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Hauptwerth lege ich auf eine Stimme, die mir heut zugegangen ist, und die sich abgedruckt findet in der Beilage zu Nr. 2 der „Amt—⸗ lichen Nachrichten der Invaliditäts- und Altersversicherungs-Anstalt Hannover‘. Da ist eine Ansicht des Ober-Inspectors dieser An—⸗ stalt enthalten, welcher sich mit der Frage beschäftigt, ob die Alters- und Invaliditätsversicherung nun wirklich in ihren Wohlthaten so hoch anzuschlagen sei gegenüber der Versorgung, die auf dem platten Lande bisher schon die alten Leute gefunden haben, und er zieht da in Parallele einerseits den Betrag ver Leib— zucht, des Altentheils, der auf dem Lande in den einzelnen Di⸗ stricten der Provinz Hannover gewährt zu werden pflegt, und anderer⸗ seits die Altersrente. Ich kann natürlich auf die Details dieses sehr eingehenden Aufsatzes nicht eingehen, aber ich möchte doch als das Zeugniß eines Mannes, der doch auch mit offenen Augen gesehen hat, der seine Forschungen auf dem platten Lande gemacht und hier nun das Resultat dieser Forschungen niederlegt, einige Worte verlesen. Der Mann sagt Folgendes:
Die früher wohl vernommene wegwerfende Aeußerung von Gegnern des Gesetzes unter den Arbeitern, daß „diese wenigen Pfennige nur ein Almosen seien, zu wenig zum Leben und zu viel zum Sterben, daß damit nichts anzufangen sei“ u. s. w. ist jetzt verstummt, seitdem der Werth einer solchen festen Monatseinnahme für die Alten auf dem Lande durch die Beobachtung der Wirkung ihrer Verwendung allseitig anerkannt worden ist.
Und weiter sagt er: -.
Nicht allein, daß die bisherigen wirklichen Bezüge, zu Gelde gerechnet, die Altersrente oft kaum erreichen und selten erheblich höher gehen, sondern vor allem, die Rente wird den alten Arbeitern im Dorfe jetzt ohne ihr Zuthun regelmäßig monatlich im voraus gezahlt, ohne Verdruß und Streit und bis zu dem Tode; sie können dieses Geld verzehren, wo es ihnen beliebt, ohne an den oft wenig angenehmen Aufenthalt bei den Kindern oder Schwiegerkindern gebunden zu sein; sie finden mit dieser festen und sicheren Einnahme, die ihnen niemand nehmen darf, überall offene Thüren und gute Behandlung — dieses und noch anderes giebt der Rente, gegenüber den oft so fragwür— digen, ja bitteren Altentheilsbezügen, einen erhöhten Werth, so sehr, daß mancher kleinere Besitzer, der vor der Stellenabgabe steht, sich mir gegenüber dahin äußerte: „Die alten Leute seines Dorfes hätten es als Rentenempfänger weit besser, als die kleineren Besitzer, die am Lebensabend auf ihren Altentheil angewiesen seien.“
Nun, meine Herren, dies Zeugniß spricht wahrlich nicht gegen die Alters- und Invaliditätsversicherung.
Es ist nach den uns zugegangenen Stimmen gan; unzweifelhaft, daß da, wo man die Sache richtig angefangen hat, schon heute ihr Werth anerkannt wird, und daß da auch die Unbequemlichkeiten nicht allzu sehr empfunden werden. Noch heute Morgen war ein früheres hochgeschätztes Mitglied dieses Hauses bei mir, der Vorsteher der Communalverwaltung einer größeren Stadt. Ich richtete an ihn die Frage: Wie steht's mit der Alters- und Invaliditätsversiche⸗ rung; ist bei Ihnen Unzufriedenheit darüber? Und da sagte er:
s steht vortrefflich, und von Unzufriedenheit ist in meinem Heim⸗ wesen auch noch nicht eine einzige Stimme laut geworden. Darauf setzte er mir auseinander, daß in dieser Commune von der Facultät des 5 112 Gebrauch gemacht worden sei, daß man dort das ganze Klebegeschäft auf die Communalverwaltung übernommen habe, und als ich nach der Belastung fragte, ob denn das nicht sehr theuer wäre, da hat er gesagt: Nein, die Sache läßt sich halten. Natürlich kostet das Geld, wir haben Rechnungsführer angestellt, die fungiren gleichzeitig als Rechnungsführer bei der Krankenkasse, sind also nur im Nebenamt in diesem Geschäft und dadurch macht sich die Sache erheblich billiger. Und nun habe ich ihn weiter gefragt: Wie steht es denn mit den unständigen Arbeitern? sind da nicht Un— bequemlichkeiten vorgekommen? Da hat er mir gesagt: „Für diese unständigen Arbeiter bezahlen wir allerdings aus der Kämmereikasse den Betrag, den die Arbeitgeber zahlen müssen. Und als ich ihm entgegengehalten habe, daß dies doch unter Umständen eine recht hohe Belastung der Kämmereikasse involviren könne, hat er mir erwidert: Erfahrungsmäßig betrüge dieser Theil der Ausgaben nur einige Hundert Mark im Jahre. Sein Gesammturtheil ging dahin, daß die Invaliditätsversicherung nicht allein in ihrer Organisation be— friedige, sondern auch in der Empfindung der Bürger seiner Stadt einen durchaus guten Boden gefunden habe.
Nun, meine Herren, komme ich auf den Punkt, den der Herr Abg. Grillenberger neulich berührt hat, und den ich vergaß, in meiner Er— widerung auf die Ausführungen des Herrn Abg. Grillenberger zu berühren, und über den auch heute der Herr Abg. Hitze gesprochen hat, das ist nämlich die Entwerthung der Marken. Ich gebe dem Herrn Abg. Grillenberger zu, daß ich früher bei der Berathung des Alters— und Invaliditätsgesetzes mich auf den Standpunkt gestellt habe, und zwar in Uebereinstimmung mit der Auffassung der verbündeten Regierungen, daß vermieden werden müsse, durch die Quittungs⸗ karte ein Arbeitsbuch herzustellen und dem Arbeiter bezüglich seines Fortkommens Ungelegenheiten zu schaffen. Diese Auffassung theile ich auch heute noch. Auch heute noch wünsche ich ver⸗ hindert zu sehen, daß die Quittungskarte ein Arbeitsbuch wird. Sie ist dazu nicht bestimmt. Nun hatte der Bundesrath in gewissenhafter Auffassung dieses Zweckes bestimmt, daß die Entwerthung erfolgen solle durch einen Strich. Meine Herren, die kurze Praxis der Hand— habung des Gesetzes hat aber ergeben, daß dieser Strich wirklich nicht genügt und eigentlich so gut wie keinen Zweck hat. Der Strich enthält in der That keine Entwerthung um deswillen, weil die Marke, die bloß mit einem Strich versehen ist, sehr leicht aus der Quittungskarte entnommen und für eine andere Quittungskarte verwendet werden kann. Die Klagen darüber, daß in diesem Strich eine ausreichende Entwerthung nicht zu finden sei, zwangen dazu, sich zu überlegen, was man an Stelle des Striches setzen könne. Dabei ist die Rücksicht, daß die Quittungs— karte kein Arbeitsbuch werden dürfe, nicht außer Acht gelassen; man hat sich gesagt: das ist nicht anders möglich, als daß man die Ent— werthung durch die Einfügung des Datums der Entwerthung vor— nimmt. Dann kann man sehen, an welchem Tage die Quittungs— marke in die Quittungskarte eingeklebt ist, und dann ist eine spätere Verwendung außerordentlich erschwert.
