1892 / 26 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 30 Jan 1892 18:00:01 GMT) scan diff

S. M. Kreuzer Möwen, Commandant Corvetten⸗Capitän von Halfern, beabsichtigt heute (30. Januar), von Sansibar nach Bombay in See zu gehen.

S. M. Schiffsjungen⸗Schulschiff Molt ken“, Commandant Capitän zur See Freiherr von Erhardt, ist am 26. Januar in Prinz Ruperts Bay (Insel Dominica) eingetroffen und beabsichtigt, am 7. Februar nach St. Thomas (Westindien) in See zu gehen.

Bayern.

Bei der vorgestrigen weiteren Berathung des Cultus—⸗ Etats in der Kammer der Abgeordneten kam der Cultus⸗Minister Dr. von Müller nochmals auf die Re— demptoristenfrage zurück und betonte gegenüber den An—⸗ riffen der Presse auf seinen Vorgänger von Lutz, dieser habe chon 1872/73 genau den gleichen wohlwollenden Stand— punkt gegenüber den Redemptoristen eingenommen. Schon der Minister von Lutz habe sie vor der Subsumirung unter das Jesuitengesetz bewahrt wissen wollen. Richtig sei, daß der König Ludwig J. erklärt habe: „Die Redemptoristen taugen nicht für Bayern“; dabei habe aber der König Ludwig nicht angenommen, daß sie Politisch anrüchig geworden seien oder den confessionellen Frieden gestört hätten; es seien für ihre Nichtzulassung andere Gründe entscheidend gewesen. Gegenüber den Mittheilungen des Abg. Beckh über eine Mission der Redemptoristen in Suljbach im Jahre 1855 und deren unfriedliche Folgen bezweifelte der

Minister die Richtigkeit der Darstellung; wenigstens sehlten der

Regierung Berichte darüber. Der Minister eitirte Aeußerungen des Fürsten Wallerstein und des Präsidenten Harleß, die den Redemptoristen günstig sind. Die Richtung der bayerischen Redemptoristen seit den 40 er Jahren sei nicht schärfer, sondern milder geworden, und zwar deshalb, weil die Congregation, der anfangs viele Südländer angehört hätten, sich seit Ende der 40er Jahre überwiegend aus Oesterreichern Und Bayern recrutire. Der Minister hielt daher seine früheren Behauptungen uf g. Hierauf wurde die Gesammtherathung des Cultus⸗Etats Cre sen. Inder gestrigen Sitzung besprach bei der Special⸗ Berathung des Cultus⸗Etats der Abg. Orterer die Reform des obersten Schulraths und die damit zusammen— hängenden Fragen, insbesondere die Frage⸗-Aufstellung der . im Cultus⸗Ministerium über das humanistische und das Realschulwesen. Letztere würde er dem obersten Schul⸗ rath noch vorziehen. Redner begrüßte auch die in Aussicht gestellte Reform des philologischen Specialexamens. Von Aenderungen im Schulrath erhoffte er freiere Behandlung der Personalfragen. Der Cultus⸗Minister Dr. von Müller lehnte es ab, auf die Recriminationen gegen die Thätigkeit des obersten Schulraths einzugehen; die Einrichtung als solche habe sich nützlich fuͤr die Schule bewährt und die Aufhebung würde schmerzlich empfunden werden. Natürlich könne der Schulrath nicht ein— seitig zusammengesetzt werden. Der Minister müsse beide Meinungen hören. Von der Beiziehung eines Ver— treters der Lehrer ⸗Bildungsanstalten in den obersten Schulrath versprach sich der Minister keinen Gewinn; da⸗ gen sicherte er der Anregung des Abg. Aub hinsichtlich

er ärztlichen Aufsicht über die Volksschulen volle Beachtung zu. Gegen . im Cultus-Ministerium hatte der Minister verschiedene Bedenken; es müßten mehrere angestellt werden für das humanistische und für das Realschulwesen, für die Universitäten u. s. w., und die juristischen Referenten könnten daneben doch nicht entbehrt werden. Bei einem Mißgriff sei die Anstellung eines Fachreferenten nicht mehr gut zu machen, wahrend juristischen Referenten stets ein geeigneterer Wirkungskreis zugewiesen werden könne. Das philologische Specialexamen in der jetzigen Gestalt sei ein Unicum Bayerns und nicht aufrecht zu halten. Es werde eine neue Form zu suchen sein, bei welcher die wissenschaftlichen Leistungen nicht unberücksichtigt blieben. Die 8000 S als Honorar für den obersten Schulrath wurden hierauf einstimmig genehmigt. J des Cultus-Etats wurde auf Mittwoch angesetzt.

Sachsen. Dresden, 29. Januar. Die Erste Kammer genehmigte in ihrer heutigen Sitzung nach dem Bericht des „Dr. J.“ die Capitel 59 bis 69, 71 und 72 (Departement des Innern) des Staatshaushalts⸗Etats für 1892/93 gemäß den Anträgen der zweiten Deputation.

Baden.

Karlsruhe, 29. Januar, Die Zweite Kam mer setzte gestern die Berathung des Budgets fort und genehmigte Tit. V bis X der Ausgabe und Tit. JI der Einnahme (Ueber⸗ weisungen aus der Reichskasse). ;

Sachsen⸗Weimar⸗Eisenach.

