1892 / 38 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 12 Feb 1892 18:00:01 GMT) scan diff

Zeit erfordern, so ist eine schnelle und pünktliche Beförde— 9 der 4 durchweg gesichert. Die Auf— lieferung wird besonders dadurch erleichtert, daß jeder Rohr⸗ postbote verpflichtet ist, auf seinen Bestellgängen Rohrpost⸗ sendungen vom Publikum zur Weiterbeförderung entgegen⸗ zunehmen und dem nächsten Rohrpostamt unmittelbar nach der Rückkehr vom Bestellgange zur weiteren Behandlung zu über⸗ liefern. Entgelt ist für die Mitnahme nicht zu entrichten. 732 Briefkasten im Ortsbezirk, welche stündlich geleert werden, bieten außerdem in ausgedehntem Maße geeignete Gelegenheit zur erleichterten Auflieferung der Rohrpostsendungen.

Bremen, 12. Februar. (W. T. B. Norddeutscher Lloyd. Der Schnelldampfer Trave“ hat am 10. Februar er, . die Reise ven Southampton nach Bremen fortgesetzt; er überbringt 1941 Passagiere und volle Ladung. Der Postdampfer Kronprinz Friedrich Wilhelm“, nach dem La Plata bestimmt, hat am 10 Februar Nachmittags St. Vincent Passirt. Der Postdamrpfer Stuttgart ist am 11. Februar Morgens in ö ort Said an⸗ gekommen und hat nach Uebergabe der ostaslatischen Post an den nach Brindisi bestimmten Reichs⸗Postdampfer Danzig“ die Reise nach Genua fortgesetzt. Der Reichs- Postdampfer Danzig. ist am II. Februar Morgens mit der ostasiatischen Post vom Reichs⸗-Post⸗ dampfer Stuttgart“ von Port Said nach Brindisi abgegangen. Der Reichs- Postdampfer Kaiser Wilhelm II.. von Australien kommend, ift am 11. Februar Nachmittags in Antwerpen an⸗ gekommen. . .

Wien, 11. Februar. (W. T. B.). Der Verkehr auf der Strecke Langen Bludenz der Arlbergbahn, welcher seit einigen Tagen durch Lawinenstürze und Steinabrutschungen gestört war, ist heute wieder aufgenommen worden.

Theater und Mufik.

Am Sonntag geht im Königlichen? Opern hause . Afrikanerin“ mit den Damen Pierson, Hiedler und Henneberg, den Herren Rothmühl, Mödlinger, Krolop, Bulß, Ernst, Stammer und Krasa in Scene. . .

Im Deutschen Theater ist Herr Dr. Pohl, von Feiner Heiserkeit jetzt foweit hergeftellt, daß er im Anfang nächster Woche seine Thätigkeit wieder aufnehmen kann. Infolge dessen wird die Aufführung von ‚Don Carlos“, welche verschoben werden mußte, am Montag stattfinden. . . .

Im Berliner Theater findet morgen, wie bereits gemeldet, die erfte Aufführung des anonym eingereichten Schauspiels Schlimme Saat“ statt. .

Zum Besten der Feriencolonien veranstaltet das Comitè des Vereins der Westporstadt (Frau Dr. Christ) im Saale der Königlichen Hochschule für Musik (Potsdamerstraße 120) Dienstag, den 23 Februar, Abends 71 Uhr, ein Concert, bei welchem die Concertsängerin Fräulein Toni Lieber (Sopran Frau Ida Klee (allt, die Violinvirtuosin Fräulein Rosa. Schindler, der Dpernsänger Herr Folmer Hansen und einige Mitglieder der Vor— tragsschule von Frau Ernst⸗Cochoy mitwirken werden. Einlaßkarten zu Ny und 1 4 sind in den Musikalienhandlungen von Raabe und Plothow, Potsdamerstr. Ja, und von Rühle und Hunger, Friedrich— straße y haben.

In dem morgigen n Frä Frida Scotta ö der Sing-⸗Akadem ie wird Herr Heinrich Grahl Lieder von Brahms, Schumann, Tausch und Stange vortragen. Die Sängerin Fräulein Helene Jahncke wird in ihrem am Sonntag in der Sing-Aka demie stattfindenden mit der Pianistin Fräulein Martha Hornig gemeinschaftlich zu veranstaltenden Concert u. a. die Arie „Gual' farfalletta- aus Händel's Partenope', Rossini's La promessa- und Lieder von Schubert, Wagner, Stange und H. Schmidt zu Gehör bringen Im III. Quartett. Abend der Herren Professor Joachim und Genossen am Dienstag, 16. Fe—

Concert der dänischen Geigerin Fräulein

bruar, gelangen von Herzogenberg's Quartett G-dur, op. 42. Beet- —— FE-moll, op. 85, und Schuberts PD-moll⸗Quartett zur Ausführung. Für das VIII. Philharmonische Concert unter Sans von Bülow's Leitung (29. Februar) ist der Karten- verkauf bei Bote und Bock eröffnet.

Mannigfaltiges.

Cuxhaven, 10. Februar. Die Abfahrt der Augusta Victoria“ zu ihrer Orientreise fand, wie der Hamb. Corr. mittheilt, heute Mittag statt. Trotz des schlechten Wetters hatten sich viele Zuschauer auf dem Hafenbahnhof eingefunden, wo der Extrazug um 11 Uhr eintraf. Es waren etwa achtzig Personen, größtenteils Herren, die dem Zuge entstiegen und sich auf den Salon⸗ dampfer Blankenefe begaben, der nach Uebernahme des Gepäcks schlennigft den Hafen verließ und sich längsseits des Schnelldampfers legte. Um 12 Ühr lichtete die Augusta Victoria“ die Anker und verschwand bald im Nebel.

Warschau, 11. Februar. In der Stadt Grzegorzewo im Goupernement Warschau wurden. wie D. B. H. meldet, durch Brandstiftung 4 Häuser eingeäschert, Hierbei kamen drei Personen in den Flammen um. Der Schaden ist bedeutend.