Wenn der Herr Abg. Grillenberger der Meinung gewesen ist, daß durch die Eintragung eines Datums doch die Möglichkeit gegeben sei, über die vita antegcta des betreffenden! Arbeiters Nachforschungen
anzustellen, so verstehe ich nicht, wie er an Stelle dieses Verfahrens
— und darauf hat der Herr Abg. Hitze schon mit Recht hingewiesen — hat vorschlagen können, daß nicht die Eintragung des Datums, sondern des Firmenstempels gewählt werden könne. Der Firmen⸗ stempel macht doch urbi et orbi klar, bei welchem Arbeitgeber der Ar⸗ beiter in Beschäftigung gewesen ist, und es wäre dann für Jemanden, der einen Arbeiter in Arbeit nehmen will, dem er nicht traut, ein Leichtes, seine vita anteacta festzustellen an der Hand der Quittungs— karte. (Zuruf) — Das ist ein Vorschlag, mit dem Tintenfaß! Der gefällt mir. Nur schade ist dabei, daß man dann nicht sagen kann, was unter dem Tintenkleckse steht, und es ist für die Zukunft des Arbeiters recht wichtig. Ich glaube, wir, die wir das Tintenfaß nicht anwenden, sorgen besser für die Interessen des invalide werdenden Arbeiters als der Herr Abg. Grillenberger. (Sehr richtig! rechts und im Centrum) Also, meine Herren, ich sage, der Firmenstempel ist viel gefährlicher für den Arbeiter als der Tag der Eintragung; denn aus der Handschrift der Eintragung des Datums wird man den Arbeitgeber nicht erkennen können, dazu müßte noch ein ver— abredeter Schnörkel hinzukommen, welcher dem erkennbar ist, in dessen Hände die Quittungskarte nachher kommt.
Der Herr Abg. Hitze hat nun gemeint, man könnte vielleicht diesen Bedenken noch dadurch Rechnung tragen, daß man die Ein— tragung des Datums unter der Quittungsmarke vornehmen lasse. Das ist aber keine Entwerthung, denn dann kann ja die Quittungsmarke sehr gut abgelöst und wiederum anderweitig ver— wendet werden. Dann hilft das Datum, was darunter steht, gar nichts. Dieser Modus ist, glaube ich, auch nicht gangbar, und ich würde empfehlen, daß man es rücksichtlich der Markenentwerthung einmal versucht mit dem Verfahren, was der Bundesrath eingeschlagen hat.
Meine Herren, ich will damit schließen. Ich kann nur wieder— holen, was ich neulich gesagt habe: Wir sind bereit, alle Vorschläge auf Abänderung des Alters- und Invaliditätsversicherungsgesetzes in eine ernste und wohlwollende Erwägung zu nehmen, und wir werden uns freuen, wenn es uns im Verein mit Ihnen gelingt, die noch vorhandenen Unbequemlichkeiten zu beseitigen. (Bravo! rechts.)
Abg. Dr. Hirsch (dfr): Er wolle zunächst feststellen, daß sich zwischen dem Staatssecretär Dr. von Boetticher und den Soeial⸗ demokraten eine grundsätzliche Annäherung vollzogen habe, indem, abgesehen von einigen schärferen Ausdrücken beim Angriff, und bei der Abwehr, in den Grundsätzen und in den großen Zielen eine entente cordiale zwischen ihnen herrsche. Der Staatssecretär Dr. von Boetticher habe wenigstens die Annahme des Abg. Grillenberger, daß der Staatssocialismus des Alters- und Invaliditätsgesetzes sich be— denklich dem Socialismus der Socialdemokratie annähere, nicht zurück⸗ gewiesen. Gegenüber seiner Aeußerung, daß er üherrascht gewesen sei durch die günstige Aufnahme des Gesetzes, müsse er erklären, daß es ein Gegenstand der Abneigung in den weitesten Volkskreisen sei, und mit Recht. Er habe zwar für seine Ansicht eine Reihe von Beweisen vorgeführt und als geschickter Advokat seine Sache ver— theidigt; aber es sei doch wohl nicht ganz zutreffend, daß die frei— sinnige Partei und besonders die Parteileitung die Mißstimmung im Lande erst künstlich erregt habe. Im Gegentheil sei auch der Fürst von Bismarck einer von Denjenigen gewesen, die dieses Gesetz in abfälligster Weise kritisirt und schließlich verleugnet hätten. Im übrigen sei das Gesetz nicht wegen des Klebens, verhaßt, sondern weil es dem Volke in seiner großen Mehrheit wider seinen Willen aufgedrängt worden sei durch die persönliche Intervention des Fürsten Bismarck im Cartell-Reichstage. In dem jetzigen Reichstage würde es niemals eine Mehrheit gefunden haben. Das Gesetz ver— lange zunächst in materieller Beziehung hohe und zwar unstund⸗ bare Beiträge, die im letzten Jahre die Höhe von 89 Millionen Mark erreicht hätten. Das bedeute eine gewaltige Steuerlast, die durch Verminderung anderer Steuern nicht ausgeglichen, sondern zu den übrigen hinzugetreten sei. Diese Beiträge müßten Woche für Woche weiter gezahlt werden, trotz der schweren Bedrängniß der Zeit, der hohen Lebensmittelpreise, des geringen Verdienstes, der vielfachen Geschäftsstockungen, die auf Arbeitern und Arbeitgebern gleich schwer lasteten. Es sei daher kein Wunder, wenn solche Mehr— belastung die betheiligten Kreise nicht mit Freude erfülle. Für diejenigen Altersrentner, denen schon jetzt, ohne daß sie einen Pfennig beigetragen hätten, eine Rente zugefallen sei, habe diese Liebesgabe vo¶0n 5. Millionen Mark ja ihr Angenehmes. Diese humane Einrichtung sei zugleich eine sehr geschickte gewesen. Was aber hätten die anderen Arbeiter für ihre Beiträge nach fünf oder nach dreißig Jahren? Ein großer Theil der Arbeiter sei überzeugt, daß er niemals in den Genuß einer Rente kommen werde. Der Abg. Grillenberger habe ganz übersehen, daß nicht nur die Arbeiter als Gegner des Ge⸗ setzes daständen, sondern auch piele Arbeitgeber, die, sich in ebenso schlechten und schlechteren Verhältnissen befänden, wie die Arbeiter. Auch die Arbeitgeber seien vielfach der Meinung, daß die Belastung durch die Beiträge eine unerträgliche sei. Die meisten Arbeiter würden jedenfalls froh sein, wenn das Gesetz aufgehoben würde; man sollte auf die Stimmung der großen Volks⸗ schichten Rücksicht nehmen. Die Sorcialdemokraten hätten zwar versprochen, daß