Weimar, 2. Januar. Ihre Majestäten der König und die Königin von Württemberg ö wie die, Weim. Ztg.“ berichtet, heute Mittag 1Uhr mit Sonderzug von Berlin auf dem Bahnhofe hier ein. Dort war eine Compagnie des 1. Ba⸗ taillons des 5. Thüringischen Infanterie⸗Regiments Nr. 94 (Großherzog von Sachsen) unter Befehl des Hauptmanns von Maltzahn mit der Regimentsmusik zur Ehren wache aufgestellt. , , dert anwesend die zum Chrendienst bei Ihren

ajestäten befohlenen Herren; Prinz von Wittgenstein und Lieute⸗ nant von Dobschütz bei Seiner Majestät dem König, Ober⸗Kammer⸗ 9 Freiherr von Rotenhan bei Ihrer gen gar der Königin. urz vor 1 Uhr begaben sich Ihre Königlichen Hoheiten der Großherzog und der e , er geg sowie Seine Hoheit . Bernhard in Galaequipagen zum Bahnhof. Die llerhöchsten Herrschaften . sich ö. Einlausen des ges auf das herzlichste ünd ö. nach Besichtigung der renwache zum 6 Dem Wagenzuge voraus ritten Vorreiter, an der Seite des Wagens, in dem Seine Königliche . der . mit den Majestãten Platz genommen atte, ritt Hofstallmeister Graf Münster. Im Schlosse be⸗

üßten Ihre Königlichen Hoheiten die Großher j ogin und

ie Erbgroßherzogin, umgeben von ihren Hof

taaten, ihre hohen Gaͤste.

Elsahz⸗Lothringen.

Straßburg, 28. Januar, Dem Land esausssch sind nach der „Straßb. Corresp.“ bis jetzt folgende Vorlagen zu⸗ gegangen:

1 Entwurf einer Kreisordnung und 2) einer Gemeindeordnung, beide nebst Begründung; 3) allgemeine Rechnung über den Landes⸗ haushalt von . fur das Etatsjahr 1887/88 nebst den dazu . pecialrechnungen und den fn des Rech⸗ nungshofes des Deutschen Reichs, zur Entlastung; 4 ÜUebersicht der

Ausgaben und Einnahmen der Landesverwaltung von Elsaß⸗Lothringen für das Etatsjahr 1890,91 nebst Anlagen, mit dem Ersuchen, die in der Anlage Vl dieser Uebersicht zusammengestellten und be⸗ gründeten Etatssiberschreitungen und außeretatsmäßigen Ausgaben vorbehaltlich der bis zur Prüfung der Rechnung sich etwa an. er⸗ gebenden Erinnexungen zu genehmigen; 5) Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Festftellung des Landeshaushalts- Etats von Elfaß⸗ Lothringen für das Etatsjahr 1892,93, nebst Anlagen, und 6) Entwurf eines Gesetzes, betreffend Abänderung des Gesetzes uber die Vereinigung des Katasters und die Fortführung des Katasters vom 31. März 1884, nebst Begründung.

Oesterreich⸗ Ungarn.

Seine Majestät der Kaiser Wilhelm ließ, wie „W. T. B.“ meldet, gestern, am Sterbetage des Kron— prinzen Rudolph, durch ein Mitglied der deutschen Bot— schaft am Sarge einen Kranz nieder egen mit der Inschrift: „Dem treuen Freunde Kaiser Wilhelm.“

Anläßlich des Todes der Herzogin Maxrin Bayern ist eine achtwöchige Hoftrauer angeordnet worden; die Trauer wird in den ersten fünf Wochen eine tiefe, in den letzten drei Wochen eine halbe sein.

Die Unterzeichnung der Convention über die Ver— längerung des österreichisch-spanischen Handels— vertrags bis Ende Juni laufenden Jahres ist der „Pol. Corresp. zufolge gestern Nachmittag durch den österreichisch— ungarischen Minister des Auswärtigen Grafen Kälnoky und den ö Botschafter in Wien Merry del Yal erfolgt.

Durch eine heute veröffentlichte Ministerial⸗Verordnung ist die Ausfuhr galizischen Borstenviehs über die Auslandsgrenze wiederum gestattet worden.

Nach den bis heute Vormittag bekannten Wahl— ergebnissen zum ungarischen Reichstage wurden 212 Liberale, 61 Nationale, 73 Unabhängige, 13 Ugronisten und 3 Parteilose gewählt. Außerdem sind 3 Stichwahlen erforderlich. .

Bei den Wahlen in Banffy⸗Hunyad (Siebenbürgen), wo der Kandidat der Liberalen gegenüber demjenigen der Un— abhängigkeitspartei in großem Vortheile war, ir. gestern die Unagbhängigkeitspartei das Wahllokal und zerriß die Wahldocumente. Der ,, und mehrere Anwesende wurden verwundet. Die Gendarmerie mußte von der Waffe Gehrauch machen; drei Personen wurden getödtet, eine Person verwundet. Die Wahl wurde unterbrochen. Eine Militärabtheilung trieb die Volksmenge auseinander.

Frankreich.

Die für heute in Aussicht genommene Veröffentlichung eines Decrets, infolge dessen der Minimaltarif auf Schweden, Norwegen, Belgien, Holland, die Schweiz, Griechenland und auf alle Staaten angewendet würde, die kraft, nicht gekündigter Verträge oder specieller Gesetze gegenwärtig einem Conventionaltarif unterliegen, ist, wie „W. T. B.“ berichtet, da der belgische Senat erst heute über den von der Kammer angenommenen Gesetzentwurf beschließt, auf den 31. Januar verschoben worden. Der Gesandte in Bern, Aragos, wird heute eine Erklärung unterzeichnen, durch welche die literarische und artistische Convention zwischen der Schw 6 und Frankreich verlängert wird. Diese Convention wirh ebenfalls am 31. Januar veröffentlicht werden.

Rußland und Polen.

Gestern Mittag hat in St. Petershurg die Ueber— führung der Leiche des Großfürsten Konstantin Nikolajewitsch nach der Kirche der Peter-Pauls-Festung stattgefunden. In dem imposanten Leichenzuge folgten der Kaiser, der Kronprinz von Schweden und Norwegen sowie die Großfürsten dem Sarge zu Fuß, während die Kaiserin und die Großfürstinnen demselben zu Wagen das Geleit gaben.

Italien.

