Das Duell aus alter germanischer lleber ic erung erhalten, sonst könnte man nech viel eher von parlamentarischem Duellunwesen wrechen, in Anbetracht der kleinen Gesammtzahl der Abgeordneten. Er hoffe, diese Verhandlungen würden von neuem dazu dienen, das Ver— trauen der ganzen Nation zur Armee zu befestigen. Das deutsche Volt sehe die Armee nicht mit schwächlicher Sentimentalität an. Die Disciplin sei nothwendig, aber sie könne nur aufrecht erhalten werden, wenn sie mit Gerechtigkeit und Fürsorge für die Mannschaften ge⸗ paart sei. Auch hier im Hause lebe dieses Gefühl, und seine Partei wolle ihren Einfluß auf die Regierung dahin geltend c daß eine humane Behandlung der Soldaten im höchsten Maße herbeigeführt werde. Sie werde für die Anträge der Budgeteommission unter 1 und 2 stimmen, die Nr. 3, betreffend die Pflege der Religion, da⸗ gegen aus den vom Reichskanzler angeführten Gründen ablehnen. Abg. Dr. von Marquardsen (nl): Der Antrag Richter—⸗ Buhl sei von dem Abg. Dr. Casselmann in so vorzüglicher Weife vertheidigt worden, daß er dem nichts hinzuzusetzen habe. Der Abg. Dr. Casselmann habe nicht nur als Jurist gesprochen, sondern er habe mit dem wärmsten Interesse für das deutsche Heer sich geäußert, und nach dieser Richtung fänden auch die Ausführungen des Abg. von Kardorff bei seiner Partei die vollste Sympathie. In Metz kest neben dem preußischen auch das bayerische Militär⸗Strafproceßverfahren, und er könne im Gegensatz zu dem Abg. von Kardorff mittheilen, daß eine der höchstgestellten bayerischen militärischen Autoritäten ihm ihre Zufriedenheit ganz besonders mit dem Grundgedanken des Antrages, der Oeffentlichkeit des Verfahrens, ausgesprochen habe. Der Reichs⸗ kanzler habe mit einer gewissen Empfindung — er wolle nicht sagen Empfindlichkeit — darauf hingewiesen, es könnte ja doch nicht die Zumuthung gestellt werden, daß man so ohne weiteres die bayeri⸗ schen Einrichtungen übernehmen solle, und er habe sich zum Beweise, daß doch nicht alle mit dem bayerischen Verfahren zufrieden seien, auf eine Aeußerung des gegenwärtigen bayerischen Kriegs-Ministers in der bayerischen Abgeordnetenkammer bezogen. Jene Aeußerung sei bei Gelegenheit einer von ihm (dem Redner) formulirten Resolution gefallen: Die bayerischen Bundesbevollmächtigten möchten nur einem Gesetzentwurf für das Deutsche Reich zustimmen, der die durch die Erfahrung erprobten Grund— sätze der bayerischen Strafproceßordnung, insbesondere die Ständigkeit der Gerichte und die Oeffentlichkeit und Münd— lichkeit des Verfahrens, wirksam mache. Der bayerische Kriegs-Minister von Safferling habe nun aber außer der angeführten Aeußerung noch Folgendes gesagt: „Die Königliche Staatsregierung geht von der Ueberzeugung aus, daß bei der künftigen deutschen Militär-Straf— proceßordnung das Princip der Oeffentlichkeit und Mündlichkeit in wirksamster Weise zu wahren ist. Man sehe, der Kriegs⸗Minister habe sogar die Resolution noch überboten, denn die Antragsteller hätten nur verlangt, daß die Grundsätze wirksam gemacht würden, die sich durch die Erfahrung erprobt hätten; der Kriegs-Minister spreche im Super—⸗ lativ. Der Minister-Präsident Freiherr von Crailsheim habe sich in der Kammer der Reichsräthe in derselben Weise ausgesprochen wie der Kriegs-Minister. Es sei den Antragstellern niemals ein— gefallen, daß das ganze bayerische Verfahren auf das Reich ausgedehnt werden solle. und der Abg. Freiherr von Stauffenberg habe in der erwähnten Sitzung der bayerischen Kammer selbst die Gruͤnde angegeben, weshalb er das gegenwärtige bayerische Militairstrafverfahren in den einen oder anderen Punkte geändert sehen möchte. Die Grund— principien des Verfahrens würden sich allerdings auch für die Allgemeinheit eignen. Der Abg. Gröber freilich sehe in der Oeffentlichkeit des Verfahrens überhaupt nichts Rechtes. Bei den vielen Ausnahmen, meine der Abg. Gröber, bleibe bon der ganzen Oeffentlichkeit gar nichts übrig. Er (Redner) habe aber doch selbft dem Reichstag im vorigen Jahre diese Ausnahmebestimmungen vorgelesen, um dem Reich zu zeigen, daß Preußen mit den bayerischen Bestim⸗ mungen ebenso gut hausen könne wie Bayern. Man wolle ja niemand etwas zumuthen, was mit dem Interesse des Dienstes und der Disciplin unvereinbar sei. Wenn der Abg. Gröber gemeint habe, die Ständigkeit der Gerichte habe nichts zu thun mit den Soldatenmißhandlungen, so möchte er (Redner) doch darauf hinweisen, daß man . zu ständigen Gerichten doch ein viel größeres Vertrauen habe, als zu ad hoe zusammenberufenen Gerichten oder Commissionen. Davon, daß der Abg. Dr. Casselmann sich ungerecht über die preußische Gerichtsorganisation in Militärsachen geäußert habe, habe er nichts verspürt. Daß das preußische Militaͤrstrafverfahren manchmal nicht sehr günstig beurtheilt werde, liege wohl daran, daß es sich an eine Institution anlehne, welche sich überlebt habe. Im Änschluß an eine von dem früheren Justiz⸗Minister von Bernuth gestellte Resolution, habe der Abg. Dr. Reichensperger gesagt; ‚Dieses Militärstrafverfahren mit seinem geheimen schriftlichen Inguisitionsverfahren ist eine Rechts