Aus den Alpen. In dem österreichischen Alpengebiet trat, wie Wiener Blätter melden, am Sonnabend starker Schneefall in Verbindung mit Gewitter und Lawinenstürzen ein. Lawinen— stürze machten die Einstellung des Zugverkehrs zwischen Hieflau— Gstatterboden und Auffee Obertraun nothwendig. Die Posftableitung für die Route Admon —St. Michael mußte von Wien aus über Bruck a. M. verfügt werden. Iwlschen Amstein Hieflau ift der Gefammtpostverkehr aufrecht. Am Arlberg er⸗ folgte eine Verkehrsstörung durch Lawinenstürze und Stein- abrutschung. Auch der Postverkehr von und nach Mariazell über Mürzzuschlag und über Bruck a. M. ist ganz unterbrochen. Wegen Verkehrsstörung am Pyrhn-Paß werden Brief⸗ und Fahrposten für die Strecke Spital a. P Klaus über Linz geleitet. Infelge des außerordentlichen Schneefalls und großer Lawinenstürze ist Aussee nach außzen ganz abgeschlossen. Im Mürzthal war der Schneefall so stark, daß der Verkehr auf der Südbahn behindert wurde und die Züge um mehr als zwei Stunden sich verspäteten. Auf den Dächern der Waggons lag der Schnee fast fußhoch. Von Mürzzuschlag aus mußten ununterbrochen Schneepflüge verkehren, und zwar bis Marburg.

Aus Da vos wird vom 9. Februar geschrieben: Infolge acht⸗ tägigen Schneefalls steigerte sich die Masse auf 23 m, weshalb große Unglücksfälle unausbleiblich sein werden. Alles muß Hand an⸗ legen, um den 2m hohen Schnee von den flachen Dächern zu schaffen, ö. die gefünderen Herren und Damen, Kurgäͤste, bieten ihre Dienste gern an und machen dabei gute Kur. Gestern stürzte bei Da vos—⸗ Dörfli eine Lawine mit furchtbarem Getöse nieder, über die Land⸗ straße hinweg in den Davoser-See, ohne Jemand zu treffen. Heute Vormittag ging unweit von diesem Platz eine weitere sehr starke Lawine nieder, nahm aber fünf Ställe mit Vieh und Futter mit in die Tiefe. Ein Knecht, welcher zum Füttern in einem Stalle war, konnte mit großer Mühe noch lebend ans Tageslicht befördert werden. Mehrere Stück Vieh und Ziegen sind umgekommen. Die Hauptstraße nach Klosters-Landguart ist gesperrt; man mußte Sturm läuten, worauf sich 300 Personen zur Rettungsarbeit anschickten. Mittags gingen noch weitere 3 Lawinen ins 3. lin Laret, Clavadell und Frauenkirch); ob hierbei Jemand verunglückt, ist bis jetzt nicht bekannt. Viele Familien ziehen aus, da westere Lawinen zu befürchten sind. Gestern Vormittag blieben auch die Schneelokomotiven stecken, obgleich die— selben die ganze Nacht hindurch mit Mühe die Bahn offen hielten. Voraussichtlich ist nun der Bahnverkehr auf mehrere Wochen zwischen Davos und Klosters unterbrochen; wie auch heute die Bahnverwaltung dem Kreisamt Mittheilung macht. Der Verkehr zwischen der Station Klosters⸗Davos resp. Landquart⸗Davos wird nun täglich mit dreißig Postschlitten unterhalten, wobei die nöthige

Bedienungsmannschaft nicht fehlen darf. Heute schneit es den ganzen Ta 2 stark weiter. Seitenstraßen, in welchen der ö nicht feftgewalßt werden kann, gleichen tiefen Gräben und Wällen, por denen man die Parterrewohnungen nicht mehr sehen kann.

Der Frkf. Ztg. wird gus Innsbruck vom 11. Februar telegraphirt: In St. Jakob, Bezirk Taufers, riß eine Law ine ein Gehöft fort. Zwei Schwestern des Besitzers wurden getödtet.

Wellington (Neuseeland). 9. Februar. In vielen Theilen der Nordinsel haben sich schwere Erdbeben ereignet, die wahrschein= lich mit der gegenwärtigen heftigen Eruption des Vulcans Rgauruh oe in Zusammenhang stehen. Rauch und Flammen steigen aus dem Krater bis zu einer ungeheuren Höhe empor, und das Schau⸗ spiel gewährt, wie R. B. meldet, namentlich zur Nachtzeit, einen großartigen schaurig schönen Anblick.

*

Nach Schluß der Redagction eingegangene De pesch en.

Wien, 12. Februar. (W. T. B.) Der „Presse“ zufolge hat der Central-⸗Inspector der Donau⸗Dampfschiffahrt⸗Gesell⸗ schaft Et ienne dem ,,. Lueger wegen der am Dienstag, 9. d. M., im Abgeordnetenhause vorgebrachten ehren⸗ rührigen Angriffe eine Herausforderung zum Duell zugehen lassen. Auf der Linie Amstetten Pontafel ist der Gesammtverkehr wieder aufgenommen worden.

St. Petersburg, 12. Februar. (W. T. B) Das Finanz-Ministerium nimmt von einer inneren Staats—⸗ Anleihe, von der e G m ü ser rte, zunächst absolut Abstand und wird die Bedürfnisse für die Staatsausgaben resp. für den Nothstand durch Ueberweisung von Gold aus dem Staatsschatz an die Reichsbank decken und dem Staatsschatz dagegen entsprechende Creditvalutabeträge bei der Reichsbank züschreiben lassen. Da ein Theil der temporär emittirten Creditrubel durch eigene Bestände der Reichsbank bedeckt wurde, so werden durch obige Operation diese Goldbestände der Reichsbank zurück— erstattet, sodaß die temporär emittirten Rubel nur durch Gold— bestände des Staatsschatzes bedeckt sein werden.