Auch der italienische Sen at hat nunmehr gestern, und zwar mit 1094 gegen 5 Stimmen, den Handelsverträgen mit Deutschland und Oesterreich-Ungarn seine Zu⸗ stimmung ertheilt. In derselben Sitzung wurd mit 105 gegen 5 Stimmen die Verlängerung des italienisch-spanischen Handelsvertra ges gutgeheißen.

In der Deputirtenkammer veranlaßte ein von Agnini (Socialist) eingebrachter Antrag, den Weizen— zoll von 5 Fr. auf 140 Fr. . eine längere De⸗ batte. Nachdem der Finanz-Minister erklärt hatte, den Antrag nicht annehmen zu können, wurden der Antrag Agnini's sowie ein gleichfalls von der Regierung bekämpfter Antrag des Deputirten Massi, den Weizenzoll auf 3 Fr. herab— zusetzen, mit 167 gegen 49 Stimmen abgelehnt. Ein von Saporito eingebrachter Antrag, der die Billigung der regie⸗ ,, . Erklärungen ausspricht, wurde angenommen. Der Minister⸗Präsident Marchese di Rudini theilte mit, daß er der Kammer demnächst ein Grünbuch über die Pelagosa⸗ . vorlegen werde, und bat den Deputirten Imbriani, eine angekündigte Interpellation bis dahin aufzuschieben, wozu sich dieser bereil erklärte.

Einem Privattelegramm der „Germania“ aus Rom vom 29. d. zufolge hat sich das Befinden des Papstes gestern etwas nerschlechtert

Die internationale Sanitäts-Conferenz in Venedig genehmigte gestern in einer Comitésitzung die Con⸗ vention, welche heute in der Vollversammlung unterzeichnet werden soll. Für die nicht bevollmächtigten Delegirten bleibt das Protokoll vier Monate offen, den Regierungen ist ein Zeitraum von sechs Monaten zur Ratification gelaffen.

Spanien.

Die spanische Regierung hat, wie man dem „W. T. B.“ aus Madrid meldet, die n ihn n Regierung da⸗ von benachrichtigt, daß sie die letzten ihr in der Tariffrage n . i r find ft nicht für genügend erachten könne. a bei der Kürze der noch vorhandenen Frist eine Einigung nicht mehr wahrscheinlich ist, wird vom 1. Februar ab seltens beider Länder der Generaltarif in Anwendung gebracht werden. = Die General⸗Direction der indirecten Steuern hat an die Zoll⸗ ämter ein Telegramm gerichtet, wonach die Ladung der 6hnl fe, welche innerhalb der Frist, die von dem 1. Februar d. J. festgesetzt ist, in einen spanischen Hafen einlaufen, selbft dann nach dem gegenwärtigen Zolltarif behandelt werden soll, wenn sie nach Ablauf der Frist in anderen spanischen Häfen gelöscht wird.

Der Kriegs-Minister hat, der „Köln. Ztg.“ zufolge, kürz⸗ lich in den Cor tes auf eine Anfrage des Abg. Calderon über die Art der Neubewaffnung der Infanterie erklärt, daß die zur Vorberathung der Frage niedergesetzte Commission sich endgültig für das „verbesserte Mausergewehr Kaliber „65 mm“ als für dasjenige entschieden habe, welches sie als das passendste und tauglichste erachte. Bereits seien mit 2009 Mausergewehren Probeversuche gemacht worden, die sich durchaus bewährt hätten; jetzt solle ein Versuch in noch grö— ßerem Maßstabe gemacht und dann zum endgültigen Ankauf vorgegangen werden.

Portugal.

Wie, aus Lissabon über Paris gemeldet wird, hatte der portugiesische Finanz⸗Minister gestern eine Conferenz mit sämmtlichen General⸗Directoren seines Ressorts. Nach derselben Meldung haben alle Steuereinnehmer der Provinz den Auftrag erhalten, ihre Einnahmen am 1. Februar an die General⸗Steuereinnehmer abzuliefern.

Schweiz.

Der Nationalrath hat gestern den schon erwähnten Antrag Curti⸗Zürich, der den Bundesrath auffordert, eine Untersuchung über die Eisenbahnfrage (Eisenbahn⸗ reform und Rückkauf) zu veranstalten, einstimmig angenommen. Bundesraths⸗Mitglied Zemp erklärte im Laufe der Berathung: er betrachte als seine nächste Aufgabe die Reorganisation des von ihm geleiteten Eisenbahn⸗Departements; die Rückkauf⸗ frage müsse zurücktreten vor der Frage der von dem Bunde erstrebten Herstellung der östlichen und westlichen Alpenbahnen. Die nächste Kündigungsfrist für den Rückkauf solle benutzt werden zu einer Aenderung der Con— cessionen im Sinne der , des Betriebs sowie der Auf⸗ stellung anderer Rückkaufsbestimmungen und anderer Be— stimmungen über die Tarife, die Amortisation und die consoli⸗ dirten Anleihen. Im Ständerath wurde ein mit dem Antrage Curti's im Nationalrath identischer Antrag Cornaz-⸗ Neuenburg angenommen. Ferner genehmigte der Ständerath die Verlängerung des Handelsvertrages mit Spanien bis zum 36. Juni.

Belgien.

Die Repräsentantenkam mer hat gestern einen Gesetz— entwurf angenommen, durch welchen die Regierung ermächtigt wird, die Handelsbeziehungen mit denjenigen Staaten, deren Handelsverträge mit Belgien ablaufen, provisorisch zu regeln. Vor der Abstimmung erklärte der Minister⸗Präsident Beernaert, es würde eines Specialgesetzes bedürfen, um die Eingangszölle abzuändern, die Situation bleibe darum so wie sie jetz; sei. Die Regierung werde nur provisorisch unter— handeln, und die Kammer die Controle behalten. Im weiteren Verlaufe der Sitzung genehmigte die Kammer die Credite für die Vollendung der Maaßbefestigungen.