form, die von der öffentlichen Meinung aller civilisirten Vökker verurtheilt ist. Der Reichskanzler habe eine Verschiedenheit dieser Resolution von seinem Antrage vom November v. J. in dem Sinne betont, als ob ein schroffes Auftreten auf einmal über die Partei gekommen sei, daß sie in ihrer Parteitaktik eigentlich viel milder geworden sei, als früher. Dies sei ein Irrthum des Reichskanzlers, wie man ja so viele Irrthümer und Mißverständnisse in den letzten Wochen erlebt habe. Er (Redner) habe sich gefreut, daß der Reichskanzler als preußischer Minister-Präsident neulich im preußischen AÄhgeordnetenhaufe erklärt habe, die Sache mit der großen liberalen Partei erscheine ihm als eine Seifenblase, die geplatzt sei. Aber es sel doch immerhin bedenklich, wenn wieder und wieder solche Seifenblasen aufstiegen, und es wolle ihm scheinen, daß ein gewisser Beunruhigungsbacillus gezüchtet worden sei. Seine Partei sei sich in keiner Weise bewußt, daß ihr Antrag vom November irgend etwas Anderes bedeute, als der Antrag Buhl⸗Michter, beide Anträge deckten sich vollständig, und seine Partei habe ihre Stellung nicht verändert. Der Abg. Richter habe hier schon das Richtige gesagt. Was die Beschwerdepflicht betreffe, so wolle er gern zugestehen, daß dieses eine arriBre-penséæ sei, die erst später gekommen, sei. Auch der Abg. Richter habe diesen Punkt als einen nebensächlichen bezeichnet, über den sich reden lasse. Die (lausula hajuvarica, die von dem Nachbarn aus dem Schwabenlande so wacker vertheidigt worden sei, scheine ihm doch nicht das Richtige zu treffen. Was solle das heißen: unbeschadet der in Bayern bereits bestehenden Regelung? Solle sich das beziehen auf das gefammte bayerische Recht bezüglich der Militär-⸗Strafyroceßordnung oder nur auf die SDeffent— lichkeit des Verfahrens? Jedenfalls habe man auch in Bayern das
größte Interesse an einer einheitlichen Organisation der Militärgerichts.! verfassung, denn so vorzüglich sei es namentlich mit der gesetzlichen
Formation der dortigen Rechtsquellen nicht bestellt, daß man nicht wünschen müßte, daß sich das bayerische Strafverfahren anlehne an das allgemeine Strafverfahren im, ganzen Deutschen Reich. Er hoffe, daß die Mehrheit die Resolution Buhl-Richter annehmen werde. Der Abg. Freiherr von Manteuffel habe gemeint, man müßte stutzig werden, weil die Socialdemokraten für die Refolution stimmten; wenn etwas richtig sei, werde es dadurch nicht unrichtig, wenn andere Parteien dafür stimmten. Die Socialdemokraten hätten einstimmig für die Handelsverträge gestimmt, er wisse nicht, ob das dem Reichs“ kanzler unangenehm gewesen sei. Der Staatssecretair Dr. v. Boetticher sei neulich sehr erfreut gewesen, daß der Abg. Grillenberger sich für die Alters- und Invalidenversicherung ausgesprochen habe. Uebrigens glaube er, man bekämpfe die Socialdemokratie mehr, wenn man die Deffentlichkeit einführe, als wenn man das nicht thue. Er beantrage, daß über die beiden Resolutionen gesondert abgestimmt werde, nament; lich über die Beschwerdepflicht.
Abg. von Koscielski (Pole): Die durch den Erlaß des Prinzen Georg von Sachsen bekannt gewordenen Mißhandlungen bedauere seine Partei aufs tiefste. Solche Sachen fämen aber leider überall vor, wo es Untergebene und Vorgesetzte gebe; er erinnere nur an die englische Armee, namentlich in den Colonieen, und an das kürzlich erschienene Buch Les Sous-off's, das die Zustände in der französischen Armee schildere. Wenn irgend ein Rekrut unter der rn f fen Ausbildung zu leiden habe, so sei es der polnische Rekrut, haupt⸗ sächlich wegen seiner mangelhaften Kenntniß der deutschen Sprache, der Grund der Mißhandlung habe hier vornehmlich in' der Fiatio“ nalität gelegen. Er hoffe, daß dieses System der Ausrottung der
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polnischen Sprache, das einen großen Haß gezeitigt und unter dem das polnische Volk sehr gelitten habe, jetzt geändert werde. Nachdem die preußische Regierung den Weg der gerechten Berück- sichtigung gefunden habe, sei die Hochfluth des Mißtrauens gegen die Regierung sehr zum Wohl der Armee geschwunden. Een Partei sei fest überzeugt, daß eine Reform der Militär— . wie sie die Regierung beabsichtige, die vor— handenen Mißstände beseitigen werde, und erkläre sich daher für den Antrag der Budgetkommission; doch würde eine Reform in anderer Richtung schädlich wirken, wenn sie nicht aus eigenster, freiester Initiative der Militärverwaltung und des obersten Kriegsherrn ausgehe. gasernenbethäuser, und noch dazu konfessionelle, zu schaffen, sei von keiner Seite beantragt, und werde er dazu keineswegs die Hand bieten. Wenn die erste Erziehung der Jugend nicht von religiösem Geiste getragen werde, dann würden die Conventikel auch nicht viel helfen. BGottesfurcht und Menschen— liebe müßten in den Casernen aufrecht erhalten werden, dann würden auch die Mißhandlungen aufhören. Woher der Abg. Bebel die Be⸗ hauptung habe, daß die Offiziere, und besonders die aus dem Adel sich rekrutirenden, die gemeinen Soldaten schlecht behandelten, wisse er nicht. Er kenne den Adel wohl nicht genügend.
