einen ganzen Haufen von Niederträchtigkeit zu (Heiterkeit), die werdet Ihr noch begehen.
Die Staatsregierung hat sich darüber, daß es ihr Wille ist, die drei Verträge zwölf Jahre aufrecht zu erhalten, so bestimmt als ur irgend möglich an anderer Stelle geäußert. Ich kann hier hinzufügen, daß vielleicht manches für uns leichter in den Verhandlungen verlaufen sein würde, wenn wir uns zu einer geringeren Zeitdauer hätten verstehen wollen. Wir haben das aber gerade des— halb nicht gethan, weil wir im Einverständniß mit dem Herrn Vor⸗ redner der Ueberzeugung sind, daß Ruhe und Stabilität zu den ersten Anforderungen gehören, nicht allein aber im wirthschaftlichen Leben, sondern auch im politischen Leben, und um dieser Ruhe und Sta— bilität willen, möchte ich Ihnen ein unbefangenes Eingehen auf den Entwurf eines Volksschulgesetzes empfehlen. (Bravo im Centrum.)
Abg. Cremer ⸗Teltow (b. k. F) bestreitet, daß die Eisenbahn⸗ einnahmen eine bedenkliche Verminderuug zeigten; solche Schwan— kungen kämen bei jeder Betriebsverwaltung vor. Redner bedauert, daß es immer noch Leute gebe, welche das in Preußen vorhandene Gute herabzusetzen bemüht seien. .
Abg. r. Sattler (nl) führt aus, daß die Anhänger des Staatsbahnsystems unter seinen Freunden sich noch nicht vermindert hätten, weil die Secundärbahnen und die . Meliorationen ohne die, Staatsbahnen nicht hätten durchgeführt werden können. Seit Jahren seien die Ueberschüsse der Eisenbahnen, immer für die allgemeinen Staatsausgaben verwendet worden; es zeige sich jetzt, daß es ein Fehler gewesen sei, nicht einen gewissen Grenzgraben zwischen den Eisenbahn- und den allgemeinen Finanzen zu ziehen. Die Frage müsse jedenfalls geprüft werden und deshalb habe er, den Antrag gestellt, den Bise ken, Gn einer besonderen Commission zu überweisen. Die Beunruhigung in den zweisprachigen Landes⸗ theilen des Ostens sei weniger durch die einzelnen Maßnahmen hervorgerufen als dadurch, daß überhaupt auf diesen Gebieten etwas geändert sei. (Zustimmung links) Der Sprachenerlaß möge die Be— deutung gehabt, haben, welche der Cultus-Minister dargelegt habe, aber daß der Eindruck ein anderer gewesen sei, müsse der Minister schon gemerkt haben, namentlich aus den Reden der Polen. Dazu komme die Ernennung des Herrn von Stablewski zum Erzbischof von Gnesen und Posen. Nicht die Nationalität dieses Herrn, sondern daß dieser Herr einer der eifrigsten Verfechter des Polenthums sei, habe die Beunruhigung wachgerufen. Die Rede des Herrn von Stablewski in Thorn sei, doch nichts Besonderes. Was in der Rede ausgesprochen worden sei, sei nichts gewesen, als die Pflicht und Schuldigkeit eines jeden preußischen Staatsbürger. Herrn von Koscielski's Behauptung, daß die preußische Regierung die östlichen Provinzen absichtlich niedergehalten habe, sei vom Reichskanzler schon wider— legt worden. Eine solche Behauptung zeuge von großer Ver—⸗ blendung. Die Berührung der polnischen Frage werde stets eine wunde Stelle in der preußischen Entwicklung sein; gerade deshalb sollte man sich jeder Aenderung auf diesem Gebiete enthalten und lieber etwas Unvollkommenes bestehen lassen, als durch Aenderungen Beunruhigungen hervorrufen. Bezüglich des Volksschulgesetzes sei 8s ein Irrthum des Minister⸗-Präsidenten, daß diejenigen, welche die Vorlage angriffen, überhaupt kein Unterrichtsgesetz wollten. Seine Partei wolle die Willkür durch gesetzliche