Einem Telegramm des „Hamb. Corr.“ aus Brüssel von gestern zufolge, hat der Senatsausschuß den vom Herzog d Ursel erstatteten, die Genehmigung des deutsch⸗belgischen Handelsvertrags beantragenden Bericht mit vier gegen eine Stimme angenommen.

Griechenland.

Aus Athen wird der Tod des früheren griechischen Gesandten am Kaiserlichen Hofe in Berlin Alexandros Risos Rangabsé gemeldet. Der Verstorbene hat diesen Posten, auf dem ihm sein ältester Sohn Cléon Rangabs jetzt nachgefolgt ist, vom Jahre 1874 bis 1886 bekleidet. Von 1866 bis 1859 war er Minister des Aeußern, dann seit 1867 Vertreter Griechenlands in Washington und Paris gewesen, und im Jahre 1878 wurde er neben dem Minister Delisannis als zweiter Be⸗ vollmächtigter Griechenlands zu dem Berliner Congreß delegirt. A. R. Rangabs hat sich auch als fruchtbarer Dichter, kenntniß⸗ reicher Literaturhistoriker, feinsinniger Uebersetzer und Archäolog einen Namen gemacht. Eine Sammlung seiner Werke ist seit 1874 in Athen erschienen. Er war im Jahre 1810 in Constantinopel geboren. ö

Bulgarien.

Das Befinden des Ministers Stambulow ist, wie W. T. B.“ meldet, andauernd ein befriedigendes, sodaß die Ausgabe von täglichen Bulletins eingestellt worden ist. Die Wunde beginnt zu vernarben und zeigt keinerlei gefähr⸗ lichen Charakter. Dr. Eiselsberg ist nach Wien zurückgereist; er erklärte, daß eine Operation behufs Auffindung der Kugel unnöthig sei.

Montenegro.

In Cetinje fand gestern nach einer Meldung des „W. T. B.“ ein feierliches Requiem für den Großfürsten Constantin Nicolajewitsch statt. Es ist eine vierzehn⸗ tägige Hoftrauer angeordnet.

Schweden und Norwegen.

(F) Stockholm, 27. Januar. In beiden Kammern des Reichstags fand . die erste Lesung des ud getentwurfs für das Jahr 1895 statt. In der Ersten Kammer eröffnete Landes⸗Hauptmann Bergström die Verhandlungen, indem er hervorhob, daß nicht der vorliegende Finanzplan, sondern die weit wichtigere Frage wegen der unionellen Verhältnisse zwischen Schweden und Norwegen ihn veranlaßt habe, an den Verhandlungen sich zu betheiligen. Nach einer kurzen Darstellung der politischen Vorkommnisse, über welche zwei vorgelegte Staatsrathsprotocolle Mittheilung machen, bezeichnete Redner es als die Pflicht der Volksvertretung, in Veranlassung der Meinungsverschiedenheit zwischen den schwedischen und nor⸗ wegischen Rathgebern der Krone, ihre Ansicht zu äußern. Die unionellen Verhältnisse dürften nicht vom einseitigen Stand⸗ punkte behandelt werden, aber er sei überzeugt, daß seine An— khr e fn . Minister des Aeußern und gemeinschaft⸗ liche Gesandtschaften bei fremden Mächten seien durch die zwischen Schweden und Norwegen bestehende Vereinigung bedingt, nicht nur von dem ganzen schwedischen Volke, sondern auch von allen politisch gebildeten Personen in Europa getheilt werde. Die rechtmäßigen Ansprüche Norwegens wegen voller Gleich⸗ berechtigung würden auf der Basis gemeinschaftlicher Minister des Aeußern und gemeinschaftlicher Gefandtschaften gewiß anerkannt werden. Unter dem lebhaften Beifall der Lammer äußerten sich dann Hofmarschall Reuters värd und Freiherr Klinkowström in ähnlichem Sinne, worauf der Finanz=

gesetzentwurf einstimmig, an den Staatsausschuß überwiesen

wurde. = In der Zweiten Kammer eröffnete der Abg. Lyttkens die Debatte, indem er es für ,, daß die Streitfrage wegen der auswärtigen Angelegenheiten von schwedischer Seite aufgenommen worden sei; nün es aber ge⸗

schehen sei, wolle er sich offen der Erklärung des Ministers bes Aeußern anschließen, daß die Bewilligung eigener norwegischer Gesandtschaften der erste Schritt zur Auf⸗ lösung der Union seien. Nach, weiterer Debatte über diesen Punkt und über die Finanzverhältnisse erfolgte auch von dieser Kammer die einstimmige Ueberweisung des Finanzgesetzentwurfes an den Staatsausschuß. Schließlich wurde eine ganze Reihe von Anträgen eingebracht. Nach dem Gesetzentwurf wegen Herabsetzung des Getreide⸗ zolles im Jahre 189 auf 50 Oere und des Mehlzolles auf „40 Kronen per 100 kg wird auch die Wiedererstattung des Jolls bei der Ausfuhr von Brot und Mehl zwei Monate nach der Annahme des Gesetzes entsprechend ermäßigt werden.

Gestern verwies die Erste Kammer die von der Re⸗ gierung vorgelegten Gesetzentwürfe, betreffend die Reorga— nisation der Armee, die Abschreibung der Grund— steuern, die Bewilligungen u. s. w., an einen besonderen Ausschuß .

In der Zweiten Kammer wurde gestern von den Abgg. Beckman und Genossen ein von fast allen Freihändlern der Zweiten Kammer unterzeichneter Antrag wegen vollständiger Rufhebung der Getreidezölle eingebracht.

Der Bewilligungsausschuß des Reichstags hat schon gestern die Genehmigung der mit Frankreich abgeschlossenen Con— vention, betreffend die theilweise Verlängerung des Han— dels- und Schiff ahrtsvertrags vom 30. September 1881, beantragt.