Bern, 12. Februar. (W. T. B.) Die Handels⸗ vert :n nierß li n en der Schweiz mit Italien sind einstweilen abgebrochen. Von morgen ab findet daher der Generaltarif Anwendung. Der amtliche Bericht über die Bundesrathsverhandlungen bezeichnet als Ursache des Abbruchs, daß die von Italien ge⸗ machten Zugeständnisse für diejenigen Arten von Baum—⸗ wollgeweben und Stickereien, welche hauptsächlich aus der Schweiz nach Italien importirt würden, ungenügend seien, da sie nicht einmal 3 Proc. der gegenwärtigen Zollsätze ausmachten, und daß Italien für die Aus fuhr aus der Schweiz bedeutendere Vortheile verlange, als es bisher genossen, besonders für Wein und für frische sowie gestampfte Trauben, ingleichen für Schweine u. s. w., während Italien selbst eine compenfationsweise Herabsetzung des Käsezolls ablehnt. Angesichts dieser Thatsachen scheine der Abschluß eines Vertrags um so weniger möglich, als die italienischen Delegirten die Weifung erhalten hätten, für den Fall, daß die Anträge ihrer Regierung so, wie sie gestellt seien, abgelehnt würden, Zürich zu verlassen.

Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage)

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t vom 12. Februar, Schauspielha

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36. 26

33 Grube.

in 3 Aufzũgen 3 Ober⸗Regisseur Sonntag: Afrikanerin.

Bar. auf O Gr. u. d. Meeressp red. in Millim

Stationen. Wind. Wetter.

Temperatur in O Celsius

5 h

50 C. = 40R.

WSW 3 bedeckt WNW 4wolkig ö von W Schnee NW 5 bedeckt ö

still Nebe —1 err. WSW 1 bedeckt 9

berdeen .. Christiansund Kopenhagen. Stockholm. Wraranda ; St. Petersbg.

Mullaghmore A

Regisseur Tetzl Anfang 7 Uhr.

880 33 S S = 86

Schau Wildenbruch.

Kleist. In Scene gesetzt vom Ober⸗ Der eingebildete Kranke.

Dpernhaus.

Text von EG. Scribe, deutsch von F. Gumbert. Ballet Paul Taglieni.

Schauspielhaus. 45. Vorstellung.

us. 44. Vorstellung. Der zer⸗ g. Lustspiel in Luft ven H. von egisseur Max

fang 7 Uhr.

i tran Lustsviel von Moliére, mit Benutzung der Uebersetzung. In Scene gesetzt vom Max Grube. Anfang 7 Uhr. 41. , . Oper in 5 Acten von G. Meyerbeer. ; ; Modebazar Violet. In Scene gesetzt vom Ober— , Face aff. Dirigent: Kapellmeister Sucher. Anfang 75 Uhr. us. 45. e Der neue spiel in? Vorgängen von Ernst von In Scene gesetzt vom Ober⸗Regisseur

Costume vom Garderoben⸗Inspector Venzky. An⸗

Sonntag: Das Sonntagskind.

Residenz · Theater. Direction: Sigmund Lauten burg. Sonnabend: Zum 16. Male: Musotte. Sitten⸗ bild in 3 Acten von Guy de Maupassant. In Scene gesetzt von Sigmund Lautenburg. Schwank in 1 Act von Benno Jacobson. In Scene gesetzt von Emil Lessing.

Die Aufführung von Musotte' beginnt um 8 Uhr. Sonntag: Dieselbe Vorstellung.

von Lisjzt. Phantasie Caralleria rustieana“ don Mascagni. Donauwellen', Walzer von Ivanoeis. Rhaxsodie Nr. II. von Liszt. Zigeunerweisen für die Violine von Sarasate (Herr Concertmeister Hell⸗ riegel).

Circus Renz. Karlstraße. Sennabend, Abenẽ 7 Uhr: Gala-Vorstellung. Zum Benefiz für die Geschwister Oceana und Ernst Renz. Zum 1. Malt; Fahrschule, geritten ven der

Vorher:

Beneficiantin Fil. Dceana Renz mit 2 Vollblutpferden. Zum 1 Malt; Vorführung zweier Blumenpferde (Vollblut. Araber) durch die Beneficiantin Frl. Oceana Renz. = Eoriclan', geritten von der Benefiziantin Fil. Oceana Renz. „Kandelaber“, geritten von dem

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Witterung.

Während das barometrische Maximum im Westen

sich wenig verändert hat,

ist über Nordschweden ein

Max Grube. Anfang 7 Uhr.

Dentsches Theater. Crampton. Anfang 7 Uhr.

Sonntag: College Crampton.

Montag: Don Carlos.

Sonnabend: College

Berliner Theater. Sonnabend: Zum 1. Male: Schlimme Saat. Anfang 7 Uhr.

Sonntag: Nachmittags 21 Uhr: Othello. Abends 7 Uhr: Schlimme Saat.

Montag: Der Hüttenbesitzer. (Nuscha Butze, Agnes Sorma, Ludw. Barnary, Ludw. Stahl.)

Lessing Theater. Sennabend: Zum 75. Male: Die Großftadtluft.

Sonntag: Nachmittags 27 Uhr: Sodoms Ende. Abends 7 Uhr: Fräulein Frau. Unter vier ie . Der sechste Sinn.

Montag: Die Großstadtluft.

Belle Alliance · Thenter. Sonnabend: 44. En⸗ semble⸗Gastspiel der Münchener unter Leitung des Königlich baverischen Hofschauspielers Herrn Marx Hofpauer. Zum 2. Male Der Nothhelfer. Ländlicher Schwank mit Gesang und Tanz in 4Acten von Amand Kolbe. Musik von Josef Krügel. Im 1. Aufzuge: „Schuhplattl-Tanz'. Anfang 74 Uhr.

Sonntag: 45. Ensemble⸗Gastspiel der Münchener. Der Nothhelfer.

Adolph Ernst Theater. Sonnabend: Zum 51. Male: Der Tanztenfel. Gesangsposse in 4 Acten von Cd. Jacobson und Mannstädt. Couplets theilweise von Gustav Görß. Musik von Gustav Steffens. In Scene gesetzt ven Adolrh Ernst. Anfang 71 Uhr.

Sonntag: Der Tanzteufel.