Vorschriften beseitigen, aber deshalb wolle sie noch nicht jedes Unterrichtsgesetz an— nehmen. Die Religion wolle sie nicht aus der Schule entfernen, wie der Abg. von Huene ihr entgegengehalten habe. Die Vorlage stimme in den meisten Punkten mit dem Antrage Windthorst über— ein, sie enthalte seine fast vollständige Ausführung, und mache da⸗ neben die Privatschulen so frei, wie sie es noch niemals in Preußen gewesen seien. Das Haus habe die große Aufgabe, es zurückzuweisen, daß die Verfassung in dieser klerikalen Weise ausgelegt werde. Das deutsche Volk sehe jetzm auf Preußen, denn es müsse jetzt entschieden werden, ob die Schule dein Ultramontanismus ausgeliefert werden solle. Der Reichs— kanzler habe erklärt, daß er sich nie auf ein Handelsgeschäft bei Ab⸗— stimmungen einlassen werde. Der Ausfall der Reichstagswahlen von 1890 habe dahin führen müssen, daß die Wünsche des Centrums mehr berück— sichtigt würden. Die Regierung stelle große Aufgaben, an welchen alle Parteien mitarbeiten söollten; ebenso wenig wie die Regierung sich auf bestimmte wirthschaftliche Parteien stützen könne, könne sie sich auf kirchliche Parteien stützen. Mt diesem Gesetze überschreite die Regie— rung die Grenze, bis zu welcher ein Zusammenarbeiten aller Parteien möglich sei. (Zustimmung links.. Seiner Partei könne das Zustande⸗ kommen des Gesetzes angenehm sein; es würde ihre Segel dadurch mächtig anschwellen. (Abwarten). Aber das Partei interesse sei nicht entscheidend, die Hauptsache sei, daß der confessionelle Friede zerstört werde. Möchten daher die Conserbativen überlegen, wie sie sich in dieser Frage stellen wollten. (Lebhafter Beifall links.)
Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten Graf von Zedlitz:
Meine Herren! Der Herr Vorredner hat die doch einigermaßen auffallende Erscheinung, daß die Generaldebatte des Etats eigentlich zu einer Generaldebatte für das Volksschulgesetz geworden ist, (sehr richtig! rechts) damit erklärt, daß ich es gewesen sei, welcher unmittel⸗ bar nach dem Herrn Finanz-Minister an dem ersten Sitzungs— tage dieses hohen Hauses das Wort ergriffen und das Volksschulgesetz vom Standpunkt der Regierung aus erläutert habe. Ja, meine Herren, wer den Eingang meiner Rede gehört oder sie etwa späterhin gelesen hat, wird doch wissen, daß ich ausdrücklich hervorgehoben habe: ich habe das Gesetz auf Bitten aus diesem Hause so schnell, als es nur möglich war, in die Hände der Mitglieder gebracht. Das ist am Tage des Zusammentritts geschehen, und ich habe wiederum auf Bitten aus diesem Hause — wund ich darf vielleicht als Curiosum hinzufügen, — auch auf Bitten aus Kreisen, die dem Herrn Abg. Sattler ganz außerordentlich nahe stehen, (Heiterkeit) am nächsten Tage das Wort ergriffen, weil mir gewissermaßen die Verpflichtung auferlegt wurde, mit meiner Meinung rückhaltlos hervorzutreten und vor dem Lande aus meinem Herzen keine Mördergrube zu machen. (Zuruf links.) — Ich behaupte auch nicht, daß es ein Vorwurf war, sondern ich glaube nur, daß Sie die Güte gehabt haben, diese auffallende Erscheinung damit zu erklären. Ich meine nun, noth— wendig war es doch wohl nicht, daß bei der Etatsberathung die
Redner fast aller Parteien dieses hohen Hauses nun ihrerseits in die Generaldebatte des Volksschulgesetzes eintraten. (Sehr richtig! rechts.
Zuruf.) — „Wes das Herz voll ist, — und ich bedauere es auch nicht, Herr von Eynern.