Heute wurde dem Reichstage der neue Zolltarif vor— gelegt, der von einer unter dem 18. Juni 1885 niedergesetzten Zollcommission vorberathen worden ist und der mit Ablauf der bestehenden Tarifverträge, am 24. Februar 1892, in Gel⸗ tung treten soll. Der Entwurf, über den das Commerzeolle— gium und die Generalzollverwaltung sich gutachtlich geäußert haben, enthält nur in zwei Punkten wesentliche Veränderungen, nämlich bezüglich der Artikel Eisenbahnschienen und Zucker. Eisenbahnschienen sollen zollfrei bleiben und der Zoll auf Zucker und Syrup soll in Uebereinstimmung mit dem Vorschlage der beiden genannten Behörden unverändert bleiben.

Parlamentarische Nachrichten.

In der heutigen (161.) Sitzung des Reichstags, welcher die Staatssecretäre Dr. von Boetticher und Hollmann beiwohnten, wurde in zweiter Berathung der zweite Nachtrag zum Reichshaushalts-Etat für 1891,92 ,, der Budgetcommission gemäß unverändert be⸗ wil ligt. . .

Eine Aeußerung des Abg. Richter (dfr.) veranlaßte den Commissar der Marineverwaltung, Capitän z. S. Büchsel zu der Erklärung, daß die Erwerbung und Befestigung Helgolands keinen abändernden Einfluß auf die Durchführung des Flottengründungsplans ausüben könne, und den Staats— secretär Hollmann zu einer ausführlicheren Bestätigung dieser Auffassung. Abg. Graf von Arnim (Rp.) sprach in demselben Sinne, während die Abgg. Singer (Soc.,) und Bebel (Soc.) mit ihrer geringen Schätzung der befestigten Insel nicht zurückhielten und den nachdrücklichen Widerspruch des Abg. Dr. von Frege hervorriefen. (Schluß des Blattes.)

In der heutigen (9. Sitzung des Hauses der Abgeordneten, welcher der . des Staats⸗Ministeriums, Reichskanzler Graf von Caprivi und der Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten Graf von Zedlitz beiwohnten, ehrte das Haus das Andenken des heute Morgen am Lungen⸗ gh verstorbenen Abg. Dr. Mithoff durch Erheben von den Sitzen.

Die erste Berathung des Entwurfs eines Volks— schulgesetzes wurde fortgesetzt.

Abg. Stöcker (cons.) vermißt bei den Freiconservativen die volle Würdigung der Kirche, bei den Nationalliberalen und Freisinnigen die volle Würdigung des Christenthums. Die Schule brauche eine gesunde ,, und dies könne nur die christliche sein. Wegen der internationalen Socialdemokratie brauche man eine erziehende Macht, welche ebenso international sei, also das Christenthum. Die Religion erfülle den ganzen Menschen, beflügele die Vernunft zu höheren Ideen und stärke den ganzen Menschen. Künstlich eine Erregung in das Volk zu hringen, sei leicht. Jetzt sei die günstigste Zeit, ein Schulgeseßz zu machen. Die Schule werde der Kirche nicht ausgeliefert; die Kirche sei doch nicht Sache, der 1. sondern des Volks und der bürgerlichen Gesellschaft, sie solle Unsittlichkeit und Umsturz bekämpfen. Mit den Nationalliberalen sei eine Ver— ständigung nicht möglich, da sie die Vorlage schon vor ö. Erschelnen bekämpft hätten. Die erste Stelle bei der Erziehung der Kinder hätten die Eltern, die zweite Stelle die Gemeinde, die dritte die Kirche und endlich die vierte der Staat. Das Centrum erkenne durch Annahme der Vorlage an, daß, die Staatsaufsicht mit der katholischen Kirche dereinbar sei, damit werde der Kampf um die Schule beseitigt. Für die Stellungnahme der National⸗ iberalen seien politische Gründe maßgebend, man wolle die liberalen ar mobil machen. Die Regierung habe die Nationalliberalen mehr . als diese die Regierung. Den Vorwurf des Atheismus habe der Minister-Präfident nicht gegen die Nationalliberalen gerichtet, aber die national— liberale Presse habe während des Culturkampfs dem Anti⸗ christenthum Vorschub geleistet, worin die Socialdemokrgtie ihre Nahrung gefunden habe. Wenn die Regierung in diesem Kampf um Kirche und Schule fest bleibe, so werde das zum Siege einer gesunden n Pädagogik führen.

Abg. Knörcke nahm die Liberalen gegen den Vorwurf des Atheismus in Schutz. Seine Auffassung über das Fhristenthum weiche allerdings von der des Herrn Stöcker ab. Wolle die Re ierung hier ebenso wie bei den Kornzöllen gegen den Strom schwimmen, . handele es sich hier och um geistige Interessen, die sich das Volk nicht beein— trächtigen lassen werde. Die Erre ung im Volke sei nicht künstlich . wenn auch das Volk nicht jede Einzelheit der Vorlage enne, so sei ihm doch der Geist der Vorlage bekannt. Der Eni— wurf gehe weit zurück hinter die Gese gebung anderer Staaten nd lüäse zu Gunsten der . en und stagtlich⸗ pur eaulralischen Rücksichten eigentliche Schulfragen ungelöst, wie e Frage der Fortbildungsschülen und theilweise auch der Lehrer⸗ 9 oldung. Redner ging auf einzelne Bestimmungen des Entwurfs ö i und. erblickte darin einen Damm gegen die Socialdemokratie, . ein . der heutigen socialdemokratischen Führer sei Heng katholisch , erzogen. Die Wirkung dieses