sie an seiner Stelle einen anderen Bau aufführen wollten, aber wie sie ihn ausführen wollten, hätten sie nicht gesagt. Alles, was seine politischen Freunde bei Schaffung dieses Gesetzes vorausgesagt hätten, sei eingetroffen. Die Regierungen hätten damit unvorsichtigerweise einen Sprung ins Dunkle gethan, ohne vorher erst in kleinerem Kreise eine Probe zu machen. Von verschiedenen Seiten würden Klagen laut, daß man die Versicherungspflicht will⸗ kürlich auf Fälle ausdehne, die nach dem Sinne des Gesetzes nicht versicherungspflichtig seien. Im Falle des Zweifels sollte man immer entscheiden, daß eine Versicherungspflicht nicht vorliege. Geschehe dies nicht, so werde naturgemäß eine große Beunruhigung und Un⸗ sicherheit im Volke hervorgerufen. Die Ziffern des ersten Jahres könnten nicht maßgebend sein für die Beurtheilung der zukünftigen Wirkungen des Gesetzes. Von allen Seiten werde zugegeben, daß es dazu noch mehrerer Erfahrungen bedürfe. Mit schwerer Un⸗ gerechtigkeit werde besonders gegen die Richtmitglieder der Zwangs⸗ versicherungskassen verfahren. Während die Mitglieder der Zwangs⸗ kassen nach ihrem Lohn in die höheren Beitragsklassen kämen, würden die Mitglieder der freien Kassen in eine niedrigere Lohn⸗ klasse gesetzt, weil bei ihnen nur der ortsübliche Tagelohn angerechnet werde. Auch von den Wahlen und von der Vertretung der Arbeiter seien die Mitglieder der freien Kassen ausgeschlossen. Die Geschäfts—⸗ führung ruhe überhaupt viel zu sehr in den Händen der Beamten, die ganze Organisation sei viel zu bureaukratisch. Seine Partei wünsche deshalb ebenfalls, daß möglichst bald mit einer gründlichen Revision des ganzen Gesetzes vorgegangen werde. Die Erfahrungen mit dem Unfallversicherungsgesetz hätten eine große Zahl von Mängeln und Uebel⸗ ständen hervortreten lassen, die allseitig, auch von den Conservativen und Nationalliberalen, anerkannt würden. Mit den Sperialwünschen des Antrags Auer stimme er vielfach überein, nur gehe ihm das sehr berechtigte Verlangen des ersten Punktes nicht weit genug. Die Carenzzeit müsse überhaupt wegfallen oder auf höchstens vier Wocher beschränkt werden. Die Krankenkassen kämen immer weniger mit ihren Beiträgen aus und litten schwer unter der Last der Unfallver— sicherung, die auf sie abgewälzt sei. e 69 kommen, um die bessernde Qand anzulegen, und er freue sich über das Versprechen des Staatssecretärs, im nächsten Jahre eine Novelle einzubringen. Besonders reformbedürftig sei die Er⸗ ledigung der Streitsachen. Ven dem Unfallver icherungsgesetz habe man ein Aufhören der Prozesse und eine schleunige und glatte Erledigung der Unfallgeschäfte erhofft, was dieses Gesetz gegenüber
Hoffnung habe sich leider nicht erfüllt. Es komme eine große Zahl von Berufungen gegen die Rentenfestsetzungen der Berufsgenossenschatten vor. Und diese Berufungen beruhten keineswegs auf frivolen An— trieben, denn der Geschäftsbericht des Reichs-Versicherungsamts führe die Vermehrung der Berufungen selbst auf die gesteigerte Thätigkeit in manchen Betrieben, namentlich in der Eisenindustrie und im Bau— gewerbe, und die dadurch vermehrten Unfälle, sowie auf die ine. Aenderungen der bereits gewährten Renten zurück Von 50 175 Feststellungs oder Ablehnungsentscheiden dez Reichs ⸗Versicherungsamts beträfen 390 385 allein die Ab— änderung laufender Renten, welche Abänderung fast ausnahms— los eine Herabsetzung gewesen sei. Nichts mache so viel böses Blut, wie diese häufigen Rentenherabsetzungen, die in., den Augen der Ar— beiter geradezu den Charakter des Chikanösen hätten. Allerdings ge= höre dazu ein ärztliches Gutachten über die Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit, aber bei den Recursen gegen die Rentenänderungen kämen geradezu entgegengesetzte Ansichten der Aerzte zum Vorschein. Mindestens zwei Aerzte sollten darüber urtheilen, ob eine Rente geändert werden könne, wovon den einen der Rentenempfänger stellen müßte. 1890 seien 2354 Recurse erhoben worden, rückständig seien aus 1888 noch 6, aus 1889 noch 894 gewesen. Die Verheißung einer schnellen Erledigung der Prozesse treffe also leider nicht zu. Auch die Unfallverhütung habe man bei Schaffung des Gesetzes proclamirt. Die Be⸗ triebsunfälle hätten sich 1390 auf 200 439 beziffert, wovon 5922 den Tod, 2700 dauernde und völlige Erwerbsunfähigkeit und 21671 dauernde theilweise Erwerbsunfähigkeit zur Folge gehabt hätten. Das sei eine ungeheure Verlustliste. Einige Berufsgenossenschaften hätten zwar vielerlei für Unfallverhütung gethan, aber angesichts dieser Ziffern müsse man doch sagen, es hätten sich diese Maßregeln nicht als wirksam genug erwiesen. Die Arbeiter hätten die Un— fälle nicht verschuldet, die Hauptschuld liege an der übermäßigen Ausdehnung der Arbeitszeit, wobei körperliche Frische und geistige Aufmerksamkeit erschlafften, sodaß der Arbeiter die Gefährlichkeiten des Betriebs nicht genügend vermeiden könne. Die neue Gewerbeordnungs-Novelle habe die Unfallver⸗ hütungsmaßnahmen theilweise den Berufsgenossenschaften entzogen und dem Staat übertragen. Hoffentlich werde hier staatliches Vorgehen dahin wirken, daß man nicht mehr mit so hohen Unfallzahlen zu rechnen habe. Möge sowohl für das Invaliditäts- als auch das Unfallversicherungsgesetz von allen Seiten, von der Regierung und dem hohen Hause die größte Sorgfalt und Thatkraft verwendet werden, um, nachdem man in das System der socialpolitischen Gesetz⸗ gebung eingetreten sei, es so zu gestalten, daß es in, jeder Beziehung materiell wie erzieherisch zum Wohle der Arbeiter diene. Das werde nur geschehen können, wenn mehr und mehr zur genossenschaftlichen Selbstverwaltung auch auf diesem Gebiet übergegangen werde.