Thomas · Theater. Alte Jakobstraße Nr. 30. Direction: Emil Thomas. Sonnabend: Zum 1. Male: Reif⸗Reiflingen. Schwank in 5 Aufzügen von G. v. Moser. In Scene gesetzt vom Ober⸗Regisseur August Kurz. Anfang 74 Uhr.

Benefizianten Herrn Ernst Renz. Sisters Lam rente am fliegenden Trapez. Gebrüder Briatore, ? Akre⸗ baten. Auftreten der besten Reitkünstlerinnen und Reitkünstler. Komische Entrées und Intermez t? von sämmtlichen Clowns 2c. Zum Schluß de Vorstellung: Auf Helgoland oder: Ebbe und Fluth. Gr. hydrol. Ausstattungs⸗Pantomime in? Ab⸗ fbeilungen mit Rationaltänzen 60 Damen), Auf- zügen. Neue Einlage: „Die Garde- Husaren und „illanen?. Dampffchiff und Bootfahrten, Waßer⸗ fälle, Riesenfontänen mit allerlei Lichteffecten z arrangirt und inscenirt vom Director G. Renz. Sonntag: 2 Vorstellungen. Nachmittags 4 r 1 Kind freih. Mazeppa's Verbannung. in, . historische Pantomime von 150 Kindern mit Dil Polnischer Nationaltanz vom gesammten Cors de Ballet). Abends 77 Uhr: Auf Helgoland.

r— —— Familien⸗Nachrichten.

Verlobt: Frl. Else Plümicke mit Hrn. Rittet⸗ 5 Paul Looff (Petersdorf bei Büton,

zommern Hroß⸗Polezen). Frl. Margat te Schottlaender mit Hrn. Rittergutsbesitzer Mar Graetzer (Breslau = Groß⸗Wilkowitz! .

niefes Minimum erschienen, welches einen Ausläufer nach dem südöstlichen Ostseegebiete entsendet, unter dessen Einfluß die westlichen und nordwestlichen Winde an der deutschen Küste ziemlich erheblich auf⸗ gefrischt sind. Christiansund meldet Schneesturm aus Westen. In Deutschland dauert die trübe, milde Witterung noch fort, nur am Nordfuße der Alpen herrscht leichter Frost. Stellenweise ist in Deutschland etwas Niederschlag gefallen, da das Maximum im Westen ziemlich große Beständigkeit zeigt und das Depressionsgebiet sich weiter südwärts auszubreiten scheint, so dürfte feuchte böige Witte⸗ rung für unsere Gegenden zu erwarten sein. Deutsche Seewarte.

e ——— Theater ⸗Anzeigen. Königliche Schauspiele. Sonnabend: Drern—

baus. 46. Vorstellung. Tristau und Isolde. In 3 Acten von Richard Wagner. Dirigent: Kapell⸗ meister Sucher. Anfang 63 Uhr.

Wallner ˖ Theater. Sonnabend: Zum 4. Male:

Sonntag: Dieselbe Vorstellung.

Geboren; Ein Sohn: Hrn, Rechtsanwalt . Notar Siegfried Zuckermann (Forst). Ei

Ein berühmter Mitbürger. Burleske in 1 Act von C. Laufs und W. Jacobi. Musik von Victor Holländer. Zum 4. Male: Der Bärenführer. Schwank in 3 Acten von Franz Wallner und Oscar Teuscher. Anfang 73 Uhr. Sonntag u. a Tage: Der Bärenführer. it

zettel. Ein berühmter Mitburger. n .

Arania, Anstalt für volksthümliche Naturkunde. s⸗Park (Lehrter Bahnhof). Täglich Vorstellung im eres die Anschlag⸗

Am Landes ⸗Ausstellu Geöffnet von 12 —11 Uhr. wissenschaftlichen Theater. Anfang 7 Uhr.

Tochter: Hrn. von Lieres (Reppline). K Regierung. Affessor Chäles de Beaulleu (Stra, ,. Hrn. Regierungs⸗Baumeister C. Lange Berlin). . 6 6ir nn: Verw. Fr. Geheime ustis· Nah Juliane Berendes, geb. Weber (Genthin) a Sr. Qberförster Gustav Prause (Schloß Zalte

Sonntag: Nachmittags⸗Vorstellung zu bedeutend ermäßigten Preisen. Ein toller Einfall. Schwank in 4 Acten don Carl Laufs. Parquet 1 66 24. An⸗ fang 4 Uhr.

Friedrich Wilhelmstädtisches Theater. Sonnabend: Mit neuer Ausstattung zum 24. Male: Das Sonntagskind. Operette in 3 Aeten von ug Wittmann und Julius Bauer. Musik von Farl Millöcker. In Scene gesetzt von Julius Fritzsche. Dirigent: Kapellmeister Federmann. Die

Concert. Duv.

Decorationen aus dem Atelier von Falk. Die neuen

Coneerte. Sing Akademie. Sonnabend, Abends 75 Uhr:

Concert der Violinvirtuosin Frida Scotta.

Contert Haus. Sonnabend: Karl Merder⸗ Anfang 7 Uhr. Der Flächtling“ helm Tell“ von Rossini.

ven Kretschmar. Polonaise Nr. II. E-(dur

berg O.⸗S. . ,

Redacteur: Dr. H. Klee, Director. Berlin:

Verlag der Expedition (Schol). 84 Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Veh ne Anstalt, Berlin sW., Wilhelmftraße Nr. 3 Sechs Beilagen leinschließlich Börsen⸗Beilage).

Wil⸗

Erste Beilage

zum Deutschen Reichs⸗-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger.

M 38.

Berlin, Freitag, den 12. Februar

1892.

Deutscher Reichstag. 169. Sitzung vom Donnerstag, 11. Februar. 1 Uhr.

Am Tische des Bundesraths die Staatssecretäre Dr. von Boetticher und Dr. Bosse.

Auf der Tagesordnung stehen Anträge aus dem Hause und zwar zunächst die erste Berathung des Antrages Rin— telen (Centr.) wegen Aenderung der Strafproceßordnung in Bezug auf die Wiedergufnahme des Verfahrens, sowie die Entschädig ung für , erlittene Strafen, mit welcher verbunden wird die erste Berathung des Antrages Träger (bfr), betreffend die Entschädigung für un— schuldig erlittene Strafen.