efehes werde ein wachsender chrermangel sein

Der Präsident des Staats⸗Ministeriums, Reichskanzler Graf von Capri vi erklärte, daß er gestern nicht einer Partei Atheismus vorgeworfen habe. Er habe gesagt: „Ich glaube, es han⸗ delt sich in letzter Instanz nicht um katholisch und evangelisch, sondern um christlich und atheistisch. Für die letzte Instanz halte er die nationalliberale Partei nicht. Der Kampf werde nach seiner Ueberzeugung über den Boden der jetzigen Kämpfe weit hinausgehen. Wenn Herr Knörcke eine höhere Auf— fassung vom Christenthum haben wolle als er, so gebe es für solche Dinge keinen Maßstab, und er verzichte daher auf einen Disput darüber. Staat und Kirche könnten in Deutschland nicht von einander getrennt werden. Wenn der Abg. Rickert neulich auf die religionslosen Schulen in Schott⸗ land, dem religiösesten Lande der Welt hingewiesen habe, so könnte Deutschland, wenn es das religiöseste Land der Welt wäre, wohl dasselbe riskiren; bei unseren Verhältnissen würden wir aber durch religionslose Schulen den Rest von Religion, den wir noch haben, in den unteren Volksschichten gefährden. Herrn Friedberg wolle er nicht mit ebenso starken Worten erwidern, wie dieser gesprochen habe. Wenn Herr Friedberg sich über eine Majorisirung der liberalen Parteien beklage, so frage er, ob denn die liberalen Parteien ein verfassungs⸗ mäßiges Recht hätten, nicht durch eine Majorität über⸗ stimmt zu werden. Das Schicksal der Vorlage könne noch gar nicht vorausgesehen werden, sie könne hier amendirt werden und auch, wie die Landgemeindeordnung und das Einkommen— steuergesetz, zwischen Herrenhaus und Abgeordnetenhaus hin und her geschoben werden. Er habe den National⸗ liberalen nicht den Krieg erklärt, er habe ja nicht voraussehen können, daß man sich mit dem Gedanken an eine große liberale Partei beschäftige. Der „Hannoversche Kurier“ habe aber der Regierung den Krieg erklärt, bevor er noch hier ein Wort gesprochen. Die Folgen einer neuen liberalen Partei könne er nicht voraussehen; vielleicht trete eine zweite Secession nach links, vielleicht auch nach rechts ein. Die „National⸗Zeitung“ sage heute Morgen, der Abg. Friedberg habe gestern der Regierung Gelegenheit gegcben, den guten Willen der Partei zu acceptiren. Er wolle das anerkennen, ebenso wie vielleicht aus gestrigen Zwischenrufen hervorgehe, daß die Nationalliberalen zur Mitarbeit am Gesetze bereit seien und der Gedanke einer neuen liberalen Partei nur eine Seifenblase sei.

Abg. Dr. Friedberg bezeichnete die Ausführungen des Reichskanzlers über die große liberale Partei als bloße Com— binationen; namentlich habe Herr von Bennigsen nichts der— gleichen gesagt. Der Vorwurf, daß seine Partei dem Atheismus Vorschub leiste, habe sie kränken müssen. Seine Partei werde majorisirt, wenn sie bei einer so wichtigen Frage gar nicht gefragt werde. Die versöhnenden Worte des Reichskanzlers erkenne er gern an, aber nach der Rede des Herrn von Buch habe seine Partei die Hoffnung auf Amendirung der Vorlage in ihrem Sinne aufgeben müssen.

Bei Schluß des Blattes spricht der Abg. Rickert.

Die Commisfsion für die Geschäftsordnung des Reichstags beantragt, die Genehmigung zur Fortsetzung von Privatklageverfahren gegen den Abg. Werner während der Dauer der gegenwärtigen Reichstags-Session nicht zu ertheilen und zu erklären, daß das Mandat des Abg. Landgerichts⸗Raths Brünings durch die Verleihung des Titels, Ranges und Gehalts sowie der Rechte eines Ober⸗Landesgerichts-Raths nicht erloschen sei.

In der Budgeteommission des Reichstags wurde heute die Debatte über die neuen Forderur gen für die RLebungen der Mannschaften des Beutrlaubtenstandes fortgesetz, Abg. Richter beantragte, die ganze geforderte Summe zu streichen. Abgg. Dr. Hammacher und Graf Ballestrem beantragten, die Kosten für das vierte Armee⸗Corps bei dem Kaiser⸗Manöver, (3229 Mann) zu streichen, die übrige Forderung dagegen zu bewilligen. Der Antrag Richter wurde abgelehnt, der Antrag Hammacher ange⸗ nommen. Bei Cap. 28 (Garnison⸗Bauwesen) werden fünf neue Stellen für Intendantur⸗Bauräthe gefordert. Referent von Keudell empfahl die Ablehnung der bezüglichen 25 500 S., Nachdem die Abgg. Hinze (dfr. und Graf Ballestrem (Centr.) sich für Be⸗ willigung ausgesprochen, wurde die Position genehmigt. Die Be⸗ rathungen der Commission werden am Montag fortgesetzt.

Entscheidungen des Ober⸗Verwaltungsgerichts.

Die Wahrung des öffentlichen Interesses steht im allgemeinen und insbesondere in Bezug auf das Wegewesen den Organen der Polizeigewalt zu, und nur auf bestimmten einzelnen polizeilichen Ge⸗ bieten ist den Interessen des Einzelnen neben dem öffentlichen Interesse durch besondere gesetzliche Bestimmungen ein nach Zweck und Inhalt genau abgegrenzter Rechtsschutz im Streit verfahren oder einem ähnlichen tontradictorischen Verfahren eingeräumt. Derartige Bestimmungen be—⸗ stehen —wie das Ober-Verwaltungsgericht, Vierter Senat, in dem Erkenntnisse vom 20. Oktober 1891 (IV 975) ausführt für das Wegerecht nicht. Glaubt deshalb jemand, daß die Polizei zur Ungebühr die erforderlichen Maßnahmen zur Fortführung oder Unterhaltung eines Weges unterlassen hat, so hat er nicht etwa ein Klagerecht gegen die Polizeibehörde, sondern es steht ihm nur frei, bei der Aufsichtsbehörde Abhilfe nachzusuchen, und von dem Ermessen der letzteren hängt es allein ab, ob und in welchem Umfange zu seinen Gunsten vorzugehen sein möchte.