Abg. von Helldor ff (cons. :. Es sei nicht richtig vom Vorredner, sich in so scharfer Weise gegen die Altersver⸗ sicherung zu wenden und die Last, die hier aufgelegt werde, als eine Steuer zu bezeichnen. Das Gesetz bezwecke dasselbe, was der Abg. Dr. Hirsch durch seine Vereine bezwecke. Das Gesetz solle dem Volke aufgedrängt worden sein. Die Bedenken dagegen seien allerdings natürlich, aber sie richteten sich nicht gegen den Gedanken des Gesetzes, sondern gegen seine Construetion. Der Gedanke des Gesetzes habe immerhin die große Mehrheit des Reichstags gefunden. Wenn man von der Abneigung spreche, mit der das Gesetz aufgenommen sei, so übertreibe man hierbei und werde darin unterstützt von einer gewissen Presse. Die Abneigung sei nicht so groß, wie der Abg. Pr. Hirsch meine, das wisse er aus seinen eigenen Wahrnehmungen. Wenn er der Meinung wäre, daß der Abg. Hirsch recht hätte, so würde er ihm den Vorschlag machen: den Antrag auf Abschaffung des Gesetzes zu stellen. Das Gesetz habe allerdings eine Menge von verbesserungsbedürftigen Punkten: die Landwirthschaft werde bei ihrer schlechten Lage schwer belastet. Doch die Last, die hier den Landwirthen auferlegt sei, sei dieselbe Last, die ihnen bisher schon aufgelegen habe, wenn sie ihre Ver— pflichtungen gegen die Arbeiter richtig hätten erfüllen wollen. Es handele sich nur um eine andere Form für die Tragung dieser Last. Diese Last bringe auch wieder eine nicht unerhebliche Ersparniß in dem Aufwand für Armenlasten mit sich. Seine Partei sei bei dem Gesetz von der Annahme ausgegangen, daß die Beiträge der Arbeitgeber L 0,0 des gezahlten Lohnes betragen würden. Nach Berechnungen, die er mit seinen Nachbarn angestellt habe, habe er das bestätigt gefunden. 100 des Arbeitsaufwandes sei aber wirklich keine drückende Last, die Schwankungen des Arbeitslohnes in der Landwirthschaft betrügen meistens mehr. Ein wesentlicher Theil der Beschwerden beziehe sich auf die Art der Erhebung der Beiträge, auf die Belästigung durch das Kleben. So weit es sich um kleine Unternehmer handele, seien diese Belästigungen nicht sehr erheblich. In den großen Geschäften träten Unbequemlichkeiten ein, aber die ließen sich mit gutem Willen überwinden. Das Einziehen der Beiträge und die Einklebung der Marken würden hier wesentlich erleichtert werden, wenn es periodisch auf Grund geführter Listen geschähe. Hier werde eine Aenderung des Gesetzes helfen müssen. Eine wesentliche Erleichterung würde ge— schaffen werden, wenn die gemeinsame Erhebung der Beiträge durch die Krankenkassen ermöglicht würde. Vom Markensystem könne man aber nicht abgehen, eine Controle durch Listen lasse sich nicht an die Stelle setzen. Es komme darauf an, den Betheiligten die Be— deutung der Quittungskarten klar zu machen. In Sachsen, wo die Wohlhabenheit auf dem guten, wirthschaftlichen Verständniß der Bevölkerung beruhe, mache das jetzige System durchaus keine Schwie⸗ rigkeit. Die Arbeiter seien sehr bedacht darauf, ihre Karten voll zu haben. Der Arbeiter sei der beste Executor in der Ausführung des Gesetzes. Die Fälle, in denen, einzelne Arbeiter durch Ablösung der Marken die Gesammtheit schädigten, seien verhält⸗ nißmäßig nur recht wenige. Die Kleinheit der Marken sei ein Hinderniß für die Handhabung. Die Aengstlichkeit, daß die Beschrei— bung der Marken mit dem Datum eine Gefahr haben könnte, sei unberechtigt. Jeder Arbeitgeber werde doch den Arbeiter fragen, woher er komme, er könne dann besser Erkundigungen einziehen, als wenn die Marke mit der Firma gestempelt ware. Die Lasten seien für die Gemeinden häufig unerträglich. Die socialen Reformen könne man nur durchführen mit willigen und thatkräftigen Organen. Man müsse vorbeugen, daß die Mißstimmung über das Gesetz nicht größer werde. Soweit er die Stimmung der Arbeiter kenne, seien diejenigen, welche die Sache nur einigermaßen verstanden hätten, sehr zufrieden damit und brächten das kleine Opfer gern. Die Renten, besonders die Altersrenten, seien nicht zu niedrig bemessen. Er habe schon früher einigen von seinen alten Arbeitern eine Pension, 5 Silbergroschen täg— lich, gewährt; sobald sie diese Pension erhalten hätten, seien sie nicht mehr auf Arbeit gekommen, weil sie in ihrer Familie eine natur— gemãhe Beschäftigung gefunden hätten. So werde es auch mit den Altersrentnern gehen. Dieses Gesetz sei so groß, wie man es so groß seit einem Menschenalter nicht gemacht habe. Seine Partei werde immer stolz darauf sein, daß sie für dieses Gesetz gestimmt habe. Man möge die Wirkung des Gesetzes abwarten; ein abschließendes Urtheil koͤnne man heute noch nicht fällen. Ehe man Aenderungen vornehme, müsse man erst Erfahrungen sammeln. Das Deutsche Nei habe in seinen drei socialpolitischen Gesetzen eine gewaltige That vollbracht. K
Abg. Möller (nl. : Er bedauere, daß man bei diesem Gesetz den vorsichtigen Weg verlassen habe, den man bei den anderen Arbliter⸗ gesetzen verfolgt habe, daß man die Invalidenversicherung auf einen zu großen Kreis von Versicherungspflichtigen ausgedehnt . Mn hätte sich auf diejenigen beschränken sollen, die den Kranken, um Unfallversicherungen angehörten. Denn das Gesetz habe nur dort . friedigung erregt, wo man die Krankenkassen als Grundlage benz habe, indem man dort, wo das Klebefystem Schwierigkeiten mache, di Sache einfach den Gemeinden überlassen habe. Die Opposition werde im, der Zeit verstummen, denn sie sei nicht im Volksbewußtsein begründet. In einem Punkte sei er allerdings mit dem Abg. Gri enberger einde standen, nämlich, daß bei diesen Verhandlungen die Anwesenheit eines technischen Vertreters des Reichs ⸗Versicherungsamtes wünschenswerl gewesen wäre. Er müsse den Vorwurf des Abg. Dr. Hirsch zurn
dem Haftpflichtgesetz besonders sympathisch gemacht habe; aber diese
weisen, daß die Aerzte die Neigung hätten, die Unfälle nicht im
8. Wünsche