Abg. Rintelen (Centr.): Dieser Gegenstand habe das Haus bereits seit einem Jahrzehnt beschäftigt. Es sei möglich, daß jemandes Schuld durch das Zusammentreffen gewisser Umstände pollständig erwiesen scheine, während es sich nachher herausstelle, daß er dennoch unschuldig sei. Dies sei einer der Unglücksfälle, die den Einzelnen treffen könnten in allen Verhältnissen des Lebens. Das allgemeine Rechtsbewußtsein des Volkes verlange aber, daß ein derartiger Fall seine Sühne finde und daß womöglich auch die durch die Verurtheilung entstandenen Vermögensnachtheile aus— geglichen würden. Durch die Verbüßung der Strafe könne die Existenzfähigkeit des Einzelnen und der ganzen Familie zerstört werden. Nun würden derartige objective Ungerechtigkeiten zum theil dadurch gesühnt, daß der Staat freiwillig aus seinem Dispositionsfonds eine gewisse Entschädigung gewähre. Diese Vergütung beruhe aber lediglich auf dem Ermessen der obersten Staatsbehörden und entspreche nicht dem, was das Volk verlange. Er gebe zu, daß sich aus den alten deutschen Rechtsgrundsätzen ein Anspruch auf Entschädigung rechtlich nicht begründen lasse. Das Rechtsbewußtsein des Volkes sei aber entwickelungsfähig; auch in dem Unfall⸗ und Kranken— versicherungsgesetz u. s. w. sei aus der Masse des Volkes heraus ein ganz neuer Gedanke hervorgetreten, und er sage, wenn er für einen Ünfall jemand verantwortlich mache, der an sich keine Schuld daran trage, so fehlten auch dafür alte juristische Rechtsgrundsätze. Das sei eben eine Forderung des neuen Gewissens. Dasselbe gelte aber auch von der Entschädigung für unschuldig erlittene Strafen. In der Schweiz bestehe ein solches Gesetz schon seit langer Zeit und n Oesterreich und Frankreich sei man nahe daran, ein solches Gesetz zum

bschluß zu bringen. Er bedauere, daß andere Völker dem Deutschen ich in dieser hochwichtigen Frage zuvorgekommen seien. Im Jahre 8ss65 sei der Gesetzentwurf, der aus der Commission ervorgegangen sei, einmüthig angenommen worden. Er meine, 3 würde für die verbündeten und die

sesetzlich zu regeln, und zwar

gegenüber dem allgemeinen Rechtsbewußtsein des Volks. Redner giebt hierauf eine historische Uebersicht über die Berathung ähnlicher Anträge im Reichstag. Im Jahre 1885 86 sei ein Antrag gestellt worden, wonach eine Entschädigung nur für unschuldig erlittene Strafhast habe gewährt werden sollen. Dies habe aber so außerordentliche Schwierigkeiten geboten, daß der Reichstag die Untersuchungshaft ausgeschieden und lediglich die Entschädigung für unschuldig erlittene Strafen, sei es Geld oder Haftstrafen, gesetzgeberisch behandelt habe. Bei dieser Gelegenheit sei auch die Frage einer Aenderung des Wieder aufnahmeverfahrens erörtert worden. Die bisherige Art des Wieder⸗ aufnahmeverfahrens biete keine Gewähr dafür, daß jemand frei⸗ gesprochen werde, weil er absolut schuldlos sei; die Freisprechung könne auch erfolgen, wenn nur ein sogenanntes non liquet vorliege. Man sei der Meinung gewesen, daß die Zeugen schon im Vor— verfahren vereidigt werden müßten, damit später nicht die ganze Verhandlung von vorn wieder begonnen werden müsse. Der Antrag Trãger . die Entschädigung auch dann gewähren, wenn im Wiederaufnahmeverfahren die Freispre chung lediglich auf Grund eines non Üiquet erfolge. Dieser Antrag habe weder im Hause noch bei den verbündeten Regierungen auf Annahme zu rechnen. Eine Entschädi⸗ gung könne nur dann gewährt werden, wenn die Schuldlosigkeit des Angeklagten wirklich erwiesen sei. Es läge nahe, die Frage wegen Einführung der Berufung in Strafsachen mit dieser Frage gleichzeitig zu behandeln. Er glaube aber, daß man mit der Regelung der vorliegenden Frage nicht so lange warten dürfe, bis die verbündeten Regierungen, was hoffentlich recht bald geschehen werde, die Berufung in Straffachen einführten. Die Frage sei seit einem Jahrzehnt so spruchreif, daß es überflüssig sei, über die beiden Anträge nochmals commissarisch zu berathen.