Der Eingang des F 56 in Verbindung mit 8 958 des Hannoverschen Wegegesetzes vom 28. Juli 1851 bestimmt, . alle in die Linie der Gemeindewege aufgenommenen älteren öffent⸗ lichen Wege und Brücken der nach 5 24 a. 4. O, rücksichtlich der oben⸗ genannten Wege pflichtigen Gemeinde zur Last fallen. Ausgenommen pon dieser Regel sind nach S 56 Nr. 2 jedech Brücken behufs solcher künstlicher Anlagen und Vorrichtungen, welche für einen dem Gemeinde wege fremdartigen Zweck bestehen'. Solche Brücken bleiben nach & 57.4. 4. O. dem bisherigen Verpflichteten zur Last. In einer Streitsache hatte ein Bezirköausschuß in der Begründung seiner Ent— scheidung in. Uebereinstimmung mit der Rechtsprechung des früheren Appellationsgerichts zu Celle a t, . diese Bestimmung nur dann in Wirksamkeit trete, wenn eine solche Brücke zur Zeit des In— krafttretens des Hannoverschen Wegegesetzes ausschließich für einen dem Wege fremdartigen Zweck bestanden habe. Sollte dieses richtig und die Anwendbarkeit der Ausnahmebestimmung in dem Fall ausge— schlossen sein, daß die Brücke gleichzeitig dem Verkehre dient, so würde sich wie das Königliche Ober⸗Verwaltungsgericht, Vierter Senat, in einer Entscheidung vom 1. Oktober 1391 (IV 834) ausführt ein Fall der Anwendbarkeit des Gesetzes überhauyt nicht denken lassen, da es eben Brücken, welche im Zug eines Weges liegen, aber ausschließlich fremdartigen Zwecken dienen, nicht giebt. Es kommt vielmehr nur darauf an, ob die Brücke zu einer Zeit angelegt ist, als der Weg schon bestand, oder ob der im vorliegenden Falle künstliche Wasserlauf ebenso wie der Weg einschließlich der Brücke schon seit uralter Zeit bestanden haben. Im ersteren Falle verbleibt gemäß S 57 Nr. 2 des ge⸗ nannten Wegegesetzes die Pflicht der Brückenunterhaltung bei dem „bisher“ dazu Verpflichteten.

Kunst und Wissenschaft.

In der Donnerstag⸗Sitzungl des Vereins für deutsches Kunstgewerbe berichtete Herr Geheimer Ober⸗Regierungs⸗Rath Lüders über den Delegirtentag der deutschen Kunstgewerbevereine, welcher in Hannover zur Berathung über die Welt⸗Ausstellung in . zusammengetreten war: Der Reichscommissar habe möglichste Berücksichtigung der von den Ausstellern zu äußernden Wünsche zugesagt. Jedoch sei es nöthig, bevor seitens des Reichs die erforderlichen Schritte gethan werden, die Anmeldungen anzubringen und dabei die etwaigen besonderen Wünsche und Bedingungen einzeln anzugeben. Die bisher erschienenen Drucksachen geben im allgemeinen ausreichende Information. Unausführbar sei die Leitung der kunst⸗ gewerblichen Abtheilung durch den Verband der Vereine, unzweckmäßig eine Gruppirung nach Vereinen oder Ländern; es empfehle sich viel⸗ mehr eine einheitliche Ausstellung für das Reichsgebiet, wodurch aber nicht ausgeschlossen werde, daß sich eine größere Zahl ven Kunst⸗ gewerbtreibenden, wie dies z. B. in München beabsichtigt wird, im allgemeinen Rahmen zu einer Collectivausstellung vereinigt. Der Vorstand hat eine Commission von neun Mitgliedern für die Be⸗ arbeitung der Ausstellungs⸗Angelegenheiten eingesetzt. Herr Fabrikant Leichner legte Projecte und Pläne der bevorstehenden Aus⸗ stellung für Theater und Musik in Wien vor, lud alle interessirten Kreise zu reger Beschickung ein und gab der Hoffnung Ausdruck, daß die deutsche Abtheilung würdig vertreten sein und daß den aufgewendeten Bemühungen entsprechender Lohn in Eröffnung neuer Handelsverbindungen mit Oesterreich erwachsen werde. Herr Thiele besprach das Ergebniß der Dezember-Con⸗ currenz (Entwurf einer Tischdecke). Aus der Concurrenz für

lacatentwürse, welche der Verein zum 15. d. M. ausgeschrieben atte, sind als Sieger hervorgegangen die Herren: (J. Preis) Wilh. Wallrodt in Nürnberg, (2. Preis) Maler Max Seliger hier (wei⸗ mal) und Max Walther Schmidt in Dresden, (3. Preis) Zeichner Richard Waller hier, Akademiker Ludw. Gaßner und Paul Hetze, beide in München. Herr Maler Max Seliger hatte eine große Reihe vortrefflicher Reiseskizzen, Decorationen aus süddeutschen Schlössern u. a., ausgestellt.