Abg. Dr. von Bar (dfr.): Der Antrag Buhl -Richter verlange in erster Linie die Deffentlichkeit des Militärstrafverfahrens. Rur unter dem Schatten der Heimlichkeit lasse sich das bisherige Militär⸗ strafverfahren., aufrecht erhalten, und wenn man die Schanze der Oeffentlichkeit überwunden habe, habe man die Festung eingenommen. Der gegengesetzte Antrag verlange nur eine größere. Deffentlichkelit“, dafür gebe es aber überhaupt keinen juristischen Begriff. Das Militärstrafverfahren müsse dem Cixilstrafverfahren in gewissem Umfange nachgebildet werden. In der italienischen Deputirtenkammer hatten schon 1886 die italienischen Minister des Kriegs und der Juftiz dem Grundsatz der Oeffentlichkeit zugestimmt. Man habe es hier nicht mit einem Söldnerheer zu thun, sondern mit einem Heer, das allgemein aus dem Volk hervorgehe. Um so mehr müsse der Unterschied zwischen dem Civil- und dem Militairstrafverfahren fallen. Der Reichskanzler lege bei, der Militär-Strafproceßordnung das größte Gewicht auf die Disciplin. Aber eine sehr große Anzahl von Staaten hätten schon seit den fünfziger Jahren das öffentliche und mündliche Verfahren, wie Schweden, Belgien, Portugal, aber auch große Militairmãchte wie Frankreich und Italien, ja sogar Rußland, ohne daß die Disciplin darunter leide. Sei denn das Material, aus dem das deutsche Heer zusammengesetzt sei, so viel schwerer in Disciplin zu halten als bei diesen Staaten? Man habe immer das Gegentheil angenommen. Der Reichskanzler habe hervorgehoben, Diseciplin beruhe auf der Gerechtigkeit. Das unterschreibe er in vollem Maße. Wenn er den Reichskanzler recht verstehe, fo bedeute das, auf dem Vertrauen in die Gerechtigkeit der Vorgesetzten beruhe die Disciplin. Wie könne aber dieses Vertrauen beffer fein, als wenn im Zweifelsfalle ein gerichtliches Verfahren stattfinde? Cs kämen dabei nicht nur Militärpersonen in Frage, fondern man habe auch von auffälligen Urtheilen der Militärgerichte bei Excessen von Soldaten gegen Civilpersonen gehört. Da dürften die Gründe der Deffent⸗ lichkeit nicht vorenthalten werden. Der Rekrut komme aus der Civil— bevölkerung zur Armee und werde mit ganz anderem Vertrauen dem Vor— gesetzten gegenüberstehen, wenn durch ein öffentliches, volksthümliches Verfahren sestgestellt werde, daß auch im Heere Gerechtigkeit herrsche. Durch die Oeffentlichkeit des Verfahrens könne die Discsplin nicht in Trage kommen. Gerade wo eine straffe Disciplin herrsche, sei die Oeffentlichkeit erst recht am Platze. Der eine Fall, den der Abg. Haußmann gestern angeführt habe, zeige aufs deutlichste, daß das öffentliche Verfahren weit besser im Stande sei, die Wahrheit ans Licht zu bringen. Der Reichskanzler wolle das Verfahren im Frieden demjenigen im Kriege möglichst ähnlich haben. Die Militärstrafgesetze der verschiedenen Staaten zeigten doch einen erheblichen Unterschied zwischen beiden. Er (Redner) hoffe auch, daß man die meisten Jahre im Frieden leben werde; der Kriegszustand könne also nicht zur Regel genommen werden. In anderen Staaten habe man die Schwierigkeiten in kurzer Zeit überwunden. Man wolle noch Gutachten , Militars einholen. Die hei der Reform des Civil-Strafverfahrens eingeholten Gutachten der Gerichte sprächen sich alle für den bestehenden Zustand aus. Jeder Richter halte eben das eingewohnte Verfahren für ideal und wolle es nicht gern verlassen. Die Gutachten follten also die Reform nicht allzu sehr aufhalten. Die Form der Resolution be— zeichne man als schroff. Solle seine Partei etwa eine Entschuldigung für ihre Ansicht vorausschicken? Selbst wenn das bayerische Verfahren noch nicht bestände, müßte man es verlangen, weil es den An— forderungen der Neuzeit entspreche. Es könne niemand im Zweifel sein, welche der beiden Resoslutionen es ernster mit der Sache meine. Das Urtheil darüber könne seine Partei ruhig dem deutschen Volke überlassen. Das deutsche Volk verstehe die Sache und werde auch diejenigen verstehen, die es versagten, dem Antrage Folge zu leisten.
Abg. Hahn (cons.): Seine Partei habe beschlossen, der Re— solution der Budgeteommission beizutreten. Sie könne es, wie der Vorredner meine, allerdings getrost dem Urtheil des deutschen Volks überlassen, welche Resolution es am ernstesten mit der Sache nehme. Das Urtheil des deutschen Volks werde auf Seiten der Mehrheit der Budgetcommission stehen, und besonders der auf die Religion sich be⸗ ziehende Beschluß werde dem deutschen Volke den Beweis geben, daß die Commission gewillt sei, auf den Grund der Sache zu gehen und von. Grund aus zu prüfen, wo die Veranlassung liege, daß solche Scheußlichkeiten vorkämen, wie sie in dem Erlaß des Prinzen Georg geschildert seien. Die Commission habe auch fonft noch Vor— schläge gemacht, um den Wünschen des Volks in dieser Frage Rechnung zu tragen; sie habe es aber nicht für zutreffend erachtet, bei Erörterung der Frage, die zu diesem Antrage Veranlassung gegeben habe, die Frage des gefammten Militärstraf⸗ verfahrens zu berühren. Dazu werde Gelegenheit sein, wenn die an— gekündigte Vorlage der verbündeten Regierungen hier zur Berathung komme. Die Commission habe nicht ein beftimmtes Strafverfahren, z. B. das bayerische, empfehlen wollen, um nicht den Beschlüssen vorzugreifen, die später zu treffen seien; auch wolle sie den Bayern ihr Verfahren durchaus nicht nehmen. Deshalb fei seine Partei gern bereit, dem Antrag Gagern beizutreten. Der Abg. Dr. von Bar habe den Ausspruch gethan: Wenn wir erst die Oeffentlichkeit des Militärstrafverfahrens haben, haben wir auch alles Uebrige. Dann könnten die Antragsteller ja aus ihrem Antrage die Ständigkelt, Selbft— ständigkeit, Mündlichkeit fortlassen und auch dem Antrag Gagern beitreten. Diese anderen Bestimmungen seien deshalb nicht in den Antrag auf⸗ RLenommen, weil sie mit den Mißhandlungen nichts zu thun hätten. Der. Cardinalpunkt der Vorschläge der Budgetcommission fei der Passus, der sich auf die Erziehung der Jugend beziehe. Der Abg. Freiherr von Manteuffel habe bereits darauf hingewiesen, welchen Werth seine Partei hierauf lege. Der Erlaß des Prinzen Georg von Sachsen habe dazu besondere Veranlassung gegeben. Es sei gestern bemängelt worden, daß man hier öffentlich vor dem Aus⸗ lande eine zunehmende Verrohung der Bevölkerung festge⸗ stellt habe. Aber die statistischen Nachweisungen gäben von Jahr zu Jahr darüber Auskunft, in welchem . Messer⸗ stechereien und Rohheiten aller Art zunähmen, und im vorigen Jahre sei bei der Berathung der Unteroffiziersprämien auch von einem Mit- Nied der linken Seite auf diese Thatfache hingewiesen. Gegen die Stärkung der religiösen Momente im Heere habe der Abg. Richter gestern eingewandt, daß die mißhandelten Rekruten eher zu viel als zu wenig christliche Ergebenheit hätten. Aber nicht danach sei zu fragen, ob die Soldaten Ergebung genug hätten, sondern woher die Verrohung komme. Um dieser entgegenzuarbeiten, müsse dem Volke die Religion erhalten bleiben. Eonventikel in den Casernen feien nicht nöthig, es gebe andere Gelegenheiten genug, um in der Armee den religiösen Sinn zu pflegen, der für sie eine hohe Bedeutung habe. Dieser Theil des Antrags der Commission sei, trotzdem sich der Abg. von Kardorff heute dagegen erklärt habe, auch von einem Mitgliede der Reichs⸗ partei unterzeichnet worden. Sollte in Deutfchland eine Regierung vorhanden sein, die in dieser Hinsicht erst einer Anregung bedürfte, so