Abg. Träger (fr.): Diese Angelegenheit beschäftige den Reichstag nun schon seit zehn Jahren, der Gegenstand habe die wobl— wollendste Theilnahme des Hauses gefunden, niemals sei er auf Widerstand gestoßen, und es gebe keine Sache, die so vollkommen spruchreif sei. Da sei es ein unbehagliches Gefühl für den Reichstag, immer dieselben Monologe halten zu müssen, ohne daß die Regierung irgend ein Entgegenkommen zeige. Doch müsse wenigstens der eine der gesetzgebenden Faetoren bei einer Sache von solcher Wichtigkeit eine Schuldigkeit thun: vielleicht, daß die Regierung endlich sich be⸗ hien lasse. Das Verdienst, diese Frage zuerst angeregt zu haben, ge— bůhre . Frohme, der schon 1832 einen. Antrag in dieser Lichtung eingebracht habe; ein Jahr später sei ein Antrag Phillips⸗ Lenzmann in einer Commission berathen worden, über den der leider verstorbene Abg. von Schwarze einen vorzüglichen Be— richt erstattet habe. Doch sei der Antrag im Plenum nicht mehr zur Verhandlung gekommen, sondern erst in der Session 1385.86 sei der Bericht des Abg. Spahn über einen analogen An— trag im Hause zur Berathung und der Antrag zur Annahme ge— langt. Im Jahre 18588 fei dann der Abg. Munckel nochmals mit dem Antrage gekommen, der wieder nach dreimaliger Lesung an⸗ genommen worden sei. Von allen Parteien des Hauses sei die Sache auf das wohlwollendste behandelt worden: man dürfe den Sinn für ausgleichen de Gerechtigkeit und Entschädigung des Unglücks der un⸗ schuldig Verurtheilten nicht für eine einzelne Partei in Anspruch nehmen. Die verbündeten Regierungen hätten sich allen diesen bestimmt ausgesprochenen Wünschen des Reichstags gegenüber theoretisch wohl⸗ wollend verhalten; die Commissarien, die fie in die Commiffionen entsandt, hätten sich aber stets gegen die Entschädigung für unschuldig erlittene Untersuchungshaft, und gegen eine gesetzliche Rege⸗ lung der Materie überhaupt verwahrt. Sie hätten gemeint, die Sache ö. am ‚besten zu regeln, indem man dem Kaiser oder dem Reichs- kanzler einen Dispositiensfonds überweise, aus dem die Ent— schãdigungen zu zahlen seien. Diese Regelung laufe aber mehr oder neniger auf einen Gnadenact hinaus; dies solle aber kein Act der Inade sein, sondern ein Act des Rechts. Im Jahre 1887 habe die Wegierung erklärt, daß sie zur reichsgesetzlichen Regelung dieser An- gelegenheit überhaupt keine Veranlassung habe, daß diese vielmehr den Einzelstaaten überlassen werden muͤsse. Diese Lösung halte er des halb für unglücklich, weil dadurch die ganze Rechtseinheit verletzt 1 zudein seien auch schon genug einzelstaatliche Eigenthümlich⸗ kiten aufgenommen worden, so die Zeugenpflicht des verantwortlichen . die verschiedene Behandlung der Prehrergehbzn theils 36 ie gewohnlichen theils durch Ge zworenengerichte. Alle diese mad noch weitere Opfer habe man für die Rechtseinheit gebracht. Tas würde einen unheilvollen Particularismus herstellen. In

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einigen Staaten würden Entschädigungen gezahlt, in anderen nicht; das sei ein unhaltbarer Zustand. Der Gedanke der Ent schädigung unschuldig Verurtheilter sei auch kein Gedanke der Neuzeit. Der Sachsenspiegel spreche bereits davon; auch die Karolina verheiße die Entschädigung unschuldig Verurtheilter; Friedrich IJ. habe im Jahre. 1775. ein Rescript an seinen damaligen Kanzler gerichtet, das im, gleichen Sinne gehalten sei. Andere Staaten, hätten sich im. Laufe des porigen und dieses Jahrhunderts dem angeschlossen. In Württemberg sei 1868 die Entschädigung unschuldig Verurtheilter eingeführt worden, sodaß die Württemberger bei der Einführung der Rechtseinheit entschieden ein schlechtes Geschäft gemacht hätten. Man gehe jetzt schon soweit, daz man die Freisprechung eines früher Verurtheilten im Reichs-Anzeiger' veröffentliche, um ihm seine Ehre nach Möglichkeit wieder zu geben, warum thue man nun nicht auch den Schritt; ihn nach Moglichkeit zu entschädigen? Der Einwand, daß der Justizfiscus sehr arm sei, könne doch nicht ausschlaggebend sein; auch der Einwand, daß ein solches Gesetz das Ansehen der Justi schädigen könne, sei nicht stichhaltig. Denn wenn es durch das Vorkommen einer Verurtheilung Unschuldiger nicht geschädigt werde, durch die Entschädigung werde es sicher nicht beeinträchtigt. Warum sollte man auch gerade in der Justizverwaltung die Fiction der Un— fehlbarkeit bestehen lasen? Im Jahre 1884 sei der damals tagenden Commission eine Nachweisung der seit der Justizreorganisation vor— , Verurtheilungen Unschuldiger gegeben worden.

s seien 295 Freisprechungen im Wiederaufnahmeberfahren vorgekom⸗ men, ungefähr zu gleichen Theilen seien die Verurtheilungen vor Schöffengerichten und ver Strafkammern erfolgt. In 96 Fallen sei die Strafe ganz, in 78 Fällen theilweise verbüßt gewesen; seit jener Zeit eien natürlich noch sehr viele Fälle dazu gekommen, und jeder neue Fall rufe neue Beunruhigung in der Bevölkerung hervor. Dabei sei zu bedenken, daß in jedem neuen Gesetz, das man mache, neue Uebertretungsmöglichkeiten geschaffen, und daß jetzt die Möglichkeit, sich strafbar zu machen, viel größer geworden sei; auch sei die Straf⸗ vollstreckung strenger als früher, und erst vorgestern habe der preußische Justiz ·Minister erklart, das K bedürfe einer Aende⸗ rung. Schon vor längerer Zeit habe Abg. Windthorst erklärt, das Ver— trauen der Bevölkerung zu der Criminaljustiz nehme ständig ab. Man sehe also, daß die Erledigung des Antrages eine dringende Nothwendigkeit sei. Bis hierher sei er mit dem Abg. Rintelen voll— ständig einer Meinung: aber der Abg. Rintelen habe, um das Gesetz ein wenig schmackhaft zu machen, die Möglichkeit einer Enschädigung mit der Wiedereinführung einer Berufungsinstanz in Strafsachen ver— knüpft. Das Reich gebe so viel Geld zu beunruhigenden Zwecken aus, könnte es nicht auch einmal zu Zwecken des Friedens selbst größere Summen hergeben? Der Abg. Rintelen glaube aber vermuthlich, die für Entschädigungen zu zahlende Summe durch seinen Antrag zu ermäßigen, weil dadurch die Zahl der in Betracht kommenden Fälle verringert werden würde. Die im Jahre 1885 für diesen Gegenstand eingesetzte Commission habe sich zugleich mit der Frage der Wieder— einführung der Berufung zu beschäftigen gehabt, und der vom Abg. Rintelen hier mit seinem des Redners) Antrag verknüpfte Gesetzentwurf sei von der damaligen Commission beantragt werden, weil sie sich eben mit der Wiedereinführung der Berufung zu beschäftigen gehabt habe. Ohne letztere werde aber das Princip, um das es sich hier handele, geradezu verkehrt. Der einmal Freigesprochene werde noch einmal auf die An— klagebank gesetzt, um vielleicht urig befunden, statt entschädigt zu werden. So lange es bei dem bisherigen Strafverfahren bleibe, könne seine Partei den Antrag Rintelen nicht annehmen. Auch er halte, eine nochmalige Commissionsberathung nicht für noth— wendig; er würde sich aber nicht dagegen erklären, denn man befinde sich in einem Reichstag, der sich mit der Sache noch nicht beschäftigt habe, und jeder neue Reichstag stehe in dem Verdacht, neue Ge—⸗ danken zu haben, und diese mußten auch hierbei zur Geltung kommen. Man hetone bei fast allen neueren Gesetzen mit Recht ihren soecial— politischen Charakter, die hier vorliegende Angelegenheit habe diesen Charakter in ganz bedeutendem Maße. Es werde zur Beruhigung des ganzen Volkes beitragen, zu sehen, daß, da die Justiz auch irren könne, der Staat bereit sei, den durch einen solchen Irrthum Ge⸗ schädigten zu entschädigen, sobald der Irrthum nachgewiesen sei! Beifall.)