Sinne der Arbeiter, sondern im Sinne der Berufsgenossenschafts⸗ Forstände zu begutachten. Solche Pflichtvergessenheit könne man den Sectionsvorständen nicht vorwerfen; diese thäten lediglich ihre Pflicht, wenn sie fortlaufende Prüfungen über das Vorhandensein der Vorbedingungen zur Rente anstellten. Es sei nicht einzusehen, weshalb die Sectionsvorstände mehr als einen Arzt zuziehen follten. In der Auswahl sei. man sehr sorgfältig; wenn Zweifel vorhanden eien, ziehe man, einen zweiten und dritten Art zu. In dieser Sessien schon Reformen vorzunehmen, halte er nicht für thunlich. Die Nothwendigkeit einer Revision der Unfall versicherung sei ja allseitig anerkannt, auch von der Regierung. Deshalb genüge der allgemeine Antrag. Der Antrag der Socialdemokraten hebe nur einige Punkte hervor, die durchaus nicht die Hauptsache seien. Namentlich sei es unrichtig, den Verufs—= genossenschaften die Fürsgrge für einen. Verunglückten por der Beendi⸗ zung der dreizehnten Woche aufzuerlegen. Man habe versucht, bei der Unfallversicherung auch die Arbeiter heranzuziehen, und habe schließlich den Ausweg dafür gefunden, die Fürsorge für die ersten dreizehn Wochen der Krankenkasse zu übertragen. Redner empfiehlt seinerfeits, daß die kleinen, wegen geringer, die Erwerbsfähigkeit nicht beeinträchtigender Verletzungen gewährten Renten so lange ruhten, wie der Lohn derselbe wie früher sei, daß ferner den Ascendenten die Rente nur im Falle der Bedürftigkeit gewährt werde, daß bei der Goncurrenz mehrerer Berufsgenossenschaften das Feststellungsverfahren beschleunigt werde, daß die Renten ausländischer Versicherter capitalisirt, daß auch ausländische Betriebzunternehmer zur Versicherung heran— gejogen werden könnten. Schließlich verlangte Redner, daß den Berufs⸗ genoffenschaften in ihrer Vermögenzverwaltung und ⸗-Anlage eine größere Freiheit gewährt, z. B. auch der Ankauf von Grundbesitz gestattet werden müsse. . Darauf wird um 4M Uhr die weitere Berathung ab— gebrochen . . Präsident von Levetzow schlägt vor, den Weltpost— vertrag, dessen dritte Berathung auf der Tagesordnung steht, noch zu erledigen. —
Der Vertrag wird ohne Besprechung angenommen und zwar mit dem Uebereinkommen, betreffend den Austausch von Briefen und Kästchen mit Werthangabe, betreffend den Post— anweisungsdienst, betreffend den Austausch von Posipacketen, betreffend den Postauftragsdienst, und betreffend den Postbezug von Zeitungen und Zeitschriften.
Schluß K / Uhr.
Statistik und Volkswirthschaft.
Einrichtung und Thätigkeit der Arbeiterausschüsse im Bereiche der preußischen Staatseisenbahnverwaltung.
Die im Hauptblatt erwähnten, von dem Minister der öffenk— lichen Arbeiten festgesetzten Bestimmungen über Arbeiterausschüsse im Bereiche der preußischen Staatseisenbahnverwaltung lauten:
z 1. Um den in den Werkstätten, Gasanstalten und ähnlichen Anstalten der Staatseisenbahnverwaltung beschäftigten Arbeitern Ge⸗ legenheit zu geben, durch selbstgewählte Vertreter Anträge, Wünsche und etwaige Beschwerden allgemeiner Natur vorzutragen, und hierüber, sowie über sonstige allgemeine Fragen des Arbeitsverhältnisses und solche Fragen, welche sich auf das Wohl der Arbeiter beziehen, auf Verlangen der vorgesetzten Dienststelle gutachtliche Aeußerungen abzugeben, wird für jede Werkstätte, Gasanstalt und jede sonstige unter den Begriff der ‚Fabrik! im Sinne der Gewerbeordnung fallende Anstalt der Staatseisenbahnverwaltung, in welcher in der Regel mindestens zwanzig Arbeiter beschäftigt werden, ein Ausschuß eingesetzt, welcher von den Arbeitern aus ihrer Mitte zu wählen ist. Befinden sich mehrere derartige Anstalten an einem Orte, so kann für sie ein gemeinschaftlicher Ausschuß gebildet werden. Ebenso kann für mehrere Anstalten, welche an verschiedenen Orten belegen sind, ein gemein⸗ samer Ausschuß gebilden werden, wenn sich dies aus Zweckmäßigkeits⸗ rücksichten empfiehlt. Beträgt in einzelnen Anstalten die Zahl der wahlberechtigten Arbeiter (5 3) nicht mindestens 135 und die der wählbaren (5 4) nicht mindestens 6, so kann die Errichtung eines Ausschusses für dieselben oder ihre Vereinigung mit anderen Anstalten zur Bildung eines gemeinsamen Ausschusses unterbleiben. Die Be— stimmung über die Zahl und den Sitz der zu bildenden Ausschüsse steht den Königlichen Eisenbahn-Directionen für ihren Verwaltungs—⸗ bezirk zu. Denselben bleibt vorbehalten, in der Abgrenzung der Aus—⸗ schußbezirke Aenderungen eintreten zu lassen, sobald sich hierzu ein Bedürfniß ergeben sollte.
§ 2. Der Arbeiterausschuß besteht aus mindestens 3 und höch— stens 15 Mitgliedern. Die Zahl der für jeden Ausschuß zu wählen— den Mitglieder wird von der Königlichen Eisenbahn⸗-Direction nach Maßgabe der Zahl der in jeder Anstalt beschäftigten Arbeiter und der . in welche diese nach 5 5 Abs. 2 einzutheilen sind, fest— gesetzt.
§ 3. Wahlberechtigt sind alle mindestens 21 Jahre alten Arbeiter, welche seit mindestens 3 Jahren im Dienste der Staatseisenbahn—⸗ perwaltung beschäftigt sind und sich im Vollbesitze der bürgerlichen Ehrenrechte befinden. ;
§ 4. Wählbar sind solche Arbeiter, welche mindestens 30 Jahre alt und seit mindestens 5 Jahren im Dienst der Staatseisenbahn— berwaltung, sowie mindestens 1 Jahr in derselben Anstalt beschäftigt sind und sich im Vollbesitze der bürgerlichen Ehrenrechte befinden. S5. Die Wahl ist eine geheime uͤnd wird durch Abgabe von Stünmzetteln an den dieselbe leitenden Beamten vollzogen, welcher ö. zwei Arbeiter zu seiner Unterstützung heranzuziehen hat. Die Arbeiter der Hauptwerkstätten können von der, zuständigen Königlichen Eisenbahn-Direction nach ihrer Beschäftigung und nach besonderen Abtheilungen des. Betriebes in Gruppen eingetheilt werden, welche je ein Ausschußmitglied und einen Ersatz— mann aus ihrer Mitte zu wählen haben. Werden mehrere örtlich trennte Anstalten zur Bildung eines Ausschusses vereinigt, so wählt jede derselben besondere Vertreter. Ort, Tag und Stunde der Wahl 64 8 Tage vorher durch die vorgesetzte Behörde (Königliche i , Bite cgion, Eisenba hn Bttriebs amt durch Anschlag in der ö bekannt gemacht. Vor der Bekanntmag zung ist ein k der wahlberechtigten und der wählbaren Arbeiter unter in be in welche Wahlgruppen sie eingetheilt sind, zur Einsicht aus— . weit, dieses Verzeichniß nicht binnen acht Tagen be— 26. . bildet dasselbe die Grundlage für die zula sunn zur K Ausstellungen gegen das Verzeichniß entscheidet die in l. bezeichnete Behörde. Gewählt ist, wer die Mehrheit der . der erschienenen Wähler einer Gruppe erhält, Ist ab— ol e Stitnmen mz hrheit nicht vorhanden, so findet thunlichst sofort a en den beiden Personen, welcbe die meisten Stimmen enda ll haben, eine engere Wahl. statt, deren Ergebniß Pogültig ist. Bei Stimmengleichheit entscheidet das Loos. 6 Gewählten haben sich über die Annahme der Wahl alsbald nach du unge des Wahlergebnisses zu erklären. Deschwerden über Wah eh te gil l tigteit der Wahl sind nur binnen? einer Woche, vom
tage E gerechnet, J ; ‚ ohh ö. Die Wahl der Aheschuß mitglieder und Ersatzmänner er⸗
, . drei Jahre. Ausscheidende sind wieder wählbar.