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würde es nichts schaden, wenn diese Regierung durch die Beschlijf des Reichstags an die Förderung der Religion gemahnt würde! unge Unteroffiziere hätten sich in einzelnen Fällen abscheuliche NMißhant lungen zu Schulden kommen lassen, doch seien sie nicht so verbreite 7 man deshalb drei Tage lang darüber im Reichstage sprechen min t Als es sich um die Bewilligung von Unteroffizierprämien geban habe, seien die Ansichten über die Qualität der Untero ffije auf jener Seite des Hauses durchaus zufriedenstellend Nee wesen, weil man die Prämien nicht habe bewilligen wollen Heute stelle man den Unteroffizierstand als einen ver- rohten, verkommenen hin. Das sei durchaus unberechtigt. Er hab⸗ die Ueherzeugung, daß die Soldatenmißhandlungen von Jahr zu Jahr mehr abnähmen. Es sei wiederholt darauf hingewiefen worden daß von der Militärverwaltung und namentlich von den deutschen Für auf das ernstlichste Bedacht genommen werde, daß Mißhandlungen im Heer nicht vorkämen. Die Kaiserliche Cabinetsordre vom ! ze⸗ bruar 1890 nehme Bezug auf eine solche vom 1. Februar 1843; in dieser nehme der König mit großem Unwillen von den Soldaten mißhandlungen Fein charakterisire sie als Uebertretung des König⸗ lichen Befehls, ganz abgesehen von der darin liegenden Gesetzesũber⸗ tretung, und stelle für diese Vergehen die härtesten Strafen n Aust⸗ sicht; es werde darin verfügt, daß von dieser Cabinetsordre jeder Offizier Kenntniß bekommen und diese Kenntnißnahme durch Unterschrift be⸗ stätigen müsse, sowie daß der die Unteroffiziere betreffende Abschnitt diesen jährlich einmal mitgetheilt werden solle. Nach allen diesen Erlassen, nach dem des Prinzen Georg, nach dem des Kaisers vom Jahre 1890, werde sich das deutsche Volk völlig vergewissert halten daß alles, was in der Macht der deutschen Fürsten und der Militr⸗ verwaltung stehe, solchen tief beklagenswerthen Ereignissen entgegen zutreten, geschehe. Da aber die Coinmission erkannt habe, daß nach dieser Richtung hin jetzt nicht genug von den Regierungen abgeholfen werden könne, so habe sie ihren Antrag gestellt, den er im Namen seiner politischen Freunde, und, wie er glaube, auch im Namen der Fractionen, deren Vertreter in der Eommission dafür gestimmt , empfehle, damit er mit einer großen Mehrheit angenommen werde.
Abg. Dr. Schaedler (Centr.): Ueber die Verurtheilung der Soldatenmißhandlungen herrsche hier volle Uebereinstimmung, er wolle nur den von ihm und seinen bayerischen Freunden ge⸗ stellten Antrag begründen. Die sämmtlichen beantragten Resolutionen gingen von den Soldatenmißhandlungen aus. Der Commissionsantrag aber gehe nach einer Richtung hin zu weit, nach der anderen nicht weit genug. Dem Antrag Buhl-Richter könne er sich deshalb nicht an— schließen, weil er den Beschwerdezwang für eine Verschlimmerung der Zustände halte. Durch ihren Antrag glaubten die Antragsteller die Sache auf den richtigen Weg zu führen und auch den Bayern võllig gerecht zu werden. Es handele sich hier nicht um das Princip, nach dem die Militärstrafprozeßordnung. geregelt werden solle, fondern' um die Herausnahme eines wichtigen Punktes, der vor der Einführung einer allgemeinen Militär⸗Strafrechtsreorganisation erledigt werden könne und müsse. Die Bayern müßten sich erhalten, was sie hätten, Daraus werde ihnen wohl niemand einen Vorwurf inachen. Der Ribg, Pr. Casselmann habe den Verlauf der Dinge in der baherischen Zweiten Kammer ganz richtig geschildert. Es herrsche dort völlige Einmüthigkeit, nachdem der dom dortigen Centrum eingebrachte Antrag mit einem anderen vereinigt worden sei; dem so zu stande gekommenen Beschluß habe sich die Erste Kammer und die Regierung angeschlossen, wobei allerdings der Kriegs⸗-Minister eine Bemerkung gemacht habe, die nicht nach allen Seiten hin Wohlgefallen erregt habe. Der ganze Antrag habe aber seinen Ausgang nicht von Soldaten— mißhandlungen genommen, sondern man habe gesagt, man beschäftige sich im Kreise der verbündeten Regierungen init einem Entwurf für eine allgemeine Militär-Strafproceßordnung, in der Bestimmungen enthalten seien, wodurch das in langen Jahren erprobte und wehl— bewährte. Verfahren beeinträchtigt werden“ folle. Es verstehe sic von selbst, daß, wenn der Reichstag sich mit der Militärgerichtsbarkeit im allgemeinen beschäftigen werde, fei es bei Berathung einer Re— gierungsvorlage, sei es bei Gelegenheit eines Initiativantrages, wie er ja vom Abg. Lr. von Marguardsen schon eingebracht fei, er mit seinen bayerischen Freunden voll und ganz auf dem bayerischen Stand⸗ punkt stehen werde. Jetzt sei noch zu hoffen, daß das neue Reichsgesetz nicht die bayerischen Eigenthümlichkeiten beseitigen werde. Man müsse praktische Politik treiben, deshalb sei in dem Antrag Rückhsicht auf die bestehenden Verhältnisse genommen. Die Schwierigkeiten, die einer Neuordnung der Dinge entgegenständen, seien nicht zu unter⸗ schätzen. Bayern müsse das behalken, was es habe. Wenn as nicht geschehen sollte, dann werde er sich auf den principiellen Standpunkt zurückziehen. Die Bayern wollten nur anderen nicht aufdrängen, was sie hätten. Wenn der Antrag Gagern nicht angenommen werde, dann würden die Bayern für den zweiten Theil des Antrags Buhl stimmen. Der Abg. Nichter brauche sie nicht zu mahnen, daß sie Vertreter des ganzen Volks seien, fie kennten ihre Pflicht auch ohne solche Mahnung. Redner tritt dann besonders für die Pflege religissen Sinnes ein, die nothwendig fei zur Schärfung des Gewissens der Mannschaften und. der Vorgesetzten. .
Darauf wird die Besprechung geschlossen. ;
Abg. Bebel (Soc.) (zur Geschäftsordnung): Seit vorgestern Abend werde er sowohl bon Seiten der Redner pom Regierungẽtisch, wie von der andern Seite des Hauses angegriffen. Jetzt, wo er zum Wort gekommen wäre, halte es die Mehrheit für angebracht, den Schluß der Besprechung herbeizuführen. Er müffe sich heute zwar bescheiden, versichere aber, daß er die erste Gelegenheit ergreifen werde, um auf alles zu antworten.