Staatssecretär Dr. Bosse:

Meine Herren! Das Unbehagen, mit dem der Herr Abg. Träger in die Begründung seines Antrags eingetreten ist, kann nicht größer sein, als das Unbehagen eines Vertreters der verbündeten Regierungen, wenn er sich nicht in der Lage befindet, von der liebenswürdigsten Eigenschaft der Menschen, wie sie der Herr Abg. Träger nannte, sich zu bessern und zu bekehren, hier Gebrauch zu machen oder sie zu bethätigen.

Ich bin nicht in der Lage, in Aussicht zu stellen, daß wenigstens jetzt unmittelbar eine Aenderung in den Anschauungen der verbün— deten Regierungen eingetreten wäre oder eintreten würde. (Zuruf links.)

Meine Herren, ich bin, als ich das Reichs-Justizamt übernommen habe, sofort in eine Erwägung der Frage eingetreten, ob es denn nicht möglich sein würde, eine Frage, die den Reichstag so oft und lange beschäftigt hat und die ich im Laufe der letzten zehn Jahre wenigstens so weit verfolgt habe, als jeder Deutsche derartig wichtige einschneidende, wie ich vollkommen zugebe, socialpolitisch bedeutsame Fragen zu verfolgen pflegt, ob es nicht möglich sein würde, daß wir von Seiten der Justiz⸗ verwaltung nochmals versuchten, die Initiative für die Lösung dieser Frage in die Hand zu nehmen. Ich habe die Acten, die wir darüber haben, studirt; ich muß aber sagen, daß das Resultat meiner Be⸗ mühungen das gewesen ist, daß ich mich nur überzeugt habe, daß die alten Gegensätze in ungetrübter Schärfe weiter bestehen, freilich nicht in dem Sinne, daß die verbündeten Regierungen überhaupt nicht wünschten, daß eine Entschädigung unschuldig Verurtheilter stattfin— den soll.

Meine Herren, die Frage, ob ein unschuldig Verurtheilter, ein von den Organen des Staats, wenn auch unabsichtlich und irrthümlich, Verurtheilter wenigstens für einen Theil seines Unglücks, so weit dies menschen möglich ist, denn es ist nicht nach allen Richtungen hin mög—⸗ lich, zum großen Theil hängen an der unschuldigen Verurtheilung und an der Verurtheilung überhaupt Imponderabilien, die sich mit Geld niemals bezahlen lassen so weit das möglich ist, entschädigt werden soll, diese Frage ist eine so unmittelbar ad hominem sprechende, daß ich glaube, daß es überhaupt weder im Reichstage noch im Bundesrath irgend eine Person giebt, die grund⸗ sätzlich diese Frage verneinen möchte. Es handelt sich nur darum, wie die Sache anzufassen ist, und da liegt die große Schwierigkeit. Die erste und hauptsächlichste Schwierigkeit liegt in der Frage: wie soll festgestellt werden, ob jemand wirklich unschuldig verurtheilt ist? und in diesem Punkte befinde ich mich mit dem Herrn Abg. Träger nicht in Uebereinstimmung. Der Herr Abg. Dr. Rin⸗

telen ist ja in seinem Antrage nach dieser Richtung hin immerhin einigermaßen entgegengekommen, insofern er wenigstens die Zulassung des Wiederaufnahmeverfahrens im Falle des 5 399 Nr. 5 auf Grund neuer Thatsachen und neuer Beweise davon abhängig macht, daß anzunehmen ist, daß der Verurtheilte der ihm zur Last gelegten That nicht schuldig ist, oder Umstände, durch welche die Anwendung einer schwereren Strafe begründet ist, wegfallen.

Er hat aber selbst anerkannt, daß eine wirkliche Gewähr dafür, daß nun nicht bloß auf Grund eines non liquet freigesprochen wird, auch dadurch noch nicht gegeben ist. Nun ist diese Frage in dem treff⸗ lichen Commissionsbericht des verewigten Herrn Dr. von Schwarze ganz ausgezeichnet erörtert und zwar von Dr. von Schwarze selbst in dem Sinne, dem ich mich ebenfalls zuneige, daß nämlich jede Entschädi⸗ gung aus Staatsmitteln zur unerläßlichen Voraussetzung die Fest⸗ stellung haben muß, daß der Angeschuldigte schuldlos verurtheilt worden ist. e des Herrn Abg. Träger nicht anschließen, daß damit ein Eingriff in unser ganzes Strafproceßverfahren geschehen würde; auch nicht dem Einwande, der auch damals in der Commission erhoben worden ist, daß man damit wieder eine Freisprechung ab instantia einführe. Meine Herren, die Freisprechung ab instantia ist ganz etwas anderes; sie war eine provisorische, bei der das Damoklesschwert einer nochmaligen Anklage und Ver⸗ urtheilung fortwährend über dem Angeklagten hing; davon ist bier gar keine Rede, die Freisprechung soll Freisprechung bleiben und wird es bleiben mit allen Folgen. Daneben aber kann sehr wohl als Voraussetzung eines so zu sagen civilrechtlichen Geldanspruches fest— gestellt werden, ob der Angeschuldigte wirklich unschuldig verurtheilt gewesen ist oder nicht. Denn das werden auch Sie, meine Herren, anerkennen müssen: wenn jemand, der bloß wegen eines non liquet, freigesprochen ist und im Volksbewußtsein für schuldig gilt, daß das nicht geeignet ist, das Rechtsbewußtsein im Volke zu stärken. (Wider— spruch links Meine Herren, das ist die eine Frage, die auch durch die jetzige Vorlage nicht gelöst werden Di