Meine Herren, Sie gestatten mir vielleicht noch vor meinen sach⸗ lichen Ausführungen eine kleine persönliche Bemerkung. Der verehrte Herr Abg. Sattler, der trotz dieser Gegnerschaft des heutigen Tages hoffentlich nicht in unserer Freundschaft erkaltet, hat doch eine leise Andeutung gemacht nach einer Richtung hin, die mich stark empfindlich berührt, das gestehe ich ganz offen. Das ist die Frage der sogenannten Handelsgeschäfte in politischen Angelegenheiten. Meine Herren, das coincidirt mit gewissen Aeußerungen, die in der
nur die Geschäfte des Centrums gemacht haben, ich soll vor⸗ her mich über die Bestimmungen dieses Gesetzentwurfs mit den Führern oder, wie man nachher auch erklärt hat, auch mit anderen Personen des Centrums ganz genau abgesprochen haben. Meine Herren, es ist wirklich eine merkwürdige Thatsache, aber es ist wahr — ich kann ja offen desavouirt werden — in diesem ganzen hohen Hause ist keine einzige Partei außer dem Centrum, mit der ich über den Gesetzentwurf vorgängig nicht conferirt habe. Ich weiß nicht, ob die geehrten Herren aus der freisinnigen, der nationalliberalen, der freiconservativen und der conservativen Partei hier sind, um das zu bestätigen, aber mit allen habe ich Fühlung ge⸗ sucht und habe im Sommer eingehend die Grundlagen besprochen, habe auch, wie ich verrathen will, vielfach doch recht gute Zustimmung gefunden. In den Principien war ich eigentlich mit den Liberalen immer viel einiger als mit den Conservativen (Heiterkeit), eine Erscheinung, die sich wunderbarer Weise bei mir im Leben überhaupt sehr häufig wieder⸗ holt hat. Das Centrum ist die einzige Partei, von der, glaube ich, kein einziger Herr hier sagen wird, ich hätte mit ihm auch nur ein Wort vorgängig über das Schulgesetz gesprochen oder correspondirt. Ich bitte, mich zu berichtigen, wenn. das nicht richtig sein sollte. Also bei der ganzen Frage kann von einer Beeinflussung in dieser Richtung überhaupt nicht die Rede sein.
Was nun das Handelsgeschäft betrifft, bin ich als ein einfacher Nessort⸗Minister zu derartigen politischen Geschäften überhaupt nicht befugt. Der Herr Minister-Präsident hat sie absolut abgelehnt, und was die Schätzung derartiger Geschäfte anbetrifft, so befinde ich mich völlig in der Verurtheilung derselben einig, sowohl mit dem Herrn Minister-Präsidenten wie mit dem Herrn Vorredner. (Sehr gut! rechts.)
Nun muß ich doch mich wieder etwas rückwärts und zunächst an die Polenfrage wenden. Der Herr Abg. Sattler sagt dem Sinn nach: ich sowohl wie mein verehrter Freund, Excellenz Hobrecht; sind zwar nicht in der Lage, bestimmte Thatsachen anzugeben, wodurch die Regierung eine Aenderung in der Stellung zu ihren polnischen Unterthanen documentirt habe! wir wissen nur die Thatsache der Be⸗ unruhigung. Ja, meine Herren, es giebt doch Beunruhigungen, die begründet sind, und Beunruhigungen die unbegründet sind. (Heiterkeit. Sehr richtig! im Centrum und rechts.) Und für begründete Be⸗ unruhigungen muß es doch Thatsachen geben, die man nennen, be⸗ stimmen kann.
Nun hat sich der Herr Abg. Sattler weiter zurückgezogen als der Herr Abg. Hobrecht gestern, der besonders betonte, die Zustimmung Seiner Majestät zu der Ernennung des Erzbischofs Stablewski tan— gire ihn nicht; er glaube, daß das eine Maßnahme sei, die die Kritik passiren könne. Der Herr Abg. Sattler beurtheilt diese Frage anders. Meine Herren, Sie werden begreifen, daß dies eine An⸗ gelegenheit ist, die eigentlich nicht vor das Forum dieses Hauses gehört, (sehr gut! im Centrum und rechts) und auf die näher einzugehen, auch eigentlich nicht meines Amtes ist. Ich glaube, jeder von uns weiß, daß in derartigen Transactionen nicht der einzelne Ressort⸗ Minister die entscheidende Stimme trägt; aber ich will, soweit ich mit⸗ gewirkt habe, mich in keiner Weise ablehnend verhalten und so, in dieser Beziehung mein kleines Theil vertretend, ganz offen bekennen: wenn ein Mann wie der Erzbischof Stablewski hier in diesem Hause und ebenso vor der Oeffentlichkeit erklärt: ich will Preuße sein, ich will ein loyaler Unterthan meines Königs und Herrn sein, und ich will mit meinem Blut und mit meiner ganzen Kraft eintreten für die Er— haltung der Cultur des Landes, dem ich angehöre, — so weiß ich nicht, wie ein Cultus-Minister einem solchen Mann gegenüber sagen sollte: er ist nicht, wenn sonst auch alle übrigen Dinge stimmen, fähig, eine hohe kirchliche Stellung einzunehmen und es müßte seitens des Staats gegen ihn Einspruch erhoben werden.