Es folgen persönliche Bemerkungen. .
Abg. Haußmann (Vp.): Die von ihm hier benutzten Acten seien ihm nicht, wie der Abg. von Kardorff glaube, von der Militärbehörde anvertraut worden, sondern sein Bureau habe deren Vorlegung durch das öffentliche Gericht erzwungen. Die von ihm vorgebrachten That⸗ sachen entstammten einem rechtskräftig entschiedenen und abgeschlossenen Proceß. Daß es von einem schlechten Geschmack zeuge, die schmutzige Wäsche seines Heimathlandes hier zu waschen, könne er nicht zugeben. Bekanntlich könne man Militärbeschwerden nicht mehr im württem— , Landtage vorbringen, weil der Militär- Etat hier berathen werde.
Abg. Hinze (fr.) Der Abg. Hahn habe aus einer vorjährigen Rede von ihm vollständig richtig citirt, daß er damals ausgeführt habe, die Qualität der Üinteroffiziere fei eine gute. Diefer Ansicht sei er noch heute, und mit ihm die ganze linke Seite.
In namentlicher Abstimmung wird darauf der Antrag von Gagern (die bayerische Clausel) mit 140 gegen 103 Stim— men abgelehnt. .
Der Antrag Richter, betreffend das Duellwesen, wird verworfen. . .
Der erste Theil des Antrags Buhl (Beschwerdepflichth wird mit 122 gegen 120 Stimmen abgelehnt. ö
Der zweite Theil des Antrags Buhl (Oeffentlichkeit) wird mit 143 gegen 100 Stimmen angenommen. .
Nummer 2 des Antrags der Commission (Erleichterung des Beschwerdeverfahrens) wird fast einstimmig angenommen, die Nummer 3 (Pflege des religiösen Sinnes) dagegen ab— gelehnt. Demgemäß lauten die Beschlüsse des Reichtags:
Die verbündeten Regierungen zu ersuchen: .
1) bei der in Aussicht genommenen Reform der. Militar⸗ . und der Militär⸗Strafproceßordnung die Grund— ätz der. Ständigkeit und Selbständigkeit der Gerichte, sowie der Oeffentlichkeit und Mündlichkeit des Hauptverfahrens, wie sie sich im Königreich Bayern bewährt haben, zur Geltung zu bring .
2) die Bestimmungen über das Beschwerderecht der NMilitir. personen, namentlich in der Richtung einer Erleichterung dieser Beschwerderechts, einer Revision zu unterziehen.
Schluß 61 Uhr.
Parlamentarische Nachrichten.
ö. n Hause der Abgeordneten sind Erläuterungen ar e e, Staats haushalts⸗-Etats für 1892/93 über w Regelung der Befoldungen der Directoren und . an den Schullehrer- und Lehrerinnen-Semi— 21 en, der Lehrer an den Präparandenanstalten und der , chulinspectoren zugegangen. Danach sind folgende Sätze angenommen worden: 1 K ö. ö. Mindestgehalt 4000 6 erreichen das, Höchstgehalt von 5400 in ö Linn, und in Stufen von je vier Jahren; Gehaltszulagen je 350 cl . 91 je z50 Stufen Dienstalter 1 — II 4 III 8 IV
Besoldung 4
e 300 it. ö . ö. . Stufen Dienstalter Besoldung
ö. ö. 3600 6. . 3 3900 ö 6 4200 IV. 9 4500 v. 15 1565. 2b. Erste Seminarlehrer (in der Provinz). Mindestgehalt 3009 , erreichen das Höchstzehalt von 4000 4 in 175 Jahren und in Stufen von je 3 Jahren; Gehaltszulagen je 1 16 ö Besoldung 3000 36h , . , ö. JJ za. Ordentliche Seminarlehrer (in Berlin). Mindestgehalt 409 „, erreichen das Höchstgehalt von 3600 ( in 24 Jahren und in Stufen von je 3 Jahren; Gehaltszulagen je
Stufen Dienstalter
Stufen Dienstalter Besoldung
63 2400 It.
3 2550 6 2700 9 2850
12 3000
15 3150
18 3300
21 3450
. 24 z6h0n, . zh. Ordentliche Seminarlehrer (in der Provinz).
Mindestgehalt 1800 n, erreichen das ,,, von 3200 6 in 4 Jahren und in Stufen von je 3 Jahren. Gehaltszulagen bis bis zum 12. Dienstjahre je 200 6, von da ab in gleichen Stufen je l50 cf
Stufen Dienstalter Besoldung 1 — 1800 el6s 11 3 2000 ,
6 2200 9 2400 2 2600 15 2750 18 2900 21 3050 24 36 4 Seminar-Hilfslehrer.
Mindestgehalt 1200 (6, erreichen das Höchstgehalt von 1800 ( in neun Jahren und in Stufen von je drei Jahren; Gehaltszulagen von je 200 .
Stufen Dienstalter Besoldung 1 1200 6 II ,
III 1600 IV 1800 3a. Seminarlehrerinnen (in Berlin). Minzestgehalt 1500 M, erreichen das Höchstgehalt von 2100 in 15 Jahren und in Stufen von je 3 Jahren; Gehaltszulagen bis uur III. Stufe je 150 4 und von da ab . 100 06 Stufen Dienstalter Besoldung 1 1500 6 , 1800 1900 2 2000 15 2100 5b. Seminarlehrerinnen (in der Provinz). Mindestgehalt 1000 6, erreichen das Höchstgehalt von 2000 (0 ᷣ. Jahren und in Stufen von je 3 Jahren; Gehaltszulagen je 200 c.
!
E.