„Werpflichtung zur Annahme der Wahl liegt nicht vor.
Das Amt als Ausschußmitglied erlischt: a. mit dem Aus—
Arbeiters aus der Beschäftigung in der Anstalt, für
gewählt ist, h. durch freiwillige . des Amts,
eine mehr als dreimonatliche Dienstunfähigkeit oder Be⸗
d. durch strafrechtliche Verurtheilung zu Gefängniß oder
n 7 8. durch Uebertritt in das Begntenerhaltniß. Scheidet
. ied und dessen Ersatzmaun vor Ablauf der Zeit, für welche
„gewählt sind, aus, so ist für die Gruppe, welche sie gewählt hat,
eine Mar rh anzuordne
U dnen.
Die Arbeiterausschüsse haben die Aufgabe, 1) Anträge,
verunglückten Personen
sich 32 Reisende, von denen 46 ohne eigenes Verschulden getödtet und 236 ohne eigenes Verschulden
und O, hh verletzt. unglückten 2465 Personen, davon 272, von denen 19 getödtet wurden, durch Unfälle der Züge während der Fahrt, und 435 Todesfälle, auf sonstige Weise. ohne eigenes Verschulden 16 getödtet und 49 verletzt, infolge eigener Unvorsichtigkeit 216 getödtet und 156 verletzt. Nebenbeschäftigungen 8 Personen getödtet und 547 verletzt; Selbstmord kamen 187 Personen um; 17 wurden durch Selbstmord⸗ versuche verletzt.
hat den Zweck, den nicht Capitalkräftigen je den Standes ein eigenes Heim zu gründen, ohne daß dazu größere Baarmittel erforderlich sind. Jeder, der je nach der Größe des 2090 bis 509 6 verfügt, um daraus mindestens die Lebensversicherung auf ein Jahr und die Kosten des Kaufvertrags zu zahlen, kann sich ein eigenes, seinen Verhältnissen angepaßtes Grundstück erwerben.
der Amortisation des
bahnen Deutschlands, nach den Angaben der Eisenbahnverwal⸗ tungen bearbeitet im Reichs⸗Eisenbahnamt. 1890/91.
Angaben der deutschen Eisenbahn-Statistik nebst er— läuternden Bemerkun, . lungen, bearbeitet im Reichs⸗-Eisenbahnamt.
vorgebracht werden und die Arbeiter der
oder einzelne Gruppen im ganzen berühren, bei dem Vor—⸗
Arbeits ordnung, über Einrichtungen Zur Verhütung von Unfällen und solche Einrichtungen, welche zum Wohl der Arbeiter und ihrer An⸗
Anfordern ihr Gutachten abzugeben; 3) soweit sie von beiden Theilen angerufen werden, Streitigkeiten der Arbeiter unter einander zu schlichten. — In den zu 1 und 2 erwähnten Fällen können von dem Vorstande der Anstalt auch andere derselben Anstalt angehörige Arbeiter zur Berathung zugezogen werden. An der Abstimmung (8 19) nehmen dieselben nicht theil. Von der Erörterung in den Arbeiterausschüssen ausgeschlossen sind abgesehen von den zu 3 bezeichneten, alle Anträge, Wünsche und Beschwerden, welche ledig—⸗ lich die Angelegenheiten Einzelner betreffen. Nur bleibt jedoch dem Vorstande der Anstalt nach seinem Befinden vorbehalten, den Aus— schuß vor der Bewilligung von Unterstützungen über die Bedürftig— keit und Würdigkeit der zu Unterstützenden zu hören. S 9. . Verhandlungen der Ausschüsse finden nach Bedürfniß, jedoch nicht häufiger als vierteljährlich einmal statt, ausgenommen, wenn die vorgesetzte Behörde oder der mit dem Vorsitz beauftragte Beamte die Einberufung für erforderlich er⸗ achtet oder wenn zwei Drittel der Ausschußmitglieder darauf antragen. Die Verhandlungen finden unter dem Vorsitz eines von der vorgesetzten Behörde zu bezeichnenden Beamten oder seines Vertreters statt. Dieser setzt Ort und Zeit des Zusammentretens und die Tagesordnung fest. Der vorgesetzten Behörde bleibt vor— behalten, außer dem Vorsitzenden noch weitere Beamte zur Theilnahmée an den Verhandlungen des Ausschusses anzu— ordnen. Die Tagesordnung soll den Ausschußmitgliedern der Regel nach eine Woche vor dem Sitzungstage n en werden. Berathungsgegenstände, welche erst nach Mittheilung der Tagesordnung bei dem Vorsitzenden angemeldet werden, kann derselbe von der Er— örterung ausschließen.
S I0. Ueber die Berathungen sind Niederschriften in ein Proto— kollbuch aufzunehmen, welche die Namen der Anwesenden, die ein— zelnen verhandelten Gegenstände und das Ergebniß der Abstimmungen enthalten müssen. Die Niederschriften sind von dem Vorsitzenden und einem Mitgliede des Ausschusses zu vollziehen und von dem Ersteren zu sammeln und zu verwahren. Soweit darin Anträge, Wünsche und Beschwerden enthalten sind, welche der Entscheidung durch die vor— gesetzte Behörde bedürfen, ist dieser alshald eine Abschrift unter gut— achtlicher Aeußerung des Vorstands der Anstalt, auf welche sich die Anträge u. s. w. beziehen, vorzulegen. Den Ausschußmitgliedern steht frei, von dem Inhalte der Niederschriften jederzeit Kenntniß zu nehmen. z 11. Die Sitzungen des Ausschusses sollen thunlichst in die Arbeitszeit fallen. Aus Anlaß der Theilnahme an den Ausschuß— sitzungen finden keine Lohnkürzungen statt. Soweit die Ausschuß— mitglieder zur Theilnahme an den Ausschußsitzungen Reisen vorzu— nehmen haben, erhalten sie freie Eisenbahnfahrt und Reisekosten, welche ebenso, wie die Entschädigungen für entgangenen Arbeitsverdienst, nach den für die Besitzer der Unfallschiedsgerichte erlassenen Vor— schriften zu bemessen sind.
z 12. Die Königliche Eisenbahn-Direction ist befugt, Arbeiter— ausschüsse, welche sich nach ihrem Ermessen zur Erfüllung der ihnen gestellten Aufgaben als ungeeignet erwiesen haben, aufzulösen und eine Neuwahl anzuordnen.