In der Sitzung des Elektrotechnischen Vereins am 26. Januar sprach der Ober⸗Telegraphen⸗Ingenieur Dr. Strecker in einem ausführlichen Vortrage über den Schutz der Fernsprech⸗ leitungen gegen Induction. Der Vortragende ging bei seinen klaren und allgemein verständlichen Erörterungen der schwierigen Frage von dem Grundsatze aus, daß die elektrische Induction, die eine Leitung auf eine benachbarte ausübt und die durch Wechsel elektrischer und magnetischer Zustände hervorgerufen wird, als Strahlung zu be⸗ trachten sei. Diese Strahlung hängt in ihrer Stärke von der Stärke des Wechsels der Aenderung, welche stattfindet, ab. Die Stärke der Aenderung in dem inducirenden Leiter wird durch die Geschwindigkeit der Aenderung bedingt. An der Hand dieser Grundlagen wurde der große Unterschied nachgewiesen, welcher zwischen den störenden Strahlungen besteht, die eine Fernsprechleitung auf eine andere, und die eine Starkstromleitung auf Fernsprechleitungen aussendet. Stark⸗ stromleitungen mit i fe ss lr besitzen aber eine vieltausendfach stärkere Strahlung als Fernsprechkeitungen mit telephonischen Strömen. Vollständigen Schutz gegen die störende elektrische Strah⸗ lung oder Induection gewährt nur die vollständige Umkleidung der Leitung mit Metallhüllen, wie sie bei Kabeln vorkommen; für ober⸗ irdische blanke Leitungen giebt es keinen vollkommenen Schutz. Nach näherer Erörterung der Bedingungen, die geeignet sind, um für solche Leitungen wenigstens einen ausreichenden Schutz herbeizuführen, da eine leitende Umhüllung sich nicht in beliebig großem Maßstabe ausführen läßt, gelangte der Vortragende zu folgenden Schlüssen: 1) Die Anordnung zu einer Doppel⸗ leitung bietet keinen ausreichenden Schutz gegen Induction. 2) Gegenüber einer einfachen Starkstromleitung giebt es keinen aus— reichenden Schutz gegen Induetion. 3) Gegenüber einer Starkstrom⸗ Doppelleitung giebt es nur einen Schutz in dem Sinne, daß durch die Fernsprechleitung der Starkstromleitung der Platz angewiesen wird. 4 Gegen Induction aus einer Drehstromleitung giebt es keinen Schutz. Bei der sich entwickelnden lebhaften Discussion wurden die erhobenen Einwendungen unter Hinweis auf die in der Telegraphen⸗ Verwaltung gemachten Erfahrungen, welche die Schlußfolgerungen be⸗ stätigt haben, widerlegt. Die nächste Vereinssitzung findet Dienstag, den 23. Februar statt.

In Leipzig hat am 28. d. M. in der Aula des „Gollegium Juridicum“ der dortigen Universität in Gegenwart des Gultus⸗ Ministers und der gesammten juristischen Facultät die feierliche juristische Doctorpromotion Seiner Königlichen Hoheit des Prinzen Maxäwvon Sachsen, dritten Sohnes des Prinzen Georg, stattgefinden. Das dem Prinzen Georg überreichte Doctordiplom auf Pergament beurkundete, wie das „Dresd. Journ.“ meldet, daß die Verleihung des Doctorgrades auf Grund der „rité“ und „summa eum laude * erfolgten Leistungen des Promovirten geschehen sei. Der

rinz war Ostern 1890 gleichzeitig mit seinem Bruder, dem Prinzen Johann Georg und . wie dieser als stud. jur. et cam. an der Universität Leipzig inseribirt worden, hatte in den letzten drei Semestern seine Studien vollendet und hat diese nun mit rüähmlicher Erlangung der Doctorwürde glänzend abgeschlossen.

Verkehr s⸗Anstalten.

In den Worttaxen für die über Em den Valentia nach Süd⸗Amerita zu befördernden Telegramme sind einige Aenderungen mit theilweiser Ermäßigung der Beträge eingetreten.

Es werden erhoben für ein Tarwort

) nach Chile (über Galveston):

Conception, Iquique, Lota, Osorno, Pisagua, Santiago, Talcahuano, Valparaiso 7 den übrigen Anstalten

2) nach Ecuador (über Galveston)

. nag 6 u lüber Galveston):

Callao, Catacoas, Chorrillos, Jea, Lima, Payta, Pisco, Piura, Trujillo den übrigen Anstalten 4 nach Französisch Guvana (über Key⸗West): Cayenne den übrigen Anstalten

Brem en, 28. Januar. (W. T. B.) Norddeutscher Lloyd. Der Schnelldampfer Lahn“ ist gestern Vormittag in Sout⸗ hampton eingetroffen und um Mitternacht wieder weitergefahren. Der Dampfer Karlsruher ist gestern und der Dampfer Preußen“ heute in Bremerhaven, der Schnelldampfer „Saale“ um Mitternacht in Nordenham angekommen. Der Dampfer, Olden⸗ burg ist gestern von Baltim ore abgefahren.

Ham burg, 29. Januar. (W. T. B) Ham burg-⸗Ameri⸗ kan ĩfche Packet fahrt⸗Actiengesellschaft. Der Postdampfer „Sean dia“ ist, von New⸗York kommend, heute Nachmittag auf der Elbe eingetroffen.

London, 29. Janugr. (W. T. B.) Der Union⸗-Dampfer Mexican! ist auf der Ausreise gestern in Capetown angekommen.

Theater und Musik.

. Residenz⸗Theater. .

Gestern Abend wurde Guy de Maupassant's Sittenbild „Musette. zum ersten Male aufgeführt und erfuhr zum theil recht 6 en Widerspruch, der trotz des lauten a . klatschens eines Theils des Publikums nicht als unberechtigt bezeichnet werden kann. Was sich Sittenbild nennt, ist vielmehr ein , ,. aus der französischen Gesellschaft; dabei ist das Drama nicht einmal geschickt aufgebaut, und manche Scenen sind um der Vermischung des Niedrigen und Rührenden willen abstoßend und häßlich. ie das Schauspiel uns deutsch eutgegentritt, wird der Witz häufig durch Dreistigkeit in der Wortwahl ., und an Stelle des fein geistigen Fluidums, das der Franzose Esprit nennt, und welches in den Sittendramen höher