O
4
Besoldung 1000 6 100 . ,, 13800 VI 15 2000 ö 6) Präparandenanstaltsvorsteher. stehen den ordentlichen Seminarlehrern in der Provinz gleich und efiehen ihre Gehälter wie diese (vergl. 3b). ge d, ) Zweite Präparandenlehrer. Mindestgehalt 1400 „M, erreichen das Höchstgehalt von 2000 ( n lz Jahren und in Stufen von je 3 Jahren; Gehaltszulagen bis uur III. Stufe je 150 ft, von da ab je 190 (, Stufen Dienstalter Besoldung l 1400 et. , . 1800 . 19600 . VI 15 2000 Minde 8] Kreisschulinspectoren. ( 36 lindestgehalt 2700 *, erreichen das Höchstgehalt von 5400 Ill. n 2 Jahren und in Stufen von je 3 Jahren; Gehaltszulagen bis h Cireichung des Gehaltes von 5100 eα je 400 (, letzte Stufe
9
Stufen Dienstalter
c
Dienstalter Besoldung 2700 A6 3100 3500 . 3900 4300 4700 ? 5100 R bie mn al ien hie re gn inspetturanies Sypstem der Aufbesserungen haben die Kreis⸗Schul, . aufgenommen werden müssen, weil sich ihre Zahl fast Senn mẽles aus der Kategorie der Gymnasiallehrer und der heri na g hrer ergänzt, Würden also diese Beamten auf ihren bis— i bang ben belassen, so würde es nicht mehr möglich sein, Rbigte. Männer für die erledigten Stellen zu gewinnen. ; in dan Hei, welche für das Aufrücken ejnes Kreis Schulinspectors döchstgehalt vorgeschrieben ist, ist mit Rücksicht darauf so
Stufen l
hoch bemessen, daß den Kreis⸗-Schulinspectoren bei ihrem Uebertritt aus einer anderen Amtsstellung ihr bisheriges Dienstalter jedesmal soweit angerechnet werden soll, als erforderlich ist, damit fie in diejenige Dienstaltersstufe ihrer neuen Stellung eintreten können, welche ihrem bisherigen Einkommen entspricht.
In gleicher Weise soll auch bei dem Uebertritt in den Seminar⸗ dienst eine Schädigung der Beamten vermieden werden und für den Fall der Berufung eines Kreis⸗Schulinspectors oder eines Leiters oder Lehrers an einer inländischen staatlichen höheren Unterrichtsanstalt zum Leiter oder Lehrer eines Seminars die Dienstzeit als Kreis-Schul⸗= inspector oder als definitiv angestellter Leiter oder Lehrer an einer der genannten Anstalten mit der vorbezeichneten Wirkung angerechnet werden. Auch für die nur vereinzelt vorkommenden Fälle, in denen in ordentlicher Seminarlehrer mit einem Einkommen von mehr als 3000 M zum Ersten Seminarlehrer befördert wird, ist die Anwendung des gleichen Grundsatzes beabsichtigt. ⸗ .
Dagegen soll bei der Berufung von Beamten, auf welche diese Voraussetzungen nicht zutreffen, insbesondere also bei der Berufung von Beamten des mittelbaren Staatsdienstes zum Leiter oder Lehrer eines Seminars die Anrechnung früherer Dienstjahre der Verstän— digung im einzelnen Falle vorbehalten bleiben. .
Im übrigen sollen für die Gewährung der Dienstalterszulagen die gleichen Grundsätze maßgebend sein, wie sie für diejenigen Be— amtenklassen bestehen, für welche das System der Besoldung nach Dienstaltersstufen eingeführt ist.
— Die Volksschul gesetz-Commission des Hauses der Abgeordneten berieth, wie die Morgenblätter mittheilen, im weiteren Verlaufe der gestrigen Sitzung den Absatz 3 des 8 14 der Vorlage, welcher lautet: „Soweit nicht an einem Orte bereits eine anderweite Schulverfassung besteht, sollen neue Volksschulen nur auf confessioneller Grundlage eingerichtet werden. Die vorhandenen Volksschulen bleiben, vorbehaltlich anderweiter Anordnung im einzelnen Falle. (6 6), in ihrer gegenwärtigen Verfassung bestehen. Die Nationalliberalen beantragten, auch diesen Absatz zu streichen, eventuell aber ihm folgende Fassung zu geben: „Die An⸗ ordnung der Verwandlung einer CEonfessionsschule in eine Simultanschule und umgekehrt ist an die Justimmung der Gemeinde (Gutsbezirk, Schulverband) geknüpft. Die versagte Zu⸗ stimmung kann bei ländlichen Schulbezirken durch den Kreisausschuß, bei städtischen durch den Bezirksausschuß ergänzt werden.“ Die Freiconservativen beantragten, hinter Volksschulen“ einzuschalten in der Regel“; nach dem ersten Satz einzuschalten: „Ausnahmen dürfen nur aus besonderen Gründen und auch in Stadtkreisen nur mit Genehmigung des Regierungs-Präsidenten stattfinden“; und als Schlußsatz dem Absatz 3 anzufügen: „Die Anordnung der Ver— wandlung einer Confessionsschule in eine Simultanschule und um— gekehrt ist an die Zustimmung der Gemeinde (Gutsbezirk, Schul⸗ verband) geknüpft. Die versagte Zustimmung kann bei ländlichen Schulbezirken durch den Kreisausschuf, bei städtischen durch den Bezirksausschuß ergänzt werden. Die Conservativen be— antragten die Anfügung folgenden Satzes; „Eine solche Anordnung bedarf der Zustimmung der Gemeinde (Gutsbezirk, Schulverband). Die versagte Zustimmung kann bei ländlichen Schulbezirken durch den Kreisausschuß, bei städtischen Schulbezirken durch den Bezirks— ausschuß ergänzt werden. Das Centrum endlich beantragte, den ersten Satz wie folgt zu fassen: „Neue Volksschulen sollen nur als confessionelle eingerichtet werden“, event. statt „auf confessioneller Grundlage“ zu setzen ‚als confessionelle', und hinter vorhandenen“ einzuschalten nicht confessionellen“. In der Discussion bemerkte Abg. Frhr. von Zedlitz (freicons.): Man habe erlebt, daß gegen den Willen der Gemeinden und der öffentlichen Volksmeinung Simultan— schulen in confessionelle Schulen umgewandelt worden seien. Um ein Sicherheitsventil zu schaffen, müsse die Limwandlung an die Zustimmung der Gemeinden geknüpft werden. Solle die Entwickelung der Schule nicht gehemmt werden, so müsse den Schulunterhaltungspflichtigen eine weitgehende Mitwirkung eingeräumt werden. Staats⸗Minister Graf Zedlitz: Dem Antrage des Centrums könne er nicht zu— stimmen. Was den Antrag der Freiconservativen betreffe, so könne er sich mit dem Grundgedanken, der der Selbstverwaltung eine größere Mitwirkung einräumen wolle und der ganz seiner Auffassung ent⸗ spreche, einverstanden erklären. Abg. Freiherr von Huene (Centr.) trat für die Aufrechterhaltung des Centrumsantrages ein. Abg. Hansen (freicons.) vertheidigte die freiconservativen Anträge auch in ihren ersten beiden Absätzen. Selbst wenn das möglichst“ im Ar⸗ tikel 4 der Verfassung in dem Sinne auszulegen sei, daß „überall, wo es möglich, neue Schulen nur auf confessioneller Grundlage er— richtet werden