F 13. Aenderungen der vorstehenden Vorschriften bleiben vor— behalten.
Statistik der im Betriebe befindlichen Eisenbahnen Deutschlands.“
Die Gesammtlänge der normalspurigen Eisenbahnen in Deutsch— land betrug am Schluß des Jahres 1890/91 41 817,70 km, es entfielen mithin auf je 100 qkm 7,74 km, auf je 10000 Einwohner 8,50 km. An Betriebsmitteln waren vorhanden: 14188 Locomotiven, 26 399 Personenwagen, 287 704 Gepäck- und Güterwagen und 1664 Post⸗ wagen. Der Gesammt⸗Personenverkehr belief sich auf 426 056 116 Personen mit 11224437 610 Personen-Kilometern. Hiervon kamen auf die J. Klasse 2 263 408 Personen mit 204 204 351 Personen— Kilometern, auf die II. Klasse 43 462 826 Personen mit 1801139 8866 Personen⸗Kilometern, auf die III. Klasse 258 673 533 Personen mit 5417778 545 Personen⸗Kilometern, auf die IV. Klasse 112 450 099 Personen mit 3 145 826 156 Personen— Kilometer und auf Militärbeförderung 9 206 250 Personen mit 655 488 712 Personen⸗-Kilometern. An Gütern gegen Frachtberechnung wurden 215 910 742 t mit 22 237 258 947 tkm befördert, davon 762 9344 mit S5 336395 tkm Eilgut, 192 444731 t mit 20164518034 tkm Frachtgut, 407798 t mit 49062108 tkm Militärgut, 2497 847 t mit 337710019 tkm Vieh und 19797434 t mit 1600632391 tkm frachtpflichtiges Dienst⸗ gut. Außerdem wurden 1 834567 t mit 173 890 309 tkm Güter ohne Frachtberechnung befördert. Die gesammten Bauaufwendungen beliefen sich auf 10 213 968 g54 M6 oder 244 591 S auf 1 km Eigenthumslänge, das verwendete Anlagecapital der gegen— wärtigen Besitzer stellt sich auf 10456 155 688 M64. oder 259 390 t auf 1 kRm Eigenthumslänge. Die gesammten Betriebsein⸗ nahmen, ausschließlich des Pachtzinses, stellten sich auf 1 300 873 60560 oder 31 248 6 auf 1 km Betriebslänge, die gesammten Betriebs— ausgaben auf 783 392 528 6 oder 18 818 M auf 1 km Betriebs— länge, der Ueberschuß der Betriebseinnahmen über die Betriebsaus— gaben betrug 500 668 687 MS oder 4,86 0υ des Anlagecapitals. An Beamten und Arbeitern wurden im Jahresdurchschnitt beschäftigt: bei der Betriebsverwaltung 340 553 Personen mit einer Besoldung von 404 286 555 „6; bei der Werkstättenverwaltung 59 129 Personen mit einer Besoldung von 63 549 861 06. Betriebsunfälle ereigneten sich im Berichtsjahre 3618, nämlich 535 Entgleisungen, 372 Zu⸗— sammenstöße und 2711 sonstige Betriebsunfälle. Die Jahl der dabei belief sich auf 3178, von denen 726 ge— tödtet und 2452 verletzt wurden. Unter den Verunglückten befanden verletzt wurden. Von je 1000000 beförderten Reisenden wurden somit 9, 11 Personen getödtet Von Bahnbeamten und Arbeitern im Dienst ver—
. 2193, darunter Von anderen Personen wurden
Außerdem wurden bei durch
Die Deutsche Volks-Baugesellschaft
zu erwerbenden Anwesens über
Die Deutsche
1 Stelle Anwesens die
Volks ⸗Baugesellschaft hat an Erwerbscapitals eines
„ Statistik der im Betriebe befindlichen Eisen⸗
; de ; Band XI. Betriebsjahr Berlin, E. S. Mittler u. Sohn. Preis 16 , .
Uebersichtliche Zusammenstellung der wichtigsten und graphischen Darstel⸗ Band X. Betriebs⸗
Bemerkungen
betreffenden Anstalt stande der Anstalt vorzubringen und in Zusammenkünften mit
diesem über dieselben sich gutachtlich zu äußern; 2) über sonstige das Arbeitsverhältniß betreffende Fragen, insbesondere über die zu erlassende
gehörigen getroffen sind oder künftig getroffen werden sollen, auf
Bürgermeister eine Versammlung, die unter freiem Himmel abhalten wollte, verboten habe.
Tage: heute die eine mit sich forderung der Polizei, auseinander zu gehen, mit Pfeifen, Geschrei und Drohungen. r war, zerstreuten sich die Arbeiter. Personen, die an der Kundgebung theilgenommen hatten, wurden ver—
haftet. =
Form der in der Regel auf 60 Jahre abgekürzten Lebens— versicherung gesetzt. Stirbt im Falle der Amortisation der Er— nährer einer Familie, so wird letztere sehr häufig nicht in der Lage sein, die Amortisationsquote weiter zu zahlen und das bis zum Tode Gezahlte geht verloren. Anders bei der Lebensversicherung, welche nicht höhere Abgaben erheischt, als die Amortisationsquote beträgt. Stirbt der versicherte Ernährer, so erhält die Familie das Anwesen schuldenfrei. Erreicht er das 69. Jahr, so tritt er noch bei Lebzeiten in den schuldfreien Besitz desselben. — Bis jetzt hat die Deutsche Volks⸗Baugesellschaft in der Um— gebung von Berlin — anderer Orte nicht zu gedenken — folgende Colonien in Angriff genommen: in Lichterfelde — an der Potz— damer Bahn bei der Garde⸗Schützen⸗Caserne, am sogenannten „grünen Wege“ — es sind daselbst sämmtliche der Gefellschaft gehörige Terrains bebaut; in Lichterfelde Giesensdorf an der Ilnhalter Bahn, wo demnächst auf dem Terrain der Gesellschaft ein Bahnhof er— richtet wird — die Colonie hat die Aussicht auf den Teltower See und die Kadettenanstalt; in Hermsdorf — Station der Nord— bahn — inmitten herrlicher Waldanlagen und in unmittelbarster Nähe des Bahnhofs; die zunächst angekauften Parcellen sind bereits fest vergeben, neue Parcellen in der Erwerbung begriffen; in Rahns? dorf — jzwischen Friedrichshagen und Erkner, wo ebenfalls auf den Terrains der Gesellschaft ein Bahnhof errichtet wird. Umgeben von Müggelsee. Dämeritz-See und Flaken-⸗See und berr— lichen Waldungen und Gebirgen verspricht die Tolonie, dauernd eine große Anziehungskraft auszuüben. Auch in Grünheide am Peetz— See werden demnächst verschiedene Villen in Angriff genommen. — Alle diese Orte zeichnen sich durch wundervolle und besonders gefunde Lage aus. Die Nachfrage ist bei den billigen Preisen der Bauten un Terrains eine sehr lebhafte. Es sind etwa 30 verschiedene Bau— projecte ausgearbeitet und im Bureau der Gesellschaft, Friedrich— straße 108 1, zur Ansicht ausgestellt. . ß ;
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Der Alkoholismus in den FIrrenanstalten.