Der Herr Abgeordnete ist dann wieder eingegangen auf die Frage des polnischen Privatunterrichts und des bekannten Erlasses vom 11. April. Meine Herren, dieser Erlaß besagt, wie ich schon gestern auszuführen die Ehre hatte, nichts, als was nicht verboten werden kann. Ich glaube, er ist so harmlos, wie nur möglich, und er ist auch in der Ausführung ebenso harmlos geblieben. Die zwei Stunden Privat⸗ unterricht, die an irgend welchen Nachmittagen in der Woche in einer Schule gegeben werden, werden doch wohl kaum Veranlassung bieten, um den im übrigen völlig intact gebliebenen schulplanmäßigen Unterricht in der geringsten Weise zu alteriren. Ja, meine Herren, wer so — ich finde im Augenblick nicht den richtigen Ausdruck — ich will einmal sagen, wer so enge ist und so viel Gespenster in jeder kleinen freiheitlichen Aeußerung der Bevölke⸗ rung sieht., mit dem ist in diesen Fragen überhaupt nicht zu reden. (Sehr wahr! Ich muß sagen, ich kenne doch, glaube ich, Posen auch, nicht bloß der Herr Abg. Sattler aus Hannover (Heiterkeit!), und da habe ich immer gefunden, daß auch die Leute dort, die döllig auf deutschem Boden stehen, mit mir darin übereins—timmten, daß in vielen Beziehungen die Regierung und auch unsere guten Landsleute selbst Gespenster sahen, und daß es dringend nothwendig wäre, diese Gespensterfurcht aus der Welt zu schaffen, einfach weil man die Menschen nicht aus der Welt schaffen kann. Wir müssen in diesen Pro⸗ vinzen zusammen leben; und da, finde ich, ist es besser, daß wir so zusammen leben, daß wir uns gegenseitig ver— tragen, als daß wir unter allen Umständen einen Kampf auf Tod und Leben mit dem Messer in der Hand führen. (Bravo.) Die Staats⸗ regierung hat — die Herren können ja nicht den geringsten Beweis angeben — auch nicht in der kleinsten Form irgend einen Beweis dafür gegeben, daß sie in der Politik, die bisher in Geltung stand, d. h. derjenigen Politik — um mit den Worten des Herrn Abg. Hohrecht zu sprechen —, welche beabsichtigte, auf gesetzlichem Wege deutsche Cultur in ihren Ostprovinzen zu betreiben — eine Aenderung gegen den früheren Zustand eintreten lassen wolle; ich muß den Nach⸗ weis fordern, wenn diese Behauptungen immerzu in das Land hinaus⸗ gestreut werden. (Bravo.) .
Meine Herren, es ist doch wunderbar wenn sman in diesen Dstprovinzen lange gelebt hat, zu sehen, wie leicht sich ein Theil der Bevölkerung gewöhnt hat, ununterbrochen auf die Stüße von oben zu warten, und wie schwer es ihm wird, die Selbständigkeit aus sich heraus zu produeiren, die allein die Sicherheit des Bestandes bietet. (Sehr aichtig) Ich habe in meinen verschiedenen beamteten Stellungen immer her⸗ vorgehoben, man solle nicht bei jeder Vereinsgründung, bei jeder Schulgründung, bei jeder Acußerung des eulturellen Lebens zunächst den Blick nach Berlin werfen und bitten und erhoffen, was von dort
libtralen Presse auch hervorgetreten find: ich soll eigentlich
kommt, sondern man solle sich auf die eigenen Beine stellen und auf