dürften“, entspreche Abs. 3 des 5 14 der Vorlage nicht der Verfassung, da er für die Zukunft die Errichtung neuer Simultanschulen unbedingt verhindern wolle. Abg. Hobrecht (nl) vertheidigte den nationalliberalen Antrag, gab aber zu, daß durch den von den Freiconservativen vorgeschlagenen Zusatz „in der Regel“ die verfassungsmäßigen Bedenken gemildert würden. Abg. Dr. von Jazdzewski (Pole): In der Provinz Pofen werde dem Wunsch der Bevölkerung nach confessionellen Schulen zu wenig Rechnung getragen, er, sei also dafür, die Errichtung von Simultan— schulen gesetzlich zu verhindern. Abg, Grim m- Frankfurt nl.) : In Simultanschulen werde unter gewohnlichen Her ir . dem con⸗ fessionellen Unterricht mehr Rechnung getragen als in confessionellen Schulen. Abs. 3 des F 14 widerstreite gegen die Bestimmung der Verfassung, welcher die confessionellen Verhältnisse ‚möglichst“ zü berücksichtigen vorschreibe. Abg. Rickert (fr.) befuͤrwortete den Antrag der Nationalliberalen. Abg. Freiherr von Huene (Centr.) erklärte, für den conservativen Antrag stimmen zu wollen, vorbehalt— lich redactioneller Verbesserung in zweiter Lesung. Abg. Graf zu Limburg-Stirum l(eons. :. Er und seine Freunde hätten in ihrem Antrage den Ausdruck „Simultanschulen' vermieden, da die Gelehrten über diesen Begriff nicht einig seien. Bei der Abstim⸗ mung wurden alle. übrigen, Anträge abgelehnt, bis auf den der Conservativen. Mit dem conservativen Zu satz wurde Abs. 3 des S 14 gegen die. Stimmen der Freiconservativen. Nationalliberalen und Freisinnigen ange⸗ nommen. — Die Conservativen beantragten nun, dem 5 14 folgenden neuen Absatz 4 anzufügen: „Sind in einer eonfessionell eingerichteten Schule Kinder, welche einer anderen Confession ange— hören, vorhanden, so kann ein Lehrer dieser Confession angestellt und es darf demselben außer dem Religionsunterricht mit Zustimmung des Schulvorstandes die Ertheilung anderer Lehrstunden übertragen werden.“ Die Freiconservativen beantragten, in dem Antrage der Conservativen die Worte mit Zustimmung des Schulvorstandes“ zu streichen. Für den Fall der Aufrechterhaltung dieser Worte be— antragten sie, nach Religionsunterricht“ einzuschalten: bezw. dem Unter⸗ richt in der deutschen Sprache und der vaterländischen Geschichte“. Geheimer Ober⸗Finanz⸗Nath Germar, als Commissar des Finanz— Ministers, hielt es in Uebereinstimmung mit dem Antrage der Frei— conservativen für bedenklich, wenn die Beschäftigung des Religions— lehrers auch in anderen Lehrfächern von der Zustimmung des Schul⸗ vorstandes abhängig gemacht werde. Die Finanzrücksichten müßten doch gewahrt werden, und dem Schulvorstand dürfe nicht das Recht ge— geben werden, durch seine Beschlüsse eine finanzielle Belastung der Gemeinde herbeizuführen. Gegenüber den erheblichen Zuwendungen des Staats, die im letzten Jahre zu Gunsten der Volksschule erfolgt seien, müsse er jeden Versuch, der zu einer Mehrbelastung der Staats⸗ finanzen führe, bekämpfen. Abg. Rickert (dfr.) beantragte, in dem Antrage der Conservativen anstatt mit Zustimmung“ zu sagen: nach Anhörung des Schulvorstandes“. Landrath Dr. Kruse, als Commissar des Ministeriums des Innern, vertrat den Standpunkt des Commissars aus dem Finanz⸗Ministerium, und betonte, daß Angelegenheiten mit finanziellen Folgen nicht dem Schulvorstand anheimgegeben werden dürften; er glaube auch, daß in diesem . der Schulvorstand nur gehört werden dürfe. Die Abgg. Rickert (dfr. und Dr. Friedberg (nl) hoben hervor, daß die Conservativen mit ihren Anträgen bezüglich der Wahrung der Rechte der Confessionen noch über die Regierungsvorlage hinaus— gingen und dadurch dem Centrum noch weitere Zugeständnisse machten.
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Die Unteranträge der Freiconserva . darau ionalliberalen und Frei⸗
gegen die Stimmen der Freisinnigen, National n conservativen abgelehnt; der Antrag der Conservativen gegen dieselben Stimmen angenommen. Die Berathungen der Commission werden heute Abend fortgesetzt werden.
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Statistik und Volkswirthschaft.
Deutscher Innungs- und Handwerkertag. ⸗
Im weiteren Verlauf der gestrigen Sitzung wurde die gLstern mitgetheilte Resolution des General-Secretärs Dr. Adolf Schulz (Berlin) über die Ausbildung des Genossenschaftswesens im Handwerkerstand mit geringer Mehrheit abgelehnt und weiter folgende Resolutign des Buchbindermeisters Nagler (München) angenom⸗ men: Der deutsche Innungs⸗ und Handwerkertag verzichtet, angesichts der politischen Censtellation, zur Zeit auf die Gründung einer eigenen Partei. Er betrachtet es, in Eonseguenz der Reichskagssitzung vom 24 November 1891, als im Interesse des Handwerkerstandes gelegen, bei den Wahlen mit aller Entschiedenheit für die conservative und Centrumspartei einzutreten; in Bezirken, wo solche Candidaten fehlen, jedoch die Aufstellung eigener Handwerker-Candidaten vorzu— nehmen oder sich gänzlich der Stimme ju enthalten.“ Hierauf wurde die Versammlung mit einem dreifachen Hoch auf Sein? Majestät den Kaiser geschlossen.
Wohnungsverhältnisse der Arbeiter.
In dem 1. Heft der Zeitschrift für das Berg-, Hütten- und Salinenwesen im preußischen. Stagt“, Jahrgang is?, ist eine Abhandlung von dem Königlichen Ober-Bergrath' in Halle, z. 3. Hilfsarbeiter im Ministerium für Handel und Gewerbe, Täglich?“ beck über die Wohnungsverhältnisse der Berg- und Sa— linenarbeiter im Ober⸗Bergamtsbezirk Hakle veröffent— licht. Der Arbeit liegen amtliche Suellen zu Grunde. Es sind die Wohnungsverhältnisse von nahezu 45 000 Personen — deren An— gehörige ungerechnet — ermittelt worden. Die „Wohlfahrts- Eor— respondenz giebt über die Abhandlung folgende Mittheilungen:
Die Abhandlung zerfällt in 5 Haupttheile:
. Maßnahmen der Werksbesitzir zur Wohnhaftmachung der Arbeiter und Beamten. B. Wohnungen der Arbeiter und Beamten außerhalb der Fürsorge der Werksbesitzer. C. Mitwirkung der Knapp— schaftsvereine zur Wohnhaftmachung der Knappschaftsmitglieder. D. Vergleichung der gewonnenen Ergebnisse. E. Maßnahmen zur Abstellung von Mißständen in den Wohnungsverhältnissen der Berg— arbeiter im Ober⸗Bergamtsbezirk Halle.