Unter den Ursachen geistiger Erkrankung wird, abgesehen von Erblichkeit und Familienanlage, nicht nur beim Säuferwahnsinn sondern bei fast allen Formen der Geisteskrankheit verhaltniß mäßig oft der Alkoholismus genannt, insbefondere bei männlichen Kranken. Im ganzen liegen, wie wir einem auf Grund der Preußi— schen Statistik, Heft 111, bearbeiteten Artikel der Versffent— lichungen des Kaiserlichen Gesundheitsamts“ entnehmen, von den während der Jahre 1886 bis 1888 in die Irrenan stalten Preußens aufgenommenen 32968 Personen nähere Angaben über die Erkrankungsursache für 12288 Geisteskranke (darunter 6382 männ— liche Personen) vor; bei 2836 derfelben (2594 männliche Perfonen) wurde Alkoholismus als Krankheitsursache ermittelt, und zwar bei 1284 (1232) an Säuferwahnsinn leidenden und bei 1552 (1362) anderen Geisteskranken. . .
Für die einzelnen Formen der Geisteskrankheit ergiebt die Sta— tistik der letzten drei Jahre (1886—18858) Folgendes: Eine bestimmte Erkrankungsursache wurde ermittelt bei 5935 männlichen Geistes— kranken (exgl. Idioten), und zwar: a. 3118 männlichen Personen mit einfacher Seelenstörung, b. 1114 mit paralytischer Seelenstörung, e. 436 mit epileptischer Seelenstörung, d. 1257 mit Säuferwahnfinm': Alkoholismus war die Erkrankungsursache bei a. 930, p. 273 C. 1. d. 1232, mithin bei a. 30 0/ o, b. 25 /o, C. 21 oοC, d. 970 e der Erkrankten. (Es muß hierzu bemerkt werden, daß bei 2196 an Säuferwahnsinn leidenden Kranken die Erkrankungsursache als „un— bekannt oder „nicht angegeben“ verzeichnet ist, daß ferner bei 51 dieser Kranken ausdrücklich eine andere Erkrankungsursache als Alkoholismus, z. B. „Kopfverletzung“, „Typhus“, sich verzeichnet findet.)
Soweit eine bestimmte Erkrankungsursache überhaupt ermittelt ist, waren von je 100 den preußischen Irrenanstalten zugegangenen männlichen Personen infolge von Alkoholismus erkrankt:
1886 1 1887 363 18385 10.
Während der vier Jahre von 18861833 hatte die entsprechende Procentziffer zwischrn 306 und 31,7 geschwankt.
Schließt man die Personen mit angeborener Geisteskrankheit aus, so find in den Jahren 1886 — 1883 von je 100 männlichen Infassen der Irrenanstalten, deren Erkrankungsursache bekannt war, nach— einander 39 — 41 — 44 infolge von Alkoholismus erkrankt gewesen. (In den Jahren 1880 — 1883: 33 bis 34.)
Läßt man endlich auch die wenigen geistesschwachen Personen (Idioten, Imbecille), bei denen ein angeborenes Leiden nicht' vorlag, und die wenigen nicht geisteskranken Personen außer Betracht, welche den Irrenanstalten überwiesen waren, so erhöhen sich die Verhältniß“ ziffern noch ein wenig. Es waren alsdann in den Jahren 1886—13383 von den eigentlich geistes kranken männlichen Insassen der Irrenanstalten, soweit eine Erkrankungsursache überhaupt festgestellt wurde,
t i berl nach⸗ einander 40,4 — 42,, — 445 oυ infolge von Alkoholismus erkrankt.
Zur Arbeiterbewegung.
In Elberfeld fand am Sonntag eine von mehr als 2209 Per— sonen besuchte socialdemokratische Versammlung statt, in der, wie die Köln. Ztg. berichtet, nach einer Rede des socialdemokratischen Reichstags-Abgeordneten Harm über den wirthschaftlichen Niedergang und die materielle Lage des Arbeiterstandes eine Resolution Über Arbeitslosigkeit und capitalistische Productionsweife angenommen wurde.
Aus Leipzig theilt die „Zeitsch. f. Deutschl. Buchdr.“ mit, daß diejenigen Buchdrucke reien, welche bei Ausbruch des Ausstandes die höheren Lohnsätze bewilligt haben, jetzt ebenfalls zu den alten Tarif— sätzen zurückgekehrt sind. Bei diesem Rückzuge wollte sich auch der Buch—
druckereibesitzer E. Thiele, der Drucker des socialdemokratischen Blattes
„»Der Wähler“, betheiligen.
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Nach ernsten Auseinandersetzungen mit
den Betheiligten hat er sich aber bewogen gesehen, von diesem Vor—
haben abzustehen. Bemerkenswerth ist ferner, daß in der Thiele'schen
Druckerei in letzter Zeit mehrere Gehilfen entlassen und dafür einige
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Führer der Ausständigen eingestellt worden sind.
In der Brauerei Marienthal in Wandsbek haben, wie
der „Vorwärts“ berichtet, am 2. d. M. 41 Braugehilfen infolge von Streitigkeiten die Arbeit niedergelegt.
In Kolmar i. P. hat, wie dasselbe Blatt mittheilt, das
Malerpersonal der Steingutfabrik wegen Lohnverkürzung die Arbeit eingestellt.
Hier in Berlin beabsichtigen die Leichenträg er, nachdem sie
zu einem Verein zusammengetreten sind, durch Anträge bei den kirch lichen Behörden auf eine Verbesserung ihrer Löhne hinzuwirken.
Aus Brüssel meldet ein Wolff'sches Telegramm, daß der die Arbeiterpartei
Wie der „Voss. Ztg.“ aus Paris geschrieben wird, befinden sich
in Lille sämmtliche Omnibus und Pferdebahnbediensteten im Ausstande und verüben Gewaltthaten gegen neu angeworbene Leute, die ihren Dienst versehen wollen.
; Ein Wolff'sches Telegramm aus Rom berichtet vom gestrigen Nach einer Meldung aus Reggio d' Emilia zogen Morgen mehrere Gruppen von Feldarbeitern, „Fahne mit der Inschrift „Brot und Arbeit“ führten, zum Stadthause und beantworteten die Auf—
Erst als das herbeigerufene Militär eingetroffen Der Fahnenträger und 36 andere
Das Trucksyste m. Trotz des Truckgesetzes von 1331 und einer im Jahre 18587 hin—
ind etwaige Beschwerden, welche von ihren Mitgliedern
jahr 1890/91.
Berlin, E. S. Mittler u. Sohn. Preis 3 MM.
zugekommenen Ergänzung und Verschärfung ist, wie aus den Be⸗