Ich kann mich in dieser Beziehung den Ausführungen

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wird. Die andere Frage ist die, wie soll das Verfahren gestaltet werden? Und auch da gehen die Meinungen wesentlich auseinander. Nun gebe ich sehr gerne zu, daß ein Rechtsanspruch besser ist als ein Gnadenanspruch; ich möchte mir aber gestatten, zu Ihrer Erwägung zu stellen, ob mit Rücksicht darauf, daß die Fälle, in denen eine wirklich un—⸗ schuldige Verurtheilung bei uns vorkommt, nur Ausnahmefälle sind, daß sie sehr selten sind. Ich werde das gleich noch begründen, ob es denn nicht möglich ist, wenigstens einstweilen und bis zur definitiven und systematischen Neuregelung unserer Straproceßordnung diese Sache auszusetzen und sich damit zu begnügen, daß auf Anregung des Bundesraths festgestellt ist, daß in jedem deutschen Staat Fonds vorhanden sind, aus denen die Justizwverwaltung im Falle unschuldiger Verurtheilungen Entschädigungen zu gewähren hat. Der Herr Abg. Träger hat gesagt, wir schickten damit gewissermaßen den Freigesprochenen auf den Bettel bei den einzelnen Regierungen. Ich möchte das doch so nicht ausdrücken. Denn, meine Herren, die Gründe, die der Herr Abg. Träger aus der Einheit unserer Gerichtsverfassung entnommen hat, treffen nicht zu. Auch bei seinem Antrage verweist er die Leute an die Staats— kasse des Bundesraths, dessen Gericht das aufgehobene Urtheil ge⸗ sprochen hatte. Nun sind nach den Verhandlungen in den einzelnen Staaten diese Fonds in so außerordentlich seltener Weise in Anspruch genommen, daß z. B. in Bayern der Fonds im vorigen Jahre etats⸗ mäßig auf die Hälfte herabgesetzt worden ist. Ich muß zugeben, wenn auch nur einzelne Fälle vorkommen, in denen man helfen könnte und müßte und gleichwohl nicht helfen würde, so ist das eine höchst be— klagenswerthe Thatsache. Aber, meine Herren, nachdem hier im Reichstage anerkannt ist, daß Fonds zu diesem Zwecke da sind, glaube ich doch, daß die Gefahr, daß irgend eine deutsche Justizverwaltung in einem Falle dieser Art, wie ich sie bezeichnet habe, sich weigern sollte, eine Entschädigung zu gewähren, ganz undenkbar ist, und daß der Angeschuldigte, der wirklich ein solches Unglück hat, wohl darauf rechnen kann, daß ihm eine angemessene Entschädigung zu Theil wird.

Ich will noch eins anführen. Aus der ganzen Zeit, seitdem das Deutsche Reich besteht, befindet sich in den Acten des Justizamts nur eine einzige Beschwerde eines angeblich unschuldig Verurtheilten, der die Hilfe, die Intervention des Justizamts in Anspruch genommen hat, um ihm eine Entschädigung zu verschaffen. Diese Beschwerde kam aus Sachsen. Sie ist auch früher schon einmal im Reichs— tag besprochen worden und hat vorher den sächsischen Kam— mern schon vorgelegen, und beide Kammern hatten sie nicht für geeignet erachtet, sie der Regierung zur Berücksichtigung zu überweisen. Nun kann ich versichern, daß ich toto die von Ge⸗— suchen und Beschwerden heimgesucht werde, die die Intervention des Reichs-Justizamts gegen verweigerte Rechtshilfe u. dgl. in An— spruch nehmen. Sehr viele Leute, die einen Proceß in drei Instanzen verloren haben und bei den Gerichten keine Hilfe mehr finden, wenden sich an das Justizamt und verlangen von dem Justizamt ein Einschreiten gegen den betreffenden Bundesstaat wegen Rechts⸗ Das passirt sowohl auf dem Gebiete des Strafrechts, als es auf dem Gebiete des Civilprozesses vorkommt, und es sind ja begreiflicherweise nur die allerwenigsten Fälle, wo man auch nur die Feder in die Hand nehmen kann, um in solchen Fällen zu helfen. Wenn das aber so durch unser ganzes Volk hindurchgeht, daß man an die Reichs⸗Justizverwaltung sich wendet, falls man glaubt, definitiv Unrecht erlitten zu haben, dann ist doch gewiß anzunehmen, daß, wenn solche Fälle unschuldiger Verurtheilungen, in denen eine Entschädigung von den Justizverwaltungen versagt wäre, öfter vorkämen, diese Fälle ganz gewiß zur Kenntniß der Reichs⸗Justizverwaltung kommen. Mit Rücksicht hierauf möchte ich mir die Anheimgabe gestatten, ob es sich nicht empfehlen möchte, bis zur spstematischen Revision unserer Strafproceßordnung auch diese Sache auszusetzen und sich mit dem jetzigen Zustande einstweilen zu begnügen, wonach die Justizverwaltungen der Bundesstaaten in der Lage und, wie ich

verweigerung.

noch hinzufügen darf, auch bereit sind, eine Entschädigung dem un⸗