Die im Abschnitt A geschilderten Maßnahmen der Unternehmer sind mannigfacher Art; z. Th. geschieht die Wohnhaftmachung durch Gewährung von Wohnungen, sei es miethweise oder als auf den Lohn angerechnete Naturalleistung. Daneben find einzelne Werks— besitzer (bor allem der Fiscus und die Mansfeld'sche Kupferschiefer bauende Gewerkschaft in Eisleben) bemüht gewesen, ihre Angestellten (Arbeiter und Beamte) durch Gewährung von Hausbauprämien und unverzinslichen, amortisirbaren Hausbaudarlehen, sowie auch durch billige Ueberlassung von Baustellenland bei der Wohnhaft machung zu unterstützen. Der Abschnitt ergiebt bei eingehender von zahlreichen Tabellen begleiteter Betrachtung der auf den einzelnen Stagts- und Privatwerken getroffenen Maßnahmen, datz der Fis cus im Verhältniß zu den beschäftigten Arbeitern im O. B. A.- Bez; Halle in der Fürsorge für die Wohnhaftmachung den privaten Unternehmern voransteht.
Der Abschnitt B stellt die eigenen Bemühungen der Angestellten um ihre Wohnhaftmachung, gleichfalls nach einzelnen Werken getrennt, unter Beifügung zahlreicher Tabellen dar. Unterschieden werden ins— besondere folgende Gruppen:
1) (gewissermaßen das Verbindungsglied zu Abschnitt 2). Die— jenigen, welche in eigenen, mit des Werksbesitzers Hilfe erbauten Häusern wohnen. 2) Diejenigen, welche in felbständig erbauten, eigenen Häusern wohnen. I) a. Diejenigen, welche als Verheirathete, b. diejenigen, welche als ö in Miethhäusern wohnen.
Der Abschnitt O läßt erkennen, daß die Unterstützung der Knappschaftsvereine für die Seßhaftmachung der Knappschaftsgenossen vom wesentlichen Erfolge gewesen ist. In besonders großem uͤmfange hat der sehr gut situirte Halberstädter Knappschaftsverein Hausbau⸗ darlehen gewährt. Die Bedingungen derselben find als Anlage bei— gefügt.
Der Abschnitt D giebt die näheren Angaben über die von den Werksbesitzern aufgewendeten Baukosten, berechnet den sich ergebenden Zinsfuß und vergleicht andererseits die bekannt gewordenen Mieth— preise mit dem Fahresverdienst. Dabei ergiebt sich die günstige Er— scheinung, daß die große Mehrheit der Arbeiter weniger als 163 do des Jahres-Arbeitsberdienstes (730 — 1030 „ nach der mitgetheilten Lohnstatistik) auf die Wohnung verwenden. Nahezu gleichzeitig fam J. Dezember 1899) für die Staatswerke in den Ober-Bergamts— bezirken Halle, Klausthal, Dortmund und Bonn sowie für den ober— schlesischen Bergwerks- und Hüttendistriet vom 1. Januar 1890 angestellte Erhebungen getetten interessante Vergleiche. Danach u der Hallesche Bezirk in Bezug auf die Zahl der benutzten Wohnräume (3 einschließlich der Küche) mit in erster Linie; an Hauseigenthümern unter seinen Arbeitern steht er in der Mitte; größere Zahlen weisen Saarbrücken und Klausthal, kleinere Oberschlesien und Westfalen auf. Jedoch übertreffen diese beiden Bezirke den Halleschen in Ansehung der von Werksbesitzern zur Nutzung bereit gestellten Wohnungen.
Der Abschnitt E resumirt dahin, daß die Erbauung eigener Häuser durch die Arbeiter auf einen geringen Umfang voraussichtlich beschränkt bleiben wird, und daß, auch im Interesse solider Bauaus⸗ führung, das Bestreben der Werkebesitzer zur Bereitstellung von Miethswohnungen von größerer Bedeutung zu werden verspricht. Günstig für den Halleschen Bezirk ist es insbesondere, daß auch die Braunkohlenindustrie in der Wohnungsfrage sich eifrig zu bethätigen beginnt. .
Eine weitere Förderung für die bergmännische Ansiedelung wird nicht nur im Ober-Bergamksbezirk Halle, sondern namentlich auch im niederrheinisch⸗-westfälischen Bergbaudistriet von einer Revision des Ansiedelungsgesetzes vom 25. August 1876 erwartet; auch wird der Verkauf geeigneter Domänengrundstücke zu Bauplätzen angeregt werden. ö.
Zum Schluß prüft der Verfasser die Verhältnisse der Kost⸗ und Quartiergänger und gelangt zu dem Ergebniß, daß im Halleschen Bezirk einmal die Zahl derselben keine auffallend hohe ist, und daß, im Gegensatz zu anderen Industriebezirken, besonders hervorstechende Uebelstande auf diesem Gebiet nur vereinzelt aufgetreten find, immer— hin aber eine Abänderung und Vervollständigung der Polizeiverord⸗ nungen über das Kost, und Quartiergängerwesen im Sinne der für den Regierungsbezirk Düsseldorf über das Halten von Kost- und Quartiergängern unter dem 11. Juli 1887 erlassenen Polizeiverordnung zu wünschen ist. ö Ar beiter ⸗Ausschü sse. ; .
Der Vorstand des Linksrheinischen Vereins für . Ge— meinwohl“ hat seinen Mitgliedern den Entwurf einer Normal⸗ Arbeitsordnung übersandt und sie in einem Anschreiben n ,. der Errichtung von Arbeiter-Ausschüssen näher zu treten. Es heißt da:
Um so mehr empfiehlt es sich, schon jetzt Arbeiter-Ausschüsse ein⸗ zurichten, weil die Arbeiter jetzt es als besonderen Vertrauens⸗ ausdruck um so dankbarer empfinden müssen, wenn der Arbeitgeber ihnen ohne Gesetzzwang Gelegenheit giebt, ihre Wünsche und An— schauungen bei Abfassung der einzelnen Bestimmungen der Arbeits⸗ ordnung zum Ausdruck zu bringen. Alle Gründe, welche bereits vor Erlaß des Gesetzes für eine solche Betheiligung der Arbeiter geltend gemacht werden konnten und auf Grund von Erfahrungen von zahl⸗ reichen Arbeitgebern geltend gemacht wurden, beanspruchen jetzt eine erhöhte Bedeutung.“ .
Alsdann tritt das Schreiben in die Begründung der „Anhörung der Arbeiter“ durch ihren gewählten Ausschuß ein wie folgt: